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Alan Smithee
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Alan Smithee steht als Pseudonym für einen fiktiven Regisseur, der Filme verantwortet, bei denen der eigentliche Regisseur seinen Namen nicht mit dem Werk in Verbindung gebracht haben möchte. Von 1968 bis 2000 wurde es von der Directors Guild of America (DGA) für solche Situationen empfohlen. Alternative Schreibweisen sind unter anderem die Ursprungsvariante Allen Smithee sowie Alan Smythee und Adam Smithee. Auch zwei teilweise asiatisch anmutende Schreibweisen Alan Smi Thee und Sumishii Aran gehören laut IMDb dazu.
Das Pseudonym entstand 1968 infolge der Arbeiten am Western-Film Death of a Gunfighter (deutscher Titel Frank Patch – Deine Stunden sind gezählt). Regisseur Robert Totten und Hauptdarsteller Richard Widmark gerieten in einen Streit, woraufhin Don Siegel als neuer Regisseur eingesetzt wurde. Der Film trug nach Abschluss der Arbeiten noch deutlich Tottens Handschrift, der auch mehr Drehtage als Siegel daran gearbeitet hatte, weshalb dieser die Nennung seines Namens als Regisseur ablehnte. Totten selbst lehnte aber ebenfalls ab. Als Lösung wurde Allen Smithee als ein möglichst einzigartiger Name gewählt. In den zeitgenössischen Kritiken wurde der Regisseur u. a. von Roger Ebert mit den Worten gelobt:
1997 kam die Parodie An Alan Smithee Film: Burn Hollywood Burn (deutscher Titel Fahr zur Hölle Hollywood) in die Kinos, was das Pseudonym einem größeren Publikum bekannt machte, nicht zuletzt weil Arthur Hiller, der eigentliche Regisseur des Films, selbst seinen Namen zurückzog und analog zum Filmtitel das Pseudonym Alan Smithee benutzte. Der Film gilt als einer der schlechtesten Filme der 1990er Jahre und gewann fünf Goldene Himbeeren. Der Film Supernova ist der erste Post-Smithee-Film, dort führte ein gewisser Thomas Lee alias Walter Hill die Regie.
Die Verwendung dieses oder eines anderen Pseudonyms ist für Mitglieder der DGA streng reglementiert. Ein Regisseur, der für einen von ihm gedrehten Film seinen Namen nicht hergeben möchte, hat nach Sichtung des fertigen Films drei Tage Zeit, anzuzeigen, dass er ein Pseudonym verwenden möchte. Der Rat der DGA entscheidet binnen zwei Tagen über das Anliegen. Erhebt die Produktionsfirma Einspruch, entscheidet ein Komitee aus Mitgliedern der DGA und der Vereinigung der Film- und Fernsehproduzenten, ob der Regisseur ein Pseudonym angeben darf. Über die Beantragung muss der Regisseur Stillschweigen halten, ebenso darf er den fertigen Film nicht öffentlich kritisieren, wenn die DGA ihm die Verwendung eines Pseudonyms zugesteht. Ein Antrag des Regisseurs auf Pseudonymisierung kann abgelehnt werden, so durfte Tony Kaye den Namen Smithee bei dem Film American History X nicht einsetzen, obwohl er den Antrag stellte. Auch bei nicht-US-amerikanischen Produktionen wird der Name verwendet, wie etwa beim Pilotfilm der Fernsehserie Schulmädchen. 2007 sendete die ARD am 8. und 9. August den zweiteiligen TV-Film Paparazzo. Auch in diesem Werk erscheint anstatt des eigentlichen Regisseurs Stephan Wagner Alan Smithee im Abspann. Regisseure, die das Pseudonym benutzt haben: * Don Siegel und Robert Totten (für Frank Patch – Deine Stunden sind gezählt) * David Lynch (für die dreistündige Fernsehfassung von Der Wüstenplanet) * Gianni Bozzacchi (für I Love N.Y.) * Stuart Rosenberg (für Let’s Get Harry) * Richard C. Sarafian (für Starfire) * Dennis Hopper (für Catchfire) * Arthur Hiller (für Fahr zur Hölle Hollywood) * Rick Rosenthal (Die Vögel II – Die Rückkehr) * Kevin Yagher (Hellraiser IV – Bloodline) * William Lustig (Maniac Cop 3) * Jerrold Freedman (für Die O.J. Simpson Story – Der Mordfall des Jahrhunderts) Der Pilotfilm der Serie MacGyver und die fünfte Folge der ersten Staffel führen einen Alan Smithee als Regisseur. Auf der TV-Serien-Seite TV Rage wird Jerrold Freedman als Regisseur des Pilotfilms angegeben. Der Regisseur der fünften Folge ist unbekannt. Zu den Drehbuchautoren, die das Pseudonym benutzt haben, gehören Sam Raimi und Ivan Raimi, die das Drehbuch zu Die total beknackte Nuß als Alan Smithee, Jr. und Alan Smithee, Sr. schrieben. Auch in Computerspielen wird dieses Pseudonym angegeben: Im Abspann des Ego-Shooters Marine Sharpshooter IV aus dem Jahr 2008 wird als Art Director des Spiels Alan Smithee genannt. 2014 produzierte die New Yorker Performance-Kompanie Big Dance Theater Alan Smithee Directed this Play, das im August des Jahres auch in Berlin bei Tanz im August aufgeführt wurde.
* Jeremy Braddock, Stephen Hock (Hrsg.): Directed by Allen Smithee. Foreword by Andrew Sarris. University of Minnesota Press, Minneapolis, London 2001, ISBN 0-8166-3534-X.
* vom 23. August 2010, abgerufen am 5. April 2024 * vom 15. März 2015, abgerufen am 5. April 2024
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Actinium
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Actinium ist ein radioaktives chemisches Element mit dem Elementsymbol Ac und der Ordnungszahl 89. Im Periodensystem der Elemente steht es in der 3. IUPAC-Gruppe, der Scandiumgruppe. Das Element ist ein Metall und gehört zur 7. Periode, d-Block. Es ist der Namensgeber der Gruppe der Actinoide, der ihm folgenden 14 Elemente.
Das Actinium wurde im Jahr 1899 von dem französischen Chemiker André-Louis Debierne entdeckt, der es aus Pechblende isolierte und ihm zunächst Ähnlichkeiten mit dem Titan oder dem Thorium zuschrieb; seine Bezeichnung leitete er wegen der Radioaktivität von griechisch ἀκτίς aktís ‚Strahl‘ ab. Friedrich Giesel entdeckte das Element unabhängig davon im Jahr 1902 und beschrieb eine Ähnlichkeit zum Lanthan; er gab ihm den Namen Emanium, eine Bildung zu lateinisch emano ‚ausfließen‘, ebenfalls mit Bezug zur abgegebenen Strahlung. Die Geschichte der Entdeckung wurde in Publikationen von 1971 und später im Jahr 2000 immer noch als fraglich beschrieben. Sie zeigen, dass die Publikationen von 1904 einerseits und die von 1899 und 1900 andererseits Widersprüche aufweisen.
Da in Uranerzen nur wenig Actinium vorhanden ist, spielt diese Quelle keine Rolle für die Gewinnung. Technisch wird das Isotop 227Ac durch Bestrahlung von 226Ra mit Neutronen in Kernreaktoren hergestellt. :\mathrm{^{226}_{\ 88}Ra\ +\ ^{1}_{0}n\ \longrightarrow \ ^{227}_{\ 88}Ra\ \xrightarrow[42,2 \ min]{\beta^-} \ ^{227}_{\ 89}Ac} :Die Zeitangaben sind Halbwertszeiten. Durch den schnellen Zerfall des Actiniums waren stets nur geringe Mengen verfügbar. Die erste künstliche Herstellung von Actinium wurde im Argonne National Laboratory in Chicago durchgeführt.
Das Metall ist silberweiß glänzend Aufgrund seiner starken Radioaktivität leuchtet Actinium im Dunkeln in einem hellblauen Licht. Actinium ist das namensgebende Element der Actinoiden, ähnlich wie Lanthan für die Lanthanoiden. Die Gruppe der Elemente zeigt deutlichere Unterschiede als die Lanthanoide; daher dauerte es bis 1945, bis Glenn T. Seaborg die wichtigsten Änderungen zum Periodensystem von Mendelejew vorschlagen konnte: die Einführung der Actinoide.
Es ist sehr reaktionsfähig und wird von Luft und Wasser angegriffen, überzieht sich aber mit einer Schicht von Actiniumoxid, wodurch es vor weiterer Oxidation geschützt ist. Das Ac3+-Ion ist farblos. Das chemische Verhalten von Actinium ähnelt sehr dem Lanthan. Actinium ist in allen zehn bekannten Verbindungen dreiwertig.
Bekannt sind 26 Isotope, wovon nur zwei natürlich vorkommen. Das langlebigste Isotop 227Ac (Halbwertszeit 21,8 Jahre) hat zwei Zerfallskanäle: es ist ein Alpha- und Betastrahler. 227Ac ist ein Zerfallsprodukt des Uranisotops 235U und kommt zu einem kleinen Teil in Uranerzen vor. Daraus lassen sich wägbare Mengen 227Ac gewinnen, die somit ein verhältnismäßig einfaches Studium dieses Elementes ermöglichen. Da sich unter den radioaktiven Zerfallsprodukten einige Gammastrahler befinden, sind aber aufwändige Strahlenschutzvorkehrungen nötig.
Actinium wird zur Erzeugung von Neutronen eingesetzt, die bei Aktivierungsanalysen eine Rolle spielen. Außerdem wird es für die thermoionische Energieumwandlung genutzt. Beim dualen Zerfall des 227Ac geht der größte Teil unter Emission von Beta-Teilchen in das Thoriumisotop 227Th, aber ca. 1 % zerfällt durch Alpha-Emission zu Francium 223Fr. Eine Lösung von 227Ac ist daher als Quelle für das kurzlebige 223Fr verwendbar. Letzteres kann dann regelmäßig abgetrennt und untersucht werden.
Einstufungen nach der CLP-Verordnung liegen nicht vor, weil diese nur die chemische Gefährlichkeit umfassen und eine völlig untergeordnete Rolle gegenüber den auf der Radioaktivität beruhenden Gefahren spielen. Auch Letzteres gilt nur, wenn es sich um eine dafür relevante Stoffmenge handelt.
Nur eine geringe Anzahl von Actiniumverbindungen ist bekannt. Mit Ausnahme von AcPO4 sind sie alle den entsprechenden Lanthanverbindungen ähnlich und enthalten Actinium in der Oxidationsstufe +3. Insbesondere unterscheiden sich die Gitterkonstanten der jeweiligen Lanthan- und Actinium-Verbindungen nur in wenigen Prozent.
Actinium(III)-fluorid (AcF3) kann entweder in Lösung oder durch Feststoffreaktion dargestellt werden. Im ersten Fall gibt man bei Raumtemperatur Flusssäure zu einer Ac3+-Lösung und fällt das Produkt aus. im anderen Fall wird Actinium-Metall mit Fluorwasserstoff bei 700 °C in einer Platinapparatur behandelt. Actinium(III)-chlorid (AcCl3) wird durch Umsetzung von Actiniumhydroxid oder -oxalat mit Tetrachlormethan bei Temperaturen oberhalb von 960 °C erhalten. Die Reaktion von Aluminiumbromid und Actinium(III)-oxid führt zum Actinium(III)-bromid (AcBr3) und Behandlung mit feuchtem Ammoniak bei 500 °C führt zum Oxibromid AcOBr.
* Lester R. Morss, Norman M. Edelstein, Joseph J. Katz, Jean Fuger (Hrsg.): The Chemistry of the Actinide and Transactinide Elements, Springer, Dordrecht 2006; ISBN 1-4020-3555-1, S. 18–51 (doi:10.1007/1-4020-3598-5_2).
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Ang Lee
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Ang Lee (; * 23. Oktober 1954 in Chaozhou, Landkreis Pingtung, Taiwan) ist ein taiwanischer Filmregisseur, Drehbuchautor und Produzent. Er ist als vielfach ausgezeichneter Regisseur bekannt für so unterschiedliche Filme wie Eat Drink Man Woman, die Jane-Austen-Adaption Sinn und Sinnlichkeit und den Martial-Arts-Film Tiger and Dragon. Für seine Filme Brokeback Mountain (2005) und Life of Pi: Schiffbruch mit Tiger (2012) wurde er jeweils mit dem Oscar in der Kategorie Beste Regie ausgezeichnet.
Ang Lee wurde 1954 in Taiwan geboren. Seine Eltern, Emigranten aus China, lernten sich in Taiwan kennen, Lee ist ihr ältester Sohn. Die Großeltern väterlicher- und mütterlicherseits sind im Zuge der kommunistischen Revolution in China ums Leben gekommen. Da sein Vater als Lehrer häufiger die Arbeitsstelle wechselte, wuchs Ang Lee in verschiedenen Städten Taiwans auf. Entgegen den Wünschen seiner Eltern, wie sein Vater eine klassische akademische Laufbahn einzuschlagen, interessierte sich Lee für das Schauspiel und absolvierte mit ihrem Einverständnis zunächst ein Theater- und Filmstudium in Taipeh. Im Anschluss daran ging er 1978 in die USA, um an der Universität von Illinois in Urbana-Champaign Theaterwissenschaft und -regie zu studieren. Nach dem Erwerb seines B.A. in Illinois verlegte er sich ganz auf das Studium der Film- und Theaterproduktion an der Universität von New York, das er 1985 mit einem Master abschloss. Danach entschloss er sich, mit seiner ebenfalls aus Taiwan stammenden Ehefrau zusammen in den USA zu bleiben. Sein Interesse verschob sich trotz erster Erfahrungen mit dem Super-8-Film in Taiwan erst spät ganz auf Filmregie und -produktion – auch weil Lee seinen Berufswunsch seiner Familie und insbesondere seinem Vater gegenüber lange Zeit nicht eingestehen wollte. Nach dem Studium konnte er zunächst keine eigenen Projekte umsetzen. Erst ab 1992, als er seinen ersten Langfilm fertigstellte, zeichnete sich eine kontinuierliche Karriere als Regisseur ab. Als seine bisher größte Erfolge – sowohl beim Publikum als auch bei der Kritik – gelten das Martial-Arts-Drama Tiger and Dragon mit einer pan-asiatischen Starbesetzung und der Post-Western-Liebesfilm Brokeback Mountain mit Heath Ledger und Jake Gyllenhaal. Für Letzteren bekam Lee 2006 als erster asiatisch-stämmiger und nicht-weißer Regisseur den Oscar für die beste Regie. Außerdem wurden Lees Filme, neben vielen weiteren Preisen, mit mittlerweile zwei Goldenen Bären der Berlinale und zwei Goldenen Löwen der Filmfestspiele von Venedig ausgezeichnet. Lee ist seit 1983 mit der Mikrobiologin Jane Lin verheiratet. Sie leben in White Plains, Westchester County, im Bundesstaat New York. Aus der Ehe stammen die Söhne Haan (* 1984) und Mason (* 1990). Ang Lee besitzt eine United States Permanent Resident Card.
Nach seinen ersten Filmerfahrungen in Taiwan setzte sich Lee erst wieder während seines Studiums in den USA ernsthaft mit dem Filmemachen auseinander. Im Rahmen seines Studiums in New York drehte er einige Kurzfilme und wirkte unter anderem beim Abschlussdreh seines Studienkollegen Spike Lee als Regieassistent mit. Sein eigener Abschlussfilm Fine Line gewann 1985 zwei Preise beim renommierten Filmfest seiner Universität. Erst 1992 gelang es ihm, nach dem Gewinn eines hochdotierten Drehbuchwettbewerbs in Taiwan, den ersten einer Reihe von drei Filmen zu drehen, die west-östliche Konflikte taiwanischer Familien zum Thema haben.
Diese ersten drei Langfilme, die Lee realisieren konnte, werden im Allgemeinen unter dem Begriff Father Knows Best gefasst. Diese Bezeichnung geht auf die wiederkehrende Figur des chinesischen Familienoberhaupts, gespielt jeweils vom taiwanischen Schauspieler Sihung Lung, zurück. Die drei Filme thematisieren, wie später noch öfter bei Ang Lee, familiäre Probleme, die aus dem Konflikt zwischen Selbstbestimmung und Tradition, zwischen Innen und Außen, zwischen Ost und West sowie zwischen den Generationen herrühren. Die Filme sind allesamt US-amerikanisch-taiwanische Koproduktionen. Anders als bei allen bislang folgenden Projekten handelt es sich bei den ersten Filmen Lees nicht um Adaptionen, sondern um Filme nach von ihm selbst geschriebenen Originaldrehbüchern. Der erste Film, Schiebende Hände (1992), handelt vom Einzug eines chinesischen Vaters bei seinem erwachsenen Sohn und der US-amerikanischen Schwiegertochter in New York und den interkulturellen Problemen, die in der neuen Wohngemeinschaft entstehen. Dies war die erste Zusammenarbeit zwischen Lee und dem Drehbuchautor und Produzenten James Schamus – seitdem bildeten die beiden bei jedem Film Lees eine enge Arbeitsgemeinschaft. Wie in den beiden folgenden Filmen schrieben sie auch gemeinsam das Drehbuch. In allen weiteren Filmen Lees (mit Ausnahme des Kurzfilms The Hire: Chosen) hat Schamus seither entscheidende Funktionen ausgeübt. Auch die regelmäßige Zusammenarbeit mit dem Filmeditor Tim Squyres nahm in Lees Erstling ihren Anfang. Mit Ausnahme des Erfolgsfilms Brokeback Mountain von 2005 hat Squires jeden Film, den Ang Lee gedreht hat, geschnitten. Nach dem Erfolg seines Erstlings konnte Lee als Nächstes Das Hochzeitsbankett (1993) drehen, eine Komödie über die fingierte Eheschließung eines homosexuellen Exil-Taiwaners in den USA. Erneut taucht hier die Figur des strengen, aber weisen Familienoberhaupts auf. Hatte Schiebende Hände zunächst vor allem in Taiwan für Aufmerksamkeit (und Preise) gesorgt, wurde mit dem zweiten Langfilm Lees auch Europa auf den aufstrebenden Regisseur aufmerksam: Sihung Lung ist auch im letzten Teil der Trilogie, Eat Drink Man Woman (1994), die „kongeniale Verkörperung des chinesischen Familienoberhaupts“, das „Zentrum dieser Maskeraden, in denen es darum geht, ein altes Gesicht zu wahren und dann zu lernen, es zu verlieren, um ein neues, lebenstauglicheres zu gewinnen.“ Dieses Mal ist er der verwitwete Vater dreier Töchter, die ihr Leben und ihre Lieben auf unterschiedliche Art angehen und dabei ebenfalls innerfamiliäre Konflikte klären müssen. Eat Drink Man Woman wurde, anders als seine Vorgänger, in Taipeh gedreht. Im Mittelpunkt des Films stehen (der Titel deutet es an) die Liebe und das Essen. Ang Lee, privat ein passionierter Koch, legte hierbei besonders großen Wert auf die kulinarische Komponente als Stilmittel und konzipierte die Hauptfigur des älteren Witwers als berühmten Koch.
Mit dem Angebot der Produzentin Lindsay Doran, die von der britischen Schauspielerin Emma Thompson verfasste Adaption des Romans Verstand und Gefühl von Jane Austen in Großbritannien zu drehen, eröffnete sich Lee eine lange ersehnte neue Perspektive jenseits asiatisch geprägter Stoffe. In einer neuen Trilogie setzt er sich mit unterschiedlichen Kulturen auseinander: * Sinn und Sinnlichkeit ist die Verfilmung des Romans der englischen Schriftstellerin Jane Austen; * Der Eissturm spielt in den USA der 1970er Jahre; * Ride with the Devil ist im Amerikanischen Bürgerkrieg angesiedelt.
Tiger and Dragon sowie Hulk sind sehr unterschiedliche Action-Filme. Mit Tiger and Dragon gewann Lee zwei Golden Globes. Das Werk wurde außerdem mit vier Academy Awards (Oscars) prämiert, darunter der Trophäe für den besten fremdsprachigen Film. Für diesen Film wurde er 2001 auch mit einem Chlotrudis Award ausgezeichnet, seinen zweiten Chlotrudis erhielt er 2006 für Brokeback Mountain. Für Brokeback Mountain wurde Lee mit einer Vielzahl von Filmpreisen geehrt, darunter mit dem Oscar für die beste Regie, dem Goldene Löwen der Filmfestspiele von Venedig sowie der Auszeichnung der Hollywood Foreign Press Association als bester Regisseur des Jahres. 2007 verfilmte er mit Gefahr und Begierde eine Kurzgeschichte von Eileen Chang. Der Thriller spielt zur Zeit des Zweiten Weltkriegs in Shanghai und handelt von einer jungen chinesischen Agentin (gespielt von Tang Wei), die beauftragt wird, einen hochrangigen Verräter (Tony Leung Chiu Wai) zu liquidieren. Lees erste chinesischsprachige Spielfilmproduktion seit Tiger and Dragon war 2007 im offiziellen Wettbewerb der 64. Filmfestspiele von Venedig vertreten und brachte ihm erneut den Goldenen Löwen ein. Im selben Jahr wurde Gefahr und Begierde als offizieller taiwanischer Beitrag für die Nominierung um den besten fremdsprachigen Film bei der Oscar-Verleihung 2008 ausgewählt, später aber auf Empfehlung der Academy of Motion Picture Arts and Sciences wieder zurückgezogen und durch Chen Huai-Ens Lian xi qu () ersetzt. Ende Februar 2009 wurde bekannt gegeben, dass Lee die Jury der 66. Filmfestspiele von Venedig leiten werde. Zwei Monate später erhielt er für seine Komödie Taking Woodstock eine Einladung in den Wettbewerb der 62. Internationalen Filmfestspiele von Cannes. 2013 wurde er in die Wettbewerbsjury des 66. Filmfestivals von Cannes berufen.
Ang Lee ist ein international anerkannter und erfolgreicher Regisseur und gilt als einer der vielseitigsten Filmemacher der letzten Jahre. Häufig behandelt Lee in seinen Filmen das Thema Familie auf eine Art und Weise, die autobiographische Züge seines eigenen Lebens trägt. Er lässt seine Umgebung ganz bewusst auf sich einwirken und bringt diese in seine Filme ein. Kennzeichnend für die meisten seiner Filme ist eine wenig geradlinige Erzählstruktur, die die Charaktere und die Geschichte aus verschiedenen Blickwinkeln darstellt. Er verknüpft die Konflikte des menschlichen Lebens mit traditionellen und innovativen Stilelementen.
* 1982: Shades of the Lake – Kurzfilm * 1984: Fine Line – Kurzfilm * 1992: Schiebende Hände (Pushing Hands, Tui Shou) * 1993: Das Hochzeitsbankett (The Wedding Banquet, Xiyan) * 1994: Eat Drink Man Woman (Yinshi nannü) * 1995: Sinn und Sinnlichkeit (Sense and Sensibility) * 1997: Der Eissturm (The Icestorm) * 1999: Ride with the Devil * 2000: Tiger and Dragon (auch: Crouching Tiger, Hidden Dragon, Wohu canglong) * 2001: The Hire: Chosen – Kurzwerbefilm für eine Automarke * 2005: Brokeback Mountain * 2007: Gefahr und Begierde (Se, Jie) * 2009: Taking Woodstock * 2012: Life of Pi: Schiffbruch mit Tiger (Life of Pi) * 2016: Die irre Heldentour des Billy Lynn (Billy Lynn’s Long Halftime Walk)
* 2001: Auszeichnung in der Kategorie Bester fremdsprachiger Film für Tiger and Dragon * 2001: Nominierung in der Kategorie Beste Regie für Tiger and Dragon * 2001: Nominierung in der Kategorie Bester Film für Tiger and Dragon * 2006: Auszeichnung in der Kategorie Beste Regie für Brokeback Mountain * 2013: Auszeichnung in der Kategorie Beste Regie für Life of Pi: Schiffbruch mit Tiger * 2013: Nominierung in der Kategorie Bester Film für Life of Pi: Schiffbruch mit Tiger * 1996: Nominierung in der Kategorie Beste Regie für Sinn und Sinnlichkeit * 2001: Auszeichnung in der Kategorie Beste Regie für Tiger and Dragon * 2006: Auszeichnung in der Kategorie Beste Regie für Brokeback Mountain * 2013: Nominierung in der Kategorie Beste Regie für Life of Pi: Schiffbruch mit Tiger Directors Guild of America Award * 1996: Nominierung in der Kategorie Beste Spielfilmregie für Sinn und Sinnlichkeit * 2001: Auszeichnung in der Kategorie Beste Spielfilmregie für Tiger and Dragon * 2006: Auszeichnung in der Kategorie Beste Spielfilmregie für Brokeback Mountain * 2013: Nominierung in der Kategorie Beste Spielfilmregie für Life of Pi: Schiffbruch mit Tiger Weitere Auszeichnungen * 1992: Bester Film des Asia-Pacific Film Festivals für Schiebende Hände * 1993: Goldener Bär der Berliner Filmfestspiele für Das Hochzeitsbankett * 1993: Golden Horse Beste Regie für Das Hochzeitsbankett * 1996: Goldener Bär der Berliner Filmfestspiele für Sinn und Sinnlichkeit * 1997: Bundesfilmpreis für den besten ausländischen Film mit Sinn und Sinnlichkeit * 2000: Golden Horse Bester Film für Tiger and Dragon * 2001: Hong Kong Film Award für Tiger and Dragon * 2002: Aufnahme in die American Academy of Arts and Sciences * 2005: Goldener Löwe des Filmfestivals in Venedig für Brokeback Mountain * 2007: Golden Horse Beste Regie für Gefahr und Begierde * 2007: Goldener Löwe des Filmfestivals in Venedig für Gefahr und Begierde * 2024: Praemium Imperiale in der Kategorie Theater/Film
chronologisch aufsteigend * Tanja Hanhart (Redaktorin): Ang Lee und sein Kino. Poesie im Grossformat. In: du 796 (Feb. 2006), ISBN 978-3-03717-021-2. * Thomas Koebner: [Artikel] Ang Lee. In: Ders. (Hrsg.): Filmregisseure. Biographien, Werkbeschreibungen, Filmographien. Mit 109 Abbildungen. 3., aktualisierte und erweiterte Auflage. Reclam, Stuttgart 2008 [1. Aufl. 1999], ISBN 978-3-15-010662-4, S. 429–433. * Qin Hu: Das Kino von Ang Lee – Von der chinesischen Philosophie, Kunstauffassung und Kultur zu filmästhetischen Aspekten. Gardez! Verlag, 2008. * Isabell Gössele: Das Kino des Ang Lee – Im Atem des verborgenen Drachen. Tectum, Marburg 2009, ISBN 978-3-8288-2046-3. * Michael Pekler, Andreas Ungerböck: Ang Lee und seine Filme. Schüren, Marburg 2009, ISBN 978-3-89472-665-2.
* Ang Lee / Li An () (englisch) * Ang Lee / Li An () (chinesisch, englisch) * Ang Lee / Li An () (chinesisch, englisch) * Rüdiger Sturm: ], 17. Oktober 2007, Interview * Thomas Abeltshauser: , Interview auf critic.de * Ralph Geisenhanslüke: ], 1. Januar 2013, Interview * Andreas Kilb: ], 23. Oktober 2014
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Anschluss (Luhmann)
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Anschluss ist in der Soziologie ein Fachbegriff aus der Systemtheorie von Niklas Luhmann und bezeichnet die in einer sozialen Begegnung auf eine Selektion der anderen Seite folgende, selbst gewählte Selektion. Diese Selektionen beziehen sich aufeinander.
Die Anschlussfähigkeit ist die Kapazität von Systemen zu gewährleisten, dass sich an die Selektionen eines Systems weitere anschließen können. Alle sozialen Systeme reproduzieren sich über Kommunikation (z. B. Wirtschaftssystem oder Politik) oder Handlungen (Medizin und Erziehungssystem). Dies gelingt nur, wenn die einzelnen Einheiten aneinander anschlussfähig sind, was durch einen systemspezifischen Code geleistet wird, der als zentrale Logik (Leitunterscheidung) aller Kommunikation zugrunde liegt und sie als systemzugehörig erkennbar macht. Im Wirtschaftssystem beispielsweise sorgt der Code zahlen/nicht zahlen dafür, dass die Kommunikationen sich auf sich selbst beziehen und sich selbst reproduzieren können, also dass auf jede Zahlung eine neue erfolgt. Dies funktioniert über das generalisierte Kommunikationsmedium Geld, das die letzte Zahlung mit der jetzigen verknüpft. Würde das Geld nicht mehr akzeptiert, folgt der Zahlung keine weitere Zahlung mehr und das System hätte seine Anschlussfähigkeit verloren. Die Anschlussfähigkeit innerhalb eines Systems wird als Selbstreferenz bezeichnet, im Gegensatz zum fremdreferentiellen Bezug auf die Umwelt (Welt, andere Systeme). Den Begriff hat Luhmann auf eine Anregung eines Bielefelder Kollegen, des Philosophen Jürgen Frese entwickelt. Frese zeigte in einem Sektionsreferat des Achten Deutschen Kongresses für Philosophie in Heidelberg (1966, gedruckt 1967) mit dem Titel „Sprechen als Metapher für Handeln“, dass es fruchtbar ist, von den dominanten Handlungsmodellen Arbeit und Konsum abzurücken und ergänzend Sprechen als Modell für Handeln zu nutzen. Frese schreibt: „Die wichtigste Errungenschaft, die die Sprachmetapher für die Aufhellung des nicht-sprachlichen Handelns einbringt, ist ihre Leistung, Reihenbildung erklärbar zu machen. Fassen wir Satz und Handlung zum neutralen und an andere Philosopheme anschließbaren Begriff des Aktes zusammen, so können wir … sagen: Der Sinn eines Aktes ist das als eine bestimmte Situation gegebene Ensemble der Möglichkeiten, an diesen Akt weitere Akte anzuschließen; d. h. der Sinn eines Aktes ist die Mannigfaltigkeit der Anschließbarkeiten, die er eröffnet.“ Diese Idee wurde von Luhmann aufgegriffen und im Rahmen seiner Systemtheorie weiterentwickelt. Frese selbst baute sie im Rahmen seiner Lehre von den Formularen weiter aus.
* Niklas Luhmann: Soziale Systeme. Grundriß einer allgemeinen Theorie. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1987, ISBN 3-518-28266-2. * Jürgen Frese: Sprechen als Metapher für Handeln. In: Hans-Georg Gadamer: Das Problem der Sprache. Achter Deutscher Kongress für Philosophie. Heidelberg 1966, Fink Verlag, München 1967, S. 45–55. * Jürgen Frese: Prozesse im Handlungsfeld. Klaus Boer Verlag, München 1985, ISBN 3-924963-06-1.
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Aussagenlogik
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Die Aussagenlogik ist ein Teilgebiet der Logik, das sich mit Aussagen und deren Verknüpfung durch Junktoren befasst, ausgehend von strukturlosen Elementaraussagen (Atomen), denen ein Wahrheitswert zugeordnet wird. In der klassischen Aussagenlogik wird jeder Aussage ein Element einer Booleschen Algebra als Wahrheitswert zugeordnet. Der Wahrheitswert einer zusammengesetzten Aussage lässt sich ohne zusätzliche Informationen mittels der Operationen der Booleschen Algebra aus den Wahrheitswerten ihrer Teilaussagen bestimmen.
Da in der heutigen Mathematik die klassische Aussagenlogik maßgeblich wurde, wird in diesem Artikel dieser moderne Haupttypus der Aussagenlogik behandelt. Allgemein ist die klassische Logik durch zwei Eigenschaften charakterisiert: * Jede Aussage hat einen von genau zwei Wahrheitswerten, meist „falsch“ oder „wahr“ (Prinzip der Zweiwertigkeit oder Bivalenzprinzip). * Der Wahrheitswert jeder zusammengesetzten Aussage ist eindeutig durch die Wahrheitswerte ihrer Teilaussagen bestimmt (Prinzip der Extensionalität oder Kompositionalität, siehe Extensionalitätsprinzip) Das Prinzip der Zweiwertigkeit wird oft mit dem Satz vom ausgeschlossenen Dritten verwechselt. Die klassische Aussagenlogik ist jenes Gebiet der klassischen Logik, das die innere Struktur von Sätzen (Aussagen) daraufhin untersucht, aus welchen anderen Sätzen (Teilsätzen) sie zusammengesetzt sind und wie diese Teilsätze miteinander verknüpft sind. Die innere Struktur von Sätzen, die ihrerseits nicht in weitere Teilsätze zerlegt werden können, wird von der Aussagenlogik nicht betrachtet. Ein Beispiel: Die Aussage „Alle Katzen sind Hunde, und die Erde ist eine Scheibe“ ist mit dem Bindewort „und“ aus den beiden kürzeren Aussagen „Alle Katzen sind Hunde“ und „Die Erde ist eine Scheibe“ zusammengesetzt. Diese beiden Aussagen lassen sich ihrerseits nicht mehr in weitere Aussagen zerlegen, sind aus aussagenlogischer Sicht also elementar oder atomar. Andere, auf die Aussagenlogik aufbauende logische Systeme betrachten die innere Struktur solcher atomaren Aussagen; ein wichtiges Beispiel ist die Prädikatenlogik. In Abgrenzung zur klassischen Logik entstehen nichtklassische Logiksysteme, wenn man das Prinzip der Zweiwertigkeit, das Prinzip der Extensionalität oder sogar beide Prinzipien aufhebt. Nichtklassische Logiken, die durch die Aufhebung des Prinzips der Zweiwertigkeit entstehen, heißen mehrwertige Logik. Die Zahl der Wahrheitswerte (in diesem Falle üblicher: Pseudowahrheitswerte) kann dabei endlich sein (z. B. dreiwertige Logik), ist aber oft auch unendlich (z. B. Fuzzy-Logik). Hingegen verwenden Logiken, die durch die Aufhebung der Extensionalität entstehen, Junktoren (Konnektive), bei denen sich der Wahrheitswert des zusammengesetzten Satzes nicht mehr eindeutig aus dem Wahrheitswert seiner Teile bestimmen lässt. Ein Beispiel für nichtextensionale Logik ist die Modallogik, die die einstelligen nichtextensionalen Operatoren „es ist notwendig, dass“ und „es ist möglich, dass“ einführt. Logische Systeme stehen innerhalb der Logik nicht in einem Konkurrenzverhältnis um Wahrheit oder Richtigkeit. Die Frage, welches logische System für einen bestimmten Zweck genutzt werden soll, ist eher eine pragmatische. Wenn in diesem Artikel die klassische Aussagenlogik behandelt wird, so ist das also nicht als metaphysische Festlegung zu verstehen oder gar als Behauptung, dass „alle Aussagen wahr oder falsch sind“. Es ist lediglich so, dass die klassische Aussagenlogik einfach nur solche Aussagen behandelt, die wahr oder falsch sind. Das ist eine große formale Vereinfachung, die dieses System relativ leicht erlernbar sein lässt. Braucht man aus metaphysischen oder pragmatischen Gründen mehr als zwei Wahrheitswerte, kann die klassische Aussagenlogik als Ausgangspunkt dienen, um ein geeignetes logisches System aufzustellen.
Eine Aussage A ist ein Satz, der entweder wahr (w, wahr, true, 1) oder nicht wahr (f, falsch, false, 0) ist. Das gilt sowohl für einfache als auch für verknüpfte Aussagen. „Halbwahrheiten“ gibt es nicht. Eine Aussage kann sowohl der gewöhnlichen Sprache entstammen als auch der Sprache der Mathematik. Eine Elementaraussage ist eine Aussage, die keine aussagenlogischen Verknüpfungen (nicht, und, oder, wenn … dann, genau dann wenn) enthält. Beispiele für Elementaraussagen: * A_1: München ist 781 km von Hamburg entfernt. * A_2: 9 ist durch 3 teilbar. * A_3: Eintracht Frankfurt wird in der nächsten Saison deutscher Fußballmeister. * A_4: Alle Autos sind grün. A_2 ist offensichtlich wahr (triviale mathematische Aussage), A_4 dagegen ist falsch (es gibt einfache Gegenbeispiele). A_1 stellt im mathematischen Sinne keine Aussage dar (ungenau genug in vielerlei Hinsicht, hat Interpretationsspielraum), gleiches gilt für A_3. In der klassischen Aussagenlogik ist eine Aussage entweder wahr oder nicht wahr, auch wenn man den Wahrheitsgehalt nicht kennt. Das ist zum Beispiel bei den ungelösten mathematischen Problemen der Fall. Anmerkung: A_4 ist eine All-Aussage; die Struktur solcher Aussagen ist Gegenstand der Prädikatenlogik. Im Sinne der Aussagenlogik ist es eine Elementaraussage.
Die Verneinung bzw. Negation (auch: Satzverneinung, äußere Verneinung, kontradiktorisches Gegenteil) einer Aussage A ist diejenige Aussage ¬A, die genau dann wahr ist, wenn A falsch ist, und die genau dann falsch ist, wenn A wahr ist. Einfacher: Die Verneinung einer Aussage A dreht den Wahrheitswert von A in sein Gegenteil um. Man erhält die Verneinung einer Aussage A immer dadurch, dass man ihr die Formulierung „Es ist nicht der Fall, dass“ voranstellt. Zwar lässt sich ein natürlichsprachlicher Satz auch verneinen, indem man das Wort „nicht“ oder eine andere negative Formulierung an geeigneter Stelle einfügt – es ist aber nicht immer ganz einfach, zu erkennen, welche Formulierung zu verwenden und an welcher Stelle einzufügen ist. Formal schreibt man für „nicht A“ in der gebräuchlichsten Notation (Schreibweise) ¬A, auf Englisch und in der Schaltalgebra auch „NOT A“, gelegentlich auch „~A“. Wir verneinen die obigen Beispiele: * \neg A_1: Es ist nicht der Fall, dass München 781 km von Hamburg entfernt ist. * \neg A_2: Es ist nicht der Fall, dass 9 durch 3 teilbar ist. * \neg A_3: Es ist nicht der Fall, dass Eintracht Frankfurt in der nächsten Saison deutscher Fußballmeister wird. * \neg A_4: Es ist nicht der Fall, dass alle Autos grün sind. (Es kann durchaus auch grüne Autos geben, aber es gibt mindestens ein Auto, das nicht grün ist.) Allgemein gilt für die Verneinung: * Wenn eine Aussage A wahr ist, ist die Verneinung \neg A falsch. * Wenn eine Aussage A falsch ist, ist die Verneinung \neg A wahr. * Eine Aussage A kann nicht gleichzeitig wahr und falsch sein. * Die Aussagen A und \neg A können nicht gleichzeitig wahr sein.
Eine Konjunktion ist eine aus zwei Aussagen zusammengesetzte Aussage, die die Wahrheit all ihrer Teilaussagen behauptet. Umgangssprachlich verbindet man zwei Aussagen A und B durch das Bindewort „und“ zu einer Konjunktion „A und B“, in der logischen Sprache verwendet man meist das Zeichen \land (Schreibweise: A \land B), gelegentlich auch das kaufmännische Und, den Ampersand (&). * Sprechweise: A und B * Schreibweise: A \land B * auf Englisch und in der Schaltalgebra auch A AND B Die Aussage A \land B ist immer dann wahr, wenn sowohl A als auch B jeweils wahr sind. Andernfalls ist A \land B falsch, nämlich dann, wenn entweder A oder B oder beide Aussagen falsch sind. Beispiele für eine Und-Verknüpfung: * A: 9 ist durch 3 teilbar * B: 9 ist eine Quadratzahl Diese Teilaussagen und ihre Negationen werden nun durch \land miteinander verknüpft: * C_1: 9 ist durch 3 teilbar und 9 ist eine Quadratzahl. * C_2: 9 ist nicht durch 3 teilbar und 9 ist eine Quadratzahl. * C_3: 9 ist durch 3 teilbar und 9 ist keine Quadratzahl. * C_4: 9 ist nicht durch 3 teilbar und 9 ist keine Quadratzahl. Nur C_1 = A \land B ist wahr, weil A wahr ist und auch B wahr ist. C_2 = \neg A \land B ist falsch, weil \neg A falsch ist. C_3 = A \land \neg B ist falsch, weil \neg B falsch ist. C_4 = \neg A \land \neg B ist falsch, weil sowohl \neg A als auch \neg B falsch ist.
Eine Disjunktion ist eine zusammengesetzte Aussage, die behauptet, dass mindestens eine ihrer Teilaussagen wahr ist. Die Disjunktion in diesem Sinn wird auch nichtausschließendes Oder genannt. (Aber Achtung: Die Bezeichnung „Disjunktion“ wurde und wird oft auch für das ausschließende Oder, „entweder … oder“, verwendet – man denke an das Konzept der disjunkten Mengen. Einige Autoren verwenden daher für das Nichtausschließende Oder den Begriff Adjunktion.) Das Formelzeichen „\vee“ stammt von dem lateinischen Wort „vel“; für ausschließendes Oder wurde im Lateinischen „aut ... aut“ verwandt. * Sprechweise: „A oder B“; genauer: „A oder B oder beide“, häufig in juristischen oder medizinischen Texten: „A und/oder B“ * Schreibweise: A \vee B * auf Englisch und in der Schaltalgebra auch A OR B Die Aussage A \vee B ist immer dann wahr, wenn mindestens eine der Teilaussagen A oder B wahr ist, bzw. wenn beide Teilaussagen wahr sind. Andernfalls ist A \vee B falsch, nämlich dann, wenn sowohl A als auch B falsch sind. Beispiel für eine Oder-Verknüpfung: * A: 9 ist durch 3 teilbar * B: 9 ist eine Quadratzahl Diese Teilaussagen und ihre Negationen werden nun durch \vee miteinander verknüpft: * C_5: 9 ist durch 3 teilbar oder 9 ist eine Quadratzahl. * C_6: 9 ist nicht durch 3 teilbar oder 9 ist eine Quadratzahl. * C_7: 9 ist durch 3 teilbar oder 9 ist keine Quadratzahl. * C_8: 9 ist nicht durch 3 teilbar oder 9 ist keine Quadratzahl. C_5 = A \vee B ist wahr, weil sowohl A als auch B wahr sind. C_6 = \neg A \vee B ist wahr, weil B wahr ist. C_7 = A \vee \neg B ist wahr, weil A wahr ist. Nur C_8 = \neg A \vee \neg B ist falsch, weil sowohl \neg A als auch \neg B falsch sind.
Die materiale Implikation, auch Konditional oder Subjunktion genannt, drückt die hinreichende Bedingung aus: Sie sagt, dass die Wahrheit des einen Satzes eine hinreichende Bedingung für die Wahrheit des anderen Satzes ist. Man schreibt * A ist eine hinreichende Bedingung für B. * Schon wenn A, dann B. * A setzt voraus, dass B. * B ist eine notwendige Bedingung für A.Dass B genau dann eine notwendige Bedingung für A ist, wenn A eine hinreichende Bedingung für B ist, ist eine auf den ersten Blick überraschende und vielleicht kontraintuitive, jedoch zutreffende Feststellung. Das Unterkapitel Hinreichende und notwendige Bedingung bemüht sich, diesen Zusammenhang sichtbarer zu machen. * Nur wenn B, dann A. In einem Konditional nennt man A das Antezedens, B das Konsequens oder Sukzedens. * Dass es regnet, ist eine hinreichende Bedingung dafür, dass die Straße nass ist. * Schon wenn es regnet, ist die Straße nass. * Wenn es regnet, ist die Straße nass. * Nur wenn die Straße nass ist, kann es regnen. * Wenn Person x einen Wagen der Marke y hat, hat x ein Auto. * Wenn eine Zahl n durch 6 teilbar ist, dann ist die Zahl n durch 3 teilbar. Die Lesart „wenn … dann“ ist insofern problematisch, als mit dem natürlichsprachlichen „wenn … dann“ vor allem inhaltliche Zusammenhänge wie Kausalität oder zeitliche Nähe ausgedrückt werden. All das macht die materiale Implikation nicht, sie nennt nur den formalen Zusammenhang: „Dass es regnet, ist eine hinreichende Bedingung dafür, dass die Straße nass ist“. Zur Frage, warum das eine hinreichende Bedingung ist – ob auf Grund eines kausalen Zusammenhangs oder auch nur rein zufällig –, nimmt die materiale Implikation nicht Stellung. Als Umkehrschluss bezeichnet man den Schluss von A \rightarrow B auf \neg B \rightarrow \neg A. Für die Beispiele bedeutet das: * Wenn die Straße nicht nass ist, regnet es nicht. * Wenn Person x kein Auto hat, dann hat x keinen Wagen der Marke y. * Wenn die Zahl n nicht durch 3 teilbar ist, dann ist n nicht durch 6 teilbar. Umgangssprachlich lässt man sich gelegentlich zu weiteren – falschen – Aussagen * Weil es nicht regnete, kann die Straße nicht nass sein. Diese Folgerung ist falsch, da die Straße auch aus anderen Gründen nass werden kann (Rohrbruch, Übung der Feuerwehr …). * x hat keinen Wagen der Marke y, also hat x kein Auto. Falsch, denn er könnte ja einen Wagen der Marke z haben. * n ist nicht durch 6 teilbar, also ist n auch nicht durch 3 teilbar.Auch diese Folgerung ist falsch. Die Zahl 15 ist nicht durch 6 teilbar und sehr wohl durch 3. Das bedeutet: Wenn die Folgerung A \rightarrow B wahr ist, dann erhält man aus der Aussage ¬A keine Aussage über B; B kann wahr oder falsch sein. („Ex falso sequitur quodlibet“ – „Aus Falschem folgt Beliebiges“) Die Implikation ist ein wichtiges Mittel in der Mathematik. Die meisten mathematischen Beweise verwenden das Konzept der Implikation.
Das Bikonditional, oft auch objektsprachliche Äquivalenz oder materiale Äquivalenz genannt, drückt die hinreichende und notwendige Bedingung aus, sagt also, dass eine Aussage A genau dann zutrifft, wenn eine Aussage B zutrifft. Man schreibt: : A \leftrightarrow B * A ist genau dann der Fall, wenn B der Fall ist. * A genau dann wenn B. * A ist äquivalent zu B. * A ist dann und nur dann der Fall, wenn B der Fall ist. Auch beim Bikonditional wird eine rein formale Aussage getroffen, die nichts über einen allfälligen inhaltlichen Zusammenhang von A und B aussagt. Statt A \leftrightarrow B zu sagen, kann man auch sagen, dass A eine hinreichende Bedingung für B und dass B eine hinreichende Bedingung für A ist, also (A \rightarrow B) \land (B \rightarrow A). Tatsächlich sind diese beiden Aussagen logisch äquivalent. * Die natürliche Zahl n ist genau dann durch 6 teilbar, wenn n durch 2 und durch 3 teilbar ist.Wenn n durch 6 teilbar ist, dann folgt daraus, dass n durch 2 und durch 3 teilbar ist. Umgekehrt gilt aber auch: Wenn n durch 2 und durch 3 teilbar ist, dann ist n durch 6 teilbar. * Heute ist genau dann Dienstag, wenn morgen Mittwoch ist. Das Bikonditional als zusammengesetzte Aussage innerhalb der logischen Sprache (siehe Objektsprache) wird oft mit dem Konzept der logischen Äquivalenz verwechselt oder vermischt. Die logische Äquivalenz ist eine metasprachliche, meist natürlichsprachlich formulierte Eigenschaft zweier Aussagen der logischen Sprache. Ein Zusammenhang zwischen logischer Äquivalenz und Bikonditional besteht nur insofern, als das Metatheorem gilt, dass ein Bikonditional A \leftrightarrow B genau dann eine Tautologie ist, wenn die beiden Aussagen A und B logisch äquivalent sind.
Das ausschließende Oder (Kontravalenz oder Antivalenz), „entweder A oder B“, besagt, dass genau eine der beiden von ihm verknüpften Aussagen wahr ist. Entsprechend ist ein ausschließendes Oder nicht nur dann falsch, wenn sowohl A als auch B falsch sind, sondern auch, wenn beide wahr sind. (Einige Autoren verwenden für das Ausschließende Oder den Begriff Alternative.) Obwohl das ausschließende Oder ein Konzept ist, mit dem man in der natürlichen Sprache immer wieder zu tun hat, wird es in den meisten logischen Sprachen nicht als eigenständiger Junktor eingeführt. Stattdessen wird das ausschließende Oder zum Beispiel als verneintes Bikonditional ausgedrückt, also als \neg(A \leftrightarrow B). Große Bedeutung genießt das ausschließende Oder hingegen in der Schaltalgebra, wo es meist als XOR (eXclusive OR) aufgeschrieben wird.
Die Verneinung der Konjunktion „A und B“ (in der logischen Schreibweise: A \land B) lautet „Es ist nicht der Fall, dass A und B zutreffen“ (in der logischen Schreibweise: \neg(A \land B)). Diese ist logisch äquivalent mit der Aussage „A ist nicht der Fall, oder B ist nicht der Fall (oder beides)“ (in logischer Schreibweise: (\neg A \lor \neg B)). Wenn man die Aussage : Es regnet, und die Erde ist eine Scheibe verneinen möchte, dann kann man entweder sagen : Es ist nicht der Fall, dass es regnet und die Erde eine Scheibe ist. : Es regnet nicht oder die Erde ist keine Scheibe (oder beides). In der Schaltalgebra wird sehr oft der Junktor NAND verwendet, wobei „A NAND B“ denselben Wahrheitswertverlauf hat wie der Ausdruck \neg(A \land B).
Die Verneinung der Disjunktion „A oder B (oder beides)“ (in der logischen Schreibweise: A \lor B) lautet „Es ist nicht der Fall, dass A oder B zutrifft“ (in logischer Schreibweise: \neg(A \lor B)). Diese ist logisch äquivalent mit der Aussage „A ist nicht der Fall, und B ist nicht der Fall“ (in logischer Schreibweise:{\neg A \land \neg B} ). Wenn man die Aussage : Die Erde ist eine Scheibe, oder die Erde ist ein Würfel. verneinen möchte, so sagt man : Es ist nicht der Fall, dass die Erde eine Scheibe ist oder dass die Erde ein Würfel ist. Nach dem Gesetz von De Morgan kann man nun aber auch sagen: : Die Erde ist keine Scheibe, und die Erde ist kein Würfel oder in schönerem Deutsch : Die Erde ist weder eine Scheibe noch ein Würfel. In der Schaltalgebra wird das Konnektiv NOR verwendet, das denselben Wahrheitswertverlauf hat wie die Aussage \neg(A \lor B).
Dieser Abschnitt soll den zunächst oft als kontraintuitiv empfundenen Zusammenhang zwischen hinreichender und notwendiger Bedingung, wie er im Abschnitt über die materiale Implikation angesprochen wurde, wiederaufgreifen und näher ausführen. Betrachten wir noch einmal die materiale Implikation A\rightarrow B. Man sagt: A ist hinreichend für B: Schon wenn A der Fall ist, ist auch B der Fall. Umgekehrt kann man aber auch sagen: B ist notwendig für A. Ohne B kann A nicht erfüllt sein. Wie kommt dieser Zusammenhang zustande? Wir wissen, dass die Wahrheit von A die Wahrheit von B nach sich zieht, denn A ist ja hinreichende Bedingung für B. Somit ist es einfach nicht möglich, dass A eintritt, ohne dass B damit ebenfalls eintreten würde: B ist also gezwungenermaßen der Fall, wenn A der Fall ist. B ist „notwendig“ für A. Dieser Zusammenhang ist in Wahrheit also ziemlich einfach; Hauptgrund dafür, dass er anfangs oft als kontraintuitiv empfunden wird, ist wahrscheinlich die Schwierigkeit, zwischen den vielen Bedeutungen des umgangssprachlichen „wenn … dann“ einerseits und der rein formalen hinreichenden und notwendigen Bedingung andererseits strikt zu trennen. Mit dem umgangssprachlichen „wenn … dann“ möchte man fast immer einen inhaltlichen (kausalen oder auch temporalen) Zusammenhang zwischen Antecedens und Konsequenz ausdrücken: „Regen verursacht Straßennässe“, „Zuerst fällt der Regen, erst nachher wird die Straße nass“. Wenn man die hinreichende Bedingung in diesem Sinn missversteht, dann ist es klar, dass die in umgekehrter Reihenfolge formulierte notwendige Bedingung „Nur wenn die Straße nass ist, regnet es“ seltsam aussieht: „Regen verursacht doch Straßennässe. Wie kann daraus je gefolgert werden, dass Straßennässe Regen verursacht?“ All dies sagt die materiale Implikation aber nicht aus. „A ist eine hinreichende Bedingung für B“ meint schlicht, dass wenn die Aussage A wahr ist, auch die Aussage B wahr ist – zeitlos und zusammenhanglos, nicht etwa „später“ oder „weil“. Analog sagt die notwendige Bedingung, „B ist eine notwendige Bedingung für A“, lediglich das aus, dass B wahr ist, sofern A es ist. Genau das ist aber die Definition des Konditionals A → B.
Spätestens beim lauten Lesen von Sätzen wie : „Die Aussage A \land B ist genau dann wahr, wenn die Aussagen A und B wahr sind“ wird der selbstbewusste Laie verlangen, dass ihm erklärt wird, was das soll. Die Antwort des Logikers: Es soll versucht werden, Sicherheit in die Regeln des logischen Schließens zu bringen. Seit den Sophisten ist dem Abendland klar, dass scheinbar zwingende Schlüsse zu offensichtlich absurden Ergebnissen führen können. Immer wieder wurden Paradoxien formuliert und von großen Denkern als Herausforderung empfunden. Logiker versuchen deshalb, die Regeln des Argumentierens so streng wie möglich zu fassen. Das einleitende Beispiel macht klar, dass dazu eine Trennung der Sprachebenen unerlässlich ist: Die formale Aussage A∧B soll dadurch erklärt werden, dass auf einer metasprachlichen Ebene sowohl über die Aussage A als auch über die Aussage B geredet wird. Ein Versuch, dies durchzuführen, besteht darin, die Aussagenlogik als formales System, konkret als Kalkül (eine bestimmte Art eines formalen Systems) zu definieren. Die Begriffe „wahr“ und „falsch“ kommen in diesem System zunächst überhaupt nicht vor. Stattdessen werden Axiome gesetzt, die einfach als Zeichenketten angesehen werden, aus denen weitere ableitbare Zeichenketten aufgrund von bestimmten Schlussregeln hergeleitet werden. Das Ziel dabei ist einerseits, dass in einem formalen System nur Zeichenketten (Sätze) hergeleitet werden können, die bei einer plausiblen Interpretation auch wahr sind. Andererseits sollen alle Sätze, die als „wahr“ interpretierbar sind, auch hergeleitet werden können. Das erste ist die Forderung nach Korrektheit, das zweite die nach Vollständigkeit des formalen Systems; beide Eigenschaften sind unter Kalkül: Der Begriff Kalkül in der Logik beschrieben. Für die klassische Aussagenlogik, mit der wir es hier zu tun haben, gibt es Kalküle (formale Systeme), die sowohl korrekt als auch vollständig sind. Für gewisse komplexere logische Systeme (z. B. Mengenlehre) ist es aber unmöglich, einen vollständigen Kalkül aufzustellen, der auch korrekt ist; diese Erkenntnis wurde 1931 von Kurt Gödel bewiesen (Gödelscher Unvollständigkeitssatz).
Es gibt viele verschiedene Möglichkeiten, die Syntax („Grammatik“) einer logischen Sprache formal zu definieren; meist geschieht das im Rahmen eines Kalküls. Die folgende Definition ist daher nur als Beispiel dafür zu verstehen, wie ein Kalkül für die klassische Aussagenlogik aussehen kann. Weitere Beispiele für konkrete Kalküle finden sich unter Baumkalkül, Begriffsschrift, Systeme natürlichen Schließens, Sequenzenkalkül oder Resolutionskalkül. Ein weiterer axiomatischer Kalkül ist als Beispiel im Artikel Hilbert-Kalkül angegeben, ein graphischer Kalkül im Artikel Existential Graphs.
Als Bausteine der aussagenlogischen Sprache sollen Satzbuchstaben („atomare Formeln“, Satzkonstanten), Junktoren und Gliederungszeichen verwendet werden. Satzbuchstaben sollen die Zeichen P0, P1, P2, … sein. Junktoren sollen die Zeichen ¬, ∧, ∨, → und ↔ sein. Als Gliederungszeichen sollen die runden Klammern dienen. Formal lässt sich das z. B. auf folgende Weise ausdrücken: Sei V die (abzählbar unendliche) Menge der atomaren Formeln (Satzbuchstaben): : V = {Pn | n ∈ N0} (N0: Menge der natürlichen Zahlen inkl. 0), d. h. V = {P0, P1, P2, P3, …} Sei J die Menge der Junktoren und Gliederungszeichen: : J = {¬, ∧, ∨, →, ↔, (, )} Das Alphabet der logischen Sprache sei die Menge V ∪ J, also die Vereinigungsmenge von atomaren Formeln, Junktoren und Gliederungszeichen.
Die Formationsregeln legen fest, wie man aus den Bausteinen der aussagenlogischen Sprache Sätze (Formeln) bilden kann. Hier sollen aussagenlogische Formeln als Worte über dem Alphabet der logischen Sprache, also über V ∪ J wie folgt induktiv definiert werden: * Alle atomaren Formeln F ∈ V (d. h. alle Satzbuchstaben) sind Formeln. * Ist F eine Formel, so ist auch (¬F) eine Formel.(Diese Formel heißt Negation von F.) * Sind F und G zwei (nicht notwendigerweise unterschiedliche) Formeln, so ist auch (F ∧ G) eine Formel.(Diese Formel heißt Konjunktion von F und G.) * Sind F und G zwei (nicht notwendigerweise unterschiedliche) Formeln, so ist auch (F ∨ G) eine Formel.(Diese Formel heißt Disjunktion von F und G.) * Sind F und G zwei (nicht notwendigerweise unterschiedliche) Formeln, so ist auch (F → G) eine Formel.(Diese Formel heißt materiale Implikation oder Konditional von F und G.) * Sind F und G zwei (nicht notwendigerweise unterschiedliche) Formeln, so ist auch (F ↔ G) eine Formel.(Diese Formel heißt Bikonditional von F und G.) * Nichts anderes ist eine aussagenlogische Formel.
Schlussregeln sind allgemein Transformationsregeln (Umformungsregeln), die auf bestehende Formeln angewandt werden und aus ihnen neue Formeln erzeugen. Wenn man einen Kalkül für ein logisches System aufstellt, dann wählt man die Transformationsregeln so, dass sie aus bestehenden Formeln solche Formeln erzeugen, die aus den Ausgangsformeln semantisch folgen – deshalb die Bezeichnung „Schlussregel“ (eine Schlussfolgerung ziehen). Innerhalb der Syntax sind die Schlussregeln allerdings rein formale Transformationsregeln, denen für sich keinerlei inhaltliche Bedeutung zukommt. An konkreten Schlussregeln sollen hier nur zwei angegeben werden: der Modus ponendo ponens und die Substitutionsregel. ; Modus ponendo ponens : Aus einem Satz der Form \varphi \rightarrow \psi und einem Satz der Form \varphi darf man auf einen Satz der Form \psi schließen; dabei sind \varphi und \psi Platzhalter für beliebige Formeln. Zum Beispiel darf man nach dieser Schlussregel aus „Wenn Regen die Straße benetzt, dann ist der Straßenbelag regennass“ und aus „Regen benetzt die Straße“ schließen auf „Der Straßenbelag ist regennass“. ; Substitutionsregel (Ersetzungsregel) : In einem Satz dürfen alle Vorkommnisse eines beliebigen Atoms (z. B. „P“) durch einen beliebig komplexen Satz (z. B. (P \land \neg Q)) ersetzt werden. Es müssen dabei aber auch wirklich alle Vorkommnisse des gewählten Atoms ersetzt werden und sie müssen auch wirklich alle durch denselben Satz ersetzt werden. : Zum Beispiel darf mittels der Substitutionsregel aus P \rightarrow (P \lor Q) auf (P \land \neg Q) \rightarrow ((P \land \neg Q) \lor Q) geschlossen werden. Man sagt, P werde durch (P \land \neg Q) ersetzt oder (P \land \neg Q) werde für P substituiert (eingesetzt).
Axiome sind ausgezeichnete (im Sinn von: hervorgehobene) Formeln der aussagenlogischen Sprache. Die Auszeichnung besteht darin, dass sie innerhalb eines Beweises oder einer Herleitung (siehe unten) ohne weitere Rechtfertigung verwendet werden. Pragmatisch wählt man solche Formeln als Axiome, die semantisch gesehen Tautologien sind, also immer zutreffen, und die dabei helfen, Beweise zu verkürzen. Innerhalb der Syntax sind die Axiome allerdings rein formale Objekte, denen keinerlei inhaltliche Bedeutung oder Rechtfertigung zukommt. Axiome sind im Allgemeinen optional, d. h., ein Kalkül kann auch ganz ohne Axiome auskommen, wenn er ausreichend viele bzw. mächtige Schlussregeln hat. Axiomfreie Kalküle sind zum Beispiel die Systeme natürlichen Schließens oder Baumkalküle. Hier soll exemplarisch ein axiomatischer Kalkül gezeigt werden, und zwar Russells Aussagenkalkül aus seiner Typentheorie 1908, den er 1910 in die Principia Mathematica übernahm. Dieser Kalkül umfasst die folgenden Axiome (von denen das vierte redundant, d. h. nicht unbedingt erforderlich ist, weil aus den anderen Axiomen herleitbar): # (P \lor P) \rightarrow P # Q \rightarrow (P \lor Q) # (P \lor Q) \rightarrow (Q \lor P) # [P \lor (Q \lor R)] \rightarrow [Q \lor (P \lor R)] # (Q \rightarrow R) \rightarrow [(P \lor Q) \rightarrow (P \lor R)] Um aus diesen Axiomen auch solche gültigen Sätze herleiten zu können, die andere als die in den Axiomen vorkommende Junktoren enthalten, werden diese durch folgende Festlegung auf die vorhandenen Junktoren zurückgeführt: # (P \rightarrow Q) := (\neg P \lor Q) # (P \land Q) := \neg (\neg P \lor \neg Q)
Eine Herleitung ist eine Liste von aufsteigend nummerierten Sätzen, die mit einer oder mehreren Annahmen (den Prämissen der Herleitung) oder Axiomen beginnt. Alle auf diese folgenden Sätze sind entweder ebenfalls Axiome (bei manchen Kalkülen sind auch weitere Annahmen zulässig) oder sind aus einer oder mehreren der vorangehenden Zeilen durch Anwendung von Schlussregeln entstanden. Der letzte Satz in der Liste ist die Konklusion der Herleitung. Eine Herleitung ohne Prämissen heißt Beweis. Oft werden aber die Wörter „Herleitung“ und „Beweis“ synonym gebraucht. Wenn es gelingt, aus einer Menge von Annahmen (Prämissen) Δ eine Konklusion P herzuleiten, dann schreibt man auch \Delta \vdash P. Gelingt es, einen Satz P ohne die Verwendung von Annahmen herzuleiten (zu beweisen), dann schreibt man auch: \vdash P. In diesem Fall wird P Theorem genannt. Das Zeichen \vdash geht auf die Begriffsschrift zurück, jenes Werk, in dem Gottlob Frege 1879 die erste Formalisierung der Prädikatenlogik angegeben hat. In der klassischen Aussagenlogik wählt man die Schlussregeln so, dass sich mit ihrer Hilfe alle gültigen Argumente (und nur gültige Argumente) herleiten lassen; die Frage der Gültigkeit wird im folgenden Abschnitt, „Semantik“, behandelt.
Außerhalb der Logik bezeichnet Semantik ein Forschungsgebiet, das sich mit der Bedeutung von Sprache und deren Teilen befasst. Oft wird auch das Wort Semantik gleichbedeutend mit dem Wort Bedeutung verwendet. Auch innerhalb der Logik geht es bei Semantik um Bedeutung: Darum nämlich, den Ausdrücken einer formalen Sprache – zum Beispiel der hier behandelten Sprache der Aussagenlogik – eine Bedeutung zuzuordnen. In der Logik wird auch das meist sehr formal unternommen. Im Zentrum der (formalen) Semantik steht eine Auswertungsfunktion (andere Bezeichnungen lauten Bewertungsfunktion, Denotationsfunktion, Wahrheitswertefunktion), die den Formeln der logischen Sprache eine Bedeutung zuordnet. Formal gesprochen ist die Auswertungsfunktion eine Abbildung von der Menge der Formeln der Sprache in die Menge der Wahrheitswerte. Oft wird die Auswertungsfunktion mit dem Großbuchstaben V bezeichnet. In der klassischen Aussagenlogik ist die Auswertungsfunktion sehr einfach: Das Prinzip der Zweiwertigkeit fordert, dass sie für jede zu bewertende Formel genau einen von genau zwei Wahrheitswerten liefern muss; und das Prinzip der Extensionalität fordert, dass die Bewertungsfunktion beim Bewerten eines komplexen Satzes nur die Bewertung von dessen Teilsätzen berücksichtigen muss. Wenn die Auswertungsfunktion V auf ein Atom angewandt wird, d. h. wenn sie ein Atom bewerten soll, liefert sie die Interpretation dieses Atoms im Sinn des obigen Absatzes. Mit anderen Worten, sie liefert den Wert, den die Bewertung v dem Atom zuordnet. Um die zusammengesetzten Formeln bewerten zu können, muss für jeden Junktor definiert werden, welchen Wahrheitswert die Bewertungsfunktion für die unterschiedlichen Wahrheitswertkombinationen liefert, den seine Argumente annehmen können. In der klassischen Aussagenlogik geschieht das meist mittels Wahrheitstabellen, weil es nur überschaubar wenige Möglichkeiten gibt. Der einstellige Junktor ¬, die Negation, ist in der klassischen Aussagenlogik so definiert, dass er den Wahrheitswert seines Arguments ins Gegenteil umkehrt, also „verneint“: Ist die Bewertung einer Formel X wahr, dann liefert die Bewertungsfunktion für ¬X falsch; wird aber X falsch bewertet, dann liefert die Bewertungsfunktion für ¬X wahr. Die Wahrheitstabelle sieht folgendermaßen aus: Die Wahrheitswertverläufe der verwendeten zweistelligen Konnektive sind in der klassischen Aussagenlogik wie folgt definiert: Allgemein gibt es für die klassische Aussagenlogik vier einstellige und sechzehn zweistellige Junktoren. Die hier behandelte logische Sprache beschränkt sich nur deshalb auf die Junktoren ¬, ∧, ∨, → und ↔, weil diese am gebräuchlichsten sind und weil sie auch inhaltlich noch am ehesten aus der Alltagssprache bekannt sind. Aus formaler Sicht ist die einzige Bedingung, die man bei der Wahl von Junktoren erfüllen möchte, die, dass sich mit den gewählten Junktoren auch alle anderen theoretisch möglichen Junktoren ausdrücken lassen; man sagt: Dass die Menge der gewählten Junktoren funktional vollständig ist. Diese Anforderung ist bei der hier getroffenen Wahl erfüllt. Näheres zur Frage, wie viele und welche Junktoren es gibt und wie viele Junktoren man benötigt, um funktionale Vollständigkeit zu erreichen, ist im Kapitel Junktor beschrieben.
Ein Argument heißt genau dann semantisch gültig, wenn unter der Voraussetzung, dass alle Prämissen wahr sind, auch die Konklusion wahr ist. In der Formulierung von Gottfried Wilhelm Leibniz: Aus Wahrem folgt nur Wahres. Diese Definition muss natürlich ebenfalls formal gefasst werden, und das geschieht wie folgt: Ein Argument ist genau dann semantisch gültig, wenn alle Zuordnungen von Wahrheitswerten zu den in Prämissen und Konklusion vorkommenden Atomen, unter denen die Bewertungsfunktion für alle Prämissen den Wert wahr liefert, auch für die Konklusion den Wert wahr liefert. Um auszudrücken, dass aus einer Menge \Delta von Formeln (der Prämissenmenge) eine Formel P (die Konklusion) semantisch folgt, schreibt man formal wie folgt: Beachte die graphische Ähnlichkeit und die inhaltliche Verschiedenheit zwischen \Delta \vdash P (Kapitel „Herleitung und Beweis“) und \Delta \models P (Siehe: Semantische Folgerung): Die erste Formulierung – \Delta \vdash P – drückt die syntaktische Gültigkeit des Arguments aus, sagt also, dass aus den Formeln in \Delta mit den Schlussregeln des gewählten Kalküls die Formel P hergeleitet werden kann. \Delta \models P hingegen behauptet die semantische Gültigkeit, die in der klassischen Aussagenlogik wie in den vorangegangenen Absätzen als das Leibniz’sche Aus Wahrem folgt nur Wahres definiert ist.
Neben der Eigenschaft der Gültigkeit (Allgemeingültigkeit) gibt es einige andere wichtige Eigenschaften: Erfüllbarkeit, Widerlegbarkeit und Unerfüllbarkeit. Im Gegensatz zur Gültigkeit, die Eigenschaft von Formeln oder von Argumenten sein kann, sind Erfüllbarkeit, Widerlegbarkeit und Unerfüllbarkeit Eigenschaften von Sätzen oder von Satzmengen. * Eine Formel heißt erfüllbar, wenn es mindestens eine Interpretation der in ihr vorkommenden Atome (Satzbuchstaben) gibt, unter der die Formel wahr ist. * Eine Formel heißt widerlegbar, wenn es mindestens eine Interpretation der in ihr vorkommenden Atome gibt, unter der die Formel falsch ist. * Eine Formel heißt unerfüllbar, wenn sie unter allen Interpretationen der in ihr vorkommenden Satzbuchstaben falsch ist. * Eine Formelmenge heißt gültig, wenn alle in ihr enthaltenen Formeln erfüllbar sind. Die Frage, ob eine Formel (oder eine Formelmenge) eine der genannten Eigenschaften hat, ist ebenso wie die Frage, ob eine Formel allgemeingültig, d. h. eine Tautologie ist, für allgemeine Formeln nicht effizient lösbar: Zwar ist die Wahrheitstafel ein Entscheidungsverfahren für jede dieser Fragen, doch umfasst eine Wahrheitstafel für eine Aussage bzw. eine Aussagemenge in n Atomen 2^n Zeilen; das Wahrheitstafelverfahren ist nichts anderes als ein Brute-Force-Verfahren. Jede dieser Fragestellungen kann auf die Frage zurückgeführt werden, ob eine bestimmte Formel erfüllbar ist: * Eine Formel \varphi ist genau dann eine Tautologie, wenn \neg\varphi unerfüllbar ist. * Eine Formel \varphi ist genau dann widerlegbar, wenn \neg\varphi erfüllbar ist. Die Frage, ob eine Aussage erfüllbar ist, wird Erfüllbarkeitsproblem oder SAT-Problem (nach dem englischen Wort für Erfüllbarkeit, satisfiability) genannt. Das SAT-Problem spielt eine wichtige Rolle in der theoretischen Informatik und Komplexitätstheorie. Das Erfüllbarkeitsproblem für allgemeine (beliebige) Formeln ist NP-vollständig, d. h. (unter der Voraussetzung, dass P ungleich NP) nicht in polynomialer Laufzeit lösbar. Für bestimmte echte Teilmengen der Formeln der aussagenlogischen Sprache ist das SAT-Problem dennoch schneller, d. h. in polynomial beschränkter Rechenzeit lösbar. Eine solche Teilmenge sind die Horn-Formeln, das sind Konjunktionen von Disjunktionen, deren Disjunkte verneinte oder unverneinte Atome sind, wobei innerhalb einer solchen Disjunktion allerdings höchstens ein Atom unverneint sein darf.
Wenn man die Semantik betrachtet, die hier für die klassische Aussagenlogik aufgestellt wurde, dann erkennt man gewisse Gesetzmäßigkeiten. Wird z. B. die Auswertungsfunktion auf eine Aussage der Form X ∧ W angewendet, wobei W eine beliebige wahre Aussage sein soll, dann stellt man fest, dass die Auswertungsfunktion für X ∧ W immer den Wahrheitswert wahr liefert, wenn V(X)=wahr ist (das heißt V(X∧W)=V(X)). Von der Struktur her gleichwertige Gesetzmäßigkeiten gelten auch in anderen Semantiken, auch in solchen, die für ganz andere, nichtlogische Systeme aufgestellt werden. Für die Arithmetik gilt z. B., dass die dortige Bewertungsfunktion (hier VArithmetik genannt) für einen Ausdruck der Form X + Y immer den Wert von X liefert, sofern der Wert von Y null ist: VArithmetik(X+Y)=VArithmetik(X), wenn VArithmetik(Y) = null ist. Eine formale Wissenschaft, die solche strukturellen Gesetzmäßigkeiten untersucht, ist die abstrakte Algebra (meist Teilgebiet der Mathematik, aber auch der Informatik). In der abstrakten Algebra wird zum Beispiel untersucht, für welche Verknüpfungen es ein neutrales Element gibt, d. h. ein Element N, das für eine Verknüpfung op dazu führt, dass (für beliebiges X) gilt: X op N = X. So würde man aus algebraischer Sicht sagen, dass es für die klassische aussagenlogische Konjunktion genau ein neutrales Element gibt, nämlich wahr, und dass es für die Addition in der Arithmetik ebenfalls genau ein neutrales Element gibt, nämlich die Zahl Null. Nur am Rande sei erwähnt, dass es auch für andere Junktoren neutrale Elemente gibt; das neutrale Element für die Disjunktion ist falsch: V(X ∨ F) = V(X), wenn V(F)=falsch ist. Die formale Algebra betrachtet formale Semantiken rein nach ihren strukturellen Eigenschaften. Sind diese identisch, dann besteht zwischen ihnen aus algebraischer Sicht kein Unterschied. Aus algebraischer Sicht, genauer: Aus Sicht der formalen Algebra ist die Semantik für die klassische Aussagenlogik eine zweiwertige Boolesche Algebra. Andere formale Systeme, deren Semantiken jeweils eine Boolesche Algebra bilden, sind die Schaltalgebra und die elementare Mengenlehre. Aus algebraischer Sicht besteht daher zwischen diesen Disziplinen kein Unterschied.
Jede aussagenlogische Formel lässt sich in eine äquivalente Formel in konjunktiver Normalform und eine äquivalente Formel in disjunktiver Normalform umformen.
In der Metatheorie werden die Eigenschaften von logischen Systemen untersucht: Das logische System ist in der Metatheorie der Untersuchungsgegenstand. Eine metatheoretische Fragestellung ist zum Beispiel die, ob in einem Kalkül ein Widerspruch hergeleitet werden kann. Der vorliegende Abschnitt soll einige wichtige metatheoretische Fragestellungen aus dem Blickwinkel der Aussagenlogik betrachten. : Ein Kalkül wird genau dann konsistent genannt, wenn es unmöglich ist, mit Hilfe seiner Axiome und Regeln einen Widerspruch herzuleiten, d. h. eine Aussage der Form P ∧ ¬ P (z. B. „Hugo ist groß, und Hugo ist nicht groß“). Für einen Kalkül, der in der Aussagenlogik verwendet werden soll, ist das eine Mindestanforderung. : Ist es in einem Kalkül möglich, einen Widerspruch herzuleiten, dann wird der Kalkül inkonsistent genannt. : Es gibt formale Systeme, in denen solch ein Widerspruch hergeleitet werden kann, die aber durchaus sinnvoll sind. Für solche Systeme wird ein anderer Konsistenzbegriff verwendet: Ein Kalkül ist konsistent, wenn in ihm nicht alle Formeln herleitbar sind (siehe parakonsistente Logik). : Es lässt sich leicht zeigen, dass für die klassische Logik die beiden Konsistenzbegriffe zusammenfallen: In der klassischen Logik lässt sich aus einem Widerspruch jeder beliebige Satz herleiten (dieser Sachverhalt wird Ex falso quodlibet genannt), d. h. wenn ein klassischer Kalkül auch nur einen Widerspruch herleiten könnte, also im ersten Sinn inkonsistent wäre, dann könnte er jede Aussage herleiten, wäre also im zweiten Sinn inkonsistent. Wenn umgekehrt ein Kalkül inkonsistent im zweiten Sinn ist, also in ihm jede Aussage herleitbar ist, dann ist insbesondere auch jeder Widerspruch herleitbar und ist er auch inkonsistent im ersten Sinn. : Ein Kalkül heißt genau dann korrekt (semantisch korrekt), wenn in ihm nur solche Formeln hergeleitet werden können, die auch semantisch gültig sind. Für die klassische Aussagenlogik bedeutet das einfacher: Ein Kalkül ist genau dann korrekt, wenn in ihm nur Tautologien bewiesen und nur gültige Argumente hergeleitet werden können. : Ist es in einem aussagenlogischen Kalkül möglich, mindestens ein ungültiges Argument herzuleiten oder mindestens eine Formel zu beweisen, die keine Tautologie ist, dann ist der Kalkül inkorrekt. : Vollständig (semantisch vollständig) heißt ein Kalkül genau dann, wenn in ihm alle semantisch gültigen Formeln hergeleitet werden können; für die klassische Aussagenlogik: Wenn in ihm alle Tautologien hergeleitet werden können. : Ein Kalkül heißt genau dann im Hinblick auf eine spezielle Semantik adäquat, wenn er (semantisch) korrekt und (semantisch) vollständig ist. Ein metatheoretisches Resultat ist zum Beispiel die Feststellung, dass alle korrekten Kalküle auch konsistent sind. Ein anderes metatheoretisches Resultat ist die Feststellung, dass ein konsistenter Kalkül nicht automatisch korrekt sein muss: Es ist ohne weiteres möglich, einen Kalkül aufzustellen, in dem zwar kein Widerspruch hergeleitet werden kann, in dem aber z. B. die nicht allgemeingültige Aussage der Form „A ∨ B“ hergeleitet werden kann. Ein solcher Kalkül wäre aus ersterem Grund konsistent, aus letzterem Grund aber nicht korrekt. Ein weiteres, sehr einfaches Resultat ist die Feststellung, dass ein vollständiger Kalkül nicht automatisch auch korrekt oder nur konsistent sein muss. Das einfachste Beispiel wäre ein Kalkül, in dem jede Formel der aussagenlogischen Sprache herleitbar ist. Da jede Formel herleitbar ist, sind alle Tautologien herleitbar, die ja Formeln sind: Das macht den Kalkül vollständig. Da aber jede Formel herleitbar ist, ist insbesondere auch die Formel P0 ∧ ¬ P0 und die Formel A ∨ B herleitbar: Ersteres macht den Kalkül inkonsistent, letzteres inkorrekt. Das Ideal, das ein Kalkül erfüllen sollte, ist Korrektheit und Vollständigkeit: Wenn das der Fall ist, dann ist er der ideale Kalkül für ein logisches System, weil er alle semantisch gültigen Sätze (und nur diese) herleiten kann. So sind die beiden Fragen, ob ein konkreter Kalkül korrekt und/oder vollständig ist und ob es für ein bestimmtes logisches System überhaupt möglich ist, einen korrekten und vollständigen Kalkül anzugeben, zwei besonders wichtige metatheoretische Fragestellungen.
Die klassische Aussagenlogik, wie sie hier ausgeführt wurde, ist ein formales logisches System. Als solches ist sie eines unter vielen, die aus formaler Sicht gleichwertig nebeneinander stehen und die ganz bestimmte Eigenschaften haben: Die meisten sind konsistent, die meisten sind korrekt, etliche sind vollständig, und einige sind sogar entscheidbar. Aus formaler Sicht stehen die logischen Systeme in keinem Konkurrenzverhalten hinsichtlich Wahrheit oder Richtigkeit. Von formalen, innerlogischen Fragen klar unterschieden sind außerlogische Fragen: Solche nach der Nützlichkeit (Anwendbarkeit) einzelner Systeme für einen bestimmten Zweck und solche nach dem philosophischen, speziell metaphysischen Status einzelner Systeme. Die Nützlichkeitserwägung ist die einfachere, bezüglich deren Meinungsunterschiede weniger tiefgehend bzw. weniger schwerwiegend sind. Klassische Aussagenlogik zum Beispiel bewährt sich in der Beschreibung elektronischer Schaltungen (Schaltalgebra) oder zur Formulierung und Vereinfachung logischer Ausdrücke in Programmiersprachen. Prädikatenlogik wird gerne angewandt, wenn es darum geht, Faktenwissen zu formalisieren und automatisiert Schlüsse daraus zu ziehen, wie das unter anderem im Rahmen der Programmiersprache Prolog geschieht. Fuzzy-Logiken, nonmonotone, mehrwertige und auch parakonsistente Logiken sind hochwillkommen, wenn es darum geht, mit Wissensbeständen umzugehen, in denen Aussagen mit unterschiedlich starkem Gewissheitsgrad oder gar einander widersprechende Aussagen abgelegt werden sollen und dennoch sinnvolle Schlüsse aus dem Gesamtbestand gezogen werden sollen. Auch wenn es je nach Anwendungsfall sehr große Meinungsunterschiede geben kann, welches logisches System besser geeignet ist, ist die Natur des Problems für alle Beteiligten unmittelbar und in gleicher Weise greifbar. Einzelwissenschaftliche Überlegungen und Fragestellungen spielen sich überwiegend in diesem Bereich ab. (Noch) kontroverser als solche pragmatischen Überlegungen sind Fragestellungen philosophischer und metaphysischer Natur. Geradezu paradigmatisch ist die Frage, „welches logische System richtig ist“, wobei „richtig“ hier gemeint ist als: Welches logische System nicht nur einen Teilaspekt der Wirklichkeit modellhaft vereinfacht, sondern die Wirklichkeit, das Sein als Ganzes adäquat beschreibt. Zu dieser Fragestellung gibt es viele unterschiedliche Meinungen einschließlich der vom philosophischen Positivismus eingeführten Meinung, dass die Fragestellung als Ganzes sinnlos ist. In den Bereich metaphysischer Fragestellungen fällt auch die Frage, ob es so etwas wie ein metaphysisches Prinzip der Zweiwertigkeit gebe, ob also Aussagen über die Wirklichkeit durchgehend ins Schema wahr/falsch passen oder nicht. Diese Frage ist unabhängig von der Frage, ob die Beschäftigung mit zwei- oder mehrwertigen Logiken praktisch sinnvoll ist: Selbst wenn ein metaphysisches Prinzip der Zweiwertigkeit herrscht, könnte man anwendungspraktisch mehrwertige Logiken nützen, etwa dazu, epistemische Sachverhalte zu fassen, zum Beispiel aus Aussagen zu schließen, die zwar metaphysisch wahr oder falsch sind, von denen aber nicht oder noch nicht bekannt ist, welches von beidem der Fall ist. Umgekehrt kann man auch dann, wenn ein solches metaphysisches Prinzip nicht gilt, zweiwertige Logik wegen ihrer Einfachheit für solche Anwendungen bevorzugen, bei denen nur mit solchen Sätzen umgegangen werden muss, die tatsächlich wahr oder falsch sind. Die Frage nach einem metaphysischen Prinzip der Zweiwertigkeit ist wie die meisten metaphysischen Fragen nicht endgültig zufriedenstellend beantwortet. Ein früher Einwand gegen ein solches Prinzip, den Aristoteles zur Diskussion stellte, war das Thema der Aussagen über zukünftige Sachverhalte („Morgen wird es regnen“). Wenn Aussagen über Zukünftiges schon heute wahr oder falsch wären, so wird argumentiert, dann müsse die Zukunft bis ins letzte Detail vorbestimmt sein. Ein anderer Einwand, der vorgebracht wird, ist, dass es Aussagen gibt, deren Wahrheit praktisch oder theoretisch nicht festgestellt werden kann – zum Beispiel lässt sich die Wahrheit von „Der Rasen vor dem Weißen Haus bestand am 1. Februar 1870 aus genau 6.120.375,4 Grashalmen“ einfach nicht feststellen. Befürworter eines metaphysischen Zweiwertigkeitsprinzips berufen sich oft auf das Verhalten von Metatheoretikern, also von Mathematikern oder Logikern, die Aussagen über formale Systeme treffen: Egal wie mehrwertig oder nichtklassisch das untersuchte System ist, die dabei getroffenen Metavermutungen, Metabehauptungen und Metafeststellungen sind immer zweiwertig: Ein Kalkül, auch ein parakonsistenter oder nonmonotoner, wird immer als entweder konsistent oder inkonsistent betrachtet, und ein logisches System ist immer entweder korrekt oder inkorrekt, vollständig oder nicht vollständig, entscheidbar oder unentscheidbar, niemals „ein bisschen“ von beidem. Befürworter deuten das als Hinweis darauf, dass es in der Wirklichkeit tatsächlich eine strenge Unterscheidung nach wahr und falsch gebe oder dass es zumindest sinnvoll ist, eine solche anzunehmen. Eine andere philosophische Fragestellung ist die nach dem metaphysischen Status des Untersuchungsgegenstands der Logik, also danach, was logische Systeme, Kalküle, Wahrheitswerte eigentlich „sind“. Der platonische Standpunkt besteht darin, dass die in der Logik verwendeten Zeichen und Konstrukte eine außerlogische Bedeutung haben, dass sie Namen für real existierende (wenn auch natürlich nicht-physikalische) Gegenstände sind. In diesem Sinn gäbe es so etwas wie das Wahre und das Falsche, abstrakte Gegenstände, die von den Zeichen „wahr“ und „falsch“ benannt werden. Der Gegenpol zum Platonismus wäre der Nominalismus, der Existenz nur den Zeichen zuspricht, die in der Logik manipuliert werden. Gegenstand der Logik sind Zeichen, und die Tätigkeit der Logiker ist die Manipulation von Zeichen. Die Zeichen bezeichnen aber nichts, so etwas wie das Wahre oder das Falsche gibt es also nicht. Im Grundlagenstreit der Mathematik entspräche der nominalistischen Position die formalistische Richtung. Eine Mittelstellung nähme der philosophische Konstruktivismus ein, demzufolge die Zeichen zwar keine unabhängig existierenden Gegenstände bezeichnen, durch den Umgang mit den Zeichen aber Gegenstände konstruiert werden.
* Jon Barwise, John Etchemendy: The Language of First Order Logic (= CSLI Lecture Notes. Bd. 23). 2. Auflage, revised and expanded. Center for the Study of Language and Information, Stanford CA 1991, ISBN 0-937073-74-1. * Ansgar Beckermann: Einführung in die Logik. 2., neu bearbeitete und erweiterte Auflage. de Gruyter, Berlin u. a. 2003, ISBN 3-11-017965-2. * Karel Berka, Lothar Kreiser: Logik-Texte. Kommentierte Auswahl zur Geschichte der modernen Logik. 4., gegenüber der 3., erweiterte, durchgesehene Auflage. Akademie-Verlag, Berlin 1986. * Wolfgang Detel: Grundkurs Philosophie. Band 1: Logik (= Universal-Bibliothek. Nr. 18468). Reclam, Stuttgart 2007, ISBN 978-3-15-018468-4. * Wilfrid Hodges: Logic. Penguin Books, Harmondsworth 1977, ISBN 0-14-021985-4 (2. Auflage. ebenda 2001, ISBN 0-14-100314-6). * Rüdiger Inhetveen: Logik. Eine dialog-orientierte Einführung (= Eagle. Bd. 2). Edition am Gutenbergplatz, Leipzig 2003, ISBN 3-937219-02-1. * E. J. Lemmon: Beginning Logic. Nelson, London 1965 (2. Auflage. Chapman & Hall, London 1987, ISBN 0-412-38090-0). * Wesley C. Salmon: Logik. (= Universal-Bibliothek. Nr. 7996). Reclam Stuttgart 1983, ISBN 3-15-007996-9.
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Anthony Minghella
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Anthony Minghella, CBE (* 6. Januar 1954 in Ryde auf der Isle of Wight; † 18. März 2008 in London) war ein britischer Filmregisseur, Filmproduzent, Drehbuchautor, Dramatiker, Hörspielautor, Theater- und Opernregisseur.
Anthony Minghella war der Sohn italienisch-schottischer Eltern, die auf der Isle of Wight eine Fabrik für Eiscreme betrieben. Nach seinem Schulabschluss studierte er an der Universität Hull, wo er eine Zeit lang als Dozent tätig war. Im Jahr 1978 drehte er einen ersten Kurzfilm und seit 1981 war er als Autor und Story Editor tätig. Er wurde mit Theaterstücken, Rundfunkhörspielen, der Fernsehserie Inspector Morse und vielen Drehbüchern für Film und Fernsehen bekannt. Er entwickelte die Drehbücher für die im Jahr 1988 erfolgreich ausgestrahlte Fernsehserie The Storyteller von Muppets-Erfinder Jim Henson. Auch als Produzent war er erfolgreich, darunter für die Filme Der stille Amerikaner, Die Dolmetscherin und Der Vorleser, für den er 2008 posthum für den Oscar (Kategorie „Bester Film“) nominiert wurde. Gemeinsam mit seinem Freund und Kollegen Sydney Pollack gründete er die Produktionsfirma Mirage Enterprises. Der Regisseur Minghella galt als ein guter Schauspielerführer: Unter seiner Regie brachten es zahlreiche Darsteller zu Oscar-Nominierungen, zwei Schauspielerinnen erhielten die Auszeichnung als „Beste Nebendarstellerin“: Juliette Binoche (Der englische Patient) und Renée Zellweger (Unterwegs nach Cold Mountain). Gegen Ende seines Lebens kehrte Minghella zu seinen Anfängen im Radio und auf der Bühne zurück: Im Jahr 2006 wurde sein Hörspiel Eyes Down Looking mit Jude Law zu Ehren von Samuel Beckett auf BBC Radio 3 ausgestrahlt, ein Jahr zuvor hatte seine Inszenierung der Puccini-Oper Madame Butterfly in der English National Opera in London Premiere und wurde auch in der Nationaloper von Vilnius, in der Metropolitan Opera in New York und in der Wiener Staatsoper gezeigt. Am Ende des Films Abbitte von Joe Wright (2007) hat er einen Kurzauftritt als Talkshow-Moderator neben Vanessa Redgrave. Seine letzte Arbeit als Drehbuchautor war das Skript für den Musical-Film Nine (gemeinsam mit Michael Tolkin). Zu seinen letzten Regiearbeiten zählt der Pilotfilm zur Krimiserie Eine Detektivin für Botswana (Originaltitel: ), den die BBC fünf Tage nach seinem Tod erstmals ausstrahlte. Minghella war mit der aus Hongkong stammenden Choreographin, Produzentin und Schauspielerin Carolyn Choa (Wie verrückt und aus tiefstem Herzen) verheiratet. Der Ehe entstammen zwei Kinder, die in der Filmbranche tätig sind: Tochter Hannah Minghella in der Produktion und Sohn Max Minghella als Schauspieler (Agora – Die Säulen des Himmels). Seine Schwester Edana Minghella (1959–2022) und sein jüngerer Bruder Dominic Minghella (* 1967; u. a. für die britische Fernsehserie Doc Martin) sind Drehbuchautoren. Minghella starb am 18. März 2008 im Alter von 54 Jahren in einem Londoner Krankenhaus an inneren Blutungen infolge der Operation eines Tonsillenkarzinoms sowie eines Karzinoms im Nacken.
Im Jahr 1984 erhielt Minghella den Londoner Kritikerpreis als meistversprechender junger Dramatiker, 1986 den Kritikerpreis für sein Stück Made in Bangkok als bestes Stück der Saison. 1997 erhielt er für Der englische Patient den Oscar in der Rubrik Beste Regie, 1999 eine Oscar-Nominierung in der Kategorie Bestes adaptiertes Drehbuch für Der talentierte Mr. Ripley, bei dem er auch Regie führte. Im Jahr 2001 wurde Minghella zum Commander of the British Empire (CBE) ernannt. Von 2003 bis 2007 war er Präsident des British Film Institute. Seit 1997 trägt das Anthony Minghella Theatre auf der Isle of Wight seinen Namen.
* 1991: Wie verrückt und aus tiefstem Herzen (Truly Madly Deeply) * 1993: Mr. Wonderful * 1996: Der englische Patient (The English Patient) * 1999: Der talentierte Mr. Ripley (The Talented Mr. Ripley) * 2003: Unterwegs nach Cold Mountain (Cold Mountain) * 2006: Breaking and Entering – Einbruch & Diebstahl (Breaking and Entering)
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US-amerikanischer Film
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Die Geschichte des US-amerikanischen Films ist ein Kapitel der Filmgeschichte, das gerade wegen der hervorgehobenen Stellung der Vereinigten Staaten als Filmnation sowohl für die Filmkunst als auch für die Ökonomie des Films relevant ist. Weltruhm erlangte Hollywood, ein Stadtteil von Los Angeles, als Zentrum der US-amerikanischen Filmindustrie, weshalb der Name oft auch als Synonym für die gesamte amerikanische Film-Branche steht. Synonym für Hollywoods Filmindustrie wird wiederum der Begriff Traumfabrik ( Dreamfactory) verwendet.
Bis 1912 konzentrierten sich die US-amerikanischen Filmunternehmen auf den inneramerikanischen Filmwettbewerb. Erst danach stieg ihr Einfluss auf dem Weltmarkt. Und zwar so rapide, dass sie bereits 1914, zu Beginn des Ersten Weltkriegs, die Hälfte der Welt-Filmproduktion stellten. Der harte Wettkampf zwischen dem Edison Trust und den von Carl Laemmle angeführten „Independents“ hatte wirksame Instrumente geschaffen, die, am nationalen Konkurrenten erprobt und verfeinert, nun mit zunehmender Härte die internationalen Mitbewerber trafen. Dennoch war die Vormachtstellung Hollywoods längst nicht unangreifbar, erst eine politische Entwicklung verschaffte ihr die nötige Ruhe zur Restrukturierung: Der Krieg in Europa. Die französische Filmproduktion, Hauptkonkurrent der US-Amerikaner, kam mit dem Ausbruch des Krieges sofort und vollständig zum Erliegen, denn Pathé wandelte seine Rohfilm-Fabrik in eine Munitionsfabrik um und seine Studios in Kasernen. Ähnlich, und doch weniger extrem, brach die italienische Produktion beim Kriegseintritt des Landes 1916 ein. Nachdem absehbar war, dass der Krieg sehr lange dauern konnte, bemühten sich die Franzosen, wieder ins Geschäft zu kommen. Die Position, die sie vor Ausbruch des Krieges innehatten, erreichten sie nicht mehr. Zudem beschloss das Deutsche Reich 1916 das generelle Filmeinfuhrverbot, was die europäischen Filmnationen ihres wichtigsten Absatzmarktes beraubte. Auch der Export nach Übersee gestaltete sich zunehmend schwierig, denn die Militärs beanspruchten viele Transportkapazitäten für sich. Außerdem führten deutsche U-Boote und kleinere Kreuzer einen Handelskrieg gegen die Entente-Mächte, wobei auch zivile Frachter versenkt wurden, da man die Entente verdächtigte, sie für Waffenlieferungen zu missbrauchen (z. B. die Versenkung der Lusitania).
Die Macht der Motion Picture Patents Company (MPPC) war 1914 bereits weitgehend gebrochen, die später folgenden Gerichtsurteile waren nur noch Formalitäten. Sowohl die nationale als auch die internationale Konkurrenz der Independents waren also ausgeschaltet. Die US-Filmwirtschaft verlor zwar einen Teil des europäischen Absatzmarktes, doch der Bedarf an frischen Filmen innerhalb der Vereinigten Staaten war höher als in ganz Europa zusammen, so gab es beispielsweise 1916 bereits ca. 28.000 Kinos in ganz Amerika. Auch in der übrigen Welt nahmen die Hollywood-Unternehmen eine dominierende Stellung ein, sie stellten zum Beispiel einen Großteil der in Australien und Südamerika gezeigten Filme, die ab ca. 1916 direkt vertrieben wurden (früher war es üblich, an lokale Zwischenhändler zu verkaufen).
Nach Robert C. Allen und Douglas Gomery basiert der freie Wettbewerb zwischen Unternehmen auf vier Punkten: # Der Austauschbarkeit der Produkte # Dem geringen Marktanteil der einzelnen Unternehmen # Dem Fehlen von Wettbewerbshemmnissen # Der Mobilität der Ressourcen
Der erste Versuch, den freien Wettbewerb zu zerstören und ein Oligopol zu bilden, wurde mittels der Patente betrieben. MPPC versuchte, den Zugang fremder Unternehmen zu behindern, indem sie diesen durch Lizenzgebühren den Wettbewerb erschwerte. Um das System durchzusetzen, sollte zudem eine hohe Marktdurchdringung erfolgen. Auf ihrem Höhepunkt kontrollierte die MPPC via Lizenz den Großteil der Kinos. Auch der Zugang zu Filmmaterial war nicht ohne Lizenz möglich, da Eastman Kodak einen Exklusivvertrag mit der MPPC geschlossen hatte. Der Edison-Trust attackierte also vor allem die Punkte 2–4. Das System scheiterte endgültig mit der Annullierung der Edison-Patente durch den Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten, sein Niedergang jedoch hatte schon wesentlich früher begonnen.
Den freien Zugang zum Filmmaterial erlangten die Independents durch den Bau eigener Kameras und durch die Aufhebung des Patents auf Rohfilme 1912. Und um mit dem Trust konkurrieren zu können, begannen sie, ihre Filme von denen der MPPC unterscheidbar zu machen. Hierbei entstanden der Feature Film und das „Starsystem“. Die MPPC war zwar nicht blind gegenüber diesen Neuerungen, auch sie drehte Feature Films, durch ihre Struktur und vor allem durch ihre Kundenstruktur, war sie dennoch nicht in der Lage, mit diesen neuen Instrumenten zu experimentieren. Der Trust wollte Massenware verkaufen um eine bestimmte Marge zu erwirtschaften. Teure Stars hätten nur die Kosten hochgetrieben, und Feature Films bargen ein nicht zu unterschätzendes Risiko, für das die Kunden des Trusts nicht aufkommen wollten. So konnten die „Independents“ den ersten Punkt des freien Wettbewerbs unterhöhlen und einzigartige Filmerlebnisse statt austauschbarer Produkte bieten, was dem Publikumsinteresse deutlich entgegenkam und vor allem finanzkräftigere Mittelschichten erschloss. Der Feature Film kommt ca. 1909 auf und wird nur von den Independents ernsthaft weiterentwickelt, beispielsweise von Famous Players, die später nur noch Features produzieren. Famous Players sind auch die erste Gesellschaft, die das Starsystem konsequent nutzt, nach früheren Versuchen, z. B. von I.M.P.
Durch die oben genannten Schritte schaffen es die Independents, sich eine Position im Markt zu sichern und immer weiter auszubauen. Für nationales und internationales Wachstum fehlen ihnen effiziente Strukturen, zum Beispiel in der Distribution. Noch bis in die Mitte der 1910er Jahre hält sich das alte States-Rights-System, in dem der Produzent lokale Franchise-Rechte seines Films an einen Distributor verkauft, der diese dann innerhalb seines festgelegten Gebiets an Kinos weiter verleiht. Diese Situation ändert sich erstmals 1914 mit der Fusion von elf regionalen Distributoren zu Paramount, die als erste landesweite Rechte handelt. Durch ihre schiere Größe kann das Unternehmen wesentlich kosteneffizienter arbeiten als die Mitbewerber, ganz abgesehen davon, dass dieses System auch für die Produktionsgesellschaft erhebliche Vorteile mit sich bringt. Das alte System kommt bis 1918 zum Erliegen.
Kurz nach ihrer Gründung schließt Paramount Fünfjahresverträge mit Famous Players, Lasky und Bosworth ab, die später auf 25 Jahre verlängert werden. Hier zeichnet sich ein Trend ab, der 1914 zunehmend an Bedeutung gewinnt: Die Verflechtung der bisher getrennten Bereiche Distribution, Produktion und Vorführung, ein Phänomen, das in der Fachliteratur als Vertikale Integration bezeichnet wird. Die Bindung durch die Fünfjahresverträge ist vorteilhaft für alle Beteiligten: Jeder profitiert vom Erfolg des anderen. Wenn das Lasky-Programm sehr gut ist, wird das Paramount-Sortiment von mehr Kinos gekauft, wovon auch Famous Players und Bosworth profitieren, da ihr Programm so auch eine größere Verbreitung findet. Die Kooperation führt dann auch, zwei Jahre später, zur Fusion der genannten und noch einiger weiterer Unternehmen. Doch es lassen sich durchaus auch frühere Beispiele für vertikale Integration finden. So sind 1912 unter dem Namen Universal erstmals alle drei Bereiche des Filmbusiness vereint. Es fehlte allerdings eine große First-Run-Kinokette. Dennoch schien der Branche die Fusion so bedrohlich, dass die Gründung von Mutual eine direkte Gegenmaßnahme darstellen sollte. Auch hier fanden sich viele Unternehmen unter einem Dach zusammen, denen es explizit nur um Distribution und Produktion ging. Auch William Fox besitzt 1913 ein Distributions- und ein Produktionsunternehmen, die allerdings erst später zusammengeführt werden. Von Seiten der Kinokettenbesitzer ist zunächst wenig zu hören, erst 1915 schließen sich drei große Ketten, Rowland, Clarke und Mayer, zur Metro Pictures Corporation zusammen, einer Produktionsgesellschaft.
Die wirklich große Reaktion der Kinobesitzer kam erst 1917. Zu diesem Zeitpunkt war die fusionierte Paramount zur dominanten Gesellschaft geworden, die ihre Filme mittels Block-Booking vertrieb. Das hieß, um einen Film mit einem Star vom Kaliber einer Mary Pickford zu bekommen, musste man ein komplettes Paket erwerben, dessen große Mehrheit bestenfalls als durchschnittlich zu bezeichnen war. Andererseits konnte man dem Kauf der Pakete schlecht entgehen, wenn man nicht sein Publikum an ein anderes Kino verlieren wollte, das ebendiesen Mary-Pickford-Film zeigte. Um dieses System zu durchbrechen, schlossen sich 26 der größten nationalen First-Run-Kinokettenbesitzer zum First National Exhibitors Circuit zusammen. Mit ihrer erheblichen Kaufkraft wollten sie gemeinsame Einkäufe tätigen und auch distribuieren. Zuerst war es das Ziel, Stars zu kaufen, ihre Filme zu finanzieren und im Gegenzug das Aufführungsrecht zu erwerben sowie das Recht, die entstandenen Filme regional weiter zu verleihen. Sehr bald kam auch eine eigene Produktion dazu. Zwischen 1917 und 1918 nahm First National Charlie Chaplin und Mary Pickford für jeweils eine Million Dollars unter Vertrag. Beide erhielten vollständige künstlerische Freiheit. First National kontrollierte zu diesem Zeitpunkt bereits ca. 600 Kinos, 200 davon Erstaufführungshäuser. Aus den First-Run-Kinos stammten bis zu 50 Prozent der Einnahmen der Produzenten, außerdem waren Kinos die verlässlichsten Geldverdiener im recht unsteten Filmgeschäft, da das Betreiberrisiko viel geringer war als beispielsweise in der Produktion. Darüber hinaus entschied der Erfolg in den First-Runs über eine lukrative Distribution. Wenn Paramount also seine Abnehmer und sein Publikum nicht verlieren wollte, musste ein Gegenschlag erfolgen. Also stieg die Gesellschaft, mit finanzieller Unterstützung des Bankhauses Kuhn, Loeb & Co., ins Geschäft mit den Kinos ein, anfangs mit einer Summe von 10 Millionen Dollar. Somit wurde Paramount der erste vollintegrierte, oder komplett vertikal integrierte Filmkonzern.
So wurden aus den alten Independents die Inhaber des zweiten Oligopols. Am Ende der 1910er Jahre war der erste Punkt des freien Wettbewerbs durch das Starsystem und Feature-Filme außer Kraft gesetzt, der zweite Punkt durch die schiere Größe der Unternehmen: Weniger als zehn Unternehmen kontrollierten über 50 Prozent des Marktes. Durch die Vereinigung der Distribution und durch den beginnenden Kampf um die Kinos waren auch die letzten beiden Bedingungen für einen funktionierenden Wettbewerb ausgehebelt. Ein neues Unternehmen konnte weder einen genügenden Zugang zu den Kinos noch Zugriff auf die Stars, also auf die essentiellen Ressourcen der Filmproduktion erhalten. Auch waren die Produktionskosten stark gestiegen. Zwischen 50.000 und 100.000 US-Dollar pro Film waren normal, nach oben gab es keine Beschränkungen. Ein Großteil dieses Geldes floss in die Taschen der Stars, der Rest wurde in bessere Ausstattung investiert, eine weitere Hürde für Neueinsteiger. Um dem Trend zu höheren Gagen entgegenzuwirken, und um, wie später in einer Anhörung des Obersten Gerichtshofs bekannt wurde, ein Monopol zu errichten, planten First National und Paramount eine Fusion im Wert von 40 Millionen US-Dollar. Es war geplant, mit jedem bedeutenden Kinobesitzer in den Vereinigten Staaten einen Fünf-Jahres-Vertrag abzuschließen. Die Stars hätten dann keine Grundlage mehr für irgendwelche Forderungen gehabt.
Die Pläne zu diesem Merger wurden von einem Privatdetektiv aufgedeckt, der im Auftrag von Charlie Chaplin, Mary Pickford, Douglas Fairbanks und D. W. Griffith herausfinden sollte, warum weder First National noch Paramount ihre Verträge verlängerte. Natürlich waren sie entsetzt über solche Aussichten und beschlossen, dem entgegenzuwirken, indem sie ihr eigenes Unternehmen gründeten. 1919 entstand United Artists als Gesellschaft für den Filmvertrieb. Finanziert wurde das Unternehmen durch die Morgan-Gruppe sowie durch eine Einlage von 100.000 US-Dollar für Vorzugs-Anteilscheine durch die Eigentümer. Daneben existierten auch normale Anteilscheine, bei deren Weiterverkauf United Artists ein Vorkaufsrecht hatte. Die Gesellschaft hatte keine eigenen Studios, sondern nutzte die Studios seiner Mitglieder. Sie war errichtet worden als reine Dienstleistungsgesellschaft, die nicht auf Rendite arbeiten sollte, sondern den Besitzern größtmögliche Autonomie und Profite aus dem Geschäft mit ihren Filmen einräumte. Es gab kein Block-Booking, jeder Film wurde individuell vertrieben und musste allein durch seine künstlerischen Qualitäten überzeugen. Die Verleihgebühren der United Artists lagen deutlich unter denen von First National und Paramount, stellten also eine erhebliche Bedrohung für die marktbeherrschende Stellung der beiden dar.
Die Fusion der beiden Giganten war auch gescheitert, weil ihr wichtigstes Kapital, die Stars, sich auf und davon gemacht hatte. First National war also immer noch Konkurrent Paramounts, und die United Artists mit ihren qualitativ sehr hochwertigen Filmen und ihrer enormen Beliebtheit brachten das Unternehmen weiter in Bedrängnis. Also versuchte Paramount das, was man heute eine feindliche Übernahme nennen würde: Stück für Stück wurden die in der First National zusammengeschlossenen Kinoketten aufgekauft. Auch andere Unternehmen versuchten nun, Kontrolle über die Erstaufführungshäuser zu erlangen, sogar United Artists sah sich später, 1924, mangels Abnehmern gezwungen, eine eigene Kette zu gründen. Wie auch schon in der Vergangenheit, wurden die Kämpfe um die Kinos mit harten Bandagen ausgetragen, vor allem Paramounts „dynamite gang“, auch „wrecking crew“ genannt, wurde ihrem Ruf gerecht. Eine weit verbreitete Methode, Kinos an sich zu binden, war das Blocksystem.
Seit 1917 begannen US-amerikanische Unternehmen, ihre Gewinne auf der Basis von in- und ausländischen Verkäufen zu schätzen. Aus dieser Gewinnschätzung ergab sich das Budget der Produktion, das dadurch erhöht wurde, was für die ausländische Konkurrenz doppelt schlecht war. Die Produktionskosten eines Filmes wurden in den Vereinigten Staaten amortisiert, und später wurden die Filme billig im Ausland angeboten, wodurch die internationale Konkurrenz nicht mehr mithalten konnte. US-amerikanische Filme galten als qualitativ besser und waren im Erwerb trotzdem günstiger als z. B. deutsche Produktionen. Auch waren die Infrastruktur und die Rationalisierung der Produktionsabläufe nirgends so weit gediehen wie in Hollywood, ein Resultat auch des wachsenden Einflusses der Banken. Als der Erste Weltkrieg vorbei war, und die Menschen in den bislang abgeschnittenen Ländern wie Deutschland oder Österreich erstmals wieder Hollywood-Produktionen zu sehen bekamen, erlebten sie einen wahren Quantensprung in der Qualität. Die führenden europäischen Filmproduktionsländer, deren isolierte Filmindustrien fünf Jahre lang unter dem Ersten Weltkrieg gelitten hatten, und zudem mit viel geringeren Budgets zu kämpfen hatten, konnten der Konkurrenz aus den Vereinigten Staaten nur noch wenig entgegensetzen. Bis 1927 erhöhte sich der Anteil der amerikanischen Filmproduktion an der Weltfilmproduktion auf nahezu 90 %, was zu Beginn der 1920er Jahre die Filmwirtschaft in England, Frankreich, Italien, Deutschland und Österreich schwer in Bedrängnis brachte und die dortige Filmproduktion stark zurückgehen ließ. Zahlreiche europäische Filmproduktionsgesellschaften mussten schließen. 1925 wurden alleine nach Österreich 1200 US-Produktionen exportiert, obwohl der Bedarf der dortigen Kinos auf lediglich rund 350 geschätzt wurde. In vielen Ländern wurden Filmkontingente eingeführt, die die erlaubte Anzahl an Filmimporten aus den Vereinigten Staaten regelten. Da rund 45 % der Gewinne zu dieser Zeit aus Europa kamen, wurden die Restriktionen in Europa von den amerikanischen Filmmagnaten mit Argwohn betrachtet. Zumeist erfolglos wurde gegen Einfuhrbeschränkungen Lobbying betrieben. In Ungarn jedoch wurden die geplanten Einfuhrbeschränkungen nicht eingeführt, nachdem die US-amerikanische Filmindustrie den ungarischen Behörden damit gedroht hatte, keine Filme mehr in Ungarn zu zeigen.
1927 waren nach Zahlen des US-Handelsdepartements beim amerikanischen Film 350.000 Personen beschäftigt. Zur Filmproduktion wurden rund 500.000 Kilometer Filmband verbraucht, wofür mehr Silber benötigt wurde, als der Umlauf an Silbermünzen in den Vereinigten Staaten ausmachte. Es wurden Filme im Ausmaß von 75.000 Kilometer Filmband und einem damaligen Wert von rund 320 Millionen Mark exportiert. Ende des Jahres 1927 zählten die Vereinigten Staaten 21.642 Kinos, die in jenem Jahr insgesamt 3 Milliarden Mal besucht wurden, was wiederum einen Erlös aus dem Eintrittsgeld von rund 2,5 Milliarden Dollar ergab. Während Amerika den weltweiten Filmmarkt fast ohne nennenswerte Konkurrenz dominierte, hatten ausländische Produktionen am US-Markt kaum eine Chance. Spielten in manchen Ländern jährlich bis zu 1000 oder mehr US-Filmproduktionen in den Kinos, liefen in den gesamten Vereinigten Staaten im Jahr 1927 nur 65 ausländische Filme, davon 38 aus Deutschland, neun aus England, sechs aus Frankreich, vier aus Russland, je zwei aus Österreich und Italien und je einer aus China und Polen. Selbst diese Filme waren zumeist nur wenig verbreitet und liefen fast ausschließlich auf so genannten Filmkunstbühnen.
Ab 1933, verstärkt jedoch ab Beginn des Zweiten Weltkriegs und der Ausbreitung des Deutschen Reichs auf immer weitere Teile Europas, setzte eine Emigrationswelle von zumeist jüdischen Filmschaffenden aus Europa ein. Waren deren Auswanderungsziele zu Beginn noch häufig europäische Städte mit Filmindustrie wie Wien, Paris oder London, kristallisierte sich bald die aufstrebende Filmindustrie Hollywoods als begehrtestes und vielversprechendstes Ziel der Emigranten heraus – verstärkt durch gezieltes Anwerben europäischer Filmgrößen durch Hollywood-Studiobosse. Von den etwa 2000 jüdischen Filmschaffenden, die im Deutschen Reich keine Arbeit mehr fanden und auswandern mussten, fanden sich letztendlich rund 800 in Hollywood wieder – darunter fast die gesamte Elite des deutschsprachigen Filmschaffens dieser Zeit. Vielen gelang dort eine ruhmvolle Karriere, viele, vor allem jene, die 1938 und noch später ohne Arbeitsangebot in Hollywood ankamen, konnten nicht mehr an ihre bisherige Karriere anschließen und kamen nur in schlecht bezahlten und unbedeutenden Positionen unter oder mussten nach einer Weile gar das Filmgeschäft aufgeben. Statt der bisher aus Berlin und Wien gewohnten Kaffeehäuser, wo man sich einst regelmäßig traf, wurden nun große Appartements und Villen von in Hollywood erfolgreichen Emigranten neue Treffpunkte. Beliebte Treffpunkte der Film- und Theaterschaffenden waren die Adressen von Henry Koster, Paul Henreid, Ernst Deutsch-Dryden, Paul Kohner und später auch von Sam Spiegel. Die literarische Emigration, inklusive Drehbuchautoren, traf sich häufig bei Salka Viertel und bei Brecht.
Das sogenannte goldene Zeitalter Hollywoods, in dem die Filmindustrie von acht Studios beherrscht wurde, endete bald nach dem Zweiten Weltkrieg. Ein Grund war das sogenannte Paramount-Urteil des Supreme Court 1948. Es besagte, dass die Studios sich von ihren Kinoketten trennen mussten, was das Ende der vertikalen Integration und der Blockbuchungen bedeutete. Auch die Zweiteilung der Produktion in Prestige- und B-Filme fand damit ein Ende. Die Künstler waren nicht mehr an die Studios gebunden und die Herstellung der Filme wurde nun an unabhängige Produzenten ausgelagert. Die Studios erholten sich von diesen Umwälzungen nur schwer und mussten entweder schließen (wie RKO) oder wurden von Magnaten oder Großkonzernen übernommen.
Nicht nur juristische Entscheidungen führten zu einer Krise der Filmindustrie. Ab den späten 1940er Jahren sanken die Zuschauerzahlen rapide, was unter anderem die Abwanderung der Zielgruppe in die Vorstädte und die Konkurrenz des Fernsehens als Ursache hatte. Ein Versuch, das Publikum weiterhin zu erreichen, war das Verlegen der Kinos aus den Stadtzentren in die Peripherie. In den 1950er Jahren wurden tausende Autokinos errichtet, deren Besucherzahlen 1956 erstmals die von herkömmlichen Kinos überstiegen. In den sich in den 1960er Jahren etablierenden Einkaufszentren wurden außerdem Multiplexe mit fünf oder mehr Leinwänden errichtet. Da diese Maßnahmen die sinkenden Einnahmen im Inland nicht ausreichend ausgleichen konnten, gewann der Vertrieb in ausländischen Märkten zunehmend an Bedeutung. Nachdem die Studios jahrelang das Fernsehen boykottiert und sich geweigert hatten, Filme zur Ausstrahlung freizugeben, verkaufte RKO schließlich 1954 sein gesamtes Filmarchiv ans Fernsehen und erzielte damit Millionengewinne. Die anderen Filmproduktionsgesellschaften zogen bald nach. Ab 1955 begannen sie, auch selbst Fernsehprogramme zu produzieren, sodass Hollywood bald New York als Zentrum der Fernsehproduktion abgelöst hatte.
Ein weiterer Versuch der Filmindustrie, den Zuschauerschwund zu bekämpfen, war der Einsatz neuer Technologien, um ein spektakuläreres und immersiveres Filmerlebnis zu schaffen, als das Fernsehen es bieten konnte. Nicht zuletzt dank der juristisch beendeten Monopolstellung von Technicolor wurden bereits 1955 mehr als die Hälfte aller Hollywoodfilme in Farbe produziert, seit Anfang der 60er Jahre waren es nahezu alle. Die 3D-Technik war bereits in den 1920er Jahren bekannt und erlebte von Ende 1952 bis Frühjahr 1954 eine kurze Renaissance, konnte sich jedoch wegen der hohen Kosten nicht langfristig durchsetzen. Anders verhielt es sich mit dem Breitbildformat, das in den 1950er Jahren allmählich das nahezu quadratische 35-mm-Academy-Format ablöste. Ein Extrembeispiel ist die im September 1952 veröffentlichte Cinerama-Technologie: Die Filme wurden auf einer gewölbten Leinwand mit 146° horizontalem Blickwinkel gezeigt. Das Format konnte sich wegen der aufwendigen Aufführung mit drei synchronisierten Projektoren jedoch langfristig nicht gegen anamorphotische Breitbildformate wie CinemaScope durchsetzen. Auch auf der Tonebene sollte das Publikum das Gefühl bekommen, sich mitten im Geschehen zu befinden: Mehrkanalton mit dem Magnettonverfahren kam jedoch hauptsächlich in großen Breitbildproduktionen zum Einsatz. Die breite Masse der Kinos war in den 1950er Jahren nicht bereit, in die Umrüstung ihrer Säle auf das neue Tonverfahren zu investieren.
Die Lockerung der Zensurbestimmungen in der Nachkriegszeit ermöglichten Filmemachern, gewagtere Themen zu behandeln. Wie Alfred Hitchcock Sex und Gewalt in Psycho nutzte, um das Publikum zu fesseln, war 1960 noch skandalös, wurde im Laufe des Jahrzehnts jedoch immer mehr zum Mainstream. Während sich Hollywood thematisch öffnete, blieb der Erzählstil jedoch zunächst unverändert. Erst der Einfluss des europäischen Kunstfilms führte zu Werken, die die althergebrachten Erzähltechniken durch nur locker verknüpften Erzählstränge und vielschichtige Protagonisten unterliefen. Ein Spiel mit und eine Neuformulierung von Genrekonventionen kennzeichnet diese Zeit, zum Beispiel in den Western von Sam Peckinpah.
Eine neue Generation von Filmemachern, die größtenteils von den Filmhochschulen kamen und deren Werke später als New Hollywood bezeichnet wurden, machte Ende der 1960er Jahre mit Werken wie Bonnie and Clyde, The Graduate, The Wild Bunch und Easy Rider auf sich aufmerksam, in denen sie neue Erzähl- und Darstellungsformen erprobten. Die sogenannten movie brats (etwa: Film-Bälger) zu denen unter anderem Steven Spielberg, George Lucas und Francis Ford Coppola gehörten, begannen ihre Karriere beim Fernsehen oder mit Exploitation-Filmen. Erst als sie Anfang und Mitte der 1970er Jahre mit Der Pate, American Graffiti und Der weiße Hai große Erfolge feierten, konnten sie sich endgültig gegen die Konventionen der althergebrachten Filmindustrie durchsetzen. Diese erkannte nun, wie sie eine Zuschauer-Generation, die mit den billigen Genre-Filmen Roger Cormans in den Auto- und Programmkinos aufgewachsen war, wieder in die großen Kinos locken konnte: Die Kassenschlager der folgenden Jahre und Jahrzehnte waren Exploitation-Filme mit Multi-Millionen-Dollar-Budgets, ohne die technischen Unzulänglichkeiten ihrer Vorbilder, aber auch ohne deren Ecken und Kanten.
* Liste erfolgreicher Filme in den Vereinigten Staaten * US-amerikanische Filmproduktionsgesellschaften
* Kenneth Anger: Hollywood Babylon, Reinbek bei Hamburg: Rowohlt-Taschenbuch-Verlag, 1999 * Helmut G. Asper: ‘Etwas Besseres als den Tod …’. Filmexil in Hollywood: Porträts, Filme, Dokumente. Schüren 2002, ISBN 3-89472-362-9. * Elisabeth Bronfen, Norbert Grob (Hrsg.): Classical Hollywood. Philipp Reclam jun., Stuttgart 2013, ISBN 978-3-15-019015-9. (Filme von 1929 bis 1960) * Peter Bürger: Kino der Angst. Terror, Krieg und Staatskunst aus Hollywood. Schmetterling Verlag; Auflage: 2., durchges. u. erw. Aufl. 2006, ISBN 3-89657-472-8. * Hollywood hybrid. Genre und Gender im zeitgenössischen Mainstream-Film, hg. von Claudia Liebrand, Schüren Presseverlag 2003 * Neal Gabler: Ein eigenes Reich. Wie jüdische Emigranten Hollywood erfanden. Berlin Verlag 2004, ISBN 3-8270-0353-9. * Ronald Haver: David O. Selznick’s Hollywood. München 1982. * Michaela Krützen: Dramaturgie des Films. Wie Hollywood erzählt. Frankfurt am Main, Fischer TB, 2004, ISBN 3-596-16021-9. * Paul Werner, Uta van Steen: Rebellin in Hollywood – 13 Porträts des Eigensinns. Münster 1987 * Slavoj Žižek: Lacan in Hollywood. Turia & Kant 2000, ISBN 3-85132-276-2.
* Christopher Ames: Movies about the movies: Hollywood reflected. University Press of Kentucky, 1997 * Ward Churchill: Fantasies of the Master Race: Literature, Cinema, and the Colonization of American Indians: Literature, Cinema and the Colonization of American Indians. City Lights Books., U.S., 1998, ISBN 0-87286-348-4. * Peter Cowie (Hrsg.): Hollywood 1920–1970. South Brunswick / New York / London 1977. * George F. Custen: Twentieth Century’s Fox: Darryl F. Zanuck and the Culture of Hollywood. Basic Books, New York 1997, ISBN 0-465-07619-X. * David Bordwell, Janet Staiger, Kristin Thompson: The Classical Hollywood Cinema. Columbia University Press, New York 1985 * Alan Taylor: We, the media …, genre, star system, representation of news journalism, media mergers, 1976–1999. Peter Lang, 2005, ISBN 3-631-51852-8, S. 418. * Steven Alan Carr: Hollywood and anti-semitism: a cultural history up to World War II. Cambridge Univ. Press, 2001 * Gene Fernett: American Film Studios: An Historical Encyclopedia. McFarland, Jefferson, NC 1988, ISBN 0-7864-1325-5. * Otto Friedrich: City of Nets: A Portrait of Hollywood in the 1940s. Harper & Row, New York 1986, ISBN 0-06-015626-0. * Neal Gabler: An empire of their own: how the Jews invented Hollywood. Crown Publishers, New York 1988. * Molly Haskell: From reverence to rape the treatment of women in the movis. 2. Auflage. University of Chicago Press, Chicago 1987. * Stanlay Hochman (Hrsg.): A Library of Film Criticism – Amerikan Film Directors. New York 1974. * Mick LaSalle: Complicated Women: Sex and Power in Pre-Code Hollywood. St. Martin’s Press, New York 2000, ISBN 0-312-25207-2. * Ethan Mordden: The Hollywood Studios: House Style in the Golden Age of the Movies. Alfred A. Knopf, New York 1988, ISBN 0-394-55404-3. * Stephen Prince: A new pot of gold: Hollywood under the electronic rainbow, 1980–1989 (= History of the American cinema. vol. 10). New York: Scribner u. a. 2000. * Vincent F. Rocchio: Reel Racism: Confronting Construction of Afro-American Culture. Westview Press, 2000. * Peter C. Rollins (Hrsg.): Hollywood’s Indian: the portrayal of the Native American in film. Univ. Press of Kentucky, 1998. * Marjorie Rosen: Popcorn Venus: Women, Movies & the American Dream. Coward, McCann & Geoghegan, New York 1973, ISBN 0-698-10545-1. * Steven J. Ross: Working class Hollywood: silent film and the shaping of class in America. Princeton University Press, 1998. * Jean Rouverol: Refugees from Hollywood: a journal of the blacklist years. University of New Mexico Press, 2000. * Kerry Segrave: American television abroad: Hollywood’s attempt to dominate world television. McFarland, 1998. * Dawn B. Sova: Women in Hollywood: from vamp to studio head. Fromm International Publ., New York 1998. * John Trumpbour: Selling Hollywood to the World: U.S. and European Struggles for Mastery of the Global Film Industry 1920–1950. Cambridge University Press, 2002. * Eileen Whitfield: Pickford: the woman who made Hollywood. Macfarlane Walter & Ross, 1997. * Lauren Rabinovitz: Points of resistance: women, power & politics in the New York avant-garde cinema, 1943–71. 2. Auflage. University of Illinois Press, 2003. * P. Adams Sitney: Visionary Film: The American Avant-Garde 1943–1978. 2. Auflage. Oxford University Press, 1979. * Bill Nichols: Newsreel: documentary filmmaking on the American left. Arno Pr., New York 1980. * Janet K. Cutler, Phyllis Rauch Klotman (Hrsg.): Struggles for Representation: African American Documentary Film and Video. Indiana University Press, 2000. * Peter Biskind: Down and Dirty Pictures: Miramax, Sundance and the Rise of Independent Film. Bloomsbury, 2005. * Greg Merritt: Celluloid Mavericks: A History of American Independent Film. Thunder’s Mouth Press, 2001.
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Vorsätze für Maßeinheiten
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Vorsätze für Maßeinheiten, Einheitenvorsätze, Einheitenpräfixe oder kurz Präfixe (von lateinisch praefixum: vorne angeheftet) dienen dazu, Vielfache oder Bruchteile von Maßeinheiten zu bilden, um Zahlen mit vielen Stellen zu vermeiden.
Die Dezimalpräfixe sind im Internationalen Einheitensystem (SI) für die Verwendung als Einheitenvorsatzzeichen definiert, sie werden deshalb auch manchmal SI-Präfixe genannt. Sie basieren auf Zehnerpotenzen mit ganzzahligen Exponenten. Man unterscheidet zwischen dem Namen des Präfixes und seinem Symbol. Die Symbole sind international einheitlich. Die Namen unterscheiden sich je nach Sprache.
Die Zeichen für Teile einer Einheit werden als Kleinbuchstaben geschrieben, während die meisten Zeichen für Vielfache einer Einheit als Großbuchstaben geschrieben werden. Ausnahmen von dieser Systematik sind aus historischen Gründen die Zeichen für Deka (da), Hekto (h) und Kilo (k). Das Beratende Komitee für Einheiten (CCU) des Internationalen Büros für Maß und Gewicht diskutierte die Möglichkeiten, diese Symbole durch D, H und K zu ersetzen, legte diese Idee jedoch auf Eis (), weil Änderungen am System nur „aus sehr wichtigen Gründen“ erfolgen sollten.
Die Einheitenvorsatzzeichen werden wie die Einheitenzeichen in aufrechter, nicht kursiver Schrift geschrieben, unabhängig von der Schriftart (Schriftauszeichnung) des umgebenden Textes. Zwischen Einheitenvorsatzzeichen und Einheitenzeichen wird kein Zwischenraum geschrieben. Das Präfix-Symbol für „Mikro“ ist der griechische Buchstabe μ (My). Aus historischen Gründen ist es in Unicode zweimal vorhanden: als Buchstabe des griechischen Alphabets (U+03BC) und als Sonderzeichen (U+00B5), siehe My → Mikro-Zeichen. Wo dieses Zeichen nicht verfügbar ist, wird vor allem in der elektrotechnischen Literatur ersatzweise häufig u verwendet. Das wurde in der Internationalen Norm ISO 2955 von 1983, die 2001 zurückgezogen wurde, auch so empfohlen. Für Deutschland gelten weiterhin die Empfehlungen der DIN-Norm DIN 66030 Informationstechnik – Darstellung von Einheitennamen in Systemen mit beschränktem Schriftzeichenvorrat vom Mai 2002. In Österreich sieht das Maß- und Eichgesetz μ vor. Beim Austausch medizinischer Daten gemäß dem HL7-Standard ist u anstelle von μ zugelassen. Im englischen Sprachraum wird μ manchmal durch mc ersetzt.
* Die Zusammensetzung aus Präfix und Einheitenzeichen bildet ein neues, beim Zeilenumbruch nicht trennbares Einheitenzeichen. * Präfixe dürfen nicht kombiniert werden. Es gibt also keine Mega-Kilometer oder Dezi-Kilogramm. In Einheiten, die als Produkte oder Quotienten geschrieben werden, darf jeder Faktor ein Präfix tragen; kg/dm3 ist also zulässig. * Einheitenvorsatzzeichen und Einheitenvorsatznamen können nicht alleine, sondern nur zusammen mit Einheitenzeichen und Einheitennamen verwendet werden. * Für Zeiteinheiten außerhalb des SI (zugelassen sind Minute (min), Stunde (h) und Tag (d) ) werden Präfixe nicht verwendet; für die SI-Einheit Sekunde sind Präfixe erlaubt. * Das Kilogramm (kg) verwendet bereits kilo, also werden keine weiteren Vorsätze angewendet. Stattdessen wird vom Gramm (g) ausgegangen. Statt Megagramm, Gigagramm usw. wird in der Regel auf die (metrische) Tonne (t) zurückgegriffen. * Das Zeichen m bezeichnet sowohl die Einheit Meter als auch das Präfix Milli (). Um Missverständnisse zu vermeiden, wird es bei zusammengesetzten Einheiten für die Bedeutung Meter an die letzte Stelle gesetzt; vorangestellt wird es als Präfix interpretiert. Zum Beispiel steht Nm für Newtonmeter, mN für Millinewton. Nach den strengeren Regeln des SI ist Nm überhaupt nicht zulässig, sondern nur die Trennung mit Leerzeichen (N m) oder Multiplikationspunkt (N⋅m). Auch das Zeichen T ist mehrdeutig: Es bedeutet die Einheit Tesla oder das Präfix Tera. Wenn man Teslameter (die Einheit des Kraftfaktors B × L) als Tm schreibt, könnte dies auch Terameter (eher unübliche Längeneinheit) bedeuten. Die Umstellung zu mT behebt die Zweideutigkeit hier nicht, weil mT auch Millitesla bedeutet. Eindeutig ist nur die Schreibung mit Leerzeichen oder Multiplikationspunkt.
Die Namen der Vorsätze werden von der Generalkonferenz für Maß und Gewicht für die englische und französische Sprache vorgegeben. Die Bezeichnungen sind für diese beiden Sprachen gleich, außer dass im Französischen die Vorsätze , , und mit Akut geschrieben werden. Im amerikanischen Englisch ist deka anstelle von deca üblich. Die deutschen Bezeichnungen werden nach DIN 1301-1 festgelegt. Sie unterscheiden sich von den englischen insofern, als bei Deka, Hekto, Mikro, Piko, Yokto und Quekto ein C durch ein Z.
Der Name eines Einheitenvorsatzes bildet mit dem zugehörigen Einheitennamen ein zusammengesetztes Wort. Beispiele sind Nanometer oder Milligramm. Wenn aus dem Zusammenhang klar ist, welche Einheit gemeint ist, wird dieses zusammengesetzte Wort in der Umgangssprache häufig auf den Vorsatz verkürzt. So ist von Kilo die Rede, wenn Kilogramm (kg) gemeint ist. Im technischen Bereich wird der Mikrometer (μm) kurz als My [] bezeichnet; im Englischen ist noch die Bezeichnung micron für Mikrometer üblich, die 1967 aus dem SI entfernt wurde. Im Österreichischen, Ungarischen und Tschechischen wird das Kurzwort Deka für die Masseeinheit Dekagramm (dag) verwendet. Im Flächenmaß Hektar (Hekto-Ar, 100 a) verschwindet ausnahmsweise an der Wortfügestelle das O von hekto, was den Doppelselbstlaut vermeidet. In angelsächsischen Sprachraum wird aus gleichem Grund für Megaohm (MΩ) gelegentlich megohm geschrieben.
Bereits bei der Einführung metrischer Einheiten in Frankreich 1793 wurden Maßeinheiten für Länge, Fläche, Volumen und Gewicht (Masse) definiert, deren Bezeichnungen die Vorsätze déci, centi, milli, hecto, kilo, sowie auch demi (½), double (2) und myria (10.000) hatten. Als 1874 die British Association for the Advancement of Science das CGS-System einführte, wurden systematisch die Vorsätze micro bis mega verwendet. Das Internationale Komitee für Maß und Gewicht beschloss 1879 einheitliche Symbole für die Präfixe von Milli bis Kilo. Allerdings wurden nicht alle Kombinationen von Grundeinheit und Vorsatz freigegeben, sondern eine limitierte Liste von Kombinationen. So war der Hektoliter gelistet, nicht aber Hektometer oder Hektogramm. Die Bezeichnungen Giga und Nano wurden im deutschsprachigen Raum zum Beispiel im Kosmos - Handweiser für Naturfreunde 1928 durch die folgende kurze Notiz in der Kategorie Forschung - Fortschritt bekannt gemacht:𝔊𝔦𝔤𝔞 𝔲𝔫𝔡 𝔑𝔞𝔫𝔬. 𝔈𝔰 𝔴𝔲𝔯𝔡𝔢 𝔫𝔬𝔱𝔴𝔢𝔫𝔡𝔦𝔤, 𝔷𝔲𝔯 𝔫ä𝔥𝔢𝔯𝔢𝔫 𝔅𝔢𝔷𝔢𝔦𝔠𝔥𝔫𝔲𝔫𝔤 𝔳𝔬𝔫 𝔐𝔞ß𝔢𝔦𝔫𝔥𝔢𝔦𝔱𝔢𝔫 𝔫𝔢𝔲𝔢 ℨ𝔲ſä𝔱𝔷𝔢 𝔢𝔦𝔫𝔷𝔲𝔣ü𝔥𝔯𝔢𝔫. 𝔅𝔦𝔰𝔥𝔢𝔯 𝔟𝔢𝔫𝔲𝔱𝔷𝔢 𝔪𝔞𝔫 𝔫𝔲𝔯 ℌ𝔢𝔨𝔱𝔬 𝔞𝔩𝔰 ℨ𝔲ſ𝔞𝔱𝔷 𝔣ü𝔯 𝔡𝔞𝔰 100𝔣𝔞𝔠𝔥𝔢 ( 1 𝔥𝔩 = 100 𝔩), 𝔎𝔦𝔩𝔬 𝔣ü𝔯 𝔡𝔞𝔰 1000𝔣𝔞𝔠𝔥𝔢 ( 1 𝔨𝔪 = 1000 𝔪) 𝔲𝔫𝔡 𝔐𝔢𝔤𝔞 𝔣ü𝔯 𝔡𝔞𝔰 1 000 000𝔣𝔞𝔠𝔥𝔢 (1 𝔐𝔢𝔤𝔞𝔡𝔶𝔫 = 1000 000 𝔇𝔶𝔫, 𝔬𝔡𝔢𝔯 1 𝔐𝔢𝔤𝔞𝔬𝔥𝔪 = 1 000 000 𝔒𝔥𝔪). 𝔄𝔩𝔰 𝔑𝔢𝔲𝔢ſ𝔱𝔢𝔰 𝔦𝔰𝔱 𝔡𝔢𝔯 ℨ𝔲ſ𝔞𝔱𝔷 𝔊𝔦𝔤𝔞 𝔣ü𝔯 𝔡𝔞𝔰 𝔐𝔦𝔩𝔩𝔦𝔞𝔯𝔡𝔢𝔫𝔣𝔞𝔠𝔥𝔢 𝔢𝔦𝔫𝔤𝔢𝔣ü𝔥𝔯𝔱 (𝔡𝔞𝔰 𝔤𝔯𝔦𝔢𝔠𝔥𝔦𝔰𝔠𝔥𝔢 𝔚𝔬𝔯𝔱 𝔊𝔦𝔤𝔞𝔰 = ℜ𝔦𝔢𝔰𝔢); 1 𝔊𝔦𝔤𝔞𝔡𝔶𝔫 (1 𝔊𝔡𝔶𝔫) 𝔟𝔢𝔡𝔢𝔲𝔱𝔢𝔱 𝔞𝔩ſ𝔬 1 000 000 000 𝔇𝔶𝔫. 𝔄𝔩𝔰 𝔙𝔢𝔯𝔨𝔩𝔢𝔦𝔫𝔢𝔯𝔲𝔫𝔤𝔰𝔷𝔲ſ𝔞𝔱𝔷 𝔡𝔦𝔢𝔫𝔱 𝔫𝔢𝔟𝔢𝔫 𝔇𝔢𝔷𝔦 (1/10), ℨ𝔢𝔫𝔱𝔦 (1/100), 𝔐𝔦𝔩𝔩𝔦(1/1000), 𝔐𝔦𝔨𝔯𝔬 (1/1000 000 = 1 μ [ſ𝔭𝔯𝔦𝔠𝔥 𝔪ü]) 𝔫𝔲𝔫 𝔞𝔲𝔠𝔥 𝔑𝔞𝔫𝔬 (𝔳𝔬𝔪 𝔤𝔯𝔦𝔢𝔠𝔥𝔦𝔰𝔠𝔥𝔢𝔫 𝔚𝔬𝔯𝔱 𝔑𝔞𝔫𝔬𝔰 = ℨ𝔴𝔢𝔯𝔤) 𝔞𝔩𝔰 1 / 1 000 000 000. 1 𝔑𝔞𝔫𝔬𝔪𝔢𝔱𝔢𝔯 (1 𝔫𝔪) = 1/1000 𝔐𝔦𝔨𝔯𝔬𝔪𝔢𝔱𝔢𝔯. 𝔡𝔦𝔢 𝔚𝔢𝔩𝔩𝔢𝔫𝔩ä𝔫𝔤𝔢 𝔡𝔢𝔰 𝔤𝔢𝔩𝔟𝔢𝔫 𝔏𝔦𝔠𝔥𝔱𝔢𝔰 𝔟𝔢𝔱𝔯ä𝔱 𝔷.𝔅. 0,5896 μ Bis 1960 waren in Frankreich die Vorsätze myria (gr. = zehntausend) mit dem Zeichen ma für das 10+4‑fache und dimi mit Zeichen dm für das 10−4‑fache genormt. Statt myria wurde Anfang des 19. Jahrhunderts auf einen Vorschlag von Thomas Young hin z. T. auch myrio geschrieben. Früher waren in Deutschland auch das Symbol D und in Großbritannien dk für Deka üblich, in Österreich war das Zeichen dk bis Mitte der 1950er Jahre gesetzlich vorgeschrieben. Bei der Schaffung des SI im Jahr 1960 wurden die bis zu diesem Zeitpunkt definierten heute gültigen Präfixe von 10−12 bis 10+12 und deren Symbole übernommen. 1964 folgten Femto und Atto, 1975 Peta und Exa, 1991 die Präfixe bis 10−24 und 10+24 und 2022 schließlich die Präfixe bis 10−30 und 10+30.
* ] (BIPM) (englisch), abgerufen am 5. April 2024 * ] zu SI-Präfixen (englisch), abgerufen am 5. April 2024 * , abgerufen am 5. April 2024 * , abgerufen am 5. April 2024
] 1991 – Bericht des CCU, 1991, Seite 80 (französisch) und Seite 168 (englisch), abgerufen am 5. April 2024. ] 1999 – Bericht des CCU, 1999, Seite 119–120 (französisch) und Seite 310–311 (englisch), abgerufen am 5. April 2024. doi:10.59161/CGPM1960RES12E (englisch), doi:10.59161/CGPM1960RES12F (französisch). doi:10.59161/CGPM1964RES8E (englisch), doi:10.59161/CGPM1964RES8F (französisch). doi:10.59161/CGPM1967RES7E (englisch), doi:10.59161/CGPM1967RES7F (französisch). doi:10.59161/CGPM1975RES10E (englisch), doi:10.59161/CGPM1975RES10F (französisch). doi:10.59161/CGPM1991RES4E (englisch), doi:10.59161/CGPM1991RES4F (französisch). doi:10.59161/CGPM2022RES3E (englisch), doi:10.59161/CGPM2022RES3F (französisch). , abgerufen am 5. April 2024 (französisch). Das Präfix „quecto“ in englischer und französischer Schreibweise wurde am 18. November 2022 von der 27. Generalkonferenz für Maß und Gewicht eingeführt. „Quekto“ ist die eingedeutschte Schreibweise, analog zu „Mikro“, „Piko“ etc., die aber noch nicht Teil der DIN-Norm geworden ist.
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Abkürzungen/Gesetze und Recht
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; a. A.: andere(r) Ansicht ; AA: Auswärtiges Amt oder Agentur für Arbeit oder Aktuelles Arbeitsrecht (Zeitschrift) oder Anonyme Alkoholiker oder Amtsanwalt ; AABG: Gesetz zur Begrenzung der Arzneimittelausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung ; AABGebV: Besondere Gebührenverordnung des Auswärtigen Amts für individuell zurechenbare öffentliche Leistungen in dessen Zuständigkeitsbereich ; AAG: Aufwendungsausgleichsgesetz (Gesetz über den Ausgleich der Arbeitgeberaufwendungen für Entgeltfortzahlung) oder Aussiedleraufnahmegesetz ; AAO: Alarm- und Ausrückeordnung ; AApoO (AAppO): Approbationsordnung für Apotheker ; ÄApoO (ÄAppO): Approbationsordnung für Ärzte, siehe → Approbationsordnung ; ÄApprOÄndV: Änderungsverordnung zur ÄApoO ; AAPV: Allgemeine Ambulante Palliativversorgung ; ÄArbVtrG: Gesetz über befristete Arbeitsverträge mit Ärzten in der Weiterbildung ; AarhusÜbk: Übereinkommen über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten vom 25. Juni 1998 () (Aarhus-Konvention) ; AATV: Verordnung über Nachweispflichten für Arzneimittel, die zur Anwendung bei Tieren bestimmt sind ; AAÜG: Gesetz zur Überführung der Ansprüche und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen des Beitrittsgebiets (Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz) ; AAÜG-ÄndG: Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes ; AAÜGErstV: Verordnung über die Erstattung von Aufwendungen nach dem Gesetz zur Überführung von Ansprüchen und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen des Beitrittsgebiets durch den Bund ; AAustVorhAbk USA: Abkommen zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika über die Durchführung von Austauschvorhaben zum Zwecke der Aus- und Weiterbildung ; AAV: Verordnung über Aufenthaltsgenehmigungen zur Ausübung einer unselbstständigen Tätigkeit (Arbeitsaufenthaltsverordnung) oder Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken über die Bedingungen des befristeten Aufenthalts und die Modalitäten des planmäßigen Abzugs der sowjetischen Truppen aus dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland vom 12. Oktober 1990 (Aufenthalts- und Abzugsvertrag) oder Allgemeine Arbeitnehmerschutzverordnung (Österreich) ; AB: allgemein Ausführungsbestimmung oder Allgemeine Bedingungen oder Arbeitsbereich (siehe Arbeits- und Sozialrecht in Deutschland) oder Abgeschlossenheitsbescheinigung ; ABA: Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung e. V. (siehe aba (Verband)) oder Arbeit, Beruf und Arbeitslosenhilfe (Zeitschrift) ; ABAG: Gesetz zur Ablösung des Arznei- und Heilmittelbudgets (Arzneimittelbudget-Ablösungsgesetz) ; ABAMVerwV: Verordnung über die Verwendung antibiotisch wirksamer Arzneimittel (Antibiotika-Arzneimittel-Verwendungsverordnung) ; ABAS: Ausschuss für Biologische Arbeitsstoffe ; ABB: Allgemeine Bedingungen für Beförderungen oder Allgemeine Bausparbedingungen ; ABBergV: Bergverordnung für alle bergbaulichen Bereiche (Allgemeine Bundesbergverordnung) ; ABBV: Verordnung zur Berechnung von Ablösungsbeträgen nach dem Eisenbahnkreuzungsgesetz, dem Bundesfernstraßengesetz und dem Bundeswasserstraßengesetz (Ablösungsbeträge-Berechnungsverordnung) ; ABD: Ausfuhrbegleitdokument (siehe Ausfuhranmeldung) ; ABE: allgemeine Betriebserlaubnis (ABE) ; AbfAblV: Abfallablagerungsverordnung (Verordnung über die umweltverträgliche Ablagerung von Siedlungsabfällen) ; AbfAEV: Verordnung über das Anzeige- und Erlaubnisverfahren für Sammler, Beförderer, Händler und Makler von Abfällen (Anzeige- und Erlaubnisverordnung) ; AbfallR: Zeitschrift für das Recht der Abfallwirtschaft ; AbfBeauftrV: Verordnung über Betriebsbeauftragte für Abfall (Abfallbeauftragtenverordnung) (siehe Abfallbeauftragter) ; AbfG: Gesetz über die Vermeidung und Entsorgung von Abfällen (aufgehoben; inzwischen Kreislaufwirtschaftsgesetz – KrWG) ; AbfKlärV 1992: Verordnung über die Verwertung von Klärschlamm, Klärschlammgemisch und Klärschlammkompost (Klärschlammverordnung) ; AbfKoBiV: Abfallwirtschaftskonzept- und bilanzverordnung (aufgehoben) ; AbfVerbrBußV: Verordnung zur Durchsetzung von Vorschriften in Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft über die Verbringung von Abfällen (Abfallverbringungsbußgeldverordnung) ; AbfVerbrG: Abfallverbringungsgesetz (Gesetz zur Ausführung der Verordnung (EG) Nr. 1013/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2006 über die Verbringung von Abfällen und des Basler Übereinkommens vom 22. März 1989 über die Kontrolle der grenzüberschreitenden Verbringung gefährlicher Abfälle und ihrer Entsorgung) ; AbfVerbrGebV: Verordnung zur Erhebung von Gebühren bei notifizierungsbedürftigen Verbringungen von Abfällen durch die Bundesrepublik Deutschland ; Abg.: Abgeordnete(r) ; ABGB: Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (Österreich) ; AbgEO: Bundesgesetz vom 30. März 1949 über die Einbringung und Sicherung der öffentlichen Abgaben (Abgabenexekutionsordnung) (Österreich) ; AbgG: Abgeordnetengesetz (Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder des Deutschen Bundestages) ; AbgrG: Abgrabungsgesetz ; AbgrV: Verordnung über die Abgrenzung der im Pflegesatz nicht zu berücksichtigenden Investitionskosten von den pflegesatzfähigen Kosten der Krankenhäuser (Abgrenzungsverordnung) ; ABH: Ausländerbehörde ; AbiNSchPrV BE 2009: Verordnung über die Prüfung zum Erwerb der allgemeinen Hochschulreife von Nichtschülerinnen und Nichtschülern (PrüfVO – Nichtschülerabitur) vom 3. November 2009 ; Abk.: Abkommen oder Abkürzung ; Abk. ISR: Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staate Israel ; AbL: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft ; AbLaV: Verordnung zu abschaltbaren Lasten ; ABl. EG: Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften ; ABl. EU: Amtsblatt der Europäischen Union ; ABM: Arbeitsbeschaffungsmaßnahme ; ABMG: Autobahnmautgesetz für schwere Nutzfahrzeuge ; ABNJ: areas beyond national jurisdiction ; ABO (ApBetrO): Apothekenbetriebsordnung ; AbP: Allgemeines bauaufsichtliches Prüfzeugnis ; AbrStV: Abrechnungsstellenverordnung (Verordnung über die Abrechnungsstellen im Scheckverkehr) ; ABS: Ausschuss für Betriebssicherheit oder Antiblockiersystem ; AbschlagsV: Verordnung über Abschlagszahlungen bei Bauträgerverträgen ; Abschn.: Abschnitt ; AbsFondsG (AbsFG): Gesetz über die Errichtung eines zentralen Fonds zur Absatzförderung der deutschen Land- und Ernährungswirtschaft (siehe Absatzförderungsfonds der deutschen Land- und Ernährungswirtschaft) ; AbsFondsGBeitrV: Verordnung über die Beiträge nach dem Absatzfondsgesetz ; AbsichG: Absicherungsgesetz (Gesetz über Maßnahmen zur außenwirtschaftlichen Absicherung) ; AbStG: Gesetz über Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid (Abstimmungsgesetz) (Berlin) ; AbStO: Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid (Abstimmungsordnung) (Berlin) ; ABV: Verordnung über Anforderungsbehörden und Bedarfsträger nach dem Bundesleistungsgesetz ; ABVT: Amt für Binnen-Verkehrstechnik ; AbwAG: Abwasserabgabengesetz ; AbwasserMeistPrV: Verordnung über die Prüfung zum anerkannten Abschluss Geprüfter Abwassermeister/Geprüfte Abwassermeisterin ; AbwUTechAusbV: Verordnung über die Berufsausbildung zum Umwelttechnologen für Abwasserbewirtschaftung und zur Umwelttechnologin für Abwasserbewirtschaftung (Abwasserbewirtschaftungsumwelttechnologen-Ausbildungsverordnung) ; AbwV: Abwasserverordnung (Verordnung über Anforderungen an das Einleiten von Abwasser in Gewässer) ; AbZ: Allgemeine bauaufsichtliche Zulassung ; ABZ: Anschluss- und Benutzungszwang ; AbzG: Abzahlungsgesetz (aufgehoben, siehe jetzt §§ 499 ff. BGB) ; AbzStEntModG: Abzugsteuerentlastungsmodernisierungsgesetz ; ACCC: Aarhus Convention Compliance Committee ; ACER: Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden (engl.: Agency for the Cooperation of Energy Regulators) ; ACK: Amtschefkonferenz ; AcP: Archiv für die civilistische Praxis ; AdA: Angehörige der Armee (Schweiz) ; AdenauerHStiftG: Gesetz über die Errichtung einer Stiftung Bundeskanzler-Adenauer-Haus ; AdG (AdoptG): Adoptionsgesetz (Gesetz über die Annahme als Kind und zur Änderung anderer Vorschriften) ; ADHGB: Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch ; AdKG: Gesetz zur Errichtung der Akademie der Künste ; AdLDAV: Verordnung zur Durchführung des § 61a des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte ; ADLV: Verordnung über die Laufbahnen des Auswärtigen Dienstes ; ADN: Europäisches Übereinkommen über die Beförderung gefährlicher Güter auf Binnenwasserstraßen (Abkürzung ADN, von franz.: Accord européen relatif au transport international des marchandises dangereuses par voies de navigation intérieures; engl.: European Agreement concerning the International Carriage of Dangerous Goods by Inland Waterways) ; ADNR: Europäisches Übereinkommen über die Beförderung gefährlicher Güter auf dem Rhein ; A. d. ö. R.: Anstalt des öffentlichen Rechts ; AdoptG (AdG): Adoptionsgesetz (Gesetz über die Annahme als Kind und zur Änderung anderer Vorschriften) ; AdR: Ausschuss der Regionen der EU ; ADR: Europäisches Übereinkommen über die internationale Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße () oder Außergerichtliche Streitbeilegung der EU () ; ADRÄndV: ADR-Änderungsverordnung ; ADRG: Gesetz zu dem Europäischen Übereinkommen vom 30. September 1957 über die internationale Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße ; ADS: Allgemeine Deutsche Seeversicherungsbedingungen oder Antidiskriminierungsstelle des Bundes ; ADSp: Allgemeine Deutsche Spediteurbedingungen ; AdÜbAG: Gesetz zur Ausführung des Haager Übereinkommens vom 29. Mai 1993 über den Schutz von Kindern und die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der internationalen Adoption ; AdV: Aussetzung der Vollziehung ; AdVermiG: Adoptionsvermittlungsgesetz (Gesetz über die Vermittlung der Annahme als Kind und über das Verbot der Vermittlung von Ersatzmüttern) ; AdVermiStAnKoV: Verordnung über die Anerkennung von Adoptionsvermittlungsstellen in freier Trägerschaft sowie die im Adoptionsvermittlungsverfahren zu erstattenden Kosten ; AdWirkG: Adoptionswirkungsgesetz (Gesetz über Wirkungen der Annahme als Kind nach ausländischem Recht) ; AE: Akteneinsicht oder Arbeitsrechtliche Entscheidungen (Zeitschrift) oder Alternativentwurf ; AEAJ: Association of European Administrative Judges (dt.: Verband Europäischer Verwaltungsrichter) ; AEAO: Anwendungserlass zur Abgabenordnung ; AEAusglV: Verordnung über den Ausgleich gemeinwirtschaftlicher Leistungen im Eisenbahnverkehr ; AEG: Allgemeines Eisenbahngesetz ; AELV: Verordnung zur Ermittlung des Arbeitseinkommens aus der Land- und Forstwirtschaft ; AEMR: Allgemeine Erklärung der Menschenrechte ; ÄndG: Änderungsgesetz ; ÄndSchnAusbV: Verordnung über die Berufsausbildung zum Änderungsschneider/zur Änderungsschneiderin ; ÄndVO: Änderungsverordnung ; AEntG: Arbeitnehmer-Entsendegesetz ; AEntGMeldstellV: Verordnung zur Bestimmung der zuständigen Behörde nach § 18 Absatz 6 des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes ; AEntGMeldV: Verordnung über Meldepflichten nach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz ; AEO: Authorized Economic Operator (dt.: ZWB – Zugelassener Wirtschaftsbeteiligter) ; AER: Akteneinsichtsrecht ; AERB: Allgemeine Bedingungen für die Einbruchsdiebstahl- und Raubversicherung ; AErlV: Arbeitserlaubnisverordnung ; ÄrzteG: Bundesgesetz über die Ausübung des ärztlichen Berufes und die Standesvertretung der Ärzte (Österreich) ; ÄrztMitt: Ärztliche Mitteilungen (Zeitschrift) ; Ärzte-ZV: Zulassungsverordnung für Vertragsärzte ; AETR: Europäisches Übereinkommen über die Arbeit des im internationalen Straßenverkehr beschäftigten Fahrpersonals (Siehe AETR-Abkommen) ; AEUV: Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union ; AEVO: Ausbilder-Eignungsverordnung ; ÄZQ: Ärztliches Zentrum für Qualität in der Medizin der Bundesärztekammer ; a. F.: alte Fassung ; AfA: Absetzung für Abnutzung oder Arbeitsgemeinschaft für Agrarfragen ; AfaA: Absetzung für außergewöhnliche technische oder wirtschaftliche Abnutzung ; AfAMed: Ausschuss für Arbeitsmedizin ; AFB: Allgemeine Bedingungen für die Feuerversicherung ; AFBG: Gesetz zur Förderung der beruflichen Aufstiegsfortbildung (Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz) ; AFFAngAusbV: Verordnung über die Berufsausbildung zum/zur Fachangestellten für Arbeitsförderung ; AFG: Arbeitsförderungsgesetz (jetzt SGB III) ; AFGBV: Verordnung zur Genehmigung und zum Betrieb von Kraftfahrzeugen mit autonomer Fahrfunktion in festgelegten Betriebsbereichen (Autonome Fahrzeuge-Genehmigungs- und Betriebsverordnung) (siehe Autonomes Fahren) ; AFIG: Gesetz zur Veröffentlichung von Informationen über die Zahlung von Mitteln aus den Europäischen Fonds für Landwirtschaft und Fischerei (Agrar- und Fischereifonds-Informationen-Gesetz) ; AFIS: Automatisiertes Fingerabdruckidentifizierungssystem ; AFIV: Verordnung über die Veröffentlichung von Informationen über die Zahlung von Mitteln aus den Europäischen Fonds für Landwirtschaft und für Fischerei ; AfK (ArchKommWiss): Archiv für Kommunalwissenschaften (Zeitschrift) ; AFKG: Gesetz zur Konsolidierung der Arbeitsförderung ; Aflatoxin VerbotsV: Verordnung über das Verbot der Verwendung von mit Aflatoxinen kontaminierten Stoffen bei der Herstellung von Arzneimitteln ; AfögLTAV: Verordnung über die Ausbildungsförderung für den Besuch von Ausbildungsstätten für landwirtschaftlich-technische, milchwirtschaftlich-technische und biologisch-technische Assistentinnen und Assistenten ; AfögVorkHSV: Verordnung über die Ausbildungsförderung für die Teilnahme an Vorkursen zur Vorbereitung des Besuchs von Kollegs und Hochschulen ; AfP: Zeitschrift für Medien- und Kommunikationsrecht (früher: Archiv für Presserecht) oder Ausschuss für Produktsicherheit ; AfPS: Ausschuss für Produktsicherheit ; AfR: Amt für den Rechtsschutz des Vermögens der DDR ; AfrEntwBkÜbk: Übereinkommen zur Errichtung der Afrikanischen Entwicklungsbank (siehe Afrikanische Entwicklungsbank) ; AfrEntwBkÜbkG: Gesetz zu dem Übereinkommen vom 4. August 1963 zur Errichtung der Afrikanischen Entwicklungsbank ; AFRG: Arbeitsförderungs-Reformgesetz oder Gesetz zur Regelung bestimmter Altforderungen ; AfS: Absetzung für Substanzverringerung (siehe Abschreibung) ; AFS: Ausschuss für Finanzstabilität ; AFSBw: Amt für Flugsicherung der Bundeswehr ; AFSG: Gesetz zu dem Internationalen Übereinkommen von 2001 über die Beschränkung des Einsatzes schädlicher Bewuchsschutzsysteme auf Schiffen ; AFSÜbk: Internationales Übereinkommen von 2001 über die Beschränkung des Einsatzes schädlicher Bewuchsschutzsysteme auf Schiffen ; AFuG 1997: Amateurfunkgesetz ; AFuV: Amateurfunkverordnung (Verordnung zum Gesetz über den Amateurfunk) ; AFVFinV: Verordnung über die Finanzierung der Verwaltung des Ausgleichsfonds der sozialen Pflegeversicherung ; AFWoG: Gesetz über den Abbau der Fehlsubventionierung und Mietverzerrung im Wohnungswesen ; aG: Nachteilsausgleich ; AG: Amtsgericht oder Aktiengesellschaft oder Die Aktiengesellschaft (Zeitschrift) oder Arbeitgeber oder Ausführungsgesetz oder Antragsgegner ; AGB: Arbeitsgesetzbuch der DDR oder Allgemeine Geschäftsbedingungen oder Außergewöhnliche Belastung ; AGB DDR: Arbeitsgesetzbuch der Deutschen Demokratischen Republik ; AGBG: AGB-Gesetz (aufgehoben; jetzt §§ 305 ff. BGB) ; AGBGB: Ausführungsgesetz zum BGB ; AGebS: Abfallgebührensatzung ; AGES: Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (Österreich) ; AGesVG: Anti-Gesichtsverhüllungsgesetz ; AGeV: Verordnung über bestimmte alkoholhaltige Getränke ; AGG: Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz ; AGGVG: Ausführungsgesetz GVG (Gesetz zur Ausführung des Gerichtsverfassungsgesetzes und von Verfahrensgesetzen der ordentlichen Gerichtsbarkeit) ; AGH: Arbeitsgelegenheit ; AGH-MAE: Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung (auch umgangssprachlich „Ein-Euro-Job“ genannt) ; AGJ: Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe ; AG-KJHG: Gesetz zur Ausführung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes ; AGL: Anspruchsgrundlage ; AGLottStV: Ausführungsgesetz zum Lotteriestaatsvertrag ; AGMahnVordrV: Verordnung zur Einführung von Vordrucken für das arbeitsgerichtliche Mahnverfahren ; AGMahnVordrVÄndV: Verordnung zur Änderung von Vordrucken für das arbeitsgerichtliche Mahnverfahren ; AgNwV: Verordnung über Art, Umfang und Form der erforderlichen Nachweise im Sinne des § 19 Absatz 2 Satz 2 des Zahlungsdiensteaufsichtsgesetzes ; AGOZV: Verordnung über das Inverkehrbringen von Anbaumaterial von Gemüse-, Obst- und Zierpflanzenarten (Anbaumaterialverordnung) ; AG-PStG Bbg: Brandenburgisches Gesetz zur Ausführung des Personenstandsgesetzes ; AGR: Europäisches Übereinkommen über die Hauptstraßen des internationalen Verkehrs ; AgrarAbsFDG: Agrarabsatzförderungsdurchführungsgesetz (Gesetz zur Durchführung der Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft über gemeinschaftliche Informations- und Absatzförderungsmaßnahmen für Agrarerzeugnisse) ; AgrarAusbStEignV: Verordnung über die Eignung der Ausbildungsstätte für die Berufsausbildung zur Fachkraft Agrarservice ; AgrarAusbV: Verordnung über die Berufsausbildung zur Fachkraft Agrarservice ; AgrarErzAnpBeihV: Verordnung zur Gewährung einer außergewöhnlichen Anpassungsbeihilfe für Erzeuger in bestimmten Agrarsektoren (Agrarerzeugeranpassungsbeihilfenverordnung) ; AgrarOLkG: Gesetz zur Stärkung der Organisationen und Lieferketten im Agrarbereich (Agrarorganisationen-und-Lieferketten-Gesetz) ; AgrarOLkV: Verordnung zur Stärkung der Organisationen und Lieferketten im Agrarbereich ; AgrarR: Agrarrecht (Zeitschrift) ; AgrarservMeistPrV: Verordnung über die Meisterprüfung zum anerkannten Fortbildungsabschluss Agrarservicemeister und Agrarservicemeisterin ; AgrB: Agrarbetrieb (Zeitschrift) ; AgrStatEBV: Verordnung zur Erhebung agrarstatistischer Daten für die Emissionsberichterstattung ; AgrStatG: Agrarstatistikgesetz ; AgrStatDEV: Verordnung zur Erhebung bestimmter agrarstatistischer Daten (Agrarstatistik-Datenerhebungsverordnung) ; AgrStatV: Verordnung zur Aussetzung und Ergänzung von Merkmalen sowie zur Einschränkung des Kreises der zu Befragenden nach dem Agrarstatistikgesetz ; AgrStruktGÄndG: Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ ; AgrStruktG: Agrarstrukturgesetz (Gesetz über die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“) ; AgrVG: Agrarverfahrensgesetz (Österreich) ; AGS: Anwaltsgebühren Spezial (Zeitschrift) oder Ausschuss für Gefahrstoffe ; AG-SGG: Gesetz zur Ausführung des Sozialgerichtsgesetzes im Lande Nordrhein-Westfalen ; AGT: Arbeitsgemeinschaft Testamentsvollstreckung und Vermögenssorge e. V. oder Allgemeine Geschäftsbedingungen für Transporteure (Österreich) ; AGV: außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge ; AGVwGO: Gesetz zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung ; AGW: Arbeitsplatzgrenzwert ; AGZPO: Gesetz zur Ausführung der Zivilprozessordnung ; AGZVG: Ausführungsgesetz zum Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung ; AHB: Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung (siehe Haftpflichtversicherung) ; AHG: Amtshaftungsgesetz (Österreich) ; AHGV: Verordnung zum Altschuldenhilfe-Gesetz ; AHiVwVtr AUT: Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über Amts- und Rechtshilfe in Verwaltungssachen ; AHiVwVtrAUTG: Gesetz zu dem Vertrag vom 31. Mai 1988 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über Amts- und Rechtshilfe in Verwaltungssachen ; AHK: Auslandshandelskammer oder Autonome Honorar-Kriterien (der Rechtsanwälte in Österreich) ; AHP: Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht ; AHR: autonome Honorarrichtlinien (Österreich) oder Allgemeine Hochschulreife ; AHRC: Asiatische Menschenrechtskommission () ; AHRS: Arzthaftpflicht-Rechtsprechung ; AHStatDV: Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über die Statistik des grenzüberschreitenden Warenverkehrs ; AHStatG: Gesetz über die Statistik des grenzüberschreitenden Warenverkehrs (siehe Außenhandelsstatistik) ; AHundV: Assistenzhundeverordnung ; AHV: Alters- und Hinterlassenenversicherung (Schweiz) ; AHVG: Gesetz über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (Schweiz) ; AiB: Arbeitsrecht im Betrieb, juristische Fachzeitschrift ; AIF: Alternativer Investmentfonds (engl.: alternative investment fund) ; AIFMD: Alternative Investment Fund Manager Directive (Richtlinie 2011/61/EU über die Verwalter alternativer Investmentfonds) ; AIFM-UmsG: Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2011/61/EU über die Verwalter alternativer Investmentfonds (AIFM-Umsetzungsgesetz) ; AIFO: AIDS-Forschung ; AIG: Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz (Brandenburg) oder Auslandsinvestitionsgesetz (auch AusIvG) ; AIHonO: Verordnung über die Honorare für Architekten- und Ingenieurleistungen ; AIM: AnwaltInfo Mietrecht (Zeitschrift) ; AIMPV: Verordnung über die Meldepflicht bei Aviärer Influenza beim Menschen ; AiP: Arzt im Praktikum ; AIPS: Arzneimittelinformationspublikationssystem (Schweiz) ; AIVG: Arbeitslosenversicherungsgesetz (Österreich) ; AIZ: AIZ – Das Immobilienmagazin (früher: Allgemeine Immobilienzeitung) ; AjBD: Arbeitsgemeinschaft für juristisches Bibliotheks- und Dokumentationswesen ; AJIL: American Journal of International Law ; a. K.: außer Kraft ; AK: Anschaffungskosten oder Kammer für Arbeiter und Angestellte (kurz Arbeiterkammer) (Österreich) oder Anwaltskommentar oder Alternativkommentar oder Aarhus-Konvention ; ak.mas: Arbeitsrechtliche Kommission des Deutschen Caritasverbandes ; Akad. d. Wiss.: Akademie der Wissenschaften ; A/KAE: Ausführungsanordnung zur Konzessionsabgabenanordnung ; AKA: Arbeitsgemeinschaft kommunale und kirchliche Altersversorgung e. V. ; AKB: Allgemeine Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung ; AKG: Allgemeines Kriegsfolgengesetz (Gesetz zur allgemeinen Regelung durch den Krieg und den Zusammenbruch des Deutschen Reiches entstandener Schäden) oder Arbeiterkammergesetz (Bundesgesetz über die Kammern für Arbeiter und Angestellte und die Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte)(Österreich) ; AkkStelleG: Gesetz über die Akkreditierungsstelle ; AkkStelleGBV: Verordnung über die Beleihung der Akkreditierungsstelle nach dem Akkreditierungsstellengesetz ; AkkStelleKostV: Kostenverordnung der Akkreditierungsstelle ; AKostG: Auslandskostengesetz ; AKostV: Auslandskostenverordnung ; AKP: Afrikanische, Karibische und Pazifische Staaten ; AKP/EWGAbk4G: Gesetz zu dem Vierten AKP-EWG-Abkommen von Lome vom 15. Dezember 1989 sowie zu den mit diesem Abkommen in Zusammenhang stehenden Abkommen ; AktFoV: Aktionärsforumverordnung (Verordnung über das Aktionärsforum nach § 127a des Aktiengesetzes, siehe ) ; AktG: Aktiengesetz ; AktO: Aktenordnung ; AktStR: Aktuelle Steuerrundschau (Zeitschrift) oder Aktuelles Steuerrecht (Zeitschrift) ; AktuarV: Verordnung über die versicherungsmathematische Bestätigung und den Erläuterungsbericht des Verantwortlichen Aktuars ; AKZ: Ausfuhrkassenzettel ; ALB: Allgemeine Leistungsbedingungen oder Allgemeine Lieferbedingungen oder Allgemeine Lagerbedingungen oder Allgemeine Lebensversicherungsbedingungen ; ALBeitrBek: Bekanntmachung der Beiträge und der Beitragszuschüsse in der Alterssicherung der Landwirte ; ALBVVG: Gesetz zur Bekämpfung von Lieferengpässen bei patentfreien Arzneimitteln und zur Verbesserung der Versorgung mit Kinderarzneimitteln (Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz) ; ALFV: Verordnung über die Anzeigepflicht von Leiharbeit in der Fleischwirtschaft ; ALG: Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte ; AlG: Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer und über die Integration (Ausländergesetz (Schweiz)) ; Alg: Arbeitslosengeld ; Alg Ⅱ-V: Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung ; Alhi: Arbeitslosenhilfe ; AlhiV (AlhiVO): Arbeitslosenhilfe-Verordnung ; alic: actio libera in causa ; AlkG: Bundesgesetz über die gebrannten Wasser (Alkoholgesetz (Schweiz)) ; AlkopopStG: Gesetz über die Erhebung einer Sondersteuer auf alkoholhaltige Süßgetränke (Alkopops) zum Schutz junger Menschen (Alkopopsteuergesetz (Deutschland)) ; AlkopopStV: Verordnung über das Verfahren zur Berechnung des Netto-Mehraufkommens der nach dem Alkopopsteuergesetz erhobenen Alkopopsteuer ; AlkoVerfrG: Gesetz über die Verfrachtung alkoholischer Waren ; AlkoV: Alkoholverordnung ; AlkStG: Alkoholsteuergesetz ; AlkStV: Alkoholsteuerveordnung ; allg. A.: allgemeine Ansicht ; AllGAG: Allgemeines Grundbuchsanlegungsgesetz (Österreich) ; allg. M.: allgemeine Meinung ; ALLMBL: Allgemeines Ministerialblatt (Bayern) ; ALM: Arbeitsgemeinschaft der Landesmedienanstalten ; ALR: Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten ; ALSAG: Altlastensanierungsgesetz (Österreich) ; AltEinkG: Alterseinkünftegesetz ; AltersteilzeitG: Altersteilzeitgesetz ; AltersVersErhV: Verordnung zur Durchführung einer Erhebung über Arten und Umfang der betrieblichen Altersversorgung ; AltfAbwGA: Gesetz zur beschleunigten Abwicklung einiger Altforderungen ; AltfahrzeugG: Altfahrzeuggesetz (Gesetz über die Entsorgung von Altfahrzeugen) ; AltfahrzeugV: Altfahrzeug-Verordnung ; AltGG: Gesetz zur Gewährung eines Altersgelds für freiwillig aus dem Bundesdienst ausscheidende Beamte, Richter und Soldaten (Altersgeldgesetz) ; AltGZustAnO: Altersgeldzuständigkeitsanordnung ; AltholzV: Altholzverordnung (Verordnung über Anforderungen an die Verwertung und Beseitigung von Altholz) ; AltgAATVDBest: Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die Tilgung der Anteilsrechte von Inhabern mit Wohnsitz außerhalb der Deutschen Demokratischen Republik an der Altguthaben-Ablösungs-Anleihe ; Altlastenatlas-VO: Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft über die Ausweisung von Altlasten und deren Einstufung in Prioritätenklassen (Altlastenatlasverordnung) (Österreich) ; AltlV: Verordnung über die Sanierung von belasteten Standorten (Altlasten-Verordnung) (Schweiz) ; AltölV: Altölverordnung ; AltPflAPrV: Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für den Beruf der Altenpflegerin und des Altenpflegers ; AltPflG: Gesetz über die Berufe in der Altenpflege, kurz Altenpflegegesetz (aufgehoben, ersetzt durch Pflegeberufegesetz) ; AltS: altlasten spektrum (Zeitschrift) ; AltSchG: Altschuldenhilfe-Gesetz (Gesetz über Altschuldenhilfen für Kommunale Wohnungsunternehmen, Wohnungsgenossenschaften und private Vermieter in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet) ; AltTZG 1996 (ATG): Altersteilzeitgesetz (Artikel 1 des Gesetzes zur Förderung eines gleitenden Übergangs in den Ruhestand) ; AltvDV: Verordnung zur Durchführung der steuerlichen Vorschriften des Einkommensteuergesetzes zur Altersvorsorge und zum Rentenbezugsmitteilungsverfahren sowie zum weiteren Datenaustausch mit der zentralen Stelle (Altersvorsorge-Durchführungsverordnung) ; AltvPIBV: Verordnung zum Produktinformationsblatt und zu weiteren Informationspflichten bei zertifizierten Altersvorsorge- und Basisrentenverträgen nach dem Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetz (Altersvorsorge-Produktinformationsblattverordnung) ; AltZertG: Gesetz über die Zertifizierung von Altersvorsorge- und Basisrentenverträgen (Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetz) ; ALÜ: Auswahl, Leitung, Überwachung ; ALV: Verordnung über die Seelotsreviere und ihre Grenzen (Allgemeine Lotsverordnung) oder Arbeitslosenversicherung (Schweiz) ; AlVG: Arbeitslosenversicherungsgesetz (Österreich) ; a. M.: allgemeine Meinung oder anderer Meinung ; AM: Arbeitsmediziner (siehe Betriebsarzt) oder Arbeitsmediziner(in) (Österreich) oder Asylmagazin. Zeitschrift für Flüchtlings- und Migrationsrecht ; AMAusbV: Verordnung über die Berufsausbildung zum Aufbereitungsmechaniker/zur Aufbereitungsmechanikerin ; AMBezV: Verordnung über die Bezeichnung der Art der wirksamen Bestandteile von Fertigarzneimitteln ; AMbG: Allgemeines Magnetschwebebahngesetz ; AMBO: Arzneimittelbetriebsordnung (Österreich) ; AMBtAngV: Verordnung über die Angabe von Arzneimittelbestandteilen ; AMFarbV: Arzneimittelfarbstoffverordnung ; AMFG: Bundesgesetz betreffend die Arbeitsmarktförderung (Österreich) ; AMG: Arzneimittelgesetz oder Arzneimittelgesetz (Österreich) ; AMG-AV: AMG-Anzeigeverordnung (Verordnung über die elektronische Anzeige von Nebenwirkungen bei Arzneimitteln) ; AMGBefV: Verordnung zur Übertragung von Befugnissen zum Erlass von Rechtsverordnungen zur Regelung von Verfahren, Weiterleitung von Ausfertigungen und Einreichung von Unterlagen nach dem Arzneimittelgesetz (AMG-Befugnisverordnung) ; AMGBlauzAusnV: Verordnung über Ausnahmen von § 56a des Arzneimittelgesetzes zum Schutz vor der Blauzungenkrankheit ; AMG-EV: Verordnung über die Einreichung von Unterlagen in Verfahren für die Zulassung und Verlängerung der Zulassung von Arzneimitteln ; AMG1976ZSAusnV: Verordnung über die Zulassung von Ausnahmen von Vorschriften des Arzneimittelgesetzes für die Bereiche des Zivil- und Katastrophenschutzes, der Bundeswehr, der Bundespolizei sowie der Bereitschaftspolizeien der Länder ; AMGKostV: Kostenverordnung für die Zulassung von Arzneimitteln durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte und das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit ; AMGrHdlBetrV: Betriebsverordnung für Arzneimittelgroßhandelsbetriebe ; AMHV: Verordnung über das Inverkehrbringen von Arzneimitteln ohne Genehmigung oder ohne Zulassung in Härtefällen (Arzneimittel-Härtefall-Verordnung) ; AMNOG: Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes in der gesetzlichen Krankenversicherung (Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz) ; AMPreisV: Verordnung über Preisspannen für Fertigarzneimittel (Arzneimittelpreisverordnung) ; AMR: Arbeitsmedizinische Regeln ; AMRabG: Gesetz über Rabatte für Arzneimittel ; AMRadV: Verordnung über radioaktive oder mit ionisierenden Strahlen behandelte Arzneimittel ; AMRE: Allgemeine Erklärung der Menschenrechte ; AMRK: Amerikanische Menschenrechtskonvention oder Asiatische Menschenrechtskommission (Asian Human Rights Commission) ; AM-RL: Richtlinie über die Verordnung von Arzneimitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (Arzneimittel-Richtlinie) ; AMRNOG: Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelrechts ; AMS: Arbeitsmarktservice (Österreich) oder Arbeitsschutzmanagementsystem ; AMSachKV: Verordnung über den Nachweis der Sachkenntnis im Einzelhandel mit freiverkäuflichen Arzneimitteln ; AMSachvGO: Geschäftsordnung der Ausschüsse für Standardzulassungen, Apothekenpflicht und Verschreibungspflicht (Anlage zur Verordnung zur Errichtung von Sachverständigen-Ausschüssen für Standardzulassungen, Apothekenpflicht und Verschreibungspflicht von Arzneimitteln) ; AMSachvV: Verordnung zur Errichtung von Sachverständigen-Ausschüssen für Standardzulassungen, Apothekenpflicht und Verschreibungspflicht von Arzneimitteln ; Amtl.Begr.: Amtliche Begründung ; Amtl.Mitt.: Amtliche Mitteilung ; AmtsbezSaarAnO: Anordnung über die Festsetzung von Amtsbezeichnungen für die Beamten des Bundes im Saarland ; AmtshilfeRLUmsG: Gesetz zur Umsetzung der Amtshilferichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften (Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz) ; AmtsschErl: Erlass über die Amtsschilder der Bundesbehörden ; AMV: Verordnung über die Amtsdauer, Amtsführung und Entschädigung der Mitglieder des Gemeinsamen Bundesausschusses und der Landesausschüsse der Ärzte (Zahnärzte) und Krankenkassen oder Arbeitsmarktverwaltung (Österreich) (siehe Arbeitsmarktservice) ; AMVerkRV: Verordnung über apothekenpflichtige und freiverkäufliche Arzneimittel ; AM-VO: Arbeitsmittelverordnung (Österreich) ; AMVV: Arzneimittelverschreibungsverordnung ; AMWarnV: Arzneimittel-Warnhinweisverordnung ; AMWHV: Verordnung über die Anwendung der Guten Herstellungspraxis bei der Herstellung von Arzneimitteln und Wirkstoffen und über die Anwendung der Guten fachlichen Praxis bei der Herstellung von Produkten menschlicher Herkunft (Arzneimittel- und Wirkstoffherstellungsverordnung) ; AMZulRegAV: Verordnung zur Festlegung von Anforderungen an den Antrag auf Zulassung, Verlängerung der Zulassung und Registrierung von Arzneimitteln ; AN: Arbeitnehmer oder Auftragnehmer ; ANBA: Amtliche Nachrichten der Bundesagentur für Arbeit ; ÄndG: Änderungsgesetz ; AnerkV: Verordnung über die Anforderungen und das Verfahren für die Anerkennung von Konformitätsbewertungsstellen (Konformitätsbewertungsstellen-Anerkennungs-Verordnung) ; AnfG: Anfechtungsgesetz ; Angekl.: Angeklagte(r) ; Ange.: Hier handelt es sich um ein für die Zukunft angenommenes Arbeitsentgelt, das der Arbeitgeber nicht vorausbescheinigt hat. Solche Angaben sind in Rentenvorausberechnungen enthalten, wenn der Versicherte eine Auskunft eingeholt hat, bei der die Höhe der Beiträge zur Vermeidung von Rentenminderungen bei vorzeitiger Inanspruchnahme einer Rente wegen Alters ermittelt werden. ; AngG: Angestelltengesetz (Österreich) ; AngKG: Gesetz über die Fristen für die Kündigung von Angestellten ; AnglG: Gesetz zur Angleichung der Bestandsrenten an das Nettorentenniveau der Bundesrepublik und zu weiteren rentenrechtlichen Regelungen ; AnhO: Anhalteordnung (Österreich) ; AnlBV: Verordnung über das Anlaufen der inneren Gewässer der Bundesrepublik Deutschland aus Seegebieten seewärts der Grenze des deutschen Küstenmeeres und das Auslaufen (Anlaufbedingungsverordnung) ; AnlEntG: Anlegerentschädigungsgesetz ; AnlGBlnV: Verordnung zur Erstreckung des Anleihe-Gesetzes von 1950 auf das Land Berlin ; AnlV: Verordnung über die Anlage des Sicherungsvermögens von Pensionskassen, Sterbekassen und kleinen Versicherungsunternehmen (Anlageverordnung) ; AnnSächsOLG: Annalen des Sächsischen OLG Dresden ; AnpflEigentG : Gesetz zur Regelung des Eigentums an von landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften vorgenommenen Anpflanzungen ; AnrV: Verordnung über das anzurechnende Einkommen nach dem Bundesversorgungsgesetz (Anrechnungsverordnung) ; AnsFuG: Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz ; AnsprÜbersV: Verordnung über die Übersetzungen der Ansprüche europäischer Patentanmeldungen ; ANSpZ: Arbeitnehmersparzulage ; AnSVG: Anlegerschutzverbesserungsgesetz ; AntarktMeerSchÜbkG: Gesetz zu dem Übereinkommen vom 20. Mai 1980 über die Erhaltung der lebenden Meeresschätze der Antarktis ; AntarktUmwSchProtAG: Gesetz zur Ausführung des Umweltschutzprotokolls vom 4. Oktober 1991 zum Antarktis-Vertrag ; AntarktUmwSchProtG: Gesetz zum Umweltschutzprotokoll vom 4. Oktober 1991 zum Antarktis-Vertrag ; AntarktVtrG: Gesetz zum Antarktis-Vertrag vom 1. Dezember 1959 ; ANTHV: Verordnung über Nachweispflichten der Tierhalter für Arzneimittel, die zur Anwendung bei Tieren bestimmt sind ; AntibAMVV: Verordnung über die Verwendung antibiotisch wirksamer Arzneimittel (Antibiotika-Arzneimittel-Verwendungsverordnung) ; AntiDHG: Gesetz über die Hilfe für durch Anti-D-Immunprophylaxe mit dem Hepatitis-C-Virus infizierte Personen ; AntiDopG: Gesetz gegen Doping im Sport (Anti-Doping-Gesetz) ; AntKostV: Kostenverordnung für Amtshandlungen nach dem Umweltschutzprotokoll-Ausführungsgesetz vom 22. September 1994 ; AnVNG: Gesetz zur Regelung des Rechts der Rentenversicherung der Angestellten ; AnwBl.: Anwaltsblatt (Deutschland) oder Österreichisches Anwaltsblatt ; AnwG: Anwaltsgericht ; AnwGH: Anwaltsgerichtshof ; AnwK (AnwKomm): Anwaltskommentar ; AnwSoZuschlVAufhV: Anwärtersonderzuschlags-Verordnung ; AnwZpvV: Verordnung zur Festlegung eines späteren Anwendungszeitpunktes der Verpflichtungen nach § 5b des Einkommensteuergesetzes ; AnwZV: Anwartschaftszeitenverordnung ; AnzV: Verordnung über die Anzeigen und die Vorlage von Unterlagen nach dem Kreditwesengesetz ; AO: Abgabenordnung (auch AO 1977) oder Anordnung ; AOAnpG: Gesetz zur Anpassung von Gesetzen an die Abgabenordnung ; AÖSp: Allgemeine Österreichische Spediteurbedingungen ; AO-StB: Der AO-Steuer-Berater (Zeitschrift) ; AöR: Archiv des öffentlichen Rechts (Zeitschrift) oder Anstalt des öffentlichen Rechts (auch A.ö.R.) ; AOK: Allgemeine Ortskrankenkasse ; AQTIV: Aktivieren, qualifizieren, trainieren, investieren, vermitteln ; AP: Arbeitsrechtliche Praxis, Nachschlagewerk des Bundesarbeitsgerichts, Loseblatt-Sammlung, München (Beck-Verlag) ; APAG: Abschlussprüferaufsichtsgesetz (Gesetz zur Fortentwicklung der Berufsaufsicht über Abschlussprüfer in der Wirtschaftsprüferordnung) ; APAK: Abschlussprüferaufsichtskommission ; ApBetrO (ABO): Apothekenbetriebsordnung (Verordnung über den Betrieb von Apotheken) ; apf: Ausbildung – Prüfung – Fortbildung. Zeitschrift für die staatliche und kommunale Verwaltung ; APG: Allgemeines Pensionsgesetz (Österreich) oder Altenpflegegesetz (z. B. in NRW) oder Anpassungsgeld ; AP-gDBPolV: Verordnung über die Ausbildung und Prüfung für den gehobenen Polizeivollzugsdienst in der Bundespolizei ; AP-mDBPolV: Verordnung über die Ausbildung und Prüfung für den mittleren Polizeivollzugsdienst in der Bundespolizei ; APO: Ausbildungs- und Prüfungsordnung ; APOAA: Verordnung über die Ausbildung und Prüfung für die Laufbahn des Amtsanwaltsdienstes des Landes Nordrhein-Westfalen (Ausbildungs- und Prüfungsordnung Amtsanwälte) ; APL: Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten ; ApoAnwRstG: Gesetz über die Rechtsstellung vorgeprüfter Apothekeranwärter ; ApoG: Apothekengesetz ; ApprOÄ (AppOÄ): Approbationsordnung für Ärzte ; APR: Allgemeines Persönlichkeitsrecht oder Allgemeines Polizeirecht oder ; APS: Allgemeines Präferenzsystem der EU ; APTU: Einheitliche Rechtsvorschriften für die Verbindlicherklärung technischer Normen und für die Annahme einheitlicher technischer Vorschriften für Eisenbahnmaterial, das zur Verwendung im internationalen Verkehr bestimmt ist (Règles uniformes concernant la validation de normes techniques et l′adoption de prescriptions techniques uniformes applicables au matériel ferroviaire destiné à être utilisé en trafic international) (Anhang F zum COTIF) ; APuZ: Aus Politik und Zeitgeschichte (Zeitschrift) ; AR: Aufsichtsrat oder Arbeitsrecht ; ARB: Allgemeine Bedingungen für die Rechtsschutz-Versicherung (siehe Allgemeine Rechtsschutzbedingungen) oder Allgemeine Reisebedingungen ; ArbEG (ArbnErfG): Arbeitnehmererfindungsgesetz (Gesetz über Arbeitnehmererfindungen) ; ArbG: Arbeitsgericht oder Arbeitgeber (auch AG) ; ArbGBeschlG: Gesetz zur Vereinfachung und Beschleunigung des arbeitsgerichtlichen Verfahrens ; ArbRGenÄndV: Verordnung zur Änderung und Aufhebung arbeitsgenehmigungsrechtlicher Vorschriften ; ArbGG: Arbeitsgerichtsgesetz ; ArbIG: Arbeitsinspektionsgesetz (Österreich) ; ArbKrankhG: Gesetz zur Verbesserung der wirtschaftlichen Stellung der Arbeiter im Krankheitsfalle ; AR-Blattei: Arbeitsrechts-Blattei ; ArblVAbk CHE: Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über Arbeitslosenversicherung ; ArblVAbkCHEG: Gesetz zu dem Abkommen vom 20. Oktober 1982 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über Arbeitslosenversicherung ; ArbMedVV: Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (siehe Arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen) ; ArbN: Arbeitnehmer ; ArbnErfG: Arbeitnehmererfindungsgesetz ; ArbnErfGDV: Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über Arbeitnehmererfindungen ; ArbPlSchG: Arbeitsplatzschutzgesetz ; ArbPlSchGAbschn3V: Verordnung zum Dritten Abschnitt des Arbeitsplatzschutzgesetzes ; ArbR: Arbeitsrecht oder Zeitschrift Arbeitsrecht aktuell ; ArbRB: Arbeit-Rechts-Berater (Zeitschrift) ; ArbRBerG: Gesetz zur Änderung des Kündigungsrechts und anderer arbeitsrechtlicher Vorschriften (Arbeitsrechtsbereinigungsgesetz) ; ArbRBeschFG: Arbeitsrechtliches Beschäftigungsförderungsgesetz ; ArbRGeg.: Das Arbeitsrecht der Gegenwart (Zeitschrift/Jahrbuch) ; ArbSch: Arbeitsschutz (Beilage zum Bundesarbeitsblatt) ; ArbSchG: Arbeitsschutzgesetz ; ArbSchKonG: Gesetz zur Verbesserung des Vollzugs im Arbeitsschutz (Arbeitsschutzkontrollgesetz) ; Arb(Slg): Sammlung Arbeitsrechtlicher Entscheidungen (Österreich) ; ArbStättR: Arbeitsstättenrichtlinie ; ArbStättV: Arbeitsstättenverordnung ; ArbStoffV: Verordnung über gefährliche Arbeitsstoffe (Arbeitsstoffverordnung) ; ArbuR: Arbeit und Recht (Zeitschrift) ; ArbVers: Die Arbeiterversorgung (Zeitschrift) ; ArbVG: Arbeitsverfassungsgesetz (Österreich) oder Arbeitsvertragsgesetz ; ArbZAbsichG: Gesetz zur sozialrechtlichen Absicherung flexibler Arbeitszeitregelungen ; ArbZG: Arbeitszeitgesetz ; ArbZRG: Arbeitszeitrechtsgesetz (Gesetz zur Vereinheitlichung und Flexibilisierung des Arbeitszeitrechts) ; ArbZSKG: Gesetz zur Regelung der Arbeitszeit selbständiger Berufskraftfahrer (siehe Lenk- und Ruhezeiten) ; ArbZV: Arbeitszeitverordnung ; ArchBR: Archiv für Bürgerliches Recht ; ArchKommWiss (AfK): Archiv für Kommunalwissenschaften (Zeitschrift) ; ArchKrim: Archiv für Kriminologie ; ArchPF: Archiv für das Post- und Fernmeldewesen ; ArchPR: Archiv presserechtlicher Entscheidungen ; ArchPT: Archiv für Post und Telekommunikation ; ArchSozArb: Archiv für Wissenschaft und Praxis der sozialen Arbeit ; ArchVölkR (AVR): Archiv des Völkerrechts ; ARE: Bundesamt für Raumentwicklung (Schweiz) ; ARegV: Verordnung über die Anreizregulierung der Energieversorgungsnetze (Anreizregulierungsverordnung) ; ArEV: Arbeitsentgeltverordnung ; ArG: Bundesgesetz über die Arbeit in Industrie, Gewerbe und Handel (Schweiz) ; ARG: Arbeitsruhegesetz (Österreich) ; ARGE: Arbeitsgemeinschaft ; ArGV: Arbeitsgenehmigungsverordnung (Verordnung über die Arbeitsgenehmigung für ausländische Arbeitnehmer) ; ARG-VO: Arbeitsruhegesetz-Verordnung (Österreich) ; AromenDV: Durchführungsverordnung über Aromen und Aromen enthaltende Lebensmittel (Aromendurchführungsverordnung) ; AromV: Aromenverordnung ; ARP: Arbeitsschutz in Recht und Praxis (Zeitschrift) ; ARS: Arbeitsrechtssammlung oder Allgemeines Rundschreiben ; ARSP: Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie (Zeitschrift) ; ARSt: Arbeitsrecht in Stichworten ; Art.: Artikel oder Gesetzesartikel ; ArtHG: Bundesgesetz über die Überwachung des Handels mit Exemplaren wildlebender Tier- und Pflanzenarten (Artenhandelsgesetz) (Österreich) ; ARUG: Gesetz zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie ; ARV: Auslandsreisekostenverordnung (Verordnung über die Reisekostenvergütung bei Auslandsdienstreisen) (siehe Bundesreisekostengesetz) ; ArVNG: Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetz ; ArztR: Arztrecht (Zeitschrift) oder Arztrecht ; AS: Arbeitssuchende(r) oder Aktuelles Steuerrecht oder Auslegungsschrift oder Amtliche Sammlung des Bundesrechts (Schweiz) oder Antragsteller oder Alternative Streitbeilegung ; ASA: Archiv für Schweizerisches Abgaberecht (Zeitschrift) oder Amt für Soziale Angelegenheiten (siehe Versorgungsamt) oder Arbeitsschutzausschuss ; ASAV: Anwerbestoppausnahmeverordnung ; ASBw: Amt für Sicherheit der Bundeswehr ; ASchG: Bundesgesetz über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit (ArbeitnehmerInnenschutzgesetz) (Österreich) ; ASD: Allgemeiner Sozialer Dienst ; ASF: Aufbauseminar zur Nachschulung von Fahranfängern (siehe Aufbauseminar für Fahranfänger) ; ASFINAG: Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft (ASFINAG) (Österreich) ; ASG: Arbeitssicherstellungsgesetz ; ASGG: Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz ; ASGB: Allgemeines Sozialversicherungsgesetz ; ASGG: Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz (Österreich) ; ASiG: Arbeitssicherheitsgesetz ; ASIS: Ausbildungsstellen-Informationssystem ; ASOG Bln: Allgemeines Sicherheits- und Ordnungsgesetz (Berlin) ; ASP: Aufbauseminar zur Nachschulung von Punkteauffälligen ; ASR: Arbeitsstättenrichtlinien oder Arbeitsstättenregel oder Anwalt, Anwältin im Sozialrecht (Zeitschrift) oder Auto, Steuern, Recht (Zeitschrift) ; ASRG: Agrarsozialreformgesetz ; ASt.: Antragsteller ; AStA: Allgemeiner Studierendenausschuss ; ASTA: Ausschuss für Arbeitsstätten ; AStBV: Anweisungen für das Straf- und Bußgeldverfahren (Steuer) ; AStG: Außensteuergesetz oder Automobilsteuergesetz (Schweiz) oder Bundesgesetz über alternative Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten (Alternative-Streitbeilegung-Gesetz (Österreich)) oder Alternative-Streitbeilegung-Gesetz (Liechtenstein) ; ASTRA: Bundesamt für Strassen (Schweiz) (franz. Office fédéral des routes, ital. Ufficio federale delle strade) ; AStV: Ausschuss der Ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten (der EU) oder Automobilsteuerverordnung (Schweiz) ; ASVG: Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (Österreich) oder Agrarstrukturverbesserungsgesetz ; AsylG: Asylgesetz (Deutschland) oder Asylgesetz (Schweiz) ; AsylG 2005: österreichisches Asylgesetz 2005 ; AsylbLG: Asylbewerberleistungsgesetz ; AsylGH: Asylgerichtshof (Österreich) ; AsylVfG: Asylverfahrensgesetz – bis 23. Oktober 2015 gültige Bezeichnung des deutschen Asylgesetzes ; AsylZBV 1997: Verordnung über die Zuständigkeit für die Ausführung des Übereinkommens vom 15. Juni 1990 über die Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften gestellten Asylantrags ; AT: Allgemeiner Teil (z. B. 1. Buch des BGB oder der AT im StGB) oder Arbeitstag(e) ; ATAD: Anti-Steuervermeidungs-Richtlinie der EU (engl.: Anti-Tax Avoidance Directive) ; ATADUmSG: Gesetz zur Umsetzung der Anti-Steuervermeidungs-Richtlinie ; ATA-OTA-GEG: Gesetz über die Ausbildung zur Anästhesietechnischen Assistentin und zum Anästhesietechnischen Assistenten und über die Ausbildung zur Operationstechnischen Assistentin und zum Operationstechnischen Assistenten ; ATA-OTA-G: Gesetz über den Beruf der Anästhesietechnischen Assistentin und des Anästhesietechnischen Assistenten und über den Beruf der Operationstechnischen Assistentin und des Operationstechnischen Assistenten (Anästhesietechnische- und Operationstechnische-Assistenten-Gesetz) ; AtAV: Verordnung über die Verbringung radioaktiver Abfälle oder abgebrannter Brennelemente (Atomrechtliche Abfallverbringungsverordnung) ; ATC: Anatomisch-Therapeutisch-Chemisches Klassifikationssystem ; ATCM: Antarctic Treaty Consultative Meeting, Treffen der Vertragsparteien des Antarktis-Vertrags ; AtDeckV 1977: Atomdeckungsverordnung (Verordnung über die Deckungsvorsorge nach dem Atomgesetz) ; ATDG: Antiterrordateigesetz (Gesetz zur Errichtung einer standardisierten zentralen Antiterrordatei von Polizeibehörden und Nachrichtendiensten von Bund und Ländern) (siehe Antiterrordatei) ; AtEV: Verordnung über Anforderungen und Verfahren zur Entsorgung radioaktiver Abfälle (Atomrechtliche Entsorgungsverordnung) ; ATEX: Richtlinie 2014/34/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten für Geräte und Schutzsysteme zur bestimmungsgemäßen Verwendung in explosionsgefährdeten Bereichen (ATEX-Richtlinie) ; ATF: Ausgleichstaxfonds (Österreich) ; AtG: Atomgesetz oder Atomgesetz (Schweiz) ; ATG (AltTZG): Altersteilzeitgesetz ; AtGÄndG: Gesetz zur Änderung des Atomgesetzes ; ATLAS: Automatisiertes Tarif- und lokales Zollabwicklungssystem (siehe ATLAS (Zollsoftware)) ; ATMF: Einheitliche Rechtsvorschriften für die technische Zulassung von Eisenbahnmaterial, das im internationalen Verkehr verwendet wird (Règles uniformes concernant l′admission technique de matériel ferroviaire utilisé en trafic international) (Anhang G zum COTIF) ; ATO: Allgemeine Tarifordnung für Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst ; AtomHG: Atomhaftungsgesetz (Österreich) ; ATPL: Verkehrspilotenlizenz (engl.: Airline Transport Pilot Licence/License – ATPL; dt.: Lizenz für Verkehrspiloten) ; ATSG: Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (Schweiz) ; AtSKostV: Kostenverordnung zum Atomgesetz und zum Strahlenschutzgesetz ; AtSMV: Verordnung über den kerntechnischen Sicherheitsbeauftragten und über die Meldung von Störfällen und sonstigen Ereignissen (Atomrechtliche Sicherheitsbeauftragten- und Meldeverordnung) ; ATV: Allgemeine technische Vorschriften für Bauleistungen oder Tarifvertrag über die betriebliche bzw. zusätzliche Altersversorgung der Beschäftigten des öffentlichen Dienste ; ATV-K: Altersvorsorge-Tarifvertrag-Kommunal ; AtVfV: Atomverfahrensverordnung (Verordnung über das Verfahren bei der Genehmigung von Anlagen nach § 7 des Atomgesetzes) ; ATZ: Altersteilzeit ; AtZÜV: Verordnung für die Überprüfung der Zuverlässigkeit zum Schutz gegen Entwendung oder Freisetzung radioaktiver Stoffe nach dem Atomgesetz (Atomrechtliche Zuverlässigkeitsüberprüfungs-Verordnung) ; ATZV: Altersteilzeitverordnung (Verordnung über die Gewährung eines Zuschlags bei Altersteilzeit) ; AU: Anerkenntnisurteil oder Arbeitsunfähigkeit oder Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung oder Abgasuntersuchung ; AuA: Arbeit und Arbeitsrecht (Zeitschrift) ; AuAS: Ausländer- und Asylrecht Schnelldienst (Zeitschrift) ; AuB: Arbeit und Beruf (Zeitschrift) oder Allgemeine Unfallversicherungs-Bedingungen oder Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ; AÜ: Athener Übereinkommen über die Beförderung von Reisenden und ihrem Gepäck auf See (von 1974 oder 2002) ; AÜG: Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (Deutschland) oder Arbeitskräfteüberlassungsgesetz (Österreich) ; AÜGLohnV: Verordnung über eine Lohnuntergrenze in der Arbeitnehmerüberlassung ; AÜGMeldstellV: Verordnung zur Bestimmung der zuständigen Behörde nach § 17b Absatz 4 des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes ; AÜKostV: Verordnung über die Kosten der Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung (Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis-Kostenverordnung) ; AufbewJustVO NRW: Verordnung über die Aufbewahrung von Schriftgut in der Justiz und Justizverwaltung des Landes Nordrhein-Westfalen (Aufbewahrungsverordnung der Justiz Nordrhein-Westfalen) ; AufbhEG 2021: Gesetz zur Errichtung eines Sondervermögens „Aufbauhilfe 2021“ (Aufbauhilfefonds-Errichtungsgesetz 2021) ; AufbhV 2021: Verordnung über die Verteilung und Verwendung der Mittel des Fonds „Aufbauhilfe 2021“ (Aufbauhilfeverordnung 2021) ; AufenthEWGG: Aufenthalt-EWG-Gesetz (Gesetz über Einreise und Aufenthalt von Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft) ; AufenthG: Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (Aufenthaltsgesetz) ; AufenthG/EWG: Gesetz über die Einreise und den Aufenthalt von Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft ; AufenthV: Aufenthaltsverordnung ; aufgeh.: aufgehoben ; AufwAG: Aufwertungsausgleichsgesetz (Gesetz über einen Ausgleich für Folgen der Aufwertung der Deutschen Mark auf dem Gebiet der Landwirtschaft) ; AuG: Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer (Ausländergesetz (Schweiz)) ; AUG: Auslandsunterhaltsgesetz (Gesetz zur Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen im Verkehr mit ausländischen Staaten) ; AuR: Arbeit und Recht, Zeitschrift, Bund-Verlag (Frankfurt a.M.) oder Arzneimittel & Recht – Zeitschrift für Arzneimittelrecht und Arzneimittelpolitik (Zeitschrift) ; AuRAG: Gesetz zur Ausführung des Europäischen Übereinkommens betreffend Auskünfte über ausländisches Recht und seines Zusatzprotokolls (Auslands-Rechtsauskunftgesetz) ; ausdr.: ausdrücklich ; ausf.: ausführlich ; AusfG: Ausführungsgesetz ; AusfVO: Ausführungsverordnung ; AusglMechAV: Verordnung zur Ausführung der Verordnung zur Weiterentwicklung des bundesweiten Ausgleichsmechanismus ; AusglMechV: Verordnung zur Weiterentwicklung des bundesweiten Ausgleichsmechanismus ; AusglLeistG: Ausgleichsleistungsgesetz ; ausl.: ausländisch ; AUSL: Mit dieser Abkürzung werden Versicherungszeiten gekennzeichnet, die in einem Land der Europäischen Union (EU), dem Europäischen Wirtschaftsraum EU (EWR) oder einem Vertragsstaat zurückgelegt wurden. ; AuslandsrentenVO: Verordnung über die Zahlung von Renten in das Ausland ; AuslAufnVO: Ausländer- und Aufnahmeverordnung ; AuslBG: Bundesgesetz vom 20. März 1975, mit dem die Beschäftigung von Ausländern geregelt wird (Ausländerbeschäftigungsgesetz)(Österreich) ; AuslBVO: Ausländerbeschäftigungsverordnung (Österreich) ; AuslDatV: Ausländerdateienverordnung (Verordnung über die Führung von Ausländerdateien durch die Ausländerbehörden und die Auslandsvertretungen) ; AuslDÜV: Verordnung über Datenübermittlungen an die Ausländerbehörden ; AuslG: Ausländergesetz (aufgehoben; ersetzt durch Aufenthaltsgesetz) ; AuslG1990DV: Verordnung zur Durchführung des Ausländergesetzes ; AuslGebV 1990: Ausländer-Gebührenverordnung (Gebührenverordnung zum Ausländergesetz und zum Gesetz zu dem Schengener Durchführungsübereinkommen) ; AuslInvestmG: Auslandinvestmentgesetz (Gesetz über den Vertrieb ausländischer Investmentanteile und über die Besteuerung der Erträge aus ausländischen Investmentanteilen) ; AuslR: Ausländerrecht ; AuslvG (auch AIG): Auslandsinvestitionsgesetz (Gesetz über steuerliche Maßnahmen bei Auslandsinvestitionen der deutschen Wirtschaft) ; AuslZuschlV: Verordnung über die Gewährung von Auslandszuschlägen (Auslandszuschlagsverordnung) ; AuslZustV: Verordnung über die Zuständigkeit für Leistungen der Sozialen Entschädigung für Berechtigte im Ausland (Auslandszuständigkeitsverordnung) ; AusRbV: Verordnung Ausübungsvorschriften für das Reisebürogewerbe (Österreich) ; AussStrG: Ausserstreitgesetz (Liechtenstein) ; AußStrG: Außerstreitgesetz (Österreich) (siehe Zivilverfahrensrecht (Österreich) Abschnitt Erkenntnisverfahren) ; AusÜbsiedWOG: Gesetz über die Festlegung eines vorläufigen Wohnortes für Spätaussiedler ; AußWG 2011: Außenwirtschaftsgesetz 2011 (Österreich) ; AuswSG: Auswandererschutzgesetz ; AV: Allgemeinverfügung oder Aktenvermerk oder Ausführungsvorschrift oder Allgemeine Verfügung oder Arbeitsvertrag oder Allgemeine Vorschriften oder Arbeitslosenversicherung oder Anlagenverzeichnis ; AVAG: Anerkennungs- und Vollstreckungsausführungsgesetz (Gesetz zur Ausführung zwischenstaatlicher Verträge und zur Durchführung von Verordnungen der Europäischen Gemeinschaft auf dem Gebiet der Anerkennung und Vollstreckung in Zivil- und Handelssachen) ; AVAVG: Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (bis 30. Juni 1969; ab 1. Juli 1969: Arbeitsförderungsgesetz) ; AVB: Allgemeine Versorgungsbedingungen oder Allgemeine Versicherungsbedingungen ; AVBEltV: Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Elektrizitätsversorgung von Tarifkunden ; AVBFernwärmeV: Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Fernwärme ; AVBGasV: Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Gasversorgung von Tarifkunden ; AVBWasserV: Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Wasser ; AVE: Allgemeinverbindlichkeitserklärung eines Tarifvertrages ; AVermV: Arbeitsvermittlungsverordnung ; AVG: Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (Österreich) oder Angestelltenversicherungsgesetz oder Arbeitsvermittlungsgesetz (Schweiz) ; AVHintG NRW: Ausführungsvorschriften zum Hinterlegungsgesetz von Nordrhein-Westfalen ; AVmEG: Gesetz zur Ergänzung des Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung und zur Förderung eines kapitalgedeckten Altersvorsorgevermögens (Altersvermögensergänzungsgesetz) ; AVmG: Gesetz zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung und zur Förderung eines kapitalgedeckten Altersvorsorgevermögens (Altersvermögensgesetz) ; AVO: Ausführungsverordnung ; AVOG: Bundesgesetz über den Aufbau und die Zuständigkeitsregelung der Abgabenverwaltung des Bundes (Abgabenverwaltungsorganisationsgesetz 2010) (Österreich) ; AVOG 2010 – DV: Verordnung des Bundesministers für Finanzen zur Durchführung des Abgabenverwaltungsorganisationsgesetzes 2010 (Österreich) ; AVR: Archiv des Völkerrechts (Zeitschrift) oder Allgemeine Vertragsrichtlinien oder Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes (siehe AVR-Caritas) oder Allgemeines Verwaltungsrecht ; AVRAG: Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz (Österreich) ; AVV: Abfallverzeichnis-Verordnung oder Allgemeiner Vertrag für die Verwendung von Güterwagen oder Allgemeine Verwaltungsvorschrift oder Auftragsverarbeitungs-Vertrag oder Arbeitsvermittlungsverordnung (Schweiz) ; AVV LmH: Allgemeine Verwaltungsvorschrift Lebensmittelhygiene ; AVWG: Gesetz zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit in der Arzneimittelversorgung (Arzneimittelversorgungs-Wirtschaftlichkeitsgesetz) ; AVWL: Altersvorsorgewirksame Leistung ; AVwV: Allgemeine Verwaltungsvorschrift ; aW: Aufschiebende Wirkung ; AWaffV: Allgemeine Waffengesetz-Verordnung (siehe Waffengesetz (Deutschland)) ; AWB: Air Waybill (Luftfrachtbrief) ; AWD: Außenwirtschaftsdienst des Betriebs-Beraters ; AWG: Außenwirtschaftsgesetz oder Abfallwirtschaftsgesetz 2002 (Österreich) ; AWO: Arbeiterwohlfahrt ; AW Prax: Außenwirtschaftliche Praxis (Zeitschrift) ; AWS: Abfallwirtschaftssatzung ; AwSV: Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen ; AWV: Außenwirtschaftsverordnung oder Arzneimittel-Werbeverordnung (Schweiz) ; AWZ: Außenwirtschaftszone oder Ausschließliche Wirtschaftszone (nach Art. 55-75 Seerechtsübereinkommen) ; AWZROV: Verordnung über die Raumordnung in der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone in der Nordsee und in der Ostsee ; AZ: Arbeitszeit oder Ackerzahl ; AZAV: Akkreditierungs- und Zulassungsverordnung Arbeitsförderung ; AZF: Allgemeines Sprechfunkzeugnis für den Flugfunkdienst (siehe Sprechfunkzeugnis (Luftfahrt)) ; AZG: Allgemeines Zuständigkeitsgesetz (z. B. AZG Berlin) oder Arbeitszeitgesetz (Österreich) ; AZO: Allgemeine Zollordnung (Siehe Zollwesen) oder Arbeitszeitordnung ; AZR: Ausländerzentralregister ; AZRG: Gesetz über das Ausländerzentralregister ; AZRG-DV: Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über das Ausländerzentralregister ; AZWV: Anerkennungs- und Zulassungsverordnung Weiterbildung (nach § 87 SGB III) (aufgehoben und abgelöst durch die Akkreditierungs- und Zulassungsverordnung Arbeitsförderung (AZAV))
; BA: Bundesagentur für Arbeit (früher: Bundesanstalt für Arbeit) oder Bauamt oder Bauart oder Bergakademie oder Bergamt oder Berufsakademie oder Betreibungsamt (Schweiz) oder Betriebsanweisung oder Betriebsarzt oder Bezirksamt oder Biologischer Arbeitsstoff oder Blutalkohol (siehe Blutalkoholkonzentration) oder Zeitschrift “Blutalkohol” oder Bundesamt oder Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof oder Bundesanwaltschaft (siehe Bundesanwaltschaft (Schweiz)) oder Bundesarchiv oder Bußgeldakte oder Bratislaver Abkommen (ein internationaler Vertrag zur Schifffahrt auf der Donau) oder Betriebsausgabe ; BAA: Bundesausgleichsamt ; BAAINBw: Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr ; BAB: Bundesautobahn oder Betriebsabrechnungsbogen oder Berufsausbildungsbeihilfe (eine Leistung nach dem Sozialgesetzbuch Ⅲ) oder Börsenaufsichtsbehörde oder Bundesausländerbeirat ; BABl. (BArbBl): Bundesarbeitsblatt ; Bad.: Baden, badisch ; BADV: Verordnung über Bodenabfertigungsdienste auf Flugplätzen (Bodenabfertigungsdienst-Verordnung) oder Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen ; BÄK: Bundesärztekammer ; BÄO: Bundesärzteordnung ; BAES: Bundesamt für Ernährungssicherheit (Österreich) ; BAF: Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung ; BAFA: Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle ; BAFG: Gesetz über die Errichtung des Bundesaufsichtsamtes für Flugsicherung ; BAFin: Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht ; BAFL: Fremden- und asylrechtliche Blätter (Österreich) ; BAfM: Bundesanstalt für Milchforschung ; BAföG: Bundesausbildungsförderungsgesetz ; BAföGÄndG: Gesetz zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes ; BAföGVwV: Allgemeine Verwaltungsvorschriften zum BAföG ; BAföG-MedPflegbV: Verordnung über die Ausbildungsförderung für Medizinalfachberufe und für Pflegeberufe (BAföG-Medizinalfach- und Plegeberufe-Verordnung) ; BAFU: Bundesamt für Umwelt (Schweiz) (franz. Office fédéral de l’environnement, ital. Ufficio federale dell’ambiente) ; BAFzA: Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben ; BAG: Bundesarbeitsgericht oder Bundesamt für Güterverkehr oder Bundesarbeitsgemeinschaft oder Bundesamt für Gesundheit (Schweiz) oder Gesetz über die Errichtung eines Bundesaufsichtsamtes für das Versicherungswesen oder Berufsausübungsgemeinschaft oder Berufsausbildungsgesetz (Österreich) oder gewerblich-technische Berufsaufbauschule ; BAG-G9: Gesetz zur Regelung des Belastungsausgleichs zum Gesetz zur Neuregelung der Dauer der Bildungsgänge im Gymnasium (Belastungsausgleichsgesetz G 9) des Landes NRW ; BAGE: Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts ; BAGGS: Bundesarbeitsgericht – Großer Senat ; BAGH: Bundesarbeitsgemeinschaft Hilfe für Behinderte ; BAGLJÄ: Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter ; BAGKF: Bundesanstalt für Getreide-, Kartoffel- und Fettforschung ; BAGReport: Schnelldienst zur arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung des BAG und des EuGH (Zeitschrift) ; BAG-SB: Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung ; BAG-SHI: Bundesarbeitsgemeinschaft der Erwerbslosen- und Sozialhilfeinitiativen ; BAG-UB: Bundesarbeitsgemeinschaft für Unterstützte Beschäftigung ; BAIK: Bundeskammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten (Österreich) ; BAIUDBw: Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr ; BAK: Blutalkoholkonzentration oder Bundesarbeitskammer (Österreich) (siehe Kammer für Arbeiter und Angestellte) oder Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung (Österreich) ; BAKJ: Bundesarbeitskreis kritischer Juragruppen ; BAKOM: Bundesamt für Kommunikation (Schweiz) (franz. Office fédéral de la communication, ital. Ufficio federale delle comunicazioni) ; BAKred: Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen (einer der Vorgänger der BaFin) ; BallastwG: Gesetz zu dem Internationalen Übereinkommen von 2004 zur Kontrolle und Behandlung von Ballastwasser und Sedimenten von Schiffen (Ballastwasser-Gesetz) (siehe Ballastwasser-Übereinkommen) ; BALM: Bundesamt für Logistik und Mobilität oder Bundesanstalt für Landwirtschaftliche Marktordnung ; BAM: Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung ; BAMF: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ; BankA: Bank-Archiv (Zeitschrift) ; BankFachwPrV: Verordnung über die Prüfung zum anerkannten Abschluss Geprüfter Bankfachwirt/Geprüfte Bankfachwirtin ; BankKfm/KfrAusbV: Verordnung über die Berufsausbildung zum Bankkaufmann/zur Bankkauffrau ; BAnstPT: Bundesanstalt für Post und Telekommunikation DBP ; BAnz: Bundesanzeiger ; BAO: Bundesabgabenordnung (Österreich) ; BÄO: Bundesärzteordnung ; BaP: Beamtenverhältnis auf Probe ; BAPersBw: Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr ; BApO: Bundes-Apothekerordnung ; BAPT: Bundesamt für Post und Telekommunikation (aufgelöst zum 1. Januar 1998) ; BAR: Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation e. V. ; BArbBl (BABl.): Bundesarbeitsblatt ; BArchBV: Bundesarchiv-Benutzungsverordnung (Verordnung über die Benutzung von Archivgut beim Bundesarchiv) ; BArchG: Gesetz über die Nutzung und Sicherung von Archivgut des Bundes (Bundesarchivgesetz) ; BArchivG: Bundesgesetz über die Sicherung, Aufbewahrung und Nutzung von Archivgut des Bundes (Bundesarchivgesetz (Österreich)) ; BArchKV: Verordnung über Kosten beim Bundesarchiv ; BARL: Berufsanerkennungsrichtlinie (Richtlinie 2005/36/EG über die Anerkennung von Berufsqualifikationen) ; BArtSchV: Bundesartenschutzverordnung ; BAS: Bundesamt für Schiffsvermessung (siehe Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie) oder Bundesamt für Soziale Sicherung (bis 2019: Bundesversicherungsamt (BVA)) ; BASE: Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung ; BASG: Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (Österreich) ; BASPOErmV: Verordnung zur Ermächtigung zum Erlass von Prüfungsordnungen (BAS-Prüfungsordnungsermächtigungsverordnung) ; BASS: Bereinigte Amtliche Sammlung der Schulvorschriften Nordrhein-Westfalen oder Büro für arbeits- und sozialpolitische Studien (Schweiz) ; BAStrlSchG: Gesetz über die Errichtung eines Bundesamtes für Strahlenschutz ; BAT: Bundes-Angestelltentarifvertrag oder Biologischer Arbeitsstoff-Toleranzwert oder Beste verfügbare Techniken (engl.: best available techniques – BAT) ; BAT-O: Bundes-Angestelltentarifvertrag Ost ; BattG: Batteriegesetz (Gesetz über das Inverkehrbringen, die Rücknahme und die umweltverträgliche Entsorgung von Batterien und Akkumulatoren) ; BattGDV: Verordnung zur Durchführung des Batteriegesetzes ; BattV: Batterieverordnung ; BATZV: Beamtenaltersteilzeitverordnung ; BAuA: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin ; BaubetrV: Verordnung über die Betriebe des Baugewerbes, in denen die ganzjährige Beschäftigung zu fördern ist (Baubetriebe-Verordnung) ; BauFG: Bauforderungen-Sicherungsgesetz (Gesetz über die Sicherung der Bauforderungen) ; BAufsAG: Gesetz über die Errichtung eines Bundesaufsichtsamtes für das Versicherungs- und Bausparwesen ; BauGB: Baugesetzbuch ; BauGBMaßnG: Maßnahmengesetz zum BauGB ; BauGO: Baugebührenordnung ; BauKG: Bauarbeitenkoordinationsgesetz (Österreich) ; BauNVO: Baunutzungsverordnung ; BauO: Bauordnung (des jeweiligen Bundeslandes) ; baupol.: baupolizeilich ; BauPG: Bauproduktegesetz (Gesetz über das Inverkehrbringen von und den freien Warenverkehr mit Bauprodukten zur Umsetzung der des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten) ; BauR: Baurecht oder Baurecht (Zeitschrift) ; BausparkG (oder BauSpkG): Gesetz über Bausparkassen (Bausparkassengesetz) ; BausparkV: Verordnung zum Gesetz über Bausparkassen ; BauSparVetrAbwV: Durchführungs- und Ergänzungsverordnung über die vereinfachte Abwicklung von Bausparverträgen ; BaustellV: Baustellenverordnung ; BautechKonAusbV: Verordnung über die Berufsausbildung zum Bautechnischen Konstrukteur und zur Bautechnischen Konstrukteurin (Bautechnikkonstrukteur-Ausbildungsverordnung) ; BauSV: Der Bausachverständige (Zeitschrift) ; BauVorlV: Verordnung über Bauvorlagen und bauaufsichtliche Anzeigen (Bauvorlagenverordnung) (Bayern) ; BauW: Zeitschrift Bauwirtschaft ; BAV: Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen (2002 aufgegangen in der BaFin) oder Bundesamt für Verkehr (Schweiz) (franz.: Office fédéral des transports, ital.: Ufficio federale dei trasporti) oder Bundesanstalt für Verwaltungsdienstleistungen ; BaW: Beamtenverhältnis auf Widerruf ; BAW: Bundesanstalt für Wasserbau ; BAWe: Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel (2002 aufgegangen in der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin)) ; BAWV: Bundesamt für Wehrverwaltung ; Bay.: Bayern, bayerisch ; BayAbgrG: Bayerisches Abgrabungsgesetz ; BayÄrzteBl.: Bayerisches Ärzteblatt ; BayBauO: Bayerische Bauordnung ; BayBgm.: Der Bayerische Bürgermeister (Zeitschrift) ; BayBS: Bereinigte Sammlung des Bayerischen Landesrechts (siehe Bayerische Rechtssammlung) ; BayBZ: Bayerische Beamtenzeitung ; BayDGH: Bayerischer Dienstgerichtshof ; BayDStH: Bayerischer Dienststrafhof ; BayGlG: Bayerisches Gleichstellungsgesetz ; BayGrStG: Bayerisches Grundsteuergesetz ; BayGVBl.: Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt ; BayGZ: Bayerische Gemeindezeitung ; BayJMBl.: Bayerisches Justizministerialblatt ; BayKiBiG: Bayerisches Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz ; BayKirchStG: Gesetz über die Erhebung von Steuern durch Kirchen, Religions- und weltanschauliche Gemeinschaften (Bayerisches Kirchensteuergesetz) ; BayLfSt: Bayerisches Landesamt für Steuern ; BayMABl.: Ministerialamtsblatt der bayerischen inneren Verwaltung ; BayMG: Bayerisches Mediengesetz ; BayObLG: Bayerisches Oberstes Landesgericht ; BayObLGSt: Sammlung der Entscheidungen des BayObLG in Strafsachen ; BayObLGZ: Sammlung der Entscheidungen des BayObLG in Zivilsachen ; BayRG: Bayerisches Rundfunkgesetz ; BayRS: Bayerische Rechtssammlung ; BayRSG: Gesetz über die Sammlung des bayerischen Landesrechts ; BaySchlG: Bayerisches Schlichtungsgesetz ; BayStrWG: Bayerisches Straßen- und Wegegesetz ; BayVBl.: Bayerische Verwaltungsblätter (Zeitschrift) ; BayVerfGH: Bayerischer Verfassungsgerichtshof ; BayVGH: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof ; BayVSG: Bayerisches Verfassungsschutzgesetz ; BAZ: Bundesamt für den Zivildienst ; BAZL: Bundesamt für Zivilluftfahrt (Schweiz) (franz. Office fédéral de l′aviation civile, ital. Ufficio federale dell′aviazione civile) ; BB: Betriebs-Berater (Zeitschrift) oder Brandenburg ; BBahn: Bundesbahn (auch DB) ; BBahnG: Bundesbahngesetz (Deutschland) oder Bundesbahngesetz (Österreich) ; BBahnVermG: Gesetz über die vermögensrechtlichen Verhältnisse der Deutschen Bundesbahn ; BBankG: Bundesbankgesetz ; BBankLV: Verordnung über die Laufbahnen der Bundesbankbeamtinnen und Bundesbankbeamten ; BBankPersV: Verordnung zur Regelung der Rechtsverhältnisse des Personals der Deutschen Bundesbank ; BBauBl: Bundesbaublatt ; BBauG: Bundesbaugesetz (aufgehoben, jetzt: Baugesetzbuch (BauGB)) ; BBB: Berufsbildungsbereich (siehe Werkstatt für behinderte Menschen Abschnitt Berufsbildungsbereich (BBB)) ; BBergG: Bundesberggesetz ; BBesG: Bundesbesoldungsgesetz ; BBetreibZulV: Verordnung über die Zulassung Benannter Betreiber nach Artikel 3 des Gesetzes zu den Verträgen vom 5. Oktober 2004, 12. August 2008, 11. Oktober 2012 und 6. Oktober 2016 des Weltpostvereins (Benannte Betreiber-Zulassungsverordnung) ; BBesO: Bundesbesoldungsordnung ; BBFestV: Verordnung zur Festlegung und Anpassung der Bundesbeteiligung an den Leistungen für Unterkunft und Heizung (Bundesbeteiligungs-Festlegungsverordnung) (Anmerkung: mit jeweiliger Jahresangabe) ; BBg.: Brandenburg, brandenburgisch ; BbgKVerf: Kommunalverfassung des Landes Brandenburg (siehe Gemeindeordnungen in Deutschland) ; BbgPsychKG: Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten (Brandenburgisches Psychisch-Kranken-Gesetz) ; BbgVerf: Verfassung des Landes Brandenburg ; BbgVwGG: Gesetz über die Errichtung der Verwaltungsgerichtsbarkeit und zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung im Land Brandenburg (Brandenburgisches Verwaltungsgerichtsgesetz) ; BbgWG: Brandenburgisches Wassergesetz (siehe Landeswassergesetz) ; BBG: Bundesbeamtengesetz oder Berufsbildungsgesetz (Schweiz) oder Bundesbehindertengesetz (Österreich) oder Beitragsbemessungsgrenze ; bbH: bauartbestimmte Höchstgeschwindigkeit ; BBhV: Verordnung über Beihilfe in Krankheits-, Pflege- und Geburtsfällen (Bundesbeihilfeverordnung) ; BBiG: Berufsbildungsgesetz ; BBilRG: Bankbilanzrichtlinien-Gesetz ; BBiModG: Berufsbildungsmodernisierungsgesetz ; BBiZ: Berufsbildungszentrum ; BBK: Buchführung, Bilanz, Kostenrechnung (Zeitschrift) oder Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe ; BBKG: Gesetz über die Errichtung des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe ; BBl: Bundesblatt (Schweiz) ; BBL: Bundesamt für Bauten und Logistik (Schweiz) ; BBodSchG: Bundes-Bodenschutzgesetz ; BBodSchV: Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung ; BBPlG: Gesetz über den Bundesbedarfsplan (Bundesbedarfsplangesetz) ; BBPol: Bayerische Bereitschaftspolizei ; BBSR: Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung ; BBR: Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung ; BBT: Bundesamt für Berufsbildung und Technologie (Schweiz) (franz. Office fédéral de la formation professionnelle et de la technologie, ital. Ufficio federale della formazione professionale e della tecnologia) ; BBV: Berufsbildungsverordnung (Schweiz) (siehe Berufliche Grundbildung) ; BBVAnpÄndG 2023/2024: Gesetz zur Anpassung der Bundesbesoldung und -versorgung für die Jahre 2023 und 2024 sowie zur Änderung weiterer dienstrechtlicher Vorschriften ; BC: Zeitschrift für Bilanzierung, Rechnungswesen und Controlling ; BCBS: Basel Committee on Banking Supervision (dt.: Basler Ausschuss für Bankenaufsicht) ; BDB: Bund Deutscher Baumeister, Architekten und Ingenieure e. V. ; BDA: Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände oder Bundesdenkmalamt (Österreich) ; BDBOS: Bundesanstalt für den Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben ; BDBOSG: Gesetz über die Errichtung einer Bundesanstalt für den Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BDBOS-Gesetz) ; BDG: Bundesdisziplinargesetz oder Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 (Österreich) ; BGT: Betreuungsgerichtstag e. V. (siehe Vormundschaftsgerichtstag) ; BDH: Bundesdisziplinarhof ; BDiszH (BDH): Bundesdisziplinarhof ; BDK: Bund Deutscher Kriminalbeamter ; BDO: Bundesdisziplinarordnung ; BDSG: Bundesdatenschutzgesetz ; BdSt: Bund der Steuerzahler Deutschland ; BDVR: Bund-Deutscher-Verwaltungsrichter-und-Verwaltungsrichterinnen oder BDVR-Rundschreiben ; BE: Betriebseinheit oder Berlin oder Betriebseinnahme ; beA: Besonderes elektronisches Anwaltspostfach ; BeamtStG: Beamtenstatusgesetz ; BeamtVG: Beamtenversorgungsgesetz ; BeamtVGVwV: Allgemeinen Verwaltungsvorschriften zum Beamtenversorgungsgesetz ; BeamtVÜV: Verordnung über beamtenversorgungsrechtliche Übergangsregelungen nach Herstellung der Einheit Deutschlands ; Bearb.: Bearbeiter(in) ; beBPo: Besonderes elektronisches Behördenpostfach ; BeckOK: Beck´scher Online-Kommentar ; BeckRS: Beck-Rechtsprechung (Entscheidungssammlung in Beck-Online) ; BedGgstV: Bedarfsgegenständeverordnung ; beE: Betriebsorganisatorisch eigenständige Einheit ; BEEG: Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz ; BefBezG: Befriedungs-Bezirksgesetz (Gesetz über befriedete Bezirke für Verfassungsorgane des Bundes) ; BEG: Bundesgesetz zur Entschädigung für Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung (Bundesentschädigungsgesetz) ; BEGDV 1: Erste Verordnung zur Durchführung des Bundesentschädigungsgesetzes ; BEGDV 6: Sechste Verordnung zur Durchführung des Bundesentschädigungsgesetzes ; BEGebV: Verordnung über die Gebühren und Auslagen für Amtshandlungen der Eisenbahnverkehrsverwaltung des Bundes ; BEGTGP: Gesetz über die Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen ; BEHG: Bundesgesetz über die Börsen und den Effektenhandel oder Gesetz über einen nationalen Zertifikatehandel für Brennstoffemissionen (Brennstoffemissionshandelsgesetz) ; BehiG: Bundesgesetz über die Beseitigung von Benachteiligungen von Menschen mit Behinderungen, Behindertengleichstellungsgesetz (Schweiz) ; BehiV: Behindertengleichstellungsverordnung (Schweiz) ; BEHV: Verordnung zur Durchführung des Brennstoffemissionshandelsgesetzes (Brennstoffemissionshandelsverordnung) ; Beigel.: Beigeladene(r) ; BEinstG: Behinderteneinstellungsgesetz (Österreich) ; BeitrRLUmsG: Gesetz zur Umsetzung der Beitreibungsrichtlinie. sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften (Beitreibungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz) ; Bek. (BekM): Bekanntmachung ; BekanntmVO: Bekanntmachungsverordnung ; BeklV: Beklagtenvertreter(in) ; BelWertV: Beleihungswertermittlungsverordnung (Verordnung über die Ermittlung des Beleihungswertes von Grundstücken nach § 16 Abs. 1 und 2 des Pfandbriefgesetzes) ; BEM: Betriebliches Eingliederungsmanagement ; BEMA: Bewertungsmaßstab zahnärztlicher Leistungen ; BEMFV: Verordnung über das Nachweisverfahren zur Begrenzung elektromagnetischer Felder ; beN: besonderes elektronisches Notarpostfach ; BEPS: Base Erosion and Profit Shifting (dt.: Gewinnkürzung und Gewinnverlagerung) ; BEPSUmsG: Gesetz zur Umsetzung der Änderungen der EU-Amtshilferichtlinie und von weiteren Maßnahmen gegen Gewinnkürzungen und -verlagerungen ; Ber.: Berufung (Recht) oder Berichtigung ; BER: Bundeselternrat ; BerBiG (BBiG): Berufsbildungsgesetz (Deutschland) ; BerBiFG: Berufsbildungsförderungsgesetz ; BerBiRefG: Berufsbildungsreformgesetz (Gesetz zur Reform der beruflichen Bildung) ; BerGer.: Berufungsgericht ; BerGH: Berufungsgerichtshof ; BergPDV: Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über Bergmannsprämien ; BergPG: Bergmannsprämiengesetz (Gesetz über Bergmannsprämien) ; BerH: Beratungshilfe ; BerHG (BeratHiG): Beratungshilfegesetz (Gesetz über Rechtsberatung und Vertretung für Bürger mit geringem Einkommen) ; Berl.: Berlin, Berliner ; BerlÄrzteBl.: Berliner Ärzteblatt (Zeitschrift) ; BerlAVG: Berliner Ausschreibungs- und Vergabegesetz ; BerlinFG: Berlinförderungsgesetz ; BerlVerfGH: Berliner Verfassungsgerichtshof (siehe Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin) ; BerRehaG: Gesetz über den Ausgleich beruflicher Benachteiligungen für Opfer politischer Verfolgung im Beitrittsgebiet (Artikel 2 des Zweiten Gesetzes zur Bereinigung von SED-Unrecht) ; BErzGG: Bundeserziehungsgeldgesetz (aufgehoben; jetzt Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz – BEEG) ; BesBed.: Besondere Bedingungen ; BesBedPHV: Besonderen Bedingungen zur Privathaftpflichtversicherung ; Besch.: Beschuldigte(r) ; BeschA: Beschaffungsamt des BMI ; BeschFG: Beschäftigungsförderungsgesetz ; BeschG: Beschussgesetz (Gesetz über die Prüfung und Zulassung von Feuerwaffen, Böllern, Geräten, bei denen zum Antrieb Munition verwendet wird, sowie von Munition und sonstigen Waffen) ; BeschGebV: Verordnung über die Erhebung von Gebühren und Auslagen für die Inanspruchnahme der staatlichen bayerischen Beschussämter (Beschussgebührenverordnung Bayern) ; Beschl.: Beschluss (Gericht) oder Beschluss (EU) ; BeschSchG: Beschäftigtenschutzgesetz (Gesetz zum Schutz der Beschäftigten vor sexueller Belästigung am Arbeitsplatz; Artikel 10 des Gesetzes zur Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern), aufgehoben am 18. August 2006; siehe jetzt das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) ; BeschSiG: Gesetz zur Beschäftigungssicherung infolge der COVID-19-Pandemie (Beschäftigungssicherungsgesetz) ; BeschwGer.: Beschwerdegericht ; BeschussV: Beschussverordnung (Allgemeine Verordnung zum Beschussgesetz) ; BeschV: Beschäftigungsverordnung (Verordnung über die Beschäftigung von Ausländerinnen und Ausländern) ; BeschVerfV: Beschäftigungsverfahrensverordnung (Verordnung über das Verfahren und die Zulassung von im Inland lebenden Ausländern zur Ausübung einer Beschäftigung) ; Beschw.: Beschwerde (deutsches Recht), Beschwerde (schweizerisches Recht) ; BesGr: Besoldungsgruppe ; BesO: Besoldungsordnung (siehe u. a. Besoldungsordnung B) ; BeSoGeKo: Rat für Beschäftigung, Soziales, Gesundheit und Verbraucherschutz der EU (engl.: Employment, Social Policy, Health and Consumer Affairs Council – EPSCO) ; beSt: Besonderes elektronisches Steuerberaterpostfach ; BeSt: Beratersicht zur Steuerrechtsprechung ; BestG: Bestattungsgesetz (Landesgesetze; z. B. Gesetz über das Friedhofs- und Bestattungswesen NRW) ; BestüVAbfV: Verordnung zur Bestimmung von überwachungsbedürftigen Abfällen zur Verwertung ; BesÜV 2: Zweite Verordnung über besoldungsrechtliche Übergangsregelungen nach Herstellung der Einheit Deutschlands ; bestr.: bestritten ; Bet.: Beteiligte(r) ; BetmG: Betäubungsmittelgesetz (Schweiz) ; BetmKV: Betäubungsmittelkontrollverordnung (Schweiz) ; BetmSV: Verordnung vom 25. Mai 2011 über Betäubungsmittelsucht und andere suchtbedingte Störungen (Betäubungsmittelsuchtverordnung) (Schweiz) ; BetmVV-EDI: Verordnung des EDI vom 30. Mai 2011 über die Verzeichnisse der Betäubungsmittel, psychotropen Stoffe, Vorläuferstoffe und Hilfschemikalien (Betäubungsmittelverzeichnisverordnung) (Schweiz) ; betr.: betreffend oder betrieblich ; Betr.: Betroffene(r) oder Betrieb oder Betrag ; BetrAV: Betriebliche Altersversorgung ; BetrAVG: Betriebsrentengesetz (Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung) ; BetrInASG: Gesetz zur Regelung einer Inflationsausgleichs-Sonderzahlung für berufliche Betreuer, Betreuungsvereine und ehrenamtliche Betreuer (Betreuer-Inflationsausgleichs-Sonderzahlungsgesetz) ; BetrKV: Betriebskostenverordnung ; BetrPrämDurchfV: Betriebsprämiendurchführungsverordnung (Verordnung zur Durchführung der einheitlichen Betriebsprämie) ; BetrSichV: Betriebssicherheitsverordnung ; BetrVerf.: Betriebsverfassung ; BetrVG: Betriebsverfassungsgesetz ; BetrVG 1952: Betriebsverfassungsgesetz 1952 ; BetrVGDV1WO: Erste Verordnung zur Durchführung des Betriebsverfassungsgesetzes (Wahlordnung – WO); ebenso gebräuchlich sind die Abkürzungen WahlO und WO. ; BEU: Bundesstelle für Eisenbahnunfalluntersuchung ; BeurkG: Beurkundungsgesetz ; BEV: Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen (Österreich) oder Bundeseisenbahnvermögen ; BevStatG: Bevölkerungsstatistikgesetz ; BEVVG: Bundeseisenbahnverkehrsverwaltungsgesetz ; BEVO: Bargeldlos entrichtete Beiträge ; Bew.: Beweis oder Bewertung ; BewachV: Bewachungsverordnung ; BewachVwV: Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Vollzug des § 34a der Gewerbeordnung und zur Bewachungsverordnung ; BewÄndG: Bewertungsänderungsgesetz (Gesetz zur Änderung des Bewertungsgesetzes) ; BewDV: Durchführungsverordnung zum Bewertungsgesetz ; BewG: Bewertungsgesetz ; BewG§ 81DV: Verordnung zur Durchführung des § 81 des Bewertungsgesetzes ; BewG§ 90DV: Verordnung zur Durchführung des § 90 des Bewertungsgesetzes ; BewHi (BewH): Bewährungshilfe oder Bewährungshilfe. Fachzeitschrift für Bewährungs-, Gerichts- und Straffälligenhilfe. ; BewRGr: Richtlinien für die Bewertung des Grundvermögens ; BewRL: Bewertungs-Richtlinien für das land- und forstwirtschaftliche Vermögen ; BEZ: Bundesergänzungszuweisungen (siehe Länderfinanzausgleich Abschnitt Bundesergänzungszuweisungen (BEZ)) ; BezG: Bezirksgericht (Österreich), Bezirksgericht (Schweiz) ; BEZNG: Bundeseisenbahnneugliederungsgesetz ; BezO: Bezirksordnung ; BezReg: Bezirksregierung ; BezWahlG: Bezirkswahlgesetz ; Bf.: Beschwerdeführer(in) ; BF: Berufsfeuerwehr ; BfA: Bundesversicherungsanstalt für Angestellte ; BFA: Bundesfinanzakademie ; BfAA: Bundesamt für Auswärtige Angelegenheiten ; BfAAG: Gesetz über die Errichtung eines Bundesamts für Auswärtige Angelegenheiten ; bfai: Bundesagentur für Außenwirtschaft (abgelöst am 1. Januar 2009 durch die Germany Trade and Invest – Gesellschaft für Außenwirtschaft und Standortmarketing mbH) ; BfArM: Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte ; BfB: Bundesmonopolverwaltung für Branntwein (seit 2018 aufgelöst) ; BfB: Bundesfachstelle für Barrierefreiheit ; BfC: Bundesstelle für Chemikalien ; BfD: Beauftragter für Datenschutz oder Bundesfinanzdirektion ; BFD: Bundesfinanzdirektion oder Bundesfreiwilligendienst oder Berufsförderungsdienst der deutschen Bundeswehr ; BFDG: Gesetz über den Bundesfreiwilligendienst (kurz: Bundesfreiwilligendienstgesetz) ; BfdH: Beauftragter für den Haushalt ; BfDI: Bundesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit ; BFE: Bundesamt für Energie (Schweiz) oder Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit der Polizei (Deutschland) ; BfEL: Bundesforschungsanstalt für Ernährung und Lebensmittel (bis 31. Dezember 2007; siehe jetzt Max Rubner-Institut) ; BfF: Bundesamt für Finanzen oder Begutachtungsstelle für Fahreignung ; BfG: Bundesanstalt für Gewässerkunde ; BFG: Bundesfinanzgesetz (Österreich) oder Verwaltungsgericht des Bundes für Finanzen (kurz: Bundesfinanzgericht) (Österreich) ; BFH: Bundesfinanzhof oder Bundesforschungsanstalt für Forst- und Holzwirtschaft (aufgehoben; jetzt Johann Heinrich von Thünen-Institut (vTI) – Bundesforschungsinstitut für Ländliche Räume, Wald und Fischerei) ; BFHE: Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (amtliche Sammlung) ; BFH-EntlG: Bundesfinanzhof-Entlastungsgesetz (Gesetz zur Entlastung des Bundesfinanzhofs) ; BFH/NV: BFH/NV (Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofs) ; BfJ: Bundesamt für Justiz (Deutschland) ; BfkEG: Gesetz über die Errichtung eines Bundesamtes für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung ; BFKM: Bundesfach- und Koordinierungsstelle Männergewaltschutz ; BFM: Bundesamt für Migration (Schweiz) (franz. Office fédéral des migrations, ital. Ufficio federale della migrazione) ; BfN: Bundesamt für Naturschutz ; BfNatSchG: Gesetz über die Errichtung eines Bundesamtes für Naturschutz ; BfR: Bundesinstitut für Risikobewertung ; BfS: Bundesamt für Strahlenschutz oder Bekanntmachungen für Seefahrer ; BFS: Bundesanstalt für Flugsicherung ; BFSG: Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/882 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen (Barrierefreiheitsstärkungsgesetz) ; BFSGV: Verordnung über die Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen nach dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (Verordnung zum Barrierefreiheitsstärkungsgesetz) ; BFStrMG: Bundesfernstraßenmautgesetz ; BFU: Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung ; BFuP: Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis (Zeitschrift) ; BfV: Bundesamt für Verfassungsschutz ; BFW: Basisfallwert ; Bg.: Beschwerdegegner(in) ; BG: Berufsgenossenschaft oder Die Berufsgenossenschaft (Zeitschrift) oder Betriebsgefahr oder Bedarfsgemeinschaft oder Beamtengesetz (eines Bundeslandes) oder Berufungsgericht oder Bezirksgericht (Österreich; siehe Gerichtsorganisation in Österreich) ; BGA: Bundesgesundheitsamt ; BGB: Bürgerliches Gesetzbuch oder Bußgeldbescheid ; BG BAU: Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft ; BGB-InfoV: BGB-Informationspflichten-Verordnung ; BGBl.: Bundesgesetzblatt (Deutschland) oder Bundesgesetzblatt für die Republik Österreich oder Bundesgesetzblatt des Norddeutschen Bundes (1867–1871) oder Bundesgesetzblatt des Deutschen Bundes (1871) ; BGE: Bundesgerichtsentscheidungen ; BGebG: Gesetz über Gebühren und Auslagen des Bundes (Bundesgebührengesetz) ; BGer: Bundesgericht (Schweiz) (franz. Tribunal fédéral, ital. Tribunale federale, rät. Tribunal federal) ; BG ETEM: Berufsgenossenschaft Energie Textil Elektro Medienerzeugnisse ; BGF: Brutto-Grundfläche (siehe Grundfläche (Architektur)) ; BGG: Behindertengleichstellungsgesetz (Deutschland) oder Bundesgerichtsgesetz (Schweiz) oder Berufsgenossenschaftliche Grundsätze ; BGH: Bundesgerichtshof ; BGHM: Berufsgenossenschaft Holz und Metall ; BGHR: Rechtsprechung(sammlung) des BGH (BGHR) ; BGHSt: Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen (amtliche Sammlung) ; BGHW: Berufsgenossenschaft Handel und Warendistribution ; BGHZ: Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen (amtliche Sammlung) ; BGI: Berufsgenossenschaftliche Informationen ; BGJ: Berufsgrundbildungsjahr ; BGK-VO: Bezirksgendarmeriekommanden-Verordnung (Österreich) ; Bgld., bgld.: Burgenland, burgenländisch (Österreich) ; BGleiG: Gesetz für die Gleichstellung von Frauen und Männern in der Bundesverwaltung und in den Unternehmen und Gerichten des Bundes (Bundesgleichstellungsgesetz) ; BGlG: Gesetz über die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen (Liechtenstein) ; Bgm.: Bürgermeister ; BGM: Betriebliches Gesundheitsmanagement ; BGN: Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gastgewerbe ; BGÖ: Bundesgesetz über das Öffentlichkeitsprinzip der Verwaltung (Öffentlichkeitsgesetz) (Schweiz) ; BGR: Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe oder Berufsgenossenschaftliche Regeln ; BG RCI: Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie ; BGremBG: Gesetz über die Mitwirkung des Bundes an der Besetzung von Gremien (Bundesgremienbesetzungsgesetz) ; BG See: See-Berufsgenossenschaft (auch See-BG) ; BGSG: Bundesgrenzschutzgesetz (aufgehoben durch das Bundespolizeigesetz) ; BGStG: Bundesgesetz über die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen (Österreich) ; BGT: Betreuungsgerichtstag e. V. ; BG-V: Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen anlässlich eines Brennstoffwechsels wegen einer ernsten oder erheblichen Gasmangellage (Brennstoffwechsel-Gasmangellage-Verordnung) ; BGV: Berufsgenossenschaftliche Vorschriften ; BG Verkehr: Berufsgenossenschaft für Transport und Verkehrswirtschaft ; BgVV: Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin ; BGW: Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege oder Biologischer Grenzwert ; BH: Bezirkshauptmannschaft (Österreich) oder Bezirkshauptmann (Österreich) ; BHO: Bundeshaushaltsordnung ; BHV: Betriebshaftpflichtversicherung ; BhVO: Beihilfenverordnung ; BIA: Büro für Interne Angelegenheiten (Österreich) ; BIBB: Bundesinstitut für Berufsbildung ; BienSchV: Bienenschutzverordnung (Verordnung über die Anwendung bienengefährlicher Pflanzenschutzmittel) ; BienSeuchV: Bienenseuchen-Verordnung ; BierStG: Biersteuergesetz ; BierStV: Biersteuerverordnung (Verordnung zur Durchführung des Biersteuergesetzes) ; BierV: Bierverordnung ; BIFD: Bulletin for International Fiscal Documentation (Zeitschrift) ; BIH: Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen ; BildscharbV: Bildschirmarbeitsverordnung ; BilKoG: Bilanzkontrollgesetz (Gesetz zur Kontrolle von Unternehmensabschlüssen) ; BilMoG: Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts) ; BilReG: Bilanzrechtsreformgesetz (Gesetz zur Einführung internationaler Rechnungslegungsstandards und zur Sicherung der Qualität der Abschlussprüfung) ; BilRUG: Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz ; BImA: Bundesanstalt für Immobilienaufgaben ; BImAG: Gesetz über die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben ; BIMCO: Baltic and International Maritime Conference ; BImSchG: Bundes-Immissionsschutzgesetz ; BImSchV: Bundes-Immissionsschutzverordnung ; BinSchAbgasV: Verordnung über die Begrenzung von Abgasemissionen aus Dieselmotoren in der Binnenschifffahrt (Binnenschiffs-Abgasemissionsverordnung) ; BinSchArbZV: Binnenschifffahrts-Arbeitszeitverordnung ; BinSchAufgG: Gesetz über die Aufgaben des Bundes auf dem Gebiet der Binnenschifffahrt (Binnenschifffahrtsaufgabengesetz) ; BinSchEO: Verordnung über die Eichung von Binnenschiffen (Binnenschiffseichordnung) ; BinSchG: Binnenschiffahrtsgesetz ; BinSchGerG: Gesetz über das gerichtliche Verfahren in Binnenschifffahrtssachen ; BinSchKostV: Kostenverordnung der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung auf dem Gebiet der Binnenschifffahrt (Binnenschifffahrtskostenverordnung) ; BinSchLV: Verordnung über die Lade- und Löschzeiten sowie das Liegegeld in der Binnenschifffahrt (siehe Lade- und Löschzeitenverordnung) ; BinSchPatentV: Verordnung über Befähigungszeugnisse in der Binnenschiffahrt (Binnenschifferpatentverordnung) ; BinSchPersV: Verordnung über die Besatzung und über die Befähigungen der Besatzung von Fahrzeugen in der Binnenschifffahrt (Binnenschiffspersonalverordnung) ; BinSch-SportbootVermV: Verordnung über die gewerbsmäßige Vermietung von Sportbooten sowie deren Benutzung auf den Binnenschifffahrtsstraßen (Binnenschifffahrt-Sportbootvermietungsverordnung) ; BinSchStrO: Binnenschifffahrtsstraßen-Ordnung ; BinSchUO: Verordnung über die Schiffssicherheit in der Binnenschifffahrt (Binnenschifffahrts-Untersuchungsordnung) ; BinSchVfG: Gesetz über das gerichtliche Verfahren in Binnenschifffahrtssachen (siehe Schifffahrtsgericht) ; BioAbfV: Verordnung über die Verwertung von Bioabfällen auf Böden (Bioabfallverordnung) ; Biokraft-NachV: Verordnung über Anforderungen an eine nachhaltige Herstellung von Biokraftstoffen (Biokraftstoff-Nachhaltigkeitsverordnung) ; BioKraftQuG: Gesetz zur Einführung einer Biokraftstoffquote durch Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und zur Änderung energie- und stromsteuerrechtlicher Vorschriften (Biokraftstoffquotengesetz) ; BiomasseV: Biomasseverordnung (Verordnung über die Erzeugung von Strom aus Biomasse) ; BioMatHintV: Verordnung über die Hinterlegung von biologischem Material in Patent- und Gebrauchsmusterverfahren (Biomaterial-Hinterlegungsverordnung) ; BioNachGebV: Verordnung über Gebühren für Amtshandlungen der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung nach der Biomassestrom-Nachhaltigkeitsverordnung und der Biokraftstoff-Nachhaltigkeitsverordnung (Biomassestrom- sowie Biokraftstoff-Nachhaltigkeitsgebührenverordnung) ; BioSt-NachV: Biomassestrom-Nachhaltigkeitsverordnung ; BioStoffV: Biostoffverordnung (Verordnung über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen) ; BioSt-NachV: Verordnung über Anforderungen an eine nachhaltige Herstellung von flüssiger Biomasse zur Stromerzeugung (Biomassestrom-Nachhaltigkeitsverordnung) ; BiozidprodukteG: Bundesgesetz zur Durchführung der Biozidprodukteverordnung (Biozidproduktegesetz) (Österreich) ; BIP: Bruttoinlandsprodukt (engl.: Gross domestic product – GDP) ; BiRiLiG: Bilanzrichtliniengesetz (Gesetz zur Durchführung der Vierten, Siebenten und Achten Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts) ; BIRL: Beteiligungsinformations-Richtlinie (Richtlinie 88/627/EWG […] über die bei Erwerb und Veräußerung einer bedeutenden Beteiligung an einer börsennotierten Gesellschaft zu veröffentlichenden Informationen) ; BismStiftG: Gesetz über die Errichtung einer Otto-von-Bismarck-Stiftung ; BIT: Bundesamt für Informatik und Telekommunikation (Schweiz) (franz. Office fédéral de l’informatique et de la télécommunication, ital. Ufficio federale dell’informatica e della telecomunicazione) oder Bundesstelle für Informationstechnik oder Investitionsschutzabkommen (engl.: Bilateral Investment Treaties – BIT) ; BITV: Verordnung zur Schaffung barrierefreier Informationstechnik nach dem Behindertengleichstellungsgesetz (siehe Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung) ; BIZ: Berufsinformationszentrum oder Bank für Internationalen Zahlungsausgleich ; BJ: Bundesamt für Justiz (Schweiz) oder Betrifft Justiz (Zeitschrift) ; BJagdG: Bundesjagdgesetz ; BJagdGÄndG: Gesetz zur Änderung des Bundesjagdgesetzes ; BK: Bundeskanzler oder Bundeskanzleramt (Deutschland) oder Bundeskriminalamt (Österreich) oder Betriebskosten oder Betriebskosten (Immobilien) oder Bonner/Berliner Kommentar oder Berufskrankheit oder Schweizerische Bundeskanzlei (französisch Chancellerie fédérale, italienisch Cancelleria federale, rätoromanisch Chanzlia federala) oder Berufskolleg ; BKA: Bundeskriminalamt (Deutschland) oder Bundeskanzleramt (Österreich) ; BKADV: Verordnung über die Art der Daten, die nach den §§ 8 und 9 des Bundeskriminalamtgesetzes gespeichert werden dürfen ; BKAG: Bundeskriminalamtgesetz (Gesetz über das Bundeskriminalamt und die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in kriminalpolizeilichen Angelegenheiten) ; BKAmt: Bundeskanzleramt (Deutschland) ; BKartA: Bundeskartellamt ; BKATerrAbwG: Gesetz zur Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus durch das Bundeskriminalamt ; BKatV: Bußgeldkatalog-Verordnung (Verordnung über die Erteilung einer Verwarnung, Regelsätze für Geldbußen und die Anordnung eines Fahrverbots wegen Ordnungswidrigkeiten im Straßenverkehr) (siehe Bußgeldkatalog) ; BKG: Brand- und Katastrophenschutzgesetz (mehrerer Bundesländer, u. a. Rheinland-Pfalz) ; BKGG: Bundeskindergeldgesetz (Artikel 2 des Jahressteuergesetzes 1996) ; BKiSchG: Bundeskinderschutzgesetz ; B-KJHG: Bundes-Kinder- und Jugendhilfegesetz (Österreich) ; BKK: Betriebskrankenkasse oder Die Betriebskrankenkasse (Zeitschrift) ; BKleingG: Bundeskleingartengesetz ; BKM: Beauftragter der Bundesregierung für Kultur und Medien ; BKnEG: Gesetz zur Errichtung der Bundesknappschaft ; BKomBesV: Bundes-Kommunalbesoldungsverordnung ; BKompV: Verordnung über die Vermeidung und die Kompensation von Eingriffen in Natur und Landschaft im Zuständigkeitsbereich der Bundesverwaltung ; BKOrgErl: Organisationserlass des Bundeskanzlers ; BKR: Zeitschrift für Bank- und Kapitalmarktrecht oder Bundeskrebsregister (siehe Krebsregister) ; BKRG: Bundeskrebsregisterdatengesetz ; BKrFQG: Berufskraftfahrerqualifikationsgesetz ; BKrFQV: Berufskraftfahrerqualifikationsverordnung; ; BKRG: Bundeskrebsregisterdatengesetz (siehe Krebsregister) ; B-KUVG: Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz (Österreich) ; BKV: Berufskrankheiten-Verordnung oder Betriebskollektivvertrag (DDR) oder Verordnung über die Berufsausbildung zum Berufskraftfahrer/zur Berufskraftfahrerin ; B/L: Bill of Lading (siehe Konnossement) ; BlauSchimmelV: Verordnungen zur Bekämpfung der Blauschimmelkrankheit des Tabaks ; BlauzungenV: Verordnung zum Schutz gegen die Blauzungenkrankheit vom 22. März 2002 ; BLBV: Verordnung des Bundes über leistungsbezogene Besoldungsinstrumente ; BLE: Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung ; BLEG: Gesetz über die Errichtung einer Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung ; BLES: Satzung der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung ; BLG: Bundesleistungsgesetz ; BLGABV: Verordnung über Anforderungsbehörden und Bedarfsträger nach dem Bundesleistungsgesetz ; BlGBW: Blätter für Grundstücks-, Bau- und Wohnungswesen (Zeitschrift) ; BlindKennzV: Verordnung über die Kennzeichnung von Arzneimitteln in Blindenschrift bei Kleinstmengen ; BLJ: Bucerius Law Journal (Zeitschrift) ; BLK: Bund-Länder-Kommission (z. B. Bund-Länder-Kommission für Datenverarbeitung und Rationalisierung in der Justiz oder Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung) ; BLL: Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahrereignung ; BLM: Bayerische Landeszentrale für neue Medien ; BlPMZ: Blatt für Patent-, Muster- und Zeichenwesen ; BLRG: Bundesgesetz über das Verbrennen von Materialien außerhalb von Anlagen (Bundesluftreinhaltegesetz) (Österreich) ; BlStSozArbR: Blätter für Steuerrecht, Sozialversicherung und Arbeitsrecht (Zeitschrift) ; BlutArmV 2010: Verordnung zum Schutz gegen die Ansteckende Blutarmut der Einhufer ; BlutZV: Verordnung zur Ausdehnung der Vorschriften über die staatliche Chargenprüfung auf Blutzubereitungen (Artikel 1 der Verordnung über die Einführung der staatlichen Chargenprüfung bei Blutzubereitungen) ; BLV: Bundeslaufbahnverordnung (Verordnung über die Laufbahnen der Bundesbeamten 1978) oder Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (Schweiz) (französisch: Office fédéral de la sécurité alimentaire et des affaires vétérinaires (OSAV), italienisch: Ufficio federale della sicurezza alimentare e di veterinaria (USAV), rätoromanisch: Uffizi federal da segirezza alimentara e fatgs veterinars (USAV)) ; BLW: Bundesamt für Landwirtschaft (Schweiz) (franz. Office fédéral de l’agriculture OFAG, ital. Ufficio federale dell’agricoltura UFAG) ; BM: Bundesministerium (Deutschland) oder Bundesministerium (Österreich) oder Bundesminister (Deutschland) oder Bundesminister (Österreich) oder Bürgermeister ; BMAS: Bundesministerium für Arbeit und Soziales ; BMASBGebV: Besondere Gebührenverordnung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales für individuell zurechenbare öffentliche Leistungen in dessen Zuständigkeitsbereich ; BMASK: Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz (Österreich) ; BmAusV: Verordnung über die Berufsausbildung zum Bogenmacher und zur Bogenmacherin ; BMDV: Bundesministerium für Digitales und Verkehr ; BMDV-WS-BesGebV: Besondere Gebührenverordnung des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr für individuell zurechenbare öffentliche Leistungen im Zusammenhang mit der Verwaltung der Wasserstraßen und der Schifffahrtsverwaltung (BMDV-Wasserstraßen und Schifffahrt Besondere Gebührenverordnung) ; BMEIA: Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (Österreich) ; BMeldDigiV: Verordnung zur Bestimmung von Inhalt, Form und Verfahren von Datenübermittlungen zwischen Meldebehörden und einem Verwaltungsportal zur Erbringung von digitalen Verwaltungsleistungen (Bundesmeldedatendigitalisierungsverordnung) ; BMeldDÜV: Bundesmeldedatenübermittlungsverordnung ; BMEL: Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft ; BMeldDAV: Verordnung zu Voraussetzungen von automatisierten Meldedatenabrufen durch Behörden oder sonstige öffentliche Stellen des Bundes und der Länder ; BMeldDigiV: Verordnung zur Bestimmung von Inhalt, Form und Verfahren von Datenübermittlungen zwischen Meldebehörden und einem Verwaltungsportal zur Erbringung von digitalen Verwaltungsleistungen ; BMF: Bundesministerium der Finanzen (Deutschland) oder Bundesministerium für Finanzen (Österreich) ; BMFSFJ: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend ; BMG: Bundesministerium für Gesundheit (Deutschland) oder Bundesministerium für Gesundheit (Österreich) oder Bundesmeldegesetz (Deutschland) ; BMGVwV: Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Durchführung des Bundesmeldegesetzes ; BMI: Bundesministerium des Innern (Deutschland) oder Bundesministerium für Inneres (Österreich) ; BMin: Bundesminister (Deutschland) oder Bundesminister (Österreich) ; BMinG: Bundesministergesetz ; BMJ: Bundesministerium für Justiz (Österreich) ; BMJV: Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (Deutschland) ; BMKÖS: Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport (Österreich) ; BMK: Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (Österreich) oder Bauministerkonferenz ; BMLFUW: Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (auch oder Lebensministerium genannt) (Österreich) ; BMLVS: Bundesministerium für Landesverteidigung und Sport (Österreich) ; BMPT: Bundesministerium für Post und Telekommunikation (aufgelöst 1998) ; BMS: Bedarfsorientierte Mindestsicherung (Österreich) ; BMSGPK: Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (Österreich) ; BMSK: Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz (Österreich) (siehe Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen) ; BMT: Bundesmanteltarifvertrag ; BmTierSSchV: Verordnung über das innergemeinschaftliche Verbringen sowie die Einfuhr und Durchfuhr von Tieren und Waren (Binnenmarkt-Tierseuchenschutzverordnung) ; BMT-G: Bundesmanteltarifvertrag für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe ; BMUBGebV: Besondere Gebührenverordnung des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit für individuell zurechenbare öffentliche Leistungen in dessen Zuständigkeitsbereich (Besondere Gebührenverordnung BMU) ; BMUB: Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit ; BMUKK: Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur (Österreich, Vorgänger zum Bundesministerium für Bildung und Frauen) ; BMUV: Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz ; BMV: Bundesmantelvertrag oder Besitzmittlungsverhältnis ; BMV-Ä: Bundesmantelvertrag – Ärzte ; BMVergV: Verordnung über die Gewährung von Mehrarbeitsvergütung für Beamtinnen und Beamte des Bundes (Bundesmehrarbeitsvergütungsverordnung) ; BMVg: Bundesministerium der Verteidigung ; BMVG: Betriebliches Mitarbeitervorsorgegesetz (Österreich, seit dem 1. Juli 2002) ; BMVgVFAPrV: Verordnung für die Durchführung der Abschlussprüfung im staatlich anerkannten Ausbildungsberuf Verwaltungsfachangestellte und Verwaltungsfachangestellter – Fachrichtung Bundesverwaltung – im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung (BMVg-Verwaltungsfachangestelltenprüfungsverordnung) ; BMVI: Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur ; BMVIT: Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (Österreich) ; BMWA: Bundesministerium für Wirtschaft und Energie bis 2005 oder Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten (Österreich) 1987–2000 oder Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit (Österreich) 2000–2009 ; BMWF: Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung (Österreich) ; BMWFW: Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft (Österreich) ; BMWi: Bundesministerium für Wirtschaft und Energie ; BMWK: Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz ; BMWSB: Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen ; BMZ: Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung oder Baumassenzahl (siehe Abschnitt Baumassenzahl in Maße der baulichen Nutzung) oder Brandmelderzentrale ; BNatSchG: Bundesnaturschutzgesetz (Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege) ; BNatSchNeuregG: Gesetz zur Neuregelung des Rechts des Naturschutzes und der Landespflege und zur Anpassung anderer Rechtsvorschriften ; BND: Bundesnachrichtendienst ; BNDG: Gesetz über den Bundesnachrichtendienst ; BNE: Bruttonationaleinkommen (bis 1999 auch Bruttosozialprodukt (BSP); englisch Gross National Product (GNP) bzw. Gross National Income (GNI)) ; BNetzA: Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen, kurz Bundesnetzagentur ; BNichtrSchG: Bundesnichtraucherschutzgesetz (Gesetz zur Einführung eines Rauchverbotes in Einrichtungen des Bundes und öffentlichen Verkehrsmitteln) ; BNotK: Bundesnotarkammer ; BNotO: Bundesnotarordnung ; BNV: Bundesnebentätigkeitsverordnung (Verordnung über die Nebentätigkeit der Bundesbeamten, Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit) ; BO: Berufsordnung oder Bauordnung oder Betriebsordnung oder Bauordnungen (der österreichischen Bundesländer) ; BOA: Verordnung über den Bau und Betrieb von Anschlussbahnen ; BodenlAusbV: Verordnung über die Berufsausbildung zum Bodenleger/zur Bodenlegerin ; BodenseeSchO: Bodenseeschifffahrtsverordnung (Verordnung über die Schifffahrt auf dem Bodensee) ; BodSchätzG: Gesetz zur Schätzung des landwirtschaftlichen Kulturbodens (Bodenschätzungsgesetz) ; BodSchätzDV: Verordnung zur Durchführung des § 6 Absatz 3 des Bodenschätzungsgesetzes ; BodSchätzOffVO: Verordnung über die Offenlegung der Ergebnisse der Bodenschätzung ; BodSchVereinhG: Gesetz zur Vereinheitlichung der Rechtsverhältnisse bei Bodenschätzen ; BodSeeSchÜbk: Übereinkommen über die Schifffahrt auf dem Bodensee ; BodSeeSchÜbkZProt: Zusatzprotokoll zu dem Übereinkommen über die Schifffahrt auf dem Bodensee vom 1. Juni 1973 ; BodVerkFKrV: Verordnung über den anerkannten Umschulungsabschluss Geprüfte Fachkraft Bodenverkehrsdienst im Luftverkehr ; BörseG 2018: Bundesgesetz über die Wertpapier- und allgemeinen Warenbörsen 2018 (Börsegesetz 2018) (Österreich) ; BörsG: Börsengesetz (Deutschland) ; BörsZulV: Verordnung über die Zulassung von Wertpapieren zur amtlichen Notierung an einer Wertpapierbörse (Börsenzulassungs-Verordnung) ; BöttchAusbV: Verordnung über die Berufsausbildung zum Böttcher und zur Böttcherin ; BöttchMstrV: Verordnung über die Meisterprüfung in den Teilen I und II im Böttcher-Handwerk (Böttchermeisterverordnung) ; BogMstrV: Verordnung über das Berufsbild und über die Prüfungsanforderungen im praktischen und im fachtheoretischen Teil der Meisterprüfung für das Bogenmacher-Handwerk ; BOKraft: Verordnung über den Betrieb von Kraftfahrunternehmen im Personenverkehr ; BO P: Bau- und Betriebsordnung für Pioniereisenbahnen ; BootsbAusbV 2011: Verordnung über die Berufsausbildung zum Bootsbauer und zur Bootsbauerin ; BootsbMstrV: Verordnung über die Meisterprüfung in den Teilen I und II im Boots- und Schiffbauer-Handwerk ; BOP: Bau- und Betriebsordnung für Pioniereisenbahnen ; BOPST: Bundesopiumstelle ; BORA: Berufsordnung für Rechtsanwälte ; BORS: Behörden und Organisationen für Rettung und Sicherheit (Schweiz) ; BOS: Berufsoberschule oder Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben ; BOSAAnO: Verwaltungsanordnung über die Einrichtung des Bundesoberseeamts ; BoSoG: Gesetz über die Sonderung unvermessener und überbauter Grundstücke nach der Karte ; BOStB: Berufsordnung für Steuerberater ; BOStrab: Straßenbahn-Bau- und Betriebsordnung ; b + p: Betrieb und Personal (Zeitschrift) ; BPA: Bereitschaftspolizeiabteilung (siehe Bayerische Bereitschaftspolizei) ; BPädFortbV: Verordnung über die Prüfung zum anerkannten Fortbildungsabschluss Geprüfter Berufspädagoge/Geprüfte Berufspädagogin ; BPatG: Bundespatentgericht ; BPD: Bundespolizeidirektion (Österreich) ; BPersVG: Bundespersonalvertretungsgesetz ; BPersVWO: Wahlordnung zum Bundespersonalvertretungsgesetz ; BPflVO (BPflV): Verordnung zur Regelung der Krankenhauspflegesätze (Bundespflegesatzverordnung) ; BPG: Betriebspensionsgesetz (siehe Pensionskasse#Österreich) ; BPGer: Bundespatentgericht (Schweiz) (BPGer; franz. Tribunal fédéral des brevets, ital. Tribunale federale dei brevetti) ; BPjM: Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (inzwischen unbenannt in Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz – BzKJ) ; BPjS: Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften (bis 2003; danach bis 2021: Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien; inzwischen: Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz – BzKJ) ; BPK: Bezirkspolizeikommando (Österreich) ; B-Plan: Bebauungsplan (Deutschland) oder Bebauungsplan (Österreich) ; BpO (manchmal auch „BPO“): Betriebsprüfungsordnung ; BPOL: Bundespolizei (Deutschland) ; BPOLAK: Bundespolizeiakademie ; BPolBG: Bundespolizeibeamtengesetz ; BPOLD: Bundespolizeidirektion(en) ; BPOLI: Bundespolizeiinspektion(en) ; BPOLIKB: Bundespolizeiinspektionen Kriminalitätsbekämpfung ; BPolG: Bundespolizeigesetz ; BPolHfV: Verordnung über die Gewährung von Heilfürsorge für Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamte in der Bundespolizei (Bundespolizei-Heilfürsorgeverordnung) ; BPolLV: Bundespolizei-Laufbahnverordnung (Verordnung über die Laufbahnen der Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamten in der Bundespolizei) ; BPOLR: Bundespolizeirevier(e) ; BPolRZustAnO: Anordnung über die Übertragung von Zuständigkeiten auf dem Gebiet der Rechtsverhältnisse der Polizeivollzugsbeamten des Bundes ; BPolZollV: Verordnung über die Übertragung von Bundespolizeiaufgaben auf die Zollverwaltung ; BPolZV: Bundespolizei-Zuständigkeitsverordnung (Verordnung über die Zuständigkeit der Bundespolizeibehörden) ; BPR: Bauproduktenrichtlinie der EU ; BPrA: Bundespräsidialamt ; BPräs.: Bundespräsident (Deutschland) oder Bundespräsident (Österreich) oder Bundespräsident (Schweiz) ; BPräsAmtsbezAnO: Anordnung des Bundespräsidenten über die Festsetzung von Amtsbezeichnungen ; BPräsWahlG: Gesetz über die Wahl des Bundespräsidenten durch die Bundesversammlung ; BPrBindG: Buchpreisbindungsgesetz (Gesetz über die Preisbindung für Bücher) ; BPRL: Börsenprospekt-Richtlinie (Richtlinie 80/390/EWG […] zur Koordinierung der Bedingungen für die Erstellung, die Kontrolle und die Verbreitung des Prospekts, der für die Zulassung von Wertpapieren zur amtlichen Notierung an einer Wertpapierbörse zu veröffentlichen ist) ; BPÜ: Bedarfsplanüberprüfung ; BPUVZ: Betriebliche Prävention und Unfallversicherung ; BPV: Bundespersonalverordnung (Schweiz) ; BQFG: Gesetz über die Feststellung der Gleichwertigkeit von Berufsqualifikationen (Berufsqualifikationsfeststellungsgesetz) ; BQG: Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft ; br: Behindertenrecht. Fachzeitschrift für Fragen der Rehabilitation (Zeitschrift) ; BR: Bundesrat (Deutschland) oder Bundesrat (Österreich) oder Bundesrat (Schweiz) oder Betriebsrat ; BRAGO: Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung, ab 1. Juli 2004: Rechtsanwaltsvergütungsgesetz ; BRAK: Bundesrechtsanwaltskammer ; BRAK-Mitt.: Mitteilungen der Bundesrechtsanwaltskammer (siehe BRAK-Mitteilungen) ; BranntwMonG: Branntweinmonopolgesetz (Gesetz über das Branntweinmonopol) [außer Kraft seit dem 1. Januar 2018, abgelöst durch Teile des Alkoholsteuergesetzes (AlkStG)] ; BranntwMonVwG: Gesetz über die Errichtung der Bundesmonopolverwaltung für Branntwein ; BranntwStV: Branntweinsteuerverordnung (siehe Branntweinsteuer) ; BRAO: Bundesrechtsanwaltsordnung ; BRat: Bundesrat(Deutschland) oder Bundesrat (Österreich) oder Bundesrat (Schweiz) (auch BR) ; BrauMäAusbV: Verordnung über die Berufsausbildung zum Brauer und Mälzer und zur Brauerin und Mälzerin ; BrauMMstrV: Verordnung über das Berufsbild und über die Prüfungsanforderungen im praktischen und im fachtheoretischen Teil der Meisterprüfung für das Brauer- und Mälzer-Handwerk ; BrbMstrV: Verordnung über das Meisterprüfungsberufsbild und über die Prüfungsanforderungen in den Teilen I und II der Meisterprüfung im Brunnenbauer-Handwerk ; BrBp: Baurecht und Baupraxis (Zeitschrift) ; BR-Dr. (BR-Drs.): Bundesrats-Drucksache ; BReg: Bundesregierung ; Brem. (brem.): Bremen, bremische ; BremGBl.: Gesetzblatt (Bremen) ; BremHilfsG: Bremisches Hilfeleistungsgesetz ; BReModG: Betriebsrätemodernisierungsgesetz ; BrennAusbV: Verordnung über die Berufsausbildung zum Brenner/zur Brennerin ; BrennMstrPrV: Verordnung über die Anforderungen in der Meisterprüfung für den Beruf Brenner/Brennerin im landwirtschaftlichen Bereich ; BrennO: Brennereiordnung (Anlage zur Branntweinmonopolverordnung) ; BRep: Bundesrepublik ; BrexitSozSichÜG: Gesetz zu Übergangsregelungen im Bereich der sozialen Sicherheit und in weiteren Bereichen nach dem Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union ; BrexitÜG: Gesetz für den Übergangszeitraum nach dem Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union ; BRF-V: Betriebsratsfonds-Verordnung (Österreich) ; BRGO: Betriebsrats-Geschäftsordnung (Österreich) oder Geschäftsordnung des Bundesrates ; BRH: Bundesrechnungshof ; BRHG: Gesetz über den Bundesrechnungshof ; BriefArbbV: Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen für die Branche Briefdienstleistungen (auch „Postmindestlohnverordnung“ genannt) ; br-info: Betreuungsrechtliche Informationen (Zeitschrift) ; BRiNV: Verordnung über die Nebentätigkeit der Richter im Bundesdienst ; BRJ: Bonner Rechtsjournal (Zeitschrift) ; BRK: Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (kurz: Behindertenrechtskonvention – BRK) ; BRKG: Bundesreisekostengesetz ; BrKrFrühErkV: Verordnung über die Zulässigkeit der Anwendung von Röntgenstrahlung zur Früherkennung von Brustkrebs bei Frauen ; BRKVwV: Allgemeine Verwaltungsvorschriften zum Bundesreisekostengesetz ; BRKG§ 6Abs2V: Wegstreckenentschädigung-Verordnung (Verordnung über die Wegstreckenentschädigung bei der Benutzung eines Kraftfahrzeugs, das ein Dienstreisender mit schriftlicher Anerkennung der Behörde im überwiegenden dienstlichen Interesse hält) ; BrMV: Branntweinmonopolverordnung ; BRPHV: Verordnung über die Raumordnung im Bund für einen länderübergreifenden Hochwasserschutz ; BRPHVAnl: Länderübergreifender Raumordnungsplan für den Hochwasserschutz (Anlage zur Verordnung über die Raumordnung im Bund für einen länderübergreifenden Hochwasserschutz) ; BR-Prot.: Bundesrats-Protokolle ; BRRG: Beamtenrechtsrahmengesetz ; BRRL: Bodenrahmenrichtlinie ; BRS: Baurechtssammlung oder Informationsdienst Öffentliches Baurecht (Zeitschrift) ; BrStV: Branntweinsteuerverordnung (siehe Branntweinsteuer) ; BrucelloseV: Verordnung zum Schutz gegen die Brucellose der Rinder, Schweine, Schafe und Ziegen ; BRüG: Bundesgesetz zur Regelung der rückerstattungsrechtlichen Geldverbindlichkeiten des Deutschen Reichs und gleichgestellter Rechtsträger ; BRüG-Saar: Bundesgesetz zur Einführung des Bundesgesetzes zur Regelung der rückerstattungsrechtlichen Geldverbindlichkeiten des Deutschen Reichs und gleichgestellter Rechtsträger (Bundesrückerstattungsgesetz – BRüG) im Saarland ; Brüssel I-VO: Verordnung (EG) Nr. 44/2001 (Brüssel I)|Verordnung (EG) Nr. 44/2001 […] über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ; BRuR: Betriebsrat und Recht (Zeitschrift) ; BruteiKennzV: Verordnung über Vermarktungsnormen für Bruteier und Küken von Hausgeflügel ; BRWO: Betriebsrats-Wahlordnung (Österreich) ; BS: Benannte Stelle ; BSA: Bundessortenamt ; BSAVfV: Bundessortenamt-Verfahrensverordnung (Verordnung über Verfahren vor dem Bundessortenamt) ; BSchEG: Bauarbeiter-Schlechtwetter-Entschädigungsgesetz (Österreich) ; BSchG: Beschussgesetz (Österreich) ; BSchuWG: Gesetz zur Regelung des Schuldenwesens des Bundes ; BSchuWV: Verordnung zur Übertragung von Aufgaben nach dem Bundesschuldenwesengesetz ; BSchV: Verordnung der Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort über die Erprobung von Handfeuerwaffen 2013 (Beschussverordnung 2013 (Österreich)) ; BSchwAG: Gesetz über den Ausbau der Schienenwege des Bundes (Bundesschienenwegeausbaugesetz) ; BSEUntersV: BSE-Untersuchungsverordnung ; BSEV 2000: Verordnung über fleischhygienische Schutzmaßnahmen gegen die Bovine Spongiforme Enzephalopathie ; BSEVorsorgV: BSE-Vorsorgeverordnung ; BSFZ: Bescheinigungsstelle Forschungszulage ; BSG: Bundessozialgericht ; BsGaV: Betriebsstättengewinnaufteilungsverordnung ; BSGE: Entscheidungen des Bundessozialgerichts (amtliche Sammlung) ; BSG 1999: Beitragssatzgesetz 1999 (Gesetz zur Bestimmung der Beitragssätze in der gesetzlichen Rentenversicherung für 1999 und zur Bestimmung weiterer Rechengrößen der Sozialversicherung für 1999) ; BSH: Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie ; BSHG: Bundessozialhilfegesetz ; BSHGGrbBGV 8: Achte Verordnung zur Neufestsetzung von Geldleistungen und Grundbeträgen nach dem Bundessozialhilfegesetz in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet ; BSI: Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik ; BSI-KostV: BSI-Kostenverordnung (Kostenverordnung für Amtshandlungen des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik) ; BSI-KritisV: Verordnung zur Bestimmung Kritischer Infrastrukturen nach dem BSI-Gesetz (BSI-Kritisverordnung) ; BSIG: Gesetz über das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI-Gesetz) ; BSK: Bundesfachgruppe Schwertransporte und Kranarbeiten ; BSNR: Betriebsstättennummer ; BSO: Bodensee-Schifffahrts-Ordnung ; BSozG (BSG): Bundessozialgericht ; BSP: Bruttosozialprodukt (siehe nun Bruttonationaleinkommen – (BNE)) oder Bodenseeschifferpatent ; BSpkG: Gesetz über Bausparkassen (Bausparkassengesetz) ; BSprA: Bundessprachenamt ; BStBK: Bundessteuerberaterkammer ; BSSP: Bodenseeschifferpatent ; BSt: Bestimmte Stelle ; BStatG 1987: Bundesstatistikgesetz ; BStBl: Bundessteuerblatt ; BStMG: Bundesgesetz über die Mauteinhebung auf Bundesstraßen (Bundesstraßen-Mautgesetz 2002) (Österreich) ; BStrMKnotV: Verordnung zur Festlegung abweichender Maut-Knotenpunkte für Bundesstraßen (Bundesstraßenmaut-Knotenpunkteverordnung) ; BStU: Bundesbeauftragter für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (kurz: Bundesbeauftragter für die Stasi-Unterlagen) ; BSU: Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung ; BSV: Verordnung über die Schifffahrt auf schweizerischen Gewässern (kurz: Binnenschifffahrtsverordnung) ; BSVG: Bauern-Sozialversicherungsgesetz (Österreich) ; BSWAG: Gesetz über den Ausbau der Schienenwege des Bundes (Bundesschienenwegeausbaugesetz) ; BSZG: Bundessonderzahlungsgesetz ; BT: Bundestag oder Besonderer Teil (z. B. StGB -§§ 80 ff. StGB-) oder Betriebsteil ; BTÄO: Bundes-Tierärzteordnung ; BtBG: Betreuungsbehördengesetz ; BT-Drs. (BT-Dr.): Bundestagsdrucksache ; BtG: Betreuungsgesetz oder Betreuungsgericht ; BTHG: Gesetz zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz) ; BTHO: Hausordnung des Deutschen Bundestages ; BtMan: Betreuungsmanagement (Fachzeitschrift) ; BtMAHV: Betäubungsmittel-Außenhandelsverordnung ; BtMBinHV: Betäubungsmittel-Binnenhandelsverordnung ; BtMG: Betäubungsmittelgesetz ; BtMKostV: Betäubungsmittel-Kostenverordnung ; BtMVV: Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung ; BTO: Bundestarifordnung ; BTOEltV: Bundestarifordnung Elektrizität ; BtOG: Betreuungsorganisationsgesetz ; BtPlus: Zeitschrift für professionelle Betreuungsarbeit ; BtPrax: Betreuungsrechtliche Praxis (Zeitschrift) ; BtR: Betreuungsrecht oder Betreuungsrecht aktuell für Berufsbetreuerinnen und Berufsbetreuer (Zeitschrift) ; BtRegV: Verordnung über die Registrierung von beruflichen Betreuern (Betreuerregistrierungsverordnung) ; BU: Berufsunfähigkeit ; BUAG: Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz (Österreich) ; BuchPrG: Buchpreisbindungsgesetz ; BÜ: Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst ; BüG: Bürgerrechtsgesetz (Schweiz) ; BÜPF: Schweizer Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs ; BürgEnG: Gesetz über die Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern sowie Gemeinden an der Windenergienutzung in Nordrhein-Westfalen (Bürgerenergiegesetz NRW) ; Büro: Das juristische Büro (Zeitschrift) ; BüroMKfAusbV: Verordnung über die Berufsausbildung zum Kaufmann für Büromanagement und zur Kauffrau für Büromanagement (Büromanagementkaufleute-Ausbildungsverordnung) ; BuFDI: Bundesfreiwilligendienst ; BUGO-Z: Bundesgebührenordnung für Zahnärzte (aufgehoben; jetzt GOZ) ; BUK: Bundesverband der Unfallkassen (siehe Unfallkasse) ; BUKG: Bundesumzugskostengesetz (Gesetz über die Umzugskostenvergütung für die Bundesbeamten, Richter im Bundesdienst und Soldaten) ; BUrlG: Bundesurlaubsgesetz ; BUrlV: Bundesurlaubsverordnung ; BuS-Betreuung: Betriebsärztliche und Sicherheitstechnische Betreuung ; BußAktÜbV: Verordnung über die Standards für die Übermittlung elektronischer Akten zwischen Behörden und Gerichten im Bußgeldverfahren (Bußgeldaktenübermittlungsverordnung) ; ButtV: Butterverordnung ; b. u. v.: beschlossen und verkündet ; BUV: Berufsunfähigkeitsversicherung ; BuW: Betrieb und Wirtschaft (Zeitschrift) ; BUZ: Berufsunfähigkeitszusatzversicherung (siehe Berufsunfähigkeitsversicherung) ; B. v.: Beschluss vom ; BV: Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft oder Bundesverfassung (Österreich) oder Verfassung des Freistaates Bayern oder Betriebsverfassung oder Betriebsvereinbarung oder Betriebsversammlung oder Betriebsvermögen oder Berechnungsverordnung (siehe Zweite Berechnungsverordnung) oder Bestandsverzeichnis oder Beklagtenvertreter(in) oder Bürovorsteher oder Bauverbot (Österreich) oder Bauvorhaben oder Bundesversammlung (Schweiz) (französisch Assemblée fédérale, italienisch Assemblea federale, rätoromanisch Assamblea federala) ; BVA: Bundesversicherungsamt (Deutschland) oder Bundesverwaltungsamt (Deutschland) oder Bundesvergabeamt (Österreich) oder Bahnversicherungsanstalt ; BVB: Bezirksverwaltungsbehörde oder Bauvorlageberechtigung ; BVDV: Verordnung zum Schutz der Rinder vor einer Infektion mit dem Bovinen Virusdiarrhoe-Virus ; BVE: Bundesgesetz über die verdeckte Ermittlung (Schweiz) ; BVerfG: Bundesverfassungsgericht ; BVerfGE: Senatsentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts ; BVerfGG: Bundesverfassungsgerichtsgesetz ; BVerfGK: Kammerentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts ; BVerfSchG: Bundesverfassungsschutzgesetz ; BVersTG: Bundesversorgungsteilungsgesetz ; BVerwG: Bundesverwaltungsgericht ; BVerwGE: Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts (amtliche Sammlung) ; BVFG: Bundesvertriebenengesetz ; B-VG: Bundes-Verfassungsgesetz (Österreich) ; BVG: Bundesverfassungsgesetz; ein Bundesgesetz im Verfassungsrang (Österreich) oder Bundesversorgungsgesetz oder Bundesverfassungsgericht oder Bundesgesetz über die berufliche Alters-, Invaliden- und Hinterlassenenvorsorge (Schweiz) (siehe Pensionskasse#Schweiz und Liechtenstein) ; BVGer: Bundesverwaltungsgericht (Schweiz) (franz. Tribunal administratif fédéral, ital. Tribunale amministrativo federale, rät. Tribunal administrativ federal) ; BVJ: Berufsvorbereitungsjahr ; BVKatBin-See: Allgemeinen Verwaltungsvorschrift für die Erteilung von Buß- und Verwarnungsgeldern für Zuwiderhandlungen gegen strom- und schifffahrtspolizeiliche Vorschriften des Bundes auf Binnen- und Seeschifffahrtsstraßen sowie in der ausschließlichen Wirtschaftszone und auf der Hohen See (Buß- und Verwarnungsgeldkatalog Binnen- und Seeschifffahrtsstraßen) ; BVL: Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit ; BVO: Beihilfenverordnung ; BVO 2: Zweite Berechnungsverordnung (Verordnung über wohnungswirtschaftliche Berechnungen, Zweite Berechnungsverordnung) ; BVormVG: Berufsvormündervergütungsgesetz (aufgehoben; jetzt Vormünder- und Betreuervergütungsgesetz – VBVG) ; BVR: Sicherungseinrichtung des Bundesverbandes der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken ; BvS: Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben ; BVT: Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (Österreich) oder Beste verfügbare Techniken (engl.: best available techniques – BAT) ; BVV: Bezirksverordnetenversammlung (in Berlin) oder Beweisverwertungsverbot oder Beitragsverfahrensverordnung (Verordnung über die Berechnung, Zahlung, Weiterleitung, Abrechnung und Prüfung des Gesamtsozialversicherungsbeitrages) oder Betriebsvermögensvergleich ; BVVG: BVVG Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH ; BVwAG: Gesetz über die Errichtung des Bundesverwaltungsamtes ; BVwG: Bundesverwaltungsgericht (Österreich) ; BVWP: Bundesverkehrswegeplan ; BW: Baden-Württemberg, baden-württembergisch oder Bundeswehr ; BWA: Betriebswirtschaftliche Auswertung ; BWahlG: Bundeswahlgesetz ; BWahlGV: Bundeswahlgeräteverordnung ; BWahlO: Bundeswahlordnung ; BWaldG: Bundeswaldgesetz ; BwAttraktStG: Gesetz zur Steigerung der Attraktivität des Dienstes in der Bundeswehr (Bundeswehr-Attraktivitätssteigerungsgesetz) ; BWB: Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung oder Bundeswettbewerbsbehörde (Österreich) ; BWBauO: Baden-Württembergische Bauordnung ; BwBBG: Gesetz zur Beschleunigung von Beschaffungsmaßnahmen für die Bundeswehr (Bundeswehrbeschaffungsbeschleunigungsgesetz) ; BwDA: Bundeswehrdisziplinaranwalt beim Bundesverwaltungsgericht ; BwDLZ: Bundeswehr-Dienstleistungszentrum ; BWDRG: Baden-württembergisches Dienstrechtsreformgesetz ; BwFachS: Bundeswehrfachschule ; BwFinSVermG: Gesetz zur Finanzierung der Bundeswehr und zur Errichtung eines „Sondervermögens Bundeswehr“ (Bundeswehrfinanzierungs- und sondervermögensgesetz) ; BWG (BWahlG): Bundeswahlgesetz oder Berliner Wassergesetz (siehe Landeswassergesetz) oder Bankwesengesetz (österreichisches Gesetz für Kreditinstitute) ; BWGZ: Baden-Württembergische Gemeindezeitung ; BWH: Bewährungshilfe oder Bewährungshelfer ; BWildSchV: Bundeswildschutzverordnung (Verordnung über den Schutz von Wild) ; BWIS: Bundesgesetz über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit (Schweiz) ; BwKoopG: Bundeswehr-Kooperationsgesetz ; BWL: Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung (Schweiz) ; BWLSG: Landessozialgericht Baden-Württemberg ; BWNotZ: Mitteilungen aus der Praxis. Zeitschrift für das Notariat in Baden-Württemberg. ; BWO: Bundesamt für Wohnungswesen (Schweiz) ; BWV: Bundeswehrverwaltung (Zeitschrift) ; BwVollzO: Bundeswehrvollzugsordnung ; BWVPr: Baden-Württembergische Verwaltungspraxis (Zeitschrift) ; BWZ: Bodenwertzahl oder Bewilligungszeitraum ; BZAA: Bundeszentralstelle für Auslandsadoption ; BZÄK: Bundeszahnärztekammer ; BZBl.: Bundeszollblatt ; BzbV: Beamter zur besonderen Verwendung ; BZF: Beschränkt gültiges Sprechfunkzeugnis für den Flugfunkdienst ; BZgA: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung ; BzKJ: Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz ; BZR: Bundeszentralregister ; BZRG: Bundeszentralregistergesetz ; BZRL: Börsenzulassungs-Richtlinie (Richtlinie 79/279/EWG […] zur Koordinierung der Bedingungen für die Zulassung von Wertpapieren zur amtlichen Notierung an einer Wertpapierbörse) ; BZRG: Bundeszentralregistergesetz (= Gesetz über das Bundeszentralregister und das Erziehungsregister) ; BZSt: Bundeszentralamt für Steuern
; CAA: (US-amerikanischer) Clean-Air-Act ; CanG: Gesetz zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften (Cannabisgesetz) ; CAO: Computer Assisted Ordering (siehe Strichcode) ; CAT: UN-Antifolterkonvention (engl.: United Nations Convention against Torture and Other Cruel, Inhuman or Degrading Treatment or Punishment – CAT) oder UN-Ausschuss gegen Folter (engl.: Committee Against Torture – CAT) ; CB: Compliance-Berater (Zeitschrift) ; CBCD: Central Bank Digital Currency (dt.: Digitales Zentralbankgeld) ; CbCR: Country-by-Country-Reporting ; CBD: Biodiversitätskonvention (Übereinkommen über die biologische Vielfalt) (engl.: Convention on Biological Diversity – CBD) ; CBTR: Centrum für Deutsches und Internationales Baugrund- und Tiefbaurecht ; CC: Corps Consulaire (franz. für „Konsularisches Korps“) oder Code civil (Frankreich) oder Conference Committee ; CCBE: Rat der Anwaltschaften der Europäischen Gemeinschaft (engl.: Council of the Bars and Law Societies of Europe; franz.: Commission de Conseil des Barreaux européens – CCBE) ; CCC: Constitutio Criminalis Carolina ; CCO: Chief Compliance Officer ; CCZ: Corporate Compliance Zeitschrift – Zeitschrift für Haftungsvermeidung im Unternehmen ; CD: Diplomatisches Corps (franz.: corps diplomatique) ; CDM: Clean Development Mechanism (Mechanismus für umweltverträgliche Entwicklung; Art. 12 Kyoto-Protokoll; § 2 Nr. 8 ProMechG) ; CDNI: Übereinkommen über die Sammlung, Abgabe und Annahme von Abfällen in der Rhein- und Binnenschifffahrt (Straßburger Abfallübereinkommen) (franz.: Convention relative à la collecte, au dépôt et à la réception des déchets survenant en navigation rhénane et intérieure – CDNI) ; CdT: Übersetzungszentrum für die Einrichtungen der Europäischen Union (franz.: Centre de Traduction des Organes de l′Union Européenne; engl.: Translation Centre for the Bodies of the European Union) ; CE: Europäische Konformität (franz.: Conformité Européenne) oder Europäische Gemeinschaft ; CEBS: Ausschuss der Europäischen Aufsichtsbehörden für das Bankwesen (engl.: Committee of European Banking Supervisors – CEBS) ; CEDAW: UN-Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (engl.: Convention on the Elimination of All Forms of Discrimination Against Women) oder UN-Ausschuss für die Beseitigung der Diskriminierung der Frau ; CEDEFOP: Europäisches Zentrum für die Förderung der Berufsbildung (engl.: European Centre for the Development of Vocational Training) ; CEMT: Europäische Verkehrsministerkonferenz (engl.: European Conference of Ministers of Transport – ECMT, franz.: Conférence Européenne des Ministres des Transports – CEMT) ; CEN: Europäisches Komitee für Normung (Abk. CEN; franz.: Comité Européen de Normalisation; engl.: European Committee for Standardization) ; CENELEC: Europäisches Komitee für elektrotechnische Normung (franz.: Comité Européen de Normalisation Électrotechnique; engl.: European Committee for Electrotechnical Standardization) ; CEPD: Europäischer Datenschutzbeauftragter (EDBS) (engl.: EDPS – European Data Protection Supervisor; aus dem Französischen: CEPD – Contrôleur européen de la protection des données) ; CEPOL: Collège Européen de Police (siehe Europäische Polizeiakademie (EPA)) ; CEPT: Conférence Européenne des Administrations des Postes et des Télécommunications (Europäische Konferenz der Verwaltungen für Post und Telekommunikation) ; CER: Critical Entities Resilience ; CERD: UN-Ausschuss für die Beseitigung der Rassendiskriminierung (engl.: Committee on the Elimination of Racial Discrimination – CERD) ; CESL: Gemeinsames Europäisches Kaufrecht (engl.: Common European Sales Law – CESL) ; CESCR: UN-Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (engl.: Committee on Economic, Social and Cultural Rights) ; CESR: Ausschuss der Europäischen Aufsichtsbehörden für das Wertpapierwesen (engl.: Committee of European Securities Regulators – CESR) (aufgehoben zum 1. Januar 2011; aufgegangen in der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA)) ; CETA: Umfassendes Wirtschafts- und Handelsabkommen EU-Kanada (von englisch: Comprehensive Economic and Trade Agreement, auch als Canada-EU Trade Agreement gelesen, französisch: Accord économique et commercial global – AECG) ; CEVNI: Europäische Binnenschifffahrtsstraßen-Ordnung (abgekürzt CEVNI für französisch: Code Européen des Voies de la Navigation Intérieure; auch englisch: European Code for Inland Waterways) ; CFCA: Europäische Fischereiaufsichtsbehörde (engl.: Community Fisheries Control Agency) ; CFR: Cost And Freight (Kosten und Fracht) (siehe Incoterms) oder Code of Federal Regulations (USA) (deutsch: Sammlung der Bundesverordnungen) ; ChancenG: Gesetz zur Verwirklichung der Chancengleichheit von Frauen und Männern im öffentlichen Dienst in Baden-Württemberg (Chancengleichheitsgesetz BW) ; ChemG: Chemikaliengesetz oder Bundesgesetz über den Schutz vor gefährlichen Stoffen und Zubereitungen (Chemikaliengesetz (Schweiz)) oder Bundesgesetz über den Schutz des Menschen und der Umwelt vor Chemikalien (Chemikaliengesetz 1996) (Österreich) ; ChemBiozidDV: Verordnung über die Meldung und die Abgabe von Biozid-Produkten sowie zur Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 (Biozidrechts-Durchführungsverordnung) ; ChemBiozidZulv: Biozid-Zulassungsverordnung ; ChemGiftInfoV: Giftinformationsverordnung (Verordnung über die Mitteilungspflichten nach § 16e des Chemikaliengesetzes zur Vorbeugung und Information bei Vergiftungen) ; ChemKlimaschutzV: Chemikalien-Klimaschutzverordnung ; ChemOzonSchichtV: Verordnung über Stoffe, die die Ozonschicht schädigen (Chemikalien-Ozonschichtverordnung) ; ChemRRV: Verordnung zur Reduktion von Risiken beim Umgang mit bestimmten besonders gefährlichen Stoffen, Zubereitungen und Gegenständen (Chemikalien-Risikoreduktions-Verordnung) (Schweiz) ; ChemSanktionsV: Verordnung zur Sanktionsbewehrung gemeinschafts- oder unionsrechtlicher Verordnungen auf dem Gebiet der Chemikaliensicherheit (Chemikalien-Sanktionsverordnung) ; ChemStrOWiV: Verordnung zur Durchsetzung gemeinschaftsrechtlicher Verordnungen über Stoffe und Zubereitungen (Chemikalien-Straf- und Bußgeldverordnung) [nunmehr unbenannt in Verordnung zur Sanktionsbewehrung gemeinschafts- oder unionsrechtlicher Verordnungen auf dem Gebiet der Chemikaliensicherheit (Chemikalien-Sanktionsverordnung)] ; ChemV: Chemikalienverordnung (Schweiz) ; ChemVerbotsV: Chemikalien-Verbotsverordnung (Verordnung über Verbote und Beschränkungen des Inverkehrbringens gefährlicher Stoffe, Zubereitungen und Erzeugnisse nach dem Chemikaliengesetz) ; C. I. C.: Corpus iuris civilis oder Corpus Iuris Canonici ; c. i. c.: culpa in contrahendo ; CHF: Schweizer Franken ; CHMP: Ausschuss für Humanarzneimittel der EU (engl.: Committee for Medicinal Products for Human Use – CHMP) ; CHR: UN-Menschenrechtskommission (engl.: United Nations Commission on Human Rights, kurz: CHR) ; CIEC: Internationale Kommission für das Zivilstandswesen (franz. Commission Internationale de l′Etat Civil – CIEC) ; CIF: Cost, Insurance, Freight (Kosten, Versicherung, Fracht) (siehe Incoterms) ; CILIP: Bürgerrechte & Polizei/CILIP (Zeitschrift) ; CIM: Einheitliche Rechtsvorschriften für den Vertrag über die internationale Eisenbahnbeförderung von Gütern – Règles uniformes concernant le contrat de transport international ferroviaires des marchandises (Anhang B zum COTIF) ; CIP: Carriage Insurance Paid (Fracht und Versicherung bezahlt) (siehe Incoterms) ; CIRAM: Common Integrated Risk Analysis Model (übersetzt: Gemeinsames integriertes Risikosanalysemodell) ; CISG: Übereinkommen der Vereinten Nationen über den internationalen Warenkauf ; CITES: Washingtoner Artenschutzübereinkommen (Convention on International Trade in Endangered Species of Wild Fauna and Flora) ; CIV: Einheitliche Rechtsvorschriften für den Vertrag über die internationale Eisenbahnbeförderung von Personen – Règles uniformes concernant le contrat de transport international ferroviaires des voyageurs (Anhang A zum COTIF) ; CJP: Criminal Justice Project der EJTN ; CLNI: Straßburger Übereinkommen über die Beschränkung der Haftung in der Binnenschiffahrt ; CMNI: Budapester Übereinkommen über den Vertrag über die Güterbeförderung in der Binnenschifffahrt – Convention de Budapest relative au contract de transport de marchandises en navigation intérieure ; CMR: Convention relative au contrat de transport international de marchandises par route (französisch), die Internationale Vereinbarung über Beförderungsverträge auf Straßen ; CMS: Compliance Management System ; CO2KostAufG: Gesetz zur Aufteilung der Kohlendioxidkosten (Kohlendioxidkostenaufteilungsgesetz) ; Colido: Computergestützte Liegenschaftsdokumentation der DDR ; ComCom: Eidgenössische Kommunikationskommission ; ContStifG: Conterganstiftungsgesetz (Gesetz über die Conterganstiftung für behinderte Menschen) ; Corona-ArbSchV: SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung ; CoronaEinrVO: Coronaeinreiseverordnung (diverser Bundesländer, z. B. in NRW) ; CoronaImpfV: Verordnung zum Anspruch auf Schutzimpfung gegen das Coronavirus SARSCoV-2 (Coronaimpfverordnung) ; CoronaSchV: Coronavirus-Schutzverordnung (diverser Bundesländer, z. B. NRW) ; CoronaVMeldeV: Verordnung über die Ausdehnung der Meldepflicht nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 und § 7 Absatz 1 Satz 1 des Infektionsschutzgesetzes auf Infektionen mit dem erstmals im Dezember 2019 in Wuhan/Volksrepublik China aufgetretenen neuartigen Coronavirus („2019-nCoV“) ; COTIF: original , engl.: Convention concerning International Carriage by Rail (siehe Übereinkommen über den internationalen Eisenbahnverkehr) ; COVInsAG: COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz ; COVMG: Gesetz über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der Covid-19-Pandemie ; COVuR: Zeitschrift „COVID-19 und alle Rechtsfragen zur Corona-Krise“ ; CPC: Central Product Classification der UN (dt.: Zentrale Gütersystematik) oder Cooperative Patent Classification ; CPI: Internationaler Strafgerichtshof (franz. Cour pénale internationale – CPI; engl. International Criminal Court – ICC) ; CPlVO: Campingplatzverordnung ; CPNP: Cosmetic Products Notification Portal (der EU) ; CPR: Construction Products Regulation (EU-Bauprodukteverordnung – EU-BauPVO) (siehe Verordnung (EU) Nr. 305/2011) ; CPT: Carriage Paid To (Fracht bezahlt bis) (siehe Incoterms) oder Europäisches Komitee zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (engl.: Committee for the Prevention of Torture – CPT) ; CPVO: Gemeinschaftliches Sortenamt der EU (engl.: Community Plant Variety Office) ; CR (C&R): Computer und Recht (Zeitschrift) ; CRA: Cyber Resilience Act; Verordnung (EU) 2024/2847 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2024 über horizontale Cybersicherheitsanforderungen für Produkte mit digitalen Elementen und zur Änderung der Verordnungen (EU) Nr. 168/2013 und (EU) 2019/1020 und der Richtlinie (EU) 2020/1828 (Cyberresilienz-Verordnung) ; CRC: Übereinkommen über die Rechte des Kindes, kurz UN-Kinderrechtskonvention (engl.: Convention on the Rights of the Child – CRC) ; CRD: Eigenkapitalrichtlinie der EU (englisch ) ; CRDIVUG: Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2013/36/EU über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen und zur Anpassung des Aufsichtsrechts an die Verordnung (EU) Nr. 575/2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen (CRD IV-Umsetzungsgesetz) ; CRi: Computer Law Review International (Zeitschrift) ; CRPD: Convention on the Rights of Persons with Disabilities (dt.: Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (Behindertenrechtskonvention)) ; CRR: Kapitaladäquanzverordnung der EU (englisch ) ; CRTD: Convention on Civil Liability for Damage Cause during Carriage of Dangerous Goods by Road, Rail and Inland Navigation Vessels ; CRV: Verordnung (EU) 2024/2847 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2024 über horizontale Cybersicherheitsanforderungen für Produkte mit digitalen Elementen und zur Änderung der Verordnungen (EU) Nr. 168/2013 und (EU) 2019/1020 und der Richtlinie (EU) 2020/1828 (Cyberresilienz-Verordnung) (engl.: CRA - Cyber Resilience Act) ; CSD: Kommission der Vereinten Nationen für Nachhaltige Entwicklung (engl.: Commission on Sustainable Development) ; CSG: Containersicherheitsgesetz (Österreich) ; CSR: Corporate Social Responsibility oder Stoffsicherheitsbericht (engl.: chemical safety report) ; CSRD: Richtlinie (EU) 2022/2464 (CSRD) … hinsichtlich der Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen ; CSR-RL-UG: Gesetz zur Stärkung der nichtfinanziellen Berichterstattung der Unternehmen in ihren Lage- und Konzernlageberichten (CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz) ; CTD: Common Technical Document ; CTM: Gemeinschaftsmarke, seit 2016 Unionsmarke (engl.: Community Trade Mark – CTM) ; CTU: Cargo Transport Unit (dt.: Beförderungseinheit) ; CuA: Computer und Arbeit (Zeitschrift) ; CuR: Contracting und Recht (Zeitschrift) ; CUI: Einheitliche Rechtsvorschriften für den Vertrag über die Nutzung der Infrastruktur im internationalen Eisenbahnverkehr – Règles uniformes concernant le contrat d′utilisation de l′infrastructure en trafic international ferroviaire (Anhang E zum COTIF) ; CUV: Einheitliche Rechtsvorschriften für Verträge über die Verwendung von Wagen im internationalen Eisenbahnverkehr – Règles uniformes concernant les contrats d'utilisation de véhicules en trafic international ferroviaire (Anhang D zum COTIF) ; CWÜ: Chemiewaffenübereinkommen (siehe Chemiewaffenkonvention) ; CWÜAG: Ausführungsgesetz zu dem Übereinkommen vom 13. Januar 1993 über das Verbot der Entwicklung, Herstellung, Lagerung und des Einsatzes chemischer Waffen und über die Vernichtung solcher Waffen ; CWK: Chemiewaffenkonvention ; CyberStR: Zeitschrift für Cyberstrafrecht
; DA: Data Act oder Dienstanweisung ; DaBaGG: Gesetz zur Einführung eines Datenbankgrundbuchs ; dabei: Dachverband berufliche Integration (Österreich) ; DachdArbbV: Dachdeckerarbeitsbedingungenverordnung ; DÄBl.: Deutsches Ärzteblatt (Zeitschrift) ; DAF: Delivered At Frontier (frei Grenze) (siehe Incoterms) ; DAG: Direktor des Amtsgerichts oder Deutsche Angestelltengewerkschaft ; DAkkS: Deutsche Akkreditierungsstelle GmbH ; DAMA: Deutsche Arzneimittel- und Medizinprodukteagentur (siehe Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte#Geschichte) ; DampfkV: Dampfkesselverordnung (aufgehoben; abgelöst von Betriebssicherheitsverordnung (BetrSV)) ; DANA: Datenschutz Nachrichten ; DAngVers: Die Angestelltenversicherung (Zeitschrift) ; DAP: Delivered At Place (Geliefert benannter Ort) (siehe Incoterms) ; DAR: Deutsches Autorecht (Zeitschrift) oder Deutscher Akkreditierungsrat ; DarlehensV: Verordnung über die Einziehung der nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz geleisteten Darlehen (Darlehensverordnung) ; DAT: Delivered At Terminal (Geliefert Terminal) (siehe Incoterms) oder Deutscher Anwaltstag ; DaTraGebV: Datentransparenz-Gebührenverordnung (Verordnung zur Erhebung von Gebühren und Auslagen für die Bereitstellung von Daten nach den Regelungen der Datentransparenzverordnung) ; DatraV: Verordnung zur Umsetzung der Vorschriften über die Datentransparenz (Datentransparenzverordnung) ; DAV: Deutscher Anwaltverein ; DAVorm: Zeitschrift „Der Amtsvormund“ ; DB: Durchführungsbestimmung(en) oder Der Betrieb (Zeitschrift) oder Deutsche Bahn AG oder Deckungsbeitrag oder Direkte Bundessteuer (Schweiz) ; DBA: Doppelbesteuerungsabkommen ; DBB: DBB Beamtenbund und Tarifunion (früher: Deutscher Beamtenbund) ; DBeglG: Dienstrechtsbegleitgesetz (Dienstrechtliches Begleitgesetz im Zusammenhang mit dem Beschluss des Deutschen Bundestages vom 20. Juli 1991 zur Vollendung der Einheit Deutschlands) ; DBfK: Deutscher Berufsverband für Pflegeberufe ; DBG: Bundesgesetz über die Direkte Bundessteuer (Schweiz) ; DBGK: Deutsches Büro Grüne Karte e. V. (siehe Internationale Versicherungskarte für Kraftverkehr) ; DBGrG: Deutsche Bahn Gründungsgesetz ; DBGT: Deutscher Baugerichtstag ; DBiblG: Gesetz über die Deutsche Bibliothek ; DBJR: Deutscher Bundesjugendring ; DBP: Deutsches Bundespatent (siehe Deutsches Patent- und Markenamt (DPMA)) oder Deutsche Bundespost ; DBV: Deutscher Bauernverband oder Verfassung des Deutschen Bundes (siehe Bismarcksche Reichsverfassung) ; DBW: Die Betriebswirtschaft (Zeitschrift) ; DCFR: Entwurf für einen Gemeinsamen Referenzrahmen („Draft Common Frame of Reference“) ; DCGK: Deutscher Corporate Governance Kodex ; DCS: DatenClearingStelle ; DDA: oder Dresdner Amtsblatt ; DDG: Digitale-Dienste-Gesetz ; DDP: Delivered Duty Paid (Geliefert Zoll bezahlt) (siehe Incoterms) ; DDR: Deutsche Demokratische Republik ; DDR-IG: DDR-Investitionsgesetz ; DDU: Delivered Duty Unpaid (frei unverzollt) (siehe Incoterms) ; DE-AS: Deutsche Auslegungsschrift ; DE-BP: Deutsches Bundespatent ; DECHPolVtrUG: Gesetz zur Umsetzung der vollstreckungshilferechtlichen Regelungen des Vertrages vom 5. April 2022 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die grenzüberschreitende polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit (Deutsch-Schweizerischer Polizeivertrag-Umsetzungsgesetz) ; DeckReg: Deckungsregister ; DeckRegV: Verordnung über die Form und den Inhalt der Deckungsregister nach dem Pfandbriefgesetz und die Aufzeichnung der Eintragungen (Deckungsregisterverordnung) ; DeckRV: Deckungsrückstellungsverordnung ; DEFG: Deutsche-Einheit-Fonds-Gesetz (Gesetz über die Errichtung eines Fonds „Deutsche Einheit“) ; DEG: Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft mbH ; DE-GM: Deutsches Bundesgebrauchsmuster ; DEHSt: Deutsche Emissionshandelsstelle ; deNIS: Deutsches Notfallvorsorge-Informationssystem ; DE-OS: Deutsche Offenlegungsschrift ; DEPATIS: Deutsches Patentinformationssystem ; DepotG: Gesetz über die Verwahrung und Anschaffung von Wertpapieren (Depotgesetz) oder Bundesgesetz vom 22. Oktober 1969 über die Verwahrung und Anschaffung von Wertpapieren (Depotgesetz (Österreich)) ; DE-PS: Deutsche Patentschrift ; DepV: Deponieverordnung (Verordnung über Deponien und Langzeitlager; Errichtung, Betrieb, Stilllegung und Nachsorge von Deponien und Langzeitlagern, Behandlung von Abfällen zur Ablagerung auf Deponien, Herstellung von Deponieersatzbaustoffen, Ablagerung von Abfällen auf Deponien) ; DepVerwV: Deponieverwertungsverordnung [aufgehoben seit 16. Juli 2009; siehe nun Deponieverordnung (DepV)] ; DEQ: Delivered Ex Quay (frei ab Kai) (siehe Incoterms) ; DES: Delivered Ex Ship (frei ab Schiff) (siehe Incoterms) oder Dokumenteneinbringungsservice (Österreich) ; DesignG: Designgesetz (früher Geschmacksmustergesetz) ; DEÜV: Datenerfassungs- und -übermittlungsverordnung (Verordnung über die Erfassung und Übermittlung von Daten für die Träger der Sozialversicherung) ; DeuFöV: Verordnung über die berufsbezogene Deutschsprachförderung (Deutschsprachförderverordnung) ; DEZA: Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Schweiz) (franz. Direction du développement et de la coopération, ital. Direzione dello sviluppo e della cooperazione) ; DFG: Deutsche Forschungsgemeinschaft ; DFGT: Deutscher Familiengerichtstag ; DFK: Stiftung Deutsches Forum für Kriminalprävention ; DFR: Deutschsprachiges Fallrecht ; DFS: Deutsche Flugsicherung GmbH ; DFÜ: Datenfernübertragung ; DG: Generaldirektion der EU-Kommission (für engl. / franz. ; dt. Abkürzung: GD) ; DGB: Deutscher Gewerkschaftsbund ; DGL: Dienstgruppenleiter ; DGL-VO NRW: Dauergrünlanderhaltungsverordnung NRW ; DGO: Deutsche Gemeindeordnung ; DGR: Dangerous Goods Regulations ; DGRL: Richtlinie 97/23/EG über Druckgeräte (Druckgeräterichtlinie) ; DGRM: Deutsche Gesellschaft für Rechtsmedizin ; DGUV: Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung ; DGV: Dienstgütevereinbarung (siehe Service-Level-Agreement) ; DGVB: Deutscher Gerichtsvollzieher-Bund ; DGVO: Druckgeräteverordnung (Österreich) ; DGVZ: Deutsche Gerichtsvollzieher-Zeitung ; DH-BA: Durchführungshinweise der Bundesagentur für Arbeit ; DHI: Deutsches Hydrographisches Institut (siehe Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie) ; DHKT: Deutscher Handwerkskammertag ; DHPol: Deutsche Hochschule der Polizei ; DHV: Deutscher Hochschulverband ; DHZ: Deutsche Handwerks Zeitung ; DiätAss APrV: Diätassistenten Ausbildungs- und Prüfungsverordnung ; DiätAssG: Gesetz über den Beruf der Diätassistentin und des Diätassistenten (Diätassistentengesetz) ; DiätV: Verordnung über diätetische Lebensmittel (Diätverordnung) ; DIBt: Deutsches Institut für Bautechnik ; DIFG: Gesetz zur Errichtung des Sondervermögens „Digitale Infrastruktur“ (Digitalinfrastrukturfondsgesetz) ; DiGa: Digitale Gesundheitsanwendung ; DiGaV: Verordnung über das Verfahren und die Anforderungen zur Prüfung der Erstattungsfähigkeit digitaler Gesundheitsanwendungen in der gesetzlichen Krankenversicherung (Digitale Gesundheitsanwendungen-Verordnung) ; DigiG: Gesetz zur Beschleunigung der Digitalisierung des Gesundheitswesens (Digital-Gesetz) ; DIHT: Deutscher Industrie- und Handelskammertag ; DIMDI: Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information ; DIMDIV: Verordnung über das datenbankgestützte Informationssystem über Medizinprodukte des Deutschen Instituts für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI-Verordnung) ; DIN: Deutsches Institut für Normung (siehe DIN-Norm) ; DiplBezÜbkG: Gesetz zu dem Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen ; Dipl.-Ing.: Diplom-Ingenieur ; DiReG: Gesetz zur Ergänzung der Regelungen zur Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie ; DirektZahlDurchfV: Verordnung zur Durchführung der Direktzahlungen an Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe im Rahmen von Stützungsregelungen der Gemeinsamen Agrarpolitik (Direktzahlungen-Durchführungsverordnung) ; DirektZahlVerpflV: Direktzahlungen-Verpflichtungsverordnung (Verordnung über die Grundsätze der Erhaltung landwirtschaftlicher Flächen in einem guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand) ; DIRL: Richtlinie (EU) 2019/770 (Digitale-Inhalte-Richtlinie) (engl.: digital content and digital services Directive) ; DiRUG: Gesetz zur Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie ; DIS: Deutsche Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e. V. ; Diss.: Dissertation ; DJ: Deutsche Justiz (Zeitschrift) ; DJB: Deutscher Juristinnenbund oder Das juristische Büro (Zeitschrift) ; djbZ: Zeitschrift des Deutschen Juristinnenbundes ; DJR: Der junge Rechtsgelehrte (Zeitschrift) ; DJT: Deutscher Juristentag ; DJZ: Deutsche Juristen-Zeitung ; DK: Die Deutsche Kreditwirtschaft oder Deponieklasse ; DKG: Deutsche Krankenhausgesellschaft ; DKM: Digitale Katastralmappe (Österreich) ; DL-InfoV: Dienstleistungs-Informationspflichten-Verordnung ; DLkrT (DLT): Deutscher Landkreistag ; DLMB: Deutsches Lebensmittelbuch ; DLR: Deutsche Lebensmittel-Rundschau (Zeitschrift) ; DLRL: Dienstleistungsrichtlinie (Richtlinie 2006/123/EG über Dienstleistungen im Binnenmarkt) ; DM: Deutsche Mark oder Drittmittel ; DMA: Digital Markets Act (dt.: Gesetz über digitale Märkte; franz.: Règlement sur les Marchés numériques) ; DMB: Deutscher Mieterbund e. V. ; DMBilG: D-Markbilanzgesetz (Gesetz über die Eröffnungsbilanz in Deutscher Mark und die Kapitalneufestsetzung) ; DmMV: Verordnung zur Festlegung der nicht geringen Menge von Dopingmitteln (Dopingmittel-Mengen-Verordnung) ; DMP: Disease-Management-Programm ; DMSG: Denkmalschutzgesetz (Österreich) ; DMT: Deutscher Mietgerichtstag ; DNA: Desoxyribonukleinsäure ; DNBG: Gesetz über die Deutsche Nationalbibliothek ; DNeuG: Dienstrechtsneuordnungsgesetz (Gesetz zur Neuordnung und Modernisierung des Bundesdienstrechts) ; DNG: Datennutzungsgesetz ; DNK: Deutscher Nachhaltigkeitskodex ; DNotI: Deutsches Notarinstitut ; DNotZ: Deutsche Notar-Zeitschrift ; DNotZBayB: Bayerische Beilage zur DNotZ ; DNV: Die Neue Verwaltung (Zeitschrift) ; DO: Durchführungsordnung (auch DVO) oder Dienstordnung ; DÖD: Der Öffentliche Dienst (Zeitschrift) ; DÖV: Die Öffentliche Verwaltung (Zeitschrift) ; DOHG: Dopingopfer-Hilfegesetz (Gesetz über eine finanzielle Hilfe für Doping-Opfer der DDR) ; DOK-VO: Verordnung über Sicherheits- und Gesundheitsschutzdokumente (Österreich) ; DonauSchPV: Donauschifffahrtspolizeiverordnung ; DONot: Dienstordnung für Notarinnen und Notare ; DoP: Leistungserklärung (Declaration of Performance – DoP) (siehe Verordnung (EU) Nr. 305/2011) ; DPAii: Europäische Plattform für Aktionärsidentifikation- und -information ; DPMA: Deutsches Patent- und Markenamt ; DPolBl: Deutsches Polizeiblatt. Fachzeitschrift für die Aus- und Fortbildung in Bund und Ländern ; DPR: Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung ; DPRA: Nach dem deutsch-polnischen Rentenabkommen vom 9. Oktober 1975 anerkannte Zeiten ; DPWV: Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband Gesamtverband e. V. (Der Paritätische) (siehe Der Paritätische Wohlfahrtsverband) ; Dr.: Doktor oder Drucksache ; DR: Deutsches Reich oder Deutsches Recht (1931–1945) oder Deutsche Reichsbahn (1920–1945) oder Deutsche Reichsbahn (1945–1993) ; DRB: Deutscher Richterbund ; DRG: Diagnosis Related Groups (kurz DRG, deutsch Diagnosebezogene Fallgruppen) ; DrittelbG: Drittelbeteiligungsgesetz ; DRiG: Deutsches Richtergesetz ; DRiZ: Deutsche Richterzeitung ; DRKG: DRK-Gesetz, Gesetz über das Deutsche Rote Kreuz ; DRK-SDDSG: Gesetz zur Regelung des Datenschutzes für den Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes (DRK-Suchdienstdatenschutzgesetz) ; DRSC: Deutsches Rechnungslegungs Standards Committee ; DruckbehVO: Druckbehälterverordnung ; DRV: Deutsche Rentenversicherung ; DRV-Bund: Deutsche Rentenversicherung Bund ; DRV KBS: Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See ; DRZ: Deutsche Rechtszeitschrift ; DruckLV: Druckluftverordnung (Verordnung über Arbeiten in Druckluft) ; DS: Der Sachverständige, Fachzeitschrift für Sachverständige, Kammern, Gerichte und Behörden ; DSA: Digital Services Act (dt.: Gesetz über digitale Dienste; franz.: Règlement sur les Services Numériques – RSN) ; DSAnpUG-EU: Gesetz zur Anpassung des Datenschutzrechts an die Verordnung (EU) 2016/679 und zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/680 (Datenschutz-Anpassungs- und -Umsetzungsgesetz EU) ; DSB: Datenschutzbeauftragter ; DSchVO: Deichschutzverordnung ; DSE: Deutsche Schiedsgerichtsbarkeit für Erbstreitigkeiten e. V. ; DSG: Datenschutzgesetz (meist gemeint Landesdatenschutzgesetz, z. B. DSG LSA) oder Bundesgesetz zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten (Datenschutzgesetz (Österreich)) ; DSG-EKD: EKD-Datenschutzgesetz ; DSGT: Deutscher Sozialgerichtstag ; DSGVO oder DS-GVO: Datenschutz-Grundverordnung ; DSK: Datenschutzkonzept oder Datenschutzkommission (Österreich; aufgehoben, jetzt Datenschutzbehörde – DSB) ; DSL: Drittschadensliquidation ; DSM oder DSM-RL: Richtlinie (EU) 2019/790 (Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt) ; DSMS: Datenschutzmanagementsystem ; DSR: Deutscher Standardisierungsrat (siehe Deutsches Rechnungslegungs Standards Committee (DRSC)) ; DSRI: Deutsche Stiftung für Recht und Informatik ; DSRITB: Deutsche Stiftung für Recht und Informatik – Tagungsband ; DSRL: Richtlinie 2002/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Juli 2002 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation (Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation) ; DSRV: Datenstelle der Träger der Rentenversicherung ; DSt: Disziplinarstatut für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter (Österreich) ; DST: Deutscher Städtetag ; DStGB: Deutscher Städte- und Gemeindebund ; DStJG: Deutsche Steuerjuristische Gesellschaft ; DStR: Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift) (vormals Das deutsche Steuerrecht (Zeitschrift)) ; DStRE: Deutsches Steuerrecht – Entscheidungsdienst (Zeitschrift) ; DStV: Deutscher Steuerberaterverband e. V. ; DStZ: Deutsche Steuer-Zeitung ; DSV: Deutscher Segler-Verband ; DSW: Deutsches Studentenwerk ; DTSchB: Deutscher Tierschutzbund e. V. ; DtZ: (ehemalige) Deutsch-Deutsche Rechts-Zeitschrift ; DTZ: Deutsch-Test für Zuwanderer ; DuD: Datenschutz und Datensicherheit (Zeitschrift) ; DÜ: Dubliner Übereinkommen ; DüBV: Verordnung über die Errichtung eines Wissenschaftlichen Beirats für Düngungsfragen ; DÜG: Diskontsatz-Überleitungs-Gesetz (jeweils geltender Basiszinssatz nach dem DÜG) ; DüMSichG: Düngemittelsicherungsgesetz ; DüMV: Düngemittelverordnung ; DüngMSaatG: Gesetz zur Sicherung der Düngemittel- und Saatgutversorgung ; DüngeV (DüV): Düngeverordnung (Verordnung über die Anwendung von Düngemitteln, Bodenhilfsstoffen, Kultursubstraten und Pflanzenhilfsmitteln nach den Grundsätzen der guten fachlichen Praxis beim Düngen) ; DüngG: Düngegesetz ; DüngMG 1977: Düngemittelgesetz ; DüssTab: Düsseldorfer Tabelle ; DÜV: Verordnung über die Anwendung von Düngemitteln, Bodenhilfsstoffen, Kultursubstraten und Pflanzenhilfsmitteln nach den Grundsätzen der guten fachlichen Praxis beim Düngen ; DÜV-AnpassG: Gesetz zur Anpassung von Datenübermittlungsvorschriften im Ausländer- und Sozialrecht ; DÜVO: Nach der Datenübermittlungsverordnung (DÜVO) gemeldete Zeiten. Hierüber hat der Arbeitgeber einen Nachweis erteilt. ; DuR: Demokratie und Recht (Zeitschrift) ; DuPMedAusbV: Verordnung über die Berufsausbildung zum Mediengestalter Digital und Print und zur Mediengestalterin Digital und Print (Digital- und Print-Mediengestalter-Ausbildungsverordnung) ; DV: Durchführungsverordnung oder Datenverarbeitung oder Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge e. V. oder Dienstvereinbarung ; DVA: Deutscher Vergabe- und Vertragsausschuss für Bauleistungen (früher: Deutschen Verdingungsausschuss) ; DVAL: Deutscher Verdingungsausschuss für Leistung ; DVBl.: Deutsches Verwaltungsblatt ; DVD: Deutsche Vereinigung für Datenschutz ; DV E: Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge e. V. ; DVEV: Deutsche Vereinigung für Erbrecht und Vermögensnachfolge e. V. ; DVG: Gesetz für eine bessere Versorgung durch Digitalisierung und Innovation (Digitale-Versorgung-Gesetz) ; DVGT: Deutscher Verkehrsgerichtstag ; DVGW: Deutscher Verein des Gas- und Wasserfaches ; DV H: Hinweise des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge e. V. ; DVIR: Deutsche Vereinigung für Internationales Recht ; DVIS: Deutscher Verein für Internationales Seerecht ; DVJJ: Deutsche Vereinigung für Jugendgerichte und Jugendgerichtshilfen e. V. ; DVLStHV: Durchführungsverordnung Lohnsteuerhilfevereine (Verordnung zur Durchführung der Vorschriften über Lohnsteuerhilfevereine) ; DVO (DV): Durchführungsverordnung ; DVO-JuSchG: Verordnung zur Durchführung des Jugendschutzgesetzes ; DVPMG: Gesetz zur digitalen Modernisierung von Versorgung und Pflege (Digitale-Versorgung-und-Pflege-Modernisierungsgesetz) ; DVR: Deutscher Verkehrssicherheitsrat e. V. ; DVStB: Durchführungsverordnung Steuerberatung (Verordnung zur Durchführung der Vorschriften über Steuerberater, Steuerbevollmächtigte und Steuerberatungsgesellschaften) ; DVVR: Dachverband der Verwaltungsrichterinnen und Verwaltungsrichter (Österreich) ; DVZ: Deutsche Verkehrs-Zeitung (seit 1947) oder Deutsche Verkehrs-Zeitung (1877–1945) ; DWD: Deutscher Wetterdienst ; DWDG: Gesetz über den Deutschen Wetterdienst ; DWW: Deutsche Wohnungswirtschaft (Zeitschrift) ; DZWIR: Deutsche Zeitschrift für Wirtschaftsrecht
; E: Entwurf oder Entscheidung oder Ergebnis oder Entscheidungssammlung ; eA: einstweilige Anordnung ; EA: Europa-Archiv (Zeitschrift) oder Elektronische Aufsicht (Österreich) (siehe Elektronische Fußfessel) ; EAAV: Verordnung über technische Anforderungen an Energieanlagen (Energieanlagen-Anforderungen-Verordnung) ; EAD: Europäischer Auswärtiger Dienst (engl.: European External Action Service – EEAS) oder European Assessment Document (Europäisches Bewertungsdokument) (siehe Europäische Technische Zulassung) ; EAEG: Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetz (2015 umbenannt in Anlegerentschädigungsgesetz) ; EAG: Europäische Atomgemeinschaft oder Europarecht-Anpassungsgesetz oder Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (Österreich) ; EAG Bau: Europarechtsanpassungsgesetz Bau ; EAG-BehandV: Verordnung über Anforderungen an die Behandlung von Elektro- und Elektronik-Altgeräten ; EAGFL: Europäischer Ausrichtungs- und Garantiefonds für Landwirtschaft ; EAGVtr: Vertrag zur Gründung der Europäische Atomgemeinschaft (EURATOM), auch EAGV ; EAK: Europäische Abfallartenkatalog (engl.: European Waste Catalogue – EWC) ; EAKAV: Verordnung zum elektronischen Anzeigeverfahren für inländische Investmentvermögen und EU-Investmentvermögen nach dem Kapitalanlagegesetzbuch ; eAktVO: eAkten-Verordnung ; eAktVO StVollz: Verordnung zur elektronischen Aktenführung bei den Gerichten in Verfahren nach dem Strafvollzugsgesetz im Land Nordrhein-Westfalen (eAkten-Verordnung in Strafvollzugssachen) ; EALG: Gesetz über die Entschädigung nach dem Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen und über staatliche Ausgleichsleistungen für Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage (Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz) ; EAMIV: Verordnung über die Mindestanforderungen an die Informationen in elektronischen Programmen für die Verordnung von Arzneimitteln durch Vertragsärzte und über die Veröffentlichung der Beschlüsse des Gemeinsamen Bundesausschusses (Elektronische Arzneimittelinformationen-Verordnung) ; EAMIVÄndV: Verordnung zur Änderung der Elektronische Arzneimittelinformationen-Verordnung ; eANV: Elektronisches Abfallnachweisverfahren ; eAO: einstweilige Anordnung ; EAO: Erreichbarkeitsanordnung ; EAPatV: Verordnung über die elektronische Aktenführung bei dem Deutschen Patent- und Markenamt, dem Patentgericht und dem Bundesgerichtshof ; EAR: Europäische Agentur für den Wiederaufbau der EU (engl.: European Agency for Reconstruction) ; E/A-Rechnung: Einnahmen-Ausgaben-Rechnung (Österreich) ; EASA: Europäische Agentur für Flugsicherheit der EU (engl.: European Aviation Safety Agency – EASA) ; EASA-FCL: Verordnung (EU) Nr. 1178/2011 der Kommission vom 3. November 2011 zur Festlegung technischer Vorschriften und von Verwaltungsverfahren in Bezug auf das fliegende Personal in der Zivilluftfahrt gemäß der Verordnung (EG) Nr. 216/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates ; EASO: Europäisches Unterstützungsbüro für Asylfragen ; eAT: Elektronischer Aufenthaltstitel ; EAÜ: Elektronische Aufenthalts-Überwachung (siehe Elektronische Fußfessel) ; EAV: Eidgenössische Alkoholverwaltung (franz. Régie fédérale des alcools, ital. Regìa federale degli alcool) oder Einzelarbeitsvertrag (nach schweizerischem Obligationenrecht. OR 319ff) oder Ergebnisabführungsvertrag im deutschen Steuer- und Gesellschaftsrecht oder Eignungsauswahlverfahren bei der Bundespolizei, der Polizei der Länder und dem Zoll ; EAVG: Energieausweis-Vorlage-Gesetz (Österreich) ; EAZV: Verordnung zur Regelung der Arbeitszeit der den Gesellschaften des Deutsche-Bahn-Konzerns zugewiesenen Beamtinnen und Beamten des Bundeseisenbahnvermögens ; EAZW: Eidgenössisches Amt für das Zivilstandswesen ; EB: Empfangsbekenntnis oder Erziehungsbeistand oder EröffnungsBilanz oder Erziehungsberatung oder Exekutivbediensteter oder europa-blätter (Zeitschrift) oder Einfuhrbewilligung ; EBA: Eisenbahn-Bundesamt oder Europäische Bankenaufsichtsbehörde (engl.: European Banking Authority) oder Europäischer Berufsausweis (engl.: EPC – European Professional Card) ; EBABGebV: Besondere Gebührenverordnung des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur für individuell zurechenbare öffentliche Leistungen des Eisenbahn-Bundesamtes, der benannten Stelle und der bestimmten Stelle ; eBAnzV: Verordnung über die Übertragung der Führung des Unternehmensregisters ; EBAO: Einforderungs- und Beitreibungsanordnung ; EBArbSchV: Verordnung über die Übertragung von Zuständigkeiten im Bereich des technischen Arbeitsschutzes bei Eisenbahnen des Bundes (Eisenbahn-Arbeitsschutzzuständigkeitsverordnung) ; EBDD: Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (engl.: European Monitoring Centre for Drugs and Drug Addiction – EMCDDA) ; EBE: Einzelbetriebserlaubnis ; EBE/BGH: Eildienst: Bundesgerichtliche Entscheidungen – Die Entscheidungen des BUNDESGERICHTSHOF (Zeitschrift) ; EBE/BAG: Eildienst: Bundesgerichtliche Entscheidungen – Die Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichtes (Zeitschrift) ; EbertStiftG: Gesetz über die Errichtung einer Stiftung Reichspräsident-Friedrich-Ebert-Gedenkstätte ; EBeV: Verordnung über die Emissionsberichterstattung nach dem Brennstoffemissionshandelsgesetz für die Jahre 2023 bis 2030 (Emissionsberichterstattungsverordnung 2030) ; EBG: Eisenbahngesetz (Schweiz) oder Bundesgesetz über die Haltung von Mindestvorräten an Erdöl und Erdölprodukten (Erdölbevorratungsgesetz 2012) (Österreich) (siehe Strategische Ölreserve) ; EBGB: Eidgenössisches Büro für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen (Schweiz) ; EBHaftPflV: Eisenbahnhaftpflichtversicherungsverordnung ; EBI: Europäische Bürgerinitiative ; EBIG: Gesetz zur Europäischen Bürgerinitiative (Deutschland) oder Bundesgesetz über die Durchführung von Europäischen Bürgerinitiativen (Europäische-Bürgerinitiative-Gesetz) (Österreich) ; EBIGÄndG: Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Europäischen Bürgerinitiative ; EBKrG: Gesetz über Kreuzungen von Eisenbahnen und Straßen (Eisenbahnkreuzungsgesetz) ; EBL: Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (engl.: European Food Safety Authority – EFSA) oder Eisenbahnbetriebsleiter ; eBO: Elektronisches Bürger- und Organisationenpostfach ; EBO: Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung ; EBOA: Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung für Anschlussbahnen ; EBPensNOG: Gesetz zur Neuordnung der Pensionskasse Deutscher Eisenbahnen und Straßenbahnen ; EBPfSchG: Gesetz, betreffend die Unzulässigkeit der Pfändung von Eisenbahnfahrbetriebsmitteln ; EBPV: Eisenbahnbetriebsleiter-Prüfungsverordnung ; EBR: Europäischer Betriebsrat ; EBRD: Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (kurz EBWE oder EBRD, von engl.: European Bank for Reconstruction and Development) ; EBRG: Europäische Betriebsräte-Gesetz (Gesetz über Europäische Betriebsräte; Artikel 1 des Gesetzes über Europäische Betriebsräte) (siehe Europäischer Betriebsrat) ; EBV: Eigentümer-Besitzer-Verhältnis oder Eisenbahnbetriebsleiterverordnung oder Verordnung zur Erstellung einer Entgeltbescheinigung nach § 108 Absatz 3 Satz 1 der Gewerbeordnung (Entgeltbescheinigungsverordnung) oder Erdölbevorratungsverband ; EBWE: Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (kurz EBWE oder EBRD, von engl.: European Bank for Reconstruction and Development) ; EBZugV: Eisenbahnunternehmer-Berufszugangsverordnung ; ECAC: Europäische Zivilluftfahrt-Konferenz (englisch: European Civil Aviation Conference (ECAC), französisch: Conférence Européenne de l'Aviation Civile (CEAC)) ; ECB: Europäische Zentralbank (engl.: European Central Bank – ECB; franz.: Banque centrale européenne – BCE) oder Europäisches Büro für Chemische Stoffe (engl.: European Chemicals Bureau – ECB) ; ECBA: European cross-border association (dt.: Europäischer grenzüberschreitender Verein) ; ECCHR: European Center for Constitutional and Human Rights (deutsch: Europäisches Zentrum für Verfassungs- und Menschenrechte) ; ECCL: European Company Case Law (Zeitschrift) ; ECDC: Europäisches Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (engl.: European Centre for Disease Prevention and Control) ; ECE: Economic Commission for Europe ; ECFR: European Company and Financial Law Review (Zeitschrift) ; ECHA: European Chemicals Agency (dt.: Europäische Chemikalienagentur) ; ECHVertr: Vertrag über die Energiecharta ; ECHVertrProt: Energiechartaprotokoll über Energieeffizienz und damit verbundene Umweltaspekte ; ECHVertrSchlA: Schlussakte der Europäischen Energiechartakonferenz ; ECIP: Europäisches Zollinformationsportal (engl.: European Customs Information Portal – ECIP) ; ECLI: European Case Law Identifier (deutsch: Europäischer Rechtsprechungs-Identifikator) ; ECM: Entity in Charge of Maintenance (Dt.: die für die Instandhaltung zuständige Stelle) ; ECMT: Europäische Verkehrsministerkonferenz (engl.: European Conference of Ministers of Transport; franz.: Conférence Européenne des Ministres des Transports (CEMT)) ; ECMZ: ECM-Zertifizierungsstelle ; ECOFIN: Rat für Wirtschaft und Finanzen (offiziell: Rat „Wirtschaft und Finanzen“) ; EComFPrV: Verordnung über die Prüfung zum anerkannten Fortbildungsabschluss Geprüfter Fachwirt im E-Commerce oder Geprüfte Fachwirtin im E-Commerce ; EComKflAusbV: Verordnung über die Berufsausbildung zum Kaufmann im E-Commerce und zur Kauffrau im E-Commerce ; E-ControlG: Bundesgesetz über die Regulierungsbehörde in der Elektrizitäts- und Erdgaswirtschaft (Energie-Control-Gesetz) (Österreich) ; ECOSOC: Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen (engl.: Economic and Social Council – ECOSOC; franz.: Conseil économique et social de l’ONU) ; ECRI: Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (engl.: European Commission against Racism and Intolerance, kurz ECRI) ; ECTS: European Credit Transfer System (dt.: Europäisches System zur Übertragung und Akkumulierung von Studienleistungen) ; ECU: Europäische Währungseinheit (englisch ECU = European Currency Unit) ; ECVRR: European Centralized Virtual Vehicle Register (dt.: Europäisches Fahrzeugeinstellungsregister – EVR) ; ECX: European Climate Exchange ; ED: Erkennungsdienst, erkennungsdienstlich (siehe Erkennungsdienstliche Behandlung) ; EDA: Europäische Demokratische Anwälte oder European Defence Agency (Agentur für die Bereiche Entwicklung der Verteidigungsfähigkeiten, Forschung, Beschaffung und Rüstung der EU (= Europäische Verteidigungsagentur) – EVA) oder Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (franz. Département fédéral des affaires étrangères, ital. Dipartimento federale degli affari esteri, rät. Departament federal d’affars exteriurs) ; EdelstGrMstrV: Verordnung über das Berufsbild und über die Prüfungsanforderungen im praktischen und im fachtheoretischen Teil der Meisterprüfung für das Edelsteingraveur-Handwerk ; EdF: Entziehung der Fahrerlaubnis (siehe Entziehung und Neuerteilung der Fahrerlaubnis) ; EDI: Electronic Data Interchange (elektronischer Datenaustausch) oder Eidgenössisches Departement des Innern (franz. Département fédéral de l’intérieur, ital. Dipartimento federale dell’interno, rät. Departament federal da l’intern) ; EDL-G: Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Energieeffizienz und Energiedienstleistungen ; EdlStFAusbV: Verordnung über die Berufsausbildung zum Edelsteinfasser/zur Edelsteinfasserin (Edelsteinfasser-Ausbildungsverordnung) ; EDÖB: Eidgenössischer Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragter (französisch Préposé fédéral à la protection des données et à la transparence, italienisch Incaricato federale della protezione dei dati e della trasparenza) ; EDPS: Europäischer Datenschutzbeauftragter (EDSB) (aus dem Englischen: EDPS – European Data Protection Supervisor; franz.: CEPD – Contrôleur européen de la protection des données) ; EDQM: Europäisches Direktorat für die Qualität von Arzneimitteln (engl.: European Directorate for the Quality of Medicines & HealthCare (EDQM), franz.: Direction européenne de la qualité du médicament et soin de santé) ; EDSA: Europäischer Datenschutzausschuss ; EDSB: Europäischer Datenschutzbeauftragter (engl.: EDPS – European Data Protection Supervisor; franz.: CEPD – Contrôleur européen de la protection des données) oder Eidgenössischer Datenschutzbeauftragter ; EdSchleifAusbV: Verordnung über die Berufsausbildung zum Edelsteinschleifer und zur Edelsteinschleiferin ; EDU: European Drug Unit ; EdV: Ende der Verhandlung ; EDV: Elektronische Datenverarbeitung ; EDVGT: EDV-Gerichtstag ; EdW: Entschädigungseinrichtung der Wertpapierhandelsunternehmen ; EdWBeitrV: Verordnung über die Beiträge zu der Entschädigungseinrichtung der Wertpapierhandelsunternehmen bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau ; EE: Einsatzeinheit (Österreich) oder Erbrecht effektiv (Zeitschrift) ; EEA: Einheitliche Europäische Akte oder Europäische Umweltagentur (engl.: European Environment Agency (EEA)) oder Europäische Ermittlungsanordnung oder European Economic Area (Europäischer Wirtschaftsraum) ; EEÄndG: Entlassungsentschädigungs-Änderungsgesetz ; EEAR: Europäische EDV-Akademie des Rechts ; EEAS: Europäischer Auswärtiger Dienst (engl.: European External Action Service) ; EEE: Einrichtungsbezogener Eigenanteil oder Einheitliche Europäische Eigenerklärung (ein in Umsetzung der RL 2014/24/EU neu eingefügtes Institut im europäischen Vergaberecht zur Feststellung der Eignung der Bieter) ; EEffG: Bundesgesetz über die Steigerung der Energieeffizienz bei Unternehmen und dem Bund (Bundes-Energieeffizienzgesetz) (Österreich) ; EEG: Erneuerbare-Energien-Gesetz (Gesetz für den Vorrang Erneuerbarer Energien) ; EEMD-ZV: Verordnung über die Zulassung von Anbietern mautdienstbezogener Leistungen für das EETS-Gebiet Bundesfernstraßenmautgesetz ; EEP: Energieeffizienzplan ; EES: Einreise-/Ausreisesystem nach der Verordnung (EU) 2017/2226 ; EESDG: Gesetz zur Durchführung des Einreise-/Ausreisesystems nach der Verordnung (EU) 2017/2226 (EES-Durchführungsgesetz) ; EETS: European Electronic Toll Service (dt.: Elektronisches Register für den europäischen elektronischen Mautdienst) ; EEV: Verordnung zur Durchführung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes und des Windenergie-auf-See-Gesetzes ; EEX: European Energy Exchange ; EFA: Europäisches Fürsorgeabkommen vom 11. Dezember 1953 ; Efb: Entsorgungsfachbetrieb ; EfbV: Entsorgungsfachbetriebeverordnung (Verordnung über Entsorgungsfachbetriebe) ; EFCA: European Fisheries Control Agency (deutsch: Europäische Fischereiaufsichtsagentur) ; EFD: Europäischer Freiwilligendienst (engl.: European Voluntary Service – EVS) oder Eidgenössisches Finanzdepartement (Schweiz) (franz. Département fédéral des finances, ital. Dipartimento federale delle finanze, rät. Departament federal da finanzas) ; EFDA: European Fusion Development Agreement ; EFG: Entscheidungen der Finanzgerichte (Zeitschrift) ; EFK: Eidgenössische Finanzkontrolle (siehe Rechnungshof#Schweiz) ; EFPV: Verordnung über die Einsatzbedingungen des fahrenden Personals im interoperablen grenzüberschreitenden Eisenbahnverkehr (Eisenbahn-Fahrpersonalverordnung) ; EFR: Europäischer Forschungsraum (engl.: European Research Area – ERA) ; EFRAG: European Financial Reporting Advisory Group ; EFRE: Europäischer Fonds für regionale Entwicklung ; EFSF: Europäische Finanzstabilisierungsfazilität ; EFSA: Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (engl.: European Food Safety Authority – EFSA) ; EFSM: Europäischer Finanzstabilisierungsmechanismus (siehe Euro-Rettungsschirm) ; EFTA: Europäische Freihandelsassoziation (engl.: European Free Trade Association) ; EFV: Eidgenössische Finanzverwaltung ; EF-VO: Einreise-Freimengen-Verordnung (siehe Reisefreimenge) ; EFZ: Ehefähigkeitszeugnis (Deutschland) oder Eidgenössisches Fähigkeitszeugnis oder Eingeschränktes Funksprechzeugnis (siehe Sprechfunkzeugnis (Luftfahrt)) oder Entgeltfortzahlung (siehe Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall) oder Erweitertes Führungszeugnis ; EFZG: Entgeltfortzahlungsgesetz (Gesetz über die Zahlung des Arbeitsentgelts an Feiertagen und im Krankheitsfall) (auch EntgFG) ; eG: eingetragene Genossenschaft ; EG: Europäische Gemeinschaft (jetzt nur noch Europäische Union (EU)) oder EG-Vertrag oder Einführungsgesetz oder Entschädigungsgesetz oder Entgeltgruppe ; eGA: Elektronische Gesundheitsakte ; EGAHiG: EG-Amtshilfe-Gesetz ; EGAktG: Einführungsgesetz zum Aktiengesetz ; EGAO: Einführungsgesetz zur Abgabenordnung ; EG-BewVO: Verordnung (EG) Nr. 1206/2001 […] über die Zusammenarbeit […] auf dem Gebiet der Beweisaufnahme in Zivil- und Handelssachen ; EGB: Europäischer Gewerkschaftsbund ; EGBGB: Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche ; EGBNichtrSchG: Gesetz zum Schutz vor den Gefahren des Passivrauchens ; EG-EStRG: Einführungsgesetz zum Einkommensteuerreformgesetz ; EG-FGV: Verordnung über die EG-Genehmigung für Kraftfahrzeuge und ihre Anhänger sowie für Systeme, Bauteile und selbstständige technische Einheiten für diese Fahrzeuge (EG-Fahrzeuggenehmigungsverordnung) ; EGFL: Europäischer Garantiefonds für die Landwirtschaft ; EGGenTDurchfG: Gentechnikdurchführungsgesetz ; EGGVG: Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz ; EGH: Ehrengerichtshof ; EGHGB: Einführungsgesetz zum Handelsgesetzbuch ; EGInsO: Einführungsgesetz zur Insolvenzordnung (Deutschland) ; EG-InsVO: Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 […] über Insolvenzverfahren ; eGK: Elektronische Gesundheitskarte ; EGL: Ermächtigungsgrundlage ; EGKS: Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl ; EG-MahnVO: Verordnung (EG) […] zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens ; EGMR: Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte ; EG-ObstGemüseV: Verordnung über EU-Normen für Obst und Gemüse ; EGovG: Gesetz zur Förderung der elektronischen Verwaltung (E-Government-Gesetz (Deutschland)) ; EGOWiG: Einführungsgesetz zum Gesetz über Ordnungswidrigkeiten ; EG-PKHVV: Verordnung zur Einführung eines Vordrucks für die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bei Prozesskostenhilfe sowie eines Vordrucks für die Übermittlung der Anträge auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe im grenzüberschreitenden Verkehr (EG-Prozesskostenhilfevordruckverordnung) ; EGRDG: Einführungsgesetz zum Rechtsdienstleistungsgesetz ; EgRL: Entsorgergemeinschaftenrichtlinie (Richtlinie für die Tätigkeit und Anerkennung von Entsorgergemeinschaften) ; EGRL: EG-Richtlinie ; eGruV0 NRW: Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr mit den Grundbuchämtern und die elektronische Führung der Grundakten im Land Nordrhein-Westfalen (eGrundakten-Einführungsverordnung NRW) ; EGScheckG: Einführungsgesetz zum Scheckgesetz ; EGStGB: Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch ; EGStPO: Einführungsgesetz zur Strafprozessordnung ; EGV: Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (abgelöst durch EUV aufgrund des Vertrages von Lissabon) oder Eingliederungsvereinbarung ; EGVerfVerbDV: EG-Verfütterungsverbotsdurchführungsverordnung (Verordnung zur Durchführung des gemeinschaftlichen Verfütterungsverbotsrechts) ; EGVG: Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 2008 (Österreich) ; EG-VollstrTitelVO: Verordnung (EG) Nr. 805/2004 […] zur Einführung eines europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen ; EGVP: Elektronisches Gerichts- und Verwaltungspostfach ; EGVVG: Einführungsgesetz zum Versicherungsvertragsgesetz (Deutschland) ; EGWG: Einführungsgesetz zum Wechselgesetz ; EGWStG: Einführungsgesetz zum Wehrstrafgesetz ; EGZPO: Einführungsgesetz zur Zivilprozessordnung ; EG-ZustellVO: Zustellungsverordnung (Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 […] über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten) ; EGZVG: Einführungsgesetz zum ZVG ; EHB (auch EuHB): Europäischer Haftbefehl ; EHEA: Europäische Hochschulraum (engl.: European Higher Education Area – EHEA) ; EheG: Ehegesetz (Deutschland) oder Ehegesetz (Österreich) ; EheRG: Eherechts-Reformgesetz ; EheGVVO: Ehe-Gerichtsstands- und Vollstreckungsverordnung (Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 […] über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000) ; EhfG: Entwicklungshelfer-Gesetz ; EhrAmtStG: Ehrenamtsstärkungsgesetz ; EhrRiEG (EhrRiEntschG): Gesetz über die Entschädigung der ehrenamtlichen Richter (aufgehoben, jetzt: JVEG) ; EHUG: Gesetz über elektronische Handelsregister und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister ; EHV: Verordnung zur Durchführung des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes in der Handelsperiode 2021 bis 2030 (Emissionshandelsverordnung 2030) ; EIB: Europäische Investitionsbank ; EIBV: Eisenbahninfrastruktur-Benutzungsverordnung (aufgehoben; abgelöst seit dem 2. September 2016 durch das Eisenbahnregulierungsgesetz (ERegG)) ; EichG: Eichgesetz (aufgehoben; jetzt Mess- und Eichgesetz (MessEG)) ; EichO: Eichordnung (aufgehoben; jetzt Mess- und Eichverordnung (MessEV)) ; eID: elektronischer Identitätsnachweis ; eID-Karte-Gesetz: Gesetz über eine Karte für Unionsbürger und Angehörige des Europäischen Wirtschaftsraums mit Funktion zum elektronischen Identitätsnachweis ; eIDAS: elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen (IVT) (engl.: electronic IDentification, Authentication and trust Services) (siehe auch Verordnung (EU) Nr. 910/2014 (eIDAS-Verordnung)) ; EIF: Europäischer Investitionsfonds ; EigenBetrVO: Eigenbetriebsverordnung ; EIGV: Verordnung über die Erteilung von Inbetriebnahmegenehmigungen für das Eisenbahnsystem (Eisenbahn-Inbetriebnahmegenehmigungsverordnung) ; EigZulG: Eigenheimzulagengesetz (siehe Eigenheimzulage) ; EINECS: European Inventory of Existing Commercial Chemical Substances (= Altstoffverzeichnis der EU) ; EinhV: Einheitenverordnung (Ausführungsverordnung zum Gesetz über die Einheiten im Messwesen und die Zeitbestimmung) ; EinhZeitG (EinhG): Einheiten- und Zeitgesetz ; EinigungsStVV: Einigungsstellen-Verfahrensverordnung ; EinglMV: Verordnung über andere und ergänzende Maßstäbe zur Verteilung der Mittel für Eingliederungsleistungen und für Verwaltungskosten zur Durchführung der Grundsicherung für Arbeitsuchende (Eingliederungsmittel-Verordnung) ; EinglVerbG: Gesetz zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt ; EinsatzVG: Einsatzversorgungsgesetz (Gesetz zur Regelung der Versorgung bei besonderen Auslandsverwendungen) ; EinsatzVVerbG: Einsatzversorgungs-Verbesserungsgesetz (Gesetz zur Verbesserung der Versorgung bei besonderen Auslandsverwendungen) ; EinsatzWVG: Einsatz-Weiterverwendungsgesetz (Gesetz zur Regelung der Weiterverwendung nach Einsatzunfällen) ; EinSiG: Einlagensicherungsgesetz ; einstw.: einstweilig ; EinwV: Verordnung über Dienste zur Einwilligungsverwaltung nach dem Telekommunikation-Digitale-Dienste-Datenschutz-Gesetz (Einwilligungsverwaltungsverordnung) ; EIOPA: Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung (engl.: European Insurance and Occupational Pensions Authority – EIOPA) ; EIRD: Implantateregister-Errichtungsgesetz ; EisbG: Eisenbahngesetz 1957 (Österreich) ; EisbVO: Eisenbahnverordnung (Österreich) ; EIU: Eisenbahninfrastrukturunternehmen ; EJDM: Europäische Vereinigung von Juristinnen und Juristen für Demokratie und Menschenrechte in der Welt e. V. ; EJG: Eurojust-Gesetz ; EJN: Europäisches Justizielles Netz (engl.: European Judicial Network) ; EJPD: Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement (franz. Département fédéral de justice et police, ital. Dipartimento federale di giustizia e polizia, rät. Departament federal da giustia e polizia) ; EJTAnV: Eurojust-Anlaufstellen-Verordnung (Verordnung über die Benennung und Einrichtung der nationalen Eurojust-Anlaufstelle für Terrorismusfragen) ; EJTN: European Judicial Training Network ; e. K. (e. Kfr./Kfm.): eingetragener Kaufmann ; EK: Eigenkapital oder Eisenbahnkreuzung (Österreich) ; EKAG: Bundesgesetz, mit dem ein Energiekostenausgleich eingeführt wird (Energiekostenausgleichsgesetz) (Österreich) ; EKD: Evangelische Kirche in Deutschland ; EKEG: Eigenkapitalersatz-Gesetz (Österreich) ; EKF: Elektrokleinstfahrzeug ; eKFV: Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung ; EKHG: Eisenbahn- und Kraftfahrzeug-Haftpflichtgesetz (Österreich) ; EKMR: Europäische Kommission für Menschenrechte ; EKO-Cobra: Einsatzkommando Cobra (Österreich) ; EKrG: Gesetz über Kreuzungen von Eisenbahnen und Straßen (Eisenbahnkreuzungsgesetz) ; EKS: Evangelisch-reformierte Kirche Schweiz ; EL: Ergänzungslieferung ; ElCom: Eidgenössische Elektrizitätskommission (franz. Commission fédérale de l’électricité, ital. Commissione federale dell’energia elettrica) ; EleG: Elektrizitätsgesetz (Schweiz) ; ElektroG: Elektro- und Elektronikgerätegesetz ; ElektroGGebV: Gebührenverordnung zum Elektro- und Elektronikgerätegesetz (Elektro- und Elektronikgerätegesetz-Gebührenverordnung) ; ElektroMbMstrV: Verordnung über die Meisterprüfung in den Teilen I und II im Elektromaschinenbauer-Handwerk (Elektromaschinenbauermeisterverordnung) ; ElektroStoffV: Verordnung zur Beschränkung der Verwendung gefährlicher Stoffe in Elektro- und Elektronikgeräten (Elektro- und Elektronikgeräte-Stoff-Verordnung) ; ElektroTechMstrV: Verordnung über die Meisterprüfung in den Teilen I und II im Elektrotechniker-Handwerk (Elektrotechnikermeisterverordnung) ; ELER: Europäischer Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums ; ElexV: Verordnung über elektrische Anlagen in explosionsgefährdeten Bereichen ; ELGA: Elektronische Gesundheitsakte (Österreich) ; ElGVG: Gesetz zur Vereinheitlichung von Vorschriften über bestimmte elektronische Informations- und Kommunikationsdienste (Elektronischer-Geschäftsverkehr-Vereinheitlichungsgesetz) ; ELR: European Law Reporter (Zeitschrift) ; ELStAM: Elektronische Lohnsteuerabzugsmerkmale ; ELSTER: elektronische Steuererklärung – ELSTER ; EltLastV: Elektrizitätslastverteilungs-Verordnung ; EltSV: Elektrizitätssicherungsverordnung ; EltZSoldV : Elternzeitverordnung für Soldatinnen und Soldaten ; ELWIS: Elektronisches Wasserstraßen-Informationssystem (siehe ELWIS) ; ElWOG: Bundesgesetz, mit dem die Organisation auf dem Gebiet der Elektrizitätswirtschaft neu geregelt wird (Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz 2010) (Österreich), soll ab 2024 oder später ersetzt werden durch das ElWG. ; ElWG : Elektrizitätswirtschaftsgesetz (2024 oder später kommend, ersetzt das ElWOG, Österreich) ; EMA: Einwohnermeldeamt oder Einwohnermeldeauskunft oder Europäische Arzneimittel-Agentur (englisch European Medicines Agency – EMA) ; EMAS: Eco Management and Audit Scheme ; EMASPrivilegV: Verordnung über immissionsschutz- und abfallrechtliche Überwachungserleichterungen für nach der Verordnung (EG) Nr. 761/2001 registrierte Standorte und Organisationen (EMASPrivilegierungs-Verordnung) ; EMCDDA: Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (engl.: European Monitoring Centre for Drugs and Drug Addiction) ; EMCS: Excise Movement and Control System(ECMS) (dt.: Beförderungs- und Kontrollsystem für verbrauchsteuerpflichtige Waren) ; EMEA: Europäische Arzneimittel-Agentur ; EMFA: European Media Freedom Act (VO (EU) 2024/1083 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 11.4.2024 zur Schaffung eines gemeinsamen Rahmens für Mediendienste im Binnenmarkt und zur Änderung der RL 2010/13/EU (dt.: Europäisches Medienfreiheitsgesetz)) ; EMFAF: Europäischer Meeres-, Fischerei- und Aquakulturfonds (engl.: European Maritime, Fisheries and Aquaculture Fund) ; EMFU: Verordnung über elektromagnetische Felder (= 26. BImSchV) ; EMFV: Verordnung zum Schutz der Beschäftigten vor Gefährdungen durch elektromagnetische Felder (Arbeitsschutzverordnung zu elektromagnetischen Feldern) ; EmoG: Elektromobilitätsgesetz ; EMP: Europäische Mediterrane Partnerschaft ; EMRK: Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte ; EMS: Epidemiologisches Meldesystem (Österreich) ; EMSA: Europäische Agentur für die Sicherheit des Seeverkehrs der EU () ; EmsSchEV: Schifffahrtsordnung Ems-Einführungsverordnung ; EmsSchO: Schifffahrtordnung Ems ; EMV: Elektromagnetische Verträglichkeit ; EMVBeitrV: Verordnung über Beiträge nach dem Gesetz über die elektromagnetische Verträglichkeit von Geräten ; EMVG: Gesetz über die elektromagnetische Verträglichkeit von Betriebsmitteln ; EMVU: Elektromagnetische Umweltverträglichkeit ; EMZ: Ertragsmesszahl (siehe Bodenschätzung) ; EN: Europäische Norm ; ENA: Europäisches Niederlassungsabkommen ; EndlagerVlV: Endlager-Vorausleistungs-Verordnung (Verordnung über Vorausleistungen für die Einrichtung von Anlagen des Bundes zur Sicherstellung und zur Endlagerung radioaktiver Abfälle) ; EnEfG: Gesetz zur Steigerung der Energieeffizienz in Deutschland (Energieeffizienzgesetz (Deutschland)) ; EnEG: Energieeinsparungsgesetz (Gesetz zur Einsparung von Energie in Gebäuden) ; EnergieStG: Energiesteuergesetz ; EnergieStSenkG: Gesetz zur Änderung des Energiesteuerrechts zur temporären Absenkung der Energiesteuer für Kraftstoffe (Energiesteuersenkungsgesetz) ; EnergieStV: Verordnung zur Durchführung des Energiesteuergesetzes (Energiesteuer-Durchführungsverordnung) ; ENeuOG: Eisenbahnneuordnungsgesetz ; EnEV: Energieeinsparverordnung ; EnFG: Gesetz zur Finanzierung der Energiewende im Stromsektor durch Zahlungen des Bundes und Erhebung von Umlagen (Energiefinanzierungsgesetz) ; EnG: Energiegesetz (Schweiz) ; ENISA: Europäische Agentur für Netz- und Informationssicherheit der EU () ; EnLAG: Gesetz zum Ausbau von Energieleitungen (Energieleitungsausbaugesetz) ; EnLG: Bundesgesetz über Lenkungsmaßnahmen zur Sicherung der Energieversorgung (Energielenkungsgesetz 2012) (Österreich) ; ENP: Europäische Nachbarschaftspolitik ; EnSiG: Gesetz zur Sicherung der Energieversorgung bei Gefährdung oder Störung der Einfuhren von Erdöl, Erdölerzeugnissen oder Erdgas (Energiesicherungsgesetz) ; EnSikuMaV: Verordnung zur Sicherung der Energieversorgung über kurzfristig wirksame Maßnahmen (Kurzfristenergieversorgungssicherungsmaßnahmenverordnung) ; EnSimiMaV: Verordnung zur Sicherung der Energieversorgung über mittelfristig wirksame Maßnahmen (Mittelfristenergieversorgungssicherungsmaßnahmenverordnung) ; EnSiTrV: Verordnung zur priorisierten Abwicklung von schienengebundenen Energieträgertransporten zur Sicherung der Energieversorgung (Energiesicherungstransportverordnung) ; EnStatG: Energiestatistikgesetz ; EntgFG: Entgeltfortzahlungsgesetz (Gesetz über die Zahlung des Arbeitsentgelts an Feiertagen und im Krankheitsfall) (auch EFZG) ; EntgTranspG: Gesetz zur Förderung der Entgelttransparenz zwischen Männern und Frauen (Entgelttransparenzgesetz) ; EntlG: Entlastungsgesetz ; EntschRG: Entschädigungsrentengesetz ; EntsorgÜG: Gesetz zur Regelung des Übergangs der Finanzierungs- und Handlungspflichten für die Entsorgung radioaktiver Abfälle der Betreiber von Kernkraftwerken (Entsorgungsübergangsgesetz) ; EntwLStG: Entwicklungsländer-Steuergesetz (Gesetz über steuerliche Maßnahmen zur Förderung von privaten Kapitalanlagen in Entwicklungsländern) ; EnVHV: Verordnung über Energieverbrauchshöchstwerte von Haushaltskühl- und Haushaltsgefriergeräten ; EnVKG: Energieverbrauchskennzeichnungsgesetz ; EnVKV: Verordnung über die Kennzeichnung von Haushaltsgeräten mit Angaben über den Verbrauch an Energie und anderen wichtigen Ressourcen (Energieverbrauchskennzeichnungsverordnung) ; EnWG: Energiewirtschaftsgesetz (Gesetz über die Elektrizitäts- und Gasversorgung) ; EnWGKostV: Verordnung über die Gebühren und Auslagen für Amtshandlungen der Bundesnetzagentur nach dem Energiewirtschaftsgesetz (Energiewirtschaftskostenverordnung) ; EnWG-SubVO: Verordnung zur Subdelegation der Verordnungsermächtigung nach Energiewirtschaftsgesetz ; EnWNG: Gesetz zur Neuregelung energiewirtschaftsrechtlicher Vorschriften ; EnWZ: Zeitschrift für das gesamte Recht der Energiewirtschaft ; ENZ: Europäisches Nachlasszeugnis ; EO: Eichordnung oder Exekutionsordnung (Österreich) oder Erwerbsersatzordnung (Schweiz) ; EOTA: Europäischen Organisation für Technische Bewertung (European Organisation for Technical Assessment – EOTA) (siehe Europäische Technische Zulassung) ; EP: Europäisches Parlament oder Europäisches Patent oder Einheitspapier (siehe Zollanmeldung) ; ePA: Elektronische Patientenakte ; EPA: Europäisches Patentamt (siehe Europäische Patentorganisation) oder Europäische Polizeiakademie (auch CEPOL für franz.: Collège Européen de Police) oder Eidgenössisches Personalamt oder Wirtschaftspartnerschaftsabkommen der EU (engl.: Economic Partnership Agreements) oder Einheitspreisabkommen ; EPBD: EU-Gebäuderichtlinie (engl.: Energy Performance of Buildings Directive – EPBD) ; EPC: European Professional Card (dt.: Europäischer Berufsausweis) ; EPER: Europäisches Schadstoffemissionsregister (engl.: European Pollutant Emission Register – EPER) ; EpG: Bundesgesetz über die Bekämpfung übertragbarer Krankheiten des Menschen (Epidemiengesetz) (Schweiz) ; EPG: Europäische Politische Gemeinschaft oder Eingetragene Partnerschaft-Gesetz (Österreich) oder Europäische Privatgesellschaft oder Einheitliches Patentgericht ; EPGÜ: Übereinkommen über ein Einheitliches Patentgericht ; EPLA: Europäisches Übereinkommen über Patentstreitigkeiten (engl.: European Patent Litigation Agreement – EPLA) ; EPLJ: European Property Law Journal (Zeitschrift) ; EPLP: European Patent Litigation in Practice (Zeitschrift) ; EPO: Europäische Patentorganisation ; EPPSG: Gesetz zur Zahlung einer einmaligen Energiepreispauschale für Studierende, Fachschülerinnen und Fachschüler sowie Berufsfachschülerinnen und Berufsfachschüler in Bildungsgängen mit dem Ziel eines mindestens zweijährigen berufsqualifizierenden Abschlusses (Studierenden-Energiepreispauschalengesetz) ; EPR: Europäische Gefängnisregeln (engl.: European Prison Rules – EPR) ; E-PS: Europäische Patentschrift (siehe Europäisches Patent) ; EPSCO: Rat für Beschäftigung, Sozialpolitik, Gesundheit und Verbraucherschutz der EU (BeSoGeKo) (engl.: Employment, Social Policy, Health and Consumer Affairs Council – EPSCO) ; EPÜ: Europäisches Patentübereinkommen (englisch: European Patent Litigation Agreement – EPLA) ; EPZ: Europäische Politische Zusammenarbeit ; EQ: Einstiegsqualifizierung ; EQJ: Einstiegsqualifizierung Jugendlicher ; ER: Einstweiliger Rechtsschutz oder Ermittlungsrichter oder Einzelrichter oder Europäischer Rat oder Europarat (englisch Council of Europe, franz. Conseil de l’Europe) oder EnergieRecht. Zeitschrift für die gesamte Energierechtspraxis ; ERA: Europäische Eisenbahnagentur (engl.: European Railway Agency – ERA) oder Entgelt-Rahmenabkommen oder European Research Area (Europäischer Forschungsraum) oder Empfehlungen für Radverkehrsanlagen oder Europäische Rechtsakademie oder Einheitliche Richtlinien und Gebräuche für Dokumenten-Akkreditive (z. B. ERA 500) der Internationalen Handelskammer (ICC) Paris ; ERA-TV: Tarifvertrag über das Entgelt-Rahmenabkommen ; ERATV: European Register of Authorised Types of Vehicles (dt.: Europäisches Register genehmigter Fahrzeugtypen) ; ErbbauRG: Erbbaurechtsgesetz (vormals ErbbauV bzw. ErbbauVO (Verordnung über das Erbbaurecht)) ; ErbbauZ: Zeitschrift für Erbbaurecht ; ErbGleichG: Erbrechtsgleichstellungsgesetz ; ErbR: Zeitschrift für die gesamte erbrechtliche Praxis oder Erbrecht ; ErbStB: Der Erbschaftssteuer-Berater (Zeitschrift) ; ErbStDV 1998 (ErbStDVO): Erbschaftsteuer-Durchführungsverordnung ; ErbStG: Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz ; ErbStRG: Erbschaftssteuerreformgesetz (Gesetz zur Reform des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuerrechts) ; ERCC: Zentrum für die Koordination von Notfallmaßnahmen (engl.: Emergency Response Coordination Centre) ; ERCL: European Review of Contract Law (Zeitschrift) ; ErdölBevG: Gesetz über die Bevorratung mit Erdöl und Erdölerzeugnissen (Erdölbevorratungsgesetz) (siehe Strategische Ölreserve) ; ERechV: Verordnung über die elektronische Rechnungsstellung im öffentlichen Auftragswesen des Bundes (E-Rechnungsverordnung) ; ERegG: Eisenbahnregulierungsgesetz ; ERG: Exportrisikogarantie oder Einheitliche Richtlinien für auf Anforderung zahlbare Garantien der Internationalen Handelskammer (ICC) Paris ; ErgThAPrV: Ergotherapeuten-Ausbildungs- und Prüfungsverordnung (siehe Ergotherapeut) ; ERP: European Recovery Program (Europäisches Wiederaufbauprogramm, Marshallplan) oder Enterprise-Resource-Planning ; ERPWiPlanG: Gesetz über die Feststellung des Wirtschaftsplans des ERP-Sondervermögens (ERP-Wirtschaftsplangesetz) ; ErrV: Verordnung zur Regelung weiterer Voraussetzungen der Erreichbarkeit erwerbsfähiger Leistungsberechtigter nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (Erreichbarkeits-Verordnung) ; ErsatzbaustoffV: Verordnung über Anforderungen an den Einbau von mineralischen Ersatzbaustoffen in technische Bauwerke (Ersatzbaustoffverordnung) ; ErsDiG: Ersatzdienstgesetz (Gesetz über den Zivildienst der Kriegsdienstverweigerer) (aufgehoben; nunmehr Zivildienstgesetz (Deutschland) – ZDG) ; ErstrG: Erstreckungsgesetz ; ERTMS: European Rail Traffic Management System ; ERV: Einheitliche Richtlinien für Vertragsgarantien oder Elektronischer Rechtsverkehr ; ERVB: Elektronischer-Rechtsverkehr-Bekanntmachung ; ERVGerFöG: Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten ; ERVV: Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung) ; ErwSchG: Erwachsenenschutz-Gesetz (Österreich) ; ErwSÜ: Haager Übereinkommen über den internationalen Schutz von Erwachsenen vom 13. Januar 2000 ; ErzUrlV: Erziehungsurlaubsverordnung (Verordnung über Erziehungsurlaub für Bundesbeamte und Richter im Bundesdienst) ; eS: elterliche Sorge ; e.S.: eingetragene Stiftung ; ESA: Euratom-Versorgungsagentur der EU (engl.: Euratom Supply Agency – ESA) oder European Space Agency oder Europäisches System Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen (engl.: European System of Accounts – ESA) ; ESanMV: Verordnung zur Bestimmung von Mindestanforderungen für energetische Maßnahmen bei zu eigenen Wohnzwecken genutzten Gebäuden nach § 35c des Einkommensteuergesetzes (Energetische Sanierungsmaßnahmen-Verordnung) (siehe Energieeffizientes Gebäude) ; ESBO: Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung für Schmalspurbahnen ; ESC: Europäische Sozialcharta ; ESchG: Embryonenschutzgesetz ; ESD: Europäische Zinssteuerrichtlinie (engl.: European Savings Tax Directive – ESD) ; ESEF: European Single Electronic Format (siehe EU-einheitliches elektronisches Berichtsformat) ; ESF: Europäischer Sozialfonds ; ESFS: Europäisches Finanzaufsichtssystem (engl.: European System of Financial Supervision – ESFS) ; ESG: Ernährungssicherstellungsgesetz (aufgehoben) oder Environmental Social Governance (dt.: Umwelt, Soziales und Unternehmensführung) oder Zeitschrift für nachhaltige Unternehmensführung ; ESGZ: Zeitschrift für Nachhaltigkeit und Recht ; ESIS: Europäisches Standardisiertes Merkblatt ; ESiV: Eisenbahn-Sicherheitsverordnung ; ESM: Europäischer Stabilitätsmechanismus (engl.: rescue funding programm; umgangssprachlich Euro-Rettungsschirm) ; ESMA: Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (kurz ESMA von engl.: European Securities and Markets Authority) ; ESMFinG: Gesetz zur finanziellen Beteiligung am Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM-Finanzierungsgesetz) ; ESO (ESO 1959): Eisenbahn-Signalordnung ; ESRB: Europäischer Ausschuss für Systemrisiken (auch EU-Systemrisiko-Rat; European Systemic Risk Board – ESRB) ; ESRS: European Sustainability Reporting Standards (deutsch: Nachhaltigkeitsberichtserstattung) ; EssigV: Verordnung über den Verkehr mit Essig und Essigessenz ; ESt.: Einkommensteuer oder Einkommensteuer (Österreich) ; EStabG: Gesetz zur Übernahme von Gewährleistungen im Rahmen eines europäischen Stabilisierungsmechanismus (Euro-Stabilisierungsmechanismusgesetz) (auch StabMechG abgekürzt) ; EStDV: Einkommensteuer-Durchführungsverordnung ; EStG: Einkommensteuergesetz (Deutschland) oder Einkommensteuergesetz 1988 (Österreich) ; EStR: Einkommensteuer-Richtlinien ; EStRefG: Einkommensteuer-Reformgesetz ; EStSchlEV: Einkommensteuerschlüsselzahlenermittlungsverordnung ; ESTV: Eidgenössische Steuerverwaltung (franz. Administration fédérale des contributions, ital. Amministrazione federale delle contribuzioni) ; ESÜ: Luxemburger Europäisches Übereinkommen vom 20. Mai 1980 über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen über das Sorgerecht für Kinder und die Wiederherstellung des Sorgeverhältnisses () – kurz: Europäisches Sorgerechtsübereinkommen ; ESUG: Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen ; ESVG: Europäisches System Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen (engl.: European System of Accounts – ESA) oder Gesetz über die Sicherstellung der Grundversorgung mit Lebensmitteln in einer Versorgungskrise und Maßnahmen zur Vorsorge für eine Versorgungskrise (Ernährungssicherstellungs- und -vorsorgegesetz) ; ESVGH: Entscheidungssammlung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes Baden-Württemberg mit Entscheidungen der Staatsgerichtshöfe beider Länder ; ESVP: Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik ; ESZB: Europäisches System der Zentralbanken ; ET: Erörterungstermin ; et al.: et alii () ; ETA: Europäische Technische Zulassung (engl.: European Technical Approval – ETA) ; ETAG: Leitlinien für die Europäische Technische Zulassung ; ETBI: Erlaubnistatbestandsirrtum (auch: Erlaubnistatumstandsirrtum) ; ETCS: European Train Control System (dt.: Europäisches Zugbeeinflussungssystem) ; ETF: Europäische Stiftung für Berufsbildung (engl.: European Training Foundation) ; EthRG: Ethikratgesetz ; ETIAS: Europäisches Reiseinformations- und -genehmigungssystem nach der Verordnung (EU) 2018/1240 ; ETIASDG: Gesetz zur Durchführung des Europäischen Reiseinformations- und -genehmigungssystems nach der Verordnung (EU) 2018/1240 (ETIAS-Durchführungsgesetz) ; ETL: European Transport Law (Zeitschrift) ; ETR: Europäisches Transportrecht (Zeitschrift) ; ETSI: Europäisches Institut für Telekommunikationsnormen (engl.: European Telecommunications Standards Institute) ; ETZ: Europäische Technische Zulassung (engl.: European Technical Approval – ETA) ; EU: Europäische Union oder EU-Vertrag ; EUA: Europäische Umweltagentur (engl.: European Environment Agency (EEA)) ; EuAbgG: Europaabgeordnetengesetz ; EuAHiG: Gesetz über die Durchführung der gegenseitigen Amtshilfe in Steuersachen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union ; EuAlÜbk: Europäisches Auslieferungsübereinkommen ; EUAufhAsylRUG: Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union ; EUB: Eisenbahn-Unfalluntersuchungsstelle des Bundes (bis 2016; nunmehr Bundesstelle für Eisenbahnunfalluntersuchung) ; EuBagatellVO: Europäische Bagatellverordnung (Verordnung (EG) Nr. 861/2007 […] zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen) ; EU-BauPVO: EU-Bauprodukteverordnung (Verordnung (EU) Nr. 305/2011) ; EUB: Eisenbahn-Unfalluntersuchungsstelle des Bundes (aufgelöst; nunmehr: Bundesstelle für Eisenbahnunfalluntersuchung – BEU) ; EUBeitrG: Gesetz über die Durchführung der Amtshilfe bei der Beitreibung von Forderungen (EU-Beitreibungsgesetz) ; EUBestG: Gesetz zu dem Protokoll vom 27. September 1996 zum Übereinkommen über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften ; EuBVO: Verordnung (EG) Nr. 1206/2001 […] über die Zusammenarbeit zwischen den Gerichten der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Beweisaufnahme in Zivil- oder Handelssachen (siehe u. a. Internationales Zivilverfahrensrecht (Deutschland)) ; EUCARIS: European Car and Driving License Information System (siehe Zentrales Fahrerlaubnisregister#Regelung auf EU-Ebene) ; EUCLR: European Criminal Law Review (Zeitschrift) ; EuCML: Journal of European Consumer and Market Law (Zeitschrift) ; EUCU: European Union Customs Union (dt.: Europäische Zollunion) ; EuEheVO: Ehe-Gerichtsstands- und Vollstreckungsverordnung (Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 […] über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000) (siehe Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 (Brüssel IIa)) ; EUFA: Europäische Fischereiaufsichtsagentur ; EU-FCL: Verordnung (EU) Nr. 1178/2011 der Kommission vom 3. November 2011 zur Festlegung technischer Vorschriften und von Verwaltungsverfahren in Bezug auf das fliegende Personal in der Zivilluftfahrt gemäß der Verordnung (EG) Nr. 216/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates ; EUFinSchStG: Gesetz zur Stärkung des Schutzes der finanziellen Interessen der Europäischen Union (EU-Finanzschutzstärkungsgesetz) ; EuG: Europäisches Gericht erster Instanz oder Kostenerstattungsrechtliche Entscheidungen der Sozial- und Verwaltungsgerichte sowie der Spruchstelle Stuttgart (Zeitschrift) ; EÜG: Eignungsübungsgesetz (Gesetz über den Einfluss von Eignungsübungen der Streitkräfte auf Vertragsverhältnisse der Arbeitnehmer und Handelsvertreter sowie auf Beamtenverhältnisse) ; EuGeldG: Gesetz zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses 2005/214/JI des Rates vom 24. Februar 2005 über die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung von Geldstrafen und Geldbußen ; EUGFVO: Verordnung (EG) Nr. 861/2007 vom 11. Juli 2007 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen ; EuGH: Europäischer Gerichtshof ; EuGHE: Sammlung der Entscheidungen des EUGH ; EuGHMR: Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte ; EuGöD: Gericht für den öffentlichen Dienst der Europäischen Union ; EU-GRC (auch GRC): Grundrechtecharta der EU (siehe Charta der Grundrechte der Europäischen Union) ; EuGRZ: Europäische Grundrechte-Zeitschrift ; EuGüVO: Verordnung (EU) 2016/1103 des Rates vom 24. Juni 2016 zur Durchführung einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Zuständigkeit, des anzuwendenden Rechts und der Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Fragen des ehelichen Güterstands ; EÜGV: Verordnung zum Eignungsübungsgesetz ; EuGVO (EuGVVO oder EuGÜbk): Verordnung (EG) Nr. 44/2001 […] über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ; EuGVÜ: Europäisches Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommen (außer für Dänemark; ersetzt durch EuGVVO) ; EuGVVO (EuGVO): Verordnung (EG) Nr. 44/2001 […] über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ; EuHB (auch EHB): Europäischer Haftbefehl ; EuHbG: Gesetz zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (Europäisches Haftbefehlsgesetz) ; EuInsVO: Europäische Insolvenzverordnung (Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 über Insolvenzverfahren) ; EUIPO: Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum ; EUKiGAbV: Verordnung über den automatisierten Abruf von Daten der Familienkassen durch Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU-Kindergelddaten-Abrufverordnung) ; EUISS: EU-Institut für Sicherheitsstudien (engl.: EU Institute for Security Studies) ; EuLF: The European Legal Forum (Zeitschrift) ; EU-LISA: Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts der EU ; EuMahnVO: Europäische Mahnverordnung (Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 […] zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens) ; EUMC: Europäische Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit (engl.: European Monitoring Centre on Racism and Xenophobia) ; EUMVVO: Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 vom 12. Juni 2006 zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens ; EU-OSHA: Europäische Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz der EU ; EÜPV: Europäisches Übereinkommen über die Regelung des Personenverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten des Europarats vom 13. Dezember 1957 ; EÜR: Einnahmenüberschussrechnung ; EuR: Europarecht oder Europarecht (Zeitschrift) ; EuRAG: Gesetz über die Tätigkeit europäischer Rechtsanwälte in Deutschland ; EURATOM: Europäische Atomgemeinschaft ; EUREK: Europäische Raumentwicklungskonzept ; EURES: European Employment Services (siehe EURES) ; EuRH: Europäischer Rechnungshof ; EuRHÜbk: Europäisches Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen (siehe Rechtshilfe) ; EURIBOR: Euro Interbank Offered Rate ; EURL: Richtlinie (EU) ; EUrlV: Erholungsurlaubverordnung (Verordnung über den Erholungsurlaub der Bundesbeamten und Richter im Bundesdienst) ; EURODAC: Europäisches Fingerabdruck-Identifizierungssystem (EURODAC) ; EUROEG: EURO-Einführungsgesetz ; Eurojust: Europäische Einheit für justizielle Zusammenarbeit (kurz: Eurojust) ; EUROMED: Euro-mediterrane Partnerschaft ; EuropolG: Gesetz zur Anwendung der Verordnung (EU) 2016/794 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2016 über die Agentur der Europäischen Union für die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Strafverfolgung (Europol) und zur Ersetzung und Aufhebung der Beschlüsse 2009/371/JI, 2009/934/JI, 2009/935/JI, 2009/936/JI und 2009/968/JI des Rates (Europol-Gesetz) ; EUROSTAT: Statistisches Amt der Europäischen Union (kurz Eurostat bzw. ESTAT) ; EUROFOUND: Europäische Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen ; EurUP: Zeitschrift für Europäisches Umwelt- und Planungsrecht ; EUSC: Satellitenzentrum der Europäischen Union ; EuSchutzMVO: Verordnung über die gegenseitige Anerkennung von Schutzmaßnahmen in Zivilsachen ; EUSE: European Union of Supported Employment ; EuSorgeRÜbk: Europäisches Sorgerechtsübereinkommen (Europäisches Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen über das Sorgerecht für Kinder und die Wiederherstellung des Sorgeverhältnisses) ; EUSt.: Einfuhrumsatzsteuer (Deutschland) ; EUStA: Europäische Staatsanwaltschaft ; EUStAG: Europäische-Staatsanwaltschaft-Gesetz (Deutschland) ; EUStBV: Einfuhrumsatzsteuer-Befreiungsverordnung ; EU-TAM-VO: Verordnung (EU) 2019/6 des Europäischen Parlaments über Tierarzneimittel ; EUTB: ergänzende unabhängige Teilhabeberatung (siehe auch Peer-Beratung) ; EUTBV: Verordnung zur Weiterführung der Ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatung (Teilhabeberatungsverordnung) ; EUTM: European Union Training Mission (dt.: Ausbildungsmission der Europäischen Union) ; EU-Typ-BV: Verordnung über die Ahndung von Zuwiderhandlungen gegen EU-Typgenehmigungsvorschriften (EU-Typgenehmigungs-Bußgeldverordnung) ; EU-UStB: EU-Umsatz-Steuer-Berater (Zeitschrift) ; EUV: Vertrag über die Europäische Union oder Verordnung über die Untersuchung gefährlicher Ereignisse im Eisenbahnbetrieb (Eisenbahn-Unfalluntersuchungsverordnung) ; EU-VSchDG: Gesetz zur Durchführung der Verordnung (EU) 2017/2394 ... über die Zusammenarbeit zwischen den für die Durchsetzung der Verbraucherschutzgesetze zuständigen nationalen Behörden und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 (EU-Verbraucherschutzdurchführungsgesetz) ; EuVT: Europäischer Vollstreckungstitel ; EuVTVO: Europäische Vollstreckungstitelverordnung (Verordnung (EG) Nr. 805/2004 […] zur Einführung eines europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen) ; EuWG: Europawahlgesetz (Gesetz über die Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland) ; EuWO 1988 (auch EWO): Europawahlordnung ; eUZ: Elektronisches Ursprungszeugnis ; EuZA: Europäische Zeitschrift für Arbeitsrecht ; EUZBLG (auch ZEUBLG): Gesetz über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union ; EuZVO: Zustellungsverordnung (Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 […] über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten) ; EuZW: Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht ; e. V.: eingetragener Verein (siehe Verein) oder Eidesstattliche Versicherung oder einstweilige Verfügung oder Eingliederungsvereinbarung ; EVA: Agentur für die Bereiche Entwicklung der Verteidigungsfähigkeiten, Forschung, Beschaffung und Rüstung der EU (= Europäische Verteidigungsagentur) (engl.: European Defence Agency (EDA)) ; eVB: elektronische Versicherungsbestätigung ; EvBl: Evidenzblatt (Österreich) ; EVD: Eidgenössisches Volkswirtschaftsdepartement (franz. Département fédéral de l’économie, ital. Dipartimento federale dell’economia, rät. Departament federal d’economia) oder elektronisches Verwaltungsdokument ; EVertr: Einigungsvertrag ; EVG: Ernährungsvorsorgegesetz (aufgehoben zum 11. April 2017; jetzt Ernährungssicherstellungs- und -vorsorgegesetz – ESVG) oder Europäische Verteidigungsgemeinschaft oder Eidgenössisches Versicherungsgericht ; EVO: Eisenbahn-Verkehrsordnung ; EVR: Europäisches Fahrzeugeinstellungsregister (engl.: ECVRR – European Centralized Virtual Vehicle Register) ; e.VS.: eingetragene Verbrauchsstiftung ; EVS: Einkommens- und Verbrauchsstichprobe oder Europäischer Freiwilligendienst (EFD) (engl.: European Voluntary Service – EVS) ; EVSP: Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik ; EVTZ: Europäischer Verbund für territoriale Zusammenarbeit ; EVÜ: Übereinkommen von Rom über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht ; EVU: Energieversorgungsunternehmen oder Eisenbahnverkehrsunternehmen ; EVV: Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen bei den Besonderen Leistungen im Einzelfall im Sozialen Entschädigungsrecht (Verordnung zum Einkommen und Vermögen im SGB XIV) ; EVZ: Empfangs- und Verfahrenszentren für Asylsuchende (Schweiz) (siehe Bundesamt für Migration) ; EWC: European Waste Catalogue (dt.: Europäische Abfallartenkatalog – EAK) ; EWeRK: Energie- und Wettbewerbsrecht in der kommunalen Wirtschaft (Zeitschrift) ; EWG: Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (nunmehr Europäische Union) ; EWGRL: EWG-Richtlinie (siehe Richtlinie (EU)) ; EWGV: Vertrag zur Gründung der europäischen Wirtschaftsgemeinschaft ; EWiR: Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht (Zeitschrift) ; EWIV: Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung ; EWIVAG: Ausführungsgesetz zur EWIV ; EWIVO: Verordnung über die Schaffung einer Europäischen wirtschaftlichen Interessenvereinigung ; EWKFondsG: Gesetz über den Einwegkunststofffonds (Einwegkunststofffondsgesetz) ; EWKKennzV: Einwegkunststoffkennzeichnungsverordnung ; EWKRL: Richtlinie (EU) 2019/904 (Einwegkunststoff-Richtlinie) ; EWKVerbotsV: Verordnung über das Verbot des Inverkehrbringens von bestimmten Einwegkunststoffprodukten und von Produkten aus oxo-abbaubarem Kunststoff (Einwegkunststoffverbotsverordnung) ; EWO (auch EuWO): Europawahlordnung ; EWPBG: Gesetz zur Einführung von Preisbremsen für leitungsgebundenes Erdgas und Wärme (Erdgas-Wärme-Preisbremsengesetz) ; eWpG: Gesetz über elektronische Wertpapiere ; eWpRV: Verordnung über Anforderungen an elektronische Wertpapierregister ; EWR: Europäischer Wirtschaftsraum (engl.: European Economic Area – EEA) ; EWS: Europäisches Währungssystem oder Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht, Betriebs-Berater für Europarecht (Zeitschrift) ; EWSA: Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss ; EWSG: Gesetz über eine Soforthilfe für Letztverbraucher von leitungsgebundenem Erdgas und Kunden von Wärme (Erdgas-Wärme-Soforthilfegesetz) ; EWU: Europäische Währungsunion (siehe Europäische Wirtschafts- und Währungsunion) ; EWWU: Europäische Wirtschafts- und Währungsunion ; ExMinV: Existenzminimum-Verordnung (Österreich) ; EXW: Ex Works (ab Werk) (siehe Incoterms) ; EYC: Rat für Bildung, Jugend, Kultur und Sport der EU (engl.: Education, Youth and Culture Council) ; EZ: Erhebungszeitraum oder Einzelzimmer oder Einlagezahl (Grundbuch) ; EzA: Entscheidungen zum Arbeitsrecht ; EZA: Eisenbahn-Zentralamt oder Einzelzollanmeldung ; EZAR: Entscheidungssammlung zum Ausländer- und Asylrecht ; EZAR NF: Entscheidungssammlung zum Ausländer- und Asylrecht, neue Folge ab 2005 ; EZB: Europäische Zentralbank (engl.: European Central Bank – ECB; franz.: Banque centrale européenne – BCE) ; EZG: Emissionszertifikategesetz (Österreich) ; EZHW: Erster Zollhauptwachtmeister ; EzSt: Entscheidungssammlung zum Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht (Loseblattsammlung) ; EZT: Elektronischer Zoll-Tarif (siehe TARIC) ; EZV: Eidgenössische Zollverwaltung (franz. Administration fédérale des douanes, ital. Amministrazione federale delle dogane) ; EZulV: Erschwerniszulagenverordnung (Verordnung über die Gewährung von Erschwerniszulagen)
; F-Plan: Flächennutzungsplan ; FA: Finanzamt oder Fachanwalt (Deutschland) oder Fachanwalt (Schweiz) oder Führungsaufsicht oder Facharzt oder Fachaufsicht oder Fachanwalt Arbeitsrecht (Zeitschrift) ; FABaumPflPrV: Verordnung über die Prüfung zum anerkannten Abschluss Geprüfter Fachagrarwirt Baumpflege – Bachelor Professional Baumpflege oder Geprüfte Fachagrarwirtin Baumpflege – Bachelor Professional Baumpflege ; FABECVtrG: Gesetz zu dem Vertrag vom 2. Dezember 2010 über die Errichtung des Funktionalen Luftraumblocks „Europe Central“ zwischen der Bundesrepublik Deutschland, dem Königreich Belgien, der Französischen Republik, dem Großherzogtum Luxemburg, dem Königreich der Niederlande und der Schweizerischen Eidgenossenschaft (FABEC-Vertrag) ; FABS: Fahrerlaubnis-Bewertungssystem ; FAC: Rat für Auswärtige Angelegenheiten der EU (engl.: Foreign Affairs Council) ; FachbauTischlPrV: Verordnung über die Prüfung zum anerkannten Abschluss Geprüfter Fachbauleiter/Geprüfte Fachbauleiterin im Tischlerhandwerk ; FachHwirtPrV: Verordnung über die Prüfung zum anerkannten Abschluss Geprüfte Fachhauswirtschafterin/Geprüfter Fachhauswirtschafter ; FachkBüroPrV 2012: Verordnung über die Prüfung zum anerkannten Fortbildungsabschluss Geprüfter Fachwirt für Büro- und Projektorganisation und Geprüfte Fachwirtin für Büro- und Projektorganisation ; FachKrEG: Fachkräfteeinwanderungsgesetz ; FactÜ: Unidroit-Abkommen über das internationale Factoring ; FAER: Fahreignungsregister ; FahrSiLehrgZulV: Verordnung über das Zulassungsverfahren sowie die Prüfungsdurchführung für Lehrgänge für Sachkundige für die Fahrgastschifffahrt (Fahrgastsicherheitslehrgänge-Zulassungs- und Prüfungsverordnung) ; FAK: freight all kinds ; FÄndG: Finanz-Änderungsgesetz 1967 ; FäV: Verordnung über den Betrieb der Fähren auf Bundeswasserstraßen (Fährenbetriebsverordnung) ; FÄZust: Finanzämter-Zuständigkeitsverordnung (Berlin) ; FAG: Fernmeldeanlagengesetz oder Finanzausgleichsgesetz (siehe Finanzausgleich (Deutschland)) ; FAGO: Finanzamt-Geschäftsordnung (Geschäftsordnung für die Finanzämter) ; FahrlAusbV: Fahrlehrer-Ausbildungsverordnung ; FahrlG: Fahrlehrergesetz (Gesetz über das Fahrlehrerwesen) ; FahrlG2018DV: Durchführungsverordnung zum Fahrlehrergesetz ; FahrlPrüfV: Fahrlehrer-Prüfungsverordnung ; FahrmAusbV: Verordnung über die Berufsausbildung zum Fahrradmonteur/zur Fahrradmonteurin ; FahrschAusbO: Fahrschüler-Ausbildungsordnung ; FahrSiLehrgZulV: Verordnung über das Zulassungsverfahren sowie die Prüfungsdurchführung für Lehrgänge für Sachkundige für die Fahrgastschifffahrt ; FAL: Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft ; FamBhVbg FRA: Vereinbarung zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Frankreich über die Familienbeihilfen für Grenzgänger ; FamEntlastG: Familienentlastungsgesetz ; FamFG: Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit ; FamFR: Familienrecht und Familienverfahrensrecht (Zeitschrift) ; FamGerMKindwG: Gesetz zur Erleichterung familiengerichtlicher Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls ; FamGKG: Gesetz über die Kosten in Familiensachen (siehe Gesetz über Gerichtskosten in Familiensachen) ; FamNamÄndGDV: Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über die Änderung von Familiennamen und Vornamen ; FamRÄndG: Gesetz zur Vereinheitlichung und Änderung familienrechtlicher Vorschriften (Familienrechtsänderungsgesetz) ; FamRB: Der Familien-Rechts-Berater (Zeitschrift) ; FamRBInt: Familien-Rechts-Berater international (Zeitschrift) ; FamRMaßnErlG: Gesetz zur Erleichterung familiengerichtlicher Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls (siehe Kinderschutz) ; FamRZ: Zeitschrift für das gesamte Familienrecht ; FANG: Gesetz zur Neuregelung des Fremdrenten- und Auslandsrentenrechts und zur Anpassung der Berliner Rentenversicherung an die Vorschriften des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes und des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetz) ; FAnpG: Gesetz zur Anpassung verschiedener Vorschriften über die Finanzbeziehungen zwischen dem Bund und den Ländern an die Neuregelung der Finanzverfassung (Finanzanpassungsgesetz) ; FAO: Fachanwaltsordnung oder Food and Agriculture Organisation (Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation) ; FAS: Free Alongside Ship (frei längsseits Schiff) (siehe Incoterms) ; FASi: Fachkraft für Arbeitssicherheit ; FATCA: Foreign Account Tax Compliance Act (FATCA) ; FATCA-USA-UmsV: Verordnung zur Umsetzung der Verpflichtungen aus dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika zur Förderung der Steuerehrlichkeit bei internationalen Sachverhalten und hinsichtlich der als Gesetz über die Steuerehrlichkeit bezüglich Auslandskonten bekannten US-amerikanischen Informations- und Meldebestimmungen ; FATF: Financial Action Task Force on Money Laundering (französisch: Groupe d’Action financière – GAFI) ; FAVO: Verordnung zur Anpassung von Arzneimittel-Festbeträgen ; FA-ZVO: Verordnung über die Zuständigkeiten der Finanzämter (Finanzamtszuständigkeitsverordnung) (z. B. in NRW) ; FBA: Folgenbeseitigungsanspruch oder Fernstraßen-Bundesamt ; FBeitrV: Frequenznutzungsbeitragsverordnung ; FBG: Fleischerei-Berufsgenossenschaft ; FBV: Fahrzeug-Betriebs-Verordnung ; FCA: Free Carrier (Frei Frachtführer) (siehe Incoterms) ; FCKW: Fluor-Chlor-Kohlenwasserstoff(e) ; FCKWHalonVerbV: Verordnung zum Verbot von bestimmten die Ozonschicht abbauenden Halogenkohlenwasserstoffen (siehe FCKW-Halon-Verbots-Verordnung) ; FCT: Forwarding Agent´s Certifikate of Transport ; FDA: Food and Drug Administration ; FDNormV: Verordnung zur Anwendung von Normen für voll digitale Fernsehdienste (Fernsehdienstnormenverordnung) ; FDV: Fahrdienstvorschrift (Schweiz) ; FDZGesV: Verordnung zur Regelung der Verfahren beim Forschungsdatenzentrum Gesundheit (Forschungsdatenzentrum Gesundheit-Verordnung) ; FE: Fahrerlaubnis oder Fahreignung oder Europäische Stiftung (lat.: Fundatio Europaea) ; FEB: Fahrerlaubnisbehörde ; fedpol: Bundesamt für Polizei (Schweiz) (franz. Office fédéral de la police, ital. Ufficio federale di polizia) ; FEG: Fachkräfteeinwanderungsgesetz ; FehmarnbeltqVtr: Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Dänemark über eine Feste Fehmarnbeltquerung ; FehmarnbeltqVtrG: Gesetz zu dem Vertrag vom 3. September 2008 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Dänemark über eine Feste Fehmarnbeltquerung ; FEhrPensAnO: Anordnung über Ehrenpensionen für Kämpfer gegen den Faschismus und für Verfolgte des Faschismus sowie für deren Hinterbliebene ; FeiertEV: Verordnung über die Einführung gesetzlicher Feiertage ; FeiertEVDBest: Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die Einführung gesetzlicher Feiertage ; FeinGehG: Gesetz über den Feingehalt der Gold- und Silberwaren ; FeinGehStempG: Bekanntmachung betreffend die Bestimmung der Form des Stempelzeichens zur Angabe des Feingehalts auf goldenen und silbernen Geräten ; FeinOAusbV: Verordnung über die Berufsausbildung zum Feinoptiker/zur Feinoptikerin ; FeinwAusbV: Verordnung über die Berufsausbildung zum Feinwerkmechaniker und zur Feinwerkmechanikerin ; FeinwerkMechMstrV: Verordnung über das Meisterprüfungsberufsbild und über die Prüfungsanforderungen in den Teilen I und II der Meisterprüfung im Feinwerkmechaniker-Handwerk ; FELEG: Gesetz zur Förderung der Einstellung der landwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit ; FEM: Freiheitsentziehende Maßnahme ; FEP: Flächenentwicklungsplan ; FerkBetSachkV: Verordnung zur Durchführung der Betäubung mit Isofluran bei der Ferkelkastration durch sachkundige Personen ; FernAbsG: Fernabsatzgesetz ; FernStrÜG: Gesetz zu Überleitungsregelungen zum Infrastrukturgesellschaftserrichtungsgesetz und zum Fernstraßen-Bundesamt-Errichtungsgesetz sowie steuerliche Vorschriften (Fernstraßen-Überleitungsgesetz) ; FernUSG: Gesetz zum Schutz der Teilnehmer am Fernunterricht (Fernunterrichtsschutzgesetz) ; FerReiseV: Verordnung zur Erleichterung des Ferienreiseverkehrs auf der Straße (Ferienreiseverordnung) (siehe Wochenendfahrverbot) ; FertigPackV: Fertigpackungsverordnung ; FertigPlTischlPrV: Verordnung über die Prüfung zum anerkannten Abschluss Geprüfter Fertigungsplaner/Geprüfte Fertigungsplanerin im Tischlerhandwerk ; FertigungsMechAusbV: Verordnung über die Berufsausbildung zum Fertigungsmechaniker und zur Fertigungsmechanikerin ; FeS: Fahreignungsseminar ; FestLSockelOWiZustV: Verordnung über die Zuständigkeit für die Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten im Bereich des Festlandsockels ; FestLSockelProk: Proklamation der Bundesregierung über die Erforschung und Ausbeutung des deutschen Festlandsockels ; FestLSockelProkBek: Bekanntmachung der Proklamation der Bundesregierung über die Erforschung und Ausbeutung des deutschen Festlandsockels ; FeuAO: Anordnung über Feuerungsanlagen, Anlagen zur Verteilung von Wärme und zur Warmwasserversorgung sowie Brennstofflagerung (Feuerungsanordnung) ; FeuerbrandV: Verordnung zur Bekämpfung der Feuerbrandkrankheit ; FeuerschStG: Feuerschutzsteuergesetz ; FeV: Fahrerlaubnis-Verordnung ; FEVS: Fürsorgerechtliche Entscheidungen der Verwaltungs- und Sozialgerichte (Zeitschrift) ; FF: Frachtführer oder Forum Familienrecht (Zeitschrift) ; FFG: Filmförderungsgesetz (Gesetz über Maßnahmen zur Förderung des deutschen Films) (siehe Filmförderungsgesetz (Deutschland)) ; FFG: Frauenförderungsgesetz ; FFGV: Verordnung zum Filmförderungsgesetz ; FFH: Fauna-Flora-Habitat ; FFH-Richtlinie: Richtlinie 92/43/EWG (Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie) ; FFK: Fortsetzungsfeststellungsklage ; FFVAV: Verordnung über die Verbrauchserfassung und Abrechnung bei der Versorgung mit Fernwärme oder Fernkälte (Fernwärme- oder Fernkälte-Verbrauchserfassungs- und -Abrechnungsverordnung) ; FG: Finanzgericht oder Festgabe ; FGB: Familiengesetzbuch (DDR) ; FGebV: Frequenzgebührenverordnung ; FGG: Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (aufgehoben; abgelöst durch das FamFG) ; FGG-RG: Gesetz zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit ; FGlG: Gesetz zur Gleichstellung stillgelegter und landwirtschaftlich genutzter Flächen ; FGNV: Verordnung zur Neubestimmung von Arzneimittel-Festbetragsgruppen ; FGO: Finanzgerichtsordnung ; FGPrax: Praxis der freiwilligen Gerichtsbarkeit (Zeitschrift) ; FGRVO: Fluggastrechteverordnung der EU (siehe Fahrgastrechte) ; FGV: Fahrzeug-Genehmigungs-Verordnung oder Flüssiggasverordnung (Österreich) ; FH: Fachhochschule ; FHB: Fachhochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung ; FHBLeistBV: Verordnung über Leistungsbezüge und Zulagen an der Fachhochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung ; FHGöD: Gesetz über die Fachhochschulen für den öffentlichen Dienst im Lande Nordrhein-Westfalen ; FHKBeauftrV: Verordnung zur Beauftragung des Flughafenkoordinators ; FHKV: Verordnung über die Durchführung der Flughafenkoordinierung ; FHöV: Fachhochschule für öffentliche Verwaltung ; FIAF: Finanzinstrument für die Ausrichtung der Fischerei der EU ; FIATA: Internationaler Spediteurverband (siehe FIATA) ; FIAusbV: Verordnung über die Berufsausbildung zum Fachinformatiker und zur Fachinformatikerin (Fachinformatikerausbildungsverordnung) ; FideiAuflAufhG: Gesetz zur Aufhebung von Fideikommiss-Auflösungsrecht ; FIDEVerzV: Verordnung zum Verzeichnis der Zuwiderhandlungen, die in das Aktennachweissystem für Zollzwecke aufgenommen werden sollen (FIDE-Verzeichnis-Verordnung) ; FiF: Fachkraft im Fahrbetrieb ; FilmDigitV: Verordnung über die Förderung der erstmaligen technischen Umstellung von Filmtheatern auf digitales Filmabspiel ; FilmFöFRAV: Verordnung zur verstärkten Förderung deutsch-französischer Filmvorhaben ; FinAnV: Finanzanalyseverordnung (Verordnung über die Analyse von Finanzinstrumenten) ; FinaRisikoV: Verordnung zur Einreichung von Finanz- und Risikotragfähigkeitsinformationen nach dem Kreditwesengesetz (Finanz- und Risikotragfähigkeitsinformationenverordnung) ; FinAusglG2023DV 1: Erste Verordnung zur Durchführung des Finanzausgleichsgesetzes im Ausgleichsjahr 2023 ; FinB (auch FinBeh): Finanzbehörde ; FinBerG DDR: Gesetz zur Bereinigung von in der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik zwischen den öffentlichen Haushalten und volkseigenen Unternehmen, Genossenschaften sowie Gewerbetreibenden begründeten Finanzbeziehungen (Finanzbereinigungsgesetz-DDR) ; FinDAG: Gesetz über die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz) ; FinDAGebV: Besondere Gebührenverordnung des Bundesministeriums der Finanzen zur Finanzdienstleistungsaufsicht ; FinDAGKostV: Verordnung über die Umlegung von Kosten nach dem Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz ; FinDASa: Satzung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht ; FinDASaV: Verordnung über die Satzung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht ; FinDiszErstV: Verordnung zur Durchführung der Erstattung von Mitteln aus der Finanzdisziplin des Europäischen Garantiefonds für die Landwirtschaft an die Empfänger von Direktzahlungen (Finanzdisziplin-Erstattungsverordnung) ; FinDPrV: Verordnung über die Prüfung zu anerkannten Fortbildungsabschlüssen in der Finanzdienstleistungswirtschaft ; FINMA: Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (franz.: Autorité fédérale de surveillance des marchés financiers, ital.: Autorità federale di vigilanza sui mercati finanziari, rätoromanisch: Autoritad federala per la surveglianza dals martgads da finanzas) ; FINMAG: Bundesgesetz über die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finanzmarktaufsichtsgesetz) ; FinPlG: Erstes Gesetz zur Überleitung der Haushaltswirtschaft des Bundes in eine mehrjährige Finanzplanung (Finanzplanungsgesetz) ; FinRVV: Verordnung über Finanzrückversicherungsverträge und Verträge ohne hinreichenden Risikotransfer (Finanzrückversicherungsverordnung) ; FinStabDEV: Verordnung zur Durchführung von Datenerhebungen durch die Deutsche Bundesbank zur Erfüllung der Aufgaben nach dem Finanzstabilitätsgesetz ; FinStabG: Finanzstabilitätsgesetz ; FinStrG: Bundesgesetz vom 26. Juni 1958, betreffend das Finanzstrafrecht und das Finanzstrafverfahrensrecht (Finanzstrafgesetz) (Österreich) ; FinSV: Verordnung über die Verbraucherschlichtungsstellen im Finanzbereich nach § 14 des Unterlassungsklagengesetzes und ihr Verfahren ; FintMechAusbV: Verordnung über die Berufsausbildung zum Fahrzeuginterieur-Mechaniker und zur Fahrzeuginterieur-Mechanikerin ; FinVermStVtr: Staatsvertrag über die abschließende Aufteilung des Finanzvermögens gemäß Artikel 22 des Einigungsvertrages zwischen dem Bund, den neuen Ländern und dem Land Berlin (Finanzvermögen-Staatsvertrag) ; FinVermStVtrG: Gesetz zu dem Staatsvertrag vom 14. Dezember 2012 über die abschließende Aufteilung des Finanzvermögens gemäß Artikel 22 des Einigungsvertrages zwischen dem Bund, den neuen Ländern und Berlin (Finanzvermögen-Staatsvertrag) ; FinVermV: Verordnung über die Finanzanlagenvermittlung (Finanzanlagenvermittlungsverordnung) ; FIS: Fachinformationsstelle Zivil- und Katastrophenschutz oder Fédération Internationale de Ski ; FIS-Regeln: Verhaltens-Regeln des Internationalen Skiverbandes FIS für Skifahrer und Snowboarder (siehe FIS-Regeln) ; FischBeihV: Verordnung über die Gewährung von Beihilfen für die private Lagerhaltung bestimmter Fischereierzeugnisse ; FischDNKVtrG: Gesetz zu dem Abkommen vom 29. Mai 1958 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Dänemark über die gemeinsame Fischerei in der Flensburger Innenförde ; FischEtikettG: Gesetz zur Durchführung der Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft über die Etikettierung von Fischen und Fischereierzeugnissen (Fischetikettierungsgesetz) ; FischEtikettV: Verordnung zur Durchführung des Fischetikettierungsgesetzes ; FischHV: Fischhygieneverordnung (Verordnung über die hygienischen Anforderungen an Fischereierzeugnisse und lebende Muscheln) ; FischNATÜbk: Übereinkommen über das Verhalten beim Fischfang im Nordatlantik ; FischNATÜbkG: Gesetz zu dem Übereinkommen vom 1. Juni 1967 über das Verhalten beim Fischfang im Nordatlantik ; FischRDV 1998: Verordnung zur Durchsetzung des Fischereirechts der Europäischen Union (Seefischerei-Bußgeldverordnung) ; FischSeuchV: Fischseuchenverordnung (siehe u. a. Fischkrankheit) ; FischSubvÜbk: Übereinkommen über Fischereisubventionen ; FischVergünstV: Verordnung über die Gewährung von Vergünstigungen im Rahmen der gemeinsamen Marktorganisation für Fischereierzeugnisse ; FischVermNV 1993: Verordnung über Vermarktungsnormen für Fischereierzeugnisse ; FischwAusbStEignV: Verordnung über die Eignung der Ausbildungsstätte für die Berufsausbildung zum Fischwirt und zur Fischwirtin ; FischwAusbV: Verordnung über die Berufsausbildung zum Fischwirt und zur Fischwirtin ; FischWiMeistPrV: Verordnung über die Anforderungen in der Meisterprüfung für den Beruf Fischwirt ; FischWiVorschrAufhG: Gesetz zur Aufhebung des Fischwirtschaftsgesetzes und der Fischwirtschaftsverordnung ; FIU: Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen (engl.: Financial Intelligence Unit – FIU) ; FJD: Freiwilliges Jahr in der Denkmalpflege ; FKAG: Gesetz zur zusätzlichen Aufsicht über beaufsichtigte Unternehmen eines Finanzkonglomerats ; FKAustG: Gesetz zum automatischen Austausch von Informationen über Finanzkonten in Steuersachen (Finanzkonten-Informationsaustauschgesetz) ; FKEG: Fachkräfteeinwanderungsgesetz ; FKeramAusbV: Verordnung über die Berufsausbildung zum Figurenkeramformer/zur Figurenkeramformerin ; FKN: Fachkundenachweis für Seenotsignalmittel ; FKPG: Gesetz zur Umsetzung des Föderalen Konsolidierungsprogramms ; FKrFBAusbV: Verordnung über die Berufsausbildung zur Fachkraft im Fahrbetrieb ; FKS: Fachkundige Stelle (nach § 84 SGB III) oder Finanzkontrolle Schwarzarbeit der Bundeszollverwaltung ; FKSDVO: Verordnung zur Bestimmung weiterer Daten, die im zentralen Informationssystem für die Finanzkontrolle Schwarzarbeit gespeichert werden ; FKüAusbV: Verordnung über die Berufsausbildung zur Fachkraft Küche (Fachkraft-Küche-Ausbildungsverordnung) ; FKV: Fusionskontrollverordnung (siehe Zusammenschlusskontrolle oder Kartellrecht) ; FLAF: Familienlastenausgleichsfonds (Österreich) ; FlaggAO: Flaggenanordnung (Anordnung über die deutschen Flaggen) ; FlaggRG (FlRG): Flaggenrechtsgesetz (Gesetz über das Flaggenrecht der Seeschiffe und die Flaggenführung der Binnenschiffe) (siehe Flaggenrecht) ; FlBeihV: Verordnung über die Gewährung von Beihilfen für die private Lagerhaltung von Fleisch und Fleischerzeugnissen von Schweinen, Rindern und Schafen ; FlBG: Fleischbeschaugesetz ; FlechtwAusbV: Verordnung über die Berufsausbildung zum Flechtwerkgestalter/zur Flechtwerkgestalterin ; FleiAusbV 2005: Verordnung über die Berufsausbildung zum Fleischer/zur Fleischerin ; FleiMstrV: Verordnung über die Meisterprüfung in den Teilen I und II im Fleischer-Handwerk ; FlErwV: Verordnung über den Erwerb land- und forstwirtschaftlicher Flächen und das Verfahren nach dem Ausgleichsleistungsgesetz (Flächenerwerbsverordnung) ; FlexMstrV: Verordnung über das Berufsbild und über die Prüfungsanforderungen im praktischen und im fachtheoretischen Teil der Meisterprüfung für das Flexografen-Handwerk ; FlG: Fleischgesetz ; FlGlasTechAusbV: Verordnung über die Berufsausbildung zum Flachglastechnologen und zur Flachglastechnologin ; FlHG: Fleischhygienegesetz ; FLI: Friedrich-Loeffler-Institut, Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit ; FLK: Fluglärmkommission ; FloristAusbV: Verordnung über die Berufsausbildung zum Floristen/zur Floristin (Floristen-Ausbildungsverordnung) ; FloristMFPrV: Verordnung über die Prüfung zum anerkannten Abschluss Geprüfter Floristmeister oder Geprüfte Floristmeisterin ; FlRG: Flaggenrechtsgesetz (siehe Flaggenrecht) ; FlRV: Flaggenrechtsverordnung ; FlsBergV: Festlandsockel-Bergverordnung ; FlStk. (FlSt.): Flurstück ; FlStNr.: Flurstücknummer ; FlüAbk: Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge ; FlüAbkProt: Protokoll über die Rechtsstellung der Flüchtlinge ; FlüHG: Flüchtlingshilfegesetz ; FlugBelWertV: Verordnung über die Ermittlung der Beleihungswerte von Flugzeugen nach § 26d Absatz 1 und 2 des Pfandbriefgesetzes (Flugzeugbeleihungswertermittlungsverordnung) ; FlugDaG: Gesetz über die Verarbeitung von Fluggastdaten zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/681 (Fluggastdatengesetz) ; FlugElekAusbV 2013: Verordnung über die Berufsausbildung zum Fluggerätelektroniker und zur Fluggerätelektronikerin ; FlugfunkV: Verordnung über Flugfunkzeugnisse ; Fluggastrechte-VO: Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 (Fluggastrechte-Verordnung) ; FluglärmG: Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm (Fluglärmschutzgesetz) ; FlugLSV: Verordnung zur Durchführung des Gesetzes zum Schutz gegen Fluglärm ; FlugMechAusbV 2013: Verordnung über die Berufsausbildung zum Fluggerätmechaniker und zur Fluggerätmechanikerin ; FlurbG: Flurbereinigungsgesetz ; FluSiGebVbg: Mehrseitige Vereinbarung über Flugsicherungs-Streckengebühren ; FlUStatV: Verordnung über die Durchführung einer Statistik über die Schlachttier- und Fleischuntersuchung ; FlUUG: Gesetz über die Untersuchung von Unfällen und Störungen bei dem Betrieb von zivilen Luftfahrzeugen (Flugunfall-Untersuchungs-Gesetz (Deutschland)) ; FM: Finanzminister oder Finanzministerium ; FMA: Finanzmarktaufsicht oder Finanzmarktaufsichtsbehörde (Österreich) oder FMA Finanzmarktaufsicht Liechtenstein ; FMABG: Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz (Österreich) ; FMAG: Finanzmarktaufsichtsgesetz (Liechtenstein) ; FMG: Fernmeldegesetz (Schweiz) ; FMFG: Finanzmarktförderungsgesetz ; FMK: Finanzministerkonferenz ; FMontAusbV: Verordnung über die Berufsausbildung zum Fassadenmonteur/zur Fassadenmonteurin ; FMS: Finanzmarktstabilisierungsfonds ; FMSA: Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung ; FMSAKostV: Verordnung über die Erstattung und Umlage von Kosten der Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung ; FMSASatz 2011: Satzung der Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung ; FMSASatzV: Verordnung über die Satzung der Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung ; FMStErgG: Gesetz zur weiteren Stabilisierung des Finanzmarktes (Finanzmarktstabilisierungsergänzungsgesetz) ; FMStFG: Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetz ; FMStG: Finanzmarktstabilisierungsgesetz ; FMStFV: Verordnung zur Durchführung des Stabilisierungsfondsgesetzes (Finanzmarktstabilisierungsfonds-Verordnung) ; FN: Firmenbuchnummer (Österreich) ; FNA: Fundstellennachweis A (für Bundesgesetzblatt Teil I) ; FNB: Fundstellennachweis B (für Bundesgesetzblatt Teil II) ; FNP: Flächennutzungsplan ; FOB: Free On Board (siehe Incoterms) ; FOCJ: Functional, Overlapping, Competing Jurisdictions ; FödRefBeglG: Föderalismusreform-Begleitgesetz ; FöGbG: Fördergebietsgesetz (Gesetz über Sonderabschreibungen und Abzugsbeträge im Fördergebiet; Artikel 6 des Gesetzes zur Förderung von Investitionen und Schaffung von Arbeitsplätzen im Beitrittsgebiet sowie zur Änderung steuerrechtlicher und anderer Vorschriften) ; FÖJFG: Gesetz zur Förderung eines Freiwilligen Ökologischen Jahres ; FördStEG: Gesetz zur Förderung der Steuerehrlichkeit ; FördElRV: Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten ; FOR: Fachoberschulreife (siehe Fachoberschule) ; FormAnpG: Formanpassungsgesetz ; ForstSchAusglG: Gesetz zum Ausgleich von Auswirkungen besonderer Schadensereignisse in der Forstwirtschaft ; ForstWiAusbStV 2002: Verordnung über die Eignung der Ausbildungsstätte für die Berufsausbildung zum Forstwirt/zur Forstwirtin ; ForstWiAusbV 1998: Verordnung über die Berufsausbildung zum Forstwirt/zur Forstwirtin ; ForstWiMeistPrV: Verordnung über die Anforderungen in der Meisterprüfung für den Beruf Forstwirt/Forstwirtin ; FortentwicklungsG: Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitssuchende ; ForumRG: Gesetz zur Errichtung der „Stiftung Forum Recht“ ; ForUmV: Verordnung über Erhebungen zum forstlichen Umweltmonitoring ; FOS: Fachoberschule ; FotoAusbV: Verordnung über die Berufsausbildung zum Fotografen und zur Fotografin (Fotografen-Ausbildungsverordnung) ; FotografMstrV: Verordnung über die Meisterprüfung in den Teilen I und II im Fotografen-Handwerk ; FotoMedFachAusbV: Verordnung über die Berufsausbildung zum Fotomedienfachmann/zur Fotomedienfachfrau ; FoVDV: Forstvermehrungsgut-Durchführungsverordnung ; FoVG: Forstvermehrungsgut-Gesetz ; FoVHgV: Verordnung über Herkunftsgebiete für forstliches Vermehrungsgut ; FoVo: Forderung und Vollstreckung (Zeitschrift) ; FoVZV: Forstvermehrungsgut-Zulassungsverordnung ; FPackV: Verordnung über Fertigpackungen und andere Verkaufseinheiten (Fertigpackungsverordnung) ; FPersG: Gesetz über das Fahrpersonal von Kraftfahrzeugen und Straßenbahnen (Fahrpersonalgesetz) ; FPersV: Verordnung zur Durchführung des Fahrpersonalgesetzes (Fahrpersonalverordnung) ; FPflZG (FPfZG): Gesetz über die Familienpflegezeit (Familienpflegezeitgesetz) ; FPG: Fremdenpolizeigesetz 2005 (Österreich) (siehe u. a. Aufenthaltsstatus) ; FPG-DV: Fremdenpolizeigesetz-Durchführungsverordnung (Österreich) ; FPMMstrV: Verordnung über das Meisterprüfungsberufsbild und über die Prüfungsanforderungen in den Teilen I und II der Meisterprüfung im Fliesen-, Platten- und Mosaikleger-Handwerk ; FPR: Familie, Partnerschaft und Recht (Zeitschrift) (siehe Familie Partnerschaft Recht) ; FPStatG: Gesetz über die Statistiken der öffentlichen Finanzen und des Personals im öffentlichen Dienst ; FR: Finanz-Rundschau, Ertragssteuerrecht (Zeitschrift) ; FRA: Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (engl.: European Union Agency for Fundamental Rights) ; FrÄG: Fremdenrechtsänderungsgesetz (Österreich) ; FrBordÜbk: Internationales Freibord-Übereinkommen ; FrBordÜbkG: Gesetz zu dem Internationalen Freibord-Übereinkommen von 1966 vom 5. April 1966 ; FreihEntzG: Freiheitsentziehungsgesetz (z. B. hessisches Gesetz über die Entziehung der Freiheit geisteskranker, geistesschwacher, rauschgift- oder alkoholsüchtiger Personen – FreihEntzG HE) ; FreiwFortbV: Fahranfängerfortbildungsverordnung (aufgehoben) ; FreizügEGV: Freizügigkeitsverordnung (Verordnung über die allgemeine Freizügigkeit von Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union) ; FreizügG/EU: Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (Freizügigkeitsgesetz/EU) ; FremdSprPrV: Verordnung über die Prüfung zum anerkannten Abschluss Geprüfter Fremdsprachenkorrespondent/Geprüfte Fremdsprachenkorrespondentin ; FreqBZPV: Frequenzbereichszuweisungsplanverordnung ; FreqNPAV: Verordnung über das Verfahren zur Aufstellung des Frequenznutzungsplanes ; FreqV: Frequenzverordnung ; FreqZutV: Frequenzzuteilungsverordnung ; FrFG: Frauenfördergesetz (Sachsen-Anhalt) ; FRG: Fremdrentengesetz ; FRG§ 15V: Verordnung über die Anerkennung von Systemen und Einrichtungen der sozialen Sicherheit als gesetzliche Rentenversicherungen ; FRGB: Anerkannte Beschäftigungszeiten nach § 16 des Fremdrentengesetzes (FRGB). ; FRGN: Zeiten einer Nachversicherung nach Art. 6 § 23 FANG ; FrhEntzG: Freiheitsentziehungsgesetz (Gesetz über das gerichtliche Verfahren bei Freiheitsentziehungen) ; FrHfBremhGrV 2001: Verordnung über die Grenze des Freihafens Bremerhaven ; FrHfCuxGrV 2001: Verordnung über die Grenze des Freihafens Cuxhaven ; FrHfDEG/DUG: Gesetz zur Errichtung neuer Freihäfen und zur Änderung des Zollgesetzes ; FrHfEmd/KielAufhG: Gesetz zur Aufhebung der Freihäfen Emden und Kiel ; FrHfHbgAufhG: Gesetz zur Aufhebung des Freihafens Hamburg ; Frischzellenverordnung: Verordnung über das Verbot der Verwendung von Frischzellen tierischen Ursprungs bei der Herstellung von Arzneimitteln ; Friseur-MstrV: Verordnung über das Meisterprüfungsberufsbild und über die Prüfungsanforderungen in den Teilen I und II der Meisterprüfung im Friseur-Handwerk ; FriseurAusbV 2008: Verordnung über die Berufsausbildung zum Friseur/zur Friseurin ; FRONTEX: Europäische Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union (franz.: Frontières extérieures) ; FR-PS: französische Patentschrift ; FrSaftAusbV: Verordnung über die Berufsausbildung zur Fachkraft für Fruchtsafttechnik ; FrSaftErfrischGetrV: Verordnung über Fruchtsaft, einige ähnliche Erzeugnisse, Fruchtnektar und koffeinhaltige Erfrischungsgetränke ; FrStllgV: Verordnung über die Befreiung bestimmter Beförderungsfälle von den Vorschriften des Personenbeförderungsgesetzes (Freistellungs-Verordnung) ; FrühV: Verordnung zur Früherkennung und Frühförderung behinderter und von Behinderung bedrohter Kinder (Frühförderungsverordnung) ; FRUG (auch FinMarktRL-UmsG): Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente und der Durchführungsrichtlinie der Kommission (Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz) ; FRV: Paulskirchenverfassung (auch: Frankfurter Reichsverfassung, abgekürzt FRV) ; FS: Festschrift oder Führerschein oder Freiheitsstrafe ; FSA: Freistellungsauftrag für Kapitalerträge ; FSAAKV: Verordnung über die Erhebung von Kosten für die Inanspruchnahme von Diensten und Einrichtungen der Flugsicherung beim An- und Abflug (FS-An- und Abflug-Kostenverordnung) ; FS-AuftragsV: Verordnung zur Beauftragung eines Flugsicherungsunternehmens ; FSAV: Flugsicherungsausrüstung-Verordnung (Verordnung über die Flugsicherungsausrüstung der Luftfahrzeuge) ; FSB: Secretariat to the Financial Stability Board Bank for International Settlements (kurz: Financial Stability Board – FSB; dt.: Finanzstabilitätsrat) ; FSBeitrV: Verordnung über Beiträge zum Schutz einer störungsfreien Frequenznutzung ; FSBV: Verordnung zur Regelung des Verfahrens der Beauftragung von Flugsicherungsorganisationen ; FSDurchführungsV: Verordnung über die Durchführung der Flugsicherung ; FSG: Führerscheingesetz (Österreich) ; FSHG: Gesetz über den Feuerschutz und die Hilfeleistung (NRW) ; FSJ: Freiwilliges Soziales Jahr ; FSJG: Gesetz zur Förderung eines freiwilligen ökologischen Jahres ; FSK: Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft ; FSMusterzulV: Verordnung über Art, Umfang, Beschaffenheit, Zulassung, Kennzeichnung und Betrieb von Anlagen und Geräten für die Flugsicherung ; FSPersAV: Verordnung über das erlaubnispflichtige Personal der Flugsicherung und seine Ausbildung ; FSStrKV: Verordnung über die Erhebung von Kosten für die Inanspruchnahme von Streckennavigations-Diensten und Streckennavigations-Einrichtungen der Flugsicherung ; FStatAusnV: Verordnung über Ausnahmen bei filmstatistischen Erhebungen ; FStrAbG: Gesetz über den Ausbau der Bundesfernstraßen (Fernstraßenausbaugesetz) ; FStrBAG: Gesetz zur Errichtung eines Fernstraßen-Bundesamtes ; FStrG: Bundesfernstraßengesetz ; FStrKrV: Verordnung über Kreuzungsanlagen im Zuge von Bundesfernstraßen ; FStrPrivFinBestV: Verordnung zur Bestimmung von privatfinanzierten Abschnitten von Bundesfernstraßen ; FStrPrivFinG: Fernstraßenbauprivatfinanzierungsgesetz (Gesetz über den Bau und die Finanzierung von Bundesfernstraßen durch Private) (siehe u. a. F-Modell) ; FSV: Verordnung über Sicherheitspersonal in der Fahrgastschifffahrt oder Verordnung über die Voraussetzungen für die Stilllegung von Flächen bei Bezug einer Rente aus der Alterssicherung der Landwirte oder einer Produktionsaufgaberente ; FSVG: Sozialversicherung freiberuflich selbständig Erwerbstätiger (Österreich) ; FTEG: Gesetz über Funkanlagen und Telekommunikationsendeinrichtungen (aufgehoben zum 4. Juli 2017; abgelöst durch Funkanlagengesetz – FuAG) ; FuAG: Gesetz über die Bereitstellung von Funkanlagen auf dem Markt (Funkanlagengesetz) ; FuR: Familie und Recht (Zeitschrift) ; FusG: Schweizer Bundesgesetz über Fusion, Spaltung, Umwandlung und Vermögensübertragung (Fusionsgesetz) ; FuttMG: Futtermittelgesetz (siehe Futtermittel) ; FuttMKontrV: Verordnung über die fachlichen Anforderungen an die in der Futtermittelüberwachung tätigen Kontrolleure ; FuttMV 1981: Futtermittelverordnung ; FuttMVerwVerbV 2: Zweite Futtermittel-Verwertungsverbotsverordnung ; FV: Fahrverbot oder Verordnung über die Zulassung von Fahrlehrern und ihre Berufsausübung (Fahrlehrerverordnung) (Liechtenstein) oder Fahrdienstvorschrift ; FVerkWBV: Fernverkehrswegebestimmungsverordnung ; FVerlV: Verordnung zur Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes nach § 1 Abs. 1 des Außensteuergesetzes in Fällen grenzüberschreitender Funktionsverlagerungen (Funktionsverlagerungsverordnung) ; FVG: Gesetz über die Finanzverwaltung (Finanzverwaltungsgesetz) ; FvP: Fachtechnisch verantwortliche Person (Schweiz) ; FWD: Freiwilliger Wehrdienst ; FWDL: Freiwillig Wehrdienst Leistender ; FwG: Feuerwehrgesetz (z. B. in Baden-Württemberg) ; FWiStatV: Verordnung zur Aussetzung der statistischen Erhebungen im Bereich der Filmwirtschaft ; FWMR: Forschungsstelle für Wirtschafts- und Medienrecht der Uni Bayreuth ; FWR: Fiata Warehouse Receipt (ein von der FIATA entwickelter Lagerschein) ; FZ: Führungszeugnis ; FZA: Funkzellenabfrage ; FZG: Bundesgesetz über die Freizügigkeit in der beruflichen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (Schweiz) ; FzgLackAusbV: Verordnung über die Berufsausbildung zum Fahrzeuglackierer/zur Fahrzeuglackiererin ; FzgLiefgMeldV: Fahrzeuglieferungs-Meldepflichtverordnung ; FZR: Verdienst für den Beiträge zur Freiwilligen Zusatzrentenversicherung in der ehemaligen DDR (Beitrittsgebiet) gezahlt wurden ; FzTV: Verordnung über die Prüfung und Genehmigung der Bauart von Fahrzeugteilen sowie deren Kennzeichnung ; FZulBV: Verordnung zur Durchführung von § 14 Absatz 1 des Forschungszulagengesetzes (Forschungszulagen-Bescheinigungsverordnung) ; FZulG: Gesetz zur steuerlichen Förderung von Forschung und Entwicklung (Forschungszulagengesetz) ; FZV: Fahrzeug-Zulassungsverordnung ; FZVAusnV: Verordnung über Ausnahmen von den Vorschriften der Fahrzeug-Zulassungsverordnung
; G.: Gesetz oder Gehbehinderung oder Gutachten ; G 10 (G 10 2001): Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses ; gA: gewöhnlicher Aufenthalt ; GA: Goltdammer’s Archiv für Strafrecht (Zeitschrift) oder General Assembly (Vollversammlung der Vereinten Nationen) oder Generalanwalt (EuGH) oder Referatsleiter der Generalprokurator am OGH in Österreich oder erster schweizerischer Bundesanwalt oder Geschäftsanweisung oder Allgemeine Luftfahrt (General Aviation) oder Gemeinschaftsaufgabe oder Gutachterausschuss ; GAA: Gewerbeaufsichtsamt oder Geldausgabeautomat ; GABl.: Gemeinsames Amtsblatt ; GAC: Rat für Allgemeine Angelegenheiten der EU (engl.: General Affairs Council) ; GAD: Gesetz über den Auswärtigen Dienst oder Grenzaufsichtsdienst ; GADVDV: Verordnung über den Vorbereitungsdienst für den gehobenen Auswärtigen Dienst ; GärtnAusbV: Verordnung über die Berufsausbildung zum Gärtner/zur Gärtnerin ; GaFG: Gesetz zur Errichtung des Sondervermögens „Ausbau ganztägiger Bildungs- und Betreuungsangebote für Kinder im Grundschulalter“ (Ganztagsfinanzierungsgesetz) ; GaFinHG: Gesetz über Finanzhilfen des Bundes zum Ausbau ganztägiger Bildungs- und Betreuungsangebote für Kinder im Grundschulalter (Ganztagsfinanzhilfegesetz) ; GaFöG: Gesetz zur ganztägigen Förderung von Kindern im Grundschulalter (Ganztagsförderungsgesetz) ; GAFTA: Grain and Feed Trade Association ; gAG: Gemeinnützige Aktiengesellschaft ; GAG: Gemeindeaufgabengesetz (z. B. in Bayern) oder Gesplittete Abwassergebühr ; GAK-Gesetz: Gesetz über die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ ; GalvMstrV: Verordnung über die Meisterprüfung in den Teilen I und II im Galvaniseur-Handwerk ; GAnwZ: Bayerische Geschäftsanweisung in Zivilsachen ; GAP: Gemeinsame Agrarpolitik der EU oder Gute landwirtschaftliche Praxis oder Gasanlagenprüfung ; GAPAusnV: Verordnung zur Durchführung der im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik geltenden Ausnahmeregelungen hinsichtlich der Anwendung der Standards für den guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand (GLÖZ-Standards) 7 und 8 für das Antragsjahr 2023 (GAP-Ausnahmen-Verordnung) ; GAPDZG: Gesetz zur Durchführung der im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik finanzierten Direktzahlungen (GAP-Direktzahlungen-Gesetz) ; GAPDZV: Verordnung zur Durchführung der GAP-Direktzahlungen (GAP-Direktzahlungen-Verordnung) ; GAPFinISchG: Gesetz zur Regelung einzelner dem Schutz der finanziellen Interessen der Union dienender Bestimmungen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP-Finanzinteressen-Schutz-Gesetz) ; GAPInVeKoSG: Gesetz zur Durchführung des im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik einzuführenden Integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystems ; GAPInVeKoSV: Verordnung zur Durchführung des Integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystems (GAPInVeKoS-Verordnung) ; GAPKondG: Gesetz zur Durchführung der im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik geltenden Konditionalität (GAP-Konditionalitäten-Gesetz) ; GAPKondV: Verordnung zur Durchführung der im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik geltenden Konditionalität (GAP-Konditionalitäten-Verordnung) ; GAPStatG: Gesetz über die Statistiken zu Gesundheitsausgaben und ihrer Finanzierung, zu Krankheitskosten sowie zum Personal im Gesundheitswesen ; GAPStatV: Verordnung zur Durchführung der Erhebungen nach dem Gesundheitsausgaben- und -personalstatistikgesetz (Gesundheitsausgaben- und -personalstatistikverordnung) ; GarBBAnO: Anordnung über den Bau und Betrieb von Garagen (der DDR) ; GartAusbStEignV: Verordnung über die Eignung der Ausbildungsstätte für die Berufsausbildung zum Gärtner/zur Gärtnerin ; GartenKundenBerPrV: Verordnung über die Prüfung zum anerkannten Abschluss Geprüfter Kundenberater/Geprüfte Kundenberaterin – Gartenbau ; GartMStrV: Verordnung über die Anforderungen in der Meisterprüfung für den Beruf Gärtner/Gärtnerin ; GarVO: Garagenverordnung (z. B. in HH) ; GasgeräteDG: Gesetz zur Durchführung der Verordnung (EU) 2016/426 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. März 2016 über Geräte zur Verbrennung gasförmiger Brennstoffe und zur Aufhebung der Richtlinie 2009/142/EG (Gasgerätedurchführungsgesetz) ; GasGKErstV: Verordnung zu Kostenerstattungsansprüchen für Gasgeräte (Gasgerätekostenerstattungsverordnung) ; GasGVV: Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Grundversorgung von Haushaltskunden und die Ersatzversorgung mit Gas aus dem Niederdrucknetz (Gasgrundversorgungsverordnung) ; GasHDrLtgV: Verordnung über Gashochdruckleitungen ; GasLastV: Verordnung über die Sicherstellung der Gasversorgung (Gaslastverteilungs-Verordnung) ; GasNEV: Gasnetzentgeltverordnung ; GasNZV: Verordnung über den Zugang zu Gasversorgungsnetzen (Gasnetzzugangsverordnung) ; GASP: Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union ; GasPrAnpV: Verordnung nach § 26 des Energiesicherungsgesetzes über einen finanziellen Ausgleich durch eine saldierte Preisanpassung (Gaspreisanpassungsverordnung) ; GasSpBefüllV: Verordnung zur Zurverfügungstellung unterbrechbarer Speicherkapazitäten zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit (Gasspeicherbefüllungsverordnung) ; GasSpFüllstV: Verordnung zur Anpassung von Füllstandsvorgaben für Gasspeicheranlagen (Gasspeicherfüllstandsverordnung) ; GaStatAusV: Verordnung zur Aussetzung der Erhebung über Kinder in den Klassenstufen eins bis vier nach dem Achten Buch Sozialgesetzbuch (Ganztagsstatistikaussetzungsverordnung) ; GastroAusbV: Verordnung über die Berufsausbildungen zur Fachkraft für Gastronomie, zum Fachmann für Restaurants und Veranstaltungsgastronomie und zur Fachfrau für Restaurants und Veranstaltungsgastronomie sowie zum Fachmann für Systemgastronomie und zur Fachfrau für Systemgastronomie (Gastronomieberufeausbildungsverordnung) ; GASV: Verordnung zur Bestimmung von weiteren grundlegenden Anforderungen an Geräte sowie zur Bestimmung von Äquivalenzen nationaler Schnittstellen und Geräteklassenkennungen auf dem Gebiet der Funkanlagen und Telekommunikationsendeinrichtungen (Grundlegende Anforderungen- und Schnittstellen-Verordnung) ; GasSV: Verordnung zur Sicherung der Gasversorgung in einer Versorgungskrise (Gassicherungsverordnung) (siehe Gasreserve) ; GASt: Grenzaufsichtsstelle ; GastG: Gaststättengesetz ; GastgewAusbV: Verordnung über die Berufsausbildung im Gastgewerbe ; GastStG: Gaststaatgesetz ; GATS: Allgemeines Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen (englisch General Agreement on Trade in Services) ; GATT: Allgemeines Zoll- und Handelsabkommen (engl.: General Agreement on Tariffs and Trade – GATT) (heute: WTO) ; GATTG: Gesetz über das Protokoll von Torquay vom 21. April 1951 und über den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zum Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen ; GaufzV: Verordnung zu Art, Inhalt und Umfang von Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 der Abgabenordnung (Gewinnabgrenzungsaufzeichnungsverordnung) ; GAV: Gesamtarbeitsvertrag (Schweiz) ; GAVO: Garagenverordnung (z. B. in BW) ; GAW: Gleichbehandlungsanwaltschaft (Österreich) oder Gesetz über den Außenwirtschafts-, Kapital- und Zahlungsverkehr ; GB: Grundbuch oder Gerichtsbescheid ; G-BA (auch GemBA oder GBA): Gemeinsamer Bundesausschuss ; GBA: Generalbundesanwalt oder Grundbuchamt oder Gemeinsamer Bundesausschuss ; GBankDVDV: Verordnung über den Vorbereitungsdienst für den gehobenen Bankdienst der Deutschen Bundesbank ; GbAusV: Verordnung über die Berufsausbildung zum Geigenbauer und zur Geigenbauerin ; GBBerG: Grundbuchbereinigungsgesetz ; GBG: Grundbuchsgesetz (Österreich) ; GBK: Gleichbehandlungskommission (Österreich) ; GBK/GAW-Gesetz: Bundesgesetz über die Gleichbehandlungskommission und die Gleichbehandlungsanwaltschaft (Österreich) ; GBMaßnG: Gesetz über Maßnahmen auf dem Gebiete des Grundbuchwesens ; GBO: Grundbuchordnung ; GBOERA: Grundbuch- und Öffentlichkeitsregisteramt (Liechtenstein) ; GB-PS: Britische Patentschrift ; GbR: Gesellschaft bürgerlichen Rechts (= BGB-Gesellschaft) ; GBR: Gesamtbetriebsrat ; GbV: Gefahrgutbeauftragtenverordnung ; GBV: Grundbuchverfügung oder Schweizerische Verordnung betreffend das Grundbuch oder Geschäftsbesorgungsvertrag ; GBZugV: Berufszugangsverordnung für den Güterkraftverkehr ; GCM: Globaler Pakt für sichere, geordnete und reguläre Migration (englisch: Global Compact for Save, Regular, and Orderly Migration) ; GCP: Good Clinical Practice (deutsch: „Gute klinische Praxis“) ; GCP-V: Verordnung über die Anwendung der Guten klinischen Praxis bei der Durchführung von klinischen Prüfungen mit Arzneimitteln zur Anwendung am Menschen (GCP-Verordnung) ; GD: Generaldirektion der EU-Kommission (auch DG für / franz. ) ; GDA: Gemeinsame Deutsche Arbeitsschutzstrategie ; GdB: Grad der Behinderung ; GDB: Grundstücksdatenbank (Österreich) ; GDD: Gesellschaft für Datenschutz und Datensicherheit e. V. ; GDEW: Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende ; GDföS: Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit (Österreich) ; GDG: Gesundheitsdienstgesetz ; GDNG: Gesetz zur Nutzung von Gesundheitsdaten zu gemeinwohlorientierten Forschungszwecken und zur datenbasierten Weiterentwicklung des Gesundheitswesens (Gesundheitsdatennutzungsgesetz) ; GDolmG: Gesetz über die allgemeine Beeidigung von gerichtlichen Dolmetschern (Gerichtsdolmetschergesetz) ; GDPdU: Grundsätze zum Datenzugriff und zur Prüfbarkeit digitaler Unterlagen (GDPdU) ; GDRG / G-DRG: German Diagnosis Related Groups (dt.: diagnosebezogene Fallgruppen) ; GdS: Grad der Schädigungsfolgen (seit dem 21. Dezember 2007; vorher MdE – Minderung der Erwerbsfähigkeit) oder Gewerkschaft der Sozialversicherung ; GDV: Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V. ; GdWE: Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ; GDWS: Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt ; GE: Das Grundeigentum (Zeitschrift) oder Geistiges Eigentum oder Gemeinschaftseigentum ; GEA: Gemeinsame Ermittlungsgruppen Arbeit ; GEAS: Gemeinsames Europäisches Asylsystem (siehe Asylpolitik der Europäischen Union) ; geb.: geboren oder gebunden ; GebG: Gebührengesetz (siehe z. B.: Gebührengesetz 1957, Österreich) ; GebGabe: Geburtstagsgabe ; GebrM: Gebrauchsmuster ; GebrMG: Gebrauchsmustergesetz ; GedSchr: Gedächtnisschrift ; GEEV: Verordnung zur grenzüberschreitenden Ausschreibung für Strom aus erneuerbaren Energien (Grenzüberschreitende-Erneuerbare-Energien-Verordnung) ; GefBeitrV: Verordnung über die Pauschalberechnung der Beiträge zur Arbeitsförderung für Gefangene (Gefangenen-Beitragsverordnung) ; GeflPestV (auch GeflPestSchV): Verordnung zum Schutz gegen die Geflügelpest (Geflügelpest-Verordnung) ; GefStoffV: Gefahrstoffverordnung ; GEG: Gebäudeenergiegesetz ; GEIG: Gebäude-Elektromobilitätsinfrastruktur-Gesetz ; GEK (auch GEKR): Gemeinsames Europäisches Kaufrecht ; GeldStrTV: Verordnung über die Tilgung uneinbringlicher Geldstrafen durch freie Arbeit (NRW) ; GelverkG: Bundesgesetz über die nichtlinienmäßige gewerbsmäßige Beförderung von Personen mit Kraftfahrzeugen (Gelegenheitsverkehrs-Gesetz 1996) (Österreich) ; gem.: gemäß oder gemeinsam ; GemA (auch GemAus): Gemeinsamer Ausschuss ; GemAusGO: Geschäftsordnung für den Gemeinsamen Ausschuß ; GEMA: Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte ; GemBA (auch G-BA oder GBA): Gemeinsamer Bundesausschuss ; GemO (GO): Gemeindeordnung oder Gemeinschaftsordnung einer Wohnungseigentümergemeinschaft ; GemFinRefG: Gesetz zur Neuordnung der Gemeindefinanzen (Gemeindefinanzreformgesetz) ; GemSOGB (GmS-OGB): Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes ; Gen.: Genehmigung oder Genossenschaft ; GenBeschlG: Genehmigungsbeschleunigungsgesetz (Gesetz zur Beschleunigung von Genehmigungsverfahren) ; GenDG: Gesetz über genetische Untersuchungen beim Menschen (Gendiagnostikgesetz) ; GenG: Genossenschaftsgesetz ; GenRegV: Genossenschaftsregister-Verordnung (Verordnung über das Genossenschaftsregister) ; GenTG: Gentechnikgesetz ; GenTPflEV: Verordnung über die gute fachliche Praxis bei der Erzeugung gentechnisch veränderter Pflanzen (Gentechnik-Pflanzenerzeugungsverordnung) ; GenTSV: Gentechniksicherheits-Verordnung (Verordnung über die Sicherheitsstufen und Sicherheitsmaßnahmen bei gentechnischen Arbeiten in gentechnischen Anlagen) ; GenTVfV: Gentechnikverfahrens-Verordnung (Verordnung über Antrags- und Anmeldeunterlagen und über Genehmigungs- und Anmeldeverfahren nach dem Gentechnikgesetz) ; GeR: Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen für Sprachen ; GER: Gemeinsame Ermittlungsgruppe Rauschgift ; GerüstbauerArbbV: Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen im Gerüstbauerhandwerk (Gerüstbauerarbeitsbedingungenverordnung) ; GerZV: Gerichtszuständigkeitsverordnung ; Ges.: Gesetz oder Gesellschaft oder Gesellschafter ; GesamtKiZ: Gesamtkinderzuschlag (siehe Kinderzuschlag) ; GesBergV: Bergverordnung zum gesundheitlichen Schutz der Beschäftigten (Gesundheitsschutz-Bergverordnung) ; GesbR: Gesellschaft nach bürgerlichem Recht (Österreich) ; GeschG: Bundesgesetz zum Schutz vor Gewalt in der Familie (Gewaltschutzgesetz) (Österreich) ; GeschGehG: Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (Geschäftsgeheimnisgesetz) ; GeschmMG: Geschmacksmustergesetz (heißt seit 2014 Designgesetz) ; GeschO (GO): Geschäftsordnung ; GESG: Gesundheits- und Ernährungssicherheitsgesetz (Österreich) ; GesLV: Verordnung über die Ausgestaltung der Gesellschafterliste (Gesellschafterlistenverordnung) ; GesR: Zeitschrift für Gesundheitsrecht oder Gesellschaftsrecht ; GesRuaCovBekG: Gesetz über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie ; GesRV: Verordnung über die Einrichtung und Führung des Gesellschaftsregisters (Gesellschaftsregisterverordnung) ; GESTA: Stand der Gesetzgebung des Bundes ; GewAbfV: Verordnung über die Bewirtschaftung von gewerblichen Siedlungsabfällen und von bestimmten Bau- und Abbruchabfällen (Gewerbeabfallverordnung) ; GewAnzV: Verordnung zur Ausgestaltung des Gewerbeanzeigeverfahrens (Gewerbeanzeigeverordnung) ; GewArch (auch GewA): Gewerbearchiv – Zeitschrift für Wirtschaftsverwaltungsrecht ; GewebeG: Gesetz über Qualität und Sicherheit von menschlichen Geweben und Zellen (Gewebegesetz) ; GewHG: Gesetz zur Sicherung des Zugangs zu Schutz und Beratung bei geschlechtsspezifischer und häuslicher Gewalt (Gewalthilfegesetz) ; GewinnungsAbfV: Gewinnungsabfallverordnung (Verordnung zur Umsetzung der Richtlinie 2006/21/EG des europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 über die Bewirtschaftung von Abfällen aus der mineralgewinnenden Industrie und zur Änderung der Richtlinie 2004/35/EG; Errichtung, Betrieb, Stilllegung und Nachsorge für Beseitigungsanlagen für Gewinnungsabfälle, Lagerung, Ablagerung und Verwertung von Gewinnungsabfällen) ; GewO: Gewerbeordnung (Deutschland) oder Gewerbeordnung (Österreich) ; GewO§ 34cDV: Verordnung über die Pflichten der Makler, Darlehens- und Anlagenvermittler, Bauträger und Baubetreuer ; GewSchG: Gewaltschutzgesetz ; GewSt: Gewerbesteuer (Deutschland) ; GewStDV: Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung ; GewStG: Gewerbesteuergesetz ; GewStR: Gewerbesteuer-Richtlinien ; GEZ: Gebühreneinzugszentrale ; GF: Geschäftsführer, bzw. Geschäftsführung oder Grundfläche (Architektur) ; GFABPrV: Verordnung über die Prüfung zum anerkannten Fortbildungsabschluss Geprüfte Fachkraft zur Arbeits- und Berufsförderung (Arbeits- und Berufsförderungsfortbildungsprüfungsverordnung) ; GFDV: Verordnung über die Art der Daten, die nach § 30 Absatz 1 Satz 1 und § 31 Absatz 1 Satz 1 des Bundespolizeigesetzes zur Grenzfahndung und zur grenzpolizeilichen Beobachtung gespeichert werden dürfen (Grenzfahndungsdatenverordnung) ; GFG: Gemeinsame Finanzermittlungsgruppe oder Gesetz über die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses an den Hochschulen ; GFK: Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Flüchtlingskonvention) ; GFlFleischV: Verordnung über Vermarktungsnormen für Geflügelfleisch ; GFlHG: Geflügelfleischhygienegesetz ; GflSalmoV: Verordnung zum Schutz gegen bestimmte Salmonelleninfektionen beim Haushuhn und bei Puten (Geflügel-Salmonellen-Verordnung) ; GFZ: Geschossflächenzahl (siehe Maß der baulichen Nutzung#Geschossflächenzahl (GFZ)) ; GFP: Gemeinsame Fischereipolitik der EU oder Grenz- und Fremdenpolizei (Österreich) ; GFV: Verordnung über die Durchführung der Graduiertenförderung ; GG: Grundgesetz oder Gefahrgut ; GGAV: Gefahrgut-Ausnahmeverordnung (Verordnung über Ausnahmen von den Vorschriften über die Beförderung gefährlicher Güter) ; GGBefG: Gefahrgutbeförderungsgesetz ; GGBG: Gefahrgutbeförderungsgesetz (Österreich) ; GGBV: Gefahrgutbeförderungsverordnung (Österreich) ; GGG: Gerichtsgebührengesetz (Österreich) ; GGKontrollV: Verordnung über die Kontrollen von Gefahrguttransporten auf der Straße und in den Unternehmen (Gefahrgutkontrollverordnung) ; GGKostV: Kostenverordnung für Maßnahmen bei der Beförderung gefährlicher Güter (Gefahrgutkostenverordnung) ; gGmbH: Gemeinnützige GmbH ; GGO: Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien ; GgV: Geburtsgebrechenverordnung (Schweiz) ; GGV: Gebäudegrundbuchverfügung (Verordnung über die Anlegung und Führung von Gebäudegrundbüchern) ; GGVBinSch: Verordnung über die Beförderung gefährlicher Güter auf Binnengewässern (Gefahrgutverordnung Binnenschifffahrt) ; GGVSEB: Gefahrgutverordnung Straße, Eisenbahn und Binnenschifffahrt ; GGVSee: Gefahrgutverordnung See ; GHS: Global harmonisiertes System zur Einstufung und Kennzeichnung von Chemikalien ; GiftTier-DÜVO NRW: Verordnung über die automatisierte Übermittlung von Daten im Anwendungsbereich des Gifttiergesetzes an die Kreisordnungsbehörden und örtlichen Ordnungsbehörden (Gifttier-Datenübermittlungsverordnung NRW) ; GiftTierG NRW: Gesetz zum Schutz der Bevölkerung vor sehr giftigen Tieren (Gifttiergesetz NRW) ; GiMedAusbV: Verordnung über die Berufsausbildung zum Gestalter für immersive Medien und zur Gestalterin für immersive Medien (Gestalter-immersive-Medien-Ausbildungsverordnung) ; GIRL: Geruchsimmissions-Richtlinie ; GlRStG: Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte ; GjS: Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften und Medieninhalte ; GK: Gemeinschaftskommentar oder Großkommentar ; GkG: Gesetz über die kommunale Gemeinschaftsarbeit (z. B. in NRW) ; GKG: Gerichtskostengesetz oder Güterkontrollgesetz (Schweiz) ; GKV: Gesetzliche Krankenversicherung oder Gesamtkostenverfahren oder Gesamtkirchenverwaltung oder Gesamtkreditvolumen oder Spitzenverband Bund der Krankenkassen oder Grenzwerteverordnung (Österreich) ; GKV-BRG: Gesetz zur Einführung eines Freibetrages in der gesetzlichen Krankenversicherung zur Förderung der betrieblichen Altersvorsorge (GKV-Betriebsrentenfreibetragsgesetz) ; GKV-FQWG: Gesetz zur Weiterentwicklung der Finanzstruktur und der Qualität in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Finanzstruktur- und Qualitäts-Weiterentwicklungsgesetz) ; GKV-IPReG: Gesetz zur Stärkung von intensivpflegerischer Versorgung und medizinischer Rehabilitation in der gesetzlichen Krankenversicherung (Intensivpflege- und Rehabilitationsstärkungsgesetz) ; GKV-SolG: Gesetz zur Stärkung der Solidarität in der gesetzlichen Krankenversicherung ; GKV-VSG: GKV-Versorgungsstärkungsgesetz ; GKV-VStG: Versorgungsstrukturgesetz ; GKV-WSG: Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung ; GlBG: Bundesgesetz über die Gleichbehandlung (Gleichbehandlungsgesetz) (Österreich) ; GlasappAusbV: Verordnung über die Berufsausbildung zum Glasapparatebauer und zur Glasapparatebauerin (Glasapparatebauer-Ausbildungsverordnung) ; GlAusbV 2001: Verordnung über die Berufsausbildung zum Glaser/zur Glaserin ; GleibWV: Verordnung über die Wahl der Gleichstellungsbeauftragten und ihrer Stellvertreterin in Dienststellen des Bundes (Gleichstellungsbeauftragten-Wahlverordnung) ; GleichberG: Gesetz über die Gleichberechtigung von Mann und Frau auf dem Gebiet des bürgerlichen Rechts (Gleichberechtigungsgesetz) ; GleichstG TH: Thüringer Gleichstellungsgesetz ; GleiStatV: Verordnung über statistische Erhebungen zur Gleichstellung von Frauen und Männern in Dienststellen des Bundes ; GlG: Gleichstellungsgesetz (Schweiz) oder Gesetz zur Gleichstellung von Frauen und Männern im öffentlichen Dienst des Landes Mecklenburg-Vorpommern (Gleichstellungsgesetz M-V) oder Bayerisches Gesetz zur Gleichstellung von Frauen und Männern (Bayerisches Gleichstellungsgesetz – GlG Bay) ; GLS: Grundlohnsumme ; GlüStV: Glücksspielstaatsvertrag ; GM: Gebrauchsmuster ; GmbH: Gesellschaft mit beschränkter Haftung oder Gesellschaft mit beschränkter Haftung (Österreich) oder Gesellschaft mit beschränkter Haftung (Liechtenstein) oder Gesellschaft mit beschränkter Haftung (Schweiz) ; GmbHG: GmbH-Gesetz in Deutschland oder GmbH-Gesetz in Österreich ; GmbHR: GmbH-Rundschau (Zeitschrift) ; GMBl: Gemeinsames Ministerialblatt ; GMG: Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung, kurz: GKV-Modernisierungsgesetz ; GMK: Gesundheitsministerkonferenz ; GMLZ: Gemeinsames Melde- und Lagezentrum von Bund und Ländern ; GMP: Gute Herstellungspraxis (engl.: Good Manufacturing Practice – GMP) ; GmS-OGB (GemSOGB): Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes ; GNG: Gesetz über die Neuordnung zentraler Einrichtungen des Gesundheitswesens ; GnO: Gnadenordnung ; GnR: Genossenschaftsregister ; GNT: Güternahverkehrstarif ; GntDAIVAPrV: Verordnung über die Ausbildung und Prüfung für den gehobenen nichttechnischen Dienst in der allgemeinen und inneren Verwaltung des Bundes ; GO: Gemeindeordnung oder Geschäftsordnung oder Gebührenordnung ; GoA: Geschäftsführung ohne Auftrag ; GOÄ: Gebührenordnung für Ärzte ; GoB: Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung ; GoBD: Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff ; GOBR (auch GO BR): Geschäftsordnung des Bundesrates (Deutschland) ; GOBReg (auch GO BReg): Geschäftsordnung der Bundesregierung ; GoBS: Grundsätze ordnungsmäßiger DV-gestützter Buchführungssysteme ; GOBT (auch GO BT): Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages ; GOBVerfG (auch GO BVerfG): Geschäftsordnung des Bundesverfassungsgerichts ; GOJIL: Goettingen Journal of International Law (Zeitschrift) ; GoldfrUmrG: Gesetz zu den Protokollen vom 19. November 1976 und vom 5. Juli 1978 über die Ersetzung des Goldfrankens durch das Sonderziehungsrecht des Internationalen Währungsfonds sowie zur Regelung der Umrechnung des Goldfrankens in haftungsrechtlichen Bestimmungen ; GoldSchmAusbV: Verordnung über die Berufsausbildung zum Goldschmied/zur Goldschmiedin ; GoldSilberschmiedMstrV: Verordnung über das Meisterprüfungsberufsbild und über die Prüfungsanforderungen in den Teilen I und II der Meisterprüfung im Gold- und Silberschmiede-Handwerk ; GoltdA: Goltdammers Archiv für Strafrecht ; GOP: Gebührenordnung für Psychologische Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten ; GoSiAusbV: Verordnung über die Berufsausbildung zum Gold- und Silberschmied und zur Gold- und Silberschmiedin (Gold- und Silberschmied-Ausbildungsverordnung) ; GOT: Gebührenordnung für Tierärzte und Tierärztinnen ; GO-VermA: Geschäftsordnung Vermittlungsausschuss ; GOZ: Gebührenordnung für Zahnärzte ; GPA: Government Procurement Agreement oder Gemeindeprüfungsamt ; gpaNRW: Gemeindeprüfungsamt NRW ; GPatG: Gesetz über das Gemeinschaftspatent und zur Änderung patentrechtlicher Vorschriften ; GPEV: Verordnung zur Erhebung von Garantieprämien für die ergänzende staatliche Absicherung von Reisegutscheinen wegen der COVID-19-Pandemie ; GPR: Gesamtpersonalrat oder Zeitschrift für das Privatrecht der Europäischen Union ; GPSG: Geräte- und Produktsicherheitsgesetz ; GPSGV 1: Erste Verordnung zum Geräte- und Produktsicherheitsgesetz (Verordnung über das Inverkehrbringen elektrischer Betriebsmittel zur Verwendung innerhalb bestimmter Spannungsgrenzen) ; GPSGV 2: Zweite Verordnung zum Geräte- und Produktsicherheitsgesetz (Verordnung über die Sicherheit von Spielzeug) ; GPSGV 3: Dritte Verordnung zum Geräte- und Produktsicherheitsgesetz ; GPSGV 6: Sechste Verordnung zum Geräte- und Produktsicherheitsgesetz (Verordnung über das Inverkehrbringen von einfachen Druckbehältern) ; GPSGV 7: Siebte Verordnung zum Geräte- und Produktsicherheitsgesetz (Gasverbrauchseinrichtungsverordnung) ; GPSGV 8: Achte Verordnung zum Geräte- und Produktsicherheitsgesetz (Verordnung über das Inverkehrbringen von persönlichen Schutzausrüstungen) ; GPSGV 9: Neunte Verordnung zum Geräte- und Produktsicherheitsgesetz (Maschinenverordnung) ; GPSGV 10: Zehnte Verordnung zum Geräte- und Produktsicherheitsgesetz (Verordnung über das Inverkehrbringen von Sportbooten) ; GPSGV 11: Elfte Verordnung zum Geräte- und Produktsicherheitsgesetz (Explosionsschutzverordnung) ; GPSGV 12: Zwölfte Verordnung zum Geräte- und Produktsicherheitsgesetz (Aufzugsverordnung) ; GPSGV 13: Dreizehnte Verordnung zum Geräte- und Produktsicherheitsgesetz (Aerosolverpackungsverordnung) ; GPSGV 14: Vierzehnte Verordnung zum Geräte- und Produktsicherheitsgesetz (Druckgeräteverordnung) ; GPSR: General Product Safety Regulation (Verordnung (EU) 2023/988 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. Mai 2023 über die allgemeine Produktsicherheit; Kurzfassung deutsch: Allgemeine Produktsicherheitsverordnung (ProdSVO)) ; GPV: Verordnung über die Zulassung privater Gegenprobensachverständiger und über Regelungen für amtliche Gegenproben ; GR: Güterrechtsregister oder Gemeinderat oder Grundrecht ; GRA: Gemeinsame Rechtliche Anweisungen (z. B. der Dt. Rentenversicherung Bund) ; GräbG: Gesetz über die Erhaltung der Gräber der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft (Gräbergesetz) ; GräbGÄndG: Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Erhaltung der Gräber der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft ; GrÄndStVtr: Staatsvertrag zwischen Bundesländern über die Änderung der gemeinsamen Landesgrenze ; GrAusbV: Verordnung über die Berufsausbildung zum Graveur und zur Graveurin ; GravMStrV: Verordnung über das Meisterprüfungsberufsbild und über die Prüfungsanforderungen in den Teilen I und II der Meisterprüfung im Graveur-Handwerk ; GrBrückAbk: Abkommen zwischen zwei Staaten über Grenzbrücke(n) ; GRC (auch EU-GRC): Grundrechtecharta der EU (siehe Charta der Grundrechte der Europäischen Union) ; grds.: grundsätzlich ; GrdstVG: Gesetz über Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur und zur Sicherung land- und forstwirtschaftlicher Betriebe (Grundstückverkehrsgesetz) ; GrenzAV: Verordnung über die Ausdehnung des grenznahen Raumes und die der Grenzaufsicht unterworfenen Gebiete (nicht amtlich) ; GrenzVerkVtr: Grenzverkehrsvertrag zwischen zwei Staaten ; GrEStG: Grunderwerbsteuergesetz (Deutschland) oder Grunderwerbsteuergesetz 1987 (Österreich) ; GRG: Gesetz zur Strukturreform im Gesundheitswesen ; GrHdlKfmAusbV: Verordnung über die Berufsausbildung zum Kaufmann im Groß- und Außenhandel/zur Kauffrau im Groß- und Außenhandel ; GrImpfStRüV: Verordnung über die Rückerstattung nicht genutzter saisonaler Grippeimpfstoffe (Grippeimpfstoffrückerstattungsverordnung) ; GRMG: Geschäftsraummietengesetz ; GRN: Geschäftsreglement des Nationalrates (Schweiz) ; GrO: Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse der katholischen Kirche (siehe Arbeitsrecht der Kirchen) oder Grundordnung der EKD ; GroMiKV: Verordnung über die Erfassung, Bemessung, Gewichtung und Anzeige von Krediten im Bereich der Großkredit- und Millionenkreditvorschriften des Kreditwesengesetzes (Großkredit- und Millionenkreditverordnung) ; GrPfREuroV: Verordnung über Grundpfandrechte in ausländischer Währung und in Euro ; GRS: Geschäftsreglement des Ständerates (Schweiz) ; GrSiDAV: Verordnung über den automatisierten Datenabgleich bei Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende (Grundsicherungs-Datenabgleichsverordnung) (siehe auch Leistungsmissbrauch) ; GrStG: Grundsteuergesetz ; GrStG-Saar: Saarländisches Grundsteuergesetz ; GrStDV: Grundsteuerdurchführungsverordnung ; GrStHsGRP: Grundsteuerhebesatzgesetz Rheinland-Pfalz ; GrStRefG: Grundsteuer-Reformgesetz ; GrStRefUG: Grundsteuerreform-Umsetzungsgesetz ; GrundVtr: Vertrag vom 21. Dezember 1972 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Grundlagen der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik (Grundlagenvertrag (auch Grundvertrag genannt)) ; GrundVtrG: Gesetz zum (Grundlagenvertrag) ; GRUR: Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht (Zeitschrift) ; GRUR-RR: Gewerblicher-Rechtsschutz-und-Urheberrecht-Rechtsprechungsreport ; GRV: Gesetzliche Rentenversicherung (Deutschland) ; GRW: Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur ; GRWG: Gesetz über die Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur ; GrwV: Verordnung zum Schutz des Grundwassers (Grundwasserverordnung) ; GRZ: Grundflächenzahl (siehe Maß der baulichen Nutzung#Grundflächenzahl (GRZ)) ; GrZS: Großer Zivilsenat des Bundesgerichtshofes ; GS: Großer Senat oder Gedächtnisschrift oder Gesetzessammlung oder Geprüfte Sicherheit ; GSA: Agentur für das Europäische GNSS (engl.: European GNSS Agency) ; GSA Fleisch: Gesetz zur Sicherung von Arbeitnehmerrechten in der Fleischwirtschaft ; GSBG: Gesundheits- und Sozialbereichsbeihilfengesetz (Österreich) ; GSchG: Gewässerschutzgesetz (Schweiz) ; GSchV: Gewässerschutzverordnung (Schweiz) ; GSG: Gesundheitsstrukturgesetz oder Grenzschutzgruppe ; GSi: Grundsicherung ; GSiG: Grundsicherungsgesetz ; GSOD: Großer Sicherheits- und Ordnungsdienst (Österreich) ; GSpG: Glücksspielgesetz ; GStA: Generalstaatsanwalt ; GStG: Gesetz zur Gleichstellung der Frauen im öffentlichen Dienst (Schleswig-Holstein) ; GStrukG: Gesetz zur Sicherung und Strukturverbesserung der gesetzlichen Krankenversicherung (Gesundheitsstrukturgesetz) ; GStW: Gebührenstreitwert ; GsR: Gesellschaftsregister ; GSSt: Großer Senat für Strafsachen (des Bundesgerichtshofes) ; GSVG: Gewerbliches Sozialversicherungsgesetz (Österreich) ; GSVP: Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU ; GSZ: Großer Senat für Zivilsachen (des Bundesgerichtshofes) oder Zeitschrift für das Gesamte Sicherheitsrecht ; gtai: Germany Trade and Invest – Gesellschaft für Außenwirtschaft und Standortmarketing mbH ; GTelG: Gesundheitstelematikgesetz (Österreich) ; GTG: Gentechnikgesetz (Österreich) ; GTÜ: Gesellschaft für Technische Überwachung ; GÜG: Gesetz zur Überwachung des Verkehrs mit Grundstoffen, die für die unerlaubte Herstellung von Betäubungsmitteln missbraucht werden können (Grundstoffüberwachungsgesetz) ; GÜGKostV: Grundstoff-Kostenverordnung ; GüKBillBG: Gesetz zur illegalen Beschäftigung im gewerblichen Güterkraftverkehr ; GüKG: Güterkraftverkehrsgesetz ; GüKGrKabotageV: Verordnung über den grenzüberschreitenden Verkehr und den Kabotageverkehr ; GüKUMB: Beförderungsbedingungen für den Umzugsverkehr und für die Beförderung von Handelsmöbeln ; GüKVO: Verordnung über den Güterkraftverkehr ; GütbefG: Güterbeförderungsgesetz 1995 (Österreich) ; GÜL: Gemeinsame Überwachungsstelle der Länder (siehe Elektronische Fußfessel) ; GütVerkFwFortbV: Verordnung über die Prüfung zum anerkannten Fortbildungsabschluss Geprüfter Fachwirt für Güterverkehr und Logistik und Geprüfte Fachwirtin für Güterverkehr und Logistik (siehe Verkehrsfachwirt) ; GU: Generalunternehmer oder Gerichtsurkunde ; gUG: gemeinnützige Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) ; GUG: Grundbuchumstellungsgesetz (Österreich) oder Grundstücksmarkt und Grundstückswert (Zeitschrift) ; GuKG: Bundesgesetz über Gesundheits- und Krankenpflegeberufe (Gesundheits- und Krankenpflegegesetz) (Österreich) ; GUMG: Bundesgesetz über genetische Untersuchungen beim Menschen (Schweiz) ; GUMV: Verordnung über genetische Untersuchungen beim Menschen (Schweiz) ; GuP: Gesundheit und Pflege. Rechtszeitschrift für das gesamte Gesundheitswesen ; GUS: Gemeinschaft Unabhängiger Staaten ; GuT: Gewerbemiete und Teileigentum (Zeitschrift) ; GuV: Gewinn- und Verlustrechnung ; GUV: Gesetzliche Unfallversicherung (Deutschland) oder Gesetzliche Unfallversicherung (Österreich) ; g. V.: gesetzlicher Vertreter ; GV: Gerichtsvollzieher oder Geschlechtsverkehr oder Generalversammlung ; GVBl. (GVOBl.): Gesetz- und Verordnungsblatt ; GVFG: Gesetz über Finanzhilfen des Bundes zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse der Gemeinden (Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz) ; GVG: Gerichtsverfassungsgesetz ; GVGA: Gerichtsvollzieher-Geschäftsanweisung ; GVG-B: Grundversorgungsgesetz – Bund 2005 (Österreich) ; GVKostG: Gerichtsvollzieherkostengesetz ; GvKostRNeuOG: Gesetz zur Neuordnung des Gerichtsvollzieherkostenrechts ; GV.NRW. (GVNW.): Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Nordrhein-Westfalen ; GVO: Gruppenfreistellungsverordnung oder Grundstücksverkehrsordnung oder Gentechnisch veränderter Organismus oder Gerichtsvollzieherordnung ; GVO-IT: Gerichtsvollzieherordnung für den Einsatz von Informationstechnik ; GVSG: Gesetz zur Stärkung der Gesundheitsversorgung in der Kommune (Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz) ; GVSP: Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU (engl.: Common Security and Defence Policy (CSDP), französisch Politique commune de sécurité et de défense (PCSD)) ; gVV: Gemeinschaftliches Versandverfahren (siehe Gemeinschaftliches und gemeinsames Versandverfahren) ; GVWG: Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz ; GWB: Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen oder Grundqualifikations- und Weiterbildungsverordnung – Berufskraftfahrer (Österreich) ; GWDS: Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt ; GwG: Geldwäschegesetz (Gesetz über das Aufspüren von Gewinnen aus schweren Straftaten) ; GWG: Geringwertiges Wirtschaftsgut ; GwGEG: Gesetz zur Umsetzung der Vierten EU-Geldwäscherichtlinie, zur Ausführung der EU-Geldtransferverordnung und zur Neuorganisation der Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen ; GwGMeldV: Verordnung über die Form von und die erforderlichen Angaben in Meldungen an die Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen nach § 43 Absatz 1 und § 44 des Geldwäschegesetzes (GwG-Meldeverordnung) ; GwGMeldV-Immobilien: Verordnung zu den nach dem Geldwäschegesetz meldepflichtigen Sachverhalten im Immobilienbereich (Geldwäschegesetzmeldepflichtverordnung-Immobilien) ; GWK: Schweizer Grenzwache (Grenzwachtkorps) (franz. Corps suisse des gardes-frontière, ital. Guardie di confine svizzere) oder Gemeinsame Wissenschaftskonferenz ; GWKHV: Verordnung über das Herkunftsnachweisregister für Gas und das Herkunftsnachweisregister für Wärme oder Kälte (Gas-Wärme-Kälte-Herkunftsnachweisregister-Verordnung) ; g. w. o.: geschehen wie oben (= actum ut supra), bestätigt durch den Beurkundenden bei einer Niederschrift (veraltet) ; GWR: Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht (Zeitschrift) ; GWRL: Richtlinie 2006/118/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 zum Schutz des Grundwassers vor Verschmutzungen und Verschlechterungen ; GWStatG: Gesetz über die Statistik zu globalen Wertschöpfungsketten ; GYIL: German Yearbook of International Law ; Gz.: Geschäftszeichen ; GZ: Grünlandzahl oder Geschäftszeichen oder Geschäftszahl (siehe Aktenzeichen (Österreich)) ; GZD: Generalzolldirektion ; GZK: GATT-Zollwertkodex ; GZR: Gewerbezentralregister ; GZT: Gemeinsamer Zolltarif ; GZV: Gerichtliche Zuständigkeitsverordnung ; GZVJu: Gerichtliche Zuständigkeitsverordnung Justiz (Verordnung über gerichtliche Zuständigkeiten im Bereich des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz)
; h. A.: herrschende Auffassung ; HaagÜbkAG: Gesetz zur Ausführung des Haager Übereinkommens vom 15. November 1965 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- oder Handelssachen und des Haager Übereinkommens vom 18. März 1970 über die Beweisaufnahme im Ausland in Zivil- oder Handelssachen ; HABM: Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (englisch OHIM) ; HACCP: Gefahrenanalyse und kritische Kontrollpunkte (englisch ) ; HADVDV: Verordnung über den Vorbereitungsdienst für den höheren Auswärtigen Dienst ; HärteV: Verordnung über Zusatzleistungen in Härtefällen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz ; HafenlogAusbV: Verordnung über die Berufsausbildung zur Fachkraft für Hafenlogistik ; HafenSchAusbV: Verordnung über die Berufsausbildung zum Hafenschiffer/zur Hafenschifferin ; HAfG: Gesetz über den Holzabsatzfonds (Holzabsatzfondsgesetz) ; HaftEntschBefStoffeSeeÜbk: Internationales Übereinkommen über die Haftung und Entschädigung für Schäden bei der Beförderung schädlicher und gefährlicher Stoffe auf See ; HaftPflG: Haftpflichtgesetz ; HAG: Heimarbeitsgesetz ; HAGDV: Heimarbeitsgesetz-Durchführungsverordnung (Rechtsverordnung zur Durchführung des Heimarbeitsgesetzes) ; HalblSchG: Halbleiterschutzgesetz ; HalblSchV: Verordnung zur Ausführung des Halbleiterschutzgesetzes ; HaldeRlAnO: Anordnung über Halden und Restlöcher ; Hamb. (hamb.): Hamburg, hamburgisch ; HambGE: Hamburger Grundeigentum (Zeitschrift) ; HmbTG: Hamburgisches Transparenzgesetz ; HandelsfachwPrV: Verordnung über die Prüfung zum anerkannten Abschluss Geprüfter Handelsfachwirt/Geprüfte Handelsfachwirtin ; HandwO: Handwerksordnung ; HandzMstrV: Verordnung über das Berufsbild und über die Prüfungsanforderungen im praktischen und im fachtheoretischen Teil der Meisterprüfung für das Handzuginstrumentenmacher-Handwerk ; HanfEinfV: Verordnung über die Einfuhr von Hanf aus Drittländern ; Hansa: Hansa – International Maritime Journal (Zeitschrift, siehe Hansa) ; HApoQualVO: Verordnung der Österreichischen Tierärztekammer über den Erwerb der Zusatzqualifikation zur Führung einer Hausapotheke (Hausapothekenqualifikationsordnungsverordnung) ; HaRÄG: Handelsrechtsänderungsgesetz (Österreich) ; HArchDVDV: Verordnung über den Vorbereitungsdienst für den höheren Archivdienst des Bundes ; HärteV: Verordnung über Zusatzleistungen in Härtefällen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz ; HAuslG: Gesetz über die Rechtsstellung heimatloser Ausländer im Bundesgebiet ; HausratsV: Hausratsverordnung (weitgehend aufgehoben; jetzt §§ 1568 a, b BGB) ; HausratsVO: Hausratsverordnung ; HAV: Verordnung zur Abstimmung über die Aufnahme in die hüttenknappschaftliche Zusatzversicherung ; HaWiAusbV: Verordnung über die Berufsausbildung zum Hauswirtschafter und zur Hauswirtschafterin ; HB: Hansestadt Bremen oder Handelsbilanz ; HBA: Elektronischer Heilberufsausweis ; HBankDVDV: Verordnung über den Vorbereitungsdienst für den höheren Bankdienst der Deutschen Bundesbank ; HBauStatG: Gesetz über die Statistik der Bautätigkeit im Hochbau und die Fortschreibung des Wohnungsbestandes ; HBeG: Hausbetreuungsgesetz (Österreich) ; HBegleitG: Gesetz über Maßnahmen zur Entlastung der öffentlichen Haushalte und zur Stabilisierung der Finanzentwicklung in der Rentenversicherung sowie über die Verlängerung der Investitionshilfeabgabe (Haushaltsbegleitgesetz 1984) ; HBeglG: Gesetz über Maßnahmen zur Entlastung der öffentlichen Haushalte sowie über strukturelle Anpassungen in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet (Haushaltsbegleitgesetz 1991) ; HBFG: Hochschulbauförderungsgesetz ; HBG: Hypothekenbankgesetz (aufgehoben; abgelöst durch Pfandbriefgesetz) ; HBKG: Heilberufe-Kammergesetz (z. B. Baden-Württembergisches HBKG) ; HBPolVDAufstV: Verordnung über die Ausbildung und Prüfung für den verkürzten Aufstieg in den höheren Polizeivollzugsdienst in der Bundespolizei ; HBÜ: Haager Übereinkommen über die Beweisaufnahme im Ausland in Zivil- und Handelssachen oder Londoner Übereinkommen von 1976 über die Beschränkung der Haftung für Seeforderungen ; HCCH: Haager Konferenz für Internationales Privatrecht ; HCVO: Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel (Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 (Health Claims)) ; HDA: Hostingdiensteanbieter ; HDARL: Hochschuldiplomanerkennungsrichtlinie der EU ; HdBALBV: Verordnung über die Leistungsbezüge und Zulagen an der Hochschule der Bundesagentur für Arbeit ; HDG: Heeresdisziplinargesetz (Österreich) ; HdGStiftG: Gesetz zur Errichtung einer Stiftung „Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland“ (Artikel 1 d. Gesetzes zur Errichtung einer Stiftung „Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland“) ; HDiszErstV: Verordnung zur Durchführung der Erstattung von Mitteln aus der Haushaltsdisziplin des Europäischen Garantiefonds für die Landwirtschaft (EGFL) an die Empfänger von Direktzahlungen ; HdlFachwPrV: Verordnung über die Prüfung zum anerkannten Fortbildungsabschluss Geprüfter Handelsfachwirt und Geprüfte Handelsfachwirtin ; HdlKlG: Handelsklassengesetz (siehe Güteklasse) ; HdlKlSchafFlV: Verordnung über gesetzliche Handelsklassen für Schaffleisch ; HdlStatG: Gesetz über die Statistik im Handel und Gastgewerbe (Handels- und Dienstleistungsstatistikgesetz) ; HebG: Gesetz über das Studium und den Beruf von Hebammen (Hebammengesetz) (siehe Hebammengesetz (Deutschland)) ; HebRefG: Hebammenreformgesetz ; HebStPrV: Studien- und Prüfungsverordnung für Hebammen ; HEheSchlA: Haager Abkommen zur Regelung des Geltungsbereichs der Gesetze auf dem Gebiete der Eheschließung ; HeilBerG: Heilberufegesetz (z. B. HeilBerG NRW) ; HeilprG (HeilpraktG): Gesetz über die berufsmäßige Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung (Heilpraktikergesetz) ; HeilprGDV: Heilpraktikergesetz-Durchführungsverordnung ; HeilVfV: Verordnung über die Durchführung von Heilverfahren nach § 33 des Beamtenversorgungsgesetzes (Heilverfahrensverordnung) ; HeimAG: Heimarbeitergesetz 1961 (Österreich) ; HeimGÄndG: Änderungsgesetz zum Heimgesetz ; HeimMindBauV: Verordnung über bauliche Mindestanforderungen für Altenheime, Altenwohnheime und Pflegeheime für Volljährige (Heimmindestbauverordnung) ; HeimMitwirkungsV (HeimmwV): Heimmitwirkungsverordnung (Verordnung über die Mitwirkung der Heimbewohner in Angelegenheiten des Heimbetriebs) ; HeimPersV: Heimpersonalverordnung (Verordnung über personelle Anforderungen für Heime) ; HeimsicherungsV: Heimsicherungsverordnung (Verordnung über die Pflichten der Träger von Altenheimen, Altenwohnheimen und Pflegeheimen für Volljährige im Fall der Entgegennahme von Leistungen zum Zweck der Unterbringung eines Bewohners oder Bewerbers) ; HeizAnlV: Heizungsanlagen-Verordnung (aufgehoben; jetzt aufgegangen in der Energieeinsparverordnung) ; HeizkostenV: Verordnung über die verbrauchsabhängige Abrechnung der Heiz- und Warmwasserkosten (Heizkostenverordnung) ; HeizkZuschG: Gesetz zur Gewährung eines Heizkostenzuschusses aufgrund stark gestiegener Energiekosten (Heizkostenzuschussgesetz) ; HeizölLBV: Verordnung über Lieferbeschränkungen für leichtes Heizöl in einer Versorgungskrise (Heizöl-Lieferbeschränkungs-Verordnung) ; HELCOM: Helsinki-Kommission (engl.: Baltic Marine Environment Protection Commission) ; HEMBV: Verordnung über die Organisation der nach dem Hinweisgeberschutzgesetz einzurichtenden externen Meldestelle des Bundes (Hinweisgeberschutzgesetz-Externe-Meldestelle-des-Bundes-Verordnung) ; hEN: Europäische harmonisierte Normen (siehe Harmonisierte Norm) ; HerrentunnelMautHV: Verordnung über die Höhe der Maut für die Benutzung des Herrentunnels ; Hess. (hess.): Hessen, hessisch ; HessStGH: Hessischer Staatsgerichtshof (siehe Staatsgerichtshof des Landes Hessen) ; HESt: Höchstrichterliche Entscheidungen. Sammlung von Entscheidungen der Oberlandesgerichte und der Oberen Gerichte in Strafsachen. ; HeuerVtrÜbkG: Gesetz betreffend das Internationale Übereinkommen über den Heuervertrag der Schiffsleute ; HFEG: Hessisches Freiheitsentziehungsgesetz ; HFlV: Hackfleisch-Verordnung (aufgehoben; aufgegangen in der Tierische Lebensmittel-Hygieneverordnung (Tier-LMHV)) ; HFR: Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung oder Humboldt Forum Recht (Zeitschrift) ; HG: Hochschulgesetz oder Handelsgericht (Österreich; siehe Gerichtsorganisation in Österreich) ; Hg. (Hrsg.): Herausgeber ; HGB: Handelsgesetzbuch ; HGBP: Hessisches Gesetz über Betreuungs- und Pflegeleistungen ; HGIG: Hessisches Gleichberechtigungsgesetz (siehe Gesetze und amtliche Regelungen zur geschlechtergerechten Sprache) ; HGO: Hessische Gemeindeordnung ; HGrG: Haushaltsgrundsätzegesetz ; HGrGMoG: Gesetz zur Modernisierung des Haushaltsgrundsätzegesetzes (Haushaltsgrundsätzemodernisierungsgesetz) ; HGrStG: Hessisches Grundsteuergesetz ; HGÜ (HGÜ 2005): Haager Übereinkommen über Gerichtsstandsvereinbarungen ; HHG: Häftlingshilfegesetz (Gesetz über Hilfsmaßnahmen für Personen, die aus politischen Gründen außerhalb der Bundesrepublik Deutschland in Gewahrsam genommen wurden) ; HIA: Honorarinformationen zur Architekturleistung (Österreich) ; HiKassGAufhG: Gesetz betreffend die Aufhebung des Hilfskassengesetzes ; HiKG: Hilfskassengesetz ; HilfsM-RL: Richtlinie über die Verordnung von Hilfsmitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (Hilfsmittel-Richtlinie) ; HinSchG: Gesetz für einen besseren Schutz hinweisgebender Personen sowie zur Umsetzung der Richtlinie zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden (Hinweisgeberschutzgesetz) oder Gesetz für einen besseren Schutz hinweisgebender Personen (Hinweisgeberschutzgesetz) ; HinSchGOWiZustV: Verordnung über die Zuständigkeit des Bundesamtes für Justiz für die Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten nach § 40 des Hinweisgeberschutzgesetzes (Hinweisgeberschutzgesetz-Ordnungswidrigkeiten-Zuständigkeitsverordnung) ; HinterlO (HintO): Hinterlegungsordnung (aufgehoben zum 1. Dezember 2010; jetzt Länderangelegenheit) ; HintG: Hinterlegungsgesetz (z. B. von Nordrhein-Westfalen) ; HIVHG: Gesetz über die humanitäre Hilfe für durch Blutprodukte HIV-infizierte Personen ; HJAV: Hauptjugend- und Auszubildendenvertretung (siehe Jugend- und Auszubildendenvertretung) ; HK: Heidelberger Kommentar(e) oder Handkommentar oder Hotelkosten (siehe Pflegesatz) oder Havariekommando ; HKaG: Gesetz über die Berufsausübung, die Berufsvertretungen und die Berufsgerichtsbarkeit der Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte, Apotheker sowie der Psychologischen Psychotherapeuten und der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (Heilberufe-Kammergesetz) (Bayern) ; HkG: Heimkehrergesetz ; HkNDV: Durchführungsverordnung über Herkunftsnachweise für Strom aus erneuerbaren Energien (Herkunftsnachweis-Durchführungsverordnung) ; HkNGebV: Gebührenverordnung zur Herkunftsnachweisverordnung (Herkunftsnachweis-Gebührenverordnung) ; HKNR: Herkunftsnachweisregister (siehe Herkunftsnachweis (Energiewirtschaft)) ; HkNV: Verordnung über Herkunftsnachweise für Strom aus erneuerbaren Energien (Herkunftsnachweisverordnung) ; HKP: Heil- und Kostenplan oder Häusliche Krankenpflege ; HKrimDAPrV: Verordnung über die Ausbildung und Prüfung für den höheren Kriminaldienst des Bundes ; HkRNDV: Durchführungsverordnung über Herkunfts- und Regionalnachweise für Strom aus erneuerbaren Energien (Herkunfts- und Regionalnachweis-Durchführungsverordnung) ; HkRNGebV: Gebührenverordnung zur Herkunftsnachweisverordnung (Herkunftsnachweis-Gebührenverordnung) ; HKStAufhG: Heimkehrerstiftungsaufhebungsgesetz ; HKStG: Heimkehrerstiftungsgesetz (Gesetz über die Heimkehrerstiftung; Artikel 4 des Gesetzes zur Bereinigung von Kriegsfolgengesetzen) ; HKÜ: Haager Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung (siehe auch Internationale Kindesentführung) ; HKV: Bund/Küstenländer-Vereinbarung über die Errichtung des Havariekommandos ; HKWAbfV: Verordnung über die Entsorgung gebrauchter halogenierter Lösemittel ; h. L.: herrschende Lehre ; HLKA: Hessisches Landeskriminalamt ; HLP: Hauptleistungspflicht ( I BGB) ; HLPG: Hessisches Landesplanungsgesetz ; HlSchG: Halbleiterschutzgesetz (Österreich) (siehe Halbleiterschutzrecht) ; HlSchV: Halbleiterschutzverordnung (Österreich) ; HLU: Hilfe zum Lebensunterhalt ; h. M.: herrschende Meinung ; HMA: Haager Abkommen über die internationale Hinterlegung gewerblicher Muster und Modelle (kurz: Haager Musterabkommen – HMA) ; HmbBG: Hamburgisches Beamtengesetz ; HmbGleiG: Hamburgisches Gleichstellungsgesetz ; HmbGrStG: Hamburgisches Grundsteuergesetz ; HmbMedHygVO: Hamburgische Verordnung über die Hygiene und Infektionsprävention in medizinischen Einrichtungen ; HmbPsychKG: Hamburgisches Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten ; HmbSchRZ: Hamburger Zeitschrift für Schifffahrtsrecht ; HmbVgG: Hamburgisches Vergabegesetz ; HMG: Heilmittelgesetz (Schweiz) ; HNS: hazardous noxious substances ; HNSAusfG: Gesetz zur Ausführung des HNS-Übereinkommens 2010 und zur Änderung des Ölschadengesetzes, der Schifffahrtsrechtlichen Verteilungsordnung und des Handelsgesetzbuches ; HNSG: Gesetz über die Haftung und Entschädigung für Schäden bei der Beförderung gefährlicher und schädlicher Stoffe auf See (HNS-Gesetz) ; HNS-MittV: Verordnung über Mitteilungen zu beitragspflichtigen Ladungen nach dem HNS-Gesetz (HNS-Mitteilungsverordnung) ; HNS-Ü (auch HNS-Übk): HNS-Übereinkommen (Internationales Übereinkommen vom 3. Mai 1996 über die Haftung und Entschädigung bei der Beförderung gefährlicher und schädlicher Stoffe auf See) ; HOAI: Honorarordnung für Architekten und Ingenieure ; HöfeO: Höfeordnung ; HöfeVfO: Verfahrensordnung für Höfesachen ; HofV: Verordnung über die grundbuchmäßige Behandlung von Anteilen an ungetrennten Hofräumen ; HoheSeeEinbrG: Gesetz über das Verbot der Einbringung von Abfällen und anderen Stoffen und Gegenständen in die Hohe See (Artikel 1 des Gesetzes zur Ausführung des Protokolls vom 7. November 1996 zum Übereinkommen über die Verhütung der Meeresverschmutzung durch das Einbringen von Abfällen und anderen Stoffen von 1972) ; HohSeeEinbrV: Verordnung zur Durchführung des Gesetzes zu den Übereinkommen vom 15. Februar 1972 und 29. Dezember 1972 zur Verhütung der Meeresverschmutzung durch das Einbringen von Abfällen durch Schiffe und Luftfahrzeuge ; HoheSeeÜbk: Übereinkommen über die Hohe See (= Genfer Seerechtskonventionen) ; HoheSeeÜbkG: Gesetz zum Übereinkommen vom 29. April 1958 über die Hohe See ; HolzblMstrV: Verordnung über die Meisterprüfung in den Teilen I und II im Holzblasinstrumentenmacher-Handwerk (Holzblasinstrumentenmachermeisterverordnung) ; HolzhandelsVO: Verordnung (EU) Nr. 995/2010 (Holzhandelsverordnung) ; HolzSiG: Gesetz gegen den Handel mit illegal eingeschlagenem Holz (Holzhandels-Sicherungs-Gesetz) ; HomTAMRegV: Verordnung über die Registrierung homöopathischer Tierarzneimittel (Homöopathische Tierarzneimittel-Registrierungsverordnung) ; HonigV: Honigverordnung ; HopfG (auch HopfenG): Hopfengesetz ; HopfV: Verordnung zur Durchführung des gemeinschaftlichen Hopfenrechts ; HörgAkMstrV: Verordnung über das Berufsbild und über die Prüfungsanforderungen im praktischen und im fachtheoretischen Teil der Meisterprüfung für das Hörgeräteakustiker-Handwerk (Hörgeräteakustikermeisterverordnung) ; HotelAusbV: Verordnung über die Berufsausbildungen zum Hotelfachmann und zur Hotelfachfrau sowie zum Kaufmann für Hotelmanagement und zur Kauffrau für Hotelmanagement (Hotelberufeausbildungsverordnung) ; HPflG: Haftpflichtgesetz ; HPflEGRLDV: Verordnung über die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung ausländischer Kraftfahrzeuge und Kraftfahrzeuganhänger ; HPG: Gesetz zur Verbesserung der Hospiz- und Palliativversorgung in Deutschland (Hospiz- und Palliativgesetz) ; HPR: Hauptpersonalrat ; HR: Handelsregister (Deutschland) oder Handelsrecht oder Haager Regeln (ein völkerrechtlicher Vertrag aus dem Seefrachtrecht) oder Hamburg-Regeln (ein völkerrechtlicher Vertrag aus dem Seefrachtrecht) (vgl. Haager Regeln) oder Human Resources ; HRA: Handelsregister Abteilung A oder kantonales Handelsregisteramt (Schweiz) ; HRB: Handelsregister Abteilung B ; HRC: UN-Menschenrechtsausschuss (engl.: Human Rights Committee – HRC) ; HRefG: Handelsrechtsreformgesetz ; HReg: Handelsregister (Schweiz) ; HRegGebV: Handelsregistergebührenverordnung (Verordnung über Gebühren in Handels-, Partnerschafts- und Genossenschaftsregistersachen) ; HRegV: Handelsregisterverordnung (Schweiz) oder Handelsregisterverordnung (Deutschland) ; HRFEG: Gesetz zur Fortentwicklung des Haushaltsrechts von Bund und Ländern ; HRG: Hochschulrahmengesetz ; HR Nord: Norddeutsche Hochschule für Rechtspflege ; HRR: Höchstrichterliche Rechtsprechung oder Höchstrichterliche Rechtsprechung (Zeitschrift) ; HRRS: Online-Zeitschrift Höchstrichterliche Rechtsprechung Strafrecht & Rechtsprechungsdatenbank (Zeitschrift) ; HRV: Handelsregisterverordnung oder Handelsregisterverfügung ; HS: Halbsatz oder Harmonisiertes System ; HS Bund: Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung ; HSchBauFG: Hochschulbauförderungsgesetz ; HSchulBG: Hochschulbauförderungsgesetz ; HSDARL: Hochschuldiplomanerkennungsrichtlinie der EU ; HSOG: Hessisches Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung ; HSPV: Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung Nordrhein-Westfalen ; HStatG: Gesetz über die Statistik für das Hochschulwesen sowie für die Berufsakademien (Hochschulstatistikgesetz) ; HStruktG: Gesetz zur Verbesserung der Haushaltsstruktur ; HU: Hauptuntersuchung ; HufBeschlG: Hufbeschlaggesetz (Gesetz über den Beschlag von Hufen und Klauen) ; HufBeschlV: Hufbeschlagverordnung (Verordnung über den Beschlag von Hufen und Klauen) ; HumHAG: Flüchtlingsmaßnahmengesetz (Gesetz über Maßnahmen für im Rahmen humanitärer Hilfsaktionen aufgenommene Flüchtlinge) ; HumHiG: Flüchtlingsmaßnahmengesetz (Gesetz über Maßnahmen für im Rahmen humanitärer Hilfsaktionen aufgenommene Flüchtlinge) ; HundVerbrEinfG: Gesetz zur Beschränkung des Verbringens oder der Einfuhr gefährlicher Hunde in das Inland (Hundeverbringungs- und -einfuhrbeschränkungsgesetz) ; HundVerbrEinfVO: Verordnung über Ausnahmen zum Verbringungs- und Einfuhrverbot von gefährlichen Hunden in das Inland (Hundeverbringungs- und Einfuhrverordnung) ; HUntVÜ (HUntVÜ 1973): Haager Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen ; HV: Hoher Vertreter der Europäischen Union für Außen- und Sicherheitspolitik oder Verfassung des Landes Hessen oder Haftpflichtversicherung oder Handlungsvollmacht oder Haushaltsvorstand oder Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft oder Hauptverwaltung oder Hauptvertretung oder Hausverwaltung oder Haltverbot oder Hörerversammlung an einer Universität ; HVA: Hauptverwaltung A des MfS der DDR oder Handbuch für die Vergabe und Ausführung (siehe Vergabehandbuch) ; HVBG: Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften ; HVgG: Hessisches Gesetz über die Vergabe öffentlicher Aufträge (Hessisches Vergabegesetz) ; HVPI: Harmonisierter Verbraucherpreisindex ; HVR: Haag-Visby-Regeln (ein völkerrechtlicher Vertrag aus dem Seefrachtrecht) (vgl. Haager Regeln) ; HW: Heranwachsender ; HWaG: Hamburgisches Wassergesetz (siehe Landeswassergesetz) ; HWG: Gesetz über die Werbung auf dem Gebiete des Heilwesens (Heilmittelwerbegesetz) oder Hamburgisches Wegegesetz oder Hamburgisches Wassergesetz (siehe Landeswassergesetz) oder Hessisches Wassergesetz (siehe Landeswassergesetze) oder Haustürwiderrufsgesetz (bis zum 31. Dezember 2011; dann Vorschriften in das BGB überführt) ; HWiG: Haustürwiderrufsgesetz (im Jahr 2002 aufgehoben und in das BGB überführt) ; HwK: Handwerkskammer ; HwO: Handwerksordnung ; HygKontrAPrO: Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Hygienekontrolleurinnen und Hygienekontrolleure (Berlin) ; HygMedV: Verordnung über die Hygiene und Infektionsprävention in medizinischen Einrichtungen ; HypDck: Hypothekenpfandbriefe – Deckung ; HZAZustV: Verordnung zur Übertragung von Zuständigkeiten auf Hauptzollämter für den Bereich mehrerer Hauptzollämter (Hauptzollamtszuständigkeitsverordnung) ; HzE: Hilfen zur Erziehung (nach KJHG, bzw. SGB VIII) ; HzL: Hilfe zum Lebensunterhalt ; HZPA: Haager Zivilprozessabkommen (1905) ; HZPÜ: Haager Übereinkommen über den Zivilprozess (1954) ; HZÜ (HZÜ 1965): Haager Zustellungsübereinkommen (Haager Übereinkommen über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- oder Handelssachen)
; IAEO: Internationale Atomenergie-Organisation (engl.: IAEA – International Atomic Energy Agency) ; IAG: Institut für Arbeit und Gesundheit der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung ; IAO: Internationale Arbeitsorganisation (International Labour Organization) ; IAR: Informationsbrief Ausländerrecht (Zeitschrift) ; IAS: International Accounting Standards (Internationaler Rechnungslegungsstandard) ; IASB: International Accounting Standards Board ; IASC: International Accounting Standards Committee ; IASCF: International Accounting Standards Committee Foundation ; IATA: International Air Transport Association ; IATE: Inter-Active Terminology for Europe (= Terminologiedatenbank für die Institutionen der Europäischen Union) ; IBMG: Internationales Büro für Maß und Gewicht (franz.: Bureau International des Poids et Mesures – BIPM) ; IBR: Immobilien- und Baurecht (Zeitschrift) ; IBRD: Internationale Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (engl.: International Bank for Reconstruction and Development – IBRD) ; IBS: Informations- und Beratungsstelle Studium und Behinderung des DSW (Deutsches Studentenwerk) oder Internationaler Bootsschein ; ICAO: International Civil Aviation Organisation (= Internationale Zivilluftfahrtorganisation) ; ICC: Institute Cargo Clauses oder Internationaler Strafgerichtshof (franz.: Cour pénale internationale – CPI; engl. International Criminal Court – ICC) oder Internationale Handelskammer (engl.: International Chamber of Commerce – ICC, franz.: Chambre de commerce internationale) ; ICCPR: Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte (engl.: International Covenant on Civil and Political Rights – ICCPR), kurz UN-Zivilpakt (in der Schweiz auch UNO-Pakt II genannt) ; ICD: International Classification of Diseases ; ICERD: Internationales Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung (kurz: UN-Rassendiskriminierungskonvention; internationale Abkürzung: ICERD) ; ICES: International Council for the Exploration of the Sea (deutsch: Internationaler Rat für Meeresforschung) ; ICESCR: Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte – kurz: IPwskR (engl.: International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights), kurz UN-Sozialpakt (in der Schweiz auch UNO-Pakt I genannt) ; ICF: Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (engl.: International Classification of Functioning, Disability and Health – ICF) ; ICG: Inter-Cargo-Güterzusystem ; ICH: International Council for Harmonisation of Technical Requirements for Pharmaceuticals for Human Use ; ICIDH: International Classification of Impairments, Disabites and Handicaps ; ICPM: Internationale Klassifikation der Behandlungsmethoden in der Medizin (International Classification of Procedures in Medicine) ; ICRMW: Internationale Konvention zum Schutz der Rechte aller Wanderarbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen (kurz: UN-Wanderarbeiterkonvention; englisch: International Convention on the Protection of the Rights of All Migrant Workers and Members of Their Families) ; ICRP: Internationale Strahlenschutzkommission (International Commission on Radiological Protection) ; ICSID: Internationales Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (englisch International Centre for Settlement of Investment Disputes – ICSID) ; ICTR: Internationaler Strafgerichtshof für Ruanda (engl.: International Criminal Tribunal for Rwanda – ICTR; franz.: Tribunal pénal international pour le Rwanda; kinyarwanda: Urukiko Nshinjabyaha Mpuzamahanga rwagenewe u Rwanda) ; ICTY: Internationaler Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien (franz.: Tribunal pénal international pour l'ex-Yougoslavie – TPIY; engl.: International Criminal Tribunal for the former Yugoslavia – ICTY; umgangssprachlich häufig auch UN-Kriegsverbrechertribunal oder Haager Tribunal genannt) ; ICWC: Internationales Forschungs- und Dokumentationszentrum Kriegsverbrecherprozesse ; i. d. F.: in der Fassung ; i. d. g. F.: in der geltenden Fassung ; IDÜV: Indexdatenübermittlungsverordnung ; IDUR: Informationsdienst Umweltrecht (Zeitschrift) ; i. E.: im Einzelnen oder im Ergebnis ; IEA: Internationale Energieagentur (engl.: International Energy Agency) ; IED: Richtlinie 2010/75/EU über Industrieemissionen (Industrieemissionsrichtlinie; engl.: Industrial Emissions Directive – IED) ; IE-RL (auch IERL): Richtlinie 2010/75/EU über Industrieemissionen (Industrieemissionsrichtlinie; engl.: Industrial Emissions Directive – IED) ; i. e. S.: im engeren Sinne ; IFA: Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung oder Informationsstelle für Arzneispezialitäten ; IFAC: International Federation of Accountants ; IFD: Integrationsfachdienst (nach SGB IX) ; IFG: Informationsfreiheitsgesetz ; IFGGebV: Informationsgebührenverordnung (Verordnung über die Gebühren und Auslagen nach dem Informationsfreiheitsgesetz) ; IFR: Instrumentenflugregeln (siehe Instrumentenflug#Instrumentenflugregeln) ; IFRIC: International Financial Reporting Interpretations Committee ; IFRS: International Financial Reporting Standards (Internationaler Rechnungslegungsstandard) ; IfSG (auch InfSchG): Infektionsschutzgesetz ; IFV: Internationaler Fernmeldevertrag () ; IG: Industrie-Gewerkschaft ; i.g.E.: Innergemeinschaftlicher Erwerb (Deutschland) ; IGE: Eidgenössisches Institut für Geistiges Eigentum (franz. Institut Fédéral de la Propriété Intellectuelle, ital. Istituto Federale della Proprietà Intellettuale, rät. Institut Federal da Proprietad Intellectuala) ; IGeL: Individuelle Gesundheitsleistungen ; IGG: Inklusionsgrundsätzegesetz (NRW) ; IGH: Internationaler Gerichtshof ; IG-L: Immissionsschutzgesetz-Luft (Österreich) ; IGZ-Info: Zeitschrift der Interessengemeinschaft Zwangsverwaltung e. V. ; i. H. a.: in Hinsicht auf ; IHK: Deutsche Industrie- und Handelskammer ; IHKG: Gesetz zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern (IHK-Gesetz) oder Gesetz über die Industrie- und Handelskammern im Lande Nordrhein-Westfalen ; IHR: Internationales Handelsrecht (Zeitschrift) ; i. H. v.: in Höhe von ; IK: Investitionskosten (siehe Pflegesatz) ; IKRK: Internationales Komitee vom Roten Kreuz (siehe Internationale Rotkreuz- und Rothalbmond-Bewegung) ; IKTKonG: Informations- und Kommunikationstechnik-Konsolidierungsgesetz (Österreich) ; IKTZ: Zentrum für Informations- und Kommunikationstechnik der Bundespolizei ; i. L.: in Liquidation ; ILC: International Law Commission (Internationale Rechtskommission) oder Völkerrechtskommission (engl. International Law Commission, ILC; franz. commission du droit international, CDI) ; ILMR: Internationale Liga für Menschenrechte (Berlin) ; ILO: International Labour Organization (Internationale Arbeitsorganisation) ; IMA: Interministerielle Arbeitsgruppe ; IMB: International Maritime Bureau der Internationalen Handelskammer ; IMCO: Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz im Europäisches Parlament (englisch: Committee on the Internal Market and Consumer Protection, französisch: Commission du marché intérieur et de la protection des consommateurs) ; IMF: International Monetary Fund (= Internationaler Währungsfonds (IWF); auch bekannt als Weltwährungsfonds) ; IMI: Binnenmarkt-Informationssystem (engl.: Internal Market Information System – IMI) ; IMIS: Integriertes Mess- und Informationssystem zur Überwachung der Radioaktivität ; IMK: Ständige Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder, kurz Innenministerkonferenz oder Internationale Moselkommission ; ImmoKWPLV: Immobiliar-Kreditwürdigkeitsleitlinien-Verordnung ; ImmoStR: Zeitschrift zum Immobiliensteuerrecht ; ImmoWertV: Immobilienwertermittlungsverordnung (siehe Wertermittlungsverordnung) ; ImmVermV: Verordnung über Immobiliardarlehensvermittlung (Immobiliardarlehensvermittlungsverordnung) ; IMO: Internationale Seeschifffahrts-Organisation (International Maritime Organization) ; IMR: Immobilien- und Mietrecht (Fachzeitschrift) ; InbeQ: Maßnahme zur individuellen betrieblichen Qualifizierung ; IndKflAusbV: Verordnung über die Berufsausbildung zum Industriekaufmann und zur Industriekauffrau (Industriekaufleuteausbildungsverordnung) ; InEK: Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus ; INES: Internationale Bewertungsskala für nukleare Ereignisse ; INF: Die Information über Steuer und Wirtschaft (Zeitschrift) ; info also: Informationen zum Arbeitslosenrecht und Sozialhilferecht (Zeitschrift) ; InflAusG: Gesetz zum Ausgleich der Inflation durch einen fairen Einkommensteuertarif sowie zur Anpassung weiterer steuerlicher Regelungen (Inflationsausgleichsgesetz) ; InfAuslR: Informationsbrief Ausländerrecht ; InformationsTechMstrV: Verordnung über die Meisterprüfung in den Teilen I und II im Informationstechniker-Handwerk (Informationstechnikermeisterverordnung) ; InfrAG: Infrastrukturabgabengesetz ; InfraStrPlanVBeschlG: Gesetz zur Beschleunigung von Planungsverfahren für Infrastrukturvorhaben (Infrastrukturplanungsbeschleunigungsgesetz) ; InfrGG: Gesetz zur Errichtung einer Infrastrukturgesellschaft für Autobahnen und andere Bundesfernstraßen (Infrastrukturgesellschaftserrichtungsgesetz) ; InfrGGBV: Verordnung über die Beleihung der Gesellschaft privaten Rechts im Sinne des Infrastrukturgesellschaftserrichtungsgesetzes (InfrGG-Beleihungsverordnung) ; InfSchG (auch IfSG): Infektionsschutzgesetz ; InsbürO: Zeitschrift für das Insolvenzbüro, inzwischen: Zeitschrift für die Insolvenzpraxis ; InsO: Insolvenzordnung (Deutschland) ; InsoGeldFestV 2023: Verordnung zur Festsetzung des Umlagesatzes für das Insolvenzgeld für das Kalenderjahr 2023 (Insolvenzgeldumlagesatzverordnung 2023) ; InstitutsVergV: Verordnung über die aufsichtsrechtlichen Anforderungen an Vergütungssysteme von Instituten (Institutsvergütungsverordnung) ; InsVfVO: Insolvenzverfahrenverordnung (Verordnung über Insolvenzverfahren) ; InsVV: Insolvenzrechtliche Vergütungsverordnung (siehe Kosten des Insolvenzverfahrens) ; IntBestG: Gesetz zur Bekämpfung internationaler Bestechung (Gesetz zu dem Übereinkommen vom 17. Dezember 1997 über die Bekämpfung der Bestechung ausländischer Amtsträger im internationalen Geschäftsverkehr) ; InTeR: Zeitschrift zum Innovations- und Technikrecht ; IntermErsAufwV: Verordnung über den Ersatz von Aufwendungen der Intermediäre (Intermediäre-Aufwendungsersatz-Verordnung) ; IntFamRVG: Internationales Familienrechtsverfahrensgesetz (Gesetz zur Durch- und Ausführung bestimmter Rechtsinstrumente auf dem Gebiet des internationalen Familienrechts) ; IntGesR: Internationales Gesellschaftsrecht ; IntKfzV: Verordnung über internationalen Kraftfahrzeugverkehr (Deutschland) (seit Juli 2008 aufgehoben) ; IntV: Integrationskurs-Verordnung (Verordnung über die Durchführung von Integrationskursen für Ausländer und Spätaussiedler) (siehe auch Integrationskurs) ; IntPatÜbkG: Gesetz zu dem Übereinkommen vom 27. November 1963 zur Vereinheitlichung gewisser Begriffe des materiellen Rechts der Erfindungspatente, dem Vertrag vom 19. Juni 1970 über die internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Patentwesens und dem Übereinkommen vom 5. Oktober 1973 über die Erteilung europäischer Patente (Gesetz über internationale Patentübereinkommen) ; IntTestV: Verordnung über die Prüfungs- und Nachweismodalitäten für die Abschlusstests des Integrationskurses (Integrationskurstestverordnung) ; INVEKOS: Integriertes Verwaltungs- und Kontrollsystem ; InVeKoS-Verordnung: Verordnung über die Durchführung von Stützungsregelungen und des Integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystems ; InvErlG: Investitionserleichterungsgesetz ; InvG: Investmentgesetz (aufgehoben zum 22. Juli 2013; jetzt geregelt im Kapitalanlagegesetzbuch) ; InvKG: Investitionsgesetz Kohleregionen ; InVo: Insolvenz & Vollstreckung (Zeitschrift) ; InvStG: Investmentsteuergesetz ; InvStRefG: Gesetz zur Reform der Investmentbesteuerung (Investmentsteuerreformgesetz) ; InvZulG: Investitionszulagengesetz (siehe Investitionszulage) ; IO: Insolvenzordnung (Österreich) ; IÖD: Informationsdienst Öffentliches Dienstrecht (Zeitschrift) ; IOSCO: Internationale Organisation der Wertpapieraufsichtsbehörden () ; IOSS: Import-One-Stop-Shop (dt.: einzige Anlaufstelle für den Import von Waren) ; IPA: Institut für Prävention und Arbeitsmedizin der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung ; IPbpR: Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte (ICCPR-International Covenant on Civil and Political Rights), kurz UN-Zivilpakt (in der Schweiz auch UNO-Pakt II genannt) ; IPG: Internationale Politik und Gesellschaft ; IPJ: Intellectual Property Journal (siehe Zeitschrift für Geistiges Eigentum) ; IPR: Internationales Privatrecht ; IPRax: Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts (Zeitschrift) ; IPREG: Gesetz zur Stärkung von intensivpflegerischer Versorgung und medizinischer Rehabilitation in der gesetzlichen Krankenversicherung (Intensivpflege- und Rehabilitationsstärkungsgesetz) ; IPwskR: Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (engl.: International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights – ICESCR), kurz UN-Sozialpakt (in der Schweiz auch UNO-Pakt I) ; IQ: Intelligenzquotient ; IQTIG: Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen ; IQWiG: Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen ; IR: international registriert oder InfrastrukturRecht (Zeitschrift) ; IRD: Implantateregister Deutschland ; IRegBV: Verordnung zum Betrieb des Implantateregisters Deutschland (Implantateregister-Betriebsverordnung) ; IRegG: Gesetz zum Implantateregister Deutschland (Implantateregistergesetz) ; IRegGebV: Implantateregister-Gebührenverordnung ; IRG: Internationales Rechtshilfegesetz ; IRL: Richtlinie 2003/6/EG über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation ; IRP: Investitionsrahmenplan für die Verkehrsinfrastruktur des Bundes ; IRZ: Zeitschrift für Internationale Rechnungslegung oder Deutsche Stiftung für Internationale Rechtliche Zusammenarbeit e. V. (siehe IRZ-Stiftung) ; ISA: International Standards on Auditing ; ISB: Informatikstrategieorgan Bund (Schweiz) ; i. S. d.: im Sinne des/der Verweis auf Norm ; ISO: Internationale Organisation für Normung (englisch: International Organization for Standardization) ; ISPS: International Ship and Port Facility Security Code ; IsraelAufenthÜV: Verordnung zur vorübergehenden Befreiung vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels von anlässlich des Krieges in Israel eingereisten israelischen Staatsangehörigen (Israel-Aufenthalts-Übergangsverordnung) ; IStGH: Internationaler Strafgerichtshof (franz. Cour pénale internationale – CPI; engl. International Criminal Court – ICC) ; IStR: Internationales Steuerrecht (Zeitschrift) ; i. S. v.: im Sinne von Gesetz ; IT: Informationstechnologie ; IT-AmtBw: Bundesamt für Informationsmanagement und Informationstechnik der Bundeswehr ; IT-AV: Verordnung über Aufenthaltserlaubnisse für Fachkräfte (Verordnung über Aufenthaltserlaubnisse für hoch qualifizierte ausländische Fachkräfte der Informations- und Kommunikationstechnologie) (siehe Greencard (Deutschland)) ; IT-ArGV: Verordnung über Arbeitsgenehmigung Fachkräfte (IT-Arbeitsgenehmigungsverordnung; Verordnung über die Arbeitsgenehmigung für hoch qualifizierte ausländische Fachkräfte der Informations- und Kommunikationstechnologie) ; ITF: Investitions- und Tilgungsfonds oder International Transport Forum (dt.: Weltverkehrsforum) ; ITFG: Gesetz zur Errichtung eines Sondervermögens „Investitions- und Tilgungsfonds“ ; ITTA: Internationales Tropenholz-Übereinkommen () ; ITRB: Der IT-Rechts-Berater (Zeitschrift) ; ITS: Implementing Technical Standard (deutsch: Technischer Durchführungsstandard – TDS) ; ITU: Internationale Fernmeldeunion (; ) ; ITZBund: Informationstechnikzentrum Bund ; IUA: International Underwriting Association of London ; IUG: Gesetz über Investmentunternehmen (Liechtenstein) ; IuKDG: Informations- und Kommunikationsdienste-Gesetz ; IUV: Industrieunfallverordnung (Österreich) (siehe Störfallverordnung) ; i. V.: in Vollmacht oder in Vertretung ; IV: Invalidenversicherung (Schweiz) ; IVBV: Informationsverbund der Bundesverwaltung ; IVD: In-vitro-Diagnostikum ; IVDR: Vitro Diagnostic Medical Devices Regulation (siehe In-vitro-Diagnostikum) ; IVG: Bundesgesetz über die Invalidenversicherung (Schweiz) (siehe Invalidenversicherung (Schweiz)) ; IVI: Institut für Virologie und Immunologie (Schweiz) (früher Institut für Viruskrankheiten und Immunprophylaxe) (französisch: Institut de virologie et d’immunologie, italienisch: Istituto di virologia e di immunologia) ; i. V. m.: in Verbindung mit Verweis auf Norm ; IVR: Immobilien- und Vollstreckungsrecht (Zeitschrift) ; IVU-Richtlinie: Richtlinie 96/61/EG über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung ; IWC: Internationales Übereinkommen zur Regelung des Walfangs (engl.: International Convention for the Regulation of Whaling – IWC) ; IWF: Internationaler Währungsfonds (engl.: International Monetary Fund, IMF; auch bekannt als Weltwährungsfonds) ; IWG: Informationsweiterverwendungsgesetz ; IWRZ: Zeitschrift für Internationales Wirtschaftsrecht ; i. w. S.: im weiteren Sinne ; IZPR: Internationales Zivilprozessrecht ; IZVR: Internationales Zivilverfahrensrecht
; JA: Juristische Arbeitsblätter (Zeitschrift) oder Jugendamt oder Justizanstalt (Österreich) oder Justizangestellter oder Jahresabschluss ; JAA: Jugendarrestanstalt oder Joint Aviation Authorities ; JABl.: Juristische Arbeitsblätter (Zeitschrift) ; JAbschlWUV: Verordnung über die Gliederung des Jahresabschlusses von Wohnungsunternehmen ; JAEG: Jahresarbeitsentgeltgrenze (= Versicherungspflichtgrenze) ; JAG: Juristenausbildungsgesetz (des jeweiligen Bundeslandes) ; JagdzeitV: Verordnung über die Jagdzeiten ; JAktAV: Verordnung über die Aufbewahrung und Speicherung von Justizakten (Justizaktenaufbewahrungsverordnung) ; JAmt: Zeitschrift „Das Jugendamt“ ; JAO: Juristenausbildungsordnung ; JAP: Juristische Ausbildung und Praxisvorbereitung (österreichische Fachzeitschrift) ; JAR: Joint Aviation Requirements (siehe Joint Aviation Authorities) ; JArbSchG: Jugendarbeitsschutzgesetz ; JArbSchSittV: Verordnung über das Verbot der Beschäftigung von Personen unter 18 Jahren mit sittlich gefährdenden Tätigkeiten (aufgehoben zum 13. Dezember 2024) ; JArbSchUV: Verordnung über die ärztlichen Untersuchungen nach dem Jugendarbeitsschutzgesetz (Jugendarbeitsschutzuntersuchungsverordnung) ; JAV: Jugend- und Auszubildendenvertretung nach §§ 60 ff. BetrVG (Deutschland) ; JAVollzO: Jugendarrestvollzugsordnung ; JBA: Justizbetreuungsagentur (Österreich) ; JBA-G: Justizbetreuungsagentur-Gesetz (Österreich) ; JBeitrG: Justizbeitreibungsgesetz ; JBeitrO: Justizbeitreibungsordnung ; JBlRP: Justizblatt Rheinland-Pfalz ; JCER: Journal of Contemporary European Research ; JCMS: Journal of Common Market Studies ; JDR: Juristischer Dienst des Rates der Europäischen Union ; JdS: Journal des Stiftungsrechts ; JEIH: Journal of European Integration History ; JEPP: Journal of European Public Policy ; JETL: Journal of European Tort Law (Zeitschrift) ; JFAngAusbV: Verordnung über die Berufsausbildung zum Justizfachangestellten und zur Justizfachangestellten (Justizfachangestellten-Ausbildungsverordnung) ; JFDG: Jugendfreiwilligendienstegesetz (Gesetz zur Förderung von Jugendfreiwilligendiensten) ; JFG: Jahrbuch für Entscheidungen in Angelegenheiten der Freiwilligen Gerichtsbarkeit und des Grundbuchrechts ; JGG: Jugendgerichtsgesetz (Deutschland) oder Jugendgerichtsgesetz 1988 (Österreich) ; JGH: Jugendgerichtshilfe ; JGS: Justizgesetzsammlung (österreichischer Begriff) ; JGT: Jugendgerichtstag ; JHA: Rat für Justiz und Inneres der EU () ; JI: Joint Implementation (Gemeinsame Projektumsetzung; Art. 6 Kyoto-Protokoll; § 2 Nr. 7 ProMechG) ; JIBL: Journal of International Biotechnology Law (Zeitschrift) ; JIML: The Journal of International Maritime Law (Zeitschrift) ; JI-Rat: Rat für Justiz und Inneres der EU () ; JIT: Just-in-time-Vertrag ; JKI: Julius Kühn-Institut – Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen ; JKomG: Justizkommunikationsgesetz (Gesetz über die Verwendung elektronischer Kommunikationsformen in der Justiz) ; JMBl.: Justizministerialblatt ; JMBl. NRW: Justizministerialblatt für das Land Nordrhein-Westfalen ; JMS: Jugend Medien Schutz-Report. Fachzeitschrift für Jugendmedienschutz ; JMStV: Jugendmedienschutz-Staatsvertrag ; JN: Jurisdiktionsnorm (Österreich) ; JöR: Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart ; JÖSchG: Gesetz zum Schutze der Jugend in der Öffentlichkeit, (jetzt: Jugendschutzgesetz) ; JoJZG: Journal der Juristischen Zeitgeschichte (Zeitschrift) ; JOR: Jahrbuch für Ostrecht ; JPS: Jahrbuch für die Praxis der Schiedsgerichtsbarkeit ; JR: Juristische Rundschau (Zeitschrift) ; JSG: Jugendschutzgesetze in Österreich ; JStG: Jahressteuergesetz ; JStVollzG: Jugendstrafvollzugsgesetz ; Jugdl: Jugendlicher ; JugG: Jugendgericht ; JugK: Jugendkammer ; JugR: Jugendrecht oder Jugendrichter ; JugSchG: Jugendschöffengericht ; JuHiS: Jugendhilfe im oder in Strafverfahren ; JuMiG: Justizmitteilungsgesetz (Justizmitteilungsgesetz und Gesetz zur Änderung kostenrechtlicher und anderer Gesetze) ; JuMoG: Justizmodernisierungsgesetz ; JurA: Juristische Analysen (Zeitschrift von 1969 bis 1971) ; Jura: Juristische Ausbildung (Zeitschrift) ; JurBüro: Das juristische Büro (Zeitschrift) ; JuRi: Jugendrichter ; JurPC: JurPC. Internet-Zeitschrift für Rechtsinformatik ; JuS: Juristische Schulung (Zeitschrift) ; JuSchG: Jugendschutzgesetz (Deutschland) ; JustG NRW: Justizgesetz Nordrhein-Westfalen (Gesetz über die Justiz im Land Nordrhein-Westfalen) ; Justiz: Die Justiz. Amtsblatt des Justizministeriums von Baden-Württemberg. ; JuStr: Jugendstrafe ; JV: Justizverwaltung ; JVA: Justizvollzugsanstalt oder Justizverwaltungsakt ; JVBl.: Justizverwaltungsblatt ; JVEG: Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz ; JVerwA: Justizverwaltungsakt ; JVerwB: Justizverwaltungsbehörde ; JVKostG: Justizverwaltungskostengesetz (Gesetz über Kosten im Bereich der Justizverwaltung) ; JVKostO: Justizverwaltungskostenordnung (Gesetz über Kosten im Bereich der Justizverwaltung) ; JVollzDSG NRW: Gesetz zum Schutz personenbezogener Daten im Justizvollzug in Nordrhein-Westfalen (Justizvollzugsdatenschutzgesetz Nordrhein-Westfalen) ; JVollzGB BW: Gesetzbuch über den Justizvollzug in Baden-Württemberg ; JW: Juristische Wochenschrift (Zeitschrift) ; JWG: Jugendwohlfahrtsgesetz oder Jugendwohlfahrtsgesetz (Österreich) ; JZ: Juristenzeitung ; JZZ: Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen (, )
; K.: Kärnten (Österreich) ; KA: Kriminalakte oder Kontrollaufforderung oder Konkursamt (Schweiz) oder Konzessionsabgabe ; KAE: Anordnung über die Zulässigkeit von Konzessionsabgaben der Unternehmen und Betriebe zur Versorgung mit Elektrizität, Gas und Wasser an Gemeinden und Gemeindeverbände ; KäseV: Käseverordnung ; KaFbMstrV: Verordnung über die Meisterprüfung in den Teilen I und II im Karosserie- und Fahrzeugbauer-Handwerk (Karosserie- und Fahrzeugbauermeisterverordnung) ; KaffeeStG: Kaffeesteuergesetz ; KaffeeStV: Kaffeesteuerverordnung (Verordnung zur Durchführung des Kaffeesteuergesetzes) ; KaffeeV: Kaffeeverordnung (Verordnung über Kaffee, Kaffee- und Zichorien-Extrakte) ; KAG: Kommunalabgabengesetz oder Kapitalanlagegesellschaft oder Bundesgesetz über die kollektiven Kapitalanlagen (Kollektivanlagengesetz) (Schweiz) ; KAGB: Kapitalanlagegesetzbuch ; KAGBAuslAnzV: Verordnung über die Anzeigen und die Vorlage von Unterlagen nach § 36 des Kapitalanlagegesetzbuchs (KAGB-Auslagerungsanzeigenverordnung) ; KAGG: Gesetz über Kapitalanlagegesellschaften ; KakaoV: Kakaoverordnung (Verordnung über Kakao- und Schokoladenerzeugnisse) ; KAKuG: Bundesgesetz über Krankenanstalten und Kuranstalte (Österreich) ; KalV: Verordnung über die versicherungsmathematischen Methoden zur Prämienkalkulation und zur Berechnung der Alterungsrückstellung in der privaten Krankenversicherung (Kalkulationsverordnung) ; KAMaRisk: Mindestanforderungen an das Risikomanagement von Kapitalverwaltungsgesellschaften ; KanalStTO: Verordnung über die Entgelte der Kanalsteurer auf dem Nord-Ostsee-Kanal (Kanalsteurertarifverordnung) ; KAnG: Bundes-Klimaanpassungsgesetz ; KapAusstV: Kapitalausstattungs-Verordnung ; KapErtSt (auch KESt, KapESt, KapSt): Kapitalertragsteuer ; KapErhG: Kapitalerhöhungsgesetz ; KapErhStG: Kapitalerhöhungssteuergesetz ; KapInHaG: Kapitalmarktinformations-Haftungsgesetz ; KapMuG: Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (Gesetz über Musterverfahren in kapitalmarktrechtlichen Streitigkeiten) ; KAPOVAZ: Kapazitätsorientierte variable Arbeitszeit (siehe KAPOVAZ) ; KapResV: Verordnung zur Regelung des Verfahrens der Beschaffung, des Einsatzes und der Abrechnung einer Kapazitätsreserve (Kapazitätsreserveverordnung) ; KapVO NRW: Verordnung zur Ermittlung der Aufnahmekapazität an Hochschulen in Nordrhein-Westfalen für Studiengänge außerhalb des zentralen Vergabeverfahrens (Kapazitätsverordnung NRW) ; KartG 2005: Bundesgesetz gegen Kartelle und andere Wettbewerbsbeschränkungen (Kartellgesetz 2005) (Österreich) ; KartKrebs/KartZystV: Verordnung zur Bekämpfung des Kartoffelkrebses und der Kartoffelzystennematoden ; KartringfV: Verordnung zur Bekämpfung der Bakteriellen Ringfäule und der Schleimkrankheit ; KAS: Kommission für Anlagensicherheit ; KassenSichV: Verordnung zur Bestimmung der technischen Anforderungen an elektronische Aufzeichnungs- und Sicherungssysteme im Geschäftsverkehr (Kassensicherungsverordnung) ; KastrG: Gesetz über die freiwillige Kastration und andere Behandlungsmethoden ; KatSG: Katastrophenschutzgesetz (mehrerer Bundesländer, u. a. Schleswig-Holstein) ; KAV: Konzessionsabgabenverordnung oder Kompetenzzentrum Amtliche Veröffentlichungen (Schweiz) oder Kölner Anwaltverein oder Kommunale Ausländervertretung ; KAVerOV: Kapitalanlage-Verhaltens- und Organisationsverordnung ; KBA: Kraftfahrt-Bundesamt ; KBFG: Gesetz zur Errichtung eines Sondervermögens „Kinderbetreuungsausbau“ (Kinderbetreuungsfinanzierungsgesetz) ; KBG: Kinderbetreuungsgeld (Österreich) ; KBG.EKD: Kirchengesetz über die Kirchenbeamtinnen und Kirchenbeamten in der Evangelischen Kirche in Deutschland (Kirchenbeamtengesetz der EKD) ; KBGG: Kinderbetreuungsgeldgesetz (Österreich) ; KBR: Konzernbetriebsrat ; KBS: Knappschaft Bahn-See (siehe Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See) ; KBV: Kleinbetragsverordnung oder Kassenärztliche Bundesvereinigung ; KCanG: Gesetz zum Umgang mit Konsumcannabis (Konsumcannabisgesetz) ; KDG: Gesetz über den Kirchlichen Datenschutz der römisch-katholischen Kirche in Deutschland ; K. d. ö. R.: Körperschaft des öffentlichen Rechts (Deutschland) ; KDO: Anordnung über den kirchlichen Datenschutz der katholischen Kirche ; KdU: Kosten der Unterkunft ; KDV: Kriegsdienstverweigerung oder Kraftfahrgesetz-Durchführungsverordnung (Österreich) oder Verordnung zur Krisendestillation von Wein (Krisendestillationsverordnung) ; KDVG: Kriegsdienstverweigerungsgesetz (Gesetz über die Verweigerung des Kriegsdienstes mit der Waffe aus Gewissensgründen) ; KE: Kabinettsentwurf oder Kontrollexemplar ; keA: kleine einzige Anlaufstelle ; KEFÜ: Kontrolleinheit Flughafen Überwachung ; KEG: Kernenergiegesetz (Schweiz) (siehe Atomgesetz (Schweiz)) oder Kommandit-Erwerbsgesellschaft (Österreich) (bis zu 31. Dezember 2006; aufgehoben durch das HaRäG. Siehe Erwerbsgesellschaft (Österreich)) ; KEnG: Kantonale(s) Energiegesetz(e) (Schweiz) ; KennV: Kennzeichnungsverordnung zur Kennzeichnung von Behältern und Bereichen, in denen Arbeitsstoffe gelagert werden (Österreich) ; KEP: Kontrolleinheit Prävention (siehe Finanzkontrolle Schwarzarbeit der Bundeszollverwaltung) oder Kurier-Express-Paket-Dienst ; kER: Kurzfristige Erfolgsrechnung ; KER: Kosten- und Erlösrechnung (siehe Kosten- und Leistungsrechnung – KLR) ; KES (KE See): Kontrolleinheit See ; KESB: Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (Schweiz) (siehe Kindes- und Erwachsenenschutzrecht) ; KESt: Kapitalertragsteuer oder Kapitalertragsteuer (Österreich) ; KEV: Kontrolleinheit Verkehrswege des Zolls ; KFA: Kostenfestsetzungsantrag oder Kommunaler Finanzausgleich (siehe Finanzausgleich (Deutschland)) ; KFB: Kostenfestsetzungsbeschluss ; KFBauMechAusbV: Verordnung über die Berufsausbildung zum Karosserie- und Fahrzeugbaumechaniker und zur Karosserie- und Fahrzeugbaumechanikerin (Karosserie- und Fahrzeugbaumechanikerausbildungsverordnung) ; KfBG: Kriegsfolgenbereinigungsgesetz (siehe Volksdeutsche#Kriegsfolgenbereinigungsgesetz) ; KFG: Kraftfahrgesetz 1967 (Österreich) ; KfH: Kammer für Handelssachen ; KfiH: Kammer für internationale Handelssachen ; KfiHG: Gesetz zur Einführung von Kammern für internationale Handelssachen ; KFRG: Krebsfrüherkennungs- und -registergesetz (siehe Krebsregister) ; Kfv: Kostenfestsetzungsverfahren ; KFV: Verordnung zur vorübergehenden Abweichung von der Binnenschiffspersonalverordnung für kleine Fahrgastschiffe (Kleine-Fahrgastschiffe-Verordnung) ; KfW: Kreditanstalt für Wiederaufbau (siehe KfW Bankengruppe) ; KfWV: Verordnung zur Anwendung von bankaufsichtsrechtlichen Vorschriften auf die Kreditanstalt für Wiederaufbau sowie zur Zuweisung der Aufsicht über die Einhaltung dieser Vorschriften an die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (KfW-Verordnung) ; KfWVÄndV: Verordnung zur Änderung der KfW-Verordnung ; Kfz: Kraftfahrzeug ; KfzHV: Verordnung über Kraftfahrzeughilfe zur beruflichen Rehabilitation (Kraftfahrzeughilfe-Verordnung) ; KfzPflVV: Kraftfahrzeug-Pflichtversicherungsverordnung (Verordnung über den Versicherungsschutz in der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung) ; KfzStG: Bundesgesetz über die Erhebung einer Kraftfahrzeugsteuer (Kraftfahrzeugsteuergesetz 1992) (Österreich) ; KG: Kommanditgesellschaft (Deutschland/Österreich/Schweiz) oder Kammergericht (Berlin) oder Konsulargesetz (Deutschland) oder Konsulargesetz (Österreich) oder Kartellgesetz (Schweiz) oder Kirchengericht ; KGaA: Kommanditgesellschaft auf Aktien ; KgfEG: Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz ; KGH: Kirchengerichtshof (z. B. Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland – KGH EKD) ; KGHH: Krankenhausgestaltungsgesetz des Landes Nordrhein—Westfalen ; KGR: Kammergericht-Report (Zeitschrift) ; KGSG: Gesetz zum Schutz von Kulturgut (kurz: Kulturgutschutzgesetz) ; KHBV: Krankenhaus-Buchführungsverordnung ; KHEntgG: Krankenhausentgeltgesetz (Gesetz über die Entgelte für voll- und teilstationäre Krankenhausleistungen) ; KHfEVerbG: Katzen- und Hundefell-Einfuhr-Verbotsgesetz (aufgehoben; abgelöst durch Tiererzeugnisse-Handels-Verbotsgesetz (TierErzHaVerbG)) ; KHG: Gesetz zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und zur Regelung der Krankenhauspflegesätze (Krankenhausfinanzierungsgesetz) ; KHK: Kriminalhauptkommissar ; KHPflEG: Gesetz zur Pflegepersonalbemessung im Krankenhaus sowie zur Anpassung weiterer Regelungen im Krankenhauswesen und in der Digitalisierung (Krankenhauspflegeentlastungsgesetz) ; KHSFV: Verordnung zur Verwaltung des Strukturfonds im Krankenhausbereich (Krankenhausstrukturfonds-Verordnung) ; KHSG: Krankenhausstrukturgesetz ; KHTFV: Verordnung zur Verwaltung des Transformationsfonds im Krankenhausbereich (Krankenhaustransformationsfonds-Verordnung) ; KhuR: Krankenhaus und Recht (Zeitschrift) ; KHV: Kommunikationshilfenverordnung ; KHVVG: Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsqualität im Krankenhaus und zur Reform der Vergütungsstrukturen (Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz) ; KHZG: Gesetz für ein Zukunftsprogramm Krankenhäuser (Krankenhauszukunftsgesetz) ; KiAustrG: Gesetz zur Regelung des Austritts aus Kirchen, Religionsgemeinschaften und Weltanschauungsgemeinschaften des öffentlichen Rechts (Kirchenaustrittsgesetz) (NRW) ; KiBeG: Kinderbetreuungsgesetz ; KiBiz: Kinderbildungsgesetz (in NRW) ; KICK: Kinder- und Jugendhilfeweiterentwicklungsgesetz ; KID: Kontoinformationsdienst ; KIDL: Kontoinformationsdienstleister ; KiESt: Kircheneinkommensteuer ; KiFöG: Kinderförderungsgesetz ; KiG: Kindergeld oder Kirchengesetz ; KiGG: Kirchengerichtsgesetz (z. B. KiGG EKD) ; KIJA: Kinder- und Jugendanwaltschaft (Österreich) ; KindArbSchV: Kinderarbeitsschutzverordnung (Verordnung über den Kinderarbeitsschutz) ; KindEntfÜbk: Haager Kindesentführungsübereinkommen (Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung) ; KindPrax: Kindschaftsrechtliche Praxis (ehemalige Zeitschrift) ; KindRG: Kindschaftsrechtsreformgesetz ; KindUG: Kindesunterhaltsgesetz (Gesetz zur Vereinheitlichung des Unterhaltsrechts minderjähriger Kinder) ; KInvFG: Gesetz zur Förderung von Investitionen finanzschwacher Kommunen (Kommunalinvestitionsförderungsgesetz) ; KiQuTG: Gesetz zur Weiterentwicklung der Qualität und zur Verbesserung der Teilhabe in Tageseinrichtungen und in der Kindertagespflege (KiTa-Qualitäts- und -Teilhabeverbesserungsgesetz) ; KIR: Künstliche Intelligenz und Recht (Zeitschrift) ; KirchE: Entscheidungen in Kirchensachen seit 1946 ; KirchStG: Kirchensteuergesetz (diverser Bundesländer) ; KirchStWRG: Gesetz zur Regelung des Kirchensteuerwesens ; KiSt: Kirchensteuer ; KIStAM: Kirchensteuerabzugsmerkmal ; KiTa: Kindertagesstätte ; KitaFinHG: Gesetz über Finanzhilfen des Bundes zum Ausbau der Tagesbetreuung für Kinder ; KiTaQG: Zweites Gesetz zur Weiterentwicklung der Qualität und zur Teilhabe in der Kindertagesbetreuung (KiTa-Qualitätsgesetz) ; KiwunschG: Kinderwunschförderungsgesetz ; KiZ: Kinderzuschlag ; KiZDAV: Verordnung zur Datenübermittlung zwischen den für das Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz und den für den Kinderzuschlag zuständigen Stellen (Kinderzuschlag-Datenabrufverordnung) ; KJ: Kritische Justiz (Zeitschrift) ; KJB: Karlsruher Juristische Bibliographie ; KJBG: Kinder- und Jugendlichen-Beschäftigungsgesetz (Österreich) ; KJHG: Gesetz zur Neuordnung des Kinder- und Jugendhilferechts (Kinder- und Jugendhilfegesetz), siehe Achtes Buch Sozialgesetzbuch ; KJM: Kommission für Jugendmedienschutz ; KJP: Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut ; KJSG: Kinder- und Jugendstärkungsgesetz ; KK: Karlsruher Kommentar oder Kasseler Kommentar oder Kriminal-Kommissar oder Krankenkasse ; KKG: Konsumkreditgesetz (Schweiz) oder Gesetz zur Kooperation und Information im Kinderschutz ; KKZ: Kommunal-Kassen-Zeitschrift, Fachzeitschrift für die kommunale Kassen- und Vollstreckungspraxis ; KlimR: Klima und Recht (Zeitschrift) ; KlimaRZ: Zeitschrift für materielles und prozessuales Klimarecht ; KlV: Klägervertreter(in) ; KLR: Kosten- und Leistungsrechnung ; KM: Kölner Mietrecht (Zeitschrift) ; KMB: Klein- und Mittelbetriebe (Österreich) (siehe Kleine und mittlere Unternehmen) ; KM-DeaktV 2016: Verordnung des Bundesministers für Landesverteidigung und Sport über die Deaktivierung von Kriegsmaterial 2016 (Kriegsmaterial-Deaktivierungsverordnung 2016) (Österreich) ; KMG: Bundesgesetz vom 18. Oktober 1977 über die Ein-, Aus- und Durchfuhr von Kriegsmaterial (Kriegsmaterialgesetz) (Österreich) oder Bundesgesetz über das Kriegsmaterial (Kriegsmaterialgesetz) (Schweiz) ; KMK: Kultusministerkonferenz ; KMK-HSchR: Informationen zum Hochschulrecht (Zeitschrift) ; KMMG: Theodor Kleinknecht / Karlheinz Meyer / Lutz Meyer-Goßner, Strafprozessordnung, Gerichtsverfassungsgesetz, Nebengesetze und ergänzende Bestimmungen, Kurzkommentar, Verlag C. H. Beck München, regelmäßig aufgelegt ; KMU: Kleine und mittlere Unternehmen ; KmV: Kontaminanten-Verordnung (Verordnung zur Begrenzung von Kontaminanten in Lebensmitteln) ; KN: Kombinierte Nomenklatur ; KN-V: Verordnung über den Vergleich von Kosten und Nutzen der Kraft-Wärme-Kopplung und der Rückführung industrieller Abwärme beider Wärme- und Kälteversorgung (KWK-Kosten-Nutzen-Vergleich-Verordnung) ; KO: Konkursordnung (jetzt: Insolvenzordnung (Deutschland) / Insolvenzordnung (Österreich)) ; KochAusbV: Verordnung über die Berufsausbildung zum Koch und zur Köchin (Kochausbildungsverordnung) ; KODA: Kommissionen zur Ordnung des Arbeitsvertragsrechts im kirchlichen Bereich der katholischen Kirche (siehe Kommissionen zur Ordnung des diözesanen Arbeitsvertragsrechts) ; K. ö. R.: Körperschaft des öffentlichen Rechts (Deutschland) oder Körperschaft des öffentlichen Rechts (Österreich) ; KöMoG: Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts ; KOG: Kommunales Optionsgesetz ; KohleAG: Gesetz zur Reduzierung und zur Beendigung der Kohleverstromung und zur Änderung weiterer Gesetze (Kohleausstiegsgesetz) (siehe Ausstieg aus der Kohleverstromung in Deutschland) ; Kom.: Kommission oder Bezeichnung für Mitteilungen der Europäischen Union ; KommAustria: Kommunikationsbehörde Austria ; KommHVO NRW: Verordnung über das Haushaltswesen der Kommunen im Land Nordrhein-Westfalen (Kommunalhaushaltsverordnung Nordrhein-Westfalen) ; KommJur: Kommunaljurist (Zeitschrift) ; KommP: KommunalPraxis spezial (Zeitschrift) ; KomtrZV: Kommunalträger-Zulassungsverordnung (Verordnung zur Zulassung von kommunalen Trägern als Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende) ; KonBefrV: Konzernabschlussbefreiungsverordnung (Verordnung über befreiende Konzernabschlüsse und Konzernlageberichte von Mutterunternehmen mit Sitz in einem Drittstaat) ; KonfV: Konfitürenverordnung (Verordnung über Konfitüren und einige ähnliche Erzeugnisse) ; KonsG: Gesetz über die Konsularbeamten, ihre Aufgaben und Befugnisse (Konsulargesetz (Deutschland)) oder Konsulargesetz (Österreich) ; KonsHilfG: Gesetz zur Gewährung von Konsolidierungshilfen (Konsolidierungshilfengesetz) (siehe Schuldenbremse (Deutschland)) ; KonTraG: Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich ; KonzVgV: Verordnung über die Vergabe von Konzessionen (Konzessionsvergabeverordnung) ; KonzVO: Konzentrationsverordnung ; KorruptionsbG: Gesetz zur Verbesserung der Korruptionsbekämpfung (Korruptionsbekämpfungsgesetz) (NRW) ; KostÄndG: Gesetz zur Änderung und Ergänzung kostenrechtlicher Vorschriften ; KostBRÄG 2025: Gesetz zur Neuregelung der Vormünder- und Betreuervergütung und zur Entlastung von Betreuungsgerichten und Betreuern sowie zur Änderung des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes und des Justizkostenrechts (Kosten- und Betreuervergütungsrechtsänderungsgesetz 2025) ; KostenbeitragsV: Verordnung zur Festsetzung der Kostenbeiträge für Leistungen und vorläufige Maßnahmen in der Kinder- und Jugendhilfe (Kostenbeitragsverordnung) ; KostO: Kostenordnung ; KostRsp.: Kostenrechtsprechung (Zeitschrift) ; KostV: Kostenverordnung ; KostVfg: Kostenverfügung ; KoRe: Kostenrechnung (siehe u. a. Kosten- und Leistungsrechnung) ; KOV: Die Kriegsopferversorgung (Zeitschrift) oder Verordnung des Bundesgerichts vom 13. Juli 1911 über die Geschäftsführung der Konkursämter (Schweiz) ; KOVAnpV: Verordnung zur Anpassung des Bemessungsbetrages und von Geldleistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz (KOV-Anpassungsverordnung) ; KOVVfG (KriegsopfVwVfG): Kriegsopfer-Verwaltungsverfahrensgesetz ; KPBV: Verordnung über das Verfahren zur Zusammenarbeit der Bundesoberbehörden und der Ethik-Kommissionen bei der Bewertung von Anträgen auf Genehmigung von klinischen Prüfungen mit Arzneimitteln (Klinische-Prüfung-Bewertungsverfahren-Verordnung) [bis 18. September 2025: Verordnung über das Verfahren zur Zusammenarbeit der Bundesoberbehörden und der registrierten Ethik-Kommissionen bei der Bewertung von Anträgen auf Genehmigung von klinischen Prüfungen mit Humanarzneimitteln (Klinische Prüfung-Bewertungsverfahren-Verordnung)] ; KPfleG: Krankenhauspflegeentlastungsgesetz ; KPH: Krankenpflegehelfer (siehe Gesundheits- und Krankenpflegehelfer) ; KPI: Kriminalpolizeiinspektion ; KpS: Kriminalpolizeiliche Sammlung(en) ; KrAbfWUTechAusbV: Verordnung über die Berufsausbildung zum Umwelttechnologen für Kreislauf- und Abfallwirtschaft und zur Umwelttechnologin für Kreislauf- und Abfallwirtschaft (Kreislauf- und Abfallwirtschaftsumwelttechnologen-Ausbildungsverordnung) ; KraftNAV: Verordnung zur Regelung des Netzanschlusses von Anlagen zur Erzeugung von elektrischer Energie (Kraftwerks-Netzanschlussverordnung) ; KraftStDV: Kraftfahrzeugsteuer-Durchführungsverordnung ; KraftStG: Kraftfahrzeugsteuergesetz ; KraftstoffLBV: Verordnung über Lieferbeschränkungen für Kraftstoff in einer Versorgungskrise (Kraftstoff-Lieferbeschränkungs-Verordnung) ; KrB: Kriminalbeamter (Österreich) (siehe Kriminalbeamtenkorps) ; KrG: Kreisgericht (DDR) ; KRG: Kontrollratsgesetz oder Karenzgeldgesetz (Österreich) ; KrimZ: Kriminologische Zentralstelle e. V. ; KRINKO: Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention ; Kripo: Kriminalpolizei ; KritV: Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft (Zeitschrift) ; KRK: Übereinkommen über die Rechte des Kindes, kurz UN-Kinderrechtskonvention () ; KrO: Landkreisordnung ; KroatienAnpG: Gesetz zur Anpassung des nationalen Steuerrechts an den Beitritt Kroatiens zur EU und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften ; KrPflG: Krankenpflegegesetz (Deutschland) ; KrV: Kranken- und Pflegeversicherung (Zeitschrift) ; KrW-/AbfG: Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz (aufgehoben; nun Kreislaufwirtschaftsgesetz) ; KrWaffKontrG (KrWaffG): Kriegswaffenkontrollgesetz ; KrWG: Kreislaufwirtschaftsgesetz ; KryptoFAV: Verordnung über Kryptofondsanteile ; KryptoWTransferV: Verordnung über verstärkte Sorgfaltspflichten bei dem Transfer von Kryptowerten (Kryptowertetransferverordnung) ; KrZwMG: Gesetz über den Zweitmarkt für notleidende Kredite und über Kreditdienstleistungsinstitute (Kreditzweitmarktgesetz) ; KSAStabG: Künstlersozialabgabenstabilisierungsgesetz ; KSchG: Kündigungsschutzgesetz oder Konsumentenschutzgesetz (Österreich) ; KSG: Bundes-Klimaschutzgesetz oder Klimaschutzgesetz (Österreich) oder Klimaschutz- und Klimawandelanpassungsgesetz Baden-Württemberg oder Katastrophenschutzgesetz ; KSI: Krisen-, Sanierungs- und Insolvenzberatung (Zeitschrift) ; KSK: Künstlersozialkasse ; KSpG: Gesetz zur Demonstration der dauerhaften Speicherung von Kohlendioxid (Kohlendioxid-Speicherungsgesetz) (siehe CO2-Abscheidung und -Speicherung) ; KSpVO: Verordnung der Landesregierung zur Bestimmung der Gebiete mit verlängerter Kündigungssperrfrist bei Wohnungsumwandlungen in Eigentumswohnungen (Kündigungssperrfristverordnung Baden-Württemberg – KSpVO BW) oder Verordnung zur Bestimmung der Gebiete mit verlängerter Kündigungssperrfrist bei der Begründung und Veräußerung von Wohnungseigentum an vermieteten Wohnungen (Kündigungssperrfristverordnung Nordrhein-Westfalen – KSpVO NRW) (aufgehoben; ersetzt durch Mieterschutzverordnung NRW – MietSchVO NRW) ; KStA: Korruptionsstaatsanwaltschaft (Österreich, bis zum 1. September 2011 bestehend; amtlich: Zentrale Staatsanwaltschaft zur Bekämpfung von Korruption) ; KStDV 1977: Körperschaftsteuer-Durchführungsverordnung ; KStG: Körperschaftsteuergesetz (Deutschland) oder Körperschaftssteuergesetz 1988 (Österreich) ; KStiftG: Kirchengesetz über kirchliche Stiftungen in der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (Kirchliches Stiftungsgesetz) ; KStZ: Kommunale Steuerzeitschrift ; KSÜ: Haager Übereinkommen über den Schutz von Kindern (Haager Kinderschutzübereinkommen) (= Übereinkommen über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung, Vollstreckung und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung und die Maßnahmen zum Schutz von Kindern) (siehe u. a. Familienrecht (Deutschland)) ; KSVG: Künstlersozialversicherungsgesetz (Gesetz über die Sozialversicherung der selbständigen Künstler und Publizisten) oder Saarländisches Kommunalselbstverwaltungsgesetz (siehe Gemeindeordnungen in Deutschland) ; KSzW: Kölner Schrift zum Wirtschaftsrecht (Zeitschrift) ; KT: Kommunaler Träger ; KTFG: Gesetz zur Errichtung eines Sondervermögens „Klima- und Transformationsfonds“ (Klima- und Transformationsfondsgesetz) ; KTI: Kriminaltechnisches Institut ; KtrStZulVO: Verordnung zur Zulassung privater Kontrollstellen zum Schutz von geografischen Angaben, Ursprungsbezeichnungen und garantiert traditionellen Spezialitäten für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel im Land Nordrhein-Westfalen (Kontrollstellen-Zulassungsverordnung NRW) ; KTS: Zeitschrift für Insolvenzrecht ; KündSchFristVO: Verordnung zur Verlängerung der Kündigungsschutzfrist für Wohnraum (Kündigungsschutzfristverordnung Hamburg) ; KünSchKlVO: Verordnung im Sinne des § 577a Absatz 2 BGB über den verlängerten Kündigungsschutz bei Umwandlung einer Mietwohnung in eine Eigentumswohnung (Kündigungsschutzklausel-Verordnung Berlin) ; KÜO: Verordnung über die Kehrung und Überprüfung von Anlagen (Kehr- und Überprüfungsordnung) ; KüSchV: Verordnung über die Küstenschifffahrt (aufgehoben zum 14. Dezember 2024) ; KUG (KunstUrhG): Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie (Kunsturhebergesetz) ; KugZuV: Verordnung zur Verlängerung der Zugangserleichterungen für den Bezug von Kurzarbeitergeld (Kurzarbeitergeldzugangsverordnung) ; KUI: Koordinierungsstelle für Umweltinformationen beim Umweltbundesamt ; KultGüRückG: Kulturgüterrückgabegesetz ; KultgVV: Kulturgüterverzeichnis-Verordnung (Verordnung über das Verzeichnis wertvollen Kulturgutes nach dem Kulturgüterrückgabegesetz) ; KunstUrhG (KUG): Kunsturheberrechtsgesetz ; KUP: Kriminologie und Praxis (Schriftenreihe des Kriminologische Zentralstelle e. V.) ; KUR: Kunst und Recht – Journal für Kunstrecht, Urheberrecht und Kulturpolitik (Zeitschrift) ; KuR (K&R): Kommunikation und Recht (Zeitschrift) oder Kirche & Recht (Zeitschrift) ; KURS Niedersachsen: Konzeption zum Umgang mit rückfallgefährdeten Sexualstraftäterinnen und Sexualstraftätern in Niedersachsen ; KUVG: Kranken- und Unfallversicherungsgesetz von 1911 (Schweiz) (aufgehoben; jetzt KVG – Krankenversicherungsgesetz) ; KV: Klägervertreter(in) oder Kommunalverfassung oder Krankenversicherung oder Kostenverzeichnis oder Kombinierter Verkehr oder Kassenärztliche Vereinigung oder Kollektivvertrag (Österreich) oder Kaufvertrag oder Körperverletzung (Deutschland) oder Körperverletzung (Österreich) oder Kostenvoranschlag oder Kreisverband oder Kurzvortrag ; KVBG: Gesetz zur Reduzierung und zur Beendigung der Kohleverstromung (Kohleverstromungsbeendigungsgesetz) ; KVG: Krankenversicherungsgesetz (Schweiz) oder Kapitalverwaltungsgesellschaft ; KVLG: Gesetz über die Krankenversicherung der Landwirte (siehe Zweites Gesetz über die Krankenversicherung der Landwirte) ; KV MV: Kommunalverfassung für das Land Mecklenburg-Vorpommern (siehe Gemeindeordnungen in Deutschland) ; KVR: Kollisionsverhütungsregeln oder Kreisverwaltungsreferat (siehe u. a. Stadtverwaltung München) ; KVStDV: Kapitalverkehrsteuer-Durchführungsverordnung ; KVStG: Kapitalverkehrsteuergesetz ; KWEA: Kreiswehrersatzamt ; KWEG: Kriegswirtschaftliches Ermächtigungsgesetz (Gesetz vom 24. Juli 1917, mit welchem die Regierung ermächtigt wird, aus Anlass der durch den Kriegszustand verursachten außerordentlichen Verhältnisse die notwendigen Verfügungen auf wirtschaftlichem Gebiete zu treffen) ; KWG: Kreditwesengesetz ; KWGWpIGVermV: Verordnung über die vertraglich gebundenen Vermittler und das öffentliche Register nach § 2 Absatz 10 Satz 5 des Kreditwesengesetzes und nach § 3 Absatz 2 Satz 5 des Wertpapierinstitutsgesetzes (KWG-WpIG-Vermittlerverordnung) ; KWahlG: Kommunalwahlgesetz (siehe Kommunalwahlrecht) ; KWKG: Kriegswaffenkontrollgesetz ; KWKG 2002: Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz ; KZBV: Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung ; KZV: Kassenzahnärztliche Vereinigung
; L-G/hFSDBWFSV: Verordnung über die Laufbahnen des gehobenen und höheren Fachschuldienstes an Bundeswehrfachschulen ; LA-ADBWVV: Verordnung über die Laufbahn und Ausbildung für den Amtsgehilfendienst in der Bundeswehrverwaltung ; LabMeldAnpV: Verordnung zur Anpassung der Meldepflicht nach § 7 des Infektionsschutzgesetzes an die epidemische Lage (Labormeldepflicht-Anpassungsverordnung) ; LADG: Landesantidiskriminierungsgesetz (des Landes Berlin) ; LA-eLDBWVV: Verordnung über die Laufbahn und Ausbildung für den einfachen Lagerverwaltungsdienst in der Bundeswehrverwaltung ; LadSchlG: Ladenschlussgesetz (Gesetz über den Ladenschluss) ; LärmVibrationsArbSchV: Verordnung zum Schutz der Beschäftigten vor Gefährdungen durch Lärm und Vibrationen (Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung) ; LAG: Landesarbeitsgericht oder Lastenausgleichsgesetz oder Landesarbeitsgemeinschaft oder Landarbeitsgesetz (Österreich) ; LAGE: Entscheidungen der Landesarbeitsgerichte, Loseblattsammlung Neuwied (Luchterhand Fachverlag) ; LAGPflB: Landesausführungsgesetz Pflegeberufe (NRW) ; LANUV: Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen ; LAnzV: Leerverkaufs-Anzeigeverordnung ; LAP-gehDAAV 2004: Verordnung über die Laufbahn, Ausbildung und Prüfung für den gehobenen Auswärtigen Dienst ; LAP-gntDBWVV: Verordnung über die Laufbahn, Ausbildung und Prüfung für den gehobenen nichttechnischen Verwaltungsdienst in der Bundeswehrverwaltung ; LAP-gtDBWVV: Verordnung über die Laufbahn, Ausbildung und Prüfung für den gehobenen technischen Dienst in der Bundeswehrverwaltung – Fachrichtung Wehrtechnik ; LAP-hADV 2004: Verordnung über die Laufbahn, Ausbildung und Prüfung für den höheren Auswärtigen Dienst ; LAP-htDBWVV: Verordnung über die Laufbahn, Ausbildung und Prüfung für den höheren technischen Dienst in der Bundeswehrverwaltung – Fachrichtung Wehrtechnik ; LAP-mDAAV 2004: Verordnung über die Laufbahn, Ausbildung und Prüfung für den mittleren Auswärtigen Dienst ; LAP-mDFm/EloAufklBundV: Verordnung über die Laufbahn, Ausbildung und Prüfung für den mittleren Dienst der Fernmelde- und Elektronischen Aufklärung des Bundes ; LAP-mftDBwV: Verordnung über die Laufbahn, Ausbildung und Prüfung für den mittleren feuerwehrtechnischen Dienst in der Bundeswehr ; LAP-mntDBWVV: Verordnung über die Laufbahn, Ausbildung und Prüfung für den mittleren nichttechnischen Verwaltungsdienst in der Bundeswehrverwaltung ; LAP-mtDBWVV: Verordnung über die Laufbahn, Ausbildung und Prüfung für den mittleren technischen Dienst in der Bundeswehrverwaltung – Fachrichtung Wehrtechnik – ; LaPlaG (auch LPlG): Landesplanungsgesetz ; LaReDa: Landesrechtsprechungsdatenbank ; LASI: Länderausschuss für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik ; LasthandhabV: Lastenhandhabungsverordnung ; laTPS: Lärmabhängiges Trassenpreissystem ; LAWA: Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Wasser ; LBA: Luftfahrt-Bundesamt ; LBG: Landesbeamtengesetz oder Gesetz über die Landbeschaffung für Aufgaben der Verteidigung (Landbeschaffungsgesetz) ; LBO: Landesbauordnung ; LBauO: Landesbauordnung ; LBtG: Landesbetreuungsgesetz (mehrerer Bundesländer, z. B. NRW) ; LDSG: Landesdatenschutzgesetz ; l. d. u. g.: laut diktiert und genehmigt ; l. d. k. E.: laut diktiert, kein Einwand ; LDüngVO: Landesdüngeverordnung (z. B. in NRW) ; LE: Ladungseinheit oder Lerneinheit ; leg. cit.: legis citatae (lat.: des zitierten Gesetzes), benutzt bei wiederholter Zitierung desselben Gesetzes ; LegRegG: Gesetz über die Registrierung von Betrieben zur Haltung von Legehennen (Legehennenbetriebsregistergesetz) ; LEI: Legal Entity Identifier (dt.: Rechtsträger-Kennung) ; LEntwG: Landesentwicklungsgesetz (z. B. in Sachsen-Anhalt) ; LEP: Landesentwicklungsplan (siehe Landesentwicklungsprogramm) ; LEP NRW: Landesentwicklungsplan Nordrhein-Westfalen (siehe Landesentwicklungsprogramm) ; LEPro: Landesentwicklungsprogramm (siehe Landesentwicklungsprogramm) ; LES: Liechtensteinische Entscheidungssammlung oder Leistungen zur Eingliederung von Selbständigen ; LFA: Länderfinanzausgleich ; LfB: Landesbevollmächtigter für Bahnaufsicht ; LfD: Landesbeauftragter für den Datenschutz ; LFG: Luftfahrtgesetz (Österreich) oder Luftfahrtgesetz (Schweiz) oder Luftfahrtgesetz (Liechtenstein) ; LFGB: Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuch ; LFGG: Landesgesetz über die freiwillige Gerichtsbarkeit (Baden-Württemberg) ; LfP: Bayerisches Landesamt für Pflege ; LfSt: Landesamt für Steuern (eines Bundeslandes, z. B. Bayerisches Landesamt für Steuern – BayLfSt) ; LFVV: Verordnung mit Durchführungsvorschriften über die Verbringung von Lebensmitteln und Futtermitteln in die Europäische Union und über die amtlichen Kontrollen der Verbringung (Lebensmittel-und-Futtermittel-Verbringungs-Verordnung) ; LG: Landgericht oder Lebensgemeinschaft oder Landesgerichte (Österreich; siehe Gerichtsorganisation in Österreich) ; LGBl.: Landesgesetzblatt ; LGebG: Landesgebührengesetz ; LGG: Landesgleichstellungsgesetz (Berlin, Brandenburg, Bremen, NRW, Rheinland-Pfalz) (siehe Gesetze und amtliche Regelungen zur geschlechtergerechten Sprache) ; LGrStG: Landesgrundsteuergesetz (z. B. in Baden-Württemberg) ; LGuVBl.: Landesgesetz- und Verordnungsblatt (eines Bundeslandes in Österreich) ; LGVÜ: Luganer Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Lugano-Übereinkommen) ; LGZ: Landesgerichte für Zivilrechtssachen (Österreich; siehe Gerichtsorganisation in Österreich) ; LHB: Luftfahrt-Haftpflichtversicherungs-Bedingungen ; LHG: Landeshochschulgesetz ; LHmV: Lösungsmittel-Höchstmengenverordnung ; LHO: Landeshaushaltsordnung ; LHundG: Landeshundegesetz (z. B. LHundG NRW) ; LiegTG: Liegenschaftsteilungsgesetz (Österreich) (siehe Grundbuch#Österreich) ; LImSchG: Landesimmissionsschutzgesetz ; lit.: Litera (lat. Buchstabe) – wird bei alphabetischer Aufzählung verwendet (siehe Zitieren von Rechtsnormen#Aufzählung) ; Lit.: Literatur (oft für Lehrmeinung) ; LJA: Landesjugendamt ; LJV: Landesjustizverwaltung ; LJZ: Liechtensteinische Juristenzeitung ; LK: Leipziger Kommentar oder Lehrkontrolle ; LKA: Landeskriminalamt ; LKO: Landkreisordnung ; LKÖ: Landwirtschaftskammer Österreich ; LKRZ: Zeitschrift für Landes- und Kommunalrecht Hessen – Rheinland-Pfalz – Saarland ; LkSG: Gesetz über unternehmerische Sorgfaltspflichten in Lieferketten (Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz) (siehe Lieferkettengesetz) ; LKV: Landes- und Kommunalverwaltung (Zeitschrift) oder Los-Kennzeichnungs-Verordnung ; LKW-MautV: LKW-Maut-Verordnung ; LKWÜberlStVAusnV: Verordnung über Ausnahmen von straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften für Fahrzeuge und Fahrzeugkombinationen mit Überlänge ; LLC: Limited Liability Company ; LLG: Landwirtschafts- und Landeskulturgesetz (Baden-Württemberg) ; LLMC: Convention on Limitation of Liability for Maritime Claims (= Internationales „Übereinkommen über die Beschränkung der Haftung für Seeforderungen“ vom 19. November 1976 in der Fassung des Protokolls von 1996) ; LLP: Limited Liability Partnership ; LM (LMK): Entscheidungen des Bundesgerichtshofes im Nachschlagewerk von Lindenmaier-Möhring ; LMBestrV: Verordnung über die Behandlung von Lebensmitteln mit Elektronen-, Gamma- und Röntgenstrahlen, Neutronen oder ultravioletten Strahlen (siehe Lebensmittelbestrahlung) ; LMBG: Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz (Gesetz über den Verkehr mit Lebensmitteln, Tabakerzeugnissen, kosmetischen Mitteln und sonstigen Bedarfsgegenständen) ; LMEV: Lebensmitteleinfuhr-Verordnung (Verordnung über die Durchführung der veterinärrechtlichen Kontrollen bei der Einfuhr und Durchfuhr von Lebensmitteln tierischen Ursprungs aus Drittländern sowie über die Einfuhr sonstiger Lebensmittel aus Drittländern) ; LMG (auch LMedG oder LMedienG): Landesmediengesetz ; LMHV: Lebensmittelhygiene-Verordnung (Verordnung über Anforderungen an die Hygiene beim Herstellen, Behandeln und Inverkehrbringen von Lebensmitteln) ; LMIDV: Verordnung zur Durchführung unionsrechtlicher Vorschriften betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel (Lebensmittelinformations-Durchführungsverordnung) ; LMIV: Lebensmittel-Informationsverordnung (Verordnung (EU) Nr. 1169/2011) ; LMIDV: Lebensmittelinformations-Durchführungsverordnung ; LMK (LM): Entscheidungen des Bundesgerichtshofes im Nachschlagewerk von Lindenmaier-Möhring ; LMKÜV: Verordnung mit Übergangsregelungen zur Einführung der Informationen zur Lebensmittelkette ; LMKV: Lebensmittel-Kennzeichnungsverordnung ; LMR: Lokales Melderegister (Österreich) ; LMRStV: Verordnung zur Durchsetzung lebensmittelrechtlicher Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft (Lebensmittelrechtliche Straf- und Bußgeldverordnung) ; LMSVG: Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz (Österreich) ; LMÜTranspG: Gesetz zur Transparenzmachung von Ergebnissen amtlicher Kontrollen in der Lebensmittelüberwachung (Lebensmittelüberwachungstransparenzgesetz) (Berlin) ; LMuR: Lebensmittel & Recht (Zeitschrift) ; LMZDV: Verordnung zur Durchführung unionsrechtlicher Vorschriften über Lebensmittelzusatzstoffe (Lebensmittelzusatzstoff-Durchführungsverordnung) ; LNatSchG NRW: Landesnaturschutzgesetz Nordrhein-Westfalen ; LNGG: Gesetz zur Beschleunigung des Einsatzes verflüssigten Erdgases (LNG-Beschleunigungsgesetz) ; LOB: leistungsorientierte Bezahlung (siehe Leistungsorientierte Vergütung) ; LobbyRG: Gesetz zur Einführung eines Lobbyregisters für die Interessenvertretung gegenüber dem Deutschen Bundestag und gegenüber der Bundesregierung (Lobbyregistergesetz) ; LOG: Landesorganisationsgesetz (z. B. in NRW) ; LogisV: Verordnung über die Unterbringung der Besatzungsmitglieder an Bord von Kauffahrteischiffen ; LogopG: Gesetz über den Beruf des Logopäden ; LogR: Logistik & Recht (Zeitschrift) ; LohnfortzG: Lohnfortzahlungsgesetz (Gesetz über die Zahlung des Arbeitsentgelts an Feiertagen und im Krankheitsfall) ; LOStA: Leitender Oberstaatsanwalt ; LotterieStV: Lotteriestaatsvertrag (siehe Glücksspielstaatsvertrag) ; LottStV: Lotteriestaatsvertrag (siehe Glücksspielstaatsvertrag) ; LQN: Leistungs- und Qualitätsnachweis ; LQV: Leistungs- und Qualitätsvereinbarung ; LP: Legislaturperiode oder Leistungspflicht ; LPD: Landespolizeidirektion (Österreich) ; LPachtVG: Landpachtverkehrsgesetz (siehe Landpacht) ; LPartG: Lebenspartnerschaftsgesetz ; LPK: Lehr- und Praxiskommentar (zu diversen Gesetzen) oder Landespolizeikommando (Österreich) ; LPlG (auch LaPlaG): Landesplanungsgesetz ; LPVG: Landespersonalvertretungsgesetz (siehe z. B. Landespersonalvertretungsgesetz (Nordrhein-Westfalen)) ; LPZV: Leistungsprämien- und Zulagenverordnung (Verordnung über die Gewährung von Prämien und Zulagen für besondere Leistungen) ; LR: Löwe / Rosenberg, Die Strafprozessordnung und das Gerichtsverfassungsgesetz mit Nebengesetzen, Großkommentar oder Landrat oder Lehrerrat ; LRA: Landratsamt oder Lohnrahmenabkommen ; LRC: Allgemeines Funkbetriebszeugnis () ; LRD: Leitender Regierungsdirektor ; LRE: Sammlung lebensmittelrechtlicher Entscheidungen ; LRG: Landesrundfunkgesetz ; LRH: Landesrechnungshof (siehe Rechnungshof > Landesrechnungshof) ; LROP: Landes-Raumordnungsprogramm Niedersachsen ; LRP: Landschaftsrahmenplan ; LRV: Luftreinhalte-Verordnung (Schweiz) ; LSA: Land Sachsen-Anhalt oder Lichtsignalanlage ; LSD-BG: Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz (Österreich) ; LSG: Landessozialgericht oder Landschaftsschutzgebiet ; LSpG: Gesetz zur Durchführung der Rechtsakte der Europäischen Union über Qualitätsregelungen betreffend garantiert traditionelle Spezialitäten und fakultative Qualitätsangaben (Lebensmittelspezialitätengesetz) ; LSt.: Lohnsteuer (Deutschland) oder Lohnsteuer (Österreich) ; LStDV: Lohnsteuer-Durchführungsverordnung ; LStR: Lohnsteuer-Richtlinien ; LStuV: Lohnstufenverordnung (Verordnung über das leistungsabhängige Aufsteigen in den Grundgehaltsstufen) ; LStVG: (Bayerisches) Landesstraf- und Verordnungsgesetz (siehe auch Polizei Bayern) ; LSV: Ladesäulenverordnung oder Lärmschutz-Verordnung (Schweiz) ; LSVA: Leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe (Schweiz) ; LSVMG: Gesetz zur Modernisierung des Rechts der landwirtschaftlichen Sozialversicherung ; LSV-NOG: Gesetz zur Neuordnung der Organisation der landwirtschaftlichen Sozialversicherung ; lt. d. u. g.: laut diktiert und genehmigt ; Ltd.: Kapitalgesellschaft (Vereinigtes Königreich) (Limited) oder leitend ; LTO: Legal Tribune Online (Zeitschrift) ; LTranspG: Landestransparenzgesetz (z. B. in Rheinland-Pfalz) ; LTTG: Landesgesetz zur Gewährleistung von Tariftreue und Mindestentgelt bei öffentlicher Auftragsvergabe Rheinland-Pfalz ; LTV: Verordnung über die Tarifordnung für die Seelotsreviere (Lotstarifverordnung) ; LTZ: LegalTech – Zeitschrift für die digitale Rechtsanwendung ; LuF: Land- und Forstwirtschaft ; LufABw: Luftfahrtamt der Bundeswehr ; LuftBauO: Bauordnung für Luftfahrtgerät ; LuftBO: Betriebsordnung für Luftfahrtgerät ; LuftEBV: Verordnung zur Regelung des Betriebs von nicht als Luftfahrtgerät zugelassenen elektronischen Geräten in Luftfahrzeugen (Luftfahrzeug-Elektronik-Betriebs-Verordnung) ; LuftGerPV: Verordnung zur Prüfung von Luftfahrtgerät ; LuftKostV: Kostenverordnung der Luftfahrtverwaltung ; LuftPersV: Verordnung über Luftfahrtpersonal ; LuftSchlichtV: Verordnung nach § 57c des Luftverkehrsgesetzes zur Schlichtung im Luftverkehr (Luftverkehrsschlichtungsverordnung) ; LuftSiG: Luftsicherheitsgesetz ; LuftSiGebV: Luftsicherheitsgebührenverordnung ; LuftSiSchulV: Luftsicherheits-Schulungsverordnung ; LuftVG: Luftverkehrsgesetz ; LuftVO: Luftverkehrs-Ordnung ; LuftVStAbsenkV: Luftverkehrsteuer-Absenkungsverordnung ; LuftVStG: Luftverkehrsteuergesetz (siehe Luftverkehrabgabe) ; LuftVZO: Luftverkehrs-Zulassungs-Ordnung ; LugÜ: Lugano-Übereinkommen ; LuKrFrühErkV: Verordnung über die Zulässigkeit der Anwendung der Niedrigdosis-Computertomographie zur Früherkennung von Lungenkrebs bei rauchenden Personen (Lungenkrebs-Früherkennungs-Verordnung) ; LV: Landesverfassung (Deutschland) oder Landesverfassung(Österreich) oder Leistungsverzeichnis oder Landesverfügung oder Lebensversicherung oder Verfassung des Fürstentums Liechtenstein ; LVA: Landesversicherungsanstalt ; LVerbO: Landschaftsverbandsordnung (siehe Landschaftsverbände in Nordrhein-Westfalen) ; LVerfG: Landesverfassungsgericht ; LVG: Landesverwaltungsgesetz ; LVGG (oder LvwGG): Landesverwaltungsgericht (in Österreich) ; LVR: Landschaftsverband Rheinland oder Luftverkehrsregeln (Österreich) ; LVRG: Lebensversicherungsreformgesetz ; LVT: Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (Österreich) ; LVwVfG: Landesverwaltungsverfahrensgesetz ; LVwVG: Landesverwaltungsvollstreckungsgesetz ; LWaG: Landeswassergesetz ; LwAltschG: Landwirtschaft-Altschuldengesetz ; LwAltschV: Landwirtschaft-Altschuldenverordnung ; LwAnpG: Landwirtschaftsanpassungsgesetz ; LWG: Landeswassergesetz oder Bayerische Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau ; LwG: Landwirtschaftsgesetz (Deutschland) oder Landwirtschaftsgesetz (Schweiz) oder Landwirtschaftsgericht ; LWK: Landwirtschaftskammer ; LWL: Landschaftsverband Westfalen-Lippe ; LWND: Luftwaffennachrichtendienst (Schweiz; bis 2007) (siehe Schweizer Nachrichtendienste) ; LWV: Landeswohlfahrtsverband ; LwVfG: Landwirtschaftsverfahrensgesetz (Gesetz über das Verfahren in Landwirtschaftssachen) ; LZ: Lichtzeichen oder Lebensmittel Zeitung oder Lieferzeit ; LZA: Lichtzeichenanlage (= Ampel) ; LZG NRW: Landeszentrum Gesundheit Nordrhein-Westfalen
; MA: Mannheimer Akte (offiziell: Revidierte Rheinschifffahrtsakte vom 17. Oktober 1868) ; MABl.: Ministerialamtsblatt ; MaBV: Verordnung über die Pflichten der Makler, Darlehens- und Anlagenvermittler, Anlageberater, Bauträger und Baubetreuer (Makler- und Bauträgerverordnung) ; MAD: Militärischer Abschirmdienst ; MADG: MAD-Gesetz (Gesetz über den Militärischen Abschirmdienst) ; MADVDV: Verordnung über den Vorbereitungsdienst für den mittleren Auswärtigen Dienst ; MAE: Mehraufwandsentschädigung ; MaGO: Mindestanforderungen an die Geschäftsorganisation von Versicherungsunternehmen ; MAK: Maximale Arbeitsplatz-Konzentration ; MaklerG: Maklergesetz (Österreich) ; MaklKostVertG: Gesetz über die Verteilung der Maklerkosten bei der Vermittlung von Kaufverträgen über Wohnungen und Einfamilienhäuser ; MaKonV: Marktmanipulations-Konkretisierungsverordnung (Verordnung zur Konkretisierung des Verbotes der Marktmanipulation) (siehe Marktmanipulation) ; MalerArbbV: Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen im Maler- und Lackiererhandwerk (Malerarbeitsbedingungenverordnung) ; MaPrV: Verordnung über die Höhe der Managementprämie für Strom aus Windenergie und solarer Strahlungsenergie (Managementprämienverordnung) ; MariMedV: Verordnung über maritime medizinische Anforderungen auf Kauffahrteischiffen (Maritime-Medizin-Verordnung) ; MaRisk (BA): Mindestanforderungen an das Risikomanagement (BA) ; MarkenG: Markengesetz ; MarkenR: Markenrecht (Zeitschrift) ; MarkenRRG: Markenrechtsreformgesetz (Gesetz zur Reform des Markenrechts und zur Umsetzung der Ersten Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken) ; MarkenV: Verordnung zur Ausführung des Markengesetzes (Markenverordnung) ; MarktAngV: Marktzugangsangabenverordnung (siehe Wertpapierhandelsgesetz) ; MARPOL: Internationales Übereinkommen zur Verhütung der Meeresverschmutzung durch Schiffe (engl.: International Convention for the Prevention of Marine Pollution from Ships, auch MARPOL 73/78 (von marine pollution)) ; MaschV: Verordnung über die Sicherheit von Maschinen (Maschinenverordnung) (Schweiz) ; MaßstG: Gesetz über verfassungskonkretisierende allgemeine Maßstäbe für die Verteilung des Umsatzsteueraufkommens, für den Finanzausgleich unter den Ländern sowie für die Gewährung von Bundesergänzungszuweisungen (Maßstäbegesetz) (siehe Finanzausgleich (Deutschland)) ; MaStR: Marktstammdatenregister ; MaStRV: Verordnung über das zentrale elektronische Verzeichnis energiewirtschaftlicher Daten (Marktstammdatenregisterverordnung) ; MauerG: Gesetz über den Verkauf von Mauer- und Grenzgrundstücken an die früheren Eigentümer (Mauergrundstücksgesetz) ; MauerV: Verordnung nach § 6 des Mauergrundstücksgesetzes (Mauergrundstücksverordnung) ; MautHV: Mauthöheverordnung (Verordnung zur Festsetzung der Höhe der Autobahnmaut für schwere Nutzfahrzeuge) ; MautStrAusdehnV: Mautstreckenausdehnungsverordnung ; MautSysG: Mautsystemgesetz (Deutschland) ; MAV: Mitarbeitervertretung oder maschinelles Anfrageverfahren ; MAVO: Mitarbeitervertretungsordnung der katholischen Kirche ; MbBO: Magnetschwebebahn-Bau und Betriebsordnung ; MBergG: Meeresbodenbergbaugesetz ; MBG: Mitbestimmungsgesetz (z. B. in Schleswig-Holstein) oder (österreichisches) Bundesgesetz über Aufgaben und Befugnisse im Rahmen der militärischen Landesverteidigung (Militärbefugnisgesetz) ; MBl.: Ministerialblatt ; MBl.NRW.: Ministerialblatt für das Land Nordrhein-Westfalen ; MBO: Musterentwurf zur Bauordnung ; MBPlG: Magnetschwebebahnplanungsgesetz ; MdB, M. d. B.: Mitglied des Bundestages ; MDD: Richtlinie 93/42/EWG über Medizinprodukte (engl.: Medical Device Directive – MDD) ; MdE: Mitglied des Europäischen Parlaments (auch MdEP) oder Minderung der Erwerbsfähigkeit (bis zum 21. Dezember 2007; nunmehr GdS – Grad der Schädigungsfolgen) ; Mdj.: Minderjähriger ; MDK: Medizinischer Dienst der Krankenversicherung ; MdL, M. d. L.: Mitglied des Landtags ; MdP: Mitteilungen der deutschen Patentanwälte (Zeitschrift) ; m. d. P. n. v. u. n. v.: mit den Parteien nicht verwandt und nicht verschwägert ; MDR: Monatsschrift für Deutsches Recht oder Verordnung (EU) 2017/745 über Medizinprodukte (engl.: Medical Device Regulation – MDR) oder Mitteldeutscher Rundfunk ; MDStV: Mediendienste-Staatsvertrag ; MEA: Miteigentumsanteil ; MedBG: Medizinalberufegesetz (Schweiz) ; MedBVSV: Verordnung zur Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung mit Produkten des medizinischen Bedarfs bei der durch das Coronavirus SARS-CoV-2 verursachten Epidemie (Medizinischer Bedarf Versorgungssicherstellungsverordnung) ; MedCanG: Gesetz zur Versorgung mit Cannabis zu medizinischen und medizinisch-wissenschaftlichen Zwecken (Medizinal-Cannabisgesetz) ; MEDEL: Magistrats Européens pour la Démocratie et les Libertés ; MedFAngAusbV: Verordnung über die Berufsausbildung zum Medizinischen Fachangestellten/zur Medizinischen Fachangestellten ; MedGV: Medizingeräteverordnung (Verordnung über die Sicherheit medizinisch-technischer Geräte; aufgehoben und ersetzt zum 1. Januar 2002 durch Medizinproduktegesetz) ; MedHygV (MedHygVO): Verordnung zur Hygiene und Infektionsprävention in medizinischen Einrichtungen (diverser Bundesländer) ; MediationsG: Mediationsgesetz ; MedienG: Bundesgesetz vom 12. Juni 1981 über die Presse und andere publizistische Medien (Mediengesetz) (Österreich) ; MedizinalfachberufeV: Verordnung über die Ausbildungsförderung für Medizinalfachberufe (aufgehoben; ersetzt durch BAföG-Medizinalfach- und Pflegeberufe-Verordnung – BAföG-MedPflegbV) ; MedR: Medizinrecht (Zeitschrift) ; MedSach: Der medizinische Sachverständige (Zeitschrift) ; medstra: Zeitschrift für Medizinstrafrecht ; MEG: Maß- und Eichgesetz (Österreich) ; MEK: Mobiles Einsatzkommando ; MeldeG: Meldegesetz 1991 (Österreich) ; MeldFortG: Gesetz zur Fortentwicklung des Meldewesens (siehe Bundesmeldegesetz) ; MeMBV: Medizinproduktemethodenbewertungsverordnung ; MEP: Mitglied des Europäischen Parlaments () ; MEPolG: Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes des Bundes und der Länder ; MepV: Medizinprodukteverordnung (Schweiz) ; MERL: Richtlinie 98/59/EG des Rates vom 20. Juli 1998 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über Massenentlassungen (Massenentlassungs-Richtlinie) ; MessEG: Gesetz über das Inverkehrbringen und die Bereitstellung von Messgeräten auf dem Markt, ihre Verwendung und Eichung sowie über Fertigpackungen (Mess- und Eichgesetz) ; MessEV: Verordnung über das Inverkehrbringen und die Bereitstellung von Messgeräten auf dem Markt sowie über ihre Verwendung und Eichung (Mess- und Eichverordnung) ; MessZV: Verordnung über Rahmenbedingungen für den Messstellenbetrieb und die Messung im Bereich der leitungsgebundenen Elektrizitäts- und Gasversorgung (Messzugangsverordnung) (aufgehoben, ersetzt durch Messstellenbetriebsgesetz – MsbG) ; METAS: Bundesamt für Metrologie (Schweiz) (, , rät. Uffizi federal per metrologia) ; Met/GlockAusbV: Verordnung über die Berufsausbildung zum Metall- und Glockengießer/zur Metall- und Glockengießerin ; MFE: Mobile Fahndungseinheit ; MFG: Gesetz zur Förderung des Mittelstandes (Mittelstandsförderungs- und Vergabegesetz) Schleswig-Holstein ; MFK: Motorfahrzeugkontrolle (siehe Strassenverkehrsamt) oder Musterfeststellungsklage ; MFKRegV: Verordnung über das Register für Musterfeststellungsklagen(Musterfeststellungsklagenregister-Verordnung) ; MFR: Mehrjähriger Finanzrahmen der Europäischen Union ; MfS: Ministerium für Staatssicherheit ; MG: Bundesgesetz über die Armee und die Militärverwaltung (Militärgesetz) (Schweiz) ; MgFSG: Gesetz zur Umsetzung der Bestimmungen der Umwandlungsrichtlinie über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei grenzüberschreitenden Umwandlungen, Verschmelzungen und Spaltungen ; MgVG: Mitbestimmungsgesetz bei einer grenzüberschreitenden Verschmelzung (Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei einer grenzüberschreitenden Verschmelzung) ; MgvG: Gesetz zur Vorbereitung der Schaffung von Baurecht durch Maßnahmengesetz im Verkehrsbereich (Maßnahmengesetzvorbereitungsgesetz) ; MHbeG: Gesetz zur Beschränkung der Haftung Minderjähriger (Minderjährigenhaftungsbeschränkungsgesetz) ; MHD: Mindesthaltbarkeitsdatum ; MHG: Miethöheregelungsgesetz ; MIAS: Mehrwertsteuer-Informationsaustauschsystem der Europäischen Kommission (engl.: VAT Information Exchange System – VIES) ; MIB: Melde- und Informationssystem Binnenschifffahrt ; MicroBilG: Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2012/6/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. März 2012 zur Änderung der Richtlinie 78/660/EWG des Rates über den Jahresabschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen hinsichtlich Kleinstbetrieben (Kleinstkapitalgesellschaften-Bilanzrechtsänderungsgesetz) ; MID: Richtlinie 2004/22/EG über Messgeräte (Messgeräterichtlinie; engl.: Measuring Instruments Directive – MID) ; MietAnpG: Mietrechtsanpassungsgesetz ; MietbegrenzV: Mietpreisbegrenzungsverordnung (Brandenburg) ; MietbegrenzVO: Mietpreisbegrenzungsverordnung (Nordrhein-Westfalen) ; MietBegrVO: Mietpreisbegrenzungsverordnung (Rheinland-Pfalz oder Thüringen) ; MietBgKaLVO: Mietpreisbegrenzungs- und Kappungsgrenzenlandesverordnung (Mecklenburg-Vorpommern) ; MietBgVO: Mietpreisbegrenzungsverordnung (Baden-Württemberg) ; MietPrVO: Mietpreisverordnung (Schleswig-Holstein) ; MietRB: Der Miet-Rechts-Berater (Zeitschrift) ; MietSchVO: Mieterschutzverordnung (Nordrhein-Westfalen) ; MiFID: Richtlinie 2004/39/EG über Märkte für Finanzinstrumente (engl.: MiFID = Markets in Financial Instruments Directive) ; MiFIR: Markets in Financial Instruments Regulation (VO[EU] 600/2014) ; MikrozensusG (MZG): Mikrozensusgesetz (Gesetz zur Durchführung einer Repräsentativstatistik über die Bevölkerung und den Arbeitsmarkt sowie die Wohnsituation der Haushalte) ; MilchAbgV: Milchabgabenverordnung (Verordnung zur Durchführung der EG-Milchabgabenregelung) ; MilchErzV: Milcherzeugnisverordnung ; MilchFettG: Milch- und Fettgesetz ; MilchGüV: Milch-Güteverordnung (aufgehoben zum 1. Juli 2021 und ersetzt durch Verordnung zur Förderung der Güte von Rohmilch (Rohmilchgüteverordnung -RohmilchGütV)) ; MilchMagG: Gesetz über Milch, Milcherzeugnisse, Margarineerzeugnisse und ähnliche Erzeugnisse (Milch- und Margarinegesetz) ; MilchQuotV: Milchquotenverordnung ; MilchSonMaßG: Gesetz zur Durchführung von Sondermaßnahmen der Europäischen Union im Milchmarktbereich ; MilchSoPrG: Milch-Sonderprogrammgesetz (Gesetz über ein Sonderprogramm mit Maßnahmen für Milchviehhalter) ; MilchVO: Milchverordnung (aufgehoben) ; MiLoAufzV: Verordnung zu den Dokumentationspflichten nach den §§ 16 und 17 des Mindestlohngesetzes und den §§ 18 und 19 des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes in Bezug auf bestimmte Arbeitnehmergruppen (Mindestlohnaufzeichnungsverordnung) ; MiLoDokV: Mindestlohndokumentationspflichtenverordnung ; MiLoG: Gesetz zur Regelung eines allgemeinen Mindestlohns (Mindestlohngesetz) ; MiLoMeldV: Verordnung über Meldepflichten nach dem Mindestlohngesetz, dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz und dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (Mindestlohnmeldeverordnung) ; MiLoV: Mindestlohnanpassungsverordnung ; MilStG: Militärstrafgesetz (Österreich) oder Militärstrafgesetz (Schweiz) ; MilzbRbV: Verordnung zum Schutz gegen den Milzbrand und den Rauschbrand ; Min/TafelWV: Mineral- und Tafelwasser-Verordnung (Verordnung über natürliches Mineralwasser, Quellwasser und Tafelwasser) ; MinBestRL-UmsG: Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2022/2523 des Rates zur Gewährleistung einer globalen Mindestbesteuerung und weiterer Begleitmaßnahmen (Mindestbesteuerungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz) ; MinBlFin: Ministerialblatt des Bundesministeriums der Finanzen ; MindArbBedG (MiArbG): Mindestarbeitsbedingungengesetz ; MindNamÄndG: Minderheitennamensänderungsgesetz (siehe Namensrecht (Deutschland)) ; MindSchRÜbkG: Gesetz zu dem Rahmenübereinkommen des Europarats vom 1. Februar 1995 zum Schutz nationaler Minderheiten ; MindZV: Verordnung über die Mindestbeitragsrückerstattung in der Lebensversicherung (Mindestzuführungsverordnung) ; MinNettoV 2000: Mindestnettobeträge-Verordnung 2000 (Verordnung über die Mindestnettobeträge nach dem Altersteilzeitgesetz für das Jahr 2000) ; MinÖlBewV: Mineralölbewirtschaftungs-Verordnung ; MinölStG: Mineralölsteuergesetz ; MinöStG: Mineralölsteuergesetz (Schweiz) (siehe Mineralölsteuer (Schweiz)) ; MinöStV: Mineralölsteuerverordnung (Verordnung zur Durchführung des Mineralölsteuergesetzes) ; MinroG: Mineralrohstoffgesetz (Österreich) ; MinStG: Gesetz zur Gewährleistung einer globalen Mindestbesteuerung für Unternehmensgruppen (Mindeststeuergesetz) ; MiSchuV: Mieterschutzverordnung (Bayern oder Hessen oder Niedersachsen) ; MissbrauchEindämmG: Gesetz zur Eindämmung missbräuchlicher Steuergestaltungen ; MiStra: Anordnung über Mitteilungen in Strafsachen ; MitbestG: Mitbestimmungsgesetz ; Mitt: Mitteilungen der deutschen Patentanwälte (Zeitschrift) ; MittBayNot: Mitteilungen des Bayerischen Notarvereins, der Notarkasse und der Landesnotarkammer Bayern (siehe MittBayNot) ; MittdtschPatAnw: Mitteilungen deutscher Patentanwälte ; MiZi: Anordnung über Mitteilungen in Zivilsachen ; MJ: Minderjähriger ; MJV: Verordnung über die Militärjustiz (Schweiz) ; MK: Ministerkonferenz ; MKG: Mobile Kontrollgruppe(n) oder Militärkassationsgericht (Schweiz; franz.: Tribunal militaire de cassation; ital.: Tribunale militare di cassazione – TMC) ; MKRO: Ministerkonferenz für Raumordnung ; MKSeuchV (MKSV): Verordnung zum Schutz gegen die Maul- und Klauenseuche ; MKSV: Maul- und Klauenseuche-Verordnung (Verordnung zur Bekämpfung der Maul- und Klauenseuche) ; MKÜ: Mobile Kontroll- und Überwachungseinheit der Bundespolizei ; MLAnpV: Verordnung zur Anpassung der Mindestleistung nach dem Unterhaltssicherungsgesetz (Mindestleistungsanpassungsverordnung) ; MLE: Magister Legum Europae (Studienabschluss im Europarecht) ; MLR: Marburg Law Review (Zeitschrift) ; MM: Mindermeinung oder Minderheitsmeinung oder MieterMagazin (Zeitschrift) ; MMA: Madrider Abkommen über die internationale Registrierung von Marken (kurz: Madrider Markenabkommen – MMA) ; MMilchPulvV: Verordnung zur Durchführung der öffentlichen Lagerhaltung von Magermilchpulver ; MMR: Multimedia und Recht (Zeitschrift) ; MND: Militärischer Nachrichtendienst (Schweiz) (siehe Schweizer Nachrichtendienste) ; MntDBwVVDV: Verordnung über den Vorbereitungsdienst für den mittleren nichttechnischen Verwaltungsdienst in der Bundeswehrverwaltung ; MobHV: Mobilitätshilfenverordnung ; ModEnG: Gesetz zur Förderung der Modernisierung von Wohnungen und von Maßnahmen zur Einsparung von Heizenergie (Modernisierungs- und Energieeinsparungsgesetz) ; ModG: Modulationsgesetz (Gesetz zur Modulation von Direktzahlungen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik) ; ModGAufhG: Gesetz zur Aufhebung des Modulationsgesetzes ; ModistAusbV: Verordnung über die Berufsausbildung zum Modisten/zur Modistin ; ModMstrV: Verordnung über das Berufsbild und über die Prüfungsanforderungen im praktischen und im fachtheoretischen Teil der Meisterprüfung für das Modisten-Handwerk ; MOE: Mittel- und Osteuropa ; MOEL: Mittel- und osteuropäische Länder (kurz MOEL) ; MÖSt: Mineralölsteuer (Österreich) ; MÖStG: Mineralölsteuergesetz (Österreich) ; MOG: Marktorganisationsgesetz (Gesetz zur Durchführung der Gemeinsamen Marktorganisation und der Direktzahlungen) ; MolkMeistPrV: Verordnung über die Meisterprüfung zum anerkannten Fortbildungsabschluss Molkereimeister – Bachelor Professional in Milchtechnologie und Molkereimeisterin – Bachelor Professional in Milchtechnologie ; MoMiG: Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen ; MontanMitbestG: Montan-Mitbestimmungsgesetz ; MontanMitbestErgG: Montan-Mitbestimmungsergänzungsgesetz ; MoPeG: Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts ; MoselSchPV: Moselschifffahrtspolizeiverordnung ; MOSS: Mini-One-Stop-Shop ; MoU: Memorandum of Understanding ; MP: Ministerpräsident ; MPAMIV: Verordnung über die Meldung von mutmaßlichen schwerwiegenden Vorkommnissen bei Medizinprodukten sowie zum Informationsaustausch der zuständigen Behörden (Medizinprodukte Anwendermelde- und Informationsverordnung) ; MPAV: Verordnung zur Regelung der Abgabe von Medizinprodukten (Medizinprodukte-Abgabeverordnung) ; MPBetreibV: Verordnung über das Errichten, Betreiben und Anwenden von Medizinprodukten (Medizinprodukte-Betreiberverordnung) ; MPDG: Gesetz zur Durchführung unionsrechtlicher Vorschriften betreffend Medizinprodukte (Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetz) ; MPEUAnpG: Gesetz zur Anpassung des Medizinprodukterechts an die Verordnung (EU) 2017/745 und die Verordnung (EU) 2017/746 (Medizinprodukte-EU-Anpassungsgesetz) ; MPG: Medizinproduktegesetz (Deutschland/Österreich) ; MPGebV: Gebührenverordnung zum Medizinproduktegesetz und den zu seiner Ausführung ergangenen Rechtsverordnungen (Medizinprodukte-Gebührenverordnung) ; MPhG: Masseur- und Physiotherapeutengesetz ; MPK: Ministerpräsidentenkonferenz ; MPKPV: Verordnung über klinische Prüfungen von Medizinprodukten ; MPR: Medizin Produkte Recht (Zeitschrift) ; MPSV: Medizinprodukte-Sicherheitsplanverordnung (Verordnung über die Erfassung, Bewertung und Abwehr von Risiken bei Medizinprodukten) [aufgehoben; ersetzt durch Medizinprodukte Anwendermelde- und Informationsverordnung (MPAMIV)] ; MPU: Medizinisch-Psychologische Untersuchung ; MPV: Medizinprodukte-Verordnung ; MPVerschrV: Verordnung über die Verschreibungspflicht von Medizinprodukten ; MPVertrV: Verordnung über Vertriebswege für Medizinprodukte ; MR: Musterregister (vergleiche jetzt: Geschmacksmuster) ; MRB-V: Menschenrechtsbeiratverordnung (Österreich) ; MRG: Mietrechtsgesetz (Österreich) (siehe auch Mietvertrag (Österreich)) ; MRI: Max Rubner-Institut, Bundesforschungsinstitut für Ernährung und Lebensmittel ; MRK: Menschenrechtskonvention, siehe Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) ; MRL: Richtlinie 2006/42/EG (Maschinenrichtlinie) ; MRM: MenschenRechtsMagazin des MenschenRechtsZentrum (Potsdam) (MRZ) ; MRN: Movement Reference Number (dt. etwa Versandreferenznummer) (siehe Versandanmeldung) ; MRRG: Melderechtsrahmengesetz ; MRZ: MenschenRechtsZentrum (Potsdam) ; MSA: Haager Minderjährigenschutzabkommen vom 5. November 1961 (= Übereinkommen über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen) ; MsbLärmSchV: Magnetschwebebahn-Lärmschutzverordnung ; MsbG: Gesetz über den Messstellenbetrieb und die Datenkommunikation in intelligenten Energienetzen (Messstellenbetriebsgesetz) ; MSchG: Markenschutzgesetz ; MSchG: Mutterschutzgesetz (Österreich) ; MsRG: Gesetz zur Reform des Mietspiegelrechts (Mietspiegelreformgesetz) ; MSchKrim: Monatsschrift für Kriminologie und Strafrechtsreform ; MStG: Militärstrafgesetz (Schweiz) ; MStGB: Militär-Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich (siehe unter Wehrstrafgesetz) ; MStP: Militärstrafprozess (Schweiz) ; MStV: Medienstaatsvertrag ; MsV: Verordnung über den Inhalt und das Verfahren zur Erstellung und zur Anpassung von Mietspiegeln sowie zur Konkretisierung der Grundsätze für qualifizierte Mietspiegel (Mietspiegelverordnung) ; MSZ: Maritimes Sicherheitszentrum ; MT: Multimodaler Transport ; MTA: Medizinisch-technischer Assistent oder Manteltarifvertrag für Auszubildende [aufgehoben; jetzt Tarifvertrag für Auszubildende des öffentlichen Dienstes – TVAöD] ; MTA-APrV: Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für technische Assistenten in der Medizin ; MTAG: Gesetz über technische Assistenten in der Medizin ; MTD-Gesetz: Bundesgesetz über die Regelung der gehobenen medizinisch-technischen Dienste (Österreich) ; MTS: Markttransparenzstelle für den Großhandel im Bereich Strom und Gas ; MTV: Manteltarifvertrag ; MÜ: Montrealer Übereinkommen ; MüG: Gesetz zur Marktüberwachung und zur Sicherstellung der Konformität von Produkten (Marktüberwachungsgesetz) ; MüKo (auch MK oder MünchKomm): Münchner Kommentar (Gesetzeskommentar zu verschiedenen Gesetzen) ; MuFKlaG: Gesetz zur Einführung einer zivilprozessualen Musterfeststellungsklage ; MuSchBV: Verordnung über den Mutterschutz für Beamtinnen ; MuSchEltZV: Verordnung über den Mutterschutz für Beamtinnen des Bundes und die Elternzeit für Beamtinnen und Beamte des Bundes (Mutterschutz- und Elternzeitverordnung) ; MuSchRiV: Richtlinie 92/85/EWG (Mutterschutzrichtlinie) ; MuSchG: Mutterschutzgesetz ; MuSchSoldV: Mutterschutzverordnung für Soldatinnen ; MuSchV: Mutterschutzverordnung (aufgehoben: jetzt Mutterschutz- und Elternzeitverordnung – MuSchEltZV) ; MuW: Markenschutz und Wettbewerb, eine ehemalige Monatsschrift für Marken-, Patent- und Wettbewerbsrecht ; MV: Mitteilungsverordnung (Verordnung über Mitteilungen an die Finanzbehörden durch andere Behörden und öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten) oder Mecklenburg-Vorpommern oder Mitarbeitervertretung oder Multimodaler Verkehr oder Mitgliederversammlung (Verein) oder Mitgliederversammlung (Partei) oder Militärversicherung (Schweiz) ; MVVerf: Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern ; MVG: Mitarbeitervertretungsgesetz der evangelischen Kirche oder Bundesgesetz über die Militärversicherung (Schweiz) ; MVG-EKD: Mitarbeitervertretungsgesetz der EKD ; MVZ: Medizinisches Versorgungszentrum ; MW: Minderwert oder Mietwagen für Selbstfahrer oder Mietwagen mit Fahrer ; MWBO: Muster-Weiterbildungsordnung ; MwSt: Mehrwertsteuer oder Mehrwertsteuer (Schweiz) ; MwStR: Mehrwertsteuerrecht (Zeitschrift) ; MwStSystRL: Richtlinie 2006/112/EG (Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie) ; MWSTG: Mehrwertsteuergesetz (Schweiz) (siehe Mehrwertsteuer (Schweiz)) ; m. w. N., m. weit. Nachw.: mit weiterem Nachweis/weiteren Nachweisen ; m. W. v.: mit Wirkung vom ; MZG (MikrozensusG): Mikrozensusgesetz (Gesetz zur Durchführung einer Repräsentativstatistik über die Bevölkerung und den Arbeitsmarkt sowie die Wohnsituation der Haushalte) ; MZK: Modernisierter Zollkodex (siehe auch Zollkodex)
; NABEG: Netzausbaubeschleunigungsgesetz Übertragungsnetz ; NachhG: Gesetz zur Nachhaftung für Abbau- und Entsorgungskosten im Kernenergiebereich (Nachhaftungsgesetz) ; NachwG: Gesetz über den Nachweis der für ein Arbeitsverhältnis geltenden wesentlichen Bedingungen (Nachweisgesetz) ; NachwV: Nachweisverordnung (Verordnung über die Nachweisführung bei der Entsorgung von Abfällen) ; NÄG: Namensänderungsgesetz (Österreich) ; NAFTA: Nordamerikanisches Freihandelsabkommen () ; NAG: Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (Österreich) ; NAG-DV: Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz-Durchführungsverordnung (Österreich) ; NagProtUmsG/EUV511/2014DG: Gesetz zur Umsetzung der Verpflichtungen nach dem Nagoya-Protokoll und zur Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 511/2014 ; NamÄndG: Namensänderungsgesetz (Gesetz über die Änderung von Familiennamen und Vornamen) (siehe auch Namensrecht (Deutschland)) ; NamÄndVwV: Namensänderungsverwaltungsvorschrift ; NANDO: New Approach Notified and Designated Organisations ; NAP: Nationaler Aktionsplan für ein kindergerechtes Deutschland oder Nationaler Allokationsplan oder Nationaler Aktionsplan ; NaStraG: Gesetz zur Namensaktie und zur Erleichterung der Stimmrechtsausübung ; NastV: Nadelstichverordnung (Österreich) ; NatKautschOrgVorRV: Verordnung über die Gewährung von Vorrechten und Immunitäten an die Internationale Naturkautschukorganisation ; NatKautschOrgVorRV 1989: Verordnung über die Gewährung von Vorrechten und Immunitäten an die Internationale Naturkautschukorganisation ; NATO: Nordatlantik-Pakt (; ) ; NATOHQAbk: Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Obersten Hauptquartier der Alliierten Mächte, Europa, über die besonderen Bedingungen für die Einrichtung und den Betrieb internationaler militärischer Hauptquartiere in der Bundesrepublik Deutschland ; NATOHQProt: Protokoll über die Rechtsstellung der auf Grund des Nordatlantikvertrags errichteten internationalen militärischen Hauptquartiere ; NATOStatÜbk: Übereinkommen über den Status der Nordatlantikvertrags-Organisation, der nationalen Vertreter und des internationalen Personals ; NATOProtG: Gesetz zu dem Protokoll vom 28. August 1952 über die Rechtsstellung der auf Grund des Nordatlantikvertrags errichteten internationalen militärischen Hauptquartiere und zu den dieses Protokoll ergänzenden Vereinbarungen ; NATOTrStat: Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrags über die Rechtsstellung ihrer Truppen ; NATOTrStatVtrG: Gesetz zu dem Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrags vom 19. Juni 1951 über die Rechtsstellung ihrer Truppen und zu den Zusatzvereinbarungen vom 3. August 1959 zu diesem Abkommen ; NATOVorRV: Verordnung über die Gewährung von Vorrechten und Befreiungen an die Nordatlantikvertrags-Organisation, die nationalen Vertreter, das internationale Personal und die für die Organisation tätigen Sachverständigen ; NATOVtr: Nordatlantikvertrag ; NatPDrömlV: Verordnung über die Festsetzung von Naturschutzgebieten und einem Landschaftsschutzgebiet von zentraler Bedeutung als Naturpark „Drömling“ ; NatPMSchweizV: Verordnung über die Festsetzung von Naturschutzgebieten und einem Landschaftsschutzgebiet von zentraler Bedeutung als Naturpark „Märkische Schweiz“ ; NatSGmElbeV: Verordnung über die Festsetzung von Naturschutzgebieten und einem Landschaftsschutzgebiet von zentraler Bedeutung „Biosphärenreservat Mittlere Elbe“ ; Natur/LandschaftsPflPrV: Verordnung über die Prüfung zum anerkannten Abschluss Geprüfter Natur- und Landschaftspfleger/Geprüfte Natur- und Landschaftspflegerin ; NaturwMechAusbV 2003: Verordnung über die Berufsausbildung zum Naturwerksteinmechaniker/zur Naturwerksteinmechanikerin ; NAV: Niederspannungsanschlussverordnung oder Normalarbeitsverhältnis ; NB: Notifizierte Stelle (Notified body – NB) (siehe Benannte Stelle) ; NBA: Neues Begutachtungsassessment (nach § 15 SGB XI) (siehe unter Pflegebedürftigkeit) ; NBauO (NBO): Niedersächsische Bauordnung ; NBG: Niedersächsisches Beamtengesetz ; NBV: Norddeutsche Bundesverfassung (siehe Norddeutscher Bund) ; NC: Numerus clausus oder Numerus clausus (Recht) ; NCTS: New Computerized Transit System ; NDA: Vertraulichkeitsvereinbarung (Abkürzung für englisch: non-disclosure agreement) ; NDAV: Verordnung über Allgemeine Bedingungen für den Netzanschluss und dessen Nutzung für die Gasversorgung in Niederdruck (Niederdruckanschlussverordnung) ; NdB: Netze des Bundes ; NDB: Nachrichtendienst des Bundes (Schweiz) (siehe Schweizer Nachrichtendienste) ; NDBZ: Neue Deutsche Beamtenzeitung (Zeitschrift) ; NDIG: Niedersächsisches Gesetz über digitale Verwaltung und Informationssicherheit ; NDKontrG: Nachrichtendienstekontrollgesetz (Gesetz über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes) ; NDPHSG: Gesetz zu dem Übereinkommen vom 25. November 2011 über die Errichtung des Sekretariats der Partnerschaft für öffentliche Gesundheit und soziales Wohlergehen im Rahmen der Nördlichen Dimension (NDPHS) ; Nds.: Niedersachsen, niedersächsisch ; Nds. GVBl.: Niedersächsisches Gesetz- und Verordnungsblatt ; NdsLVergabeG: Niedersächsisches Landesvergabegesetz ; NdsOVG: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht ; NdsRPfl: Niedersächsische Rechtspflege (Zeitschrift) ; Nds. SOG: Niedersächsisches Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung ; NdsStGH: Niedersächsischer Staatsgerichtshof ; NdsVBl.: Niedersächsische Verwaltungsblätter (Zeitschrift) ; NDÜV: Verordnung über die Übermittlung von Auskünften an die Nachrichtendienste des Bundes (Nachrichtendienste-Übermittlungsverordnung) ; NDV: Nachrichtendienst des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge ; NDV-RD: Rechtsprechungsdienst zum NDV ; NDWV: Verordnung zur Festlegung von Dosiswerten für frühe Notfallschutzmaßnahmen (Notfall-Dosiswerte-Verordnung) ; Neckar/MainG: Gesetz über die Enteignung von Grundeigentum und über die Beitragsleistung bei der Kanalisierung des Neckars von Mannheim bis Plochingen und des Mains von Aschaffenburg bis Bamberg sowie zum Ausbau der Donau von Passau bis Kelheim ; NECP: Nationaler Energie- und Klimaplan (engl.: National Energy and Climate Plan) ; NEhelG: Nichtehelichengesetz (Gesetz über die rechtliche Stellung der nichtehelichen Kinder) ; nEHS: Nationales Emissionshandelssystem ; NELEV: Verordnung zum Nachweis von elektrotechnischen Eigenschaften von Energieanlagen (Elektrotechnische-Eigenschaften-Nachweis-Verordnung) ; NelkenwV: Verordnung zur Bekämpfung von Nelkenwicklern ; NEMV (NemV): Nahrungsergänzungsmittelverordnung (Verordnung über Nahrungsergänzungsmittel) ; NEP: Netzentwicklungsplan ; NetzDG: Gesetz zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken (Netzwerkdurchsetzungsgesetz) ; NetzResV: Verordnung zur Regelung der Beschaffung und Vorhaltung von Anlagen in der Netzreserve (Netzreserveverordnung) ; NeuGlV: Verordnung zur Durchführung des Gesetzes nach Artikel 29 Abs.6 des Grundgesetzes (Neugliederungsdurchführungsverordnung) ; n.F. (auch nF): neue Fassung ; NfD: nur für den Dienstgebrauch (siehe Geheimhaltungsgrad) ; NfL: Nachrichten für Luftfahrer ; NfS: Nachrichten für Seefahrer ; NGefAG: Niedersächsisches Gefahrenabwehrgesetz (bis Ende 2003, jetzt: Nds. SOG) ; NGG: Niedersächsisches Gleichberechtigungsgesetz oder Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten ; NGlüSpG: Niedersächsisches Glücksspielgesetz ; NGO: Niedersächsische Gemeindeordnung oder Nichtregierungsorganisation () ; NGrStG: Niedersächsisches Grundsteuergesetz ; NHG: Bundesgesetz über den Natur- und Heimatschutz (Schweiz) oder Niedersächsisches Hochschulgesetz ; NI: Notarius International (Zeitschrift) ; NichtAnpG: Gesetz über die Nichtanpassung von Amtsgehalt und Ortszuschlag der Mitglieder der Bundesregierung und der Parlamentarischen Staatssekretäre ; NiederlFrhEWGDG: Gesetz zur Durchführung von Richtlinien der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft über die Niederlassungsfreiheit und den freien Dienstleistungsverkehr ; NiederlFrhEWGDV: Verordnung zur Durchführung von Richtlinien über die Niederlassungsfreiheit und den freien Dienstleistungsverkehr in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft ; NIMEXE: Nomenklatur für die Import- und Exportstatistiken der Europäischen Gemeinschaften (siehe KN: Kombinierte Nomenklatur) ; NIP: Nettoinlandsprodukt ; NIS: Network Information Service oder Netzwerk- und Informationssicherheit ; NiSG: Gesetz zum Schutz vor nichtionisierender Strahlung bei der Anwendung am Menschen (siehe Nichtionisierende Strahlung) ; NiSV: Verordnung zum Schutz vor schädlichen Wirkungen nichtionisierender Strahlung bei der Anwendung beim Menschen ; NISV: Verordnung über den Schutz vor nichtionisierender Strahlung (Schweiz) ; NJ: Neue Justiz (Zeitschrift) ; NJG: Niedersächsisches Justizgesetz ; NJOZ: Neue Juristische Online-Zeitschrift ; NJvollzG: Niedersächsisches Justizvollzugsgesetz ; NJW: Neue Juristische Wochenschrift (Zeitschrift) ; NJW-RR: Neue Juristische Wochenschrift – Rechtsprechungsreport ; NK: Neue Kriminalpolitik. Forum für Praxis, Recht und Kriminalwissenschaften (Zeitschrift) oder Nebenkosten oder Normenkontrolle (Normenkontrollverfahren) ; NKAG: Niedersächsisches Kommunalabgabengesetz ; NKomVG: Niedersächsisches Kommunalverfassungsgesetz ; NKR: Nationaler Normenkontrollrat ; NKRG: Gesetz zur Einsetzung eines Nationalen Normenkontrollrates (siehe Nationaler Normenkontrollrat) ; NKT: Normalkostentarif (Österreich) ; NKV: Nährwert-Kennzeichnungsverordnung (Verordnung über nährwertbezogene Angaben bei Lebensmitteln und die Nährwertkennzeichnung von Lebensmitteln) (siehe Nährwertkennzeichnung) oder Nutzen-Kosten-Verhältnis ; NKWG: Niedersächsisches Kommunalwahlgesetz ; NLF: New Legislative Framework (Neues Konzept für die Produktkonformität in der Europäischen Union) ; NLMR: Newsletter Menschenrechte (Zeitschrift) ; NLO: Niedersächsische Landkreisordnung ; NLottG: Niedersächsisches Lotteriegesetz ; NLP: Nebenleistungspflicht ( Ⅱ BGB) ; NLPosV: Verordnung zur Konkretisierung der Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten für Netto-Leerverkaufspositionen ; NLV: Neuartige Lebensmittel- und Lebensmittelzutaten-Verordnung (siehe u. a. Novel Food) oder Nettolohnvereinbarung ; NMV: Verordnung über die Ermittlung der zulässigen Miete für preisgebundene Wohnungen (Neubaumietenverordnung) ; NO: Notariatsordnung (Österreich) ; NÖ: Niederösterreich, niederösterreichisch ; NOEP: nicht öffentlich ermittelnde Polizeibeamte ; NOK: Nord-Ostsee-Kanal ; NOK-GefAbwV: Verordnung über die Gefahrenabwehr in den bundeseigenen Schleusenanlagen im Nord-Ostsee-Kanal (Nord-Ostsee-Kanal-Gefahrenabwehrverordnung) ; NOK-LV: Verordnung über die Verwaltung und Ordnung der Seelotsreviere Nord-Ostsee-Kanal I und Nord-Ostsee-Kanal II / Kieler Förde / Trave / Flensburger Förde ; NOKBefAbgV: Verordnung über die Befahrungsabgaben auf dem Nord-Ostsee-Kanal ; NordBinSchHfV: Verordnung über die Schutz- und Sicherheitshäfen der Bundesrepublik Deutschland an Binnenschifffahrtsstraßen im Bereich der Wasser- und Schifffahrtsdirektion Nord ; NordÖR: Zeitschrift für Öffentliches Recht in Norddeutschland ; NordSBefV: Verordnung über das Befahren der Bundeswasserstraßen in Nationalparken im Bereich der Nordsee (Nordsee-Befahrensverordnung) ; NordSBrWeinG: Gesetz betreffend die Ausführung des internationalen Vertrages vom 16. November 1887/14. Februar 1893 zur Unterdrückung des Branntweinhandels unter den Nordseefischern auf hoher See ; NordSFischZProk: Proklamation der Bundesrepublik Deutschland über die Errichtung einer Fischereizone der Bundesrepublik Deutschland in der Nordsee ; NordSFischZProkBek: Bekanntmachung der Proklamation der Bundesrepublik Deutschland über die Errichtung einer Fischereizone der Bundesrepublik Deutschland in der Nordsee ; NotAktVV: Verordnung über die Führung notarieller Akten und Verzeichnisse ; NOTAM: NOTAM (Akronym für Notice to Airmen, auch Notice to Air Missions) ; NotBZ: Zeitschrift für die notarielle Beratungs- und Beurkundungspraxis ; NotFV: Verordnung über die notarielle Fachprüfung (Notarfachprüfungsverordnung) (siehe Notar) ; NotLPlVbgG: Gesetz zu der Vereinbarung über die Zuweisung eines Notliegeplatzes im Rahmen der Maritimen Notfallvorsorge ; NotrufV: Verordnung über Notrufverbindungen ; NotSan-APrV: Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter ; NotSanG: Gesetz über den Beruf der Notfallsanitäterin und des Notfallsanitäters (Notfallsanitätergesetz) ; NotV: Notverordnung ; NotViKoV: Verordnung über den Betrieb eines Videokommunikationssystems für notarielle Urkundstätigkeiten ; NotVPV: Verordnung über das Notarverzeichnis und die besonderen elektronischen Notarpostfächer (Notarverzeichnis- und -postfachverordnung) ; NoVA: Normverbrauchsabgabe (Österreich) ; NP: Neue Praxis (Zeitschrift) oder Nebenpflicht ; NPA: Neues Polizei-Archiv (Zeitschrift) ; NPBefVMVK: Verordnung über das Befahren der Bundeswasserstraßen in Nationalparks und Naturschutzgebieten im Bereich der Küste von Mecklenburg-Vorpommern ; NPNordSBefV: Verordnung über das Befahren der Bundeswasserstraßen in Nationalparken im Bereich der Nordsee ; NPO: Non-Profit-Organisation (dt.: nicht gewinnorientierte Organisation) ; npoR: Zeitschrift für das Recht der Non Profit Organisationen ; NpSG: Gesetz zur Bekämpfung der Verbreitung neuer psychoaktiver Stoffe (Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetz) ; NPsychKG: Niedersächsisches Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen für psychisch Kranke ; Nr.: Nummer (in einer Aufzählungsliste in einer Norm) ; NR: Nationalrat (Schweiz) (, , rät. Cussegl naziunal) ; NRG: Nachbarrechtsgesetz (Gesetz über das Nachbarrecht) ; NRG: Nutzungsrechtsgesetz ; nrkr: nicht rechtskräftig in Deutschland oder Österreich ; NRO: Nichtregierungsorganisation ; NROG: Niedersächsisches Raumordnungsgesetz ; NRSG: Nichtraucher-Schutzgesetz ; NRÜ: Nomos Rechtsprechungsübersicht (Zeitschrift) ; NRV: Neue Richtervereinigung e. V. ; NRVP: Nationaler Radverkehrsplan ; NRW oder NW: Nordrhein-Westfalen, nordrhein-westfälisch ; NRWO: Nationalratswahlordnung ; NSAhndG: Gesetz zur Ahndung nationalsozialistischer Straftaten ; NS-AufhG: Gesetz zur Aufhebung nationalsozialistischer Unrechtsurteile in der Strafrechtspflege (NS-Unrechtsurteileaufhebungsgesetz) ; NS-VEntschG: NS-Verfolgtenentschädigungsgesetz ; NSAhndG: Gesetz zur Ahndung nationalsozialistischer Straftaten (diverser Bundesländer, z. B. Bayern) ; NSchG: Niedersächsisches Schulgesetz oder Nachtschwerarbeitsgesetz (Österreich) ; NSG: Naturschutzgebiet (Deutschland) ; NSGBefV: Naturschutzgebietsbefahrensverordnung (Verordnung über das Befahren der Bundeswasserstraßen in bestimmten Naturschutzgebieten) ; NSGBRgV: Verordnung über die Festsetzung des Naturschutzgebietes „Borkum Riffgrund“ ; NSOEBGG: Gesetz über Entschädigungen für Opfer des Nationalsozialismus im Beitrittsgebiet ; NStE: Neue Entscheidungssammlung für das Strafrecht ; NStZ: Neue Zeitschrift für Strafrecht ; NStZ-RR: Neue Zeitschrift für Strafrecht – Rechtsprechungsreport (siehe NStZ-Rechtsprechungs-Report Strafrecht) ; NSUnrAnO: Rechtsanordnung zur Beseitigung nationalsozialistischen Unrechts in der Strafrechtspflege ; NSUnrG: Gesetz zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Strafrechtspflege (diverser Bundesländer, z. B. Hessen) ; NSUnrUrtBesG: Gesetz zur Beseitigung nationalsozialistischer Unrechtsurteile ; NSVerbG: Gesetz zur Regelung der Verbindlichkeiten nationalsozialistischer Einrichtungen und der Rechtsverhältnisse an deren Vermögen ; NTS: NATO-Truppenstatut ; NTSG: NATO-Truppen-Schutzgesetz (Gesetz über den Schutz der Truppen des Nordatlantikpaktes durch das Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht) ; NtV: Nebentätigkeitsverordnung ; NukHaftÜbk/AtHaftÜbkGemProtG: Gesetz zu dem Gemeinsamen Protokoll vom 21. September 1988 über die Anwendung des Wiener Übereinkommens und des Pariser Übereinkommens (Gesetz zu dem Gemeinsamen Protokoll über die Anwendung des Wiener Übereinkommens und des Pariser Übereinkommens) ; NuR: Natur und Recht (Zeitschrift) oder Netzwirtschaften & Recht (Zeitschrift) ; NutzEV: Verordnung über eine angemessene Gestaltung von Nutzungsentgelten (Nutzungsentgeltverordnung) ; NV: Niedersächsische Verfassung ; n. v.: nicht veröffentlicht ; n. v. u. n. v.: nicht verwandt und nicht verschwägert ; NVA: Nationale Volksarmee ; NVAbstG: Niedersächsisches Gesetz über Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid (Niedersächsisches Volksabstimmungsgesetz) ; NVB: Nichtveranlagungsbescheinigung ; NVersZ: Neue Zeitschrift für Versicherung und Recht (Zeitschrift) ; NVG: Notarversicherungsgesetz (Österreich) ; NVOCC: Non-vessel operating common carrier (dt. schiffsbuchender Verfrachter) ; NVR: Nationales Fahrzeugeinstellungsregister ; NVV: Atomwaffensperrvertrag, bzw. Nichtverbreitungsvertrag () ; NvWV: Verordnung über ergänzende Bestimmungen zur Nutzung nicht verfügbarer Werke nach dem Urheberrechtsgesetz und dem Verwertungsgesellschaftengesetz (Nicht-verfügbare-Werke-Verordnung) ; NVwZ: Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht ; NVwZ-RR: Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht – Rechtsprechungsreport ; NW oder NRW: Nordrhein-Westfalen, nordrhein-westfälisch ; NWB: Neue Wirtschafts-Briefe (Zeitschrift) ; NWVBl.: Nordrhein-Westfälische Verwaltungsblätter (Zeitschrift) ; NYC: New Yorker Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche (), kurz „New Yorker Übereinkommen“ bzw. „New York Convention“ ; NZA: Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht (bis 1991: Neue Zeitschrift für Arbeits- und Sozialrecht; Zeitschrift) ; NZA-RR: Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht – Rechtsprechungsreport (Zeitschrift) ; NZB: Nationale Zentralbank oder Nichtzulassungsbeschwerde ; NZBau: Neue Zeitschrift für Baurecht und Vergaberecht ; NZFam: Neue Zeitschrift für Familienrecht ; NZG: Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht ; NZI: Neue Zeitschrift für das Recht der Insolvenz und Sanierung (Zeitschrift) ; NZM: Neue Zeitschrift für Miet- und Wohnungsrecht (Zeitschrift) ; NZKart: Neue Zeitschrift für Kartellrecht (Zeitschrift) ; NZS: Neue Zeitschrift für Sozialrecht (Zeitschrift) ; NZWehrR: Neue Zeitschrift für Wehrrecht ; NZWiSt: Neue Zeitschrift für Wirtschafts-, Steuer- und Unternehmensstrafrecht ; NZV: Netzzugangsverordnung oder Neue Zeitschrift für Verkehrsrecht ; NZZ: Nebenzollzahlstelle ; N&R: Netzwirtschaften und Recht (Zeitschrift)
; OAPI: Afrikanische Organisation für geistiges Eigentum (Organisation Africaine de la Propriété Intellectuelle – OAPI) ; OAS: Organisation Amerikanischer Staaten () ; OASG: Gesetz zur Sicherung der zivilrechtlichen Ansprüche der Opfer von Straftaten (Opferanspruchssicherungsgesetz) ; OB: Oberbürgermeister ; OBA: Oberbundesanwalt (aufgelöst; jetzt Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht) ; OberflbeschAusbV: Verordnung über die Berufsausbildung zum Oberflächenbeschichter/zur Oberflächenbeschichterin ; OBG: Ordnungsbehördengesetz (in mehreren Bundesländern, unter anderem Ordnungsbehördengesetz (Nordrhein-Westfalen)) ; OBU: On-Board-Unit (Mautsystem) ; OCG NRW: Gesetz über die Zulassung von Online-Casinospielen im Land Nordrhein-Westfalen (Online-Casinospiel Gesetz NRW) ; ODR-VO: Verordnung (EU) Nr. 524/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2013 über die Online-Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 und der Richtlinie 2009/22/EG (siehe Verordnung über Online-Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten) ; ODV (auch OrtsDruckV): Ortsbewegliche-Druckgeräte-Verordnung ; OECD: Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung () ; OECD-MA Inf: OECD-Musterabkommen über den Informationsaustausch in Steuersachen ; OEEC: Organization for European Economic Co-operation (1961 in die OECD überführt) ; OEG: Gesetz über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten (Opferentschädigungsgesetz) oder offene Erwerbsgesellschaft (Österreich) (bis zum 31. Dezember 2006; aufgehoben durch das HaRäG. Siehe Erwerbsgesellschaft (Österreich)) ; OER (OstEurR): Osteuropa-Recht (Zeitschrift) ; OEZ: Observationseinheit Zoll ; OFD: Oberfinanzdirektion ; OFDAufgÜbertrV: Verordnung zur Übertragung von Aufgaben der Oberfinanzdirektionen Berlin, Bremen, Chemnitz, Düsseldorf, Erfurt, Frankfurt am Main, Hannover, Kiel, Magdeburg, München, Münster, Rostock, Saarbrücken und Stuttgart ; OFDAufgÜbertrV 2004: Verordnung zur Übertragung von Aufgaben der Oberfinanzdirektionen Chemnitz, Cottbus, Hamburg, Hannover, Karlsruhe, Koblenz, Köln und Nürnberg ; OfenbAusbV: Verordnung über die Berufsausbildung zum Ofen- und Luftheizungsbauer/zur Ofen- und Luftheizungsbauerin ; OfenLufthMstrV: Verordnung über das Meisterprüfungsberufsbild und über die Prüfungsanforderungen in den Teilen I und II der Meisterprüfung im Ofen- und Luftheizungsbauer-Handwerk ; Offshore-ArbZV: Verordnung über die Arbeitszeit bei Offshore-Tätigkeiten (Offshore-Arbeitszeitverordnung) ; OffshoreBergV: Bergverordnung für das Gebiet der Küstengewässer und des Festlandsockels (Offshore-Bergverordnung) ; OffshStAbkGÄndG: Gesetz zur Änderung des Offshore-Steuergesetzes ; OG: Bundesgesetz über die Organisation der Bundesrechtspflege (Schweiz) oder Oberstes Gericht der Deutschen Demokratischen Republik oder Offene Gesellschaft (Österreich) oder Obergericht ; OGAV: Verordnung über die elektronische Aktenführung in Ordnungsgeldverfahren beim Bundesamt für Justiz (Ordnungsgeld-Aktenführungsverordnung) ; OGAW: Organismus für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (franz.: OPCVM – Organisme de placement collectif en valeurs mobilières; ) (siehe OGAW-Richtlinie) ; OGAWRL: OGAW-Richtlinie (Richtlinie 85/611/EWG […] zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren) ; OGErzeugerOrgDV: Verordnung zur Durchführung der unionsrechtlichen Regelungen über Erzeugerorganisationen im Sektor Obst und Gemüse (Obst-Gemüse-Erzeugerorganisationendurchführungsverordnung) ; OGewV: Verordnung zum Schutz der Oberflächengewässer (Oberflächengewässerverordnung) ; OGH: Oberster Gerichtshof (Österreich) oder Oberster Gerichtshof für die Britische Zone ; OGHG: Bundesgesetz über den Obersten Gerichtshof (Österreich) ; oHG (OHG): offene Handelsgesellschaft ; OHIM: Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (kurz: HABM) ; oHvA: ohne Hinterlassung von Abkömmlingen (Erbrecht) ; OIE: Weltorganisation für Tiergesundheit () ; OK: Organisierte Kriminalität oder Offener Kommentar oder Online-Kommentar ; OKrD: Oberkreisdirektor (früher in NRW) ; OLA: Operational Level Agreement oder Office of Legal Affairs der UN (dt.: Bereich Rechtsangelegenheiten der UN) ; OLAF: Europäisches Amt für Betrugsbekämpfung () ; OLG: Oberlandesgericht ; OLGE: Sammlung der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte ; OLGR: OLG-Report (Zeitschrift) ; OLGSt: Entscheidungen der Oberlandesgerichte zum Straf- und Strafverfahrensrecht ; OLGZ: Entscheidungen der Oberlandesgerichte in Zivilsachen einschließlich der freiwilligen Gerichtsbarkeit ; OLSchVO: Orderlagerscheinverordnung (aufgehoben durch das Transportrechtsreformgesetz 1998) ; OlympSchG: Olympiaschutzgesetz (Gesetz zum Schutz des olympischen Emblems und der olympischen Bezeichnungen) ; OMC: Organisation mondiale du commerce (= Welthandelsorganisation) ; OPA: Oberprüfungsamt für das technische Referendariat ; OnlWahlV: Verordnung über die technischen und organisatorischen Vorgaben für die Durchführung einer Online-Wahl im Rahmen des Modellprojekts nach § 194a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (Online-Wahl-Verordnung) ; OPCAT: Fakultativprotokoll zum Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (engl.: Optional Protocol to the Convention against Torture and other Cruel, Inhuman or Degrading Treatment or Punishment – OPCAT) ; OPCW: Organisation für das Verbot chemischer Waffen (engl.: Organization for the Prohibition of Chemical Weapons) ; OpfBEinr/BArchG2017uaÄndG: Gesetz zur Änderung des Bundesarchivgesetzes, des Stasi-Unterlagen-Gesetzes und zur Einrichtung einer oder eines SED-Opferbeauftragten ; OpfBG: Gesetz über die Bundesbeauftragte oder den Bundesbeauftragten für die Opfer der SED-Diktatur beim Deutschen Bundestag ; OPFEP: Optimierte Praktische Fahrerlaubnisprüfung ; OPrAGebG: Gesetz über die Gebühren des Oberprüfungsamtes für die höheren technischen Verwaltungsbeamten ; OpferRRG: Opferrechtsreformgesetz (Gesetz zur Verbesserung der Rechte von Verletzten im Strafverfahren) ; OPS: Operationen- und Prozedurenschlüssel ; OR: Obligationenrecht (Schweiz) ; OrdenErl: Erlass über die Genehmigung der Stiftung und Verleihung von Orden und Ehrenzeichen und über die Anerkennung als Ehrenzeichen ; OrdenErsUrkAnO: Anordnung über die Ausstellung von Ersatzurkunden nach § 9 des Gesetzes über Titel, Orden und Ehrenzeichen für Berechtigte im Ausland ; OrdenG: Gesetz über Titel, Orden und Ehrenzeichen ; OrdenNachwV: Verordnung über den Besitznachweis für Orden und Ehrenzeichen und den Nachweis von Verwundungen und Beschädigungen ; OrgBAusbV: Verordnung über die Berufsausbildung zum Orgelbauer und zur Orgelbauerin ; OrgErl: Organisationserlass des Bundeskanzlers ; OrgHbMstrV: Verordnung über das Berufsbild und über die Prüfungsanforderungen im praktischen und im fachtheoretischen Teil der Meisterprüfung für das Orgel- und Harmoniumbauer-Handwerk ; OrgHG: Organhaftpflichtgesetz (Österreich) ; OrgKG: Gesetz zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und anderer Erscheinungsformen der organisierten Kriminalität ; OrgStA: Anordnung über Organisation und Dienstbetrieb der Staatsanwaltschaften ; OrgStrV: Organstrafverfügungsverordnung (Österreich) ; OrgKG: Organisierte-Kriminalität-Gesetz (Gesetz zur Bekämpfung des illegalen Drogenhandels und anderer Erscheinungsformen der organisierten Kriminalität) ; ORheinLotsOEV: Verordnung zur Einführung der Lotsenordnung für den Oberrhein ; ORR: Oberregierungsrat ; OrtedtDGStiftG: Gesetz zur Errichtung einer „Stiftung Orte der deutschen Demokratiegeschichte“ ; OrthAusbVO: Verordnung über die Berufsausbildung zum Orthopädietechnik-Mechaniker und zur Orthopädietechnik-Mechanikerin ; OrthBandMstrV: Verordnung über das Berufsbild und über die Prüfungsanforderungen im praktischen und im fachtheoretischen Teil der Meisterprüfung für das Orthopädiemechaniker- und Bandagisten-Handwerk ; OrthopschuhmAusbV: Verordnung über die Berufsausbildung zum Orthopädieschuhmacher und zur Orthopädieschuhmacherin ; OrthoptAPrV: Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Orthoptistinnen und Orthoptisten ; OrthoptG: Gesetz über den Beruf der Orthoptistin und des Orthoptisten ; OrthSchMstrV: Verordnung über das Meisterprüfungsberufsbild und über die Prüfungsanforderungen in den Teilen I und II der Meisterprüfung im Orthopädieschuhmacher-Handwerk ; OrthV: Verordnung über die Versorgung mit Hilfsmitteln und über Ersatzleistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz ; OrthVersorgUVV: Verordnung über die orthopädische Versorgung Unfallverletzter ; OrtsDruckV (ODV): Verordnung über ortsbewegliche Druckgeräte ; OS: Offenlegungsschrift ; OSCOM: Oslo-Konvention ; OSPARÜbk: Übereinkommen zum Schutz der Meeresumwelt des Nordostatlantiks ; OSS: One-Stop-Shop ; OStA: Oberstaatsanwalt ; OstEurR (OER): Osteuropa-Recht (Zeitschrift) ; OStrV: Verordnung zum Schutz der Beschäftigten vor Gefährdungen durch künstliche optische Strahlung (Arbeitsschutzverordnung zu künstlicher optischer Strahlung) ; OstseeschutzÄndV 1: Erste Verordnung zu Änderungen der Anlagen III und IV zum Übereinkommen von 1992 über den Schutz der Meeresumwelt des Ostseegebiets ; OstseeSHNSGBefV: Verordnung über das Befahren von Bundeswasserstraßen in bestimmten schleswig-holsteinischen Naturschutzgebieten im Bereich der Ostsee ; OstSFischZProk: Proklamation der Bundesrepublik Deutschland über die Errichtung einer Fischereizone der Bundesrepublik Deutschland in der Ostsee ; OstSFischZProkBek: Bekanntmachung der Proklamation der Bundesrepublik Deutschland über die Errichtung einer Fischereizone der Bundesrepublik Deutschland in der Ostsee ; OstSUmwSchÜbk: Übereinkommen über den Schutz der Meeresumwelt des Ostseegebiets ; OSZE: Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa ; OSZEVorRV 2016: Verordnung über Vorrechte und Immunitäten der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) ; OT: ohne Tarifbindung ; OTIF: Zwischenstaatliche Organisation für den internationalen Eisenbahnverkehr (französisch: Organisation intergouvernementale pour les transports internationaux ferroviaires (OTIF), englisch: Intergovernmental Organisation for International Carriage by Rail) ; OTPG: Organtransplantationsgesetz (Österreich) ; OVG: Oberverwaltungsgericht ; OVGE: Entscheidungen der Oberverwaltungsgerichte und Verwaltungsgerichtshöfe ; o. V. i. A.: oder Vertreter im Amt ; OVP: Ordnung des Vorbereitungsdienstes und der Zweiten Staatsprüfung für Lehrämter an Schulen (NRW) ; OWi: Ordnungswidrigkeit ; OWiG: Gesetz über Ordnungswidrigkeiten ; OWiG§ 124V: Verordnung über die Zuständigkeit für die Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten nach § 124 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten ; OWVO: Ordnungswidrigkeitenverordnung (Verordnung zur Bekämpfung von Ordnungswidrigkeiten) ; OZD: Oberzolldirektion ; OZG: Gesetz zur Verbesserung des Onlinezugangs zu Verwaltungsleistungen (Onlinezugangsgesetz) ; OZG§ 3Abs2S2V: Verordnung nach § 3 Absatz 2 Satz 2 des Onlinezugangsgesetzes ; OzonSÜbk: Wiener Übereinkommen zum Schutz der Ozonschicht ; OzonSÜbkG: Gesetz zu dem Übereinkommen vom 22. März 1985 zum Schutz der Ozonschicht
; öAT: Zeitschrift für das öffentliche Arbeits- und Tarifrecht ; ÖÄK: Österreichische Ärztekammer ; ÖBGBl.: Bundesgesetzblatt für die Republik Österreich ; ÖBl: Österreichische Blätter für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht (Zeitschrift) ; ö. b. u. v.: öffentlich bestellt und vereidigt, siehe öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige ; ÖBV: Öffentlich bestellter Vermessungsingenieur ; ÖDZustG: Gesetz über die Zuständigkeit auf dem Gebiet des Rechts des öffentlichen Dienstes ; ÖffBetG: Gesetz über die Öffentlichkeitsbeteiligung in Umweltangelegenheiten nach der EG-Richtlinie 2003/35/EG (Öffentlichkeitsbeteiligungsgesetz) ; ÖGAM: Österreichische Gesellschaft für Allgemeinmedizin ; ÖGB: Österreichischer Gewerkschaftsbund ; ÖGD: Öffentlicher Gesundheitsdienst ; ÖGV: Österreichischer Genossenschaftsverband ; ÖJZ: Österreichische Juristen-Zeitung (Zeitschrift) ; ÖkoKennzG: Öko-Kennzeichengesetz (Gesetz zur Einführung und Verwendung eines Kennzeichens für Erzeugnisse des ökologischen Landbaus) ; ÖkoKennzV: Öko-Kennzeichenverordnung ; ÖkoV: Verordnung (EG) Nr. 834/2007 (Öko-Verordnung) ; ÖLG: Gesetz zur Durchführung der Rechtsakte der Europäischen Union auf dem Gebiet des ökologischen Landbaus sowie zur Regelung der Anforderungen an die Bio-Kennzeichnung in gemeinschaftlichen Verpflegungseinrichtungen (Öko-Landbaugesetz) ; ÖLG-DV: Verordnung zur Durchführung des Öko-Landbaugesetzes (Öko-Landbaugesetz-Durchführungsverordnung) ; ÖlHaftÜbkProt: Protokoll zum Internationalen Übereinkommen von 1969 über die zivilrechtliche Haftung für Ölverschmutzungsschäden ; ÖlHÜ (auch ÖlHaftÜbk): Internationales Übereinkommen vom 29. November 1969 über die zivilrechtliche Haftung für Ölverschmutzungsschäden (Ölhaftungsübereinkommen) ; ÖLMB: Österreichisches Lebensmittelbuch (siehe Codex Alimentarius Austriacus) ; ÖlmeldV: Verordnung zur Ermittlung der zum Internationalen Entschädigungsfonds für Ölverschmutzungsschäden nach dem Ölschadengesetz beitragspflichtigen Ölmengen (Ölmeldeverordnung) ; ÖlPflichtVersBeschV: Verordnung über die Ausstellung von Pflichtversicherungsbescheinigungen nach dem Ölschadengesetz (Artikel 1 der Verordnung über die Ausstellung von Bescheinigungen nach dem Ölschadengesetz und zur Änderung der Kostenverordnung für Amtshandlungen des Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrographie) ; ÖlSG: Gesetz über die Haftung und Entschädigung für Ölverschmutzungsschäden durch Seeschiffe (Ölschadengesetz) ; ÖlUnfÜbk: Internationales Übereinkommen über Maßnahmen auf Hoher See bei Ölverschmutzungs-Unfällen ; ÖLVermehrAnzV: Verordnung über die Anzeige von Vermehrungsflächen im ökologischen Landbau (Öko-Landbau-Vermehrungsflächen-Anzeigeverordnung) ; ÖlVerschmSchIFÜbk 1992: Internationales Übereinkommen von 1992 über die Errichtung eines Internationalen Fonds zur Entschädigung für Ölverschmutzungsschäden ; ÖlVerschmÜbk 1990: Internationales Übereinkommen von 1990 über Vorsorge, Bekämpfung und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Ölverschmutzung ; ÖPA: Österreichisches Patentamt ; ÖPAK: Österreichische Patentanwaltskammer ; ÖPG: Gesetz über die Pfandbriefe und verwandten Schuldverschreibungen öffentlich-rechtlicher Kreditanstalten (aufgehoben; abgelöst durch Pfandbriefgesetz) ; ÖPNV: Öffentlicher Personennahverkehr ; ÖPNRV-G 1999: Öffentlicher Personennah- und Regionalverkehrsgesetz 1999 (Österreich) ; ÖPPBeschlG: Gesetz zur Beschleunigung der Umsetzung von Öffentlich Privaten Partnerschaften und zur Verbesserung gesetzlicher Rahmenbedingungen für Öffentlich Private Partnerschaften (ÖPP-Beschleunigungsgesetz) ; ÖPUL: Österreichisches Programm für umweltgerechte Landwirtschaft ; ÖPP: Öffentlich Private Partnerschaft ; ÖR: Öffentliches Recht, öffentlich-rechtlich ; ÖRAK: Österreichischer Rechtsanwaltskammertag ; ÖRegV: Öffentlichkeitsregisterverordnung (Liechtenstein) ; ÖRK: Österreichisches Rotes Kreuz ; ÖROK: Österreichische Raumordnungskonferenz ; ÖSPV: Öffentlicher Straßenpersonennahverkehr ; österr: österreichisch ; ÖStZ: Österreichische Steuerzeitung (Zeitschrift) ; ÖTZ: Österreichische Technische Zulassung ; ÖV: Österreichische Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht ; ÖZPR: Österreichische Zeitschrift für Pflegerecht ; ÖZW: Österreichische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht
; PA: Prüfungsausschuss ; PACE: Parlamentarische Versammlung des Europarates ; PachtkredG: Pachtkreditgesetz ; PackmAusbV: Verordnung über die Berufsausbildung zum Packmitteltechnologen und zur Packmitteltechnologin ; PackungsV: Verordnung über die Bestimmung und Kennzeichnung von Packungsgrößen für Arzneimittel in der vertragsärztlichen Versorgung (Packungsverordnung) (siehe Packungsgrößenkennzeichnung) ; PädV: Pädagogische Führung. Zeitschrift für Schulleitung und Schulberatung ; PAG: Polizeiaufgabengesetz (in Bayern oder in Thüringen oder in Brandenburg) oder Patentanwaltsgesetz (Schweiz) oder Pensionsanpassungsgesetz 2020 (Österreich) ; Pal: Palandt (Gesetzeskommentar) ; PAngV: Preisangabenverordnung ; PAO: Patentanwaltsordnung ; PAO157Abs2DV: Verordnung zur Durchführung des § 157 Absatz 2 der Patentanwaltsordnung ; PapKuVerarbIndMeistPrV: Verordnung über die Prüfung zum anerkannten Abschluss Geprüfter Industriemeister/Geprüfte Industriemeisterin – Fachrichtung Papier- und Kunststoffverarbeitung ; PaPkG: Preisangaben- und Preisklauselgesetz ; PapTechAusbV 2010: Verordnung über die Berufsausbildung zum Papiertechnologen/zur Papiertechnologin ; ParkettlAusbV 2002: Verordnung über die Berufsausbildung zum Parkettleger/zur Parkettlegerin ; ParkettlMstrV: Verordnung über die Meisterprüfung in den Teilen I und II im Parkettleger-Handwerk ; ParlBG: Gesetz über die parlamentarische Beteiligung bei der Entscheidung über den Einsatz bewaffneter Streitkräfte im Ausland (Parlamentsbeteiligungsgesetz) ; ParlG: Parlamentsgesetz (Schweiz) ; ParlStG: Gesetz über die Rechtsverhältnisse der parlamentarischen Staatssekretäre ; ParlVV: Parlamentsverwaltungsverordnung (Schweiz) ; ParteienG: Parteiengesetz ; ParteiG: Parteiengesetz (siehe Gesetz über die politischen Parteien) ; PartG: Parteiengesetz (siehe Gesetz über die politischen Parteien) oder Partnerschaftsgesetz (Schweiz) ; PartGG: Gesetz über Partnerschaftsgesellschaften Angehöriger Freier Berufe (Partnerschaftsgesellschaftsgesetz) ; PartGmbB: Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaftung ; PartGGuaÄndG: Gesetz zur Einführung einer Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaftung und zur Änderung des Berufsrechts der Rechtsanwälte, Patentanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer ; PassDEÜV: Verordnung zur Erfassung und Qualitätssicherung des Lichtbildes und der Fingerabdrücke in den Passbehörden und der Übermittlung der Passantragsdaten an den Passhersteller ; PassG (PaßG): Passgesetz ; PassV: Verordnung zur Durchführung des Passgesetzes (Passverordnung) ; PatAnwAPO: Patentanwaltsausbildungs- und Prüfungsordnung (siehe Patentassessor) ; PatAnwG: Patentanwaltsgesetz (Österreich) ; PatAnwO (auch PatAO oder PAO): Patentanwaltsordnung (siehe Patentanwalt) ; PatAnwVV: Verordnung über das Patentanwaltsverzeichnis (Patentanwaltsverzeichnisverordnung) ; PatBeteiligungsV: Verordnung zur Beteiligung von Patientinnen und Patienten in der Gesetzlichen Krankenversicherung (Patientenbeteiligungsverordnung) (siehe auch bei Gesetz zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten) ; PatG: Patentgesetz oder Patentgesetz 1970 (Österreich) oder Schweizer Patentgesetz ; PatGG: Bundesgesetz vom 20. März 2009 über das Bundespatentgericht (Patentgerichtsgesetz) (Schweiz) ; PatK: Patentanwaltskammer ; PatKostG: Patentkostengesetz (Gesetz über die Kosten des Deutschen Patent- und Markenamts und des Bundespatentgerichts) ; PatRG: Gesetz zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten (Patientenrechtegesetz) ; PatV: Patentverordnung (Verordnung zum Verfahren in Patentsachen vor dem Deutschen Patent- und Markenamt) ; PatVG: Patientenverfügungs-Gesetz (Österreich) ; PAuswG (PersAuswG): Personalausweisgesetz ; PAuswGebV: Personalausweisgebührenverordnung ; PAuswV: Verordnung über Personalausweise, eID-Karten für Unionsbürger und Angehörige des Europäischen Wirtschaftsraums und den elektronischen Identitätsnachweis (Personalausweisverordnung) ; PB: Polizeibezirk oder Polizeiliche Beobachtung oder Persönliches Budget oder Pflegebudget ; PBeaKK: Postbeamtenkrankenkasse ; PBefAusglV: Verordnung über den Ausgleich gemeinwirtschaftlicher Leistungen im Straßenpersonenverkehr ; PBefG: Personenbeförderungsgesetz (Deutschland) ; PBG: Personenbeförderungsgesetz (Schweiz) oder Planungsbeschleunigungsgesetz ; PBLEntgV: Postbankleistungsentgeltverordnung ; PBV: Verordnung über die Rechnungs- und Buchführungspflichten der Pflegeeinrichtungen (Pflege-Buchführungsverordnung) ; PBZugV: Berufszugangsverordnung für den Straßenpersonenverkehr ; PCBAbfallV: Verordnung über die Entsorgung polychlorierter Biphenyle, polychlorierter Terphenyle und halogenierter Monomethyldiphenylmethane (PCB/PCT-Abfallverordnung) ; PBRüV: Verordnung zur Rückforderung überzahlter Entlastungen nach dem Strompreisbremsegesetz und dem Erdgas-Wärme-Preisbremsengesetz sowie zum Übergang von Rückforderungsansprüchen auf den Bund (Preisbremsen-Entlastungsrückforderungsverordnung) ; PCK: Post-Control-Kommission (Österreich) ; PCT: Vertrag über die Internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Patentwesens (kurz Patent-Zusammenarbeitsvertrag oder PCT, nach ) ; PCTAO: Ausführungsordnung zum Vertrag über die internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Patentwesens ; PD: Polizeidirektion ; PDK: Prüfdienst Krankenversicherung im Bundesamt für Soziale Sicherung ; PDLV: Postdienstleistungsverordnung (siehe u. a. Postreform) ; PDSV: Postdienste-Datenschutzverordnung ; PECL: Grundregeln des Europäischen Vertragsrechts („Principles of European Contract Law“) ; PED: Pressure Equipment Directive (Richtlinie 97/23/EG über Druckgeräte, kurz: Druckgeräterichtlinie) ; PEG: Private-Equity-Gesellschaft (siehe Private Equity) ; PEI: Paul-Ehrlich-Institut, Bundesinstitut für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel ; PEL: Principles of European Law ; PER: Präsident des Europäischen Rates ; PersAuswG: Personalausweisgesetz ; PersR: Personalrat oder Der Personalrat (Zeitschrift) ; PersV: Die Personalvertretung. Fachzeitschrift des gesamten Personalwesens für Personalvertretungen und Dienststellen ; PersVG: Personalvertretungsgesetz ; PFA: Polizei-Führungsakademie (aufgehoben; jetzt Deutsche Hochschule der Polizei) ; PfandBarwertV: Verordnung über die Sicherstellung der jederzeitigen Deckung von Hypothekenpfandbriefen, Öffentlichen Pfandbriefen, Schiffspfandbriefen und Flugzeugpfandbriefen nach dem Barwert und dessen Berechnung bei Pfandbriefbanken (Pfandbrief-Barwertverordnung) ; PfandBG: Pfandbriefgesetz ; PfandlV: Pfandleiherverordnung ; PfandMeldeV: Verordnung über pfandbriefrechtliche Meldungen (Pfandbrief-Meldeverordnung) ; PfG NW: Gesetz zur Umsetzung des Pflege-Versicherungsgesetzes (Landespflegegesetz Nordrhein-Westfalen) ; PflAFinV: Verordnung über die Finanzierung der beruflichen Ausbildung nach dem Pflegeberufegesetz sowie zur Durchführung statistischer Erhebungen (Pflege-Ausbildungsfinanzierungsverordnung) ; PflAPrV: Pflegeausbildungs- und Prüfungsverordnung ; PflAV: Pflichtablieferungs-Verordnung in Deutschland oder in Österreich; Verordnung über die Ablieferung von Medienwerken an die Deutsche Nationalbibliothek bzw. die Österreichische Nationalbibliothek ; PflBestSchV: Verordnung zum Schutz von Beständen zur Erzeugung oder zum Erhalt von Obstanbaumaterial sowie Erwerbsobstbeständen vor besonderen unionsgeregelten Nicht-Quarantäneschadorganismen (Pflanzenbeständeschutzverordnung) ; PflBG: Gesetz über die Pflegeberufe (Pflegeberufegesetz) ; PflBRefG: Gesetz zur Reform der Pflegeberufe (Pflegeberufereformgesetz) ; PflegeArbbV: Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen für die Pflegebranche (Pflegearbeitsbedingungenverordnung) (siehe Mindestarbeitsbedingungen (Pflegebranche)) ; PflStudStG: Gesetz zur Stärkung der hochschulischen Pflegeausbildung, zu Erleichterungen bei der Anerkennung ausländischer Abschlüsse in der Pflege und zur Änderung weiterer Vorschriften (Pflegestudiumstärkungsgesetz) ; PflegeVG: Pflegeversicherungsgesetz ; PflegeWEG: Pflege-Weiterentwicklungsgesetz ; PflegeZG: Pflegezeitgesetz ; PflKartV: Pflanzkartoffelverordnung ; PflSchAnwV: Pflanzenschutzanwendungsverordnung (Verordnung über Anwendungsverbote für Pflanzenschutzmittel) ; PflSchG: Pflanzenschutzgesetz ; PflSchMGebV: Pflanzenschutzmittel-Gebührenverordnung ; PflSchMGV: Verordnung über Pflanzenschutzmittel und Pflanzenschutzgeräte (Pflanzenschutzmittelverordnung) ; PflSchSachkV: Pflanzenschutz-Sachkundeverordnung ; PflStudStG: Gesetz zur Stärkung der hochschulischen Pflegeausbildung, zu Erleichterungen bei der Anerkennung ausländischer Abschlüsse in der Pflege und zur Änderung weiterer Vorschriften (Pflegestudiumstärkungsgesetz) ; PflVG (PflVersG): Pflichtversicherungsgesetz ; PflZV: Verordnung über einen Vorschuss bei der Inanspruchnahme von Familienpflegezeit oder Pflegezeit (Pflegezeitvorschussverordnung nach § 7 Abs. 7 BBesG) ; PFV: Planfeststellungsverfahren oder Personenfeststellungsverfahren ; pFV: positive Forderungsverletzung (siehe positive Vertragsverletzung) ; PfWG: Pflege-Weiterentwicklungsgesetz ; PG: Personengesellschaft oder Postgesetz (Schweiz) ; PGR: Personen- und Gesellschaftsrecht (Liechtenstein) ; PGV: Verordnung der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales über die Untergrenzen einer großen Menge (Grenzmengen) bezüglich der psychotropen Stoffe (Psychotropen-Grenzmengenverordnung) (Österreich) ; PharmR: Pharma Recht (Zeitschrift) ; pHG: persönlich haftender Gesellschafter ; PHG: Produkthaftungsgesetz (Österreich) ; PHK: Polizeihauptkommissar oder Pflegehilfskraft ; PHV: Privathaftpflichtversicherung ; PI: Polizeiinspektion oder Polizeiinspektion (Österreich) ; PinG: Privacy in Germany. Datenschutz und Compliance (Zeitschrift) ; PIZ: Patentinformationszentrum ; PJZS: Polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen (engl.: police and judicial cooperation in criminal matters (PJCCM), franz.: coopération policière et judiciaire en matière pénale (CPJMP)) ; PK: Polizeikommissariat (Deutschland) oder Polizeikommissariat (Österreich) oder Polizeikommissar oder Praxis-Kommentar oder Pflegekosten (siehe Pflegesatz) oder Pflegekasse ; PKBG: Bundesgesetz über die Pensionskasse des Bundes (Schweiz) ; PKG: Pensionskassengesetz (siehe Pensionskasse#Österreich) oder Parlamentarisches Kontrollgremium ; PKGr: Parlamentarisches Kontrollgremium ; PKGrG: Gesetz über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes (Kontrollgremiumgesetz) ; PKH: Prozesskostenhilfe ; PKHFV: Verordnung zur Verwendung eines Formulars für die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bei Prozess- und Verfahrenskostenhilfe ; PKW-EnVKV: Verordnung über Verbraucherinformationen zu Kraftstoffverbrauch, CO2-Emissionen und Stromverbrauch neuer Personenkraftwagen (PKW-Energieverbrauchskennzeichnungsverordnung) ; PKV: Private Krankenversicherung ; PKZ: Personenkennzeichen (siehe Steuer-Identifikationsnummer#Vorläufer und europäische Entsprechungen oder Personenkennzahl, DDR) ; PlanSiG: Gesetz zur Sicherstellung ordnungsgemäßer Planungs- und Genehmigungsverfahren während der COVID-19-Pandemie (Plansicherstellungsgesetz) ; Plan-UP: Plan-Umweltprüfung (siehe Strategische Umweltprüfung) ; PlanzV: Verordnung über die Ausarbeitung der Bauleitpläne und die Darstellung des Planinhalts (Planzeichenverordnung) ; PLC: Public Limited Company ; PlfZV: Verordnung über die Zuweisung der Planfeststellung für länderübergreifende und grenzüberschreitende Höchstspannungsleitungen auf die Bundesnetzagentur (Planfeststellungszuweisungverordnung) ; PlVereinfG: Gesetz zur Vereinfachung der Planungsverfahren für Verkehrswege (Planungsvereinfachungsgesetz) ; PlVereinhG: Gesetz zur Verbesserung der Öffentlichkeitsbeteiligung und Vereinheitlichung von Planfeststellungsverfahren ; PM: Polizeimeister(in) oder Pressemitteilung ; PMElekPrV: Verordnung über die Prüfung zum anerkannten Fortbildungsabschluss Geprüfter Prozessmanager Elektrotechnik und Geprüfte Prozessmanagerin Elektrotechnik (Certified Process Manager – Electric/Electronics) ; PMMA: Protokoll zum Madrider Abkommen über die internationale Registrierung von Marken (siehe Madrider Abkommen über die internationale Registrierung von Marken#Protokoll zum Madrider Abkommen über die internationale Registrierung von Marken (PMMA)) ; PMMPrV: Verordnung über die Prüfung zum anerkannten Abschluss Geprüfter Prozessmanager – Mikrotechnologie und Geprüfte Prozessmanagerin – Mikrotechnologie (Certified Process Manager – Microtechnology) ; PMZ: Blatt für Patent-, Muster- und Zeichenwesen (Zeitschrift) ; PNG: Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz ; PNUPZV: Verordnung über Leistungsprämien und -zulagen für Beamtinnen und Beamte der Postnachfolgeunternehmen ; PodAPrV: Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Podologinnen und Podologen ; PodG: Gesetz über den Beruf der Podologin und des Podologen (Podologengesetz) (siehe Podologie) ; POG: Polizeiorganisationsgesetz (z. B. in NRW) oder Polizei- und Ordnungsbehördengesetz ; POGRP: Polizei- und Ordnungsbehördengesetz Rheinland-Pfalz ; POK: Polizeioberkommissar ; POLAS: POLizeiAuskunftsSystem (POLAS) ; PolBeauftrG: Gesetz über die Polizeibeauftragte oder den Polizeibeauftragten des Bundes beim Deutschen Bundestag (Polizeibeauftragtengesetz) ; PolBTLV: Verordnung über die Laufbahnen des Polizeivollzugsdienstes beim Deutschen Bundestag ; PolG: Polizeigesetz ; PolierPrV: Verordnung über die Prüfung zum anerkannten Fortbildungsabschluss Geprüfter Polier und Geprüfte Polierin ; PolioV: Verordnung zur Vernichtung und zum Laborcontainment des Poliovirus Typ 3 ; PolstAusbV: Verordnung über die Berufsausbildung zum Polsterer und zur Polsterin (Polstererausbildungsverordnung) ; Polst/DekoAusbV: Verordnung über die Berufsausbildung zum Polster- und Dekorationsnäher/zur Polster- und Dekorationsnäherin ; PolVBDVorgV: Verordnung zu § 82 des Bundesdisziplinargesetzes ; PolZusuaVtrCHEG: Gesetz zu den Verträgen vom 27. April 1999 und 8. Juli 1999 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über grenzüberschreitende polizeiliche Zusammenarbeit, Auslieferung, Rechtshilfe sowie zu dem Abkommen vom 8. Juli 1999 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über Durchgangsrechte ; POP-Abfall-ÜberwV: Verordnung über die Getrenntsammlung und Überwachung von nicht gefährlichen Abfällen mit persistenten organischen Schadstoffen ; POR: Polizei- und Ordnungsrecht ; PortalV: Verordnung zu den Voraussetzungen und dem Verfahren der Zulassung von in nicht öffentlich-rechtlicher Form betriebenen Portalen zur Durchführung von einfachen Melderegisterauskünften über das Internet (Portalverordnung) ; PornoG: Pornographiegesetz (Österreich) ; POS: Point Of Sale ; PostAnwAbk 1984: Postanweisungs- und Postreisescheckabkommen ; PostAnwÜbkVollzO: Vollzugsordnung zum Postanweisungsübereinkommen ; Post-AZV: Verordnung über die Arbeitszeit der Beamtinnen und Beamten bei der Deutschen Post AG ; PostBATZV: Verordnung über die Bewilligung von Altersteilzeit und die Gewährung eines Altersteilzeitzuschlags für die Beamtinnen und Beamten bei der Deutschen Post AG ; PostCom: Eidgenössische Postkommission (Schweiz) (franz.: La Commission de la poste, ital.: La Commissione federale delle poste) ; PostG-ÜbertrV: Verordnung zur Übertragung der Befugnis zum Erlass einer Rechtsverordnung nach § 18a des Postgesetzes (PostG-Übertragungsverordnung) ; PostgiroAbk: Postgiroabkommen ; PostgiroÜbkVollzO: Vollzugsordnung zum Postgiroübereinkommen ; PostLEntgV: Verordnung über die Gewährung von Leistungsentgelten an Beamtinnen und Beamte bei der Deutschen Post AG ; PostLV: Verordnung über die Laufbahnen der Beamtinnen und Beamten im Geltungsbereich des Postpersonalrechtsgesetzes (Postlaufbahnverordnung) ; PostModG: Gesetz zur Modernisierung des Postrechts (Postrechtsmodernisierungsgesetz) ; PostnachnAbk 1984: Postnachnahmeabkommen ; PostnachnÜbkVollzO: Vollzugsordnung zum Postnachnahmeübereinkommen ; PostPakAbk 1984: Postpaketabkommen ; PostPakÜbkVollzO: Vollzugsordnung zum Postpaketübereinkommen ; PostPersRG: Gesetz zum Personalrecht der Beschäftigten der früheren Deutschen Bundespost (Postpersonalrechtsgesetz) ; PostSchliV: Verordnung zur Regelung des Verfahrens der außergerichtlichen Streitbeilegung bei der Schlichtungsstelle Post der Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen (Post-Schlichtungsverordnung) ; PostSparAbk 1984: Postsparkassenabkommen ; PostUmwG: Gesetz zur Umwandlung der Unternehmen der Deutschen Bundespost in die Rechtsform der Aktiengesellschaft ; PostZahlÜbk: Postzahlungsdienste-Übereinkommen ; PostZtgAbk 1984: Postzeitungsabkommen ; pp.: per Prokura, auch ppa., (Zusatz vor Unterschriften in Vertretung für einen Vollkaufmann durch einen Prokuristen) ; PP: Polizeipräsidium ; ppa.: per Prokura, auch pp., (Zusatz vor Unterschriften in Vertretung für einen Vollkaufmann durch einen Prokuristen) ; PPDAV: Verordnung zu automatisierten Datenabrufen aus den Pass- und Personalausweisregistern ; PPR: Pflegepersonal-Regelung ; PpSG: Gesetz zur Stärkung des Pflegepersonals (Pflegepersonal-Stärkungsgesetz) ; PPÜ: Postpaketübereinkommen ; PPUG: Pflegepersonaluntergrenze ; PpUGV: Verordnung zur Festlegung von Pflegepersonaluntergrenzen in pflegesensitiven Bereichen in Krankenhäusern (Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung) (siehe auch bei Pflegepersonal-Stärkungsgesetz) ; PPV: Private Pflegeversicherung oder Pädiatrische Palliativversorgung ; PQsG: Pflege-Qualitätssicherungsgesetz ; Pr.: Preußen, preußisch ; PR: Partnerschaftsregister oder Personalrat oder Privatrecht ; PräsLG: Präsident des Landgerichts ; PräsOLG: Präsident des Oberlandesgerichts ; PräzwMechMstrV: Verordnung über die Meisterprüfung in den Teilen I und II im Präzisionswerkzeugmechaniker-Handwerk ; PrALR: Preußisches Allgemeines Landrecht ; prEG: Gesetz über die Eisenbahn-Unternehmungen (Preußisches Eisenbahngesetz) ; PreisG: Übergangsgesetz über Preisbildung und Preisüberwachung ; PreisklauselG (PrkG): Gesetz über das Verbot der Verwendung von Preisklauseln bei der Bestimmung von Geldschulden (Preisklauselgesetz) (siehe Wertsicherungsklausel) ; PreisStatG: Gesetz über die Preisstatistik ; PresseratG: Gesetz zur Gewährleistung der Unabhängigkeit des vom Deutschen Presserat eingesetzten Beschwerdeausschusses ; PRev: Revisionspraxis – Journal für Revisoren, Wirtschaftsprüfer, IT-Sicherheits- und Datenschutzbeauftragte (Zeitschrift) ; PRG: Patientenrechtegesetz ; PrGS: Preußische Gesetzessammlung ; PrHaushStatG: Gesetz über die Statistik der Wirtschaftsrechnungen privater Haushalte ; PrHG: Bundesgesetz über die Produktehaftpflicht (Schweiz) ; PrisenGO: Prisengerichtsordnung ; PrisenO: Prisenordnung ; PrkG: Gesetz über das Verbot der Verwendung von Preisklauseln bei der Bestimmung von Geldschulden (Preisklauselgesetz) ; PrKultbG: Gesetz zur Errichtung einer Stiftung Preußischer Kulturbesitz und zur Übertragung von Vermögenswerten des ehemaligen Landes Preußen auf die Stiftung ; PrKultbSaV: Verordnung über die Satzung der Stiftung „Preußischer Kulturbesitz“ ; PrKV: Preisklauselverordnung (aufgehoben; jetzt PrKG) ; PrLagerhBeihV: Verordnung über die Gewährung von Beihilfen für die private Lagerhaltung bestimmter Milcherzeugnisse ; PRM: Personen mit Behinderung und eingeschränkter Mobilität () ; PRM-VO: Verordnung (EG) Nr. 1107/2006 über die Rechte von behinderten Flugreisenden (EU-Flugverordnung) ; ProblBinSchR: Probleme des Binnenschifffahrtsrechts (Zeitschrift) ; ProdGewStatG: Gesetz über die Statistik im Produzierenden Gewerbe ; ProdHaftG: Produkthaftungsgesetz (Deutschland) ; ProdMechTextAusbV: Verordnung über die Berufsausbildung zum Produktionsmechaniker Textil/zur Produktionsmechanikerin-Textil ; ProdSG: Gesetz über die Bereitstellung von Produkten auf dem Markt (Produktsicherheitsgesetz (Deutschland)) ; ProdSV: Verordnung zum Produktsicherheitsgesetz ; ProdTechAusbV: Verordnung über die Berufsausbildung zum Produktionstechnologen/zur Produktionstechnologin ; ProMechG: Projekt-Mechanismen-Gesetz (Gesetz über projektbezogene Mechanismen nach dem Protokoll von Kyoto zum Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen vom 11. Dezember 1997) ; Prot.: Protokoll(e) ; ProtErklG: Gesetz zur Umsetzung der Protokollerklärung der Bundesregierung zur Vermittlungsempfehlung zum Gesetz zum Abbau von Steuervergünstigungen und Ausnahmeregelungen (Steuervergünstigungsabbaugesetz – StVergAbG) („Korb II-Gesetz“) ; ProstAV: Verordnung über das Verfahren zur Anmeldung einer Tätigkeit als Prostituierte oder Prostituierte ; ProstG: Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse von Prostituierten (Prostitutionsgesetz) ; ProstSchG: Gesetz zum Schutz von in der Prostitution tätigen Personen (Prostituiertenschutzgesetz) ; ProstStatV: Verordnung über die Führung einer Bundesstatistik nach dem Prostituiertenschutzgesetz ; ProTechPrV: Verordnung über die Prüfung zum anerkannten Abschluss Geprüfter Prozessmanager Produktionstechnologie/Geprüfte Prozessmanagerin – Produktionstechnologie ; PrOVG: Preußisches Oberverwaltungsgericht ; ProViDa: Police-Pilot-System ; PrSG: Produktsicherheitsgesetz (Schweiz) ; PRTR-V: Verordnung zum Register über die Freisetzung von Schadstoffen sowie den Transfer von Abfällen und von Schadstoffen in Abwasser (Schweiz) ; PrüfbV: Verordnung über die Prüfung der Jahresabschlüsse der Kreditinstitute und Finanzdienstleistungsinstitute sowie über die darüber zu erstellenden Berichte ; PrüflabV: Verordnung über die Akkreditierung von Prüflaboratorien als Voraussetzung für die Zulassung privater Gegenprobensachverständiger für die Untersuchung von Proben ; PrüfV: Verordnung über den Inhalt der Prüfungsberichte zu den Jahresabschlüssen und den Solvabilitätsübersichten von Versicherungsunternehmen ; PrümVtr: Vertrag zwischen dem Königreich Belgien, der Bundesrepublik Deutschland, dem Königreich Spanien, der Französischen Republik, dem Großherzogtum Luxemburg, dem Königreich der Niederlande und der Republik Österreich über die Vertiefung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, insbesondere zur Bekämpfung des Terrorismus, der grenzüberschreitenden Kriminalität und der illegalen Migration (Prümer Vertrag) ; PrümVtrAG: Ausführungsgesetz zum Prümer Vertrag und zum Ratsbeschluss Prüm ; PrüVOFortkfmBf: Verordnung über die Prüfung zum anerkannten Fortbildungsabschluss Geprüfter Fachmann für kaufmännische Betriebsführung nach der Handwerksordnung und Geprüfte Fachfrau für kaufmännische Betriebsführung nach der Handwerksordnung ; PRV: Verordnung über die Einrichtung und Führung des Partnerschaftsregisters ; PrVerwBl: Preußisches Verwaltungsblatt ; PrZBrGleichstV: Verordnung zur Gleichstellung von Prüfungszeugnissen der Berufsfachschulen für Bürokaufleute, Bürogehilfinnen und Teilezurichter in Bremen mit den Zeugnissen über das Bestehen der Abschlussprüfung in Ausbildungsberufen ; PS: Personensorge oder Pferdestärken oder Patentschrift ; PSA: Personal-Service-Agentur oder Persönliche Schutzausrüstung ; PSA-BV: PSA-Benutzungsverordnung ; PSA-DG: Gesetz zur Durchführung der Verordnung (EU) 2016/425 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. März 2016 über persönliche Schutzausrüstungen (PSA) und zur Aufhebung der Richtlinie 89/686/EWG des Rates (PSA-Durchführungsgesetz) ; PSD I: Erste Zahlungsdienste-Richtlinie der EG (siehe Zahlungsdiensterecht) ; PSD II: Zweite Zahlungsdienste-Richtlinie der EU (siehe Zahlungsdiensterecht) ; PSG: Privatstiftungsgesetz (Österreich), siehe (Stiftung) oder Produktsicherheitsgesetz (Österreich) oder Pflegestärkungsgesetze oder Gesetz zur Sicherstellung von Postdienstleistungen in besonderen Fällen (Postsicherstellungsgesetz) ; PStS: Parlamentarischer Staatssekretär (siehe Parlamentarischer Staatssekretär) ; PStG: Personenstandsgesetz (Deutschland) oder Personenstandsgesetz (Österreich) ; PStTG: Gesetz über die Meldepflicht und den automatischen Austausch von Informationen meldender Plattformbetreiber in Steuersachen ; PStV: Personenstandsverordnung ; PStR: Praxis Steuerstrafrecht (Zeitschrift) ; PStRG: Personenstandsrechtsreformgesetz ; PStTG: Gesetz über die Meldepflicht und den automatischen Austausch von Informationen meldender Plattformbetreiber in Steuersachen (Plattformen-Steuertransparenzgesetz) ; PSV: Pensions-Sicherungs-Verein ; PSVaG: Pensions-Sicherungs-Verein Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit (PSVaG) ; PsychHG: Gesetz zur Hilfe und Unterbringung von Menschen mit Hilfebedarf infolge psychischer Störungen (Schleswig-Holstein) ; PsychKG: Psychisch-Kranken-Gesetz ; PsychKG LSA: Gesetz über Hilfen für psychisch Kranke und Schutzmaßnahmen des Landes Sachsen-Anhalt ; PsychKG M-V: Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen für Menschen mit psychischen Krankheiten (Psychischkrankengesetz Mecklenburg-Vorpommern) ; PsychKG NRW: Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten (Nordrhein-Westfalen) ; PsychKHG: Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten (Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz Baden-Württemberg) oder Landesgesetz über Hilfen bei psychischen Erkrankungen (Rheinland-Pfalz) oder Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz (Hessen) ; PsychKVVerbG: Gesetz zur Verbesserung der ambulanten und teilstationären Versorgung psychisch Kranker ; PsychotrStÜbk: Übereinkommen von 1971 über psychotrope Stoffe ; PsychPbG: Gesetz über die psychosoziale Prozessbegleitung im Strafverfahren ; Psych-PV (PsychPV): Psychiatrie-Personalverordnung (Verordnung über Maßstäbe und Grundsätze für den Personalbedarf in der stationären Psychiatrie) ; PsychThApprO: Approbationsordnung für Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten ; PsychThG: Gesetz über den Beruf der Psychotherapeutin und des Psychotherapeuten (Psychotherapeutengesetz) ; PsychTh-APrV: Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Psychologische Psychotherapeuten ; PsychThV: Verordnung über die Ausbildungsförderung für den Besuch von Ausbildungsstätten für Psychotherapie und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie ; PSZ: Projekt Strukturentwicklung Zoll ; PTA: Pharmazeutisch-technischer Assistent ; PTA-APrV: Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für pharmazeutisch-technische Assistentinnen und pharmazeutisch-technische Assistenten ; PTAG: Gesetz über den Beruf der pharmazeutisch-technischen Assistentin und des pharmazeutisch-technischen Assistenten ; PTB: Physikalisch-Technische Bundesanstalt ; PTBBGebV: Besondere Gebührenverordnung für individuell zurechenbare öffentliche Leistungen der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt ; PTBS: Posttraumatische Belastungsstörung (engl.: posttraumatic stress disorder – PTSD) ; PTNeuOG: Postneuordnungsgesetz ; PTO: United States Patent and Trademark Office ; PTSG: Post- und Telekommunikationssicherstellungsgesetz ; PTStiftG: Gesetz zur Errichtung einer Museumsstiftung Post und Telekommunikation ; PTT: Post- und Telekommunikationsunternehmen ; PUA: Parlamentarischer Untersuchungsausschuss ; PUAG: Untersuchungsausschussgesetz ; PublG: Gesetz über die Rechnungslegung von bestimmten Unternehmen und Konzernen (Publizitätsgesetz) oder Publikationsgesetz (Schweiz) ; Publica: Pensionskasse des Bundes PUBLICA (Schweiz) ; PudlV: Postuniversaldienstleistungsverordnung ; PUEG: Gesetz zur Unterstützung und Entlastung in der Pflege (Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz) ; PüG: Preisüberwachungsgesetz (Schweiz) (siehe Preisüberwacher) ; PUK: Parlamentarische Untersuchungskommission (Schweiz) ; PV: Prozessbevollmächtigter oder Parteivertreter oder Pflegeversicherung (Deutschland) oder Patientenverfügung oder Psychotropenverordnung (Österreich) oder Pflichtverletzung ; PVAufhAnO: Anordnung über die Aufhebung von Rechtsvorschriften auf dem Gebiet der freiwilligen Personenversicherungen der Bürger ; PVB: Personalverband des Bundes (Schweiz) (franz. , ital. ) oder Polizeivollzugsbeamter ; PVBger: Personalverordnung des Bundesgerichts (Schweiz) ; PVD: Polizeivollzugsdienst ; PVR: Praxis Verkehrsrecht (Zeitschrift) ; PVÜ: Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums ; PVÜG: Gesetz zu den am 24. Juli 1971 in Paris unterzeichneten Übereinkünften auf dem Gebiet des Urheberrechts ; pVV: positive Vertragsverletzung ; PW: Personenwagen (Schweiz) (siehe Personenkraftwagen) oder Personenwoche (siehe Personenstunde) oder Polizeiwachtmeister (ein früherer Dienstgrad der Polizei) ; PWMAusbV: Verordnung über die Berufsausbildung zum Präzisionswerkzeugmechaniker und zur Präzisionswerkzeugmechanikerin ; PWV: Paritätischer Wohlfahrtsverband ; PZN: Pharmazentralnummer ; PZU: Postzustellungsurkunde
; QES: Qualifizierte elektronische Signatur ; QFUV: Verordnung über die berufliche Umschulung zum Geprüften Qualitätsfachmann Fertigungsprüftechnik und zur Geprüften Qualitätsfachfrau Fertigungsprüftechnik (Qualitätsfachleute-Fertigungsprüftechnik-Umschulungsverordnung) ; QM: Qualitätsmanagement ; QMS: Qualitätsmanagementsystem ; QPR: Qualitätsprüfungs-Richtlinien (z. B. nach § 114 SGB XI) ; QRL: Richtlinie 2011/95/EU (Qualifikationsrichtlinie) ; QS: Qualitätssicherung ; QS-Ri QP: Richtlinien des GKV-Spitzenverbandes zur Qualitätssicherung der Qualitätsprüfungen nach §§ 114 ff. SGB XI ; QSV: Qualitätssicherungsvereinbarung ; QuID (QUID): Quantitative Ingredients Declaration (Mengenkennzeichnung von Lebensmitteln) ; QZ: Qualität und Zuverlässigkeit (Zeitschrift)
; R: Rex oder Regina im englischen Strafrecht ; RAA: Rat für Allgemeine Angelegenheiten der EU (englisch: ) oder Rechtsanwaltsanwärter (Österreich) ; RAB: Rat für Auswärtige Angelegenheiten der EU (englisch: ) oder Regeln zum Arbeitsschutz auf Baustellen ; RabelsZ: Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht ; RADLR (RADLRL): Rechtsanwaltsdienstleistungsrichtlinie ; RAINWAT: Regionale Vereinbarung über den Binnenschifffahrtsfunk (englisch: ) ; RAK: Rechtsanwaltskammer oder Rechtsanwaltskammer (Österreich) ; RAL: RAL Deutsches Institut für Gütesicherung und Kennzeichnung oder Richtlinien für die Anlage von Landstraßen ; RANLR (RANLRL): Rechtsanwaltsniederlassungsrichtlinie ; RAO: Rechtsanwaltsordnung (Österreich) oder Reichsabgabenordnung ; RAPEX: Rapid Exchange of Information System der EU ; RAS: Richtlinien für die Anlage von Straßen ; RATG: Rechtsanwaltstarifgesetz (Österreich) ; RaumausMstrV: Verordnung über die Meisterprüfung in den Teilen I und II im Raumausstatter-Handwerk (Raumausstattermeisterverordnung) ; RAuskÜbkZProtG: Gesetz zum Zusatzprotokoll vom 15. März 1978 zum Europäischen Übereinkommen betreffend Auskünfte über ausländisches Recht ; RAV: Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein oder Regionales Arbeitsvermittlungszentrum (Schweiz) ; RAVPV: Verordnung über die Rechtsanwaltsverzeichnisse und die besonderen elektronischen Anwaltspostfächer ; RAW: Recht Automobil Wirtschaft (Zeitschrift) ; RAZEignPrV: Verordnung über die Eignungsprüfung für die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft ; RB: Rechtsbeistand oder Rahmenbeschluss oder Regierungsbezirk ; RBBau: Richtlinien für die Durchführung von Bauaufgaben des Bundes ; RBD: Recht, Bibliothek, Dokumentation (Zeitschrift) ; RBEG: Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz ; RBerG: Rechtsbereinigungsgesetz oder Rechtsberatungsgesetz ; RBG: Reichsbürgergesetz ; RBP: Rahmenbetriebsplan ; RBSFV: Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung zum Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz ; RBStV (auch RBeitrStV): Rundfunkbeitragsstaatsvertrag ; RBÜ: Revidierte Berner Übereinkunft (siehe Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst) ; RD: Regierungsdirektor oder Regionaldirektion ; RdA: Recht der Arbeit (Zeitschrift) ; RDB: Rechtsdatenbank ; RdE: Recht der Energiewirtschaft (Zeitschrift) ; RdF: Recht der Finanzinstrumente (Zeitschrift) ; RDG: Rechtsdienstleistungsgesetz oder Rechtsdepesche für das Gesundheitswesen (Zeitschrift) oder Rettungsdienstgesetz (eines Bundeslandes, z. B. HmbRDG) ; RDGEG: Rechtsdienstleistungsgesetz-Einführungsgesetz (Einführungsgesetz zum Rechtsdienstleistungsgesetz) ; RDi: Recht digital (Zeitschrift) ; RdJB: Zeitschrift „Recht der Jugend und des Bildungswesens“ ; RdL: Recht der Lebenshilfe (Zeitschrift) oder Recht der Landwirtschaft (Zeitschrift) ; RdR: Rat für deutsche Rechtschreibung ; RdTW: Recht der Transportwirtschaft (Zeitschrift) ; RDV: Rechtsdienstleistungsverordnung (Verordnung zum Rechtsdienstleistungsgesetz) oder Recht der Datenverarbeitung (Zeitschrift für Datenschutz-, Informations- und Kommunikationsrecht) ; RDW: Österreichisches Recht der Wirtschaft ; RdZ: Recht der Zahlungsdienste (Zeitschrift) oder Randzahl ; REACH: Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (REACH) (= EU-Chemikalienverordnung) (REACH steht für ) ; ReblV: Verordnung zur Bekämpfung der Reblaus ; RechKredV: Verordnung über die Rechnungslegung der Kreditinstitute und Finanzdienstleistungsinstitute (Kreditinstituts-Rechnungslegungsverordnung) ; RechPensV: Verordnung über die Rechnungslegung von Pensionsfonds (Pensionsfonds-Rechnungslegungsverordnung) ; RechtspflegerG (RpflG): Rechtspflegergesetz ; RechVersV: Versicherungsunternehmens-Rechnungslegungsverordnung ; RED: Renewable Energies Directive (dt.: Erneuerbare-Energien-Richtlinie) ; RED-G: Gesetz zur Errichtung einer standardisierten zentralen Datei von Polizeibehörden und Nachrichtendiensten von Bund und Ländern zur Bekämpfung des gewaltbezogenen Rechtsextremismus (Rechtsextremismus-Datei-Gesetz) ; REE: Recht der Erneuerbaren Energien (Zeitschrift) ; Ref: Referendar oder Referendariat oder Reform ; RefE: Referentenentwurf ; RefiRegV: Verordnung über die Form des Refinanzierungsregisters nach dem Kreditwesengesetz sowie die Art und Weise der Aufzeichnung (Refinanzierungsregisterverordnung) ; RegBl.: Regierungsblatt ; RegE: Regierungsentwurf ; RegelBetrV: Regelbetrag-Verordnung ; RegelsatzVO: Regelsatzverordnung ; RegG: Gesetz zur Regionalisierung des öffentlichen Personennahverkehrs (Regionalisierungsgesetz) ; RegVBG: Gesetz zur Vereinfachung und Beschleunigung registerrechtlicher und anderer Verfahren (Registerverfahrenbeschleunigungsgesetz) ; Reha: Rehabilitation ; ReiseRÄndG: Gesetz zur Änderung reiserechtlicher Vorschriften ; REITG: REIT-Gesetz ; RelKErzG: Gesetz über die religiöse Kindererziehung ; REMIT: Verordnung (EU) Nr. 1227/2011 über die Integrität und Transparenz des Energiegroßhandelsmarkts (REMIT) (englisch: Regulation on wholesale Energy Market Integrity and Transparency; Akronym REMIT) ; ReNo: Rechtsanwalts- und Notarfachangestellter ; RENO: Deutsche Vereinigung der Rechtsanwalts- und Notariatsangestellten ; ReNoPatAusbV: Verordnung über die Berufsausbildungen zum Rechtsanwaltsfachangestellten und zur Rechtsanwaltsfachangestellten, zum Notarfachangestellten und zur Notarfachangestellten, zum Rechtsanwalts- und Notarfachangestellten und zur Rechtsanwalts- und Notarfachangestellten sowie zum Patentanwaltsfachangestellten und zur Patentanwaltsfachangestellten* (ReNoPat-Ausbildungsverordnung) ; RenoPatAusb-FachEigV: Verordnung über die fachliche Eignung für die Berufsausbildung der Fachangestellten in Rechtsanwalt- und Patentanwaltschaft, Notariat und bei Rechtsbeiständen ; RennwLottAB: Ausführungsbestimmungen zum Rennwett- und Lotteriegesetz ; RennwLottG: Rennwett- und Lotteriegesetz ; RentEPPG: Gesetz zur Zahlung einer Energiepreispauschale für Rentnerinnen und Rentner (Rentenbeziehende-Energiepreispauschalengesetz) ; RentSV: Verordnung über die Wahrnehmung von Aufgaben der Träger der Rentenversicherung und anderer Sozialversicherungsträger durch den Renten Service der Deutschen Post AG (Renten Service Verordnung) ; RentÜAV: Verordnung zur Regelung des Stichtags zur verpflichtenden Anbindung der Vorsorgeeinrichtungen und des Anbindungsverfahrens an die Zentrale Stelle für die Digitale Rentenübersicht (Rentenübersichtsanbindungsverordnung) ; ResG: Gesetz über die Rechtsstellung der Reservisten (Reservistengesetz) ; ResKVAbLaV: Verordnung zur Regelung der Beschaffung und Vorhaltung von Anlagen in der Netzreserve (Reservekraftwerksverordnung) ; RestSchBÄndG: Gesetz zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Anpassung pandemiebedingter Vorschriften im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins- und Stiftungsrecht sowie im Miet- und Pachtrecht ; RettAPO: Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Rettungssanitäter und Rettungshelfer (NRW) ; RettAssAPrV: Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Rettungsassistentinnen und Rettungsassistenten ; RettAssG: Rettungsassistentengesetz ; RettDG: Rettungsdienstgesetz (eines Bundeslandes; z. B. RettDG LSA) ; RettG: Rettungsgesetz (eines Bundeslandes) ; RettSanAPrV: Verordnung über die Ausbildung und Prüfung von Rettungssanitätern (Rettungssanitäterausbildungsverordnung) (MV) ; RettungsG: Gesetz zur Rettung von Unternehmen zur Stabilisierung des Finanzmarktes (Rettungsübernahmegesetz) ; RezPG: Rezeptpflichtgesetz (Österreich) ; RfA: Reichsversicherungsanstalt für Angestellte ; RFamU: Recht der Familienunternehmen (Zeitschrift) ; RfB: Rückstellung für Beitragsrückerstattung ; RFG (RiFG): Richter am Finanzgericht ; RFinStV: Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag ; RFRL: Richtlinie 2008/115/EG (Rückführungsrichtlinie) ; RfStV: Rundfunkstaatsvertrag ; RG: Reichsgericht oder Reichsgericht (Österreich) oder Reformgesetz oder Rechtsgrund ; Rg: Rechtsgeschichte. Zeitschrift des Max-Planck-Instituts für Rechtsgeschichte und Rechtstheorie ; RGBl.: Reichsgesetzblatt (Deutschland) oder Reichsgesetzblatt (Österreich) ; RGebStV: Rundfunkgebührenstaatsvertrag (aufgehoben; abgelöst durch Rundfunkbeitragsstaatsvertrag – RBStV) ; RGRE: Rat der Gemeinden und Regionen Europas ; RGRK: Reichsgerichtsrätekommentar zum BGB ; RGSt: Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen (amtliche Sammlung) ; RGZ: Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen (amtliche Sammlung) ; RH: Rechnungshof (Österreich) ; RHB: Rote-Hand-Brief ; RheinSchG: Rheinschifffahrtsgericht ; RheinSchOG: Rheinschifffahrtsobergericht (siehe Rheinschifffahrtsgericht) ; RheinPatV: Verordnung über die Erteilung von Patenten für den Rhein (Rheinpatentverordnung) ; RheinSchPersEV: Verordnung zur Einführung der Verordnung über das Schiffspersonal auf dem Rhein (Rheinschiffspersonaleinführungsverordnung) ; RheinSchPersV: Verordnung über das Schiffspersonal auf dem Rhein (Schiffspersonalverordnung-Rhein) ; RheinSchPV: Rheinschifffahrtspolizeiverordnung ; RheinSchUO: Rheinschifffahrtsuntersuchungsordnung ; RHmV: Rückstands-Höchstmengenverordnung ; Rh-Pf. (RhPf oder RP): Rheinland-Pfalz, rheinland-pfälzisch ; RiA: Recht im Amt. Zeitschrift für den öffentlichen Dienst ; RiAA: Richteramtsanwärter (Österreich) ; RiAG: Richter am Amtsgericht ; RiArbG: Richter am Arbeitsgericht ; RiBAG: Richter am Bundesarbeitsgericht ; RiBGH: Richter am Bundesgerichtshof ; RiBPatG: Richter am Bundespatentgericht ; RiBSG: Richter am Bundessozialgericht ; RID: Regelung für die internationale Eisenbahnbeförderung gefährlicher Güter (Anhang C 1999 zum COTIF) (siehe Übereinkommen über den internationalen Eisenbahnverkehr) ; RIDÄndV: Verordnung zur Änderung der Ordnung für die internationale Eisenbahnbeförderung gefährlicher Güter (RID) (RID-Änderungsverordnung) ; RidoHiMi: Richtlinien zur Festlegung der doppelfunktionalen Hilfsmittel ; RiFlEtikettG: Rindfleischetikettierungsgesetz ; RiJGG: Richtlinien zum Jugendgerichtsgesetz (Deutschland) ; RiLG: Richter am Landgericht ; RiLi: Richtlinie oder Richtlinie (EU) ; RiLSA: Richtlinien für Lichtsignalanlagen ; RiOLG: Richter am Oberlandesgericht ; RIS: Rechtsinformationssystem des Bundes (in Österreich) ; RiStBV: Richtlinien für das Straf- und Bußgeldverfahren ; RIV: Regolamento Internazionale Veicoli (Übereinkommen über die gegenseitige Benutzung von Güterwagen im internationalen Verkehr) ; RiVASt: Richtlinien für den Verkehr mit dem Ausland in strafrechtlichen Angelegenheiten (vgl. Rechtshilfe) ; RIW: Recht der Internationalen Wirtschaft (Zeitschrift) ; RK: Reparaturkosten ; RKG: Rotkreuzgesetz (Bundesgesetz über die Anerkennung des Österreichischen Roten Kreuzes und den Schutz des Zeichens des Roten Kreuzes) ; RKI: Robert Koch-Institut, Bundesinstitut für Infektionskrankheiten und nicht übertragbare Krankheiten ; RL-BA: Richtlinie über die Berufsausübung der Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter (Österreich) ; RLJGG: Richtlinien zum Jugendgerichtsgesetz (Deutschland) ; RLV: Regelleistungsvolumen oder Verordnung des Bundesministers für Inneres, mit der Richtlinien für das Einschreiten der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erlassen werden (Richtlinien-Verordnung) (Österreich) ; RMB: Rechtsmittelbelehrung (siehe Rechtsbehelfsbelehrung) ; RMBl.: Reichsministerialblatt ; RMI: Reichsministerium des Innern ; RMK: Raumentwicklungsministerkonferenz ; RMS: Referenzmitgliedstaat ; RNotZ: Rheinische Notar-Zeitschrift ; RNR: Regionalnachweisregister für Strom aus erneuerbaren Energiequellen ; RöV: Röntgenverordnung ; ROG: Raumordnungsgesetz (Deutschland) oder Salzburger Raumordnungsgesetz ; ROGÄndG: Gesetz zur Änderung des Raumordnungsgesetzes ; ROHG: Reichsoberhandelsgericht ; ROHGE: Entscheidungen des Reichsoberhandelsgerichts ; RohmilchGütV: Verordnung zur Förderung der Güte von Rohmilch (Rohmilchgüteverordnung) ; RohrFLtgV: Verordnung über Rohrfernleitungsanlagen (Rohrfernleitungsverordnung) ; RohrIndUTechAusbV: Verordnung über die Berufsausbildung zum Umwelttechnologen für Rohrleitungsnetze und Industrieanlagen und zur Umwelttechnologin für Rohrleitungsnetze und Industrieanlagen (Rohrleitungsnetz- und Industrieanlagenumwelttechnologen-Ausbildungsverordnung) ; ROV: Raumordnungsverordnung oder Raumordnungsverfahren ; ROW: Recht in Ost und West (Zeitschrift) ; RP: Regierungspräsident (Deutschland) oder Regierungspräsident (Schweiz) oder Regierungspräsidium oder Rheinland-Pfalz oder Regionalplan ; RPA: Rechnungsprüfungsamt ; Rpfl: Rechtspfleger ; Rpfleger: Der Deutsche Rechtspfleger (Zeitschrift) ; RPflegeBw: Rechtspflege der Bundeswehr ; RPflG: Rechtspflegergesetz ; RpflJB: Rechtspfleger-Jahrbuch ; RpflStud: Rechtspfleger-Studienhefte (Zeitschrift) ; RPG: Reichspreßgesetz (Deutschland), Raumplanungsgesetz (Schweiz), Rechtspraktikantengesetz (Österreich) ; RPhZ: Rechtsphilosophie (Zeitschrift) ; RPsych: Rechtspsychologie (Zeitschrift) ; RPV: Regionaler Planungsverband ; RR: Regierungsrat (Deutschland) oder ein Ehrentitel Regierungsrat (Österreich) oder Regierungsrat (Schweiz) oder Rotterdam-Regeln (ein völkerrechtlicher Vertrag aus dem Seehandelsrecht) (siehe Haager Regeln) oder Vollzugsordnung für den Funkdienst (englisch: ) ; RRa: Zeitschrift „Reiserecht aktuell“ ; RRef: Rechtsreferendar oder Rechtsreferendariat ; RRG: Rentenreformgesetz ; Rs.: Rechtssache oder Rechtssache (Bezeichnung der Entscheidungen des EuGH) ; RSA: Risikostrukturausgleich ; RSanV: Verordnung über die Tätigkeit als Rettungssanitäter (Bayern) ; RSAV: Verordnung über das Verfahren zum Risikostrukturausgleich in der gesetzlichen Krankenversicherung (Risikostruktur-Ausgleichsverordnung) (siehe Risikostrukturausgleich) ; RSchOG: Reichsschiffahrtsobergericht ; RsDE: Beiträge zum Recht der sozialen Dienste und Einrichtungen (Zeitschrift) ; RSE: Richtlinien zur Durchführung der Gefahrgutverordnung Straße und Eisenbahn (GGVSE-Durchführungsrichtlinien) ; RSEB: Richtlinien zur Durchführung der Gefahrgutverordnung Straße, Eisenbahn und Binnenschifffahrt (siehe RSE) ; RSG: Gesetz über die Insolvenzsicherung durch Reisesicherungsfonds und zur Änderung reiserechtlicher Vorschriften (Reisesicherungsfondsgesetz) ; RSK: Reaktor-Sicherheitskommission ; RSO: Rechtssicherungs-Ordnung (Liechtenstein) ; Rspr.: Rechtsprechung ; RsprEinhG: Gesetz zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes (siehe Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes) ; RStDG: Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetz (Österreich) ; RStruktFG: Gesetz zur Errichtung eines Restrukturierungsfonds für Kreditinstitute (Restrukturierungsfondsgesetz) ; RStruktFV: Restrukturierungsfonds-Verordnung ; RStV: Rundfunkstaatsvertrag ; RSV: Regelsatzverordnung oder Rechtsschutzversicherung oder Reisebürosicherungsverordnung (Österreich) (siehe Reiserecht#International) ; RTR: Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH (Österreich) ; RTS: Regulatory Technical Standard (deutsch: Technischer Regulierungsstandard – TRS) ; RTVG: Bundesgesetz über Radio- und Fernsehen (Schweiz) (siehe Bundesamt für Kommunikation) ; RüFüRL: Richtlinie 2008/115/EG (Rückführungsrichtlinie) ; RüstAltFG: Rüstungsaltlastenfinanzierungsgesetz (vgl. auch Altlast) ; RuP: Recht und Politik (Zeitschrift) oder Recht und Psychiatrie (Zeitschrift) (siehe Recht & Psychiatrie) oder Recht und Praxis (Zeitschrift) oder Restschuldversicherung bei Ratenkrediten ; RuStAG: Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz (siehe Deutsche Staatsangehörigkeit) ; rv: Die Rentenversicherung (Zeitschrift) ; RV: Gesetzliche Rentenversicherung (Deutschland) oder Reichsverfassung oder Rechtsverordnung oder Regierungsvorlage (Österreich) ; RVÄndG: Rentenversicherungsänderungsgesetz ; RVG: Rechtsanwaltsvergütungsgesetz oder Reichsverwaltungsgericht ; RVG prof.: RVG professionell (Zeitschrift) ; RVO: Rechtsverordnung oder Reichsversicherungsordnung ; RVOG: Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetzes (Schweiz) ; RVS: Rollfuhrversicherungsschein ; RVT: Rentenversicherungsträger ; RVZ: Revierzentrale (zur Überwachung der Binnenschifffahrt auf einzelnen Abschnitten) ; RW: Restwert; Rechtswissenschaft (Zeitschrift) ; RWBestV 2023: Verordnung zur Bestimmung der Rentenwerte in der gesetzlichen Rentenversicherung und zur Bestimmung weiterer Werte zum 1. Juli 2023 (Rentenwertbestimmungsverordnung 2023) (siehe Aktueller Rentenwert) ; RWP (RwP): Rechts- und Wirtschaftspraxis (Zeitschrift) ; r+s: Recht und Schaden
; S.: Satz oder Seite oder Salzburg, salzburgisch ; s. A.: samt Anhang ; SA: Sozialarbeiter (siehe Soziale Arbeit) ; SaarGlV: Verordnung über die Gleichstellung von aus dem Saargebiet verdrängten Deutschen ; Saarl.: Saarland, saarländisch ; SaarVtr: Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik zur Regelung der Saarfrage ; SaarVtrG: Gesetz über den Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik zur Regelung der Saarfrage ; SaatArtVerzV: Verordnung über das Artenverzeichnis zum Saatgutverkehrsgesetz ; SaatAufzV: Saatgutaufzeichnungsverordnung ; SaatBeihV: Saatgutbeihilfeverordnung ; SaatEinfMeldV: Verordnung über die Meldung und Vorführung von Saatgut bei der Einfuhr ; SaatG (SaatVerkG): Saatgutverkehrsgesetz ; SaatgutV: Verordnung über den Verkehr mit Saatgut landwirtschaftlicher Arten und von Gemüsearten (Saatgutverordnung (Deutschland)) ; SaAusbV: Verordnung über die Berufsausbildung zum Sattler/zur Sattlerin ; SaatV: Verordnung über den Verkehr mit Saatgut landwirtschaftlicher Arten und von Gemüsearten (Saatgutverordnung (Deutschland)) ; SachBezV: Verordnung über den Wert der Sachbezüge in der Sozialversicherung (Sachbezugsverordnung) ; SachenRÄndG: Gesetz zur Änderung sachenrechtlicher, grundbuchrechtlicher und anderer Vorschriften ; SachenRBerG: Gesetz zur Sachenrechtsbereinigung im Beitrittsgebiet (Sachenrechtsbereinigungsgesetz) ; SachenR-DV: Verordnung zur Durchführung des Grundbuchbereinigungsgesetzes und anderer Vorschriften auf dem Gebiet des Sachenrechts ; SachvPrüfV: Verordnung über die Prüfung des Jahresabschlusses und des Lageberichts von Versicherungsunternehmen durch einen unabhängigen Sachverständigen (Sachverständigenprüfverordnung) ; SachvRatG: Gesetz über die Bildung eines Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung ; SächsBRKG: Sächsisches Gesetz über den Brandschutz, Rettungsdienst und Katastrophenschutz ; SächsFFG: Gesetz zur Förderung von Frauen und der Vereinbarkeit von Familie und Beruf im öffentlichen Dienst im Freistaat Sachsen (Sächsisches Frauenförderungsgesetz) ; SächsFG: Sächsisches Feiertagsgesetz ; SächsGemO: Sächsische Gemeindeordnung ; SächsGrStMG: Sächsisches Grundsteuermesszahlengesetz ; SächsHG: Sächsisches Hochschulgesetz (bis zum 31. Dezember 2008) (siehe Landeshochschulgesetz) ; SächsHSFG: Sächsisches Hochschulfreiheitsgesetz () (siehe Landeshochschulgesetz) ; SächsHSG: Sächsisches Hochschulgesetz (1. Januar 2009 bis 17. November 2012) (siehe Landeshochschulgesetz) ; SächsJG: Sächsisches Justizgesetz (Gesetz über die Justiz im Freistaat Sachsen) ; SächsJOrgVO: Verordnung des Sächsischen Staatsministeriums der Justiz über die Organisation der Justiz (Sächsische Justizorganisationsverordnung) ; SächsMedHygVO: Verordnung der Sächsischen Staatsregierung über die Hygiene und Infektionsprävention in medizinischen Einrichtungen ; SächsPBG: Sächsisches Polizeibehördengesetz ; SächsPolG: Polizeigesetz des Freistaates Sachsen ; SächsPsychKG: Sächsisches Gesetz über die Hilfen und die Unterbringung bei psychischen Krankheiten ; SächsPVDG: Sächsisches Polizeivollzugsdienstgesetz ; SächsTranspG: Gesetz über die Transparenz von Informationen im Freistaat Sachsen (Sächsisches Transparenzgesetz) ; SächsVBl.: Sächsische Verwaltungsblätter ; SächsVerf: Verfassung des Freistaates Sachsen ; SächsVergabeDVO: Sächsische Vergabedurchführungsverordnung ; SächsVergabeG: Gesetz über die Vergabe öffentlicher Aufträge im Freistaat Sachsen (Sächsisches Vergabegesetz) ; SächsVSG: Sächsisches Verfassungsschutzgesetz ; SächsWG: Sächsisches Wassergesetz (siehe Landeswassergesetz) ; SÄG: Seerechtsänderungsgesetz ; SaDV: Sammelantrags-Datenträger-Verordnung ; SAE: Sammlung Arbeitsrechtlicher Entscheidungen (Deutschland) ; SAG: Gesetz zur Sanierung und Abwicklung von Instituten und Finanzgruppen ; SAM: Strukturanpassungsmaßnahme ; SANCO: Generaldirektion Gesundheit und Verbraucher der Europäischen Kommission ; SanDVergV: Verordnung über die Vergütung für Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft im Sanitätsdienst in Bundeswehrkrankenhäusern ; SanG: Sanierungshilfengesetz ; SanInsFoG: Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts ; SanInsKG: Gesetz zur vorübergehenden Anpassung sanierungs- und insolvenzrechtlicher Vorschriften zur Abmilderung von Krisenfolgen (Sanierungs- und Insolvenzrechtliches Krisenfolgenabmilderungsgesetz) ; SanktDG: Gesetz zur Durchsetzung von wirtschaftlichen Sanktionsmaßnahmen (Sanktionsdurchsetzungsgesetz) ; SanOAAusbGV: Verordnung über das Ausbildungsgeld für Sanitätsoffizier-Anwärterinnen und -Anwärter (Sanitätsoffizieranwärter-Ausbildungsgeldverordnung) ; SAPPV: Spezialisierte ambulante pädiatrische Palliativversorgung ; SAPV: Spezialisierte ambulante Palliativversorgung ; SAR: Sozialhilfe- und Asylbewerberleistungsrecht (Zeitschrift) ; SaRegG: Gesetz zur Errichtung eines Samenspenderregisters und zur Regelung der Auskunftserteilung über den Spender nach heterologer Verwendung von Samen (Samenspenderregistergesetz) ; SARSCoV2AMVV: Verordnung über Abweichungen von den Vorschriften des Fünften Buches Sozialgesetzbuch, des Apothekengesetzes, der Apothekenbetriebsordnung, der Arzneimittelpreisverordnung, des Betäubungsmittelgesetzes und der Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung infolge der SARS-CoV-2-Epidemie (SARS-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung) ; SAS: Schweizerische Akkreditierungsstelle (franz. , ital. ) ; SatDSiG: Gesetz zum Schutz vor Gefährdung der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland durch das Verbreiten von hochwertigen Erdfernerkundungsdaten (Satellitendatensicherheitsgesetz) ; SatDSiV: Verordnung zum Satellitendatensicherheitsgesetz ; SatellitÜbk: Übereinkommen über die Verbreitung der durch Satelliten übertragenen programmtragenden Signale ; SatellitÜbkG: Gesetz zu dem Übereinkommen vom 21. Mai 1974 über die Verbreitung der durch Satelliten übertragenen programmtragenden Signale ; SattlFeintMstrV: Verordnung über das Meisterprüfungsberufsbild und über die Prüfungsanforderungen in den Teilen I und II der Meisterprüfung im Sattler- und Feintäschner-Handwerk ; SaubFahrzeugBeschG: Gesetz über die Beschaffung sauberer Straßenfahrzeuge (Saubere-Fahrzeuge-Beschaffungs-Gesetz) ; SaZ: Soldat auf Zeit ; SAZV: Verordnung über die Arbeitszeit der Soldatinnen und Soldaten (Soldatenarbeitszeitverordnung) ; SBAuVO: Sonderbauverordnung (z. B. in NRW) ; SBF: Sportbootführerschein Binnen oder Sportbootführerschein See oder Staatssekretariat für Bildung und Forschung (Schweiz) ; SBF Binnen: Sportbootführerschein Binnen ; SBF See: Sportbootführerschein See ; SBG: Soldatinnen- und Soldatenbeteiligungsgesetz ; SBGG: Gesetz über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag ; SBGWV: Wahlverordnung zum Soldatinnen- und Soldatenbeteiligungsgesetz ; SBkBG: Gesetz über die Staatsbank Berlin ; SBkBÜblG: Gesetz über die Überleitung der Staatsbank Berlin ; SBV (SchwbV): Schwerbehindertenvertretung ; SBZ: Sowjetische Besatzungszone ; SCE: Europäische Genossenschaft (lat.: Societas Cooperativa Europaea) ; SCEAG: Gesetz zur Ausführung der Verordnung (EG) Nr. 1435/2003 des Rates vom 22. Juli 2003 über das Statut der Europäischen Genossenschaft (SCE) ; SCEBG: Gesetz über die Beteiligung der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen in einer Europäischen Genossenschaft ; SchadRegProt: Protokoll über Schadstofffreisetzungs- und -verbringungsregister ; SchadRegProtAG: Gesetz zur Ausführung des Protokolls über Schadstofffreisetzungs- und -verbringungsregister vom 21. Mai 2003 sowie zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 166/2006 ; SchädlBekAusbV: Verordnung über die Berufsausbildung zum Schädlingsbekämpfer/zur Schädlingsbekämpferin ; SchaEVZG: Gesetz über eine staatliche Vorauszahlung an durch Straftaten geschädigte Bürger (Schadenersatzvorauszahlungsgesetz) ; SchAnpG: Gesetz zur Anpassung bestimmter Bedingungen in der Seeschifffahrt an den internationalen Standard ; ScharkaV: Verordnung zur Bekämpfung der Scharka-Krankheit ; SchauAusnV: Vierte Verordnung über Ausnahmen von straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften (Schausteller-Ausnahmeverordnung) ; SchauHV: Verordnung über die Haftpflichtversicherung für Schausteller (Schaustellerhaftpflichtverordnung) ; SchaumwZwStG: Gesetz zur Besteuerung von Schaumwein und Zwischenerzeugnissen (siehe Schaumweinsteuer) ; SchaumwZwStV: Verordnung zur Durchführung des Schaumwein- und Zwischenerzeugnissteuergesetzes ; SchAusnahmV: Verordnung zur Regelung von Erleichterungen und Ausnahmen von Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 (COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung) ; SchAusrV: Schiffsausrüstungsverordnung ; SchBauG: Gesetz über bauliche Maßnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung (Schutzbaugesetz) ; SchBerG: Schutzbereichgesetz (Gesetz über die Beschränkung von Grundeigentum für die militärische Verteidigung) ; SchBesV: Schiffsbesetzungsverordnung ; SchBFrdFlaggV: Verordnung über die Besatzung von Schiffen unter fremder Flagge ; SchBG: Schiffsbankgesetz (aufgehoben; abgelöst durch Pfandbriefgesetz) ; SchBrÜbkG: Gesetz betreffend das Internationale Übereinkommen über die Gewährung einer Entschädigung für Arbeitslosigkeit infolge von Schiffbruch ; SchErsRÄndG: Gesetz zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften ; ScheckG: Scheckgesetz ; SchenkMG: Schenkungsmeldegesetz (Österreich) ; SchfAusbV: Verordnung über die Berufsausbildung zum Schornsteinfeger und zur Schornsteinfegerin ; SchfHwG: Gesetz über das Berufsrecht und die Versorgung im Schornsteinfegerhandwerk (Schornsteinfeger-Handwerksgesetz) ; SchG: Schulgesetz oder Schifffahrtsgericht ; SchGeschUV: Verordnung über die Übermittlung schiffahrtsgeschäftlicher Unterlagen an ausländische Stellen ; SchGG: Schutzgebietsgesetz ; SchHaltHygV: Verordnung über hygienische Anforderungen beim Halten von Schweinen (Schweinehaltungshygieneverordnung) ; SchiedsAmtsO: Verordnung über die Schiedsämter für die vertragsärztliche (vertragszahnärztliche) Versorgung (Schiedsamtsverordnung) ; SchiedsG: Gesetz über die Schiedsstellen in den Gemeinden ; SchiedsVZ: Zeitschrift für Schiedsverfahren ; SchiffsBelWertV: Verordnung über die Ermittlung der Beleihungswerte von Schiffen und Schiffsbauwerken nach § 24 Abs. 1 bis 3 des Pfandbriefgesetzes (Schiffsbeleihungswertermittlungsverordnung) ; SchiffsRegG: Gesetz über Rechte an eingetragenen Schiffen und Schiffsbauwerken (Schiffsregistergesetz) (siehe Schiffsregister) ; SchildV: Verordnung zur Bekämpfung der San-Jose-Schildlaus ; SchiLichtrMstrV: Verordnung über das Meisterprüfungsberufsbild und über die Prüfungsanforderungen in den Teilen I und II der Meisterprüfung im Schilder- und Lichtreklamehersteller-Handwerk ; SchKfmAusbV: Verordnung über die Berufsausbildung zum Schifffahrtskaufmann/zur Schifffahrtskauffrau ; SchKG: Schuldbetreibungs- und Konkursgesetz (Schweiz) (siehe Schuldbetreibungs- und Konkursrecht) oder Gesetz zur Vermeidung und Bewältigung von Schwangerschaftskonflikten (Schwangerschaftskonfliktgesetz) ; SchKiSpV: Verordnung über die Schüler- und Kinderspeisung ; SchlärmschG: Gesetz zum Verbot des Betriebs lauter Güterwagen (Schienenlärmschutzgesetz) ; SchleusV: Verordnung über den Betrieb der Schleusenanlagen im Bereich des Nord-Ostsee-Kanals, des Achterwehrer Schifffahrtskanals, des Gieselau-Kanals und der Eider ; SchlG: Schlichtungsgesetz (Gesetz zur obligatorischen außergerichtlichen Streitschlichtung) ; SchLHeimÜbkG: Gesetz betreffend das Internationale Übereinkommen über die Heimschaffung der Schiffsleute ; SchLichtReklAusbV: Verordnung über die Berufsausbildung zum Schilder- und Lichtreklamehersteller und zur Schilder- und Lichtreklameherstellerin ; SchlichtVerfV: Schlichtungsstellenverfahrensverordnung ; SchlTSchÜbk: Europäisches Übereinkommen über den Schutz von Schlachttieren ; SchlTSchÜbkG: Gesetz zu dem Europäischen Übereinkommen vom 10. Mai 1979 über den Schutz von Schlachttieren ; SchlussFinG: Gesetz zur Errichtung eines Sondervermögens „Vorsorge für Schlusszahlungen für inflationsindexierte Bundeswertpapiere“ (Schlusszahlungsfinanzierungsgesetz) ; SchnellLG: Gesetz über die Bereitstellung flächendeckender Schnellladeinfrastruktur für reine Batterieelektrofahrzeuge (Schnellladegesetz) ; SchOffzAusbV: Schiffsoffizier-Ausbildungsverordnung (aufgehoben zum 1. Juni 2014; ersetzt durch See-BV – Seeleute-Befähigungsverordnung) ; SchOG: Schifffahrtsobergericht (siehe Schifffahrtsgericht) oder Schulorganisationsgesetz (Österreich) ; SchoMstrV: Verordnung über die Meisterprüfung in den Teilen I und II im Schornsteinfeger-Handwerk ; SchRegDV: Verordnung zur Durchführung der Schiffsregisterordnung ; SchRegG (auch SchRG): Gesetz über Rechte an eingetragenen Schiffen und Schiffsbauwerken (Schiffsregistergesetz) (siehe Schiffsregister) ; SchRegO: Schiffsregisterordnung (siehe Schiffsregister) ; SchRG: Gesetz über Rechte an eingetragenen Schiffen und Schiffsbauwerken (Schiffsregistergesetz) (siehe Schiffsregister) ; SchRGÄndG: Gesetz zur Änderung des Gesetzes über Rechte an eingetragenen Schiffen und Schiffsbauwerken, der Schiffsregisterordnung und des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung ; SchriSeMstrV: Verordnung über das Berufsbild und über die Prüfungsanforderungen im praktischen und im fachtheoretischen Teil der Meisterprüfung für das Schriftsetzer-(Buchdrucker-)Handwerk ; Schrott-UStV: Schrott-Umsatzsteuerverordnung (Österreich) ; SchrZAbkG: Gesetz zum Wiener Abkommen vom 12. Juni 1973 über den Schutz typographischer Schriftzeichen und ihre internationale Hinterlegung (Schriftzeichengesetz) ; SchSG: Schiffssicherheitsgesetz ; SchSiAusbV: Verordnung über die Berufsausbildung zur Fachkraft für Schutz und Sicherheit ; SchSiHafV: Verordnung über die Schutz- und Sicherheitshäfen, die Häfen der Deutschen Marine und der Bundespolizei der Bundesrepublik Deutschland an Seeschifffahrtsstraßen ; SchSiMeistPrV: Verordnung über die Prüfung zum anerkannten Abschluss Geprüfter Meister/Geprüfte Meisterin für Schutz und Sicherheit ; SchSiServAusbV: Verordnung über die Berufsausbildung zur Servicekraft für Schutz und Sicherheit ; SchSprAnerkÜbk: Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche ; SchStV: Verordnung über die Schiedsstelle für Arzneimittelversorgung und die Arzneimittelabrechnung (Schiedsstellenverordnung) ; SchSV: Schiffssicherheitsverordnung ; SchuhfAusbV: Verordnung über die Berufsausbildung zum Schuhfertiger und zur Schuhfertigerin ; SchuhmMstrV: Verordnung über die Meisterprüfung in den Teilen I und II im Schuhmacher-Handwerk (Schuhmachermeisterverordnung) ; SchuldBBerG: Gesetz zur Behandlung von Schuldbuchforderungen gegen die ehemalige Deutsche Demokratische Republik (DDR-Schuldbuchbereinigungsgesetz) ; SchuldMitüG: Gesetz zur Mitübernahme der Schulden des Erblastentilgungsfonds, des Bundeseisenbahnvermögens sowie des Ausgleichsfonds zur Sicherung des Steinkohleneinsatzes in die Bundesschuld (Schuldenmitübernahmegesetz) ; SchuldRAnpG: Gesetz zur Anpassung schuldrechtlicher Nutzungsverhältnisse an Grundstücken im Beitrittsgebiet (Schuldrechtanpassungsgesetz) ; SchuldSaarUmstV: Verordnung über die Umstellung von Schuldverhältnissen und dinglichen Rechten im Saarland ; SchulG: Schulgesetz ; SchulObG: Gesetz zur Durchführung gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften über das Schulobstprogramm (Schulobstgesetz) (siehe Schulobstprogramm) ; SchulversucheV: Verordnung über die Ausbildungsförderung für den Besuch von Ausbildungsstätten, an denen Schulversuche durchgeführt werden ; SchUnfDatG: Schiffsunfalldatenbankgesetz ; SchuR: SchulRecht (Zeitschrift) ; SchuTSEV: Verordnung zum Schutz von öffentlichen Telekommunikationsnetzen und Sende- und Empfangsfunkanlagen, die in definierten Frequenzbereichen zu Sicherheitszwecken betrieben werden (Sicherheitsfunk-Schutzverordnung) ; SchuV: Verordnung über die Erfüllung von Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsansprüchen durch Begebung und Zuteilung von Schuldverschreibungen des Entschädigungsfonds (Schuldverschreibungsverordnung) ; SchuVAbdrV: Verordnung über den Bezug von Abdrucken aus dem Schuldnerverzeichnis (Schuldnerverzeichnisabdruckverordnung) ; SchuVVO: Schuldnerverzeichnisverordnung ; SchVerschrFrdWäG: Gesetz über Fremdwährungs-Schuldverschreibungen ; SchVG: Gesetz über Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen (Schuldverschreibungsgesetz) ; SchVw: SchulVerwaltung (Fachzeitschrift) ; SchVG: Schuldverschreibungsgesetz (Gesetz über Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen) oder Schülervertretungsgesetz ; SchwarmfdPV: Verordnung zur Ausgestaltung der Prüfungen nach § 32f des Wertpapierhandelsgesetzes bei Schwarmfinanzierungsdienstleistern nach der Verordnung (EU) 2020/1503 (Schwarmfinanzierungsdienstleister-Prüfungsverordnung) ; SchwarzArbG: Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz (Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung) ; SchwAV: Schwerbehindertenausgleichsabgabeverordnung ; SchwbAwV: Schwerbehindertenausweisverordnung ; SchwbBAG: Gesetz zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit Schwerbehinderter ; SchwbG: Schwerbehindertengesetz (jetzt SGB IX) ; SchwbV (SBV): Schwerbehindertenvertretung ; SchwbVWO: Wahlordnung Schwerbehindertenvertretungen ; SchwFamG: Gesetz zum Schutz des vorgeburtlichen/werdenden Lebens, zur Förderung einer kinderfreundlicheren Gesellschaft, für Hilfen im Schwangerschaftskonflikt und zur Regelung des Schwangerschaftsabbruchs (Schwangeren- und Familienhilfegesetz), siehe → Schwangerschaftskonfliktgesetz ; SchwG: Schwurgericht ; SchwHKlV: Verordnung über gesetzliche Handelsklassen für Schweineschlachtkörper (Schweineschlachtkörper-Handelsklassenverordnung) ; SchwPestMonV: Verordnung zur Durchführung eines Monitorings auf das Virus der Klassischen und der Afrikanischen Schweinepest bei Wild- und Hausschweinen (Schweinepest-Monitoring-Verordnung) ; SchwPestV: Verordnung zum Schutz gegen die Schweinepest und die Afrikanische Schweinepest (Schweinepest-Verordnung) ; SchwSalmoV: Verordnung zur Verminderung der Salmonellenverbreitung durch Schlachtschweine (Schweine-Salmonellen-Verordnung) ; SchZusStrZustÜbk: Internationales Übereinkommen zur Vereinheitlichung von Regeln über die strafgerichtliche Zuständigkeit bei Schiffszusammenstößen und anderen mit der Führung eines Seeschiffes zusammenhängenden Ereignissen ; SchZusZZustÜbk: Internationales Übereinkommen zur Vereinheitlichung von Regeln über die zivilgerichtliche Zuständigkeit bei Schiffszusammenstößen ; SCIP: Substances of Concern In articles as such or in complex objects (Products) (siehe SCIP-Datenbank) ; SCOTUS: Oberster Gerichtshof der Vereinigten Staaten (engl.: ) ; SCPA: Semiconductor Chip Protection Act von 1984 in den Vereinigten Staaten ; SDB: Sicherheitsdatenblatt ; SDDSG: Suchdienstedatenschutzgesetz (ab 26. November 2019 DRK-SDDSG siehe oben) ; SdK: Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger ; SdL: Soziale Sicherheit in der Landwirtschaft (Zeitschrift) oder Schadensersatz statt der Leistung (§ ff. BGB) ; SDLWindV: Verordnung zu Systemdienstleistungen durch Windenergieanlagen (Systemdienstleistungsverordnung) ; SDR: Verordnung über die Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße (Schweiz) ; SDSRV: Schriftenreihe des deutschen Sozialrechtsverbandes ; SdT: Stand der Technik ; SDÜ: Schengener Durchführungsübereinkommen (siehe Schengener Abkommen) ; SE: Europäische Gesellschaft (lat.: Societas Europaea) oder Schadensersatz oder Sondereigentum ; SEA: Schadensersatzanspruch ; SEAG: Gesetz zur Ausführung der Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates vom 8. Oktober 2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE) (SE-Ausführungsgesetz) ; SEBG: Gesetz über die Beteiligung der Arbeitnehmer in einer Europäischen Gesellschaft (SE-Beteiligungsgesetz) ; SECO: Staatssekretariat für Wirtschaft (Schweiz) (franz. , ital. ) ; SEDDiktStiftG: Gesetz über die Errichtung einer Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur ; SeeAnlG: Seeanlagengesetz ; SeeAnlV: Seeanlagenverordnung (aufgehoben, abgelöst zum 1. Januar 2017 durch das Seeanlagengesetz) ; SeeArbG: Seearbeitsgesetz ; SeeArbÜV: Verordnung über die Überprüfung der Einhaltung der Arbeits- und Lebensbedingungen auf Schiffen (Seearbeitsüberprüfungs-Verordnung) ; See-ArbZNV: Verordnung betreffend die Übersicht über die Arbeitsorganisation und die Arbeitszeitnachweise in der Seeschifffahrt (See-Arbeitszeitnachweisverordnung) ; SeeAufgG: Seeaufgabengesetz (Gesetz über die Aufgaben des Bundes auf dem Gebiet der Seeschifffahrt) ; See-BAV: Verordnung über die Berufsausbildung in der Seeschifffahrt ; See-BV: Seeleute-Befähigungsverordnung (Verordnung über die Befähigungen der Seeleute in der Seeschifffahrt) (siehe indirekt bei Schiffsoffizier-Ausbildungsverordnung) ; SEED: System for Exchange of Excise Data (dt.: System zum Austausch von Verbrauchsteuerdaten) ; SeeDTauglV: Seediensttauglichkeitsverordnung ; See-EigensichV: Verordnung zur Eigensicherung von Seeschiffen zur Abwehr äußerer Gefahren (See-Eigensicherungsverordnung) ; SeefahrtSichergV: Verordnung über die Sicherung der Seefahrt ; SeeFischG: Gesetz zur Regelung der Seefischerei und zur Durchführung des Fischereirechts der Europäischen Union (Seefischereigesetz) ; SeefiV: Seefischereiverordnung ; SeeLG: Gesetz über das Seelotswesen (Seelotsgesetz) ; SeeLotsEigV: Verordnung über die Feststellung der gesundheitlichen Eignung von Seelotsinnen und Seelotsen (Seelotseignungsverordnung) ; SeemG: Seemannsgesetz ; SeemAmtsV: Seemannsamtsverordnung ; SeeLAuFV: Verordnung über die Aus- und Fortbildung der Seelotsinnen und Seelotsen (Seelotsenaus- und -fortbildungsverordnung) ; SeeRÜbkAG: Gesetz zur Ausführung des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1982 sowie des Übereinkommens vom 28. Juli 1994 zur Durchführung des Teils XI des Seerechtsübereinkommens (Ausführungsgesetz Seerechtsübereinkommen 1982/1994) ; SeeSchFG: Bundesgesetz über die Seeschifffahrt (Seeschifffahrtsgesetz) (Österreich) ; SeeSchStrO: Seeschifffahrtsstraßen-Ordnung ; SeeSpbootV: Verordnung über die Inbetriebnahme von Sportbooten und Wassermotorrädern sowie deren Vermietung und gewerbsmäßige Nutzung im Küstenbereich (See-Sportbootverordnung) ; SeeUmwVerhV: Verordnung über das umweltgerechte Verhalten in der Seeschifffahrt (See-Umweltverhaltensverordnung) ; SeeUnterkunftsV: Verordnung über die Unterkünfte und Freizeiteinrichtungen der Besatzungsmitglieder an Bord von Kauffahrteischiffen (See-Unterkunftsverordnung) ; SeeverkÄndG: Gesetz zur Änderung seeverkehrsrechtlicher und sonstiger Vorschriften mit Bezug zum Seerecht ; SeeverkÄndV: Verordnung zur Änderung seeverkehrsrechtlicher und sonstiger Vorschriften mit Bezug zur Seeschifffahrt ; SeeVersNachwG: Seeversicherungsnachweisgesetz ; SeeVersNachwVO: Seeversicherungsnachweisverordnung ; SEK: Spezialeinsatzkommando ; SektVO: Sektorenverordnung (siehe Vergabeverordnung) ; SEM: Staatssekretariat für Migration (Schweiz) ; SEO: Sondereinheit für Observation ; SEPA: Europäischer Zahlungsraum (englisch ) ; SEPA-VO: Verordnung (EU) Nr. 260/2012 des EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 14. März 2012 zur Festlegung der technischen Vorschriften und der Geschäftsanforderungen für Überweisungen und Lastschriften in Euro und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 924/2009 ; SER: Standard-Einsatz-Regel ; SERA: Durchführungsverordnung (EU) Nr. 923/2012 zur Festlegung gemeinsamer Luftverkehrsregeln und Betriebsvorschriften für Dienste und Verfahren der Flugsicherung (englisch: Standardised European Rules of the Air – SERA) ; SES: Einheitlicher Europäischer Luftraum (englisch: Single European Sky – SES) ; SEStEG: Gesetz über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften ; SEU: Schuleingangsuntersuchung ; SeuchRNeuG: Gesetz zur Neuordnung seuchenrechtlicher Vorschriften (siehe Infektionsschutzgesetz) ; SEV: Sondereinheitenverordnung (Österreich) oder Europäisches Übereinkommen über die Rechtsstellung der Wanderarbeitnehmer ; SE-VO: Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE) ; SfH: Stiftung für Hochschulzulassung ; SFH: Schweizerische Flüchtlingshilfe ; SFHÄndG: Schwangeren- und Familienhilfeänderungsgesetz ; SFK: Sicherheitsfachkraft (Österreich) (siehe Fachkraft für Arbeitssicherheit) ; SFN: Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit ; SG: Soldatengesetz oder Sozialgericht ; SGB: Sozialgesetzbuch (derzeit Bücher I-XII) ; SGb: Die Sozialgerichtsbarkeit. Zeitschrift für das aktuelle Sozialrecht ; SGBXIVBSchAV: Verordnung zur Durchführung des Berufsschadensausgleiches nach § 89 des Vierzehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGBXIV-Berufsschadensausgleichsverordnung) ; SGG: Sozialgerichtsgesetz oder Störung der Geschäftsgrundlage oder Suchtgiftgesetz (Österreich) ; SGFFG: Schienengüterfernverkehrsnetzförderungsgesetz ; SGleibWV: Verordnung über die Wahl der Gleichstellungsbeauftragten und ihrer Stellvertreterinnen durch Soldatinnen der Bundeswehr (Gleichstellungsbeauftragten-Wahlverordnung Soldatinnen) ; SGleiG: Gesetz zur Gleichstellung von Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr (Soldatinnen- und Soldatengleichstellungsgesetz) ; SGV: Verordnung des Bundesministers für Gesundheit über die Grenzmengen der Suchtgifte (Suchtgift-Grenzmengenverordnung) (Österreich) oder Schienengüterverkehr ; S-H (SH): Schleswig-Holstein ; SHAB: Schweizerisches Handelsamtsblatt (siehe Handelsregister (Schweiz)) ; SHR: Sozialhilferichtlinien oder Seehandelsrecht ; SHS: Sporthochseeschifferschein ; SHT: Sozialhilfeträger ; SHV: Verordnung über die Erstattung von Kosten für Familien- und Haushaltshilfen von Soldatinnen und Soldaten mit Familienpflichten bei Auslandseinsätzen (Soldaten-Haushaltshilfen-Verordnung) ; SIAK-BV: Sicherheitsakademie-Bildungsverordnung (Österreich) ; sic!: Zeitschrift für Immaterialgüter-, Informations- und Wettbewerbsrecht (Schweiz) ; SID: Sicherheitsdirektion (Österreich) ; SIF: Staatssekretariat für internationale Finanzfragen (Schweiz) ; SiG: Sicherungsgeber ; SiGeKo: Sicherheits- und Gesundheitsschutzkoordinator ; SiGePlan: Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan (siehe Baustellenverordnung) ; SigG: Signaturgesetz (Deutschland) oder Signaturgesetz (Österreich) oder Signaturgesetz (Liechtenstein) ; SigV: Signaturverordnung oder Signaturverordnung (Österreich) oder Signaturverordnung (Liechtenstein) ; SiN: Sicherungsnehmer ; SIRENE: SIRENE (; ) (siehe Schengener Informationssystem) ; SIS: Schengener Informationssystem oder Stellen-Informationssystem ; SISY: Staatsanwaltliches Informations-System (nach § ff. StPO) ; SITC: Internationales Warenverzeichnis für den Außenhandel () ; SiV: Sicherungsvertrag oder Verordnung über die Anforderungen an Sicherheiten und die Anlage bestimmter Vermögen (Sicherheitenverordnung) ; SJZ: Schweizerische Juristen-Zeitung oder Süddeutsche Juristenzeitung ; SjE: Sammlung jugendrechtlicher Entscheidungen ; SK: Systematischer Kommentar ; SKBPRV: Streitkräfte-Bezirkspersonalräteverordnung ; SKH: Schweizerisches Korps für humanitäre Hilfe ; SKN: Sachkundenachweis (siehe Befähigungsnachweis) oder Sachkundenachweis für Seenotsignalmittel ; SKrfArbZG: Gesetz zur Regelung der Arbeitszeit von selbständigen Kraftfahrern ; SkResNOG: Streitkräftereserve-Neuordnungsgesetz (Gesetz über die Neuordnung der Reserve der Streitkräfte und zur Rechtsbereinigung des Wehrpflichtgesetzes) ; SKS: Sportküstenschifferschein ; SKOS: Schweizerische Konferenz für Sozialhilfe (siehe Sozialhilfe (Schweiz)) ; SKZG: Bundesgesetz über die befristete Einführung eines Stromkostenzuschusses für Haushaltskundinnen und Haushaltskunden (Stromkostenzuschussgesetz) (Österreich) ; SLA: Service-Level-Agreement (= Dienstgütevereinbarung) ; SLV: Verordnung über die Laufbahnen der Soldatinnen und Soldaten (Soldatenlaufbahnverordnung) ; SLVS: Speditions-, Logistik- und Lagerversicherungsschein ; SMAD: Sowjetische Militäradministration in Deutschland ; SMBl.NRW.: Sammlung des Ministerialblattes für das Land Nordrhein-Westfalen ; SMCS: Single Market Compliance Space ; SMD: Sozialmedizinischer Dienst ; SME: Small and Medium-sized Enterprises (siehe Kleine und mittlere Unternehmen) ; SMG: Schuldrechtsmodernisierungsgesetz oder Suchtmittelgesetz (Österreich) ; SMGS: Soglashenije Meshdunarodnom Grusowom Soobstschenii (osteuropäisches und asiatisches Eisenbahnverkehrsabkommen) ; SMS: Sicherheitsmanagementsystem ; SMVergV: Verordnung über die Gewährung einer Mehrarbeitsvergütung für Soldaten (Soldatenmehrarbeitsvergütungsverordnung) ; SMZ: Schiedsamtszeitung (Zeitschrift) ; SNA: System of National Accounts ; SNR: Sondernutzungsrecht ; SoEnergieV: Verordnung zur Vergabe von sonstigen Energiegewinnungsbereichen in der ausschließlichen Wirtschaftszone (Sonstige-Energiegewinnungsbereiche-Verordnung) ; SOG: Sicherheits- und Ordnungsgesetz ; SoKa-Bau: Sozialkassen der Bauwirtschaft (SoKa-Bau) ; SoKaSiG: Gesetz zur Sicherung der Sozialkassenverfahren im Baugewerbe und zur Änderung des ArbGG ; SoldReheHomG: Gesetz zur Rehabilitierung der wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen, wegen ihrer homosexuellen Orientierung oder wegen ihrer geschlechtlichen Identität dienstrechtlich benachteiligten Soldatinnen und Soldaten ; Soli: Solidaritätszuschlag ; SOLAS: International Convention for the Safety of Life at Sea (Internationales Übereinkommen zum Schutz des menschlichen Lebens auf See) ; SoldSÜV: Verordnung zur intensivierten erweiterten Sicherheitsüberprüfung mit Sicherheitsermittlungen für Soldatinnen und Soldaten (Soldatensicherheitsüberprüfungsverordnung) ; SolvV: Solvabilitätsverordnung (Verordnung über die angemessene Eigenmittelausstattung von Instituten, Institutsgruppen und Finanzholding-Gruppen) ; SolZG 1995: Solidaritätszuschlaggesetz 1995 ; SorgeRG: Gesetz zur Neuregelung des Rechts der elterlichen Sorge (siehe Elterliche Sorge (Deutschland)) ; SortSchG: Sortenschutzgesetz ; SoSi: Soziale Sicherheit oder Soziale Sicherheit (Zeitschrift, Österreich) oder Soziale Sicherheit. Zeitschrift für Arbeit und Soziales ; Sozakt: Sozialrecht aktuell ; SozDIG: Gesetz zur Förderung eines freiwilligen sozialen Jahres ; soz.-päd.: sozial-pädagogisch ; SozPflegerV: Verordnung über die Ausbildungsförderung für soziale Pflegeberufe (aufgehoben; ersetzt durch BAföG-Medizinalfach- und Pflegeberufe-Verordnung – BAföG-MedPflegbV) ; SozR: Sozialrecht (Deutschland) oder Sozialrecht (Österreich) ; SozRe: Soziales Recht (Zeitschrift) ; SozSich: Soziale Sicherheit. Zeitschrift für Arbeit und Soziales ; SozV: Verordnung über die Einführung der mitteleuropäischen Sommerzeit ab dem Jahr 2002 (Sommerzeitverordnung) ; SP: Schadenpraxis (Zeitschrift) ; SPA: Europäisches Vogelschutzgebiet (engl.: ) (siehe Richtlinie 79/409/EWG über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten#Europäisches Vogelschutzgebiet, Special Protection Area (SPA)) oder Schnellinformation für Personalmanagement und Arbeitsrecht (Zeitschrift) ; SpBG: Spielbankengesetz ; SpbootFüV-See: Verordnung über die Eignung und Befähigung zum Führen von Sportbooten auf den Seeschifffahrtsstraßen (Sportbootführerscheinverordnung-See) ; SPE: Europäische Privatgesellschaft (lateinisch: Societas Privata Europaea – SPE) ; SpedKfmAusbV: Verordnung über die Berufsausbildung zum Kaufmann für Spedition und Logistikdienstleistung/zur Kauffrau für Spedition und Logistikdienstleistung ; SperrWarnGebV: Verordnung über Sicherungsmaßnahmen für militärische Sperr- und Warngebiete an der schleswig-holsteinischen Ost- und Westküste und im Nord-Ostsee-Kanal (Sperr- und Warngebietverordnung) ; SpielV: Verordnung über Spielgeräte und andere Spiele mit Gewinnmöglichkeit (Spielverordnung) ; SpG: Bundesgesetz über die Ordnung des Sparkassenwesens (Sparkassengesetz) (Österreich) oder Sprachengesetz (Schweiz) (siehe Gesetze und amtliche Regelungen zur geschlechtergerechten Sprache) ; SPG: Bundesgesetz über die Organisation der Sicherheitsverwaltung und die Ausübung der Sicherheitspolizei (Sicherheitspolizeigesetz) (Österreich) ; SPFH: Sozialpädagogische Familienhilfe ; SpFV: Verordnung über das Führen von Sportbooten (Sportbootführerscheinverordnung) ; SPFVG: Schienenpersonenfernverkehrsgesetz ; SPFV: Schienenpersonenfernverkehr ; SpielV (SpielVO): Spielverordnung ; SPK: Stadtpolizeikommando (Österreich) ; SpkG: Sparkassengesetz ; SPNV: Schienenpersonennahverkehr ; SpoPrax: Sportrecht und E-Sportrecht in der Praxis (Zeitschrift) ; SportbootFüV-Bin: Verordnung über das Führen von Sportbooten auf den Binnenschifffahrtsstraßen (Sportbootführerscheinverordnung-Binnen) ; SportSeeSchV: Verordnung über den Erwerb von Sportsee- und Sporthochseeschifferscheinen und die Besetzung von Traditionsschiffen (Sportseeschifferscheinverordnung) (siehe Sportschifferschein) ; SprAuG: Sprecherausschussgesetz ; SprDstBw: Sprachendienst der Bundeswehr (siehe Bundessprachenamt (BSprA)) ; SprengG: Sprengstoffgesetz (Deutschland) ; SpengV: Sprengstoffverordnung (Deutschland) ; SPRINDFG: Gesetz über die Arbeitsweise der Bundesagentur für Sprunginnovationen und zur Flexibilisierung ihrer rechtlichen und finanziellen Rahmenbedingungen (SPRIND-Freiheitsgesetz) ; SprG: Bundesgesetz über die Schieß- und Sprengmittelpolizei (Sprengmittelgesetz 2010) (Österreich) ; SprstG: Sprengstoffgesetz (Schweiz) ; SprstV: Sprengstoffverordnung (Schweiz) ; SpruchG: Spruchverfahrensgesetz (Gesetz über das gesellschaftsrechtliche Spruchverfahren) (siehe Spruchverfahren) ; SpTrUG: Treuhandunternehmen-Spaltungsgesetz (Gesetz über die Spaltung der von der Treuhand verwalteten Unternehmen) ; SpuRt: Zeitschrift für Sport und Recht ; SpurVerkErprG: Gesetz über den Bau und den Betrieb von Versuchsanlagen zur Erprobung von Technologien für den spurgeführten Verkehr ; SpV: Spektrum für Versicherungsrecht (Zeitschrift) oder Sprachenverordnung (Schweiz) (siehe Gesetze und amtliche Regelungen zur geschlechtergerechten Sprache) ; SPV: Straßenpersonenverkehr oder Schienenpersonenverkehr oder Sonstige Politische Vereinigung (bei Europawahlen) oder Soziale Pflegeversicherung ; SQ: Schlüsselqualifikation ; SR: Sicherheitsrat der Vereinten Nationen oder Systematische Sammlung des Bundesrechts (Schweiz) oder Sachenrecht (Liechtenstein) oder Verordnung der Bundesversammlung über die Redaktionskommission (Schweiz) ; SRÄG: Seerechtsänderungsgesetz ; SRC: Beschränkt gültiges Funkbetriebszeugnis (engl.: ) ; SRTour: Steuer- und RechtsBrief Touristik (Zeitschrift) ; SRU: Sachverständigenrat für Umweltfragen ; SRÜ: Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1982 () ; SRV: Schuldenregulierungsverfahren (Österreich) ; SRVwV: Allgemeine Verwaltungsvorschrift über das Rechnungswesen in der Sozialversicherung ; SSB: Strahlenschutzbeauftragter ; SSEE: Sichere Signaturerstellungseinheit ; SSG: Seeschifffahrtsgesetz (Schweiz) ; SSK: Strahlenschutzkommission ; SSS: Sportseeschifferschein (siehe Sportschifferschein) ; SSV: StraßenSignalisationsverordnung (Schweiz) oder Sommerschlussverkauf oder Strahlenschutzverantwortlicher oder Störung des Sozialverhaltens oder Straßensignalisationsverordnung (Liechtenstein) ; ST: Sachsen-Anhalt, sachsen-anhaltisch ; StA: Staatsanwalt oder Staatsanwaltschaft oder Standesamt ; StabMechG: Gesetz zur Übernahme von Gewährleistungen im Rahmen eines europäischen Stabilisierungsmechanismus (Euro-Stabilisierungsmechanismusgesetz) (auch EStabG abgekürzt) ; StabiRatG: Gesetz zur Errichtung eines Stabilitätsrates und zur Vermeidung von Haushaltsnotlagen (Stabilitätsratsgesetz) ; StAbwG: Gesetz zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb (Steueroasen-Abwehrgesetz) ; StAbwV: Verordnung zur Durchführung des § 3 des Steueroasen-Abwehrgesetzes (Steueroasen-Abwehrverordnung) ; StADV: Steueranmeldungs-Datenträger-Verordnung ; Stänko: Ständige Konferenz der Kinder- und Jugendanwaltschaften Österreichs ; STAF: Bundesgesetz über die Steuerreform und die AHV-Finanzierung (Schweiz) ; StAG: Staatsangehörigkeitsgesetz (Deutschland) ; StandAG: Gesetz zur Suche und Auswahl eines Standortes für ein Endlager für hochradioaktive Abfälle (Standortauswahlgesetz) ; StandOG: Gesetz zur Verbesserung der steuerlichen Bedingungen zur Sicherung des Wirtschaftsstandorts Deutschland im Europäischen Binnenmarkt (Standortsicherungsgesetz) ; StandVKlV: Verordnung über Standardvertragsklauseln für die Durchführung klinischer Prüfungen (Standardvertragsklauselverordnung) ; StandZV: Verordnung über Standardzulassungen von Arzneimitteln ; StAnz: Staatsanzeiger ; StARModG: Gesetz zur Modernisierung des Staatsangehörigkeitsrechts ; StaRUG: Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz) ; StatRegG: Gesetz über den Aufbau und die Führung eines Statistikregisters (Statistikregistergesetz) ; StAuskV: Verordnung zur Durchführung von § 89 Abs. 2 der Abgabenordnung (Steuer-Auskunftsverordnung) (siehe Verbindliche Auskunft) ; StAZ: Das Standesamt (Zeitschrift für Standesamtswesen, Familienrecht, Staatsangehörigkeitsrecht, Personenstandsrecht, Internationales Privatrecht des In- und Auslands) ; StB: Steuerberater oder Der Steuerberater (Zeitschrift) oder Steuerbetrag oder Steuerbilanz ; StBAG: Steuerbeamtenausbildungsgesetz ; StBAPO: Ausbildungs- und Prüfungsordnung für die Steuerbeamtinnen und Steuerbeamten (Steuerbeamtenausbildungs- und -prüfungsordnung) ; StBerG: Steuerberatungsgesetz ; Stbg: Die Steuerberatung (Zeitschrift) ; StbG: Staatsbürgerschaftsgesetz (siehe Österreichische Staatsbürgerschaft) ; StBGebV: Steuerberatergebührenverordnung (siehe Steuerberater) ; StBp: Die steuerliche Betriebsprüfung. Fachorgan für die Wirtschafts- und Prüfungspraxis ; StBPPV: Verordnung über die Steuerberaterplattform und die besonderen elektronischen Steuerberaterpostfächer (Steuerberaterplattform- und -postfachverordnung) ; StBVV: Vergütungsverordnung für Steuerberater, Steuerbevollmächtigte und Berufsausübungsgesellschaften (Steuerberatervergütungsverordnung) ; STC: (englisch f.: beinhaltet angeblich) ; STCW: Internationales Übereinkommen über Normen für die Ausbildung, die Erteilung von Befähigungszeugnissen und den Wachdienst von Seeleuten (STCW-Übereinkommen; von engl.: ) ; StDÜV: Verordnung über die elektronische Übermittlung von für das Besteuerungsverfahren erforderlichen Daten (Steuerdaten-Übermittlungsverordnung) ; SteinAusbV: Verordnung über die Berufsausbildung zum Steinmetz und Steinbildhauer/zur Steinmetzin und Steinbildhauerin ; StEntlG: Steuerentlastungsgesetz ; StepVG: Gesetz über die Stiftung für ehemalige politisch Verfolgte ; SterilEntschAufhG: Gesetz zur Aufhebung von Sterilisationsentscheidungen der ehemaligen Erbgesundheitsgerichte (Artikel 2 des Gesetzes zur Aufhebung nationalsozialistischer Unrechtsurteile in der Strafrechtspflege und von Sterilisationsentscheidungen der ehemaligen Erbgesundheitsgerichte) (siehe Erbgesundheitsgericht#Aufhebung der Gerichtsbeschlüsse (1998) und Ächtung des Gesetzes (2007)) SteSoGeG: Gesetz zur Zulassung virtueller Wohnungseigentümerversammlungen, zur Erleichterung des Einsatzes von Steckersolargeräten und zur Übertragbarkeit beschränkter persönlicher Dienstbarkeiten für Erneuerbare-Energien-Anlagen ; SteuerHBekV: Steuerhinterziehungsbekämpfungsverordnung ; SteuK: Steuerrecht kurzgefasst (Zeitschrift) ; Stf., StF: Stammfassung ; StFachAngAusbV: Verordnung über die Berufsausbildung zum Steuerfachangestellten/zur Steuerfachangestellten ; StFG: Gesetz zur Errichtung eines Finanzmarkt- und eines Wirtschaftsstabilisierungsfonds (Stabilisierungsfondsgesetz) ; StFV: Verordnung vom 27. Februar 1991 über den Schutz vor Störfällen (Störfallverordnung) (Schweiz) ; StG: Strafgesetz (in Österreich bis 31. Dezember 1974) oder Bundesgesetz über die Stempelabgaben (Schweiz) ; StGB: Strafgesetzbuch (Anm.: gleichlautende Abkürzung in Deutschland, Österreich und der Schweiz) ; StGG: Staatsgrundgesetz (Österreich) ; StGH: Staatsgerichtshof ; StGH Hess: Staatsgerichtshof des Landes Hessen ; StHBG (auch StHintBekG): Steuerhinterziehungsbekämpfungsgesetz ; StHG: Staatshaftungsgesetz (Deutschland) oder Staatshaftungsgesetz (DDR) oder Bundesgesetz über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden (Steuerharmonisierungsgesetz (Schweiz)) (siehe Steuerrecht (Schweiz)) ; StichprobenV: Verordnung über Verfahren und Umfang der Haushaltebefragung auf Stichprobenbasis zum Zensusgesetz 2011 ; StIdV: Verordnung zur Vergabe steuerlicher Identifikationsnummern (siehe Steuer-Identifikationsnummer) ; STIFA: Stiftungsaufsichtsbehörde (siehe Stiftungsaufsicht (Liechtenstein)) ; StiftBTG: Gesetz über die Bildung und Tätigkeit von Stiftungen ; StiftEG: Stiftungseingangssteuergesetz (Österreich) ; StiftG: Stiftungsgesetz (eines Bundeslandes, z. B. StiftG NRW) ; StiftKStBegV: Verordnung über die Steuerbegünstigung von Stiftungen, die an die Stelle von Familienfideikommissen getreten sind ; StiftRG: Stiftungsregistergesetz ; STIKO: Ständige Impfkommission ; StIKoVetV: Verordnung über die Ständige Impfkommission Veterinärmedizin ; StImmÜbkG: Gesetz zum Europäischen Übereinkommen vom 16. Mai 1972 über Staatenimmunität ; StipG: Gesetz zur Schaffung eines nationalen Stipendienprogramms (siehe Deutschlandstipendium) ; StipHV: Verordnung über die Erreichung der Höchstgrenze nach dem Stipendienprogramm-Gesetz ; StipV: Verordnung zur Durchführung des Stipendienprogramm-Gesetzes ; StK: Strafkammer oder Sicherheitstechnische Kontrolle ; StM: Staatsministerium oder Staatsminister(in) ; StMBG: Gesetz zur Bekämpfung des Missbrauchs und zur Bereinigung des Steuerrechts (Missbrauchsbekämpfungs- und Steuerbereinigungsgesetz) ; StMin: Staatsminister (Deutschland) ; StModernG: Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens ; StmStbMstrV: Verordnung über das Meisterprüfungsberufsbild und über die Prüfungsanforderungen in den Teilen I und II der Meisterprüfung im Steinmetz- und Steinbildhauer-Handwerk ; StöV (auch StFV): Störfallverordnung (Deutschland/Schweiz) ; StoffBilV: Verordnung über den Umgang mit Nährstoffen im Betrieb und betriebliche Stoffstrombilanzen ; StoffR: Zeitschrift für das Stoffrecht ; StPO: Strafprozessordnung (Strafprozessordnung (Deutschland), Strafprozeßordnung 1975, Strafprozessordnung (Schweiz)) ; StrabBlPV: Verordnung über die Prüfung zum Betriebsleiter von Straßenbahnunternehmen (Straßenbahn-Betriebsleiter-Prüfungsverordnung) ; StraBEG: Gesetz zur Förderung der Steuerehrlichkeit ; StrabVO: Straßenbahnverordnung 1999 (Österreich) ; StrÄndG: Strafrechtsänderungsgesetz ; StraBEG: Strafbefreiungserklärungsgesetz ; StrafAktÜbV: Verordnung über die Standards für die Übermittlung elektronischer Akten zwischen Strafverfolgungsbehörden und Gerichten im Strafverfahren (Strafaktenübermittlungsverordnung) ; StrbauMstrV: Verordnung über das Meisterprüfungsberufsbild und über die Prüfungsanforderungen in den Teilen I und II der Meisterprüfung im Straßenbauer-Handwerk ; StReformG: Steuerreformgesetz ; StrEG: Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen oder Gesetz über die Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Energien in das öffentliche Stromnetz (Stromeinspeisungsgesetz) (aufgehoben) ; StrFinG: Straßenbaufinanzierungsgesetz ; StrKrVerkLeistV: Verordnung über Verkehrsleistungen der Eisenbahnen für die Streitkräfte ; StrlSchG: Strahlenschutzgesetz (Deutschland) ; StrlSchNRV: Verordnung zur weiteren Modernisierung des Strahlenschutzrechts ; StromEinspG: Gesetz über die Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Energien in das öffentliche Stromnetz (Stromeinspeisungsgesetz) (aufgehoben) ; StromGVV: Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Grundversorgung von Haushaltskunden und die Ersatzversorgung mit Elektrizität aus dem Niederspannungsnetz (Stromgrundversorgungsverordnung) ; StromNEV: Stromnetzentgeltverordnung ; StromNZV: Verordnung über den Zugang zu Elektrizitätsversorgungsnetzen (Stromnetzzugangsverordnung) ; StromPBG: Gesetz zur Einführung einer Strompreisbremse (Strompreisbremsegesetz) ; StromStG: Stromsteuergesetz ; StromStV: Verordnung zur Durchführung des Stromsteuergesetzes ; StromVG: Stromversorgungsgesetz (Schweiz) ; StromVV: Stromversorgungsverordnung (Schweiz) ; StrRehaHomG: Gesetz zur strafrechtlichen Rehabilitierung der nach dem 8. Mai 1945 wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen verurteilten Personen ; StRR: Strafrechtsreport (Zeitschrift) ; StrRehaG: Strafrechtliches Rehabilitierungsgesetz ; StrRG: Strafrechts-Reformgesetz ; StrSchG: Strahlenschutzgesetz (Österreich) ; StrSchV: Strahlenschutzverordnung (Deutschland) ; StVergAbG: Steuervergünstigungsabbaugesetzes ; StrVG: Strahlenschutzvorsorgegesetz (siehe Strahlenschutz) ; StRR: StrafRechtsReport. Arbeitszeitschrift für das gesamte Strafrecht. ; st. Rspr.: Ständige Rechtsprechung ; StrVerkSiV: Verordnung zur Sicherstellung des Straßenverkehrs ; StrWAusbV: Verordnung über die Berufsausbildung zum Straßenwärter/zur Straßenwärterin ; StrWPrO: Prüfungsordnung für die Durchführung von Abschluss- und Zwischenprüfungen im Ausbildungsberuf „Straßenwärter/Straßenwärterin“ (des Landes NRW) (Straßenwärterprüfungsordnung NRW) ; StSenkG: Steuersenkungsgesetz ; StSG: Strahlenschutzgesetz (Schweiz) ; StSV: Strahlenschutzverordnung (Schweiz) ; StTbV: Straßenverkehr-Transportbegleitungsverordnung ; StUA: Staatliches Umweltamt ; StuB: Steuern und Bilanzen. Die Zeitschrift für das Steuerrecht und die Rechnungslegung der Unternehmen ; StudZR: Studentische Zeitschrift für Rechtswissenschaft Heidelberg ; StUG: Stasi-Unterlagen-Gesetz (Gesetz über die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik) ; StUmgBG: Gesetz zur Bekämpfung der Steuerumgehung und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (Steuerumgehungsbekämpfungsgesetz) ; StuW: Steuer und Wirtschaft (Zeitschrift) ; StuZBl.: Steuer- und Zollblatt ; StV: Strafverteidiger (Deutschland) oder Strafverteidiger (Österreich) oder Strafverteidigung oder Strafverteidiger (Zeitschrift) oder Studienvertretung (Österreich) oder Studierendenvertretung oder Verordnung über die Stempelabgaben (Schweiz) ; StVA: Straßenverkehrsamt (Schweiz) (siehe Straßenverkehrsbehörde) ; StVFernLV: Verordnung über Ausnahmen von straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften für ferngelenkte Kraftfahrzeuge (Straßenverkehr-Fernlenk-Verordnung) ; StVergAbG: Gesetz zum Abbau von Steuervergünstigungen und Ausnahmeregelungen (Steuervergünstigungsabbaugesetz) ; StVG: Straßenverkehrsgesetz (Deutschland/Österreich) oder Strafvollzugsgesetz (Österreich) ; StVO: Straßenverkehrs-Ordnung (Deutschland) oder Straßenverkehrsordnung 1960 (Österreich) ; StVollstrK: Strafvollstreckungskammer ; StVollstrO: Strafvollstreckungsordnung ; StVollzG: Strafvollzugsgesetze in Deutschland ; StVUnfStatG: Gesetz über die Statistik der Straßenverkehrsunfälle (Straßenverkehrsunfallstatistikgesetz) ; StVZO: Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung ; StZG: Gesetz zur Sicherstellung des Embryonenschutzes im Zusammenhang mit Einfuhr und Verwendung menschlicher embryonaler Stammzellen (Stammzellgesetz) ; StZG-KostV: Kostenverordnung zum Stammzellgesetz ; SUB: Sicherheitsuntersuchungsstelle des Bundes (Österreich) ; SubvG: Gesetz gegen missbräuchliche Inanspruchnahme von Subventionen (Subventionsgesetz (Deutschland)) oder Subventionsgesetz (eines Bundeslandes, z. B. BaySubvG) ; SÜ: Sicherungsübereignung ; SÜFV: Sicherheitsüberprüfungsfeststellungsverordnung ; SÜG: Sicherheitsüberprüfungsgesetz (Gesetz über die Voraussetzungen und das Verfahren von Sicherheitsüberprüfungen des Bundes) ; SüwVKan: Selbstüberwachungsverordnung Kanal ; SUG: Seesicherheits-Untersuchungs-Gesetz (Gesetz zur Verbesserung der Sicherheit der Seefahrt durch die Untersuchung von Seeunfällen und anderen Vorkommnissen) ; SUP: Strategische Umweltprüfung oder Einpersonengesellschaft (Europäische Union) (lat.: Societas Unius Personae) ; SURE-GewährlG: Gesetz zur Übernahme von Gewährleistungen im Rahmen eines Europäischen Instruments zur vorübergehenden Unterstützung bei der Minderung von Arbeitslosigkeitsrisiken in einer Notlage im Anschluss an den COVID-19-Ausbruch (SURE-Gewährleistungsgesetz) ; SUrlV: Sonderurlaubsverordnung (Verordnung über den Sonderurlaub für Bundesbeamtinnen, Bundesbeamte, Richterinnen und Richter des Bundes) ; SuSchVO: Verordnung über die Anforderungen an den Sachkundenachweis und die besonderen Schulungen des Personals von Spielhallen im Land Nordrhein-Westfalen (Sachkundenachweis und Schulungsverordnung) (in NRW) ; SUST: Schweizerische Sicherheitsuntersuchungsstelle ; SUVA: Schweizerische Unfallversicherungsanstalt ; SV: Sachverhalt oder Sachverständiger oder Schuldverhältnis oder Sicherungsverwahrung oder Selbstverwaltung oder Suchtgiftverordnung (Österreich) oder Shareholder Value oder Sozialversicherung oder Strafvollzug oder Schülervertretung ; SVAG: Bundesgesetz über eine leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe (Schwerverkehrsabgabegesetz) (Schweiz) ; SVAwV: Sozialversicherungsausweis-Verordnung ; SVB: Sachverständigenbeirat ; SVBÖTZ: Sachverständigenbeirat für Fragen der Österreichischen Technischen Zulassung ; SVertO: Gesetz über das Verfahren bei der Errichtung und Verteilung eines Fonds zur Beschränkung der Haftung in der See- und Binnenschiffahrt (Schifffahrtsrechtliche Verteilungsordnung) ; SvEV: Verordnung über die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung von Zuwendungen des Arbeitgebers als Arbeitsentgelt (Sozialversicherungsentgeltverordnung) ; SVG: Gesetz über die Versorgung der früheren Soldatinnen und früheren Soldaten und ihrer Hinterbliebenen (Soldatenversorgungsgesetz) oder Strassenverkehrsgesetz (Schweiz) oder Strassenverkehrsgesetz (Liechtenstein) oder Sozialversicherungsgericht (Schweiz) (z. B. Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich) ; SVHC: Substance of Very High Concern (dt.: Besonders besorgniserregender Stoff) ; SVLFG: Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau ; SVLFGG: Gesetz zur Errichtung der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau ; SVP: Sicherheitsvertrauensperson (Österreich) ; SVR: Straßenverkehrsrecht (Zeitschrift) ; SVRV (auch SVRechGrV): Verordnung über maßgebende Rechengrößen der Sozialversicherung (Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnung) (siehe Rechengrößen der Sozialversicherung) ; SVT: Sozialversicherungsträger ; SVS/RVS: Speditions- und Rollfuhrversicherungsschein ; SVÜ: Haager Übereinkommen für Straßenverkehrsunfälle ; SVV: Stadtverordnetenversammlung ; SVWO: Wahlordnung für die Sozialversicherung (siehe Sozialwahl) ; SWG: Saarländisches Wassergesetz (siehe Landeswassergesetz) ; SWRÄG: Sachwalterrechts-Änderungsgesetz (Österreich) ; SWV: Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über das Inverkehrbringen von Softairwaffen und Paintball-Markierern (Softairwaffenverordnung 2013) (Österreich) ; SysStabV: Verordnung zur Gewährleistung der technischen Sicherheit und Systemstabilität des Elektrizitätsversorgungsnetzes (Systemstabilitätsverordnung) ; SZ: Sammlung Zivilsachen, kurz für Entscheidungen des Österreichischen Obersten Gerichtshofes in Zivilsachen oder unter Romanisten auch Savigny-Zeitschrift oder Süddeutsche Zeitung ; SZIER: Schweizerische Zeitschrift für internationales und europäisches Recht ; SZR: Sonderziehungsrecht
; T.: Tirol, tirolerisch ; TA: Technische Anleitung (z. B. TA Lärm, TA Luft, TA Siedlungsabfall) ; TA Abfall: Technische Anleitung Abfall (siehe TA Abfall) ; TAB: Technische Anschlussbedingungen ; TabakerzG: Tabakerzeugnisgesetz ; TabakerzV: Tabakerzeugnisverordnung ; TabStG (auch TabakStG): Tabaksteuergesetz (Deutschland) (siehe auch Tabaksteuer (Deutschland)) ; TabStV: Tabaksteuerverordnung (siehe auch Tabaksteuer (Deutschland)) ; TÄG: Tierärztegesetz (Österreich) ; TÄHAV: Verordnung über Tierärztliche Hausapotheken ; TätoV: Verordnung über Mittel zum Tätowieren einschließlich bestimmter vergleichbarer Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen (Tätowiermittel-Verordnung) ; TAG: Tagesbetreuungsausbaugesetz (Gesetz zum qualitätsorientierten und bedarfsgerechten Ausbau der Tagesbetreuung für Kinder) ; TAKG: Tierarzneimittelkontrollgesetz (Österreich) ; TAMG: Gesetz über den Verkehr mit Tierarzneimitteln und zur Durchführung unionsrechtlicher Vorschriften betreffend Tierarzneimittel (Tierarzneimittelgesetz) ; TAMKatV: Verordnung über Einteilungskriterien für die Kategorien der Apothekenpflicht oder Freiverkäuflichkeit von Tierarzneimitteln und veterinärmedizintechnischen Produkten (Tierarzneimittel-Kategorisierungsverordnung) ; TAMV: Tierarzneimittelverordnung (Schweiz) ; TAMWHV: Verordnung über die Anwendung der Guten Herstellungspraxis bei der Herstellung von Tierarzneimitteln und Wirkstoffen (Tierarzneimittel- und Wirkstoffherstellungsverordnung) ; TAN: Transaktionsnummer ; TAppV: Tierärzte-Approbationsverordnung ; TARIC: Integrierter Tarif der Europäischen Gemeinschaft (franz.: ) ; TarifAutoStG: Gesetz zur Stärkung der Tarifautonomie (Tarifautonomiestärkungsgesetz) ; TariftG NRW: Tariftreuegesetz Nordrhein-Westfalen ; TASi: TA Siedlungsabfall ; TB: Tatbestand oder Tätigkeitsbericht ; TBEG: Terrorismusbekämpfungsergänzungsgesetz ; TBelV: Verordnung über die Übertragung der Führung des Transparenzregisters (Transparenzregisterbeleihungsverordnung) ; TCO-VO: Verordnung (EU) 2021/784 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2021 zur Bekämpfung der Verbreitung terroristischer Online-Inhalte (Terrorist Content Online-+Verordnung) ; TDG: Teledienstegesetz oder Truppendienstgericht ; TDDDG: Gesetz über den Datenschutz und den Schutz der Privatsphäre in der Telekommunikation und bei digitalen Diensten (Telekommunikation-Digitale-Dienste-Datenschutz-Gesetz) ; TDDSG: Teledienstedatenschutzgesetz ; TDS: Technischer Durchführungsstandard (englisch: Implementing Technical Standard – ITS) ; TE: Tateinheit oder Teileigentum oder Teilungserklärung ; TechKontrollV: Verordnung über technische Kontrollen von Nutzfahrzeugen auf der Straße ; TEG: Todeserklärungsgesetz (Österreich) ; TEHG: Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz ; TeilhStG: Teilhabestärkungsgesetz ; TEIV: Transeuropäische-Eisenbahn-Interoperabilitätsverordnung ; TEN: Transeuropäische Netze (engl.: ) ; TEntgV: Telekommunikations-Entgeltregulierungsverordnung ; TerrOIBG: Gesetz zur Durchführung der Verordnung (EU) 2021/784 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2021 zur Bekämpfung der Verbreitung terroristischer Online-Inhalte (Terroristische-Online-Inhalte-Bekämpfungs-Gesetz) ; TerrWV: Territoriale Wehrverwaltung ; TestV: Verordnung zum Anspruch auf Testung in Bezug auf einen direkten Erregernachweis des Coronavirus SARS-CoV-2 ; TextilKennzG (TextilKG): Textilkennzeichnungsgesetz ; TFG: Gesetz zur Regelung des Transfusionswesens (Transfusionsgesetz) ; TFH: Technische Fachhochschule ; TfV: Verordnung über die Erteilung der Fahrberechtigung an Triebfahrzeugführer sowie die Anerkennung von Personen und Stellen für Ausbildung und Prüfung (Triebfahrzeugführerscheinverordnung) ; TGA: Trägergemeinschaft für Akkreditierung (aufgegangen zum 1. Januar 2010 in der Deutsche Akkreditierungsstelle – DAkkS) ; TgV: Transportgenehmigungsverordnung (Verordnung zur Transportgenehmigung bei der Abfallbeförderung) ; TGV: Trennungsgeldverordnung oder Transportgenehmigungsverordnung ; TH: Technische Hochschule ; THAMNV: Tierhalter-Arzneimittelanwendungs- und Nachweisverordnung ; THG: Bundesgesetz vom 6. Oktober 1995 über die technischen Handelshemmnisse (Schweiz) ; Thür. (Th): Thüringen, thüringisch/Thüringer ; ThürBVVG: Gesetz über Verfahren beim Bürgerantrag, Volksbegehren und Volksentscheid (Thüringen) ; ThürGerZustVO: Thüringer Verordnung über gerichtliche Zuständigkeiten in der ordentlichen Gerichtsbarkeit ; ThürGlüG: Thüringer Glücksspielgesetz ; ThürKO: Thüringer Kommunalordnung ; ThürLiegVerwG: Thüringer Gesetz über die Verwertung der Liegenschaften der Westgruppe der Truppen (Thüringer Liegenschaftsverwertungsgesetz) ; ThürPAG: Thüringer Polizeiaufgabengesetz ; ThürPsychKG: Thüringer Gesetz zur Hilfe und Unterbringung psychisch kranker Menschen ; ThürVBl.: Thüringische Verwaltungsblätter (Zeitschrift) ; ThürVerf: Verfassung des Freistaats Thüringen ; ThürVerfGH: Thüringer Verfassungsgerichtshof ; ThürVerfGHG: Gesetz über den Thüringer Verfassungsgerichtshof ; ThürVgG: Thüringer Gesetz über die Vergabe öffentlicher Aufträge (Thüringer Vergabegesetz) ; ThürWG: Thüringer Wassergesetz ; ThUG: Therapieunterbringungsgesetz ; THV: Verordnung über die Verwendung von Extraktionslösungsmitteln und anderen technischen Hilfsstoffen bei der Herstellung von Lebensmitteln (Technische Hilfsstoff-Verordnung) ; THW: Bundesanstalt Technisches Hilfswerk ; THWG: Gesetz über das Technische Hilfswerk ; THWMitwV: Verordnung über die Mitwirkung der Helferinnen und Helfer im Technischen Hilfswerk (THW-Mitwirkungsverordnung) ; TIEA: Tax Information Exchange Agreements ; TiefseebergbauG: Tiefseebergbaugesetz ; TierErzHaVerbG: Tiererzeugnisse-Handels-Verbotsgesetz ; TierGesBußG: Gesetz zur Durchsetzung tiergesundheitsrechtlicher und bestimmter kontrollrechtlicher Vorschriften der Europäischen Union (Tiergesundheitsrechtliches Bußgeldgesetz) ; TierGesG: Gesetz zur Vorbeugung vor und Bekämpfung von Tierseuchen (Tiergesundheitsgesetz) ; TierHaltKennzG: Gesetz zur Kennzeichnung von Lebensmitteln mit der Haltungsform der Tiere, von denen die Lebensmittel gewonnen wurden (Tierhaltungskennzeichnungsgesetz) ; TierImpfStV: Tierimpfstoff-Verordnung (siehe Tierarzneimittel) ; TierKBG: Tierkörperbeseitigungs-Gesetz (Gesetz über die Beseitigung von Tierkörpern, Tierkörperteilen und tierischen Erzeugnissen) ; Tier-LMHV: Verordnung über Anforderungen an die Hygiene beim Herstellen, Behandeln und Inverkehrbringen von bestimmten Lebensmitteln tierischen Ursprungs (Tierische Lebensmittel-Hygieneverordnung) ; Tier-LMÜV: Verordnung zur Regelung bestimmter Fragen der amtlichen Überwachung des Herstellens, Behandelns und Inverkehrbringens von Lebensmitteln tierischen Ursprungs (Tierische Lebensmittel-Überwachungsverordnung) ; TierNebG: Tierische Nebenprodukte-Beseitigungsgesetz ; TierSchG: Tierschutzgesetz (Deutschland) ; TierSchHuV: Tierschutz-Hundeverordnung ; TierSchKomV: Tierschutzkommissions-Verordnung (Verordnung über die Tierschutzkommission beim Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz) ; TierSchlV: Tierschutz-Schlachtverordnung (Verordnung zum Schutz von Tieren im Zusammenhang mit der Schlachtung oder Tötung) ; TierSchNutztV: Verordnung zum Schutz landwirtschaftlicher Nutztiere und anderer zur Erzeugung tierischer Produkte gehaltener Tiere bei ihrer Haltung (Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung) ; TierSchTrV: Verordnung zum Schutz von Tieren beim Transport und zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 1/2005 des Rates (Tierschutztransportverordnung) (siehe Tiertransport#Europäische Union) ; TierSG: Tierseuchengesetz (Deutschland) (aufgehoben; abgelöst am 1. Mai 2014 durch das Tiergesundheitsgesetz) ; TierVerbG: Gesetz zur Verbesserung der Rechtsstellung des Tieres im bürgerlichen Recht ; TierZDV: Verordnung zur Durchführung des Tierzuchtgesetzes (Tierzuchtdurchführungsverordnung) ; TierZG: Gesetz über Maßnahmen auf dem Gebiete der tierischen Erzeugung (Tierzuchtgesetz) ; TIN: Tax Identification Number (dt.: Steuerliche Identifikationsnummer) ; TIntG: Gesetz zur Förderung der gesellschaftlichen Teilhabe und Integration in Nordrhein-Westfalen (Teilhabe- und Integrationsgesetz NRW) ; TIR: Transports Internationaux Routiers, ein Zolldokument ; TKG: Telekommunikationsgesetz (Deutschland) oder Telekommunikationsgesetz (Österreich) ; TKK: Telekom-Control-Kommission (Österreich) ; TKMoG: Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2018/1972 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2018 über den europäischen Kodex für die elektronische Kommunikation (Neufassung) und zur Modernisierung des Telekommunikationsrechts (Telekommunikationsmodernisierungsgesetz) ; TKMR: Telekommunikations- & Medienrecht (Zeitschrift) ; TKMV: Verordnung über die Mindestanforderungen für das Recht auf Versorgung mit Telekommunikationsdiensten (TK-Mindestversorgungsverordnung) ; TKÜ: Telekommunikationsüberwachung ; TKÜV: Telekommunikations-Überwachungsverordnung ; TKV: Telekommunikationskundenschutzverordnung ; TLJ: Transatlantic Law Journal (Zeitschrift) ; TLMV: Verordnung über tiefgefrorene Lebensmittel ; TLT: Markenrechtsvertrag (engl.: ) ; TM: Tatmehrheit oder Trainingsmaßnahme oder Unregistered Trade Mark ; TMG: Telemediengesetz ; TOA: Täter-Opfer-Ausgleich ; TÖB (auch TöB): Träger öffentlicher Belange ; TP: Tarifpost des Gebührengesetzes (Österreich) ; TPG: Transplantationsgesetz ; TPS: Trassenpreissystem ; TR: Technische Regeln ; TRA: Technische Regeln für Aufzüge ; TRACES: TRAde Control and Expert System (TRACES) ; TraFinG (auch TrafinG Gw): Gesetz zur europäischen Vernetzung der Transparenzregister und zur Umsetzung der Richtlinie 2019/1153 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 zur Nutzung von Finanzinformationen für die Bekämpfung von Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung und sonstigen schweren Straftaten (Transparenzregister- und Finanzinformationsgesetz) ; TransparenzG: Gesetz zur Transparenz über die Kosten der Stilllegung und des Rückbaus der Kernkraftwerke sowie der Verpackung radioaktiver Abfälle (Transparenzgesetz) ; TranspG: Transparenzgesetz oder Bundesgesetz über die Transplantation von Organen, Geweben und Zellen (Transplantationsgesetz) (Schweiz) ; TransPuG: Transparenz- und Publizitätsgesetz ; transpr (TranspR): Transportrecht (Zeitschrift) ; TRBA: Technische Regeln für Biologische Arbeitsstoffe (siehe Biologischer Arbeitsstoff) ; TRBf: Technische Regeln für brennbare Flüssigkeiten ; TRBS: Technische Regeln für Betriebssicherheit ; TrDüV: Verordnung zur Datenübermittlung durch Mitteilungsverpflichtete und durch den Betreiber des Unternehmensregisters an das Transparenzregister (Transparenzregisterdatenübermittlungsverordnung) ; TrEinV: Verordnung über die Einsichtnahme in das Transparenzregister (Transparenzregistereinsichtnahmeverordnung) ; TREMF: Technische Regeln zur Arbeitsschutzverordnung zu elektromagnetischen Feldern ; TreuhUmbenV: Verordnung über die Umbenennung und die Anpassung von Zuständigkeiten der Treuhandanstalt (Treuhandanstaltumbenennungsverordnung) ; TRG: Transportrechtsreformgesetz 1998 ; TrGebV: Transparenzregistergebührenverordnung ; TRGS: Technische Regeln für Gefahrstoffe ; TrinkwEGV: Verordnung über Einzugsgebiete von Entnahmestellen für die Trinkwassergewinnung (Trinkwassereinzugsgebieteverordnung) ; TrinkwV: Trinkwasserverordnung ; TRIPS: Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (Österreich: Abkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des Geistigen Eigentums) oder TRIPS-Abkommen (englisch , franz. ) ; TRK: Technische Richtkonzentration ; TRLV: Technische Regeln zur Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung ; TROS: Technische Regeln zur Arbeitsschutzverordnung zu künstlicher optischer Strahlung ; TRS: Technischer Regulierungsstandard (englisch: Regulatory Technical Standard – RTS) ; TrUG: Treuunternehmensgesetz (Liechtenstein) ; TS: Totalschaden oder Tagessatz ; TSchG: Tierschutzgesetz (Schweiz) oder Bundesgesetz für den Schutz der Tiere (Tierschutzgesetz) (Österreich) ; TSchV: Tierschutzverordnung (Schweiz) ; TSG: Transsexuellengesetz oder Tierseuchengesetz (Österreich) oder Tierseuchengesetz (Schweiz) ; TSI: Technische Spezifikation für die Interoperabilität ; TSK: Tierseuchenkasse ; TspV: Verordnung über die Zulassung des Befahrens der Eder- und der Diemeltalsperre sowie die Abwehr strom- und schifffahrtspolizeilicher Gefahren (Talsperrenverordnung) ; TSS: Traditionsschifferschein ; TStG: Tabaksteuergesetz (Schweiz) (siehe Tabaksteuer (Schweiz)) ; TSVG: Terminservice- und Versorgungsgesetz ; TTDSG: Telekommunikations-Telemedien-Datenschutzgesetz ; TTE: Rat für Verkehr, Telekommunikation und Energie der EU (engl.: Transport, Telecommunications and Energy Council) ; TPP: Drittdienste im Zahlungsverkehr (engl.: third party payments providers) ; TÜ: Telekommunikationsüberwachung ; TUG: Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz ; TuP: Zeitschrift „Theorie und Praxis der sozialen Arbeit“ ; TürkeiErdbebenAufenthÜV: Verordnung zur vorübergehenden Befreiung vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels für anlässlich des Erdbebens vom 6. Februar 2023 eingereiste türkische Staatsangehörige (Türkei-Erdbeben-Aufenthalts-Übergangsverordnung) ; TV: Tarifvertrag oder Testamentsvollstrecker ; t. v. A.: teilweise vertretene Ansicht ; TVA: Tarif- und Verkehrsanzeiger oder Technische Verordnung über Abfälle (Schweiz) ; TVA-L BBiG: Tarifvertrag für Auszubildende der Länder in Ausbildungsberufen nach dem Berufsbildungsgesetz ; TVA-L Pflege: Tarifvertrag für Auszubildende der Länder in Pflegeberufen ; TVAöD: Tarifvertrag für Auszubildende des öffentlichen Dienstes ; TVG: Tarifvertragsgesetz ; TVGDV: Verordnung zur Durchführung des Tarifvertragsgesetzes ; TVgG NRW: Gesetz über die Sicherung von Tariftreue und Sozialstandards sowie fairen Wettbewerb bei der Vergabe öffentlicher Aufträge (Tariftreue- und Vergabegesetz Nordrhein-Westfalen) ; TV-L: Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder ; TVöD: Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst ; Tz.: Teilziffer oder Teilzeit oder Textziffer ; TzBfG: Teilzeit- und Befristungsgesetz
; UA: Untersuchungsausschuss oder Urkundenarchiv ; UA-GebS: Gebührensatzung für das Elektronische Urkundenarchiv ; UAbs.: Unterabsatz ; UAG: Gesetz zur Ausführung der Verordnung (EG) Nr. 1221/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 über die freiwillige Teilnahme von Organisationen an einem Gemeinschaftssystem für Umweltmanagement und Umweltbetriebsprüfung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 761/2001, sowie der Beschlüsse der Kommission 2001/681EG und 2006/193/EG (Umweltauditgesetz) ; ÜAnlG: Gesetz über überwachungsbedürftige Anlagen ; UB: Unterstützte Beschäftigung oder Universitätsbibliothek oder Untersuchungsbezirk oder Untersuchungsbereich ; UBA: Umweltbundesamt (Deutschland) oder Umweltbundesamt (Österreich) ; UBAS: Unabhängiger Bundesasylsenat (Österreich) ; UbG: Unterbringungsgesetz, siehe Unterbringungsgesetz (Österreich) ; UBG: Gesetz über die Unterhaltshilfe für Angehörige von Kriegsgefangenen ; UBGG: Unternehmensbeteiligungsgesellschaftsgesetz (Gesetz über Unternehmensbeteiligungsgesellschaften) ; UBI: UKW-Sprechfunkzeugnis für den Binnenschifffahrtsfunk ; UBRegG: Gesetz zur Errichtung und Führung eines Registers über Unternehmensbasisdaten und zur Einführung einer bundeseinheitlichen Wirtschaftsnummer für Unternehmen (Unternehmensbasisdatenregistergesetz) ; UBS: Unabhängige Bewertungsstelle ; UBSKM: Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs ; UBSKMG: Gesetz zur Einrichtung der oder des Unabhängigen Bundesbeauftragten gegen sexuellen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen (Antimissbrauchsbeauftragtengesetz) ; UBWV: Unterrichtsblätter für die Bundeswehrverwaltung (Zeitschrift) ; Übk.: Übereinkommen ; UCC: Welturheberrechtsabkommen (engl.: ) oder Union Customs Code (dt.: Zollkodex der Union (UZK)) ; UCLAF: (dt.: Dienststelle für die Koordinierung der Betrugsbekämpfung) (Vorgängerorganisation zur OLAF) ; UdG: Urkundsbeamter der Geschäftsstelle ; UDS: Unfalldatenspeicher ; UDV: Unfallforschung der Versicherer ; UE: Ursprungserklärung ; UERV: Verordnung zur Anrechnung von Upstream-Emissionsminderungen auf die Treibhausgasquote ; UFF: Unterfrachtführer ; UFG: Umweltförderungsgesetz (Österreich) ; UFITA: Archiv für Urheber- und Medienrecht (Zeitschrift) ; ÜG: Überweisungsgesetz oder Überbrückungsgeld (Existenzgründung) ; ÜNB: Übertragungsnetzbetreiber (engl.: ) ; ÜNSchutzV: Verordnung zum Schutz von Übertragungsnetzen ; UG: Unternehmergesellschaft oder Unterbringungsgesetz (siehe Unterbringungsgesetz (Deutschland)) oder Untergeschoss oder Untergemeinschaft oder Universitätsgesetz 2002 (Österreich) ; UGP: Unlautere Geschäftspraktiken ; UGB: Unternehmensgesetzbuch in Österreich oder Umweltgesetzbuch ; U-Haft: Untersuchungshaft ; UHG (UmweltHG): Umwelthaftungsgesetz ; uHP: unlautere Handelspraktiken ; UHV: Umwelthaftpflichtversicherung ; UhVorschG: Gesetz zur Sicherung des Unterhalts von Kindern alleinstehender Mütter und Väter durch Unterhaltsvorschüsse oder -ausfallleistungen (Unterhaltsvorschussgesetz) ; UhrmAusbV 2001: Verordnung über die Berufsausbildung zum Uhrmacher/zur Uhrmacherin ; UhrmMstrV: Verordnung über das Meisterprüfungsberufsbild und über die Prüfungsanforderungen in den Teilen I und II der Meisterprüfung im Uhrmacher-Handwerk ; UIC: Internationaler Eisenbahnverband (franz.: , engl.: ) ; UID: Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (Österreich) ; UIG: Umweltinformationsgesetz (Deutschland) oder Umweltinformationsgesetz (Österreich) oder Umweltinformationsgesetz (eines deutschen Bundeslandes; z. B. UIG NRW) ; UIGGebV: Umweltinformationskostenverordnung ; UINL: Internationale Union des Notariats (franz.: ) (früher: Internationale Union des Lateinischen Notariats) ; UIRL: Richtlinie 2003/4/EG (Umweltinformationsrichtlinie) ; UK: United Kingdom oder Unabkömmlichstellung ; UK-Bund: Unfallkasse des Bundes ; UKG: Gesetz zur Bekämpfung der Umweltkriminalität ; UKlaG: Unterlassungsklagengesetz ; UkraineAufenthÜV: Verordnung zur vorübergehenden Befreiung vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels von anlässlich des Krieges in der Ukraine eingereisten Personen (Ukraine-Aufenthalts-Übergangsverordnung) ; UKuR: Ukraine-Krieg und Recht (Zeitschrift) ; UkV: Unabkömmlichstellungsverordnung (Verordnung über die Zuständigkeit und das Verfahren bei der Unabkömmlichstellung) ; U. m. A.: Urschriftlich mit Akten ; umA: unbegleiteter minderjähriger Ausländer ; UMA: Untersuchung des Motormanagements und Abgasreinigungssystems ; UMAG: Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts ; UMB: Unfallmerkblatt ; UMDNS: Universal Medical Device Nomenclatur System (siehe UMDNS) ; UMK: Umweltministerkonferenz ; UmRUG: Gesetz zur Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie und zur Änderung weiterer Gesetze vom 22. Februar 2023 ; UMS: Umweltmanagementsystem ; UmstG: Drittes Gesetz zur Neuordnung des Geldwesens (Umstellungsgesetz) ; UmstRückstG: Gesetz über die Bildung von Rückstellungen in der Umstellungsrechnung der Geldinstitute, Versicherungsunternehmen und Bausparkassen und in der Altbankenrechnung der Berliner Altbanken ; umstr.: umstritten ; UmwandlGV HE: Verordnung über den Genehmigungsvorbehalt für die Begründung von Wohnungs- oder Teileigentum und zur Bestimmung der Gebiete mit angespannten Wohnungsmärkten nach dem Baugesetzbuch (Umwandlungsgenehmigungs- und Gebietsbestimmungsverordnung) (Hessen) ; UmwandV: Verordnung über einen Genehmigungsvorbehalt gemäß § 250 Absatz 1 Satz 1 des Baugesetzbuchs für die Begründung oder Teilung von Wohnungseigentum (Deutschland) oder Teileigentum in Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten (Umwandlungsverordnung nach § 250 BauGB) (Berlin) ; UmwAusbV: Verordnung über die Berufsausbildung in den umwelttechnischen Berufen ; UmwG: Umwandlungsgesetz ; UmwRBehG (UmwRG): Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz ; UmwStG: Umwandlungssteuergesetz ; UN: Vereinte Nationen () ; UnbBeschErtV: Verordnung über das Verfahren bei der Erteilung von Unbedenklichkeitsbescheinigungen für andere Spiele im Sinne des § 33d Abs. 1 der Gewerbeordnung (Verordnung zur Erteilung von Unbedenklichkeitsbescheinigungen) ; UN-BRK: Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (kurz: UN-Behindertenrechtskonvention) ; UN-Ch: Charta der Vereinten Nationen ; UNCCD: Übereinkommen der Vereinten Nationen zur Bekämpfung der Wüstenbildung (engl.: United Nations Convention to Combat Desertification in those Countries Experiencing Serious Drought and/or Desertification, particularly in Africa) ; UNCED: Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung (engl.: ) ; UNCITRAL: Kommission der Vereinten Nationen für internationales Handelsrecht ; UNCLOS: (siehe Seerechtsübereinkommen) ; UNCTAD: Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (kurz: Welthandels- und Entwicklungskonferenz; engl.: ; franz.: ) ; UNDCP: Internationales Drogenkontrollprogramm der Vereinten Nationen (engl.: United Nations International Drug Control Programme – UNDCP) ; UNDRO: (UNDRO) (Organisation der Vereinten Nationen für Katastrophenhilfe) ; UNEP: Umweltprogramm der Vereinten Nationen (engl.: United Nations Environment Programme – UNEP; französisch: Programme des Nations unies pour l’environnement – PNUE) ; UNESCO: United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization (UNESCO, dt. Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur) ; UNFCCC: Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (engl.: United Nations Framework Convention on Climate Change – UNFCCC) ; UNGA: Generalversammlung der Vereinten Nationen (engl.: ) ; UNHCR: Hoher Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (engl.: United Nations High Commissioner for Refugees) ; UNHRC: UN-Menschenrechtsrat (engl.: United Nations Human Rights Council, kurz: UNHRC) ; UniBwLeistBV: Leistungsbezügeverordnung UniBW (Verordnung über die Leistungsbezüge und Zulagen an den Universitäten der Bundeswehr) ; UNIDO: Organisation der Vereinten Nationen für industrielle Entwicklung (engl.: United Nations Industrial Development Organization – UNIDO, französische/spanische Abkürzung ONUDI) ; UniStG: Universitäts-Studiengesetz (Österreich) (aufgehoben) ; UN-KindK: UN-Konvention über die Rechte der Kinder (siehe Kinderrechtskonvention) ; UNO: United Nations Organisation oder: United Nations Organization (= Vereinte Nationen) ; UNODC: Büro der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (englisch: United Nations Office on Drugs and Crime -UNODC) ; UNS: UN-Sekretariat (engl.: United Nations Secretariat) ; UNSC: United Nations Security Council (siehe Sicherheitsrat der Vereinten Nationen) ; UNSCEAR: Wissenschaftlicher Ausschuss der Vereinten Nationen zur Untersuchung der Auswirkungen der atomaren Strahlung (engl.: ) ; UNSG: Generalsekretär der Vereinten Nationen ; UNSNA: System of National Accounts (veraltet, heute: SNA) ; UNTC: Vertragssammlung der Vereinten Nationen (engl.: ) ; UNTS: Vertragsserie der UNO (engl.: ) ; UntStFG: Gesetz zur Fortentwicklung des Unternehmenssteuerrechts ; UntStReisekÄndG: Gesetz zur Änderung und Vereinfachung der Unternehmensbesteuerung und des steuerlichen Reisekostenrechts ; UntStRG: Unternehmenssteuerreformgesetz 2018 ; UNWTO: Welttourismusorganisation (engl.: ) ; UPD: Stiftung Unabhängige Patientenberatung Deutschland ; UPR: Umwelt- und Planungsrecht (Zeitschrift) ; UPU: Weltpostverein (für engl.: Universal Postal Union – UPU) (franz.: ) ; ÜPF: Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (Schweiz) (siehe Schweizer Nachrichtendienste) ; UR: Urkundenrolle oder Umsatzsteuer-Rundschau (Zeitschrift) oder Untersuchungsrichter oder Unternehmensregister ; URG: Bundesgesetz über das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (Schweiz) ; UrhG: Urheberrechtsgesetz (Deutschland) oder Urheberrecht (Österreich) ; UrhDaG: Gesetz über die urheberrechtliche Verantwortlichkeit von Diensteanbietern für das Teilen von Online-Inhalten (Urheberrechts-Diensteanbieter-Gesetz) ; UrhBiMaG: Gesetz zur Anpassung des Urheberrechts an die Erfordernisse des digitalen Binnenmarktes ; UrhWG (auch UrhWahrnG): Urheberrechtswahrnehmungsgesetz (bis zum 31. Mai 2016; abgelöst seit dem 1. Juni 2016 durch Verwertungsgesellschaftengesetz) ; UrkB: Urkundsbeamter ; UrlG: Urlaubsgesetz (Österreich) ; URV: Unternehmensregisterverordnung (Verordnung über das Unternehmensregister) oder Verordnung über das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (Urheberrechtsverordnung) (Schweiz) ; USchadG: Umweltschadensgesetz ; USG: Unterhaltssicherungsgesetz oder Bundesgesetz über den Umweltschutz (Umweltschutzgesetz Schweiz) ; US-GAAP: United States Generally Accepted Accounting Principles (Allgemein anerkannte Rechnungslegungsgrundsätze) ; USIC: United States International Trade Commission (dt.: Kommission für internationalen Handel der Vereinigten Staaten) ; USPTO: United States Patent and Trademark Office ; USR: Unternehmenssteuerreform (Schweiz) ; USSC: Oberster Gerichtshof der Vereinigten Staaten () ; USt: Umsatzsteuer oder Umsatzsteuer (Österreich) ; UStAE: Umsatzsteuer-Anwendungserlass ; UStÄndG: Umsatzsteuer-Änderungsgesetz ; UStatG: Umweltstatistikgesetz ; UStB: Der Umsatzsteuer-Berater (Zeitschrift) ; UStDB: Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz ; UStDV: Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung ; UStErstV: Umsatzsteuererstattungsverordnung (Verordnung über die Erstattung von Umsatzsteuer an ausländische ständige diplomatische Missionen und ihre ausländische Mitglieder) ; UStG: Umsatzsteuergesetz (Deutschland) oder Umsatzsteuergesetz (Österreich) (siehe Umsatzsteuer (Österreich)) ; USt-IdNr.: Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (Deutschland) ; UStKongrBericht: Umsatzsteuerkongress-Bericht ; UStR: Umsatzsteuerrichtlinien oder Umsatzsteuer-Rundschau (Zeitschrift) ; UStSchlFestV: Umsatzsteuerschlüsselzahlenfestsetzungsverordnung ; UntStReformG: Unternehmensteuerreformgesetz ; UStVA: Umsatzsteuer-Voranmeldung (Deutschland) oder Umsatzsteuer-Voranmeldung (Österreich) ; UStZustV (auch UStZV): Verordnung über die örtliche Zuständigkeit für die Umsatzsteuer im Ausland ansässiger Unternehmer (Umsatzsteuerzuständigkeitsverordnung) ; USV: Uniformschutzverordnung (Österreich) ; UTB: Uni-Taschenbücher ; UTP: Unfair Trading Practices ; UTP-RL: Richtlinie (EU) 2019/633 über unlautere Handelspraktiken in den Geschäftsbeziehungen zwischen Unternehmen in der Agrar- und Lebensmittelversorgungskette (UTP-Richtlinie) ; UTR: Schriftenreihe „Umwelt- und Technikrecht“ (Hrsg.: Institut für Umwelt- und Technikrecht der Uni Trier (IUTR)) oder Umwelt- und Technikrecht ; UUG: Bundesgesetz über die unabhängige Sicherheitsuntersuchung von Unfällen und Störungen (Unfalluntersuchungsgesetz) (Österreich) ; UV: Unfallversicherung ; UVAL: Unfallversicherung für Arbeitslose (Schweiz) ; UVAV: Verordnung über die Anzeige von Versicherungsfällen in der gesetzlichen Unfallversicherung (Unfallversicherungs-Anzeigenverordnung) ; UVB: Unfallversicherung Bund und Bahn ; UVBBErG: Gesetz zur Errichtung der Unfallversicherung Bund und Bahn ; UVEG: Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz ; UVEK: Eidgenössisches Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (franz. , ital. , rät. Departament federal per ambient, traffic, energia e communicaziun) ; UVG: Unterhaltsvorschussgesetz oder Unfallversicherungsgesetz (Schweiz) oder Unfallversicherungsgesetz (Deutsches Reich) (von 1884; abgelöst 1911 durch die Reichsversicherungsordnung) ; UVgO: Verfahrensordnung für die Vergabe öffentlicher Liefer- und Dienstleistungsaufträge unterhalb der EU-Schwellenwerte (Unterschwellenvergabeordnung) ; UVMG: Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Unfallversicherung (Unfallversicherungsmodernisierungsgesetz) ; UVollzG: Untersuchungshaftvollzugsgesetz ; UVollzO: Untersuchungshaftvollzugsordnung ; UVP: Umweltverträglichkeitsprüfung oder Umweltverträglichkeitsprüfung in der Schweiz ; UVPG: Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung ; UVPV: Verordnung über die Umweltverträglichkeitsprüfung (Schweiz) (siehe Umweltverträglichkeitsprüfung in der Schweiz) ; UVR: Umsatz- und Verkehrssteuer-Recht (Zeitschrift) ; UVS: Unabhängiger Verwaltungssenat (Österreich) oder Umweltverträglichkeitsstudie ; UVSV: Verordnung zum Schutz vor schädlichen Wirkungen künstlicher ultravioletter Strahlung (UV-Schutz-Verordnung) ; UVT: Unfallversicherungsträger (Deutschland) ; UVV: Unfallverhütungsvorschriften ; UVZ: Urkundenverzeichnis ; UWG: Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb oder Unabhängige Wählergemeinschaft ; UZ: Ursprungszeugnis oder Untersuchungszentrale der Bundesstelle für Eisenbahnunfalluntersuchung ; UZK: Zollkodex der Union ; ÜZV: Verordnung zur Regelung einer Übergangszahlung an Beamte ; UZwGBw: Gesetz über die Anwendung unmittelbaren Zwanges und die Ausübung besonderer Befugnisse durch Soldaten der Bundeswehr und verbündeter Streitkräfte sowie zivile Wachpersonen ; UZwG: Unmittelbarer Zwang-Gesetz
; V.: Verfügung oder Verkäufer ; v., v: versus: Durch den Buchstaben werden besonders in common-law-Rechtsordnungen die Parteien eines Rechtsstreites in dessen offizieller Bezeichnung voneinander getrennt, zum Beispiel Brown v. Board of Education. In zivilrechtlichen Fällen wird „v.“ als ‚and‘ gesprochen. In den Vereinigten Staaten steht nach dem Buchstaben v ein Punkt, in England und Wales nicht. ; VA: Vermittlungsausschuss oder Verwaltungsakt (Deutschland) oder Versorgungsausgleich oder Vollstreckungsauftrag oder Verkehrsrecht aktuell (Zeitschrift) oder Verwaltungsausschuss oder Verfahrensanweisung oder Versorgungsamt oder vollstreckbare Ausfertigung oder Vermögensauskunft oder Volksanwaltschaft (Österreich) ; VAböV: Verordnung über die technischen Anforderungen an die behindertengerechte Gestaltung des öffentlichen Verkehrs (Schweiz) ; VAbstG: Gesetz über Volksabstimmung, Volksbegehren und Volksantrag (Volksabstimmungsgesetz) (Baden-Württemberg) oder Hamburgisches Gesetz über Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid (Volksabstimmungsgesetz) oder Niedersächsisches Gesetz über Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid (Niedersächsisches Volksabstimmungsgesetz) oder Volksabstimmungsgesetz (Saarland) oder Gesetz über das Verfahren bei Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid (Volksabstimmungsgesetz) (Sachsen-Anhalt) oder Gesetz über Initiativen aus dem Volk, Volksbegehren und Volksentscheid (Volksabstimmungsgesetz) (Schleswig-Holstein) ; VAbstO: Volksabstimmungsordnung (Saarland) ; VÄndG: Vertragsarztrechtsänderungsgesetz ; VaG: Gesetz zur Ausführung von Initiativen aus dem Volk, Volksbegehren und Volksentscheid in Mecklenburg-Vorpommern (Volksabstimmungsgesetz) ; VAG: Versicherungsaufsichtsgesetz ; VAGBbg: Gesetz über das Verfahren bei Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid (Volksabstimmungsgesetz) (Brandenburg) ; VAHR: Versorgungsausgleich-Härtegesetz (Gesetz zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich) ; VAM: Virtueller Arbeitsmarkt oder Vermögensabschöpfende Maßnahmen (siehe u. a. Finanzkontrolle Schwarzarbeit der Bundeszollverwaltung) ; VAO (auch VRAO): Verkehrsrechtliche Anordnung ; VASA: Verordnung über die Abgabe zur Sanierung von Altlasten (Schweiz) ; VAStrRefG: Gesetz zur Strukturreform des Versorgungsausgleiches ; VAT: (siehe Umsatzsteuer) ; vAw: von Amts wegen ; VAwS: Wassergefährdende-Stoffe-Anlagenverordnung (Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen und über Fachbetriebe) ; VAUwS: Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen ; VB: Verfassungsbeschwerde oder Vollstreckungsbescheid oder Verkehrsbehörde oder Verwaltungsbehörde oder Vollstreckungsbehörde oder Volksbegehren (Deutschland) oder Volksbegehren (Österreich) ; VbA: Verordnung biologische Arbeitsstoffe (Österreich) ; VBBo: Verordnung über Belastungen des Bodens (Schweiz) ; VbF: Verordnung über brennbare Flüssigkeiten ; VBG: Verwaltungs-Berufsgenossenschaft ; VBGL: Vertragsbedingungen für den Güterkraftverkehrs-, Speditions- und Logistikunternehmer ; VBI: Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht ; VBl.: Verwaltungsblatt oder Verkehrsblatt (Zeitschrift) ; VBL: Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder ; VBlBW: Verwaltungsblätter für Baden-Württemberg ; VböV: Verordnung über die behindertengerechte Gestaltung des öffentlichen Verkehrs (Schweiz) ; VBP: Biozidprodukteverordnung (Schweiz) ; VbrInsVV: Verbraucherinsolvenzvordruckverordnung ; VBR-IStGH: Verfahrens- und Beweisordnung des IStGH (Internationaler Strafgerichtshof) ; VBS: Eidgenössisches Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (Schweiz) (franz. , ital. , rät. Departament federal da defensiun, protecziun da la populaziun e sport) ; VBVG: Vormünder- und Betreuervergütungsgesetz ; VCG: Venture-Capital-Gesellschaft (siehe Private Equity) ; VCLT: Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge vom 23. Mai 1969 (WÜRV; auch: Wiener Vertragsrechtskonvention (WVK); engl. ) ; VD: Verkehrsdienst (Fachzeitschrift) ; VDA: Vertrauensdiensteanbieter ; VDG: Vertrauensdienstegesetz ; VDJ: Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen e. V. ; VDL: Bundesverband Deutscher Landwirte e. V. ; VDR: Verband Deutscher Rentenversicherungsträger ; VDR INFO: Informationsdienst des VDR ; VDS: Vorratsdatenspeicherung ; VDuG: Gesetz zur gebündelten Durchsetzung von Verbraucherrechten (Verbraucherrechtedurchsetzungsgesetz) ; VDV: Verband Deutscher Verkehrsunternehmen ; VE: Vertragsentwurf oder Verfassungsentwurf oder Vieheinheit oder Verpflichtungsermächtigung (engl.: ; franz.: ) oder Volksentscheid ; VEP: Verkehrsentwicklungsplan oder Vorhaben- und Erschließungsplan ; VerbotsG: Verbotsgesetz 1947 (Österreich) ; VerbrKrG: Verbraucherkreditgesetz (Deutschland) ; VerbrVerbG: Gesetz zur Überwachung strafrechtlicher und anderer Verbringungsverbote ; Verdi: Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ; VereinsG: Vereinsgesetz (Deutschland) ; VerG: Vereinsgesetz 2002 (Österreich) ; VerglO: Vergleichsordnung (aufgehoben; Verfahren jetzt geregelt in der Insolvenzordnung (Deutschland)) ; Verf.: Verfassung oder Verfahren oder Verfügung ; VerfG: Verfassungsgericht ; VerfGH: Verfassungsgerichtshof in deutschen Bundesländern ; VerfGH BW: Verfassungsgerichtshof für das Land Baden-Württemberg ; VerfGH NRW: Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen ; VerfGHG: Gesetz über den Verfassungsgerichtshof (mehrere Bundesländer, z. B. BaWü) ; Verf NRW: Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen ; VerfVerbG: Verfütterungsverbots-Gesetz (Gesetz über das Verbot des Verfütterns, des innergemeinschaftlichen Verbringens und der Ausfuhr bestimmter Futtermittel) ; VergabeR: Vergaberecht (Zeitschrift) ; VergRModG: Gesetz zur Modernisierung des Vergaberechts (Vergaberechtsmodernisierungsgesetz) ; VergStatVO: Verordnung zur Statistik über die Vergabe öffentlicher Aufträge und Konzessionen (Vergabestatistikverordnung) ; VerkA: Der Verkehrsanwalt (Zeitschrift) ; VerkLG: Gesetz zur Sicherung von Verkehrsleistungen (Verkehrsleistungsgesetz) ; VerkMitt: Verkehrsrechtliche Mitteilungen ; VerkPBG: Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetz ; VerkProspG: Verkaufsprospektgesetz ; VerkPrV: Verordnung über die Prüfung zum anerkannten Abschluss Geprüfter Verkehrsfachwirt/Geprüfte Verkehrsfachwirtin [aufgehoben; ersetzt durch Verordnung über die Prüfung zum anerkannten Fortbildungsabschluss Geprüfter Fachwirt für Güterverkehr und Logistik und Geprüfte Fachwirtin für Güterverkehr und Logistik (GütVerkFwFortbV)] ; VerkSiG (auch VSG): Gesetz zur Sicherstellung des Verkehrs (Verkehrssicherstellungsgesetz) ; VerkStatG: Gesetz über die Statistik der See- und Binnenschifffahrt, des Güterkraftverkehrs, des Luftverkehrs sowie des Schienenverkehrs und des gewerblichen Straßen-Personenverkehrs (Verkehrstatistikgesetz) ; VerlG: Verlagsgesetz ; VermAnlG: Gesetz über Vermögensanlagen (Vermögensanlagengesetz) ; VermBDV: Vermögensbildungs-Durchführungsverordnung (Verordnung zur Durchführung des Vermögensbildungsgesetzes) ; VermBG: Vermögensbildungsgesetz (Gesetz zur Vermögensbildung der Arbeitnehmer) ; VermG: Vermögensgesetz (Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen) oder Vermessungsgesetz (Österreich) ; VermKatG: Vermessungs- und Katastergesetz (z. B. in NRW) ; VermVV: Verordnung über das Vermögensverzeichnis (Vermögensverzeichnisverordnung) ; VerpackG: Verpackungsgesetz ; VerpackV: Verpackungsverordnung Deutschland (aufgehoben zum 1. Januar 2019; abgelöst durch Verpackungsgesetz) ; VerpackVO: Verpackungsverordnung Österreich ; VerpflG: Verpflichtungsgesetz (Gesetz über die förmliche Verpflichtung nichtbeamteter Personen) ; Vers.: Versicherung ; VersammlG (VersG): Versammlungsgesetz (Deutschland) oder Versammlungsgesetz 1953 (Österreich) ; VerSanG: Verbandssanktionengesetz ; VersatzV: Verordnung über den Versatz von Abfällen unter Tage; Verwertung von Abfällen als Versatzmaterial unter Tage (Versatzverordnung) ; VersAusgl-AnzV: Verordnung über die Anzeigen von Versicherungsunternehmen und Pensionsfonds zur Ausgliederung von Funktionen und Versicherungstätigkeiten (Versicherungs-Ausgliederungsanzeigenverordnung) ; VersAusglG: Versorgungsausgleichsgesetz (siehe Versorgungsausgleich) ; VersAusglKassG: Gesetz über die Versorgungsausgleichskassen (siehe Versorgungsausgleich) ; VersFinKfAusbV: Verordnung über die Berufsausbildung zum Kaufmann für Versicherungen und Finanzen/zur Kauffrau für Versicherungen und Finanzen ; VersG (VersammlG): Versammlungsgesetz (Deutschland) oder Versammlungsgesetz 1953 (Österreich) ; VerschG: Verschollenheitsgesetz ; VersR: Versicherungsrecht (Zeitschrift) oder Versicherungsrecht ; VersRücklG: Versorgungsrücklagegesetz (Gesetz über eine Versorgungsrücklage des Bundes) ; VersRuhG: Gesetz über das Ruhen von Ansprüchen aus Sonder- und Zusatzversorgungssystemen (Versorgungsruhensgesetz) ; VersStDV: Versicherungssteuer-Durchführungsverordnung (Durchführungsverordnung zum Versicherungsteuergesetz) ; VersStG: Versicherungsteuergesetz oder Versicherungsteuergesetz (Österreich) ; VersTierMeldV: Versuchstiermeldeverordnung (Verordnung über die Meldung zu Versuchszwecken oder zu bestimmten anderen Zwecken verwendeter Wirbeltiere) ; VersTierAufzKennzV: Verordnung über Aufzeichnungen über Versuchstiere und deren Kennzeichnung (siehe Tierversuch) ; VerstV: Verordnung über gewerbsmäßige Versteigerungen (Versteigererverordnung) ; VersVermV: Verordnung über die Versicherungsvermittlung und -beratung (Versicherungsvermittlungsverordnung) ; VerwArch.: Verwaltungsarchiv ; VerwB: Verwaltungsbehörde ; VeVA: Verordnung über den Verkehr mit Abfällen (Schweiz) ; VEXAT: Verordnung explosionsfähiger Atmosphären (Österreich) ; VfB: Verfassungsbeschwerde ; VFBAZV: Verordnung über die Zuweisungen an das Sondervermögen „Versorgungsfonds der Bundesagentur für Arbeit“ ; VfGG: Verfassungsgerichtshofgesetz (siehe Verfassungsgerichtshof (Österreich)) ; VfGH: Verfassungsgerichtshof (Österreich) ; VFR: visual flight rules (Sichtflugregeln) ; VfSlg: Sammlung der Erkenntnisse und wichtigsten Beschlüsse des Verfassungsgerichtshofes (1919–1920; Neue Folge 1921–1933, 1946 ff., Österreich) ; VG: Verwaltungsgericht oder Versicherungsgeber oder Vormundschaftsgericht ; vGA: Verdeckte Gewinnausschüttung ; VgA: Verteidigungsausschuss des Deutschen Bundestages ; VGfA: Versicherungsgesetz für Angestellte (siehe Angestelltenversicherungsgesetz) ; VGG: Verwaltungsgerichtsgesetz (Schweiz) oder Gesetz über die Wahrnehmung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten durch Verwertungsgesellschaften (Verwertungsgesellschaftengesetz) ; VGH: Verwaltungsgerichtshof (Oberverwaltungsgericht in Baden-Württemberg, Bayern und Hessen) oder (selten) Verfassungsgerichtshof ; VGHG: Gesetz über den Verfassungsgerichtshof (z. B. in NRW) ; VglWebMV: Verordnung über die Meldungen zu Zahlungskonten für die Vergleichswebsite nach dem Zahlungskontengesetz (Vergleichswebsitemeldeverordnung) ; VglWebV: Verordnung über die Anforderungen an Vergleichswebsites nach dem Zahlungskontengesetz sowie an die Akkreditierung und Konformitätsbewertung (Vergleichswebsitesverordnung) ; VGO: Vollzugsgeschäftsordnung ; VGR: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung oder Wissenschaftliche Vereinigung für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht oder Tagungsband der Wissenschaftlichen Vereinigung für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht oder Geschäftsreglement vom 17. April 2008 für das Bundesverwaltungsgericht (Schweiz) ; VGS: Vereinigte Große Senate des BGH (siehe Großer Senat) ; VGT: Deutscher Verkehrsgerichtstag oder Vormundschaftsgerichtstag ; VGÜ: Verordnung zur Gesundheitsüberwachung (Österreich) ; VgV: Vergabeverordnung ; VGWG: Landesverwaltungsgericht Wien ; v. H.: vom Hundert ; VHB: Vergabehandbuch ; VHM: Verhältnismäßigkeit ; VI: Volksinitiative oder Volksinitiative (Schweiz) ; VIA: Verbraucherinsolvenz aktuell (Zeitschrift) ; ViehVerkV: Viehverkehrsverordnung (Verordnung zum Schutz gegen die Verschleppung von Tierseuchen im Viehverkehr) ; VIES: VAT Information Exchange System (dt.: Mehrwertsteuer-Informationsaustauschsystem – MIAS) der Europäischen Kommission ; VIFG: Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft ; VIFGG: Gesetz zur Änderung des Autobahnmautgesetzes für schwere Nutzfahrzeuge und zur Errichtung einer Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft (Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesetz) (außer Kraft) ; ViGGebV: Verbraucherinformations-Gebührenverordnung (Verordnung über die Gebühren nach dem Verbraucherinformationsgesetz) ; V. i. S. d. P.: Verantwortlich im Sinne des Presserechts ; VIVBVEG: Gesetz über das Verfahren bei Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid (NRW) ; VIZ: (ehemalige juristische) Zeitschrift für Vermögens- und Immobilienrecht ; VJSchrStFR: Vierteljahresschrift für Steuer- und Finanzrecht (Zeitschrift) ; VKA: Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände ; VkBkmG: Gesetz über die Verkündung von Gesetzen und Rechtsverordnungen und über Bekanntmachungen (Verkündungs- und Bekanntmachungsgesetz) ; VKBl. (VBl.): Verkehrsblatt (Zeitschrift) ; VKG: Väterkarenzgesetz (Österreich) ; VKH: Verfahrenskostenhilfe ; VKR: Vergabekoordinierungsrichtlinie (Richtlinie 2004/18/EG) ; VKRegV: Verordnung über das Register für Verbandsklagen (Verbandsklageregisterverordnung) ; VKVV: Verordnung über die Versicherungsnummer, die Kontoführung und den Versicherungsverlauf in der gesetzlichen Rentenversicherung (Versicherungsnummern-, Kontoführungs- und Versicherungsverlaufsverordnung) ; VMordKonv: Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes (englisch: Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocide – CPPCG) (auch UN-Völkermordkonvention genannt) ; Vkz: Verkehrszentrale (siehe Nord-Ostsee-Kanal#Verkehr) ; VL: Vermögenswirksame Leistungen ; VLR: Vereinigung Liechtensteinischer Richter ; VM: Verkehrsrechtliche Mitteilungen (Zeitschrift) ; VMBG: Vereinigung der Metall-Berufsgenossenschaften ; VMC: Visual Meteorological Conditions (Sichtflugbedingungen) ; VMG: Versorgungs-medizinische Grundsätze ; VMSV: Verordnung über den militärischen Strassenverkehr (Schweiz) ; VMWG: Verordnung über die Miete und Pacht von Wohn- und Geschäftsräumen (Schweiz) (siehe Mietvertrag (Schweiz)) ; VN: Vereinte Nationen oder Versicherungsnehmer ; VNB: Verteilnetzbetreiber ; VNTerrorÜbk: Internationales Übereinkommen zur Bekämpfung nuklearterroristischer Handlungen ; VO: Verordnung oder Verordnung der EU/EG/EWG (siehe Verordnung (EU)) ; VOB: Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (neue Bezeichnung ab Neufassung 2002) oder Verdingungsordnung für Bauleistungen (Bezeichnung bis zur Neufassung) ; VOB/A: VOB Teil A (Allgemeine Bestimmungen für die Vergabe von Bauleistungen – VOB/A) ; VOB/B: VOB Teil B (Allgemeine Vertragsbedingungen für die Ausführung von Bauleistungen – VOB/B) ; VOB/C: VOB Teil C (Allgemeine Technische Vertragsbedingungen für Bauleistungen) ; VoBeG: Gesetz über Volksbegehren und Volksentscheid (Hessen) ; VOBl.: Verordnungsblatt ; VOF: Vergabeordnung für freiberufliche Leistungen ; VO Funk: Vollzugsordnung für den Funkdienst (engl.: Radio Regulations – RR) ; VO-GO: Verordnung über die gymnasiale Oberstufe ; VOH: Verkehrsopferhilfe ; VOL: Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen oder Verordnung über die Aufstellung von Durchschnittssätzen für die Ermittlung des Gewinns aus Land- und Forstwirtschaft ; Vollj.: Volljährige(r) ; VollstrPV: Verordnung über die Höhe und das Verfahren zur Erhebung einer Vollstreckungspauschale bei Inanspruchnahme von Behörden der Bundesfinanzverwaltung zur Vollstreckung öffentlich-rechtlicher Geldforderungen (Vollstreckungspauschalen-Verordnung) ; VollstrZustÜbk: Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ; VolksAbstG: Volksabstimmungsgesetz (Saarland) ; VolksEG: Gesetz über das Verfahren beim Volksentscheid (Bremen) ; Vorbem.: Vorbemerkung ; VOR: Zeitschrift für Verkehrs- und Ordnungswidrigkeitenrecht ; VorgV: Verordnung über die Regelung des militärischen Vorgesetztenverhältnisses (Vorgesetztenverordnung) ; VorlPflSchMAnwV: Verordnung zur vorläufigen Regelung der Anwendung bestimmter Pflanzenschutzmittel ; VorlV: Verordnung der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales über den Verkehr und die Gebarung mit Vorläuferstoffen (Vorläuferstoffeverordnung) (Österreich) oder Verordnung vom 29. Mai 1996 über die Vorläuferchemikalien und andere Chemikalien, die zur Herstellung von Betäubungsmitteln und psychotropen Stoffen verwendet werden (Vorläuferverordnung) (Schweiz) ; Vors.: Vorsitz(ender) ; Vorsorg/RehaSiVbgVerlV: Verordnung zur Verlängerung des Zeitraums für Vereinbarungen zur wirtschaftlichen Sicherung der Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen ; VorstAG: Vorstandsvergütungsangemessenheitsgesetz (siehe Vergütungsregister) ; VorstOG: Vorstandsvergütungs-Offenlegungsgesetz ; VOSTRA: Verordnung vom 29. September 2006 über das Strafregister (Schweiz) ; VO-UA: Verfahrensordnung für parlamentarische Untersuchungsausschüsse (Österreich) (siehe Untersuchungsausschuss#Untersuchungsausschüsse im Nationalrat) ; VPI: Verkehrspolizeiinspektion ; VP: Verträglichkeitsprüfung oder Verkehrsplan ; VpDel: Verordnung über parlamentarische Delegationen (Schweiz) ; VPS: virtuelle Poststelle ; VR: Vereinsregister oder Verwaltungsrundschau (Zeitschrift) oder Völkerrecht oder Verbraucherrecht oder Versicherer oder Verwaltungsrat (Schweiz) ; VReformG: Gesetz zur Umsetzung des Versorgungsberichts (Versorgungsreformgesetz 1998) ; VRegGebS: Vorsorgeregister-Gebührensatzung ; VRegV: Vorsorgeregisterverordnung ; VRG: Veranlagungs- und Risikogemeinschaft (siehe Pensionskasse#Österreich) ; VRLG: Vorsitzender Richter am Landgericht ; VRR: VerkehrsRechtsReport (Zeitschrift) oder Richtlinie 2011/83/EU (Verbraucherrechte-Richtlinie) oder Verkehrsverbund Rhein-Ruhr ; VRRL: Richtlinie 2011/83/EU (Verbraucherrechte-Richtlinie) ; VRRLUmsG: Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie und zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der Wohnungsvermittlung ; VRS: Verkehrsrechtssammlung ; VRÜ: Verfassung und Recht in Übersee (Zeitschrift) ; VRUG: Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2020/1828 über Verbandsklagen zum Schutz der Kollektivinteressen der Verbraucher und zur Aufhebung der Richtlinie 2009/22/EG sowie zur Änderung des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes (Verbandsklagenrichtlinienumsetzungsgesetz) oder Gesetz zur weiteren Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/1158 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Eltern und pflegende Angehörige und zur Aufhebung der Richtlinie 2010/18/EU des Rates (Vereinbarkeitsrichtlinienumsetzungsgesetz) ; VRV: Vereinsregisterverordnung oder Verkehrsregelnverordnung (Schweiz) oder Verwaltungsrichter:innen-Vereinigung (Österreich) ; VS: Vermögenssorge oder Verschlusssache ; VSA: Verschlusssachenanweisung (Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum materiellen Geheimschutz) ; VSBG: Gesetz über die alternative Streitbeilegung in Verbrauchersachen (Verbraucherstreitbeilegungsgesetz) ; VSBInfoV: Verordnung über Informations- und Berichtspflichten nach dem Verbraucherstreitbeilegungsgesetz (Verbraucherstreitbeilegungs-Informationspflichtenverordnung) ; VSchDG: EG-Verbraucherschutz-Durchsetzungsgesetz ; VSchwKrSchV: Verordnung zum Schutz gegen die Vesikuläre Schweinekrankheit ; VServiceAusbV: Verordnung über die Berufsausbildung zum Kaufmann für Verkehrsservice/zur Kauffrau für Verkehrsservice ; VSF: Vorschriftensammlung Bundesfinanzverwaltung ; VSF-Z: Vorschriftensammlung Bundesfinanzverwaltung – Zoll ; VSG: Vorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz (früher: Unfallverhütungsvorschriften (UVV)) oder Versorgungsstärkungsgesetz oder Gesetz zur Sicherstellung des Verkehrs (Verkehrssicherstellungsgesetz) ; VSGZustV: Verordnung über Zuständigkeiten nach dem Verkehrssicherstellungsgesetz ; VSSAR: Vierteljahresschrift für Sozial- und Arbeitsrecht ; VSSR: Vierteljahresschrift für Sozialrecht (Zeitschrift) ; VSt: Vergabestelle oder Vermögenssteuer oder Verbrauchsteuer (Deutschland) ; VStDÜV: Verordnung zur elektronischen Übermittlung von Daten für die Verbrauchsteuern und die Luftverkehrsteuer (Verbrauch-und-Luftverkehrsteuerdaten-Übermittlungs-Verordnung) ; VStDV: Vermögensteuer-Durchführungsverordnung ; VStG: Vermögensteuergesetz oder Bundesgesetz über die Verrechnungssteuer (Schweiz) oder Verwaltungsstrafgesetz (Österreich) ; VStGB: Völkerstrafgesetzbuch ; VStR: Vermögenssteuer-Richtlinien ; VStRG: Vermögenssteuerreformgesetz (Gesetz zur Reform des Vermögensteuerrechts und zur Änderung anderer Steuergesetze) ; VStV: Verrechnungssteuerverordnung (Schweiz) ; VSV: Vorschriftensammlung für die Verwaltung ; VSVgV: Vergabeverordnung Verteidigung und Sicherheit ; VT: Verkündungstermin oder Verkehrsteilnehmer ; VTMBAProVTFPrV: Verordnung über die Prüfung zum anerkannten Fortbildungsabschluss Geprüfter Meister für Veranstaltungstechnik und Geprüfte Meisterin für Veranstaltungstechnik-Bachelor Professional für Veranstaltungstechnik; ; VTS: Verordnung über die technischen Anforderungen an Strassenfahrzeuge (Schweiz) ; VuB: Recht der Verbote und Beschränkungen für den grenzüberschreitenden Warenverkehr ; VUDat: Elektronisches Zentralregister für Güter- und Personenkraftverkehrsunternehmen (Verkehrsunternehmensdatei) ; VUDatDV: Durchführungsverordnung über die Verkehrsunternehmensdatei (Verkehrsunternehmensdatei-Durchführungsverordnung) ; v. u. g.: vorgelesen und genehmigt ; VU: Versäumnisurteil ; v. g. u.: vorgelesen, genehmigt, unterschrieben (veraltet; Beispiel: ca. 1908) ; VÜPF: Schweizer Verordnung vom 31. Oktober 2001 über die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs ; VuR: Verbraucher und Recht (Zeitschrift) ; VuT (V + T): Verkehr und Technik. Organ für den Öffentlichen Personennahverkehr (Zeitschrift) ; VÜA: Vergabeüberwachungsausschuss ; VV: Vergütungsverzeichnis oder Verwaltungsvorschrift oder Vermögensverzeichnis oder Vertreterversammlung oder Verwaltungsvereinbarung oder Verbändevereinbarung (Energiewirtschaft) ; VVA: Verordnung (EG) Nr. 1013/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2006 über die Verbringung von Abfällen (siehe auch Verordnung (EWG) Nr. 259/93) ; VVEA: Verordnung über die Vermeidung und die Entsorgung von Abfällen (Abfallverordnung) (Schweiz) ; VVaG: Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit ; VV-BHO: Allgemeine Verwaltungsvorschriften zur Bundeshaushaltsordnung ; VVD: Vollzugs- und Verwaltungsdienst ; VVDStRL: Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer ; VVE: Vertrag über eine Verfassung für Europa ; VVG: Versicherungsvertragsgesetz ; VVG: Verwaltungsvollstreckungsgesetz (Österreich) ; VVVG: Gesetz über Volksantrag, Volksbegehren und Volksentscheid (Sachsen) ; VVZ: elektronische Verwahrungsverzeichnis (gemäß § 59a BeurkG) ; VW: Versicherungswirtschaft (Zeitschrift) ; VwDVG: Gesetz über die Verwendung von Verwaltungsdaten für Zwecke der Wirtschaftsstatistiken (Verwaltungsdatenverwendungsgesetz) ; VwGH: Verwaltungsgerichtshof (Österreich) ; VwGO: Verwaltungsgerichtsordnung ; VwGVG: Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz) (Österreich) ; VwKostG: Verwaltungskostengesetz ; VwR: Verwaltungsrecht ; VwRehaG: Verwaltungsrechtliches Rehabilitierungsgesetz ; VwV: Verwaltungsvorschrift oder Verwaltungsverfahren oder Verwaltungsvollstreckung ; VwFAngAusbV: Verordnung über die Berufsausbildung zum Verwaltungsfachangestellten/zur Verwaltungsfachangestellten ; VwV-StVO: Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung ; VwVfG: Verwaltungsverfahrensgesetz ; VwVG: Verwaltungsverfahrensgesetz (Schweiz) ; VwVG: Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz (des Bundes oder der Länder) ; VwV-StVO: Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung ; VwVwS: Verwaltungsvorschrift wassergefährdende Stoffe (siehe Wassergefährdende Stoffe) ; VwZG: Verwaltungszustellungsgesetz ; VZ: Veranlagungszeitraum oder Verkehrszeichen oder Vollzeit ; VZBV: Verbraucherzentrale Bundesverband ; VzA: Vollzugsanordnung ; VZÄ: Vollzeitäquivalent ; VZertES: Verordnung über Zertifizierungsdienste im Bereich der elektronischen Signatur und anderer Anwendungen digitaler Zertifikate (Verordnung über die elektronische Signatur) (Schweiz) ; VZG: Verordnung des Bundesgerichts über die Zwangsverwertung von Grundstücken (Schweiz) ; VZH: Vollzugshandbuch (im österreichischen Strafvollzug) ; VZKG: Verbraucherzahlungskontogesetz (Österreich) ; VZO: Vollzugsordnung für Justizanstalten (Österreich) ; VZOG: Gesetz über die Feststellung der Zuordnung von ehemals volkseigenem Vermögen (Vermögenszuordnungsgesetz) ; VZR: Verkehrszentralregister ; vZTA: Verbindliche Zolltarifauskunft ; VZV: Verordnung über die Zulassung von Personen und Fahrzeugen zum Strassenverkehr (Verkehrszulassungsverordnung) (Schweiz) oder Verkehrszulassungsverordnung (Liechtenstein)
; WA: Warschauer Abkommen (zum Luftvertrag) oder Washingtoner Artenschutzübereinkommen oder Warenverzeichnis für die Außenhandelsstatistik oder Wirtschaftsausschuss (nach §§ 106 ff. BetrVG) ; WADA: Welt-Anti-Doping-Agentur ; WählGTranspG: Gesetz über die Transparenz der Finanzierung kommunaler Wählergruppen (Wählergruppentransparenzgesetz NRW) ; WährG: Währungsgesetz ; WaffenG: Waffengesetz ; WaffG: Waffengesetz 1996 (Österreich) ; WaffGBundFreistV: Verordnung über die Freistellung von Behörden, Dienststellen und Gerichten des Bundes von waffenrechtlichen Vorschriften(Waffengesetz-Bund-Freistellungsverordnung) ; WaffGebrG: (österreichisches) Bundesgesetz vom 27. März 1969 über den Waffengebrauch von Organen der Bundespolizei und der Gemeindewachkörper (Waffengebrauchsgesetz 1969) ; WaffGHZAOWiV: Verordnung über die Zuständigkeit der Hauptzollämter zur Verfolgung und Ahndung bestimmter Ordnungswidrigkeiten nach dem Waffengesetz und dem Sprengstoffgesetz ; WaffRG: Waffenrechtsregistergesetz ; WaffRGDV: Verordnung zur Durchführung des Waffenregistergesetzes ; WAG: Gesetz über die Rechtsverhältnisse bei baulichen Maßnahmen auf ehemals in Anspruch genommenen Grundstücken (Wertausgleichsgesetz) ; WahlO: Erste Verordnung zur Durchführung des Betriebsverfassungsgesetzes (Wahlordnung – WO); in der Datenbank Juris abgekürzt mit BetrVGDV1WO. ; WahlPrG: Wahlprüfungsgesetz ; WahrnG: Urheberrechtswahrnehmungsgesetz (Gesetz über die Wahrnehmung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten) ; WahrnV: Verordnung über die Wahrnehmung einzelner den Prüfungsstellen, der Gebrauchsmusterstelle, den Markenstellen und den Abteilungen des Patentamts obliegender Geschäfte ; WalfÜbk: Internationales Übereinkommen zur Regelung des Walfangs (engl.: International Convention for the Regulation of Whaling – IWC) ; WalfÜbkG: Gesetz zu dem Internationalen Übereinkommen vom 2. Dezember 1946 zur Regelung des Walfangs ; WaPo (auch WSP): Wasserschutzpolizei ; WARL: Wertpapierangebots-Richtlinie (Richtlinie 89/298/EWG […] zur Koordinierung der Bedingungen für die Erstellung, Kontrolle und Verbreitung des Prospekts, der im Falle öffentlicher Angebote von Wertpapieren zu veröffentlichen ist) ; WasBauPrV: Verordnung über die Prüfung zum anerkannten Abschluss Geprüfter Wasserbaumeister/Geprüfte Wasserbaumeisterin (siehe Wasserbauer) ; WasKwV: Verordnung über die steuerliche Begünstigung von Wasserkraftwerken ; WasKwVÄndG: Gesetz zur Änderung der Verordnung über die steuerliche Begünstigung von Wasserkraftwerken ; WasMotRV: Verordnung über das Fahren mit Wassermotorrädern auf den Binnenschifffahrtsstraßen (siehe Wassermotorrad) ; WasserstoffNEV: Verordnung über die Kosten und Entgelte für den Zugang zu Wasserstoffnetzen (Wasserstoffnetzentgeltverordnung) ; WasSiG: Gesetz über die Sicherstellung von Leistungen auf dem Gebiet der Wasserwirtschaft für Zwecke der Verteidigung ; WaStrAbG: Bundeswasserstraßenausbaugesetz ; WaStrAbgG: Gesetz betreffend den Ausbau der deutschen Wasserstraßen und die Erhebung von Schifffahrtsabgaben ; WaStrBAV: Bekanntmachung der Strompolizeiverordnung zum Schutz bundeseigener Betriebsanlagen an Bundeswasserstraßen (Wasserstraßen-Betriebsanlagenverordnung) ; WaStrG: Bundeswasserstraßengesetz ; WaStrG-KostV: Kostenverordnung zum Bundeswasserstraßengesetz ; WasUTechAusbV: Verordnung über die Berufsausbildung zum Umwelttechnologen für Wasserversorgung und zur Umwelttechnologin für Wasserversorgung (Wasserversorgungsumwelttechnologen-Ausbildungsverordnung) ; WBA: Wiederbeschaffungsaufwand ; WBeauftr: Wehrbeauftragter des Deutschen Bundestages ; WBeauftrG: Gesetz über den Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages ; WBF: Rat für Wettbewerbsfähigkeit (Binnenmarkt, Industrie, Forschung und Raumfahrt) der EU (engl.: , franz.: ) ; WBK: Waffenbesitzkarte ; WBO: Wehrbeschwerdeordnung oder Weiterbildungsordnung ; WBRL: Whistleblower-Richtlinie (Richtlinie (EU) 2019/1937 (Hinweisgeberrichtlinie)) ; WBS: Wohnberechtigungsschein ; WBÜ: Internationales Übereinkommen von Nairobi von 2007 über die Beseitigung von Wracks (Wrackbeseitigungsübereinkommen); auch Weltbankübereinkommen ; WBV: Wehrbereichsverwaltung ; WBVG: Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz ; WBW: Wiederbeschaffungswert ; WCO: World Customs Organization (Weltzollorganisation) ; WCT: WIPO-Urheberrechtsvertrag (von engl. ) ; WD: Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages ; WDO: Wehrdisziplinarordnung ; WE: Währungseinheit oder Willenserklärung oder Wohnungseigentum oder Wohnungseigentümer oder Zeitschrift „Das Wohnungseigentum“ ; webERV: Web-basierter Elektronischer Rechtsverkehr (Österreich) ; WEG: Wohnungseigentumsgesetz (Deutschland) oder Wohnungseigentumsgesetz (Österreich) oder Wohnungseigentümergemeinschaft ; WEGÄndG: Gesetz zur Änderung des Wohnungseigentumsgesetzes und anderer Gesetze ; WehrpflG: Wehrpflichtgesetz ; WeinSBV: Weinrechtliche Straf- und Bußgeldverordnung ; WeinÜV: Wein-Überwachungsverordnung ; WeinV: Weinverordnung ; WEKO: Wettbewerbskommission (Schweiz) (franz. , ital. ) ; WEMoG: Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz ; WertR: Wertermittlungsrichtlinie ; WertV: Wertermittlungsverordnung ; Weser/Jade-LV: Verordnung über die Verwaltung und Ordnung der Seelotsreviere Weser I und Weser II/Jade (Weser/Jade-Lotsverordnung) ; WettbG: Bundesgesetz über die Einrichtung einer Bundeswettbewerbsbehörde (Wettbewerbsgesetz) (Österreich) ; WEU: Westeuropäische Union ; WFachwPrV: Verordnung über die Prüfung zum anerkannten Abschluss Geprüfter Wirtschaftsfachwirt/Geprüfte Wirtschaftsfachwirtin ; WfB: Werkstatt für Behinderte (Begriff aus dem alten Bundessozialhilfegesetz (BSHG)) (abgelöst durch den Begriff „Werkstatt für behinderte Menschen“ (WfBM) nach dem SGB IX) ; WFB: Wohnraumförderungsbestimmungen (z. B. in NRW) ; WfBM: Werkstatt für behinderte Menschen ; WFG: Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz ; WFNG: Gesetz zur Förderung und Nutzung von Wohnraum (NRW) ; WG: Wechselgesetz oder Waffengesetz (Schweiz) oder Wohngemeinschaft oder Wassergesetz (z. B. WG BW, siehe Landeswassergesetz) oder Wassergesetz (DDR) oder Wählergruppe oder Wirtschaftsgut (Steuerlehre) ; WGG: Wegfall der Geschäftsgrundlage oder Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz (Österreich) ; WGK: Wassergefährdungsklasse ; WGSVG: Gesetz zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung ; WGT: Westgruppe der Truppen ; WGT-LVG: Gesetz über die Verwertung der Liegenschaften der Westgruppe der Truppen (Brandenburg) ; WGV: Verordnung über die Anlegung und Führung der Wohnungs- und Teileigentumsgrundbücher (Wohnungsgrundbuchverfügung) ; WHG: Wasserhaushaltsgesetz ; WHO: Weltgesundheitsorganisation () ; WHÜ: Weltraumhaftungsübereinkommen (Übereinkommen über die völkerrechtliche Haftung für Schäden durch Weltraumgegenstände) ; WiB: Wirtschaftliche Beratung (Zeitschrift) ; WikG: Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität ; WindBG: Gesetz zur Festlegung von Flächenbedarfen für Windenergieanlagen an Land (Windenergieflächenbedarfsgesetz) ; WindSeeG: Gesetz zur Entwicklung und Förderung der Windenergie auf See (Windenergie-auf-See-Gesetz) ; WindSeeV: Windenergie-auf-See-Verordnung ; WinterbeschÄndV: Winterbeschäftigungs-Änderungs-Verordnung ; WinterbeschV: Verordnung über ergänzende Leistungen zum Saison-Kurzarbeitergeld und die Aufbringung der erforderlichen Mittel zur Aufrechterhaltung der Beschäftigung in den Wintermonaten (Winterbeschäftigungs-Verordnung) ; WIPO: Weltorganisation für geistiges Eigentum (engl.: ; franz. ) ; WiPrO (WPO): Wirtschaftsprüferordnung ; WiPrPrüfV: Prüfungsverordnung für Wirtschaftsprüfer nach §§ 14 und 131 l der Wirtschaftsprüferordnung (Wirtschaftsprüferprüfungsverordnung) ; WiRO: Zeitschrift für Wirtschaft und Recht in Osteuropa ; WiSiG: Gesetz über die Sicherstellung von Leistungen auf dem Gebiet der gewerblichen Wirtschaft sowie des Geld- und Kapitalverkehrs ; WiSiV: Wirtschaftssicherstellungsverordnung (Verordnung über die Sicherstellung von Leistungen auf dem Gebiet der gewerblichen Wirtschaft) ; WissZeitVG: Wissenschaftszeitvertragsgesetz ; WiStG (WiStG 1954): Wirtschaftsstrafgesetz 1954 (Gesetz zur weiteren Vereinfachung des Wirtschaftsstrafrechts) ; wistra: Zeitschrift für Wirtschafts- und Steuerstrafrecht ; WiVerw: Wirtschaft und Verwaltung (Zeitschrift), Vierteljahresbeilage zum Gewerbearchiv ; Wj.: Wirtschaftsjahr ; WKM: Wechselkursmechanismus (siehe u. a. Wechselkursmechanismus II) ; WKÖ: österreichische Wirtschaftskammer (siehe Wirtschaftskammer Österreich) ; WKRL: Richtlinie (EU) 2019/771 (Warenkauf) (engl.: concerning contracts for the sale of goods Directive) ; WKStA: Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (Österreich; amtlich: Zentrale Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstraftaten und Korruption) ; WM: Wertpapier-Mitteilungen, Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht oder Wohnungswirtschaft und Mietrecht (Zeitschrift) ; WMO: Weltorganisation für Meteorologie (engl.: World Meteorological Organization, kurz WMO; spanische und französische Abkürzung: OMM) ; WMV: Weimarer Verfassung ; WMVO: Werkstätten-Mitwirkungsverordnung (nach SGB IX) ; WMV VO: Verordnung über das Verbot des Führens von Waffen und Messern (Waffen- und Messerverbotsverordnung) des Landes NRW ; WNA: Wasserstraßen-Neubauamt ; WNB: Wohnraumnutzungsbestimmungen NRW ; WO: Erste Verordnung zur Durchführung des Betriebsverfassungsgesetzes (Wahlordnung – WO); gebräuchlich ist auch die Abkürzung WahlO; in der Datenbank Juris abgekürzt mit BetrVGDV1WO bezeichnet. ; WoBauG: Wohnungsbaugesetz (aufgehoben) ; WoBerichtsG: Wohnungslosenberichterstattungsgesetz ; WoBindG: Wohnungsbindungsgesetz ; WoFG: Wohnraumförderungsgesetz ; WoFlV: Wohnflächenverordnung ; WoGG: Wohngeldgesetz ; WoGRefG: Gesetz zur Reform des Wohngeldrechts und zur Änderung des Wohnraumförderungsgesetzes (Wohngeldreformgesetz) ; WoGV: Wohngeldverordnung ; WoGVÄndV: Verordnung zur Änderung der Wohngeldverordnung ; WohnStG NRW: Wohnraumstärkungsgesetz (Nordrhein-Westfalen) ; WO-LPVG: Wahlordnung zum Landespersonalvertretungsgesetz ; WoP: Wohnungsbauprämie ; WoPDV: Wohnungsbauprämien-Durchführungsverordnung (Verordnung zur Durchführung des Wohnungsbau-Prämiengesetzes) ; WoPG: Gesetz über die Gewährung von Prämien für Wohnbausparer (Wohnungsbauprämiengesetz) (siehe Wohnungsbauprämie) ; WOrtPrG: Gesetz zur Einführung des Wohnortprinzips bei Honorarvereinbarungen für Ärzte und Zahnärzte ; WOS: Wahlordnung Seeschifffahrt (2. VO zum Betriebsverfassungsgesetz) ; WP: Wirtschaftsprüfer/-prüfung oder Wahlperiode ; WpAIV: Wertpapierhandelsanzeige- und Insiderverzeichnisverordnung (Verordnung zur Konkretisierung von Anzeige-, Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten sowie der Pflicht zur Führung von Insiderverzeichnissen nach dem Wertpapierhandelsgesetz) ; WPAnrV: Verordnung über die Voraussetzungen der Anerkennung von Studiengängen nach § 8a der Wirtschaftsprüferordnung und über die Anrechnung von Prüfungsleistungen aus Studiengängen nach § 13b der Wirtschaftsprüferordnung (Wirtschaftsprüfungsexamens-Anrechnungsverordnung) ; WPDLRL: Wertpapierdienstleistungs-Richtlinie (Richtlinie 93/22/EWG […] über Wertpapierdienstleistungen) ; WpDPV: Wertpapierdienstleistungs-Prüfungsverordnung (Verordnung über die Prüfung der Wertpapierdienstleistungsunternehmen nach § 36 des Wertpapierhandelsgesetzes) ; WpDVerOV: Verordnung zur Konkretisierung der Verhaltensregeln und Organisationsanforderungen für Wertpapierdienstleistungsunternehmen (Wertpapierdienstleistungs-Verhaltens- und -Organisationsverordnung) ; WPflG: Wehrpflichtgesetz ; WPg: Die Wirtschaftsprüfung (Zeitschrift) ; WPG: Gesetz für die Wärmeplanung und zur Dekarbonisierung der Wärmenetze (Wärmeplanungsgesetz) ; WpHG: Wertpapierhandelsgesetz ; WpI-AnzV: Verordnung über die Anzeigen und die Vorlage von Unterlagen nach dem Wertpapierinstitutsgesetz (Wertpapierinstituts-Anzeigenverordnung) ; WpIG: Gesetz zur Beaufsichtigung von Wertpapierinstituten (Wertpapierinstitutsgesetz) ; WpI-InhKontrollV: Verordnung über Anzeigen nach § 24 des Wertpapierinstitutsgesetzes (Wertpapierinstituts-Inhaberkontrollverordnung) ; WpIPrüfbV: Verordnung über die Prüfung der Jahresabschlüsse der Wertpapierinstitute sowie über die zu erstellenden Berichte (Wertpapierinstituts-Prüfungsberichtsverordnung) ; WPK: Wirtschaftsprüferkammer ; WPO (WiPrO): Wirtschaftsprüferordnung ; WpPG: Wertpapierprospektgesetz ; WpÜG: Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz ; WpÜGAngebV: Verordnung über den Inhalt der Angebotsunterlage, die Gegenleistung bei Übernahmeangeboten und Pflichtangeboten und die Befreiung von der Verpflichtung zur Veröffentlichung und zur Abgabe eines Angebots (WpÜG-Angebotsverordnung) ; WPV: Weltpostverein (franz.: ) oder Weltpostvertrag ; WPVertr: Weltpostvertrag ; WrackBKostDG, WrBesKoDG: Gesetz über die Durchsetzung von Kostenforderungen aus dem Internationalen Übereinkommen von Nairobi von 2007 über die Beseitigung von Wracks (Wrackbeseitigungskostendurchsetzungsgesetz) ; WRegG: Gesetz zur Einrichtung und zum Betrieb eines Registers zum Schutz des Wettbewerbs um öffentliche Aufträge und Konzessionen (Wettbewerbsregistergesetz) ; WRG: Wasserrechtsgesetz 1959 (Österreich) ; WRMG: Wasch- und Reinigungsmittelgesetz ; WRP: Wettbewerb in Recht und Praxis (Zeitschrift)j ; WRRL: Richtlinie 2000/60/EG (Wasserrahmenrichtlinie) ; WRV: Weimarer Reichsverfassung ; WSA: Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt oder Wirtschafts- und Sozialausschuss der EU ; WSD: Wasser- und Schifffahrtsdirektion (siehe u. a. Wasser- und Schifffahrtsdirektion Nord), ab 2013 ersetzt durch Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt (GDWS) ; WSF: Wirtschaftsstabilisierungsfonds ; WSF-DV: Wirtschaftsstabilisierungsfonds-Durchführungsverordnung ; WSF-KostV: Verordnung über die Erstattung von Kosten, die im Rahmen der Durchführung von Maßnahmen des Wirtschaftsstabilisierungsfonds nach dem Stabilisierungsfondsgesetz entstehen (Wirtschaftsstabilisierungsfonds-Kostenverordnung) ; WSG: Gesetz über die Geld- und Sachbezüge der Soldaten, die auf Grund der Wehrpflicht Wehrdienst leisten (Wehrsoldgesetz) oder Wasserschutzgebiet ; WSP (auch WaPo): Wasserschutzpolizei ; WStDV: Wechselsteuer-Durchführungsverordnung ; WStFG: Gesetz zur Errichtung eines Wirtschaftsstabilisierungsfonds (Wirtschaftsstabilisierungsfondsgesetz) ; WStG: Wehrstrafgesetz oder Wechselsteuergesetz ; WSV: Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes oder Widerspruchsverfahren ; WSVSeeKostV: Kostenverordnung für Amtshandlungen der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes auf dem Gebiet der Seeschifffahrt ; WtCG: Gesetz zur Stärkung von Wachstumschancen, Investitionen und Innovation sowie Steuervereinfachung und Steuerfairness (Wachstumschancengesetz) ; WTG: Wohn- und Teilhabegesetz (mehrerer Bundesländer) ; WTG-DVO: Wohn- und Teilhabegesetz Durchführungsverordnung (z. B. in NRW) ; WTG LSA: Wohn- und Teilhabegesetz (Sachsen-Anhalt) ; WTG NRW: Wohn- und Teilhabegesetz (Nordrhein-Westfalen) ; WTO: Welthandelsorganisation (World Trade Organization), früher: GATT ; WuB: Entscheidungsanmerkungen zum Wirtschafts- und Bankrecht ; WÜD: Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen ; WÜK: Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen ; WÜRV: Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge vom 23. Mai 1969 (auch: Wiener Vertragsrechtskonvention (WVK), engl. ) ; WuM: Wohnungswirtschaft und Mietrecht (Zeitschrift) ; WuP: Warenursprung und Präferenzen ; WUSt: Warenumsatzsteuer (Schweiz) (1995 aufgehoben, ersetzt durch Mehrwertsteuer (Schweiz)) ; WVB: Warenverkehrsbescheinigung ; WuW: Wirtschaft und Wettbewerb (Zeitschrift) ; WVG: Gesetz über Wasser- und Bodenverbände (Wasserverbandsgesetz) ; WVK: Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge vom 23. Mai 1969 (auch: Wiener Vertragsrechtskonvention (WVK), engl. ) ; WVO: Werkstättenverordnung ; WVRK: Wiener Vertragsrechtskonvention ; WVU: Wasserversorgungsunternehmen ; WVZ: Wechselverkehrszeichen ; WWO: Weltwirtschaftsordnung ; WWU: Europäische Wirtschafts- und Währungsunion ; WZO: Weltzollorganisation (engl.: ) ; WzS: Wege zur Sozialversicherung. Zeitschrift für die Sozialversicherungs-Praxis
; ZA: Zeitausgleich bei gleitender Arbeitszeit oder Zollamt ; ZAD: Zahlungsauslösedienst ; ZADL: Zahlungsauslösedienstleister ; ZAE: Zusatzblatt Ausfuhrerstattung ; ZÄPrO: Approbationsordnung für Zahnärzte ; ZAF: Zollamtfrau (siehe Amtsbezeichnungen der deutschen Zollverwaltung) ; ZAfTDa: Zentralarchiv für Tätigkeitsberichte des Bundes- und der Landesdatenschutzbeauftragten und der Aufsichtsbehörden für den Datenschutz ; ZAG: Zusatzabkommen von Guadalajara (zum Warschauer Abkommen) oder Gesetz über die Beaufsichtigung von Zahlungsdiensten (Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz) ; ZAGAnzV: Verordnung über die Anzeigen und die Vorlage von Unterlagen nach dem Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz (ZAG-Anzeigenverordnung) ; ZAGMonAwV: Verordnung zur Einreichung von Monatsausweisen nach dem Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz ; ZahlPrüfbV: Verordnung über die Prüfung der Jahresabschlüsse der Zahlungsinstitute sowie die darüber zu erstellenden Berichte (Zahlungsinstituts-Prüfungsberichtsverordnung) ; ZahlVGJG: Justizbehörden-Zahlungsverkehr-Gesetz (Gesetz über den Zahlungsverkehr mit Gerichten und Justizbehörden) ; Zahnärzte-ZV: Zulassungsverordnung für Vertragszahnärzte ; ZahnFinAnpG: Gesetz zur Anpassung der Finanzierung von Zahnersatz ; ZahnHkG: Gesetz über die Ausübung der Zahnheilkunde ; ZahnmedAusbV: Verordnung über die Berufsausbildung zum Zahnmedizinischen Fachangestellten/zur Zahnmedizinischen Fachangestellten (siehe Zahnmedizinischer Fachangestellter) ; ZahntechAusbV: Verordnung über die Berufsausbildung zum Zahntechniker und zur Zahntechnikerin ; ZahntechMstrV: Verordnung über das Meisterprüfungsberufsbild und über die Prüfungsanforderungen in den Teilen I und II der Meisterprüfung im Zahntechniker-Handwerk ; ZAI: Zollamtsinspektor (siehe Amtsbezeichnungen der deutschen Zollverwaltung) ; ZAM: Zollamtmann (siehe Amtsbezeichnungen der deutschen Zollverwaltung) ; ZaöRV: Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht ; ZAP: Zeitschrift für die Anwaltspraxis ; ZApprO (ZÄPrO): Zahnärzteapprobationsordnung ; ZAR: Zeitschrift für Ausländerrecht und Ausländerpolitik oder Zollamtsrat/rätin ; ZAS: Zentrale Ausgleichsstelle (Schweiz) ; ZAT: Zeitschrift für Arbeitsrecht und Tarifpolitik in kirchlichen Unternehmen ; ZAU: Zeitschrift für Arbeitsrecht in Unternehmen ; ZAV: Zentrale Auslands- und Fachvermittlung der Bundesagentur für Arbeit ; ZB: Europäischer Zahlungsbefehl oder Zahlungsbefehl (Deutschland) oder Zahlungsbefehl (Österreich) oder Zahlungsbefehl (Schweiz) oder Zulassungsbescheinigung oder Zustellungsbevollmächtigter oder Ziviler Bevölkerungsschutz ; ZBB: Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft/Journal of Banking Law and Banking (JBB) ; ZBl: Schweizerisches Zentralblatt für Staats- und Verwaltungsrecht (Zeitschrift) oder Zentralblatt für das Deutsche Reich ; ZblJugR: Zentralblatt für Jugendrecht und Jugendwohlfahrt ; ZBR: Zeitschrift für Beamtenrecht oder Zurückbehaltungsrecht ; ZBRL: Zwischenberichts-Richtlinie (Richtlinie 82/121/EWG […] über regelmäßige Informationen, die von Gesellschaften zu veröffentlichen sind, deren Aktien zur amtlichen Notierung an einer Wertpapierbörse zugelassen sind) ; ZCG: Zeitschrift für Corporate Governance. Leitung und Überwachung in der Unternehmens- und Prüfungspraxis ; ZChinR: Zeitschrift für Chinesisches Recht ; z. D.: zur Disposition (= „zur freien Verfügung“) ; ZD: Zeitschrift für Datenschutz ; ZDA: Zertifizierungsdiensteanbieter ; ZDG: Zivildienstgesetz ; ZDH: Zentralverband des Deutschen Handwerks e. V. ; ZdiW: Zeitschrift für das Recht der digitalen Wirtschaft ; ZDPersAV: Verordnung über die Führung der Personalakten durch das Bundesamt für den Zivildienst ; ZDRL: Richtlinie (EU) 2015/2366 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2015 über Zahlungsdienste im Binnenmarkt, zur Änderung der Richtlinien 2002/65/EG, 2009/110/EG und 2013/36/EU und der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 sowie zur Aufhebung der Richtlinie 2007/64/EG (Zahlungsdiensterichtlinie) ; ZDRL-II-UG: Gesetz zur Umsetzung der Zweiten Zahlungsdiensterichtlinie ; ZDRW: Zeitschrift für Didaktik der Rechtswissenschaft ; ZDUG: Zahlungsdiensteumsetzungsgesetz ; ZDVG: Gesetz über den Vertrauensmann der Zivildienstleistenden (Artikel 2 des Gesetzes über die Beteiligung der Soldaten und der Zivildienstleistenden) ; ZDVÜV: Verordnung über versorgungsrechtliche Übergangsregelungen für Zivildienstleistende nach Herstellung der Einheit Deutschlands ; ZDVWahlV: Verordnung über die Wahl der Vertrauensmänner der Zivildienstleistenden ; ZdW Bay: Zeitschrift der Wohnungswirtschaft Bayern ; ZdiW: Zeitschrift für das Recht der digitalen Wirtschaft ; ZE: Zahlungsermächtigung (engl.: ; franz.: ) oder Zugelassener Empfänger ; ZEG: Zuständigkeitsergänzungsgesetz ; ZEMA: Zentrale einfache Melderegisterauskunft (ZEMA) oder Zentrale Melde- und Auswertestelle für Störfälle und Störungen (nach der Störfallverordnung) ; ZensG 2011: Zensusgesetz 2011 ; ZensTeG: Gesetz zur Erprobung eines registergestützten Zensus ; ZensVorbG 2011: Zensusvorbereitungsgesetz 2011 ; ZErb: Zeitschrift für die Steuer- und Erbrechtspraxis ; ZerlG: Zerlegungsgesetz ; ZertES: Bundesgesetz über Zertifizierungsdienste im Bereich der elektronischen Signatur und anderer Anwendungen digitaler Zertifikate (Bundesgesetz über die elektronische Signatur, Schweiz) ; ZertVerwV: Verordnung über die Prüfung zum zertifizierten Verwalter nach dem Wohnungseigentumsgesetz (Zertifizierter-Verwalter-Prüfungsverordnung) (siehe Wohnungseigentumsverwaltung) ; ZESAR: Zeitschrift für europäisches Sozial- und Arbeitsrecht ; ZESV: Verordnung über die Zentrale Ethik-Kommission für Stammzellenforschung und über die zuständige Behörde nach dem Stammzellgesetz ; ZEUBLG: Gesetz über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union ; ZEuP: Zeitschrift für Europäisches Privatrecht ; ZEuS: Zeitschrift für Europarechtliche Studien ; ZEV: Zeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge ; ZEVIS: Zentrales Verkehrs-Informationssystem (ZEVIS) ; ZevKR: Zeitschrift für evangelisches Kirchenrecht ; ZfA: Zentralstelle für das Auslandsschulwesen oder Zentrale Zulagenstelle für Altersvermögen oder Zeitschrift für Arbeitsrecht ; ZFA: Zahnmedizinischer Fachangestellter oder Zeitschrift für Arbeitsrecht ; ZfB: Zeitschrift für Betriebswirtschaft oder Zeitschrift für Binnenschifffahrtsrecht oder Zeitschrift für Bergrecht ; zfbf: Schmalenbachs Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung ; ZfBR: Zeitschrift für deutsches und internationales Bau- und Vergaberecht ; ZFD: Zollfahndungsdienst ; ZFDG (auch ZFdG): Zollfahndungsdienstgesetz (Gesetz über das Zollkriminalamt und die Zollfahndungsämter) ; ZfDR: Zeitschrift für Digitalisierung und Recht ; ZFE: Zeitschrift für Familien- und Erbrecht ; ZfF: Zeitschrift für das Fürsorgewesen ; ZfhF: Zeitschrift für handelswissenschaftliche Forschung ; ZfgK: Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen ; ZfIR: Zeitschrift für Immobilienrecht ; ZFIS: Zeitschrift für Innere Sicherheit in Deutschland und Europa ; ZfJ: Zeitschrift für Jugendrecht ; ZfL: Zeitschrift für Lebensrecht ; zfmr (ZfMR): Zeitschrift für Menschenrechte ; ZfPC: Zeitschrift für Product Compliance ; ZfPR: Zeitschrift für Personalvertretungsrecht ; ZfPW: Zeitschrift für die gesamte Privatrechtswissenschaft ; ZfR: Zeitschrift für Rechtspfleger ; ZfRV: Zeitschrift für Europarecht, internationales Privatrecht und Rechtsvergleichung ; ZfS: Zeitschrift für Schadensrecht oder Zeitschrift für Soziologie oder Zeitschrift für Sozialversicherung, Sozialhilfe und Versorgung ; ZfSH/SGB: Zeitschrift für die sozialrechtliche Praxis (bis 1996: Zeitschrift für Sozialhilfe und Sozialgesetzbuch. Monatszeitschrift für deutsches, ausländisches und internationales Sozialrecht und den europäischen Sozialraum) ; ZfStrVo: Zeitschrift für Strafvollzug und Straffälligenhilfe ; ZfU: Zeitschrift für Umweltpolitik & Umweltrecht ; ZfW: Zeitschrift für Wasserrecht ; ZfWG: Zeitschrift für Wett- und Glücksspielrecht ; ZfZ: Zeitschrift für Zölle und Verbrauchssteuern ; ZG: Zollgesetz oder Zeitschrift für Gesetzgebung ; ZGA: Zugewinnausgleich ; ZGÄndG: Gesetz zur Änderung des Zollgesetzes ; ZGMR: Zeitschrift für das gesamte Medizinrecht ; ZGB: Zivilgesetzbuch ; ZGE: Zeitschrift für Geistiges Eigentum ; ZGI: Zeitschrift für das gesamte Informationsrecht ; ZGR: Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht ; ZgS: Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft ; ZGS: Zeitschrift für das gesamte Schuldrecht oder Zeitschrift für Vertragsgestaltung, Schuld- und Haftungsrecht ; ZHG: Gesetz über die Ausübung der Zahnheilkunde ; ZHG§ 10PrO: Prüfungsordnung nach § 10 des Gesetzes über die Ausübung der Zahnheilkunde ; ZHG§ 19ZG: Gesetz über die Zulassung von nach § 19 des Zahnheilkundegesetzes berechtigten Personen zur Behandlung der Versicherten in der gesetzlichen Krankenversicherung ; ZHR: Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht ; ZHS: Zollhauptsekretär (siehe Amtsbezeichnungen der deutschen Zollverwaltung) ; ZHW: Zollhauptwachtmeister ; ZIdPrüfV: Verordnung über die Bestimmung von Dokumenten, die zur Überprüfung der Identität einer nach dem Geldwäschegesetz zu identifizierenden Person zum Zwecke des Abschlusses eines Zahlungskontovertrags zugelassen werden (Zahlungskonto-Identitätsprüfungsverordnung) ; ZIEV: Verordnung über die angemessene Eigenkapitalausstattung von Zahlungsinstituten und E-Geld-Instituten nach dem Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz (ZAG-Instituts-Eigenmittelverordnung) ; ZimMstrV: Verordnung über das Meisterprüfungsberufsbild und über die Prüfungsanforderungen in den Teilen I und II der Meisterprüfung im Zimmerer-Handwerk ; ZinnGießHwV: Verordnung über das Berufsbild des Zinngießer-Handwerks ; ZInsO: Zeitschrift für das gesamte Insolvenz- und Sanierungsrecht ; ZinnRVorRV: Verordnung über die Gewährung von Vorrechten und Immunitäten an den Internationalen Zinnrat nach dem Fünften Internationalen Zinn-Übereinkommen vom 21. Juni 1975 ; ZIP: Zeitschrift für Wirtschaftsrecht ; ZIR: Zeitschrift Interne Revision. Fachzeitschrift für Wissenschaft und Praxis ; ZirkRegV: Verordnung über die Registrierung von Erlaubnissen zur Zurschaustellung von Tieren an wechselnden Orten (Zirkusregisterverordnung) ; ZIS: Zeitschrift für Internationale Strafrechtsdogmatik oder Zollinformationssystem ; ZISG: Gesetz zu dem Übereinkommen auf Grund von Artikel K.3 des Vertrags über die Europäische Union vom 26. Juli 1995 über den Einsatz der Informationstechnologie im Zollbereich ; ZIV: Zinsinformationsverordnung (Verordnung zur Umsetzung der Richtlinie 2003/48/EG des Rates im Bereich der Besteuerung von Zinserträgen) ; ZivHaftBkÖlVerschmSchÜbk: Internationales Übereinkommen über die zivilrechtliche Haftung für Schäden durch Bunkerölverschmutzung ; ZIVIT: Zentrum für Informationsverarbeitung und Informationstechnik ; ZJapanR: Zeitschrift für Japanisches Recht / Journal of Japanese Law ; ZJI: Zusammenarbeit im Bereich Justiz und Inneres ; ZJJ: Zeitschrift für Jugendkriminalität und Jugendhilfe ; ZJS: Zeitschrift für das Juristische Studium ; ZK: Zivilkammer oder Zentralkomitee oder Zollkodex (aufgehoben, abgelöst 2016 durch UZK Zollkodex der Union) oder Zollkasse oder Zutrittskontrolle ; ZKA: Zollkriminalamt oder Zentraler Kreditausschuss (bis Juli 2011, seitdem Die Deutsche Kreditwirtschaft) ; ZKBSV: Verordnung über die Zentrale Kommission für die Biologische Sicherheit ; ZKDSG: Gesetz über den Schutz von zugangskontrollierten Diensten und von Zugangskontrolldiensten (Zugangskontrolldiensteschutz-Gesetz) ; ZK-DVO: Durchführungsverordnung zum Zollkodex ; ZKF: Zeitschrift für Kommunalfinanzen (Zeitschrift) ; ZKG: Gesetz über die Vergleichbarkeit von Zahlungskontoentgelten, den Wechsel von Zahlungskonten sowie den Zugang zu Zahlungskonten mit grundlegenden Funktionen (Zahlungskontengesetz) ; ZKJ: Zeitschrift für Kindschaftsrecht und Jugendhilfe ; ZKM: Zeitschrift für Konfliktmanagement ; ZKR: Zentralkommission für die Rheinschifffahrt oder Zentrales Kontrollgerätkartenregister ; ZKS: Zentrale Koordinierungsstelle der Länder ; ZKS-Abfall: Zentrale Koordinierungsstelle der Länder Abfall (siehe Zentrale Koordinierungsstelle Abfall) ; ZLG: Zentralstelle der Länder für Gesundheitsschutz bei Arzneimitteln und Medizinprodukten ; ZLS: Zentralstelle der Länder für Sicherheitstechnik ; ZLR: Zeitschrift für das gesamte Lebensmittelrecht oder Richtlinie 2003/49/EG (Zins- und Lizenzrichtlinie) ; ZLuftSiÜbk: Übereinkommen zur Bekämpfung widerrechtlicher Handlungen gegen die Sicherheit der Zivilluftfahrt ; ZLVR: Zeitschrift für Landesverfassungsrecht und Landesverwaltungsrecht ; ZLW: Zeitschrift für Luft- und Weltraumrecht ; ZM: Zusammenfassende Meldung ; ZMDV: Datenträger-Verordnung über die Abgabe Zusammenfassender Meldungen ; ZMediatAusbV: Verordnung über die Aus- und Fortbildung von zertifizierten Mediatoren (Zertifizierte-Mediatoren-Ausbildungsverordnung) ; ZMGR: Zeitschrift für das gesamte Medizin- und Gesundheitsrecht ; ZMR: Zeitschrift für Miet- und Raumrecht oder Zentrales Melderegister (Österreich) (siehe Melderegister#Österreich) ; ZMV: Zugänglichmachungsverordnung (Verordnung zur barrierefreien Zugänglichmachung von Dokumenten für blinde und sehbehinderte Personen im gerichtlichen Verfahren) oder Zeitschrift für die Praxis der Mitarbeitervertretung in den Einrichtungen der katholischen und evangelischen Kirche ; ZNDG: Bundesgesetz über die Zuständigkeiten im Bereich des zivilen Nachrichtendienstes (Schweiz) ; ZNER: Zeitschrift für Neues Energierecht ; ZNotP: Zeitschrift für Notarpraxis ; ZNR: Zeitschrift für Neuere Rechtsgeschichte ; ZOAR: Zolloberamtsrat ; ZÖD: Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes ; ZOI: Zolloberinspektor ; ZollKostV: Zollkostenverordnung ; ZollR-DG: (österreichisches) Bundesgesetz betreffend ergänzende Regelungen zur Durchführung des Zollrechts der Europäischen Gemeinschaften (Zollrechts-Durchführungsgesetz) ; ZollV: Zollverordnung ; ZollVG: Zollverwaltungsgesetz ; ZonenRFG: Zonenrandförderungsgesetz (Gesetz zur Förderung des Zonenrandgebietes) ; ZoonoseV: Verordnung mit lebensmittelrechtlichen Vorschriften zur Überwachung von Zoonosen und Zoonoseerregern ; ZÖR: Zeitschrift für öffentliches Recht (Österreich) ; ZOS: Zollobersekretär ; ZOV: Zeitschrift für offene Vermögensfragen, Rehabilitierungs- und sonstiges Wiedergutmachungsrecht ; ZOW: Zolloberwachtmeister ; ZP: Zusatzprotokoll oder Zusatzpatent ; ZPO: Zivilprozessordnung ; ZParl: Zeitschrift für Parlamentsfragen ; ZPG: Zeitschrift für das Recht der Personengesellschaften und der Einzelunternehmen ; ZPr.: Die Zollpraxis (Zeitschrift) ; ZPÜ: Zentralstelle für private Überspielungsrechte ; ZQ: Zentrum für Qualität und Management im Gesundheitswesen oder Zusatzqualifikation ; ZR: Zivilrecht oder Zollrecht ; ZRBG: Gesetz zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (Ghettorentengesetz) ; ZRFC: Risk, Fraud & Compliance. Prävention und Aufdeckung in der Compliance-Organisation (Zeitschrift) ; ZRG: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte (auch ZSS) ; ZRHO: Rechtshilfeordnung für Zivilsachen ; ZRI: Zeitschrift für Restrukturierung und Insolvenz ; ZRP: Zeitschrift für Rechtspolitik ; ZS: Zivilsenat oder Zollsekretär oder Zulassungsstelle ; ZSAI: Zollschiffsamtsinspektor ; ZSchG: Zeugenschutzgesetz ; ZSE: Zeitschrift für Staats- und Europawissenschaften ; ZSEG: Zeugen- und Sachverständigen-Entschädigungsgesetz (aufgehoben, siehe jetzt JVEG) ; ZSG: Zivilschutzgesetz ; ZSHG: Zeugenschutz-Harmonisierungsgesetz (Gesetz zur Harmonisierung des Schutzes gefährdeter Zeugen) ; ZSHS: Zollschiffshauptsekretär ; ZSKG: Gesetz über den Zivilschutz und die Katastrophenhilfe des Bundes (Zivilschutz- und Katastrophenhilfegesetz) ; ZSOS: Zollschiffsobersekretär ; ZSR: Zeitschrift für Schweizerisches Recht oder Zentrales Schutzschriften-Register (siehe Schutzschrift) ; ZSS: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte (auch ZRG) ; ZSSR: Zentrales Schutzschriften-Register (siehe Schutzschrift) ; ZStAmnG: Zinssteueramnestiegesetz (Gesetz über die strafbefreiende Erklärung von Einkünften aus Kapitalvermögen und von Kapitalvermögen) ; ZStV: Zentrales Staatsanwaltschaftliches Verfahrensregister oder Zivilstandsverordnung (Schweiz) oder Zeitschrift für Stiftungs- und Vereinswesen ; ZStVBetrV: Verordnung über den Betrieb des Zentralen Staatsanwaltschaftlichen Verfahrensregisters ; ZStW: Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft ; ZSVR: Zentrale Stelle Verpackungsregister ; ZSW: Zeitschrift für das gesamte Sachverständigenwesen ; ZT: Kammer der Ziviltechniker (kurz: Ziviltechnikerkammer) (Österreich) ; ZTechAusbV: Verordnung über die Berufsausbildung zum Zahntechniker/zur Zahntechnikerin ; ZTKG (auch ZTG): Ziviltechnikerkammergesetz (Österreich) ; ZTR: Zeitschrift für Tarifrecht oder Zentrales Testamentsregister ; ZTRV: Testamentsregister-Verordnung (siehe Zentrales Testamentsregister) ; ZTV: Zolltarifverordnung oder Zusätzliche technische Vertragsbedingungen ; ZU: Zustellungsurkunde ; ZuckStG: Zuckersteuergesetz (siehe Zuckersteuer) ; ZuckStDB: Zuckersteuer-Durchführungsbestimmung ; ZÜS: Zugelassene Überwachungsstelle ; ZuFinG: Gesetz zur Finanzierung von zukunftssichernden Investitionen (Zukunftsfinanzierungsgesetz) ; ZuG: Zuteilungsgesetz ; ZugErschwG: Gesetz zur Erschwerung des Zugangs zu kinderpornographischen Inhalten in Kommunikationsnetzen (Zugangserschwerungsgesetz) ; ZuInvG: Gesetz zur Umsetzung von Zukunftsinvestitionen der Kommunen und Länder (Zukunftsinvestitionsgesetz) ; ZulKostV: Kostenverordnung für die Zulassung von Meßgeräten zur Eichung ; ZUM: Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht ; ZuMonAwV: Verordnung über die Einreichung zusammengefasster Monatsausweise nach dem Gesetz über das Kreditwesen ; ZupfInstrmMAusbV: Verordnung über die Berufsausbildung zum Zupfinstrumentenmacher/zur Zupfinstrumentenmacherin ; ZupfMstrV: Verordnung über das Berufsbild und über die Prüfungsanforderungen im praktischen und im fachtheoretischen Teil der Meisterprüfung für das Zupfinstrumentenmacher-Handwerk ; ZUR: Zeitschrift für Umweltrecht ; ZuschlagV: Verordnung über die Festsetzung eines Zuschlages für die Berechnung des haftenden Eigenkapitals von Kreditinstituten in der Rechtsform der eingetragenen Genossenschaft ; ZusEntschLnuklSchÜbk: Übereinkommen über zusätzliche Entschädigungsleistungen für nuklearen Schaden ; ZustAnpG: Gesetz zur Anpassung von Rechtsvorschriften an veränderte Zuständigkeiten oder Behördenbezeichnungen innerhalb der Bundesregierung (Zuständigkeitsanpassungsgesetz) ; ZustDG: EG-Zustellungsdurchführungsgesetz (Gesetz zur Durchführung gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten), aufgehoben durch EG-Beweisaufnahmedurchführungsgesetz vom 4. November 2003 () ; ZustErgG: Gesetz zur Ergänzung von Zuständigkeiten auf den Gebieten des Bürgerlichen Rechts, des Handelsrechts und des Strafrechts ; ZustVO: Zustellungsverordnung (Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 […] über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten) oder Zuständigkeitsverordnung ; ZustVV: Zustellungsvordruckverordnung ; ZuV: Zusatzstoffverordnung (Schweiz) oder Zusatzstoff-Verordnung (Österreich) ; ZuVOJu: Baden-Württembergische Verordnung des Justizministeriums über Zuständigkeiten in der Justiz (Zuständigkeitsverordnung Justiz) ; ZuwG (auch ZuwandG): Gesetz zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthalts und der Integration von Unionsbürgern und Ausländern (Zuwanderungsgesetz) ; ZUZ: Zentrale Unterstützungsgruppe Zoll ; ZV: Zwangsvollstreckung oder Zwangsversteigerung (Deutschland) oder Zwangsverwaltung oder Zahlungsverkehr oder Zusatzversicherung oder Zweckverband oder Zollvertrag oder Zollvorschrift oder Zielvereinbarung oder Zentralvorstand oder Zeugenvernehmung oder Zulassungsverordnung oder Zugelassener Versender ; zvE: Zu versteuerndes Einkommen ; ZVersWiss: Zeitschrift für die gesamte Versicherungswissenschaft ; ZVertriebsR: Zeitschrift für Vertriebsrecht ; ZVFV: Verordnung über Formulare für die Zwangsvollstreckung (Zwangsvollstreckungsformular-Verordnung) ; ZVG: Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung ; ZVglRWiss: Zeitschrift für Vergleichende Rechtswissenschaft ; ZVI: Zeitschrift für Verbraucher- und Privat-Insolvenzrecht ; ZVR: Zivilverfahrensrecht oder Zwangsvollstreckungsrecht oder Zentrales Vorsorgeregister (siehe Vorsorgeregister-Verordnung) oder Zeugnisverweigerungsrecht oder (österreichische) Zeitschrift für Verkehrsrecht ; ZVS: Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen (aufgehoben; jetzt Stiftung für Hochschulzulassung (SfH)) ; zw.: zweifelhaft oder zwischen ; ZW: Zollwachtmeister ; ZwangsmEinwG: Gesetz zur Regelung der betreuungsrechtlichen Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme (siehe Betreuung) ; ZWB: Zugelassener Wirtschaftsbeteiligter ; ZWE: Zeitschrift für Wohnungseigentumsrecht ; ZWeR: Zeitschrift für Wettbewerbsrecht – Journal of Competition Law ; ZwEWG: Zweckentfremdungsgesetz (mehrerer Bundesländer, z. B. Bay oder BW) ; ZWH: Zeitschrift für Wirtschaftsstrafrecht und Haftung im Unternehmen ; ZWG: Bundesgesetz über Zweitwohnungen(Zweitwohnungsgeset) (Schweiz) ; ZwVbG: Zweckentfremdungsverbots-Gesetz Berlin ; ZwVbVO: Zweckentfremdungsverbot-Verordnung ; ZwStVO: Saarländische Verordnung betreffend die Errichtung von amtsgerichtlichen Zweigstellen ; ZwVollStrÄndG: Gesetz zur Reform der Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung ; ZwVwV: Zwangsverwalterverordnung ; ZWW: Zeitschrift für Wahlorganisation und Wahlrecht ; ZZ: Zollzahlstelle oder Zusatzzeichen oder Zwischenzeugnis ; ZZP: Zeitschrift für Zivilprozess ; ZZulV: Zusatzstoff-Zulassungsverordnung
* – Datenbank mit Abkürzungen zur Rechtssprache international (einschließlich deutschsprachiger Abkürzungen), Universität Cardiff, abgerufen am 7. April 2024 * , abgerufen am 7. April 2024
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Achsensprung (Film)
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Ein Achsensprung ist ein Filmschnitt, mit dem die Beziehungsachse der Figuren oder Gruppen übersprungen wird. Blickachsen oder Beziehungsachsen zwischen den Akteuren untereinander oder dem Point of Interest des Protagonisten bilden eine gedachte Linie. Auf die Leinwand projiziert, stellt diese Linie eine „links-rechts-“ und „oben-unten-Beziehung“ zwischen den Akteuren dar. Mit Achsensprung bezeichnet man einen Schnitt, bei dem sich dieses Verhältnis umkehrt. Ein Achsensprung kann beim Zuschauer Desorientierung verursachen, da die Anordnung und Blickrichtung der Akteure im Frame sich relativ zum Zuschauer zu verändern scheint. Es wird zwischen Seitenachsensprung und dem Höhenachsensprung unterschieden. Letzterer wird als weniger desorientierend vom Zuschauer empfunden, da die Leinwand weniger hoch als breit ist. Aktionsachse (Handlungsachse) ist die gedachte Linie, in deren Richtung sich die Handlung oder das Inertialsystem der Filmwelt bewegt. Bei einer Autofahrt zum Beispiel ist die Aktionsachse so stark, dass die Beziehungsachsen an Bedeutung verlieren. Die Orientierung bleibt trotz eventuellem Achsensprung bewahrt. Wenn man aus der Fahrerseite filmt, bewegt sich die Landschaft scheinbar von rechts nach links; filmt man aus der Beifahrerseite, bewegt sie sich scheinbar von links nach rechts. Diese Änderung der Bewegungsrichtung ist aber nicht irritierend. Analog werden zwei Autos, die bei einer Parallelmontage in die gleiche Richtung fahren (oft von links nach rechts, weil das unserer Leserichtung entspricht), als einander verfolgend wahrgenommen; wenn eines jedoch von links nach rechts und das andere von rechts nach links fährt, erwartet der Zuschauer einen Zusammenstoß. Im Continuity Editing des klassischen Hollywoodkinos wird der Achsensprung als Fehler betrachtet und dementsprechend vermieden. Der Grundsatz, Achsensprünge zu vermeiden, wird 180-Grad-Regel genannt.
In manchen Fällen kann ein bewusster Achsensprung auch Stilmittel sein, um beispielsweise Verwirrung oder einen Kippmoment zu symbolisieren; Stanley Kubrick wird in diesem Zusammenhang häufig genannt. In Werbespots werden Achsensprünge oft verwendet, um einen rasanten Effekt zu bewirken. Bekannt ist auch eine Szene aus Herr der Ringe, in welcher Sméagol mit sich selbst spricht. Da er mit den Schnitten wechselnd von der einen zur anderen Seite spricht (Achsensprung), entsteht der Eindruck zweier gleich aussehender Personen, womit der gespaltene Charakter der Figur unterstrichen wird.
Im Gegensatz zum Achsensprung handelt es sich hierbei um eine Bewegung der Kamera (Steadicam oder einer Dollyfahrt) über die Achse oder um eine Änderung der Bewegungsachse bzw. der Blickrichtung der Figuren, wodurch eine neue Achse definiert wird. Der Achsenwechsel wird vom Zuschauer nicht als störend wahrgenommen, weil sich die Bewegung fließend vollzieht. Diese Bewegung wird mitunter auch als Crab bezeichnet. Außerdem kann ein Zwischenschnitt in eine Totale eine Achsenüberschreitung möglich machen, da so die räumliche Anordnung der Akteure für den Zuschauer deutlich wird, oder der Zwischenschnitt auf einen Closeup, da sich der Betrachter danach wieder neu räumlich orientiert.
* Die Handlungsachse gibt die Hauptrichtung der Handlung an. Meist ist sie die Verbindung der Akteure, bei einer Fußballübertragung die Verbindung der Tore. * Die Blickachse gibt die Blickrichtung und den Blickwinkel (Verhältnis zwischen der Höhen- und Seitenachse) der Figuren an. Bei Gesprächen ist darauf zu achten, dass sich die Figuren anschauen, was bedeutet, dass, wenn eine Figur in einem Bild nach links oben schaut, der Gesprächspartner im anderen Bild (Gegenschuss) nach rechts unten schaut. Diese Richtungen und die beiden Winkel sollten nicht verändert werden, solange sich die reale Blickrichtung bzw. der Standpunkt der Figuren nicht ändert. * Die Kameraachse ist die „Blickrichtung“ der Kamera. Bei einer subjektiven Perspektive (Point of View) ist sie mit der Blickachse identisch.
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Alfred Hitchcock
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Sir Alfred Joseph Hitchcock KBE (* 13. August 1899 in Leytonstone, England; † 29. April 1980 in Los Angeles) war ein britischer Filmregisseur, Drehbuchautor, Filmproduzent und Filmeditor. Er siedelte 1939 in die USA über und nahm 1955 zusätzlich die US-amerikanische Staatsbürgerschaft an. Hitchcock gilt hinsichtlich seines Stils bis heute als einer der einflussreichsten Filmregisseure, obwohl er nie einen Oscar als Regisseur gewinnen konnte. Er etablierte die Begriffe Suspense und MacGuffin. Sein Genre war der Thriller, dessen Spannung er oft mit Humor verband. Die wiederkehrenden Motive seiner Filme waren Angst, Schuld und Identitätsverlust. Mehrfach variierte er das Thema des unschuldig Verfolgten. Hitchcock legte großen Wert auf die künstlerische Kontrolle über das Werk des Autors. Sein Gesamtwerk umfasst 53 Spielfilme und gehört – gemessen am Publikumserfolg sowie der Rezeption durch Kritik und Wissenschaft – zu den bedeutendsten der Filmgeschichte. Auch dank seiner bewussten Selbstvermarktung zählt Hitchcock zu den bekanntesten zeitgeschichtlichen Persönlichkeiten.
Alfred Hitchcock wurde 1899 in England als jüngster Sohn des Gemüsehändlers William Hitchcock (1862–1914) und dessen Ehefrau Emma Jane Whelan (1863–1942) geboren. Durch den Altersunterschied von sieben beziehungsweise neun Jahren zu seinen Geschwistern, durch seine römisch-katholische Erziehung in einem von der anglikanischen Kirche geprägten Land und nicht zuletzt durch sein Äußeres – er war klein und schon als Kind korpulent – hatte er eine einsame Kindheit. Zwischen 1910 und 1913 war er Schüler des St.-Ignatius-College, einer Londoner Jesuitenschule. Er verließ das College mit knapp 14 Jahren und besuchte stattdessen Abendkurse an der Londoner Universität, diverse Handwerkskurse und später wenige Monate lang die School of Engineering and Navigation. Zudem belegte er Kurse in technischem Zeichnen sowie in Kunstgeschichte an der Londoner Kunstakademie. Seine Freizeit verbrachte er oft mit dem Lesen von Fahrplänen und dem Studium von Stadtplänen und Landkarten. Mit fortschreitendem Alter flüchtete er sich in Romane, besuchte Theatervorstellungen und ging oft ins Kino. Außerdem verfolgte er Mordprozesse im Gerichtshof Old Bailey und besuchte gerne das Black Museum von Scotland Yard. Der Tod des Vaters Ende 1914, zu dem er kein enges Verhältnis gehabt hatte, band Hitchcock noch enger an seine Mutter. 1915 nahm er eine Stelle als technischer Angestellter bei der W.T. Henley Telegraph Company an, die elektrische Leitungen herstellte. Wegen seines zeichnerischen Talents wurde er bald in die Werbeabteilung versetzt. Unter seinem bis zuletzt gebrauchten Spitznamen „Hitch“ veröffentlichte er in der Betriebszeitschrift seine ersten gruseligen Kurzgeschichten.
Im Frühjahr 1920 hörte Hitchcock von der Neugründung eines Studios der amerikanischen Produktionsgesellschaft Paramount Famous Players-Lasky im Londoner Stadtbezirk Islington. Er bewarb sich mit einer Mappe mit Illustrationen und wurde als Zeichner von Zwischentiteln angestellt. 1921 und 1922 zeichnete er die Titel für mindestens zwölf Filme. Nebenbei entwarf er Kostüme, Dekorationen und Szenenbilder. Auch durch Überarbeitungen von Drehbüchern machte er auf sich aufmerksam. Bei zwei Filmen arbeitete er mit George Fitzmaurice zusammen, dessen genaue Produktionsplanung ihn sehr beeinflusste. 1922 bekam Hitchcock Gelegenheit, sich als Regisseur zu versuchen. Mit dem Autor Seymour Hicks stellte er die letzten Filmszenen von Always Tell Your Wife fertig, nachdem der ursprüngliche Regisseur gefeuert worden war. Bald darauf konnte er einen eigenen Film drehen, Number 13 (in einigen Quellen Mrs. Peabody), der jedoch unvollendet blieb, da Famous Players-Lasky im Laufe der Dreharbeiten das Studio wegen finanzieller Schwierigkeiten schließen musste. Das leerstehende Gelände wurde an unabhängige Produzenten vermietet, darunter auch an Michael Balcon, der das Studio 1924 schließlich erwarb. Er stellte Hitchcock als Regieassistent ein, sowie (auf dessen Empfehlung) die Filmeditorin Alma Reville. Die beiden kannten sich seit 1921, seitdem sie gelegentlich an denselben Filmen gearbeitet hatten. Bis 1925 entstanden fünf Filme, bei denen Hitchcock dem Regisseur Graham Cutts assistierte und zu Cutts’ wachsendem Unmut mehr und mehr künstlerischen Einfluss gewann. Neben dem Drehbuch kümmerte er sich auch um die Bauten, das Szenenbild, die Besetzung, die Kostüme sowie die Ausstattung und nahm so mit der Zeit die Aufgaben eines Produktionsleiters wahr. Hitchcocks letzte Zusammenarbeit mit Graham Cutts führte ihn 1924/25 nach Deutschland. Der unter der Beteiligung der deutschen UFA produzierte Film Die Prinzessin und der Geiger entstand in den Babelsberger Filmstudios – damals die modernsten der Welt. Dabei hatte Hitchcock die Möglichkeit, Friedrich Wilhelm Murnau bei den Arbeiten an Der letzte Mann zu beobachten; von diesem beeindruckt übernahm er einige Techniken Murnaus für die Szenenbilder seiner aktuellen Produktion. Durch diesen und weitere Besuche konnte Hitchcock Deutsch sprechen; später sprach er zum Beispiel einige Trailer seiner Filme selbst. Zurück in England übertrug ihm Balcon 1925 die Regie für einen eigenen Film. Das Projekt führte den jungen Hitchcock wieder nach Deutschland. Nur die Münchner Lichtspielkunst (Emelka) fand sich bereit, den Film des unbekannten Regie-Debütanten mitzuproduzieren. Für das Melodram Irrgarten der Leidenschaft (1925) verpflichtete Balcon kostspielige Stars aus Hollywood. Alma Reville, mittlerweile Hitchcocks Verlobte, war als Regieassistentin und Editorin Mitglied des sehr kleinen Filmteams. Balcon war mit Hitchcocks ambitionierter Arbeit zufrieden und vertraute ihm eine weitere deutsch-englische Koproduktion an: Der Bergadler wurde noch im selben Jahr, diesmal in Tirol, gedreht. Doch beide Filme, die 1925 beziehungsweise 1926 in Deutschland in den Kinos anliefen, wurden in England zunächst nicht veröffentlicht. Der englische Verleiher und Geldgeber C. M. Woolf war, im Gegensatz zu Balcon, nicht von Hitchcocks betont expressionistischem Stil überzeugt. Der Bergadler ist der einzige von Hitchcocks Filmen, der nicht mehr erhalten ist.
Mit dem 1926 gedrehten Film Der Mieter um einen einzelgängerischen Pensionsgast, der verdächtigt wird, ein Serienmörder zu sein, hatte Hitchcock sein Thema gefunden. Doch nicht zuletzt wegen dessen expressionistischer Bildgestaltung lehnte es Woolf abermals ab, den Film zu veröffentlichen. Balcon zog daraufhin den jungen Ivor Montagu hinzu, der Erfahrung mit Filmüberarbeitungen hatte; mit Hitchcock zusammen wurden einige Änderungen vorgenommen. Der überragende Erfolg bei einer Pressevorführung ebnete dann den Weg zur Veröffentlichung seiner ersten beiden Filme. Der Mieter kam 1927 in kurzer Abfolge mit Irrgarten der Leidenschaft und Der Bergadler in die Kinos und bedeutete für Hitchcock den Durchbruch als Regisseur. Für Balcons Gainsborough Pictures drehte Hitchcock 1927 noch die zwei Melodramen Abwärts und Leichtlebig. Beiden Filmen war kein Erfolg beschieden. Bereits zuvor hatte er beschlossen, zu der neu gegründeten Firma British International Pictures (BIP) des Produzenten John Maxwell zu wechseln. Mit einem Jahresgehalt von 13.000 Pfund Sterling stieg er zum bestbezahlten Regisseur Großbritanniens auf. Dort entstand mit dem Boxerdrama Der Weltmeister sein erster Film nach einem Originaldrehbuch. Die Presse reagierte äußerst positiv. Obwohl die drei folgenden Stummfilme Die Frau des Farmers, Champagne und Der Mann von der Insel Man abgesehen von einzelnen Szenen als Fingerübungen gelten, hatte sich Hitchcock in Großbritannien innerhalb kurzer Zeit einen Namen gemacht: Die junge britische Filmindustrie, sehr darauf bedacht, sich von der amerikanischen abzuheben, war nur allzu gerne bereit, ihn als kommenden Regiestar zu feiern. Im Dezember 1926 heirateten Alfred Hitchcock und Alma Reville, die für die Hochzeit zum katholischen Glauben konvertierte. 1928 wurde ihre gemeinsame Tochter Patricia geboren. Beruflich blieb Alma bis zum Schluss seine engste Mitarbeiterin und Beraterin. Das Aufkommen des Tonfilms hielten viele Regisseure für das Ende ihrer Kunstform. Hitchcock hingegen nutzte das Potential der neuen Technik. Erpressung (1929) wurde ursprünglich als Stummfilm produziert. Die Produzenten erlaubten Hitchcock jedoch, eine Filmrolle mit Tonmaterial nachzudrehen. Er versah daraufhin einzelne Schlüsselszenen mit wirkungsvollen Toneffekten und gesprochenem Dialog, wobei die tschechische Schauspielerin Anny Ondra, die ihre Rolle stumm spielen musste, von der englischen Schauspielerin Joan Barry simultan synchronisiert wurde. Erpressung war der erste britische Tonfilm und wurde ein großer Erfolg. Hitchcock nutzte seine gewonnene Popularität und gründete mit der Hitchcock Baker Productions Ltd. eine Gesellschaft zur Vermarktung seiner Person. Auf Geheiß seines Studios drehte er Juno and the Paycock (1930) sowie einige Szenen für die Musikrevue Elstree Calling. Mit Mord – Sir John greift ein! fand er wieder zu seinem Thema und auch nach Deutschland zurück: In Berlin stellte er die deutsche Sprachversion des Films unter dem Titel Mary her. Es folgten drei Filme, von denen Hitchcock nur die Komödie Endlich sind wir reich wirklich interessierte: In dem zusammen mit seiner Frau und Val Valentine verfassten Drehbuch verarbeitete er unter anderem die Erfahrungen seiner noch jungen Ehe. Den ihm aufgezwungenen Thriller Nummer siebzehn beschloss Hitchcock aus Protest zu sabotieren und zu einer wirren, albernen Parodie zu machen. Die turbulente Verbindung zwischen Humor und Spannung lässt Nummer siebzehn aus heutiger Sicht als einen Vorläufer späterer Klassiker des Genres erscheinen. Hitchcocks Vertrag mit der British International Pictures endete nach sechs Jahren mit einem Einsatz als Produzent (Lord Camber’s Ladies). Die Zusammenarbeit hatte zunehmend unter dem Konflikt zwischen Hitchcocks Streben nach künstlerischer Kontrolle und den Vorschriften des Studios gelitten. Doch auch den folgenden Film Waltzes from Vienna, ein „Musical ohne Musik“ (Hitchcock) für den unabhängigen Produzenten Tom Arnold, drehte er betont lustlos: „Ich hasse dieses Zeug. Melodrama ist das einzige, was ich wirklich kann.“
Unmittelbar nach Waltzes from Vienna nahm er die fruchtbare Zusammenarbeit mit dem Produzenten Michael Balcon wieder auf. Als erster Film für die Gaumont British entstand der Thriller Der Mann, der zuviel wußte (1934). Das Drehbuch erarbeitete Hitchcock im Wesentlichen mit seiner Frau Alma und dem Drehbuchautor Charles Bennett. Der Film wurde sowohl von der Kritik als auch vom Publikum enthusiastisch aufgenommen. Der humorvolle Spionagethriller Die 39 Stufen (1935, Drehbuch: Charles Bennett) gilt als Blaupause späterer Verfolgungsthriller. Eine turbulente Szene folgt auf die nächste, es gibt keine Übergänge und kaum Zeit für den Zuschauer, über die manchmal fehlende Logik nachzudenken. Hitchcock ordnete nach eigenem Bekunden alles dem Tempo unter. Der große Erfolg des Films sollte ihm recht geben. Es folgten Geheimagent (1936) und Sabotage (1936), die insbesondere in Hitchcocks eigener späterer Bewertung gegenüber den beiden Vorgängerfilmen abfielen. Doch die psychologisch vielschichtige Behandlung des Themas „Schuld“ weist bereits auf spätere Werke hin. Nach Sabotage endete abrupt die zweite erfolgreiche Phase der Zusammenarbeit mit Michael Balcon, als die Produktionsfirma Gaumont British von deren Besitzern geschlossen und Balcon entlassen wurde. Die beiden folgenden Filme drehte Hitchcock daher wieder für die Gainsborough Pictures – diesmal allerdings ohne seinen ehemaligen Förderer. Jung und unschuldig (1937) war eine weitere, unbeschwerte Variation der Geschichte vom unschuldig Verfolgten. Eine der bekanntesten Szenen ist die im Grand Hotel, als die Kamera über das gesamte Foyer schwenkt. Solche Plansequenzen nutzte Hitchcock auch später noch in vielen weiteren Filmen. Der erfolgreiche Thriller Eine Dame verschwindet (1938) spielt überwiegend in einem fahrenden Zug. Die Dreharbeiten fanden jedoch ausschließlich in einem kleinen Londoner Studio statt, was dank technisch anspruchsvoller Rückprojektionen möglich wurde. Hitchcock festigte mit diesen sechs Filmen seine Stellung innerhalb des britischen Kinos. Ende der 1930er Jahre beauftragte er die Selznick-Joyce-Agentur, deren Mitinhaber Myron Selznick, der ältere Bruder des Hollywood-Moguls David O. Selznick war, seine Interessen wahrzunehmen. Hitchcock, dessen Ruf mittlerweile bis nach Hollywood gelangt war, unterzeichnete 1938 einen Vertrag für die Produktionsgesellschaft von David O. Selznick, der damals gerade mit der Vorproduktion zu Vom Winde verweht beschäftigt war. In Gedanken bereits in Hollywood, drehte Hitchcock in England noch einen letzten Film für die Produktionsfirma des nach England emigrierten deutschen Produzenten Erich Pommer. Doch der Kostümfilm Riff-Piraten wurde von der Presse verrissen.
In seinen ersten Jahren in Hollywood stieß Hitchcock auf unerwartete Schwierigkeiten. David O. Selznick übte starke Kontrolle über die Filme seines Studios aus und achtete darauf, dass sich der freiheitsliebende Hitchcock möglichst eng an die literarische Vorlage seines ersten Hollywoodfilmes hielt. Trotz dieser Spannungen wurde Rebecca für den britischen Regisseur ein erfolgreicher Einstand in Hollywood: Das psychologisch dichte und düster-romantische Melodram war 1940 elfmal für den Oscar nominiert und gewann schließlich zwei der Trophäen (Kamera und Produktion). In den nächsten Jahren machte Selznick sein Geld mit Hitchcock, indem er ihn für beträchtliche Summen an andere Studios auslieh. Der Krieg in Europa weitete sich aus, als der unabhängige Produzent Walter Wanger Hitchcock für ein aktuelles Kriegsdrama engagierte. Der Auslandskorrespondent blieb Hitchcocks Naturell entsprechend jedoch ein weitgehend unpolitischer Spionagethriller. Nur der nachgedrehte Schlussmonolog, gerichtet an die noch neutralen USA, wirkte aufrüttelnd. Kurz nach Fertigstellung des Films wurde England von Deutschland bombardiert. Der rechtzeitig ausgewanderte Hitchcock musste sich daraufhin scharfe Kritik von ehemaligen britischen Kollegen, allen voran Michael Balcon, gefallen lassen. Mit Verdacht (1941, RKO), der ersten Zusammenarbeit mit Cary Grant, und Saboteure (1942, Universal) blieb Hitchcock bei seinen klassischen Themen. Zwischen diesen Produktionen drehte er, für ihn und andere ungewohnt, seine einzige Screwball-Komödie. Obwohl damals durchaus positiv aufgenommen, zeigte er sich mit Mr. und Mrs. Smith (1941, RKO) nicht zufrieden. Weit mehr am Herzen lag ihm die Arbeit an dem Thriller Im Schatten des Zweifels (1943, Universal). Hitchcocks Filme gelten allgemein als stark von seinem Charakter geprägt. Dieses Familienmelodram wird als einer seiner persönlichsten Filme bezeichnet: In allen Hauptfiguren spiegeln sich demnach Eigenschaften und Ängste Hitchcocks. Als während der Dreharbeiten Hitchcocks Mutter in London starb, verstärkte dies die autobiografischen Tendenzen. Wie viele britische Regisseure leistete Hitchcock seine Beiträge für die Kriegspropaganda und drehte unter anderem Kurzfilme zur Unterstützung der französischen Résistance. Auch in seine nächste Hollywood-Produktion arbeitete er stark propagandistische Töne ein, doch sein stets bewusst irritierender Umgang mit Klischees sorgte diesmal für Kontroversen: In einem kleinen Rettungsboot sehen sich englische und amerikanische Schiffbrüchige einem intellektuell überlegenen Nazi gegenüber. Dennoch wurde der formalistisch strenge Psychothriller Das Rettungsboot (1944, 20th Century Fox) dreimal für den Oscar nominiert (Drehbuch, Kamera und Regie). Psychologie, wichtige Komponente seines Werks, stand im Mittelpunkt von Ich kämpfe um dich (1945), der nach langer Zeit wieder für Selznick entstand. Dieser war vom Thema Psychoanalyse schnell begeistert und ließ Hitchcock ungewohnt viel freie Hand, doch kürzte er den Film nach der ersten Probevorführung um rund zwanzig Minuten. Die erfolgreiche Zusammenarbeit mit Ingrid Bergman in der Hauptrolle wurde in der folgenden Produktion Berüchtigt (1946) fortgesetzt, die Selznick allerdings wieder an RKO verkaufte. Die Geschichte um eine Spionin (Bergman), die aus Pflichtgefühl von ihrem Liebhaber (Cary Grant) gedrängt wird, mit dem Feind zu schlafen, bot für Hitchcocks Obsessionen eine breite Projektionsfläche. Mit dem Gerichtsdrama Der Fall Paradin (1947) lief der Vertrag Hitchcocks mit Selznick aus. Selznick behielt, bei der Stoffauswahl angefangen, bei dieser relativ chaotisch verlaufenden Produktion die Oberhand. Dass Hitchcock währenddessen Vorbereitungen für seine eigene Produktionsfirma traf, verstärkte die Spannungen zwischen den machtbewussten Männern. Dennoch bot Selznick Hitchcock – erfolglos – eine Vertragsverlängerung an.
Bereits im April 1946, rund zwei Jahre, bevor der Vertrag mit Selznick auslaufen sollte, gründete Hitchcock mit dem befreundeten Kinokettenbesitzer Sidney Bernstein die Produktionsfirma Transatlantic Pictures, für die er seinen ersten Farbfilm inszenierte, Cocktail für eine Leiche (1948) mit James Stewart in einer der Hauptrollen. Der Film blieb jedoch vor allem wegen eines anderen Hitchcock-Experiments in Erinnerung; jede Einstellung des kammerspielartigen Films dauert so lange, wie es das Filmmaterial in der Kamera erlaubte, also rund zehn Minuten. Durch geschickte Übergänge sollte so der Eindruck entstehen, dass sich die Geschichte in Echtzeit und von nur einer Kamera gefilmt ereignete. Sklavin des Herzens (1949), ein für Hitchcock untypischer melodramatischer Kostümfilm, war vor allem ein Vehikel für Ingrid Bergman. Trotz der Starbesetzung und der technischen Raffinessen wurde er kommerziell ein ähnlicher Misserfolg wie Cocktail für eine Leiche – Transatlantic ging daraufhin in die Insolvenz. Nachdem sein Berater und Agent Myron Selznick 1944 gestorben war, wurden Hitchcocks Interessen von mehreren Personen wahrgenommen, bevor er 1948 mit Lew Wasserman zusammentraf. Wasserman war seit 1946 Präsident der weltgrößten Künstleragentur Music Corporation of America (MCA), der sich Hitchcock 1948 anschloss. Es begann eine enge wie äußerst lohnende Zusammenarbeit.
Hitchcock schloss mit Warner Bros. einen lukrativen Vertrag über vier Filme ab, bei denen er als Regisseur und Produzent, angefangen bei der Stoffauswahl, völlig freie Hand hatte. Der erste dieser Filme war der Thriller Die rote Lola (1950) mit Marlene Dietrich, der im Londoner Theatermilieu spielte. Eines seiner Lieblingsmotive stellte er auf den Kopf; am Ende entpuppt sich der „unschuldig Verfolgte“ als der wahre Mörder. Hitchcock drehte in seiner Heimat, spürte allerdings wieder die alten Ressentiments, die nach seiner Auswanderung entstanden waren. Der Film selbst war nicht sonderlich erfolgreich. Im April 1950 begann Hitchcock, regelmäßige Kolloquien an den Universitäten von Kalifornien und Südkalifornien abzuhalten, in denen unter anderem Previews seiner aktuellen Filme gezeigt wurden. Diese Tradition sollte er die kommenden 20 Jahre beibehalten. Der Fremde im Zug (1951, nach einem Roman von Patricia Highsmith) brachte schließlich nach fünf Jahren Flaute wieder einen überragenden Erfolg. Mit diesem Film begann die dreizehnjährige Zusammenarbeit mit dem Kameramann Robert Burks. Wie schon in Die rote Lola spielte Hitchcocks Tochter Patricia eine Nebenrolle. 1953 folgte mit Ich beichte der eindeutigste filmische Bezug auf Hitchcocks starke katholische Prägung. Obwohl von der Kritik geschätzt, floppte der Film an den Kinokassen, was Hitchcock vor allem der Humorlosigkeit des Publikums anlastete. Als Anfang der 1950er Jahre das Fernsehen Einzug in die Wohnzimmer hielt, versuchte die Kinoindustrie, mit neuen technischen Verfahren wie dem Breitbildformat Cinemascope oder dem 3D-Verfahren den Zuschauerschwund aufzuhalten. So drängte Warner Bros. Hitchcock, seinen nächsten Film in 3D zu drehen. Über diese Entscheidung, die zur Einschränkung der Bewegungsfreiheit der Kamera führte, war Hitchcock nicht glücklich; er setzte auch nur wenige explizite 3D-Effekte ein. Bei Anruf Mord (1954) ist die Verfilmung eines damals sehr populären Theaterstücks von Frederick Knott, der auch das Drehbuch schrieb. Mit Grace Kelly als Hauptdarstellerin drehte Hitchcock im Anschluss noch zwei weitere Filme, ehe sie sich aus dem Filmgeschäft zurückzog.
Die Erfahrung mit dem aufgezwungenen 3D-Verfahren zeigte Hitchcock die Grenzen bei Warner Brothers. Er schloss daher 1953 einen Vertrag mit Paramount ab, der ihm völlige künstlerische Freiheit garantierte. 1954 begann die für Hitchcock erfolgreichste Zeit mit Das Fenster zum Hof. Neben Grace Kelly ist ein weiteres Mal James Stewart zu sehen. Die Hauptfigur sitzt während des gesamten Films im Rollstuhl und beobachtet durch ein Teleobjektiv das Geschehen in den gegenüberliegenden Wohnungen – sozusagen stellvertretend für den Zuschauer, aber auch stellvertretend für Hitchcock selbst, der in diesem Film den voyeuristischen Aspekt des Filmemachens aufzeigt. Über den Dächern von Nizza (1955) ist ein leichter, romantischer Thriller, in dem neben Grace Kelly – nach zwei Jahren Filmpause – wieder Cary Grant spielte. Wohl um dem Glamour dieses an der Côte d’Azur angesiedelten Films etwas entgegenzusetzen, drehte Hitchcock noch im selben Jahr die kostengünstig produzierte schwarze Komödie Immer Ärger mit Harry, in der Shirley MacLaine neben John Forsythe ihren ersten Filmauftritt hatte. Edmund Gwenn, der bereits in früheren Hitchcock-Filmen mitgewirkt hatte, spielte fast achtzigjährig eine seiner wenigen Hauptrollen. Obwohl Hitchcock in vielen seiner Filme schwarzen Humor untergebracht hat, ist es eine der wenigen echten Komödien von ihm. 1955 nahm Hitchcock rund fünf Jahre nach seiner Frau die amerikanische Staatsbürgerschaft an. Im selben Jahr begann er mit Doris Day und James Stewart die Dreharbeiten zu Der Mann, der zuviel wußte (1956), der einzigen Neuverfilmung einer seiner Filme in seiner Karriere. Ebenfalls 1955 startete die wöchentliche Fernsehserie Alfred Hitchcock Presents (ab 1962 The Alfred Hitchcock Hour). Hitchcock war Produzent, trat in vielen Folgen als Moderator auf und inszenierte insgesamt 18 Folgen. Auch für die Fernsehserien Suspicion und Startime nahm er für je eine Folge im Regiestuhl Platz. Nach zehn Jahren beendete er seine Fernseharbeit, an der er zunehmend das Interesse verloren hatte. Hinzu kam, dass die Produktion den Auftraggebern zu teuer wurde und die Zeit von Serien mit jeweils abgeschlossenen Folgen, sogenannten Anthologies, zu Ende ging. Mit Der falsche Mann wurde er 1956 einem seiner Grundprinzipien, der strikten Trennung von Realität und Fiktion, untreu. In dem Schwarzweißfilm mit Henry Fonda und Vera Miles wird an authentischen Schauplätzen die auf Tatsachen beruhende Geschichte eines zu Unrecht Verurteilten erzählt. Der Film entstand noch einmal für Warner Bros., da Hitchcock dem Studio bei seinem Ausscheiden noch einen Film ohne Regiegage zugesagt hatte. Allerdings wurde Der falsche Mann, der viele Stilelemente des Film noir aufweist und ein trostloses Ende hat, kommerziell ein Flop.
Das im Anschluss vorbereitete Projekt mit Audrey Hepburn in der Hauptrolle wurde durch Hitchcock gestoppt, als Hepburn wegen einer geplanten Vergewaltigungsszene absagte. Mit seiner bewusst kostengünstigen Produktion Psycho (1960) folgte Hitchcocks wohl bekanntester Film: Die in einer Woche Dreharbeit entstandene „Duschszene“ zählt heute zu seinen meistanalysierten Filmszenen. Ungewöhnlich war auch der Tod einer Hauptfigur nach nur einem Drittel des Films. Die zeitgenössischen Kritiken fielen unerwartet barsch aus, doch das Publikum machte Psycho zu Hitchcocks größtem kommerziellen Erfolg. Die Vögel entstand für Universal, die kurz zuvor teilweise von MCA übernommen worden waren und für die Hitchcock von nun an alle seine Filme drehen sollte. Lew Wasserman, bis zu diesem Zeitpunkt Agent Hitchcocks, wurde Präsident von Universal und gab seine Agententätigkeit auf. Hitchcock selbst trat seine Rechte an Psycho und seiner Fernsehserie ab und wurde im Gegenzug der drittgrößte Aktionär von MCA. Nach Die Vögel gibt es in Hitchcocks Werk einen Bruch. Die folgenden drei Filme der 1960er Jahre blieben kommerziell hinter den vorangegangenen Erfolgen zurück. Konflikte mit seiner Hauptdarstellerin Tippi Hedren prägten die Dreharbeiten so weit, dass er das Gelingen seines nächsten Films Marnie (1964) bewusst zu sabotieren schien. Der Film fiel bei der professionellen Filmkritik durch. Bemängelt wurde, dass das Psychogramm einer verstörten, traumatisierten Frau sich psychologischer Erklärungsmodelle bediene, die überholt und undifferenziert wirkten, und der Film enthalte, untypisch für Hitchcock, viele handwerkliche Fehler. Die Qualität und der Rang des Films in Hitchcocks Werk wurde erst im Nachhinein nach François Truffauts ausführlicher Analyse des Films erkannt. Dieser erste kommerzielle Misserfolg seit rund fünfzehn Jahren war in mehrfacher Hinsicht ein Wendepunkt in Hitchcocks Karriere. Tippi Hedren war die letzte typische „Hitchcock-Blondine“ und Marnie der letzte Film, den Hitchcocks langjähriger Kameramann Robert Burks drehte. Kurz nach Abschluss der Dreharbeiten starb zudem Hitchcocks Filmeditor George Tomasini, mit dem er zehn Jahre lang zusammengearbeitet hatte, und für Bernard Herrmann, der seit 1955 Hitchcocks bevorzugter Filmkomponist war, war Marnie die letzte Zusammenarbeit mit Hitchcock.
Filmproduktionen wurden immer aufwendiger, der Erfolg an der Kinokasse immer wichtiger. Diverse Projekte, die Hitchcock reizten und die er mehr oder weniger intensiv plante, kamen so aus Angst der Produzenten nicht zustande – etwa Mary Rose, die geplante Verfilmung eines skurrilen Theaterstücks. Mit R.R.R.R., einem Drehbuch mit zahlreichen Verwicklungen über eine italienische Ganoven-Familie in New York, wollte er Jahre nach Der unsichtbare Dritte wieder einen komischen Thriller drehen und damit alle Nachahmer (Charade, Topkapi und andere) übertreffen. Das weit fortgeschrittene Projekt scheiterte schließlich an unüberbrückbaren sprachlichen und kulturellen Problemen mit den italienischen Mitarbeitern. Am 7. März 1965 erhielt Hitchcock für seinen „historischen Beitrag zum amerikanischen Kino“ den Milestone Award der Producers Guild of America – die erste von vielen Ehrungen für sein Lebenswerk. Mit Der zerrissene Vorhang (1966) kehrte Hitchcock schließlich zum Genre des Spionagefilms zurück, in dem er bereits in den 1930er Jahren in England große Erfolge gefeiert hatte. Die Premiere dieses 50. Hitchcock-Filmes sollte von einer groß angelegten Marketingkampagne begleitet werden. Nicht nur aus diesem Grund setzte Universal die aktuellen Stars Paul Newman und Julie Andrews gegen Hitchcocks Widerstand als Hauptdarsteller durch. Überdies kam es zum Bruch mit dem Komponisten Bernard Herrmann, als dieser nicht die von Universal gewünschte, auch für den Schallplattenverkauf geeignete Unterhaltungsmusik vorlegte. Auch an anderen wichtigen Positionen seines Stabes musste Hitchcock auf vertraute Mitarbeiter verzichten. Der zerrissene Vorhang fällt handwerklich und dramaturgisch gegenüber Hitchcocks letzten Filmen deutlich ab und wurde von der Kritik durchweg verrissen. Universal forderte von ihm zeitgemäßere Themen ein. Als das von ihm und Howard Fast detailliert ausgearbeitete Drehbuch über einen homosexuellen Frauenmörder abgelehnt wurde, zog er sich für ein Jahr ins Privatleben zurück. Anfang 1968 entschloss er sich unter dem Druck der langen Pause seit dem letzten Film und der noch längeren Zeitspanne seit dem letzten Erfolg, den Spionageroman Topas von Leon Uris zu verfilmen, dessen Rechte Universal kurz zuvor erworben hatte. Topas wurde dann fast ausschließlich mit europäischen Schauspielern besetzt und völlig ohne Hollywood-Stars. In Europa waren die Französinnen Dany Robin und Claude Jade wie ihre Landsmänner Michel Piccoli und Philippe Noiret und die deutsche Aktrice Karin Dor Stars; die für amerikanische Zuschauer bekanntesten Gesichter waren der Fernsehschauspieler John Forsythe und der aus Kanada stammende John Vernon. Das endgültige Drehbuch wurde erst während der laufenden Dreharbeiten geschrieben, der Schluss nach einer katastrophalen Preview improvisiert. Publikum und Kritik reagierten mit Ablehnung auf Hitchcocks bis dahin teuersten Film, doch er zeigte sich zuversichtlich: „Ich habe meinen letzten Film noch nicht gedreht. Topas ist mein 51. Film, aber wann ich meinen letzten Film drehen werde, ist von mir, meinen Finanziers und Gott noch nicht entschieden worden.“ Im Spätsommer 1970 nahm Hitchcock sein nächstes Projekt in Angriff und reiste dafür wieder in seine Heimat, wo er diesmal begeistert empfangen wurde. Frenzy (1972) spielt in London, dem Hitchcock eine liebevolle Hommage erweist, und ist in seinen Worten „die Geschichte eines Mannes, der impotent ist, und sich deshalb durch Mord ausdrückt“. Zunächst verliefen die Drehbucharbeit und auch die Dreharbeiten, die Hitchcock so ernst nahm wie lange nicht mehr, weitgehend reibungsfrei. Doch als seine Frau Alma einen Herzinfarkt erlitten hatte, wurde Hitchcock müde und untätig; die Crew war, ähnlich wie bei den drei vorangegangenen Filmen, wieder weitgehend auf sich alleine gestellt. Dennoch wurde Frenzy, ein brutaler, zum Teil bitterer, von tiefschwarzem britischen Humor durchzogener Film, ein großer Erfolg. Nur in England war man enttäuscht und bemängelte vor allem die anachronistisch wirkende Darstellung Londons und des britischen Lebens.
Im Frühjahr 1973 entschloss sich Hitchcock, den Roman The Rainbird Pattern von Victor Canning zu verfilmen. Doch die Arbeit am Drehbuch mit Ernest Lehman (Der unsichtbare Dritte) ging diesmal nicht mehr so reibungslos vonstatten: Hitchcock war merklich müde geworden, seine körperlichen Schmerzen betäubte er zunehmend mit Alkohol. Zwei Jahre benötigte die Fertigstellung des Drehbuchs, so lange wie nie zuvor in seiner Karriere. Mit Familiengrab, wie der Film schließlich hieß, kehrte Hitchcock zum scheinbar heiteren, diesmal jedoch morbid akzentuierten Unterhaltungsthriller zurück. Wie stets legte er Wert auf eine ausgeklügelte Bildsprache, die erneut mit Hilfe von Storyboards erarbeitet wurde. Die Dreharbeiten gestalteten sich reibungslos und in einer entspannten Atmosphäre. Hitchcock, der sich im Rahmen seiner gesundheitlichen Möglichkeiten mit einem lange nicht gezeigten Elan in die Dreharbeiten einbrachte, zeigte sich zu Neuerungen bereit: Er war offen für Improvisationen seiner Schauspieler und nahm noch während der Dreharbeiten Änderungen am Ablauf vor. Die Überwachung der Schnittarbeiten musste er weitgehend seinen Mitarbeiterinnen Peggy Robertson und Suzanne Gauthier überlassen, da sich sein Gesundheitszustand deutlich verschlechterte. Zudem erlitt Alma einen zweiten Schlaganfall. Familiengrab wurde nach seiner Premiere im Frühjahr 1976 überwiegend freundlich aufgenommen, und Hitchcock schöpfte aus der Sympathie, die ihm entgegenschlug, für kurze Zeit Kraft, neue Filmideen aufzugreifen. Sein erst Anfang 1978 in Angriff genommenes Projekt, die Verfilmung des Romans The Short Night von Ronald Kirkbride, wurde aufgrund seines sich weiter verschlechternden Gesundheitszustands jedoch etwa ein Jahr später von Universal gestoppt. Im März 1979 wurde er vom American Film Institute für sein Lebenswerk geehrt. Zwei Monate später schloss er sein Büro auf dem Gelände der Universal-Studios. Am 3. Januar 1980 wurde Hitchcock in den britischen Adelsstand erhoben. Am Morgen des 29. April 1980 starb Alfred Hitchcock im Alter von 80 Jahren in seinem Haus in Los Angeles an Nierenversagen. Seine Leiche wurde eingeäschert, die Asche an einem unbekannten Ort verstreut.
In rund fünfzig Jahren hat Alfred Hitchcock dreiundfünfzig Spielfilme als Regisseur begonnen und beendet. Die weitaus größte Zahl dieser Filme gehört dem Genre des Thrillers an und weist ähnliche Erzählmuster und Motive auf, wiederkehrende Elemente, visuelle Stilmittel und Effekte, die sich wie ein roter Faden durch sein Gesamtwerk ziehen.
Das Grundmotiv in Hitchcocks Filmen bildet meist die Angst der Protagonisten vor der Vernichtung ihrer (bürgerlichen) Existenz. Dabei bezieht sich diese Angst nicht nur auf Mörder, Gangster oder Spione, welche die bürgerliche Ordnung angreifen; die Hauptfiguren finden sich häufig in der Lage wieder, sogar von Vertretern des Gesetzes bedroht zu werden. Zu diesem Motiv der Angst kommt – Hitchcocks katholischer Prägung entsprechend – jenes von Schuld und Sühne hinzu. Der unschuldig Verfolgte in seinen Filmen ist „unschuldig, aber nur in Bezug auf das, was man ihm vorwirft.“ Das heißt, die Figur wird durch das, was ihr im Laufe des Filmes widerfährt, im übertragenen Sinne für andere Defizite oder Vergehen bestraft: In Bei Anruf Mord etwa wird die Hauptfigur des Mordes verdächtigt; tatsächlich musste sie aus Notwehr töten. Das folgende Unheil kann jedoch als Strafe für den von ihr begangenen Ehebruch angesehen werden. Eine Variation dieses Themas ist die Übertragung der Schuld auf eine andere Person. Unschuldige werden zu Schuldigen (oder Mitschuldigen) an Verbrechen anderer, da sie aus persönlichen Gründen nicht zur Aufklärung beitragen können. Zentral sind hierbei die beiden Filme Ich beichte und Der Fremde im Zug, in denen die jeweiligen Protagonisten von Morden, die andere begangen haben, profitieren und, nachdem sie selbst unter Verdacht geraten, keine Möglichkeit haben, sich zu entlasten. In Vertigo macht der wahre Mörder die Hauptfigur durch ein Komplott zunächst scheinbar zum Schuldigen am Tod der ihr anvertrauten Person. Später macht sich das Opfer der Intrige tatsächlich am Tod der Frau schuldig, die er liebt. Falsche Verdächtigungen, aber auch ausgeprägte Schuldkomplexe, gehen bei Hitchcocks Filmen mit der Bedrohung der Identität einher. Seine traumatisierten oder verfolgten Figuren nehmen selbst falsche Namen an oder werden – aus unbekannten Gründen – für jemand anderen gehalten. Das Motiv des Identitätsverlusts spielt Hitchcock, angefangen von seinem ersten bis zu seinem letzten Film, in unterschiedlichsten Varianten durch, besonders einprägsam in Vertigo: Die weibliche Hauptfigur wird zunächst im Rahmen eines Mordkomplotts in eine andere Person (die anschließend ermordet wird) verwandelt und nimmt daraufhin wieder ihre eigentliche Identität an, nur um anschließend wieder in die andere Person zurückverwandelt zu werden. Oft stehen Schuld und Bedrohung in Zusammenhang mit sexuellen Aspekten. In Der Fall Paradin genügt bereits der Gedanke an Ehebruch, um das Leben des Protagonisten zu gefährden. In Berüchtigt ist der Zusammenhang zwischen Sex, Schuld und Bedrohung zentrales Thema. Hitchcocks Verbindung von Sex und Gewalt wird in Mordszenen deutlich, die er oft wie Vergewaltigungen inszeniert, etwa der Schlusskampf zwischen Onkel und Nichte Charlie in Im Schatten des Zweifels, die Scherenszene in Bei Anruf Mord und die Duschszene in Psycho. Darüber hinaus spielt Sexualität gerade in abnorm empfundenen Erscheinungsformen eine große Rolle in seinem Werk. Aufgrund der Auflagen der Zensur werden jedoch Homosexualität, die in Verbindung mit Schuld und Verderben regelmäßig vorkommt, oder Nekrophilie (in Vertigo) nur in einzelnen Gesten oder Schlüsselszenen angedeutet. Auch Fetischismus (Erpressung, Vertigo, Psycho) und Voyeurismus (Das Fenster zum Hof, Psycho) spielen in seinen Filmen eine gewisse Rolle. In mehreren Filmen wird zudem ein erotischer Bezug der männlichen Hauptfiguren zu ihren Müttern angedeutet, etwa in Psycho und Die Vögel. Zentral in diesem Zusammenhang ist Berüchtigt. Hier verhalten sich Claude Rains und Leopoldine Konstantin in manchen Schlüsselszenen wie ein Ehepaar. Dieser Eindruck wird durch den geringen Altersunterschied der Schauspieler von nur vier Jahren verstärkt. Unter den in Hitchcocks Bildsprache verwendeten Symbolen finden sich Vögel als Vorboten des Unglücks (etwa in Erpressung, später als vorherrschendes Thema in Die Vögel), Treppen, die Verlust oder Freiheit bedeuten können (Berüchtigt, Psycho, Vertigo und andere), sowie Handschellen und andere Fesseln, um Abhängigkeit und Ausgeliefertsein auszudrücken, meist im sexuellen Kontext (zum Beispiel in Der Mieter). Auch Spiegel tauchen bei Hitchcock regelmäßig auf – in Zusammenhang mit dem Verlust oder der Erkenntnis der eigenen Persönlichkeit oder als allgemeines Symbol für Täuschungen (einprägende Beispiele: Vertigo und Psycho).
Die meisten Protagonisten in Hitchcocks Thrillern sind Normalbürger, die zu Beginn der Geschichte in der Regel nichts mit kriminellen Machenschaften zu tun haben. Meist werden sie durch Zufall oder unbekannte Umstände in geheimnisvolle und bedrohliche Vorgänge gezogen. Dem Zuschauer wird so das beunruhigende Gefühl vermittelt, dass auch er jederzeit in derartige Situationen geraten könnte. Professionelle Agenten oder Spione findet man dagegen nur selten unter den Hauptfiguren, obwohl Hitchcock viele Filme drehte, die im Agentenmilieu spielen. Hitchcock drehte bis auf eine Ausnahme (Erpressung, 1929) auch nie einen Film, in dem die Arbeit der Polizei im Mittelpunkt steht; aktive Polizisten tauchen ansonsten nur als Nebenfiguren und üblicherweise als Hindernis auf.
Der Prototyp des Antihelden bei Hitchcock sind die von James Stewart gespielten Figuren: In Cocktail für eine Leiche muss der von Stewart dargestellte Lehrer erkennen, dass zwei seiner Studenten eine seiner Theorien zum Anlass nahmen, einen Mord zu verüben und diesen mit seinen Thesen zu rechtfertigen; am Ende steht er hilflos vor diesem menschlichen Abgrund, in den er nicht nur hineingezogen wurde, sondern den er sogar mit heraufbeschworen hat. In Das Fenster zum Hof stellt Stewart eine Figur dar, die bindungsscheu sowie körperlich beeinträchtigt und voyeuristisch veranlagt ist und dadurch in Schwierigkeiten kommt. Es gibt nur wenige positive, ungebrochene Helden bei Hitchcock. Ein Schauspieler, der diesen seltenen Rollentypus verkörperte, war Cary Grant in Über den Dächern von Nizza und in Der unsichtbare Dritte. Diese Figuren meistern die Herausforderungen zwar mit Charme und Leichtigkeit, doch stehen sie in Verdacht, kriminell zu sein, beziehungsweise verlieren sie zeitweise die Kontrolle, womit selbst sie keine gänzlich unantastbaren Helden sein können. Aber sogar Cary Grant spielte in zwei seiner Hitchcock-Filme Figuren, deren Schattenseiten sich zeitweise vor deren positive Merkmale schieben. Im Laufe der Karriere Hitchcocks gewinnen ambivalente oder gar negativ gezeichnete Hauptfiguren immer stärker an Gewicht. Diese Antihelden weisen physische oder psychische Probleme auf, sind Verlierertypen oder unsympathisch. Durch ihr obsessives Fehlverhalten wirken sie schwach und können Schaden anrichten. Diese Figuren dienen zwar kaum als Vorbild, doch soll deren ambivalente Persönlichkeit dazu beitragen, dass sich der Zuschauer in ihnen wiederfinden kann.
In vielen Filmen bedient Hitchcock auf den ersten Blick das klassische Motiv der schwachen, zu beschützenden Frau. Doch während das Klischee verlangt, dass der strahlende Held sie rettet, ist sie bei Hitchcock oft auf sich alleine gestellt. In einigen Fällen ist der vermeintliche Beschützer schwach oder zu sehr mit sich selbst beschäftigt, als dass er der bedrohten Frau helfen könnte, wie zum Beispiel Ingrid Bergman und Cary Grant in Berüchtigt. In anderen Fällen geht von der männlichen Hauptfigur (in der Regel dem Ehemann) sogar ein tatsächliches oder vermeintliches Bedrohungspotential aus. Klassische Beispiele: Joan Fontaine und Cary Grant in Verdacht sowie Grace Kelly und Ray Milland in Bei Anruf Mord. Die Rollenverteilung zwischen Mann und Frau kehrt Hitchcock in einigen Filmen gänzlich um: Die Frau ist dem Mann, der zunehmend passiver wird, überlegen und wendet das Geschehen zum Guten. Beispiele sind Jung und unschuldig (die Tochter des Polizeichefs verhilft einem Verdächtigen zur Flucht und löst letztendlich den Fall), Ich kämpfe um dich (eine Psychologin dringt in das Unterbewusste des Mordverdächtigen ein und rettet ihn vor der sicheren Verurteilung) sowie Der Mann, der zuviel wußte (die Ehefrau verhindert zuerst einen geplanten Mord und rettet dann das eigene Kind vor den Verbrechern). Der Typ, der sich dabei im Laufe der Zeit herauskristallisierte, ist jener der jungen, schönen, kühlen, hintergründigen und undurchsichtigen Blondine. Die oberflächliche Kühle der Hitchcock-Blondine verbirgt jedoch eine stark entwickelte Sexualität. Besonders deutlich wird dies in Der unsichtbare Dritte, wenn Eva Marie Saint zunächst gegenüber Cary Grant zweideutige Bemerkungen macht, dann plötzlich den völlig überraschten Fremden küsst und ihn ohne Zögern in ihrem Schlafwagenabteil unterbringt. Nicht der Mann, sondern die (blonde) Frau spielt hier den aktiven Part.
Hitchcock legt durch seine Gestaltung von Figuren und Dramaturgie dem Zuschauer eine Identifikation mit dem Schurken nahe. Seine Antagonisten wirken zuweilen auffällig sympathisch und übertreffen mitunter die Ausstrahlung der Hauptfiguren. Oft konkurrieren Held und Bösewicht um dieselbe Frau; die Liebe des Gegenspielers erscheint dabei tiefer und aufrichtiger als die des Helden. Besonders auffällig ist dies in Berüchtigt (Claude Rains gegenüber Cary Grant) und in Der unsichtbare Dritte (James Mason wiederum gegenüber Cary Grant). Selbst ein ausgesprochen heimtückischer Schurke wie Ray Milland in Bei Anruf Mord wirkt in einzelnen Momenten gegenüber dem unbeholfenen Robert Cummings sympathischer, in jedem Fall jedoch gegenüber der Polizei vertrauenserweckender. Oft sind sie die eigentlichen Hauptfiguren, wie Joseph Cotten als charmanter Witwenmörder in Im Schatten des Zweifels oder Anthony Perkins als linkischer, von seiner Mutter gepeinigter Mörder in Psycho.
In vielen seiner Filme – ab Mitte der 1940er Jahre regelmäßig – tauchen dominante Mütter auf, die einen beunruhigenden Einfluss auf ihre meist erwachsenen Kinder ausüben und zum Teil Auslöser oder Ursache dramatischer Ereignisse sind. Erstmals uneingeschränkt bösartig erscheint die Mutter in Berüchtigt (1946), die ihren Sohn zum Mord an der Frau, die er liebt, antreibt. Der extremste Fall tritt in Psycho (1960) zutage, wo die tote Mutter noch von ihrem Sohn Besitz ergreift und ihn zu ihrem mordenden Werkzeug werden lässt. Daneben gibt es eine Vielzahl weniger dämonischer Variationen, wobei Besitzergreifung allen Mutter-Typen gemein ist: In Die Vögel (1963) erträgt es die Mutter von Mitch (Jessica Tandy) nicht, dass ihr erwachsener Sohn (Rod Taylor) sich für eine andere Frau interessiert. In Marnie (1964) wird das Leben der Tochter durch einen von der Mutter übertragenen Schuldkomplex beinahe zerstört. In zwei Filmen variiert Hitchcock dieses Rollenmuster: In Rebecca und Sklavin des Herzens übernehmen Haushälterinnen die Funktion der dämonischen Mutter.
Üblicherweise positiv besetzte Figuren wie Polizisten, Richter oder andere Vertreter des Staates erscheinen oft zwiespältig: Sie sind nicht in der Lage, die Helden zu beschützen, oder stellen sogar eine Bedrohung für diese dar. Polizisten verdrehen das Recht, sie handeln aus persönlichen Motiven, sie glauben dem ersten Anschein und schützen den tatsächlich Schuldigen aufgrund von dessen vordergründig tadellosem Erscheinen, sie sind tollpatschig oder arbeiten schlampig. Dieses Rollenmuster durchzieht Hitchcocks gesamtes Werk, von Der Mieter (1927) bis Frenzy (1972). Darüber hinaus finden sich vereinzelt Geheimdienstmitarbeiter unter den Nebenfiguren, die sich als Gegner (das Ehepaar Drayton in Der Mann, der zuviel wußte, 1956) oder als Helfer offenbaren, wobei auch letztere Schwierigkeiten bringen können – beispielsweise der „General“ (Peter Lorre) in Geheimagent oder Leo G. Carroll als CIA-Mitarbeiter in Der unsichtbare Dritte. Indem die feste Trennlinie zwischen Gut und Böse verschwimmt, wird das Gefühl der Verunsicherung beim Zuschauer gesteigert.
Eine nicht verwirklichte Idee für Der unsichtbare Dritte, die der Regisseur im Interview mit Truffaut erwähnt, verdeutlicht Hitchcocks Vorstellungen davon, die Realität zu transzendieren: Er wollte zeigen, wie unter den Augen Cary Grants auf einem Fließband ein Auto zusammengebaut wird und anschließend aus dem fertiggestellten Auto eine Leiche fällt – nach realistischen Maßstäben unmöglich. Doch Hitchcocks Begründung für das Verwerfen der Idee zeigt, dass er sich in solchen Fragen nicht an der Wahrscheinlichkeit orientierte: „Wir haben die Idee in der Geschichte nicht richtig unterbringen können, und selbst eine willkürliche Szene kann man nicht ohne Motiv ausführen.“ Den Vorwurf, Gesetze der Plausibilität zu missachten, nahm er bewusst in Kauf: „Wenn man alles analysieren wollte und alles nach Erwägungen der Glaubwürdigkeit und Wahrscheinlichkeit konstruieren, dann würde keine Spielfilmhandlung dieser Analyse standhalten, und es bliebe einem nur noch eines übrig: Dokumentarfilme zu drehen.“ Hitchcock vertraute darauf, dass die Zuschauer unwahrscheinliche Details akzeptieren würden, da er diese nur verwendete, um die Handlung zu dramatisieren, voranzutreiben oder zu straffen. Für bewusste Irritation sorgte auch Hitchcocks Spiel mit filmtypischen Klischees. So vermied er es insbesondere bei den Nebenrollen, Schauspieler nach festgelegtem Typ zu besetzen. Auch bei der Wahl seiner Spielorte entzog sich Hitchcock den Genre-Gesetzen. So ließ er Verbrechen und bedrohliche Szenen häufig nicht in unheimlichen, dunklen Räumen stattfinden, sondern bei hellem Tageslicht und an scheinbar harmlosen Orten wie einem mit Menschen übersäten Marktplatz (Der Mann, der zuviel wußte [1956] und Der Auslandskorrespondent), in einer menschenleeren Landschaft, auf einer öffentlichen Versteigerung und in einer Hotelhalle (Der unsichtbare Dritte), auf einer idyllischen Bergstraße (Über den Dächern von Nizza), auf einer Party (Berüchtigt und Jung und unschuldig) in einer voll besetzten Konzerthalle (beide Der Mann, der zuviel wußte) oder in einem mit lauter freundlichen Menschen besetzten Eisenbahnzug (Eine Dame verschwindet).
Die klassische, auf das Überraschungsmoment aufbauende Form des Kriminalfilms ist der Whodunit. Bis auf wenige Ausnahmen bediente sich Hitchcock jedoch einer anderen Form des Spannungsaufbaus, des sogenannten Suspense: Dem Zuschauer sind ab einem gewissen Zeitpunkt bestimmte Informationen oder Umstände bekannt, von denen die handelnden Personen nichts wissen. Er fiebert in besonderer Weise mit den Helden, er sieht Ereignisse kommen, möchte den Figuren helfen, kann es aber nicht. In einigen Filmen wird das klassische Suspense dahingehend variiert, dass handelnde Personen die Rolle des Zuschauers übernehmen. Ein Beispiel von vielen: In Das Fenster zum Hof dringt Lisa in die Wohnung des verdächtigen Nachbarn ein, um nach Beweisen für einen möglichen Mord zu suchen. Ihr Partner Jeff beobachtet das Geschehen von der gegenüber liegenden Wohnung aus und sieht dabei den Nachbarn vorzeitig zurückkommen. Er vermutet sie in Lebensgefahr, kann ihr aber nicht helfen. Für einige markante Szenen baute Hitchcock zudem bewusst eine Suspense-Situation auf, um den Zuschauer mit einem umso gewaltigeren Überraschungseffekt schockieren zu können. Ein berühmtes Beispiel findet sich in Psycho: Zum einen ist Marion Crane mit verschiedenen Insignien einer typischen Hauptfigur eines Hitchcockfilms ausgestattet, so dass kaum jemand erwartet, dass sie bereits in der ersten Hälfte des Films stirbt. Zum anderen schaltet Hitchcock der Duschszene selbst einen Suspense-Moment vor. Norman Bates beobachtet Marion Crane durch ein Loch in der Wand beim Entkleiden. Sie geht unter die Dusche. Der Zuschauer wird nun eben keinen Mord, sondern schlimmstenfalls eine Vergewaltigung durch Norman befürchten. Der bestialische Mord ist somit völlig überraschend und damit ein Grund für die Berühmtheit der Szene.
Ein von Hitchcock in seinen Thrillern sehr häufig verwendetes Mittel war der sogenannte MacGuffin: ein Element, das die Handlung vorantreibt oder sogar initiiert, obwohl es für die Entwicklung der Figuren und für den Zuschauer inhaltlich völlig bedeutungslos, geradezu austauschbar ist. Der MacGuffin in Der unsichtbare Dritte sind schlicht „Regierungsgeheimnisse“, über die der Held oder der Zuschauer während der gesamten Handlung nichts Weiteres erfährt. In Psycho benutzt Hitchcock unterschlagenes Geld, das die Sekretärin zur Flucht treibt und so in „Bates Motel“ führt, um das Publikum anfangs gezielt in die Irre zu führen und für einen Kriminalfall zu interessieren, der mit der eigentlichen Handlung nur am Rande zu tun hat. Die mysteriösen „39 Stufen“ im gleichnamigen Film sind eine Geheimorganisation, über die bis kurz vor Ende des Films überhaupt nichts bekannt ist, außer dass sie gefährlich ist. Ein besonders außergewöhnlicher MacGuffin ist die als Volksliedmelodie getarnte Geheimdienstinformation aus Eine Dame verschwindet.
Beeinflusst vom Stummfilm beruhte Hitchcocks Filmverständnis auf dem Anspruch, alles Wichtige in seinen Filmen visuell und so wenig wie möglich durch Dialoge auszudrücken. Seine typischen Kameraeinstellungen geben im Bild genau das wieder, was für das Verständnis der Szene wesentlich ist – auch um dem Zuschauer nicht die Möglichkeit zu geben, sich durch unwesentliche Details ablenken zu lassen. So wirken beispielsweise Kuss-Szenen bei Hitchcock immer sehr intim, da er gewöhnlich mit der Kamera sehr nahe an die beiden sich Küssenden heranfuhr und den Zuschauer sozusagen zum dritten Umarmenden machte. Zu den berühmtesten Beispielen dieser visuellen Erzählweise zählen die Duschszene aus Psycho, der Flugzeugangriff auf Cary Grant und die Jagd auf Mount Rushmore in Der unsichtbare Dritte, die Versammlung der Vögel auf dem Klettergerüst in Die Vögel oder die zehnminütige Konzertszene in der Royal Albert Hall in Der Mann, der zuviel wußte von 1956. Hitchcocks visueller Arbeitsstil drückt sich unter anderem in den Expositionen vieler seiner Filme aus. Er bringt den Zuschauern die handelnden Figuren und die Umstände der folgenden Handlung ohne die Verwendung von Dialogen nahe. Die Länge dieser Einführungen variiert zwischen wenigen Sekunden und mehreren Minuten. Erstmals verfolgte Hitchcock diese Technik 1929 in seinem ersten Tonfilm Erpressung. Zudem tauchen in Hitchcocks Filmen immer wieder ungewöhnliche filmische Operationen auf, um die Stimmung und Spannung bewusst zu verstärken, beispielsweise eine gegenläufige Zoom-Fahrtbewegung in Vertigo (später auch als „Vertigo-Effekt“ bezeichnet), lange Kamerafahrten wie die aus einer Totale eines großen Raums bis in die Naheinstellung eines Schlüssels in einer Hand (in Berüchtigt) oder auf ein zuckendes Auge (in Jung und unschuldig) sowie die aus ungefähr siebzig Einstellungen bestehende fünfundvierzig Sekunden lange Mordszene unter der Dusche in Psycho, unmittelbar gefolgt von einer etwa einminütigen Kamerafahrt ohne einen einzigen Schnitt. Der Production Designer Robert Boyle, mit dem Hitchcock bei fünf Filmen zusammenarbeitete, meinte: „Keiner der Regisseure, mit denen ich je zusammengearbeitet habe, wusste so viel über Film wie er. Viele der Regisseure, mit denen ich gearbeitet habe, wussten eine ganze Menge, aber sie besaßen nicht die technischen Fähigkeiten, die er hatte. Er suchte immer nur den visuellen Ausdruck, und so etwas wie eine zufällige Einstellung gab es bei ihm nicht.“ Nur einmal griff Hitchcock aus Experimentierfreude auf einen filmtechnischen Kniff zurück, der sich nicht unmittelbar aus der Dramaturgie ergab. In Cocktail für eine Leiche (1948) drehte er bis zu zehn Minuten lange Einstellungen, die er zum großen Teil sogar über unsichtbare Schnitte ineinander übergehen ließ. Er wollte damit bei dieser Theaterverfilmung die Einheit von Zeit und Raum dokumentieren. Später gab er zu, dass es ein Fehler war, damit gleichzeitig den Schnitt als wesentliches gestaltendes Instrument der Dramaturgie aus der Hand gegeben zu haben.
Inspiriert von amerikanischen und deutschen Filmemachern, setzte Hitchcock schon bei seinen ersten Filmen Licht- beziehungsweise Schatteneffekte ein. Typisch für Hitchcock sind Linien und Streifen in Form von Schatten (durch Gitter, Jalousien oder Ähnliches verursacht), die vor allem auf Gesichter fallen und eine unheilvolle Atmosphäre verstärken sollen. Darüber hinaus verwendet er in einzelnen Szenen sehr starke, zum Teil unnatürlich wirkende Kontraste, um einen äußeren oder inneren Gut-Böse-Gegensatz zu visualisieren. Dieses Hell-Dunkel-Spiel unterstützte Hitchcock durch die Kostüme der Figuren. So ließ er Ingrid Bergman am Anfang von Berüchtigt gestreifte Kleidung tragen, um ihre Zerrissenheit zu unterstreichen. In Der Mieter trug Ivor Novello zu Beginn Schwarz, später, um seine Unschuld auch nach außen hin deutlich zu machen, Weiß. Die Methode, durch die Farbgebung der Kostüme den emotionalen Zustand der Figuren zu unterstreichen, behielt Hitchcock auch für die Farbfilme bei. In Bei Anruf Mord wurden die Kostüme von Grace Kelly mit der Dauer des Films immer trister und grauer, entsprechend ihrer inneren Gemütsverfassung. Zu Hitchcocks Farbwahl von Grace Kellys Kleidern in Das Fenster zum Hof sagte die Kostümbildnerin Edith Head: „Für jede Farbe und jeden Stil gab es einen Grund; er war sich seiner ganzen Entscheidung absolut sicher. In einer Szene sah er sie in blassem Grün, in einer anderen in weißem Chiffon, in einer weiteren in Gold. Er stellte im Studio tatsächlich einen Traum zusammen.“ In seinen späteren Filmen, allen voran Marnie und Vertigo, gab es eine ausgefeilte, die Kostüme, die Dekors und die Beleuchtung umfassende Farbdramaturgie.
Hitchcock hat seit dem Aufkommen des Tonfilms Musik und Toneffekte eingesetzt, um die Dramaturgie bewusst zu unterstützen. Den Umgang Hitchcocks mit dem Medium Ton beschrieb die Schauspielerin Teresa Wright (Im Schatten des Zweifels) folgendermaßen: „Wenn ein Schauspieler mit den Fingern trommelte, war das nicht ein zweckloses Trommeln, es hatte einen Rhythmus, ein musikalisches Muster – es war wie ein Geräusch-Refrain. Ob jemand nun ging oder mit Papier raschelte oder einen Umschlag zerriss oder vor sich hin pfiff, ob das Flattern von Vögeln oder ein Geräusch von draußen war, alles wurde sorgfältig von ihm orchestriert. Er komponierte die Toneffekte wie ein Musiker Instrumentenstimmen.“ Gegenüber Truffaut erwähnte Hitchcock, dass er nach dem Endschnitt eines Films seiner Sekretärin ein „Tondrehbuch“ diktiert, das alle von ihm gewünschten Geräusche enthält. In Mord – Sir John greift ein! (1930) versteckte Hitchcock, da ein nachträgliches Bearbeiten der Tonspur zu diesem Zeitpunkt technisch noch nicht möglich war, gar ein komplettes Orchester hinter den Kulissen, um die entsprechenden Stellen musikalisch zu untermalen. Weitere klassische Beispiele für Hitchcocks dramaturgischen Musikeinsatz sind Geheimagent (1936, der Dauerakkord des toten Organisten in der Kirche), Eine Dame verschwindet (1938, die Melodie mit dem Geheimcode und der „Volkstanz“), Im Schatten des Zweifels (1943, der „Merry-Widow“-Walzer), Der Fremde im Zug (1951, die Szenen auf dem Rummelplatz) und Das Fenster zum Hof (1954, die im Laufe des Films entstehende Komposition des Klavierspielers). In Der Mann, der zuviel wußte (1956) schließlich wird Musik, sowohl orchestral wie auch gesungen, aktiv inszeniert und dramaturgisch eingebunden: Sie spielt eine wesentliche Rolle in der Gesamtdramaturgie des Films. Die Musik der Filme aus den späten 1950er und frühen 1960er Jahren, der Zeit als Hitchcock mit dem Komponisten Bernard Herrmann zusammenarbeitete, ist tragendes Element der jeweiligen Filme. Kritiker bescheinigen der Musik der Filme Vertigo, Der unsichtbare Dritte und Psycho sowie den Toneffekten von Oskar Sala zu Die Vögel, wesentlich zum jeweiligen Gesamteindruck des Films beizutragen.
Hitchcock war beeindruckt von den Filmen, die er in seiner Jugend und in seinen frühen Jahren im Filmgeschäft sah, etwa jenen von D. W. Griffith, Charlie Chaplin, Buster Keaton und Douglas Fairbanks senior. Als Stummfilmregisseur in England übernahm er vom US-Film unter anderem die Technik, mit Hilfe von Beleuchtungseffekten Tiefe zu schaffen und den Vorder- vom Hintergrund abzusetzen, was bis in die 1930er Jahre im britischen Film unüblich war. Angetan war er auch von den deutschen Stummfilmregisseuren wie Fritz Lang und Ernst Lubitsch. F. W. Murnaus Der letzte Mann, dessen Dreharbeiten Hitchcock 1922 in München beobachtete, bezeichnete er später als den fast perfekten Film: „Er erzählte seine Geschichte ohne Titel; von Anfang bis Ende vertraute er ganz auf seine Bilder. Das hatte damals einen ungeheueren Einfluss auf meine Arbeit.“ Einfluss auf Hitchcocks Arbeit hatte auch Das Cabinet des Dr. Caligari, den Robert Wiene 1919 drehte. Die Betonung des Visuellen im deutschen Expressionismus prägte seinen eigenen Umgang mit filmischen Mitteln. Abgesehen von diesen stilistischen Einflüssen vermied es Hitchcock jedoch, Szenen oder Einstellungen bekannter Filme zu zitieren. Als Ausnahme kann Panzerkreuzer Potemkin (1925) des sowjetischen Regisseurs Eisenstein angesehen werden. In Die 39 Stufen, Über den Dächern von Nizza und einigen weiteren Filmen erinnern die vor Entsetzen schreienden Frauen an Einstellungen aus der berühmten und oft zitierten Szene an der Hafentreppe in Odessa. Es gibt außerdem in Hitchcocks Werk aus den 1940er und 1950er Jahren einige motivische und visuelle Überschneidungen mit der Gattung des Film noir, die den amerikanischen Kriminalfilm in jener Zeit bestimmte, etwa in Im Schatten des Zweifels und Berüchtigt, und besonders in Der falsche Mann, wo das Motiv der allgegenwärtigen Bedrohung der Hauptfiguren eine Rolle spielt. Darüber hinaus bediente er sich gerne einer ähnlich kontrastreichen Bildgestaltung, die er sich in den Grundzügen allerdings bereits in den 1920er Jahren angeeignet hatte. Auch Vertigo erinnert in der Grundkonstellation und der alptraumhaften Zwanghaftigkeit der Geschehnisse an einige Filme des Genres, wie zum Beispiel Frau ohne Gewissen, hebt sich jedoch formal und stilistisch deutlich vom Film noir ab. Als typischer Vertreter des Genres kann Hitchcock jedenfalls nicht angesehen werden.
Seine Vorliebe für Blondinen erklärte Hitchcock gegenüber Truffaut wie folgt: „Ich finde, die englischen Frauen, die Schwedinnen, die Norddeutschen und die Skandinavierinnen sind interessanter als die romanischen, die Italienerinnen und die Französinnen. Der Sex darf nicht gleich ins Auge stechen. Eine junge Engländerin mag daherkommen wie eine Lehrerin, aber wenn Sie mit ihr in ein Taxi steigen, überrascht sie Sie damit, dass sie Ihnen in den Hosenschlitz greift.“ Ähnlich äußerte er sich 1969 gegenüber Look über die Truffaut-Schauspielerin Claude Jade, die bei ihm in Topaz gespielt hatte: „Claude Jade ist eine eher ruhige junge Dame, doch für ihr Benehmen auf dem Rücksitz eines Taxis würde ich keine Garantie übernehmen“. Dass Hitchcock zu seinen jungen blonden Schauspielerinnen ein besonderes Verhältnis hatte und ihnen mehr Aufmerksamkeit widmete als allen anderen, war schon früh bekannt. Die Sorgfalt, mit der Hitchcock bereits in den 1930er und 1940er Jahren Madeleine Carroll, Carole Lombard und insbesondere Ingrid Bergman in Szene setzte, entwickelte sich mit der Zeit zu einer sich steigernden Verquickung privater und beruflicher Interessen, die sich zu einer Obsession ausweitete. Mit Vera Miles probte er die Nervenzusammenbrüche, welche sie in Der falsche Mann darstellen sollte, wochenlang jeweils mehrere Stunden täglich. Für sie wie für Kim Novak ließ er von der Kostümbildnerin eine komplette Garderobe schneidern, die für ihr privates Leben gedacht war. Tippi Hedren (Die Vögel) behauptete, er habe sie sogar von zwei Crew-Mitgliedern beschatten lassen und begonnen, ihr Vorschriften für ihr Verhalten im Privatleben zu machen. Hedren warf in ihrer Biografie 2016 Hitchcock vor, sie mehrfach sexuell belästigt zu haben, und bezeichnete ihn als pervers. Er habe sie für sich völlig vereinnahmen wollen, sich auf sie geworfen und begrapscht. Weiter drohte er ihr, ihre Karriere zu ruinieren, wenn sie nicht kooperieren würde. Diese Vereinnahmung hatte ihren Höhepunkt in sich über Tage hinziehenden Aufnahmen von auf sie einstürzenden, echten Vögeln. Nach einem eindeutigen, erfolglosen Annäherungsversuch während der Arbeiten zu Marnie kam es schließlich zum Bruch. Die zuvor offen bekundete Zuneigung schlug ins Gegenteil um, und Hitchcock ließ keine Gelegenheit aus, Tippi Hedren bei anderen herabzusetzen. Sie blieb die letzte typische „Hitchcock-Blondine“. Zwar hielt sich Hitchcock darüber stets äußerst bedeckt, doch es gilt als gesichert, dass der Regisseur sich von diesen Schwierigkeiten lange nicht erholen konnte und in seiner kreativen Schaffenskraft beeinträchtigt war. Ebenso gelten Filme wie Vertigo und Berüchtigt, aber auch Marnie oder Im Schatten des Zweifels, die von neurotischen Männern handeln, die Frauen manipulieren, als stark autobiographisch. Auch die Verbindung zwischen Sex und Gewalt faszinierte Hitchcock, was vor allem in seinen späteren Werken immer deutlicher zutage tritt. Mehrfach inszenierte er vollendete oder versuchte Vergewaltigungen (schon früh in Erpressung, später dann in Marnie und Frenzy). In drei nicht realisierten Projekten sollten Vergewaltiger oder Vergewaltigungen eine zentrale Rolle spielen. Morde inszenierte er einige Male als Vergewaltigungen, mit dem Messer als Phallus-Symbol. Doch auch der Tod durch Erwürgen oder Strangulieren übte eine gewisse Faszination auf ihn aus. Einige Würgeszenen gehören zu den bemerkenswertesten Mordszenen seiner Karriere, etwa in Cocktail für eine Leiche, Bei Anruf Mord, Der zerrissene Vorhang und Frenzy. Sich selbst ließ er oft in „Würgerposen“ ablichten. Ähnlich offen kokettierte Hitchcock zeit seines Lebens mit seiner panischen Angst vor der Polizei. Hitchcock erzählte gerne, dass er mit fünf Jahren, nachdem er etwas angestellt hatte, von seinem Vater mit einem Zettel auf das nahegelegene Polizeirevier geschickt worden sei. Der Polizist las den Zettel und sperrte Alfred für fünf oder zehn Minuten in eine Zelle mit dem Kommentar, dies würde die Polizei mit ungezogenen Jungen so machen. In seinen Filmen geht von Polizisten stets eine latente Gefahr aus. Zu der Frage, inwieweit das von Hitchcock in seinen Filmen transportierte Bild der besitzergreifenden Mutter von der eigenen Mutter geprägt ist, gab es von ihm selbst keinerlei Aussagen. Das wenige, was man aus seiner Kindheit weiß, legt jedoch autobiographische Ursprünge nahe. Hitchcocks Mutter starb nach langer Krankheit im August 1942 während der Dreharbeiten zu Im Schatten des Zweifels. Dieser bereits von vornherein stark autobiographisch geprägte Film nimmt eindeutig Bezug auf Hitchcocks Verhältnis zu ihr: Der Name Emma scheint nicht die einzige Gemeinsamkeit zwischen ihr und der dominanten Mutterfigur im Film zu sein. Zudem ist im Film noch von einer anderen gebieterischen, jedoch kranken Mutter die Rede – jener des Krimi-Besessenen Herb Hawkins, der wiederum als Selbstprojektion Hitchcocks gilt. Auffallend oft sind Toiletten in Hitchcocks Filmen zu sehen oder zu hören, in denen konspirative Dinge irgendwelcher Art stattfinden. Laut seinem Biographen Donald Spoto hatte er eine „pubertäre Fixierung“, die in seiner viktorianischen Erziehung begründet lag. Hitchcock äußerte sich zwar oft und gerne über menschliche Körperfunktionen, wollte aber den Eindruck erwecken, er selbst habe mit solchen Dingen nichts zu tun. Bezugnehmend auf seine Körperfülle, deutete Hitchcock hingegen mehrfach an, dass für ihn Essen eine Art Ersatzbefriedigung sei. So gibt es in einigen Hitchcockfilmen eine symbolische Verbindung von Essen, Sex und Tod.
In den USA galt zwischen 1934 und 1967 der Hays Code, auch Production Code genannt, eine Sammlung von Richtlinien über die Einhaltung der gängigen Moralvorstellungen und über die Zulässigkeit der Darstellung von Kriminalität, Gewalt und Sexualität im Film. So musste Hitchcock zum Beispiel das geplante Ende für Verdacht fallen lassen, weil es Anfang der 1940er Jahre nicht möglich war, den Selbstmord einer schwangeren Frau zu zeigen. Noch bis kurz vor Schluss der Dreharbeiten hatte er kein passendes Ende für den Film gefunden. In Berüchtigt musste Hitchcock einen Dialog streichen, in dem sich ein Vertreter der US-Regierung positiv über die Möglichkeit einer Ehescheidung äußerte. Bei Saboteure drehte er politisch heikle Textstellen zur Sicherheit alternativ in entschärften Versionen. Doch in vielen Fällen gelang es ihm, die Beschränkungen durch die Zensur kreativ zu umgehen. So war es damals unter anderem nicht erlaubt, eine Toilette zu zeigen. Daher verzerrte Hitchcock in Mr. und Mrs. Smith die eindeutigen Geräusche einer Toilette so, dass man sie für eine Dampfheizung halten konnte. In Psycho zeigte er eine Toilette, in der ein Papierzettel hinuntergespült wurde. Indem er das Bild der Toilette mit einer dramaturgischen Funktion versah – das Verschwinden eines Beweisstücks musste erklärt werden –, verhinderte er, dass die Szene geschnitten wurde. Niemals wurde eine Toilette zu Zeiten des Hays Code expliziter gezeigt. Da auch die Länge von Küssen im Film damals auf drei Sekunden begrenzt war, inszenierte Hitchcock den Kuss zwischen Ingrid Bergman und Cary Grant in Berüchtigt als Folge von einzelnen, durch kurze Dialogsätze unterbrochenen Küssen. Hitchcocks größter Sieg gegen die Zensur war die Schlussszene von Der unsichtbare Dritte: Cary Grant und Eva Marie Saint befinden sich in einem Schlafwagen. Er zieht sie zu sich nach oben in das obere Bett, und sie küssen sich. Es erfolgt ein Umschnitt, und man sieht einen Zug in einen Tunnel rasen – eine der explizitesten Andeutungen des Sexualakts in einem US-Film zu Zeiten des Production Code.
Einer der wichtigsten Aspekte der Arbeitsweise Alfred Hitchcocks war, dass er im Idealfall von der Stoffauswahl bis zum Endschnitt nichts dem Zufall überließ, sondern die völlige Kontrolle über die Herstellung des Films beanspruchte. Wenn Hitchcock existierende Vorlagen benutzte, etwa Romane oder Bühnenstücke, übernahm er nur einzelne Grundmotive der Handlung und entwickelte daraus zusammen mit dem jeweiligen Drehbuchautor oft eine völlig neue Geschichte. Hochwertige, komplexe Literatur sperrte sich gegen diesen Umgang und Hitchcock scheute daher deren Verfilmung – auch aus Respekt vor dem Werk. Hitchcock war meist an der Drehbucherstellung beteiligt, wurde aber nach 1932 bei keinem seiner Filme offiziell als Autor in Vor- oder Abspann erwähnt: „Ich will nie einen Titel als Produzent oder Autor. Ich habe das Design des Films geschrieben. Mit anderen Worten, ich setze mich mit dem Autor zusammen und entwerfe den ganzen Film vom Anfang bis zum Ende.“ Der Autor Samuel A. Taylor: „Mit ihm zu arbeiten, bedeutete auch mit ihm zu schreiben, was auf die wenigsten Regisseure zutrifft. Hitchcock behauptete nie, selbst ein Schriftsteller zu sein, aber in Wahrheit schrieb er doch seine eigenen Drehbücher, denn er sah bereits jede Szene deutlich in seinem Kopf vor sich und hatte eine sehr genaue Vorstellung davon, wie sie ablaufen sollte. Ich merkte, dass ich nur noch die Figuren persönlicher und menschlicher zu gestalten brauchte und sie weiter entwickeln musste.“ Gelegentlich veränderte Hitchcock im Nachhinein noch die Dialoge ganzer Szenen, etwa um die Spannungs-Dramaturgie zu verbessern (Beispiel: Das Rettungsboot) oder um autobiographische Bezüge einzubauen (Beispiel: Ich beichte). Auch wenn ihm geschliffene Dialoge wichtig waren, legte Hitchcock sein Hauptaugenmerk stets auf die Ausdruckskraft der Bilder. So wurde im Idealfall jede einzelne Einstellung des Films vor Drehbeginn in Storyboards festgelegt. Seit Beginn seiner Regisseurtätigkeit verfolgte er das Ziel, jegliche Improvisation so weit es geht zu vermeiden. Gegenüber Truffaut erklärte er: „Ich habe Angst davor gehabt, im Atelier zu improvisieren, weil, selbst wenn man im Augenblick Ideen hat, bestimmt keine Zeit bleibt nachzuprüfen, was sie taugen. [… Andere Regisseure] lassen ein ganzes Team warten und setzen sich hin, um zu überlegen. Nein, das könnte ich nicht.“ Nach eigenen Aussagen bereitete Hitchcock die Planung eines Projekts mehr Freude als die eigentlichen Dreharbeiten: Durch zu viele Einflüsse – Produzenten, Technik, Schauspieler, Zeitdruck – sah er die angestrebte Kontrolle über sein Werk bedroht. Außerdem sah er im Idealfall die kreative Arbeit am Film mit Beginn der Dreharbeiten als abgeschlossen an: „Ich drehe einen vorgeschnittenen Film. Mit anderen Worten, jedes Stück Film ist entworfen, um eine Funktion zu erfüllen.“ Diese Grundsätze waren jedoch eher eine Idealvorstellung Hitchcocks. Tatsächlich wurde es ihm spätestens ab 1948 zur Gewohnheit, beim Drehen Alternativen auszuprobieren. Doch auch hier bemühte er sich um möglichst exakte Vorausplanung: Ein Beispiel hierfür ist die Belagerung des Hauses durch die Vögel in Die Vögel. Gegenüber Truffaut beschrieb Hitchcock, wie er die ursprünglich geplante Szene noch unmittelbar am Drehort umschrieb und bis ins kleinste Detail skizzierte, so dass sie kurz darauf entsprechend diesen neuen Entwürfen gedreht werden konnte. Darüber hinaus wurde Hitchcock im Laufe seiner Karriere immer freier, auch kurzfristig vom festgelegten Drehbuch abzuweichen. Entgegen seinen Gewohnheiten ließ er sogar Improvisationen der Schauspieler zu, wenn auch nur bei eher unwichtigen Szenen. Bill Krohn ging 1999 in Hitchcock at Work ausführlich auf Hitchcocks Arbeitsweise ein. Er rekonstruierte auf Basis von Originalunterlagen wie Drehbuchversionen, Skripte, Storyboards, Memos, Produktionsnotizen etc. und mit Hilfe von Beteiligten die Produktionsgeschichte diverser Filme (darunter Hitchcocks berühmteste) und widerlegt Hitchcocks Bekenntnis zum „vorgeschnittenen Film“: So kam es bei vielen Filmen vor, dass Hitchcock entscheidende Schlüsselszenen in verschiedenen Varianten drehte und meist erst im Schneideraum über die endgültige Form einzelner Szenen entschied.
Im Laufe der Jahre entwickelte sich mit verschiedenen Autoren eine besonders kreative Zusammenarbeit. Hervorzuheben sind Eliot Stannard, Angus MacPhail, Charles Bennett, Ben Hecht und John Michael Hayes. Obwohl Samuel A. Taylor (Vertigo) und auch Ernest Lehman (Der unsichtbare Dritte) nur je zwei Drehbücher zu tatsächlich realisierten Filmen schrieben, gehörten sie zu den wenigen Mitarbeitern, die mit ihm in den letzten Jahren seiner Karriere regelmäßig zusammenarbeiteten und bis kurz vor seinem Tod Kontakt hatten. Doch auch mit namhaften Theater- oder Romanautoren arbeitete Hitchcock mehrfach bei der Drehbucherstellung zusammen, reibungslos mit Thornton Wilder und George Tabori, konfliktbeladen mit John Steinbeck, Raymond Chandler und Leon Uris. Der Kult, den Hitchcock gern um seine Person betrieb, und sein manchmal diktatorischer Stil, führte auch zu Konflikten mit befreundeten Autoren. John Michael Hayes, der im Streit von Hitchcock schied: „Ich tat für ihn, was jeder andere Autor für ihn tat – ich schrieb! Wenn man aber Hitchcocks Interviews liest, kann man den Eindruck bekommen, er habe das Drehbuch geschrieben, die Charaktere entwickelt, die Motivation beigesteuert.“ Wenn Hitchcock mit der Arbeit eines Autors nicht zufrieden war, oder wenn er seine Autorität angegriffen fühlte, dann ersetzte er Autoren kurzerhand durch andere. Cary Grant und James Stewart wurden innerhalb der jeweils vier Filme, die sie für Hitchcock drehten, zu Hitchcocks Alter Ego. Grant wurde zu dem, „was Hitchcock gerne gewesen wäre“, wie es Hitchcocks Biograph Donald Spoto formulierte, während Stewart vieles wäre, „von dem Hitchcock dachte, er sei es selbst“. Mit einigen seiner Schauspieler verband Hitchcock zudem eine langjährige persönliche Freundschaft, allen voran mit Grace Kelly. Darüber hinaus sind die als neurotisch zu bezeichnenden Beziehungen zu seinen blonden Hauptdarstellerinnen – insbesondere mit Tippi Hedren – bekannt. Am Anfang von Hitchcocks Karriere galt Film in England als Unterhaltung für die Unterschicht. Aus dieser Zeit stammt Hitchcocks oft zitierter Ausspruch „Alle Schauspieler sind Vieh“, der sich auf diejenigen Theaterschauspieler bezog, die nur mit Widerwillen und des Geldes wegen nebenher als Filmschauspieler arbeiteten. Die Aussage verselbständigte sich später und wurde oft als genereller Ausdruck der Geringschätzung Hitchcocks Schauspielern gegenüber angesehen. Tatsächlich hatte er auch später oft Probleme mit Schauspielern, die eigene Vorstellungen durchsetzen wollten, anstatt sich in die vorgefertigte Planung des Regisseurs einzufügen. Anhänger des Method Actings wie Montgomery Clift und Paul Newman waren Hitchcock daher genauso lästig wie Exzentriker oder Egomanen. Große Achtung hatte Hitchcock hingegen vor Schauspielern, die sein Filmverständnis teilten oder sich zumindest seiner Arbeitsweise anpassten, und gewährte etwa Joseph Cotten und Marlene Dietrich große künstlerische Freiheiten. Oft waren es jedoch die Produzenten, die über die Besetzung der Hauptrollen entschieden. Umso mehr nutzte Hitchcock seine größere Freiheit bei den zu besetzenden Nebenrollen, wobei er gerne auf Theaterschauspieler zurückgriff, die er noch aus seiner Zeit in London in bester Erinnerung hatte, zum Beispiel Leo G. Carroll in insgesamt sechs Filmen oder Cedric Hardwicke in Verdacht und Cocktail für eine Leiche. Die bekannte Kostümbildnerin Edith Head, mit der er ab Das Fenster zum Hof bei fast allen Filmen zusammenarbeitete, meinte: „Loyalität war Hitchcock besonders wichtig. Er war Mitarbeitern gegenüber so loyal, wie er es von ihnen erwartete.“ Bei fünf Filmen war Robert F. Boyle für das Production Design verantwortlich; er gehörte bis zu Hitchcocks Tod zu dessen engsten Mitarbeitern. Außerdem griff er im Laufe seiner Karriere gern auf Albert Whitlock als Szenenbildner zurück. Äußerst zufrieden war Hitchcock, dem die Ausdruckskraft der Bilder stets wichtig war, auch mit dem Art Director Henry Bumstead. Der Titeldesigner Saul Bass entwarf nicht nur einige Filmtitel für die Vorspanne sowie Plakate, sondern war bereits bei den Arbeiten an vielen Storyboards maßgeblich beteiligt. Wichtigster Kameramann in seinen frühen Jahren bei den British International Pictures war John J. Cox. Über Hitchcock sagte Kameramann Robert Burks, der mit Ausnahme von Psycho an allen Filmen zwischen 1951 und 1964 beteiligt war: „Man hatte nie Ärger mit ihm, solange man etwas von seiner Arbeit verstand und sie ausführte. Hitchcock bestand auf Perfektion.“ Mit Leonard J. South, ehemaliger Assistent Burks’, arbeitete Hitchcock über einen Zeitraum von insgesamt 35 Jahren zusammen. Von den Komponisten der Filmmusiken ist Louis Levy hervorzuheben, der die Soundtracks für die frühen englischen Filme von Der Mann, der zuviel wußte bis Eine Dame verschwindet beisteuerte. Als der Hitchcock-Komponist schlechthin gilt Bernard Herrmann, der ab Immer Ärger mit Harry bis einschließlich Marnie (1964) alle Filmmusiken für Hitchcock komponierte. Der Filmeditor George Tomasini war bis zu seinem Tod 1964 ein Jahrzehnt lang enger Mitarbeiter Hitchcocks. Zu Beginn seiner Karriere wirkte seine Frau Alma als Editorin bei seinen Filmen mit; sie blieb bis zuletzt eine der einflussreichsten Mitarbeiterinnen.
Schon zu Beginn seiner Karriere war Hitchcock die Bedeutung der Vermarktung der eigenen Person bewusst: Viele seiner späteren Tätigkeiten sind Teil einer Strategie, sich und seinen Namen als Marke zu etablieren. Bereits 1927 führte Hitchcock ein stilisiertes Selbstporträt als Logo, das bis heute bekannt ist. Anfang der 1930er Jahre, als er mit dem Erfolg seiner Filme in England populär wurde, gründete er mit der Hitchcock Baker Productions Ltd. eine Gesellschaft, die bis zu seiner Übersiedlung nach Amerika ausschließlich dafür zuständig war, für ihn und mit seiner Person Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben. Anschließend wurden diese Aufgaben von der Künstleragentur Selznick-Joyce, danach von der Music Corporation of America (MCA) wahrgenommen, wobei der Präsident der MCA, Lew Wasserman, zu seinem persönlichen Agenten wurde. 1962 wurde unter Herman Citron eine neue Gesellschaft gegründet, die Hitchcocks Interessen vertrat und seinen Namen vermarktete. Diese Selbstvermarktung diente auch dazu, eine Machtposition im Produktionsprozess seiner Filme zu erlangen, und war somit Teil seines Kampfes um künstlerische Unabhängigkeit.
Aus Mangel an Statisten in seinen ersten britischen Filmen sah man Hitchcock immer wieder im Hintergrund auftauchen. Daraus entwickelte er eines seiner bekanntesten Markenzeichen: Hitchcocks obligatorischer Cameo. Da das Publikum mit der Zeit immer weniger auf die Handlung achtete, als vielmehr auf Hitchcock lauerte, legte er in späteren Filmen diesen Running Gag möglichst weit an den Filmanfang. In drei Filmen hatte Hitchcock keinen eigentlichen Cameo. In zwei von diesen Filmen trat er auf Fotos in Erscheinung: Das Rettungsboot spielt ausschließlich in einem kleinen Rettungsboot auf dem Meer. Er ist daher in einer zufällig im Boot liegenden Zeitung in einer Werbeanzeige für eine Diät auf einem „Vorher-Nachher-Foto“ zu sehen. Auch in Bei Anruf Mord war kein Auftritt möglich. Stattdessen taucht Hitchcock auf einem an der Wand hängenden Foto einer Wiedersehensfeier von College-Absolventen auf. In Der falsche Mann schließlich tritt er am Anfang des Films persönlich auf und spricht den Prolog. Dies ist gleichzeitig seine einzige Sprechrolle in einem seiner Kinofilme.
Während von den Filmgesellschaften üblicherweise für die Vermarktung eigene Abteilungen oder externe Agenturen beauftragt werden, trugen bei Hitchcocks Filmen die Werbekampagnen deutlich die Handschrift des Regisseurs. Seine Kino-Trailer waren häufig nicht nur Zusammenschnitte des angekündigten Films: Mit steigendem Wiedererkennungswert seiner Person stellte Hitchcock in der Rolle eines „Master of Ceremony“ seine eigenen Filme vor und führte den Zuschauer humorvoll durch die Kulissen. Oftmals sprach er auch die deutschsprachigen Trailer selbst ein.
Auf den Rat seines Agenten Lew Wasserman hin stieg Hitchcock 1955 in das Fernsehgeschäft ein. Hitchcock gründete die Fernsehproduktionsfirma Shamley Productions und produzierte bis 1965 seine eigene wöchentliche Fernsehserie. Am Anfang vieler Folgen begrüßte Hitchcock das Publikum, indem er mit ungerührter Miene makabre Ansagetexte sprach. Die Moderationen, die ihn zu einer nationalen Berühmtheit machten, wurden von dem Bühnenautor James D. Allardice verfasst, der fortan bis zu seinem Tod 1966 für Hitchcock auch als Redenschreiber arbeitete. Als Titelmusik für die Serie Alfred Hitchcock Presents verwendete Hitchcock das Hauptthema von Charles Gounods Marche funèbre d’une marionette (Trauermarsch einer Marionette), das sich im Weiteren zu einer Erkennungsmelodie für Hitchcocks Öffentlichkeitsarbeit entwickelte.
1956 schloss Hitchcock einen Lizenzvertrag mit HSD Publications ab, der die Überlassung seines Namens für das Krimi-Magazin Alfred Hitchcock’s Mystery Magazine zum Inhalt hatte. Die Zeitschrift enthält Mystery- und Kriminalgeschichten, Buchrezensionen und Rätsel und erscheint noch heute. Einführungen und Vorworte, die mit seinem Namen unterschrieben waren, wurden stets von Ghostwritern verfasst. Von 1964 bis 1987 erschien in den USA die Jugend-Krimi-Reihe „The Three Investigators“, auf Deutsch seit 1968 Die drei ???. Der Journalist und Autor Robert Arthur kannte Alfred Hitchcock persönlich und bat ihn, seinen Namen zur Vermarktung dieser geplanten Buchreihe verwenden zu dürfen. Schließlich baute er die Figur „Alfred Hitchcock“ in die Handlung ein. Anders als in Europa hielt sich der Erfolg der Bücher in den USA in Grenzen. In Deutschland, wo die Bücher besonders populär waren, entstand die gleichnamige Hörspielreihe. Durch diese bis heute erfolgreichste Hörspielproduktion der Welt wurde der Name Hitchcock auch bei vielen bekannt, die mit seinem filmischen Schaffen nicht vertraut waren.
Viele Elemente aus seinem Werk sind inzwischen in das Standardrepertoire des Kinos eingegangen, ohne dass sie noch bewusst oder direkt mit Hitchcock in Verbindung gebracht werden, insbesondere der Einsatz von Suspense als spannungserzeugendem Mittel oder die Verwendung von MacGuffins als handlungsvorantreibendes Element. Darüber hinaus gibt es seit den 1940er Jahren unzählige Beispiele für Thriller oder Dramen, teils von sehr namhaften Regisseuren, in denen typische Motive Hitchcocks oder seine Stilelemente bewusst kopiert oder variiert werden. Manche dieser Filme sind als Hommage des jeweiligen Regisseurs an Hitchcock zu verstehen, in anderen Fällen wurde Hitchcocks Stil übernommen, da er sich als erfolgreich und wirksam erwiesen hat.
Insbesondere Hitchcocks Erfolgsfilme aus den 1950ern bis Anfang der 1960er Jahre inspirierten in den Folgejahren Hollywood-Produktionen, die inhaltlich oder stilistisch oft mit Hitchcock in Verbindung gebracht werden. Zu den vielen Hollywood-Regisseuren, die Alfred Hitchcock mehr oder weniger direkt beeinflusste, zählt Brian De Palma, der mit vielen Verweisen und Zitaten auf Hitchcocks Werk arbeitet. Überdies übernahm er in einigen Filmen Grundstrukturen aus dessen Filmen. So entwickelt er in Dressed to Kill (1980) das Grundmotiv aus Psycho weiter und zitiert aus weiteren Hitchcock-Filmen. 1976 lehnte sich Schwarzer Engel stark an Vertigo an. 1984 spielt de Palma in Der Tod kommt zweimal mit eindeutigen Bezügen auf Das Fenster zum Hof und Vertigo. Auch wenn Steven Spielberg selten direkt stilistische Motive kopiert oder adaptiert und nur wenige seiner Filme thematische Parallelen aufzeigen, erinnert Der weiße Hai (1975) in Spannungsaufbau und Dramaturgie an Die Vögel und ist die Indiana-Jones-Filmreihe (1981–1989) stark von Der unsichtbare Dritte (1959) beeinflusst. Auch ein Film wie Schindlers Liste (1993) wäre in dieser Form ohne den Einfluss Hitchcocks nicht möglich gewesen. Der von Hitchcocks Kameramann Irmin Roberts entwickelte Vertigo-Effekt wird bisweilen auch als „Jaws Effect“ bezeichnet, da Spielberg diese relativ schwierig umzusetzende Kameraeinstellung im Weißen Hai (Originaltitel: Jaws) als einer der ersten prominenten Regisseure 16 Jahre nach Vertigo einsetzte. Inzwischen gehört dieser emotional sehr wirkungsvolle Kameratrick zum Standardrepertoire des Hollywood-Kinos. Weitere amerikanische Regisseure, die erkennbar von Hitchcock beeinflusst wurden oder sich auf dessen Werk berufen, sind John Carpenter, David Fincher, David Mamet, Quentin Tarantino, Martin Scorsese, David Lynch und M. Night Shyamalan.
Bereits seit Mitte der 1950er Jahre war Hitchcock insbesondere in Frankreich bei den Vertretern der Nouvelle Vague hoch angesehen. 1957 veröffentlichten die damaligen Filmkritiker und späteren Regisseure Éric Rohmer und Claude Chabrol das erste Buch über ihn. 1956 erschien ein Sonderheft der Cahiers du cinéma, das maßgeblich zu Hitchcocks Popularität in Frankreich beitrug. Als er im Mai 1960 zu einem Filmfestival reiste, das die Cinémathèque française ihm zu Ehren in Paris abhielt, wurde er von Dutzenden jungen Filmemachern frenetisch gefeiert. Die internationale Ausgabe der Herald Tribune schrieb, dass Hitchcock in dieser Woche „das Idol der französischen Avantgarde geworden“ sei. Im August 1962 gab Hitchcock dem damals dreißigjährigen französischen Filmkritiker und Regisseur François Truffaut ein fünfzigstündiges Interview. Truffaut befragte Hitchcock chronologisch zu dessen bisherigen achtundvierzig Filmen. Das Interview erschien 1966 als Mr. Hitchcock, wie haben Sie das gemacht? in Buchform und gilt als Standardwerk der Filmliteratur. Einzelne Filme Truffauts zeigen den Einfluss Hitchcocks deutlich, etwa Die Braut trug schwarz (1968) oder Das Geheimnis der falschen Braut (1969), die Geschichte eines Mannes, der einer Betrügerin und Mörderin verfällt und auch nicht von ihr lassen kann, als sie ihn zu töten versucht. Der Film ist stark von verschiedenen inhaltlichen und stilistischen Motiven aus Vertigo, Marnie und Verdacht beeinflusst. Sein letzter Film Auf Liebe und Tod (1983), in dem ein unschuldiger Mann eines Mordes beschuldigt wird, ist voll von hitchcockschen Motiven und Anspielungen auf dessen Werk. Weitere Filme, die Truffaut selbst in der Tradition Hitchcocks sah, waren Die süße Haut und Fahrenheit 451. 1968/69 besetzte Hitchcock die bevorzugte Schauspielerin Truffauts, Claude Jade, für seinen Film Topas. In vielen Filmen von Claude Chabrol wird eine scheinbar heile bürgerliche Welt angegriffen und durcheinandergebracht. Die hitchcockschen Hauptmotive der Schuldübertragung sowie der doppelten oder der gespaltenen Persönlichkeit tauchen bei Chabrol immer wieder auf. Einige Beispiele sind Schrei, wenn du kannst (1959), Das Auge des Bösen (1962), Der Schlachter (1970) und Masken (1987). Neben Chabrol und Truffaut haben sich in Frankreich unter anderen auch Henri-Georges Clouzot und René Clément des hitchcockschen Repertoires bedient.
Außerhalb Frankreichs war in Europa der unmittelbare Einfluss Hitchcocks auf andere Filmemacher deutlich geringer. Einige europäische oder europäischstämmige Regisseure haben jedoch einzelne Filme gedreht, denen eine Stilverwandtschaft anzuerkennen ist oder die unmittelbar als Hommage an Hitchcock gedacht sind, zum Beispiel Ministerium der Angst von Fritz Lang (1943), Der dritte Mann von Carol Reed (1949), Zeugin der Anklage von Billy Wilder (1957), Frantic von Roman Polański (1988) und Schatten der Vergangenheit von Kenneth Branagh (1991).
Alle Filme, an denen Hitchcock beteiligt war, in der Reihenfolge ihrer Produktion: * Jahr: das Jahr der Uraufführung, bei nicht oder erst später aufgeführten Filmen das letzte Produktionsjahr * Beteiligung: R = Regie; (R) = Hitchcock drehte als Regisseur nur einzelne Szenen und wird im Abspann nicht genannt; R (TV) = Regiearbeiten für das Fernsehen; B = Buch (nur bei namentlicher Nennung; Hitchcock arbeitete jedoch an fast allen Drehbüchern seiner Filme mit und lieferte in vielen Fällen Szenen oder einzelne Dialoge); P = Produktion; D = Darsteller (Statist); TA = Treatment Advisor; TD = Titel-Designer; RA = Regie-Assistent; AD = Art Director; * = ohne namentliche Nennung * Nr.: Position in den 53 von Hitchcock selbst inszenierten Spielfilmen * Uraufführung: für die Kinofilme nach der Internet Movie Database, für die Fernsehfilme nach Donald Spoto
(bis einschließlich Nr. 9 Stummfilme, ab Nr. 10 Tonfilme; alle Filme in Schwarzweiß)
(alle Filme in Schwarzweiß) In diese Phase fällt auch Hitchcocks einzige Mitarbeit an einem längeren Dokumentarfilm (German Concentration Camps Factual Survey) von Mai bis Juli 1945 in London. Er hat dies später im Interview als seinen Beitrag zum Krieg bezeichnet. Der Film wurde nicht fertiggestellt.
(Filme Nr. 35, 36, 37, 38 und 44 in Schwarzweiß, alle anderen in Farbe)
Hitchcock wurde sechsmal für den Oscar nominiert: fünfmal für die Beste Regie, einmal für den Besten Film (als Produzent). Alle sechs Mal ging er leer aus, was ihn zu dem Kommentar veranlasste: „Immer nur Brautjungfer, nie die Braut“. Bei der Oscarverleihung 1968 gewann er den Irving G. Thalberg Memorial Award, einen Sonderpreis für besonders kreative Filmschaffende. Zudem wurde Rebecca 1941 mit dem Oscar für den besten Film ausgezeichnet. Alfred Hitchcock zählt, gemeinsam mit Stanley Kubrick, Federico Fellini und Ingmar Bergman, zu den aus Sicht von Filmkritikern wohl bedeutendsten Regisseuren. Diese vier sind die einzigen Filmregisseure, die mindestens vier Mal auf der Liste der 100 Filme mit den besten Kritikerbewertungen auf der Website „They Shoot Pictures“ vertreten sind, für die über 9000 Filmkritiken und Kritikerumfragen der letzten Jahrzehnte ausgewertet wurden. Zu den vier Hitchcock-Filmen, die vertreten sind, zählen Vertigo – Aus dem Reich der Toten (Platz 2), Psycho (Platz 23), Das Fenster zum Hof (Platz 41) und Der unsichtbare Dritte (Platz 59). * 1939: NYFCC Award als Bester Regisseur für Eine Dame verschwindet * 1941: Oscar-Nominierung für Rebecca (Beste Regie) * 1942: Oscar-Nominierung für Verdacht (Bester Film) * 1944: Oscar-Nominierung für Das Rettungsboot (Beste Regie) * 1945: Oscar-Nominierung für Ich kämpfe um dich (Beste Regie) * 1948: Kinema Junpo Award für Verdacht als Bester Fremdsprachiger Film * 1950: Preis beim Filmfestival von Locarno für Die rote Lola * 1954: Oscar-Nominierung für Das Fenster zum Hof (Beste Regie) * 1958: Golden Globe für „The best TV-Show: Alfred Hitchcock Presents“ * 1958: Zweiter Platz beim Laurel Award als Bester Regisseur * 1958: Silberne Muschel beim Filmfestival von San Sebastián für Vertigo – Aus dem Reich der Toten * 1959: Golden Laurel als Bester Regisseur / Produzent * 1959: Silberne Muschel beim Filmfestival von San Sebastián für Der unsichtbare Dritte * 1960: Oscar-Nominierung für Psycho (Beste Regie) * 1960: Golden Laurel als Bester Regisseur / Produzent * 1961: Golden Laurel als Bester Regisseur / Produzent * 1962: Golden Laurel als Bester Regisseur / Produzent * 1963: Zweiter Platz beim Laurel Award als Bester Regisseur / Produzent * 1964: Golden Laurel als Bester Regisseur / Produzent * 1965: Zweiter Platz beim Laurel Award als Bester Regisseur / Produzent * 1965: Milestone Award der Producers Guild of America * 1966: Ehrung durch die Association of Cinematography, Television and Allied Technicians (ACTT) * 1966: Golden Laurel als Bester Regisseur / Produzent * 1967: Zweiter Platz beim Laurel Award als Bester Regisseur / Produzent * 1968: Irving G. Thalberg Memorial Award als Spezialoscar für besonders kreative Filmproduzenten * 1968: Ehrendoktorwürde der University of California * 1968: D. W. Griffith Award der Directors Guild of America * 1969: Officier des Arts et des Lettres * 1970: National Board of Review Award als Bester Regisseur für Topas * 1971: Ehrenmitgliedschaft der britischen Society of Film and Television * 1971: Golden Laurel als Bester Regisseur / Produzent * 1971: Ernennung zum Ritter der Ehrenlegion bei der Cinémathèque française * 1971: BAFTA Award für sein Lebenswerk (Academy Fellowship) * 1972: Golden Globe für sein Lebenswerk: Cecil B. deMille Award * 1972: Ehrendoktorwürde der Universität von Columbia * 1973: Grand Master Award der Mystery Writers of America * 1974: Würdigung durch die „Film Society of Lincoln Center“ in New York * 1979: AFI Life Achievement Award des American Film Institute * 1980: Knight Commander of the British Empire * 1984: Jussi (Finnland) als Bester ausländischer Filmemacher * 1994: Life Career Award (postum) der Academy of Science Fiction, Fantasy & Horror Films, USA Er wurde mit zwei Sternen auf dem Hollywood Walk of Fame geehrt. Den einen in der Kategorie Film findet man bei der Adresse 6506 Hollywood Blvd, den anderen in der Kategorie Fernsehen am 7013 Hollywood Blvd.
* The Girl (TV Spielfilm, 2012) Regie: Julian Jarrold; Besetzung: Toby Jones (Alfred Hitchcock), Sienna Miller (Tippi Hedren), Imelda Staunton (Alma Reville Hitchcock), Conrad Kemp (Evan Hunter), Penelope Wilton (Peggy Robertson) * Hitchcock (Spielfilm, 2012) Regie: Sacha Gervasi; Besetzung: Anthony Hopkins (Alfred Hitchcock), Helen Mirren (Alma Reville Hitchcock), Scarlett Johansson (Janet Leigh), Danny Huston (Whitfield Cook), Toni Collette (Peggy Robertson), Michael Stuhlbarg (Lew Wasserman), Michael Wincott (Ed Gein), Jessica Biel (Vera Miles), James D’Arcy (Anthony Perkins)
* Bei Anruf Hitchcock – Das Genie hinter dem Showman (Dial „H“ for Hitchcock – The Genius Behind the Showman; aka Hitchcock: Shadow of a Genius). TV-Dokumentation, USA 1999, von Ted Haimes; 101 Minuten. * Hitchcock – Truffaut. Dokumentarfilm, USA, Frankreich, 2014, 79 Min., Buch: Kent Jones und Serge Toubiana, Regie: Kent Jones, Produktion: arte France, Artline Films, Cohen Media Group, Erstsendung: 16. November 2015 bei arte, ], . * Mr. und Mrs. Hitchcock. Regie: Laurent Herbiet, 55 Minuten, Frankreich 2018.
* Laurent Bouzereau: Alfred Hitchcock. Knesebeck, München 2010, ISBN 978-3-86873-250-4 (mit einem Vorwort von Patricia Hitchcock O’Connell und bisher unveröffentlichtem Bildmaterial und herausnehmbaren Faksimiles von Storyboards und handschriftlichen Notizen). * Charlotte Chandler: It’s Only a Movie: Alfred Hitchcock – A Personal Biography. Simon & Schuster, New York 2005, ISBN 0-7432-3970-9. * Thomas Koebner: Alfred Hitchcock. In: Ders. (Hrsg.): Filmregisseure. Biographien, Werkbeschreibung, Filmographien. 3., aktualisierte und erweiterte Auflage. Reclam, Stuttgart 2008 [1. Aufl. 1999], ISBN 978-3-15-010662-4, S. 324–331. * Patrick McGilligan: Alfred Hitchcock. A Life in Darkness and Light. Wiley, Chichester 2003, ISBN 0-470-86972-0. * Enno Patalas: Hitchcock. dtv, München 1999, ISBN 3-423-31020-0. * Donald Spoto: Alfred Hitchcock – Die dunkle Seite des Genies. Ins Deutsche übersetzt von Bodo Fründt. Heyne, München 1984, ISBN 3-453-55146-X. * John Russel Taylor: Die Hitchcock-Biographie. Fischer Cinema, Frankfurt am Main 1982, ISBN 3-596-23680-0. * Edward White: The Twelve Lives of Alfred Hitchcock: An Anatomy of the Master of Suspense. W. W. Norton, New York 2021, ISBN 978-1-324-00239-0. * Thilo Wydra: Alfred Hitchcock. Leben – Werk – Wirkung. Suhrkamp, Berlin 2010, ISBN 978-3-518-18243-7. * Thilo Wydra: Alma & Alfred Hitchcock. Eine Liebe fürs Leben. Heyne, München 2024, ISBN 978-3-453-21826-0.
Sortiert in der chronologischen Reihenfolge der jeweiligen Originalausgabe. * Éric Rohmer, Claude Chabrol: Hitchcock. Ed. Universitaires, Paris 1957. * H.P. Manz: Alfred Hitchcock – eine Bildchronik. Mit Texten von Hitchcock, Godard, Truffaut u. a. Sanssouci, Zürich 1962. * François Truffaut: Mr. Hitchcock, wie haben Sie das gemacht?. Heyne, München 1973, ISBN 3-453-86141-8 (Abfolge von Interviews (circa 50 Stunden) des französischen Regisseurs mit Hitchcock), Originalausgabe: Le cinéma selon Hitchcock. (1966, dt. etwa: „Der Film gemäß Hitchcock“) * Robert A. Harris, Michael S. Lasky, Hrsg. Joe Hembus: Alfred Hitchcock und seine Filme. (OT: The Films of Alfred Hitchcock). Citadel-Filmbücher bei Goldmann, München 1976, ISBN 3-442-10201-4. * François Truffaut, Robert Fischer (Hrsg.): Truffaut, Hitchcock. Diana, Zürich 1999, ISBN 3-8284-5021-0 (frz. Original: 1984; erweiterte und gebundene Ausgabe von Mr. Hitchcock, wie haben Sie das gemacht? (1966)). * Bodo Fründt: Alfred Hitchcock und seine Filme. Heyne Filmbibliothek Band Nr. 91, München 1986, ISBN 3-453-86091-8. * Robert E. Kapsis: Hitchcock: The Making of a Reputation. University of Chicago Press, Chicago 1992, ISBN 0-226-42489-8 (wissenschaftliche englischsprachige Arbeit, die informationsreich den aufgebauten Ruf Hitchcocks beleuchtet und so auch auf Nachahmungen seiner Filme eingeht, speziell: Brian De Palma). * Frank Schnelle (Hrsg.): Alfred Hitchcock’s Psycho. Verlag Robert Fischer + Uwe Wiedleroither, Stuttgart 1993, ISBN 3-924098-06-9. * Eva Rieger: Alfred Hitchcock und die Musik. Eine Untersuchung zum Verhältnis von Film, Musik und Geschlecht. Kleine, Bielefeld 1996, ISBN 3-89370-236-9. * Donald Spoto: Alfred Hitchcock und seine Filme. Wilhelm Heyne, München 1999, ISBN 3-453-15746-X. * Lars-Olav Beier, Georg Seeßlen (Hrsg.): Alfred Hitchcock. Bertz + Fischer, Berlin 1999, ISBN 3-929470-76-4. * Hans-Peter Reichmann, Maren Wurster: Hitchcock in Frankfurt (Kinematograph 15). Deutsches Filmmuseum, Frankfurt am Main 2000. ISBN 3-88799-061-7. * Bill Krohn: Hitchcock at Work. Phaidon, Wien 2000, ISBN 0-7148-4333-4 (detaillierte Studie über Hitchcocks Arbeitsweise in seiner amerikanischen Zeit). * Slavoj Žižek et al.: Was sie immer schon über Lacan wissen wollten und Hitchcock nie zu fragen wagten, Suhrkamp, Frankfurt am Main 2002 * Paul Duncan: Alfred Hitchcock, The Complete Films. Deutsch im Taschen-Verlag, Köln 2003, ISBN 3-8228-1671-X * Nikolai Wojtko (Hrsg.): Alfred Hitchcock – der Filmverführer. Kovac, Hamburg 2005, ISBN 978-3-8300-2148-3. * Gregor J. Weber: Jeder tötet, was er liebt. Liebes- und Todesszenen in den Filmen Alfred Hitchcocks. Schüren, Marburg 2007, ISBN 978-3-89472-487-0. * Adrian Weibel: Spannung bei Hitchcock. Zur Funktionsweise des auktorialen Suspense. Königshausen & Neumann, Würzburg 2008, ISBN 978-3-8260-3681-1. * Ingo Kammerer: Hitchcock – Angstgelächter in der Zelle. Mühlbeyer Filmbuchverlag, Frankenthal 2010, ISBN 978-3-945378-57-1. * Henry Keazor (Hrsg.): Hitchcock und die Künste. Schüren, Marburg 2013, ISBN 978-3-89472-828-1. * Éric Rohmer und Claude Chabrol: Hitchcock. Hrsg. und aus dem Französischen von Robert Fischer. Alexander, Berlin 2013, ISBN 978-3-89581-280-4. * Stephen Rebello: Hitchcock und die Geschichte von „Psycho“. Wilhelm Heyne, München 2013, ISBN 978-3-453-43726-5 (Grundlage für das Drehbuch von Hitchcock). * Tania Modleski: The Women Who Knew Too Much. Hitchcock and Feminist Theory, Routledge, London und New York 3. Auflage 2015 * Paul Duncan (Hrsg.): Alfred Hitchcock. Sämtliche Filme. Taschen, Köln 2019, ISBN 978-3-8365-6681-0. (Mit zahlreichen Filmfotos, Kinoplakaten und Bildern von Dreharbeiten). * Thilo Wydra: Hitchcock's Blondes. Erfindung eines Frauentyps. Schirmer/Mosel, München 2018, ISBN 978-3-8296-0835-0. * Bernard Benoliel, Gilles Esposito, Murielle Joudet, Jean-François Rauger: Hitchcock. Alle Filme Delius Klasing, 2020, ISBN 978-3-667-11870-7. * Jens Wawrczeck: How to Hitchcock: Meine Reise durch das Hitchcock-Universum. dtv-Verlag, München 2023, ISBN 978-3-423-35217-8.
* – umfangreiche englischsprachige Privatseite * Dorit Kreissl: ] Radiowissen. Ausstrahlung am 19. November 2019 (Podcast), abgerufen am 7. April 2024 * Abgerufen am 7. April 2024.
Hauptquellen sind die beiden Biografien von Taylor und Spoto sowie die Bücher von Truffaut und Krohn.
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Auteur-Theorie
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Die Auteur-Theorie (von ) ist eine Filmtheorie und die theoretische Grundlage für den Autorenfilm – insbesondere den französischen – in den 1950er Jahren, der sich vom „Produzenten-Kino“ abgrenzte. Auch heute noch wird die Definition des Auteur-Begriffs ständig weiterentwickelt. Im Zentrum des Films steht für die Auteur-Theorie der Regisseur oder Filmemacher als geistiger Urheber und zentraler Gestalter des Kunstwerks.
Ende der 1940er Jahre wurde eine erste Auteur-Theorie von dem französischen Filmkritiker Alexandre Astruc formuliert, indem er die Frage nach dem geistigen Besitz eines Films aufwarf. Im traditionellen Schaffensprozess lassen sich die Anteile von Drehbuchautor, Kameramann und Filmregisseur am Gesamtwerk nur schwer zuordnen. Durch die Zuteilung der Teilaufgaben als Honorartätigkeit durch die Filmgesellschaften leide die Kreativität, so die These. Im Umkehrschluss fordert diese Theorie die Zusammenführung der Tätigkeiten zu einer kreativen Einheit. Er formulierte seinen Entwurf in dem Aufsatz „La caméra-stylo“. Die Kamera sollte wie ein Stift verwendet werden. Er war sich sicher, dass bedeutende Schriften in Zukunft nicht mehr als Text, sondern mit der „Kamera geschrieben“ würden. Doch durchgesetzt haben sich solche und ähnliche Ideen der Auteur-Theorie erst in den 1950er Jahren. Deren gängiger Begriff als Wegbereiter für die heutige Auteur-Theorie lautete zunächst politique des auteurs (Autoren-Politik), was erst im Laufe der Zeit zur Theorie umgeformt wurde. Das Wort politique bzw. Politik stand hier also eher für Parteilichkeit, welche für filmwissenschaftliche Diskussionen eher hinderlich ist (siehe unten). Die politique des auteurs wurde zu dieser Zeit von einer Gruppe von jungen Filmkritikern um André Bazin entwickelt, die für die Filmzeitschrift Cahiers du cinéma schrieben. Eine wesentliche Rolle spielte dabei François Truffaut: Im Januar 1954 veröffentlichte er seinen Aufsehen erregenden Aufsatz Eine gewisse Tendenz im französischen Film (Une certaine tendance du cinéma français), in dem er sich mit scharfer Polemik gegen den etablierten französischen „Qualitätsfilm“ wandte. Bei diesem trat der Regisseur gegenüber dem Drehbuchautor und dem Autor der literarischen Vorlage oft in den Hintergrund. Truffaut plädierte dagegen für einen Film, bei dem Form und Inhalt vollständig vom Regisseur selbst als dem eigentlichen „auteur“ des Films bestimmt werden. Er fand das bei traditionell als Autoren ihrer Filme betrachteten europäischen Regisseuren wie Luis Buñuel, Jean Renoir und Roberto Rossellini, außerdem aber auch und vor allem bei Regisseuren wie Alfred Hitchcock, Howard Hawks, Fritz Lang und Vincente Minnelli, die (zum großen Teil als Vertragsregisseure) im Studiosystem Hollywoods arbeiteten, deren Filme aber trotzdem einen persönlichen Stil aufweisen. Das Konzept des Regisseurs als auteur seiner Filme wurde für die Filmkritik der Cahiers du cinéma bestimmend, und damit für die Regisseure der Nouvelle Vague, die daraus hervorgingen, neben Truffaut etwa Jean-Luc Godard, Jacques Rivette oder Claude Chabrol – Filmemacher, die sich zur Umsetzung ihrer künstlerischen Ziele einer jeweils ganz eigenen filmischen Form bedienten. Roland Barthes hingegen misst in seinem Essay La mort de l'auteur (1968, Der Tod des Autors) dem Autor für die Literatur eine weitaus geringere Bedeutung bei, als es bisher der Fall war. Der „Auteur-Dieu“ („Autoren-Gott“) wird von Barthes durch den „écrivain“ (den Schriftsteller) ersetzt und folgt damit einer Kritik, die Julia Kristeva bereits 1967 in ihrem Aufsatz Bakhtine, le mot, le dialogue et le roman (Bachtin, das Wort, der Dialog und der Roman, 1972) aufbrachte. Für den europäischen Film blieb die Auteur-Theorie aber noch bis in die 1970er prägend. Danach setzte auch hier eine Abkehr von der „verhängnisvollen Macht der Regisseure“ (Günter Rohrbach) ein. Wirtschaftlicher Druck zwang zur Rückkehr zu einer arbeitsteiligen Produktionsweise, wie sie für den Produzenten-Film charakteristisch ist. Damit einher ging notwendigerweise auch wieder die Einigung aller Beteiligten auf einen kleinsten gemeinsamen Nenner und somit auch häufig eine gewisse Banalisierung der Filminhalte, die umso stärker zu Tage tritt, je weniger der Produzent als Projektverantwortlicher in den eigentlichen schöpferischen Prozess eingebunden ist. In der Filmwissenschaft wurden auch immer neue Autorschaften von Teammitgliedern entdeckt. In der Realität ist Film Teamarbeit und es ist dem Film nicht anzusehen, ob zum Beispiel die Idee für eine Einstellung nun vom Regisseur oder vom Kameramann stammt. Im Dogma-Film ist der Kameramann nicht weisungsgebunden. Die „Polnische Schule“ bindet den Kameramann bereits in den Prozess des Drehbuchschreibens ein. Unerfahrene Regisseure sind meist sehr auf die Kreativität des Kameramanns oder der Kamerafrau und anderer Teammitglieder angewiesen. Durch das Aufkommen digitaler Aufnahmetechniken wie Digital Video seit Ende der 1990er Jahre sehen viele Filmemacher, wie etwa Wim Wenders, wieder günstigere Bedingungen für individuelle, subjektive Produktionen gegeben.
Die von François Truffaut und Jean-Luc Godard proklamierte „politique des auteurs“ (Autorenpolitik) der fünfziger Jahre war ursprünglich ein Versuch, bestimmte Regisseure wie Alfred Hitchcock als Künstler anzuerkennen, die ihre völlig eigene Bildsprache entwickelten oder, wie Truffaut selber, sämtliche Aspekte ihrer Filme selbst bestimmten. Ein Autorenfilmer ist demnach ein Regisseur, der einen Film – möglichst ohne Kompromisse – so gestaltet, wie er ihn selbst haben möchte. Die „politique des auteurs“ geriet schnell in die Kritik. Kritiker wie Andrew Sarris und Peter Wollen wiesen auf ein empirisches Problem hin: Niemand kann beweisen, wie viel Einfluss der Regisseur wirklich auf seine Filme hatte bzw. welchen Einfluss Form und Inhalt wirklich auf das haben, was wir als Autorschaft wahrnehmen. Als Beispiel hierfür gilt der Vorspann von Vertigo – Aus dem Reich der Toten (1958), den Alfred Hitchcock nicht selbst angefertigt hat, oder die Tatsache, dass viele seiner Filme auf einer Buchvorlage fremder Autoren basieren und selbst die Drehbücher selten von ihm selbst stammten. Gerade Hitchcock aber ist eine zentrale Figur in der „politique des auteurs“. Wie der Name „politique des auteurs“ sagt, handelte es sich um eine Politik, einen gezielten polemischen Eingriff. Der Village-Voice-Kritiker Andrew Sarris übersetzte „politique des auteurs“ jedoch 1962 mit „auteur theory“, wobei unklar blieb, in welchem Sinne es sich hier tatsächlich um eine Theorie handelt. Sarris popularisierte diese „Theorie“ im englischen Sprachraum und benutzte sie vor allem, um die absolute Überlegenheit des Hollywood-Kinos darzulegen, war er doch davon überzeugt, es sei „the only cinema in the world worth exploring in depth beneath the frosting of a few great directors at the top“. Nun war die Frage: Wo ist die Grenze? Wen oder vielmehr was nehmen wir als Autor wahr? Sarris unterteilte die Regisseure in verschiedene Kategorien, in die Spitze setzte er ein Pantheon der seiner Ansicht nach 14 besten Regisseure, die bisher in den USA gearbeitet hatten. Als Gegenspielerin von Sarris etablierte sich in den USA mit ihrem Essay Circles and Squares vor allem Pauline Kael. Sie kritisierte an der Auteur-Theorie, dass sie vor allem retrospektiv funktioniere und verschiedene Regisseure auf dogmatische Weise gegeneinander aufwäge. Kael wollte Filme eher als Einzelwerk und weniger im Gesamtwerk eines Regisseurs sehen. Soziologisch gesehen war die Autorentheorie eine Distinktionsstrategie junger Kritiker, die auf sich aufmerksam machen wollten. Godard hat dies später offen zugegeben: „Wir sagten von Preminger und den anderen Regisseuren, die für Studios arbeiteten, wie man heute fürs Fernsehen arbeitet: ‚Sie sind Lohnempfänger, aber gleichzeitig mehr als das, denn sie haben Talent, einige sogar Genie …‘, aber das war total falsch. Wir haben das gesagt, weil wir es glaubten, aber in Wirklichkeit steckt dahinter, dass wir auf uns aufmerksam machen wollten, weil niemand auf uns hörte. Die Türen waren zu. Deshalb mussten wir sagen: Hitchcock ist ein größeres Genie als Chateaubriand.“ In den siebziger Jahren folgte dann die stärkste Kritik an der „politique des auteurs“. Roland Barthes proklamierte bereits 1968 vor einem poststrukturalistischen Hintergrund den „Tod des Autors“. Der Autor wurde nun aufgrund des empirischen Dilemmas der Beweisbarkeit von Autorschaften als Image-Figur erkannt, die sich aus ihrer Umwelt formt und in die Werke einschreibt. Auch von feministischer Seite wurde die „politique des auteurs“ scharf angegriffen, diene sie doch dazu, den kollektiven Charakter des Filmemachens zu verdecken und in der Tradition patriarchaler Heldenverehrung Männer zu Superstars zu stilisieren. Claire Johnston verteidigte den Ansatz insofern, als dieser einer zu monolithischen Sicht des Hollywood-Kinos entgegenwirke. In den neunziger Jahren schließlich ging die Tendenz zu der Annahme, dass Autorschaften zum Großteil (z. T. kommerziell) konstruiert sind. Timothy Corrigan nennt dies den „commercial auteur“. Es wird damit gerechnet, dass das Publikum den Film eines als Autor bekannten Regisseurs als z. B. „Der neue Woody Allen!“ wahrnimmt, ohne wirklich zu wissen, wie viel Einfluss Woody Allen tatsächlich auf den Film hatte. Dana Polan verfolgte einen weiteren interessanten Ansatz: Er sieht den „auteurist“ als Hauptverantwortlichen für konstruierte Autorenbilder. Das sind Kritiker, die den Autor als höchste Instanz suchen und damit – wie François Truffaut – auf einen Filmemacher als Künstler hinweisen wollen und nebenbei ihre eigene Erkenntniskraft zelebrieren. Der Begriff dafür lautet „Auteur Desire“. Dieser Ansatz zeigt noch einmal den größten Vorwurf gegenüber der „politique des auteurs“ auf. Trotzdem ist die Nennung eines Regisseurs parallel zu – beispielsweise – einem Buchautor als Schöpfergeist auch unter reflektierenden Filmkritikern und -wissenschaftlern weiterhin außerordentlich beliebt. Steckt also doch mehr dahinter? Ein neuerer Ansatz, die kontextorientierte Werkanalyse von Jan Distelmeyer, versucht diese Frage zu klären. Als Grundlage dienen Publikums- und Kritikerrezeption auf der einen Seite und die Konstruktion des Autors aus Biografie, Filmindustrie und kulturellem Umfeld auf der anderen Seite. Diese zweiseitige Annäherung erkennt das empirische Dilemma der Definition von „auteur“ an und maßt sich auch keine Bestimmung dessen an, was jetzt eigentlich das Werk von Autor XYZ ist. Viele andere Filmtheoretiker verfolgen heutzutage ähnliche Konzepte. Doch auch eine solch freie Handhabung kann das Problem nicht vollständig lösen, da die wichtigsten Elemente variabel sind und sich so einer eindeutigen Aussage verschließen. Der Schwerpunkt kritischer Tendenzen liegt also zum Großteil in der Empirie. Einen Filmemacher als „auteur“ anzuerkennen fordert uneingeschränktes Vertrauen in seine Aussagen, wie viel Einfluss er auf seine eigenen Filme hatte. Da dies in Zeiten einer sehr starken Vermarktung aller möglichen mehr oder weniger (un)abhängigen Regisseure seitens von Filmindustrie und Verleih ein fast aussichtsloses Unterfangen ist, ist ein Restzweifel und das stete Hinterfragen der „auteur“-Definition angebracht (weitere Quellenangaben zu diesem Abschnitt Kritik und Diskussion im Literaturverzeichnis).
* François Truffaut: Une certaine tendance du cinéma français. In: Cahiers du cinéma. 1954,31 (Januar). Übersetzung: A Certain Tendency of the French Cinema. In: Bill Nichols (Hrsg.): Movies and Methods. Berkeley 1976, S. 224–237. * Jean-Luc Godard: Godard/Kritiker. München 1974, S. 38–56. * Jean-Luc Godard: Einführung in eine wahre Geschichte des Kinos. Hanser 1981, ISBN 3446132821. * Andrew Sarris: Towards a Theory of Film History. In: Bill Nichols (Hrsg.): Movies and Methods. Berkeley 1976, S. 237–251. * Peter Wollen: The Auteur Theory. In: Signs and Meaning in the Cinema. London 1969, S. 74–115. * Roland Barthes: Der Tod des Autors. In: Fotis Jannidis, Gerhard Lauer, Mathias Martinez, Simone Winko (Hrsg.): Texte zur Theorie der Autorschaft. Stuttgart 2000, S. 185–193. * Timothy Corrigan: A Cinema without Walls. Movies and Culture after Vietnam. New Brunswick 1991, S. 101–136. * Dana Polan: Auteur Desire. In: * Jan Distelmeyer: Vom auteur zum Kulturprodukt. Entwurf einer kontextorientierten Werkgeschichtsschreibung. In: Andrea Nolte (Hrsg.): Mediale Wirklichkeiten. Dokumentation des 15. Film- und Fernsehwissenschaftlichen Kolloquiums. Marburg 2003, S. 86–97.
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Aki Kaurismäki
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Aki Olavi Kaurismäki (* 4. April 1957 in Orimattila) ist ein vielfach preisgekrönter finnischer Filmregisseur.
Aki Kaurismäki studierte an der Universität Tampere Literatur- und Kommunikationswissenschaften. Neben diversen Aushilfsjobs, etwa als Briefträger oder in der Gastronomie, war er Herausgeber eines universitären Filmmagazins. Darüber hinaus schrieb er von 1979 bis 1984 Filmkritiken für das Magazin Filmihullu. Das erste Drehbuch folgte 1980 für den mittellangen Film Der Lügner (Valehtelija), bei dem sein Bruder Mika Regie führte. Kaurismäkis Filme thematisieren häufig Schicksale von gesellschaftlichen Außenseitern in städtischen Zentren wie Helsinki. Sie sind nicht nur für ihre sparsamen Dialoge, sondern auch für einen skurril-lakonischen Humor bekannt. Kaurismäki arbeitet regelmäßig mit einem festen Stamm befreundeter Schauspieler und Musiker, die seine Filme auch stilistisch geprägt haben: Matti Pellonpää, Kati Outinen, Kari Väänänen und Sakke Järvenpää. Als Reminiszenz an Alfred Hitchcock hat er in seinen Filmen gelegentlich Cameo-Auftritte, was auch Hitchcock zu tun pflegte. In Deutschland wurden seine Filme zum ersten Mal 1986 auf dem Filmfestival Grenzland-Filmtage in Selb gezeigt. Aki Kaurismäki führte dabei die Filme Der Lügner, Calamari Union und Crime and Punishment persönlich vor. Während des Festivals schrieb er das Drehbuch für seinen Film Schatten im Paradies, den er 1988 erneut persönlich bei den Grenzland-Filmtagen in Selb präsentierte. Dieser Film brachte ihm den internationalen Durchbruch. Ein Großteil der Filmmusik kam von der Band Nardis aus Erlangen, die Kaurismäki 1986 auf den Grenzland-Filmtagen kennengelernt hatte. Dem breiten deutschen Publikum bekannt wurde der finnische Regisseur durch seine Teilnahme an der Berlinale 1988. Im Jahre 2006 wurde sein Film Lichter der Vorstadt als offizieller finnischer Beitrag für eine Oscar-Nominierung gewählt, Kaurismäki lehnte die Entsendung jedoch ab (siehe auch Politische Stellungnahmen und Proteste). Zusammen mit seinem Bruder Mika Kaurismäki gründete er das Midnight Sun Film Festival im lappischen Sodankylä sowie die Verleihfirma Villealfa. Der Name geht zurück auf die Figur Ville Alfa, den Protagonisten im Film Der Lügner. Gleichzeitig handelt es sich um ein Anagramm von Alphaville, einem Film von Jean-Luc Godard. 1989 emigrierte Kaurismäki mit seiner Frau nach Portugal, weil „es in ganz Helsinki keinen Platz mehr gebe, wo er seine Kamera noch postieren könne“. Rainer Gansera, der für die Zeitschrift epd Film mit dem „Chef-Melancholiker des europäischen Autorenkinos“ 2006 in Hof gesprochen hat, zeigte sich auch von seinem Auftreten persönlich beeindruckt und beschrieb atmosphärisch: Als persönliche Leitbilder will Kaurismäki Bresson, Ozu und Godard gesehen haben, der Ausbildung an den Filmhochschulen seines Landes dagegen habe er nicht viel Positives abgewinnen können. Bei Pandora sind Ende 2006 als „Aki Kaurismäki DVD-Collection“ 14 Spielfilme und fünf Kurzfilme (mit digital restaurierten Bildern) in vier Boxen erschienen. 2011 stellte Kaurismäki nach fünf Jahren mit Le Havre einen Spielfilm fertig, der ihm wieder einmal eine Einladung in den Wettbewerb der Filmfestspiele von Cannes einbrachte. Der in Frankreich gedrehte Film handelt von einem Schuhputzer aus der gleichnamigen Hafenstadt, der sich eines illegalen Flüchtlingskindes aus Afrika annimmt. Le Havre gewann in Cannes den FIPRESCI-Preis. Für den Spielfilm Die andere Seite der Hoffnung erhielt Kaurismäki 2017 eine Einladung in den Wettbewerb der 67. Internationalen Filmfestspiele Berlin. Der Film spielt in Helsinki und erzählt von der Begegnung eines älteren finnischen Handelsvertreters (dargestellt von Sakari Kuosmanen) mit einem jungen syrischen Flüchtling (Sherwan Haji). Der Film kam am 3. Februar 2017 in die finnischen Kinos. Im Jahr 2023 erhielt er für seinen Spielfilm Fallende Blätter erneut eine Einladung in den Wettbewerb um die Goldene Palme des Filmfestivals von Cannes. Das Werk erhielt dort den Preis der Jury zuerkannt. Kaurismäki lebt zeitweise in Portugal und in der finnischen Stadt Karkkila, wo er auch ein Kino initiierte.
* 1981: The Saimaa Gesture (Saimaa-ilmiö) – Dokumentarfilm mit seinem Bruder Mika * 1983: Crime and Punishment (Rikos ja rangaistus) * 1984: Der Clan – Geschichte der Frösche (Klaani – tarina Sammakoitten suvusta) – Co-Autor seines Bruders Mika * 1985: Calamari Union * 1986: Rocky VI – Kurzfilm * 1986: Schatten im Paradies (Varjoja paratiisissa) * 1987: Hamlet goes Business (Hamlet liikemaailmassa) * 1987: Thru The Wire – Kurzfilm * 1987: Rich Little Bitch – Kurzfilm * 1989: Likaiset kädet – Produktion für das finnische Fernsehen * 1989: Leningrad Cowboys Go America * 1990: Das Mädchen aus der Streichholzfabrik (Tulitikkutehtaan tyttö) * 1990: Vertrag mit meinem Killer (I Hired a Contract Killer) * 1991: Those Were The Days – Kurzfilm * 1992: Das Leben der Bohème (Boheemielämää / La vie de Bohème) * 1992: These Boots – Kurzfilm * 1993: Tatjana – Take Care Of Your Scarf (Pidä huivista kiini, Tatjana) * 1993: Total Balalaika Show * 1994: Leningrad Cowboys Meet Moses * 1996: Wolken ziehen vorüber (Kauas pilvet karkaavat) * 2002: Der Mann ohne Vergangenheit (Mies Vailla Menneisyyttä) * 2002: Dogs Have No Hell – Kurzfilmbeitrag in Ten Minutes Older: The Trumpet * 2006: Lichter der Vorstadt (Laitakaupungin valot) * 2012: Juice Leskinen & Grand Slam: Bluesia Pieksämäen asemalla – Kurzfilm * 2012: Tavern Man – Beitrag in Historic Centre * 2017: Die andere Seite der Hoffnung (Toivon tuolla puolen) * 2023: Fallende Blätter (Kuolleet lehdet)
* 1980: Der Lügner (Valehtelija) – auch Drehbuchautor (Film seines Bruders Mika) * 1982: The Worthless (Arvottomat) – auch Drehbuchautor und Regieassistent (Film seines Bruders Mika) * 2012: Estrada de Palha * 2013: Mittsommernachtstango * 2015: Vandaleyne (Cameo)
* Aki Kaurismäki Collection. Pandora Film, 2014, 10 DVDs mit insgesamt 21 Filmen aus den Jahren 1983–2011.
Neben den politischen Botschaften, die mehr oder wenig deutlich in seinen Filmen enthalten sind, hat sich Kaurismäki auch wiederholt demonstrativ bis provokativ kritisch zum offiziellen Kulturleben, den damit verbundenen Auszeichnungen und zur jeweils aktuellen Politik geäußert. Im Jahr 1984 äußerte er sich in der finnischen Illustrierten Seura: „An dem Tag, an dem ich eine Einladung zum jährlichen Ball des Präsidenten anlässlich der finnischen Selbstständigkeit erhalte, begehe ich unverzüglich Selbstmord.“ Der genannte Ball gilt als der absolute Höhepunkt des gesellschaftlichen und politischen Lebens in Finnland mit Rekordpublikum bei der Fernsehübertragung und zahlreichen Sonderseiten in der Tagespresse. Kaurismäki selbst erklärte die Äußerung als einen Vertrag mit der Gesellschaft, dass es nie zu einer solchen Ehrung kommen würde. Im Jahr 2001 lehnte er die Ehrendoktorwürde der Kunsthochschule Helsinki ab, da diese auch an die landesweit bekannte Modeunternehmerin Kirsti Paakkanen verliehen wurde. Dies begründete er mit Unterstützung der Pelztierzucht durch Paakkanens Unternehmen Marimekko. Für großes Aufsehen sorgte Kaurismäki im Herbst 2006, als er sich weigerte, seinen Film Lichter der Vorstadt als offiziellen finnischen Beitrag für eine Oscar-Nominierung in der Kategorie Bester fremdsprachiger Film zuzulassen, obwohl das Drama von der finnischen Filmkammer einstimmig ausgewählt worden war. Kaurismäki begründete seine Ablehnung mit seiner seit Jahren vertretenen kritischen Haltung gegen den Irak-Krieg der USA. Im Jahr 2019 gab er seinen staatlichen Ehrentitel „Akademiker der Künste“ (taiteen akateemikko) zurück. Als Begründung führte er die aktuelle finnische Regierungspolitik an, die eine Steigerung der Abholzung der Wälder zulasse und ausländische Bergbaukonzerne fördere, um die Sanierung der zerstörten Umwelt dann durch den Steuerzahler bezahlen zu lassen. Dass er den Titel im Jahre 2008 überhaupt angenommen hatte, ist als Abweichung zu seiner früheren regierungs- und gesellschaftskritischen Haltung zu sehen. Offensichtlich wurde dies dadurch erleichtert, dass die Verleihung durch die politisch links eingeordnete Präsidentin Tarja Halonen erfolgt war.
* Peter von Bagh: . Alexander, Berlin 2014, ISBN 978-3-89581-342-9 (Gespräche und Essays mit rund 200 Abbildungen). * Ralph Eue und Linda Söffker (Hrsg.): Aki Kaurismäki (film: 13). Mit Beiträgen von Lars-Olav Beier, Harun Farocki, Ulrich Gregor, Anke Leweke und Jan Schulz-Ojala. Bertz + Fischer Verlag, Berlin 2006, ISBN 3-929470-89-6. * Jürgen Felix: Aki Kaurismäki * 1957. In: Thomas Koebner (Hrsg.): Filmregisseure. Biographien, Werkbeschreibungen, Filmographien. 3., aktualisierte und erweiterte Auflage. Reclam, Stuttgart 2008, ISBN 978-3-15-010662-4, S. 3770–375. * Ulrike Hanstein: Unknown Woman, geprügelter Held: die melodramatische Filmästhetik bei Lars von Trier und Aki Kaurismäki. Alexander, Berlin 2011, ISBN 3-89581-255-2. * Beate Rusch (Hrsg.): Schatten im Paradies. Von den „Leningrad Cowboys“ bis „Wolken ziehen vorüber“ – Die Filme von Aki Kaurismäki. Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag, Berlin 1997, ISBN 3-89602-119-2, S. 370–375.(Fotografien von Marja-Leena Hukkanen, mit Begleittexten von Aki Kaurismäki). * Reinhold T. Schöffel: Grenzland Filmtage. Programm. Grenzlandfilmtage e. V., Wunsiedel 1986, S. 15–18. * Jochen Werner: Aki Kaurismäki. Bender, Mainz 2005, ISBN 3-936497-08-7 (Analyse aller Kaurismäkifilme und ein langes Interview mit Kaurismäki). * Reinhold Zwick: Wolken ziehen herauf und vorüber. Strukturen des Komischen in der Bibel und bei Aki Kaurismäki. In: St. Orth / J. Valentin / R. Zwick (Hrsg.): Göttliche Komödien. Religiöse Dimensionen des Komischen im Kino. KIM-Verlag, Köln 2001 (Film und Theologie; 2), ISBN 3-934311-09-1, S. 69–95. * Reinhold Zwick: Selig die Armen in den Wohncontainern. Aki Kaurismäki und seine Tragikomödie „Der Mann ohne Vergangenheit“. In: Stimmen der Zeit. Bd. 128 (2003), S. 546–560.
* archive.org, von Stadtbibliothek Orimattila (finnisch/englisch) * ], epd Film 10/1990 * ], Die Zeit 10/1990 * archive.org, Interview im Stadtmagazin Zitty, 2011 * archive.org, Filmzyklus in Zürich
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Anime
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Anime (japanisch , [], deutsch häufig [], Plural: Animes und Anime) bezeichnet in Japan produzierte Zeichentrickfilme und Zeichentrickserien. In Japan selbst steht Anime für alle Arten von Animationsfilmen und -serien, für die im eigenen Land produzierten ebenso wie für importierte. Er bildet das Pendant zum Manga, dem japanischen Comic. Japan besitzt die umfangreichste Trickfilmkultur weltweit.
Im Japanischen kann „Anime“ jegliche Animationsfilme bezeichnen, sowohl die aus dem eigenen Land als auch aus dem Ausland. Außerhalb Japans wird der Begriff ausschließlich für Animationsfilm japanischer Herkunft verwendet. Historisch wurden Animationsfilme in Japan lange Zeit nicht Anime genannt. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gab es zunächst die Worte senga („Linienkunst“) und kuga („Klapp-Bilder“, vgl. Daumenkino), dekobō shin gachō („schelmische neue Bilder“) oder chamebō-zu („verspielte Bilder“). Später kamen manga eiga (, „Manga-Filme“) und dōga (, „bewegte Bilder“) auf. Erst in den 1970er Jahren tritt das Wort Anime in Japan zusammen mit der Wortschöpfung Japanimation auf. Letztere wird ausschließlich für die damals erstmals stark wachsende eigene Animationsbranche verwendet. Anime entstand als eine Verkürzung des japanischen Lehnwortes animēshon (, von ). Während animēshon eher als Bezeichnung für höher geachtete Animationskunst und Kinofilme verwendet wurde, wurde dessen Kurzform vor allem für die ab den 1960er entstehenden, günstiger produzierten Fernsehserien verwendet. Letztlich setzte sich Anime als Bezeichnung aller Animationsproduktionen durch. Die anderen Begriffe blieben nur in Nischen erhalten. Als Bezeichnung nur für japanische Animationsfilme und -serien hat sich der Begriff seit den 1980er Jahren in den USA und Europa durchgesetzt. Im englischen Sprachraum wurde seit Ende der 1970er Jahre in der kleinen Fanszene und von ersten kommerziellen Vertrieben zunächst häufiger Japanimation verwendet, was jedoch zu Verballhornungen und Missverständnissen führte. So wurde dieses Wort um 1990 von dem aus Japan übernommenen, kürzeren Anime abgelöst. Im wissenschaftlichen oder journalistischen Diskurs ist die genaue Abgrenzung zwischen Anime und Animation allgemein jedoch umstritten, auch wenn Anime und japanischer Animationsfilm meist synonym verwendet werden. Aufwändige Filme und Fernsehproduktionen haben jedoch gemeinsam, dass die Ästhetik traditioneller Animationstechniken fast immer erhalten wird, auch wenn vielfach Computeranimationen zum Einsatz kommen. Reine Computeranimationsfilme, denen diese Technik auch anzusehen ist und die nach Realismus streben, kommen zwar vor, sind aber eine Ausnahme. Stevie Suan und José Andrés Santiago Iglesias nennen eine Reihe von Stil-Merkmalen, die japanischen Fernsehproduktionen und solchen mit japanischem Einfluss zu eigen sind: Eine durchgehende Erzählung über alle Folgen, der Gebrauch von Cliffhangern und deren Auflösung durch Eukatastrophen, reduziertes und ikonisches Charakterdesign, größere Vielfalt in der Farbpalette, Gebrauch von Limited Animation und die Erzeugung eines Raumeindrucks durch Bewegung sowie der Einsatz vieler Schnitte, Kameraeinstellungen und Montagen zur Darstellung vieler Perspektiven und Details einer Szene. Die Gesamtheit dieser Merkmale fassen Suan und Iglesias unter dem Begriff animesque zusammen. Ein animesques Werk wird von Fans als Anime erkannt, da es die erzählerischen und formalen Erwartungen erfüllt, die mit dem japanischen Animationsfilm verbunden werden. Brian Ruh verweist neben den von Iglesias genannten Stilmerkmalen auf die Transnationalität des Mediums Anime, die sich in dessen Geschichte als auch in international verständlichen Designs äußert. Ähnlich beschreiben auch andere Autoren ein Verständnis von Anime als in einen Medienmix eingebundene (Fernseh-)Serienproduktionen mit auch in ihren Filmadaptionen wiedererkennbaren, im Fernsehen entstandenen Stil- und Erzählmerkmalen. Daneben gibt es Produkte des japanischen Animationsfilms, die von einigen Rezipienten nicht als Anime angesehen werden, sondern einem unbestimmten Alternativen japanischen Animationsfilm oder nur allgemein Animationsfilm zugerechnet werden. Jonathan Clements weist ebenfalls auf mehrere Abgrenzungsunschärfen des Begriffs hin: Neben der technischen zwischen Full und Limited Animation gibt es Autoren, die Anime historisch abgrenzen als japanischen Animationsfilm ab den Fernsehserien der 1960er Jahre. Japanischer Animationsfilm aus der Zeit davor wird dann nicht als Anime bezeichnet, obwohl die frühen Filme von großer Bedeutung für die späteren Produktionen waren. Weitere Unschärfen ergeben sich aus dem umfangreichen Prozess von Produktion, Vertrieb und Konsum. So sind einige ausländische – insbesondere US-amerikanische – Trickfilmproduktionen unter japanischer Mitwirkung oder sogar großteils in Japan entstanden, andererseits waren japanische Unternehmen Auftraggeber für Animationsarbeit in anderen Staaten, und schließlich sind bei der Lokalisierung, Vertrieb und Vermarktung ausländischer Produktionen japanische Firmen beteiligt. All die damit in Verbindung stehenden Werke können daher auch als Teil der japanischen Animationsfilmindustrie beziehungsweise von dessen Geschichte begriffen werden. Und schließlich gehören zu Anime nicht nur die Objekte, die hergestellten und verkauften Werke, sondern auch die Ereignisse der Vorführung und des Konsums. So kann der Begriff je nach Kontext und Zeit unterschiedliche Erwartungen wecken und Bedeutungen haben. Steven T. Brown geht so weit, die Bedeutung des Begriffs Anime in der Präsentation und Anordnung der Informationen bei der Vorführung und in der Interaktion des Rezipienten mit dem Werk zu suchen. In der Beschreibung von Anime als Medium wird auch oft darauf hingewiesen, wie stark sich der japanische Animationsfilm von dem unterscheidet, was westliche Zuschauer von Animationsfilmen – insbesondere amerikanischen Cartoons oder Filmen von Walt Disney – erwarten. Viele Animes sind nicht für Kinder gemacht, manche sogar pornografischer Natur, erzählen dramatische oder actionreiche Geschichten und bedienen eine große Vielfalt an Genres. Im Vergleich zu vielen im Westen erfolgreichen Trickfilmen kommen Musicaleinlagen, Tierfiguren und Slapstick-Humor deutlich seltener vor. Trotz dieser häufig genannten Merkmale beziehungsweise auffälligen Unterschiede werden diese nicht zur Definition herangezogen. Als Anime um 2000 herum in den USA immer größeren Zuspruch fanden, zugleich aber Vorurteile gegenüber einem als für Kinder gefährlichen Kulturimports herrschten, wurde der Ausdruck Anime auch abwertend verwendet – vor allem von solchen Vertrieben, die selbst japanische Animationsfilme importierten und ihre Produkte vor den Vorurteilen schützen wollten.
Die Einteilung sowie überhaupt der Beginn der Geschichte des Animes ist – wie auch beim Manga – in Forschung und Fachjournalismus umstritten. Je nach Definition von Anime als Medium oder nur eine bestimmte Erscheinungsform von japanischem Animationsfilm oder als Genre, wird der Beginn von dessen Geschichte am Anfang des 20. Jahrhunderts, erst in dessen Mitte oder erst in den 1970er Jahren gesehen. So ist die genaue Rolle und Wirkung Osamu Tezukas als Pionier des Fernsehanimes strittig, da einige Autoren viele wichtigen Entwicklungen bereits zuvor bei den Kinofilmen Tōei Animation angelegt sehen. Animationstechniken und optische Spielzeuge waren in Japan bereits lange vor 1900 bekannt und wurde wie in westlichen Ländern vor allem von Schaustellern vorgeführt oder waren für wohlhabende Bürger als Spielzeug zu kaufen. Der manchmal als erster Anime bezeichnete Filmstreifen Katsudō Shashin, der auf 1907 bis 1912 datiert wird, gehörte zu einem solchen Spielzeug und wurde nie öffentlich vorgeführt. Ab etwa 1910 kamen westliche Trickfilme nach Japan, wurden zunächst bei Bühnenshows und dann zunehmend in Kinos gezeigt. Erste Japanische Nachahmer sind aus dem Jahr 1917 bekannt, in dem die Pioniere Ōten Shimokawa, Jun'ichi Kōuchi und Seitarō Kitayama ihre ersten Filme aufführten. Kitayama gründete 1921 mit Kitayama Eiga Seisaku-sho das erste nur dem Animationsfilm gewidmete Studio. Die verwendeten, noch experimentellen Animationstechniken umfassten unter anderem Kreidezeichnungen, Tuschezeichnungen und Scherenschnitt. Die Aufführung von Filmen wurde damals noch begleitet von einem Benshi, der die Kurzfilme erzählerisch verband und erläuterte. Der Beruf kam aus der Tradition der Schausteller und lebte beim Straßen-Papiertheater Kamishibai noch bis in die 1950er Jahre weiter. Wie auch der Manga wurde der japanische Animationsfilm durch die Benshi und das Papiertheater erzählerisch und ästhetisch beeinflusst. Die in den 1910er Jahren aufgekommene Filmzensur traf auch den Animationsfilm. Infolgedessen waren die entstandenen Kurzfilme meist Komödien oder zeigten japanische und chinesische Mythen, Märchen und Fabeln, die von der Zensur weniger scharf beurteilt wurden. Außerdem entstanden Lehrfilme, die durch ihre Entstehung im öffentlichen Auftrag vor Zensur sicher waren. Nachdem zu Beginn die Produktion an Trickfilmen zunahmen, wurden beim Großen Kantō-Erdbeben 1923 die Studios und die meisten bis dahin produzierten Filme zerstört. Die Branche verlagerte sich in die Kansai-Region, wo ihr Schwerpunkt bis nach dem Zweiten Weltkrieg blieb. Sie konnte sich dort von den Einflüssen der traditionellen Theater- und Schaustellerszene in Tokio lösen. Dazu kam der Einfluss amerikanischer Trickfilme, die nun zunehmen in Japan aufgeführt wurden. Die Produktion wurde rationalisiert und entfernte sich von der noch kunsthandwerklichen Herstellung der ersten Jahre. Dabei wurden einfache Kamera- und Bild-Gestelle für die Belichtung genutzt. Das verwendete Material blieb zunächst meist Papier mit Schwarz-Weiß-Zeichnungen, die Inszenierung einfach gehalten und die Studios hatten nicht mehr als eine Handvoll Mitarbeiter. Von diesen blieb Kitayamas das über lange Zeit erfolgreichste, wobei mehrere Mitarbeiter sich abwandten und eigene Studios gründeten. Der Großteil der Produktion waren nun Lehr- und Werbefilme und fiktionale Inhalte wurden die Ausnahme. Um 1930 kam der Tonfilm auch nach Japan und bereitete damit dem Beruf der Benshi ein Ende. Einige von ihnen wurden die ersten Synchronsprecher. Der aufwändige Tonfilm erhöhte auch wieder den Bedarf nach kurzen Filmen und damit nach Trickfilmen. Der von diesen wohl am häufigsten gesehene war das 1931 entstandene Kokka Kimiyao von Ōfuji Noburō – die japanische Nationalhymne zum Mitsingen, die zu Beginn der meisten Filmvorführungen gezeigt wurde. Während ab 1934 mit der Einrichtung einer Celluloid-Produktion von Fujifilm die Produktion von Papier auf modernere Cels umgestellt werden konnte, blieben Farbfilme bis nach dem Krieg die Ausnahme. In den 1930er Jahren wurden zunehmend Propagandafilme produziert, die vor amerikanischem Einfluss warnten und Japans Kriege in China und die Expansion im Pazifik vorbereiteten und begleiteten. Die Mehrheit der produzierten Filme waren weiterhin keine Unterhaltungsfilme, wobei der Schwerpunkt sich zu animierten Anleitungen für militärisches Personal sowie (Propaganda-)Nachrichtenfilmen verlagerte. Das Verbot ausländischer Filme, die Regierungsaufträge und der staatliche Druck insbesondere auf Schulkinder, die Filme anzuschauen, brachten den Animatoren bis dahin ungekannte Nachfrage und Ressourcen und Studios konnten über die Zahl weniger Mitarbeiter hinaus wachsen. Die japanische Regierung war außerdem gewillt, ihre Überlegenheit auch in der Filmproduktion unter Beweis zu stellen und mit den Filmen Disneys und dem chinesischen Film Tiě shàn gōngzhǔ von 1941 gleichzuziehen. So konnte auch der erste abendfüllende Animefilm entstehen: Momotarō: Umi no Shimpei. Die in schwarz-weiß erzählte Geschichte von Tieren, die Pazifikinseln von der britischen Kolonialmacht befreien und ihnen die japanische Kultur bringen, kam 1945 nicht lange vor der Kapitulation in die Kinos. Nach Ende des Krieges scheiterten Versuche, die japanischen Animatoren bei wenigen Studios zu bündeln an der schlechten Wirtschaftslage, Arbeitskämpfen und politischer Konflikte um Mitwirkung an Kriegspropaganda. Dazu kam die Konkurrenz durch die jetzt ins Land kommenden ausländischen Filme. So kamen nur noch selten japanische Animationsfilme heraus. Die nun vor allem kleinen Studios der Branche verlegten sich großteils auf Werbefilme, denen im Laufe der 1950er Jahre mit dem Privatfernsehen ein wachsender Markt entstand. Künstlerische Qualität und die Produktionsprozesse blieben hinter den Entwicklungen der vorherigen beiden Jahrzehnte zurück. Von den Studiogründungen nach Kriegsende blieb nur Nichidō, das schließlich von Tōei aufgekauft wurde. Aus diesem Zusammengehen unter dem Namen Tōei Animation ging 1958 mit Hakujaden wieder ein abendfüllender, nun farbiger Anime-Kinofilm hervor. Er war der Beginn einer Reihe von Filmen des Studios, die als Klassiker vor der Zeit des Fernseh-Animes gelten und erheblichen Einfluss auf die späteren Produktionen hatten. Ihre Ästhetik war bereits vom zeitgenössischen Manga beeinflusst und an den Produktionen waren viele beteiligt, die später eigene Studios gründeten und dabei ihre ersten Erfahrungen von Tōei mitnahmen. Unter ihnen war der Manga-Zeichner Osamu Tezuka, der zunächst an drei Verfilmungen seiner Serien mit dem Studio zusammen arbeitete und dann mit Mushi Production sein eigenes Studio gründete. 1963 veröffentlichte dieses Astro Boy, die erste Anime-Fernsehserie mit halbstündigen Folgen. Noch im gleichen Jahr folgten Serien anderer Studios. Tezukas Studio produzierte weitere Serien, die auf seinen Geschichten basierten, darunter den ersten farbigen Fernsehanime Kimba, der weiße Löwe. Die Finanzierung seiner Produktionen sicherte Tezuka oftmals mit Lizenzverkäufen, insbesondere in die USA, und Merchandising ab und etablierte damit neue Finanzierungswege. Ab Ende der 1960er Jahre schuf Tezuka anspruchsvollere und experimentellere Filme sowie einige der ersten erotischen Animefilme. Tezuka war – wie auch bei seinen Mangas – noch stark von den Filmen Walt Disneys und deren Ästhetik beeinflusst. Seine eigenen Werke hatten wiederum großen Einfluss auf die ihm nachfolgenden Filmschaffenden, entweder in Anlehnung oder Abgrenzung seiner Stile und Arbeitsweisen. Neben und durch Tezuka hatten vor allem die Hollywood-Filme, die nach dem Krieg in großer Zahl in Japan in die Kinos kamen, starken Einfluss auf die aufwachsende Generation späterer Animatoren und Regisseure. In ihren eigenen Werken orientierten sie ihre Inszenierungen an den westlichen Vorbildern und beherrschten und verwendeten cineastische Techniken bald umfangreicher als ihre Kollegen in amerikanischen Fernsehproduktionen. In effizienter Arbeits- und Produktionsweise für Fernsehserien wiederum waren amerikanische Studios wie Hanna-Barbera Vorbilder. Mit Tezukas und den in Folge entstandenen Studios expandierte die Branche von nach Schätzungen etwa 500 Mitarbeitern um 1960 auf die doppelte Zahl 1967 und schließlich etwa 2000 um 1970. Im Jahr 1966 wurden erstmals Animationsarbeiten nach Südkorea ausgelagert. Doch war Tezukas Geschäftsmodell, das von vielen nachgeahmt wurde, nicht dauerhaft erfolgreich. So kam die Branche zu Beginn der 1970er Jahre, wie auch die japanische Wirtschaft überhaupt, in eine Krise: durch die so entstehende Spekulationsblase, durch Schulden und durch die Überproduktion an Trickserien. Die Finanznot der Branche war auch dadurch verursacht, dass Tezuka schon zu Beginn zu geringe Preise ausgehandelt hatte. Noch über Jahrzehnte standen die Studios unter dauerhaftem finanziellen Druck. Ab Ende der 1960er Jahre begann sich das Medium in seiner Zuschauerschaft, Zielgruppen und inhaltlichen Angebot zu verbreitern und aufzusplitten. Es wurde in einigen Serien erwachsener und ernsthafter, anderer konnten Kinder wie Erwachsene begeistern und das Segment für Kinder – insbesondere Filme für Kino und Festivals – blieb ein beständiger Markt. Diese größere Bandbreite förderte zusammen mit Innovationen aus den USA auch die weitere technische Entwicklung und Gründung neuer Studios, die teils Personal aus zuvor geschlossenen Unternehmungen oder aus Konflikten wie bei Toei übernahmen. Mit dieser Generation nahm in den 1970ern auch die Quervermarktung von Spielzeugen und Merchandise zusammen mit Animeserien zu und veränderte die Produktions- und Eigentumsstrukturen, sodass Teile der Branche stärker von Sponsoren und Produktionskomitees geprägt wurden. Neben den von Mecha dominierten Science Fiction entstanden für das Kinderprogramm vor allem Märchenadaptionen bei großen Studios wie Toei Animation und Nippon Animation, die auch international ausgestrahlt wurden und auch ein weibliches Publikum erreichten. Seit Ende der 1960er wurden Comedy- und Drama wichtige Genres, dabei vor allem Sportdramen. Auch das Aufkommen von Videokassetten und Videotheken in den 1980er Jahren veränderte das Medium: Studios konnten nicht mehr nur an Fernsehsender verkaufen, sondern auch direkt über Kaufmedien veröffentlichen. Die erste Original Video Animation war 1983 Dallos, weitere vor allem aus dem Bereich Science-Fiction folgten. Dieser neue Vertriebsweg öffnete den Markt für kleine Studios, die sich direkt über kleine Aufträge von Videovertrieben finanzieren konnten. Entsprechend wuchs in den 1980ern die jährlich produzierte Zahl von Animes durch dieses neue Segment erneut deutlich und es entstanden erstmals überhaupt Absetzwege für Nischenproduktionen wie Science-Fiction-Produktionen für ältere Zuschauer, aber auch Erotik und Pornografie. Während zugleich in den Kinos weiterhin Ableger oder Zusammenschnitte von Fernsehserien dominierten, wurden neue Studios mit realistischen und fantastischen Stoffen auch im Kino erfolgreich, insbesondere Studio Ghibli. Seit den 1970er Jahren kamen Animes ins europäische und amerikanische Kino und Fernsehen, zunächst vor allem Kinderserien, die auch in Koproduktion mit westlichen Sendern und Studios entstanden. Gegenüber erwachseneren, actionhaltigen Stoffen bestanden große Vorbehalte. Vereinzelt kamen Science-Fiction-Serien in die Kabelprogramme in den USA und Süd- und Westeuropa. Das änderte sich ab Ende der 1980er mit dem Kino-Erfolg des Science-Fiction-Films Akira, in den 1990ern dann mit den Filmen des Studio Ghibli und mit international erfolgreichen Fernsehserien wie Sailor Moon, Pokémon und Dragon Ball, sodass das Medium um das Jahr 2000 herum international seinen Durchbruch erlebte und eine große Fangemeinde gewinnen konnte. Zugleich kam es durch das Aufkommen von Computeranimation und der Digitalisierung darüber hinaus zu einer Umwälzung der Produktionsprozesse und Vermarktungswege. Diese halfen, Kosten in Produktion und Vertrieb zu senken, die Verknüpfungen mit anderen Medien zu stärken und neue, insbesondere Nischen-Zielgruppen und solche im Ausland zu erschließen. Neue Studios entstanden, die sich auf die Nutzung von Computern und auf 3D-Animationen spezialisierten. Im Wesentlichen blieb trotz Digitalisierung die bis dahin kultivierte 2D-Bildsprache jedoch erhalten. Auch die Entwicklung hin zu erwachseneren und realistischeren Inhalten wurde auf diesem Weg gestärkt. Andererseits wurden durch Kopierbarkeit und die damit erleichterte illegale Verbreitung bis dahin genutzte Vertriebsarten in Frage gestellt. In den 2010er Jahren kam mit Streamingangeboten schließlich ein neuer Vertriebsweg hinzu, der den neuen technischen Möglichkeiten entsprach. Während der bis in die 2000er gewachsene heimische Markt für auf Fans zielende Produktionen sowie die Gewinnerzielung mit Merchandising gesättigt sind oder gar rückläufig, wird durch diese neuen Ausspielwege sowie die gezieltere Ansprache von Zuschauern weltweit dem Anime ein weiterer Markt erschlossen.
Animes decken ein breitgefächertes Themenspektrum für alle Altersstufen ab. Geschichten sind oft komplexer und vielschichtiger als bei vielen westlichen Trickfilmproduktionen üblich. Es findet mehr Charakterentwicklung statt und auch der Tod wichtiger, vom Zuschauer lieb gewonnener Charaktere kann vorkommen. Bei Heldenfiguren ist ihre Motivation, Loyalität und Durchsetzungswille wichtiger als dass sie gewinnen und Antihelden treten häufiger auf. Auch historische Heldenideale wie der Ninja oder Samurai (Bushidō) spiegeln sich in vielen Animes wider. Ein klassischer Konflikt aus dieser Tradition ist giri-ninjō, der Konflikt zwischen der gesellschaftlichen Verpflichtung und den eigenen Bedürfnissen. Antagonisten sind häufig differenziert und verfügen über eine Hintergrundgeschichte, die ihre Handlungen erklärt. Auch der häufiger vorkommende Seitenwechsel einer Figur trägt dazu bei. Klischees über typische Bösewichte werden gebrochen und beispielsweise gerade die Gegenspieler als besonders schön dargestellt. Frauen haben öfter wichtigere Rollen, sind starke Heldinnen gleichberechtigt mit Männern und werden dennoch meist attraktiv dargestellt. Obwohl oder gerade weil dies oft noch immer nicht der Stellung von Frauen in der japanischen Gesellschaft entspricht, trägt es zu einer breiteren Zuschauerschaft bei. Fragen von Sexualität und Geschlecht werden in Animes oft ungezwungen und mit für westliche Zuschauer ungewöhnlichen Perspektiven behandelt. Sie sind Gegenstand von Comedy, Klischees und erotischen Geschichten. Homosexualität kommt explizit und noch häufiger in Form von Andeutungen vor, ebenso unscharfe Geschlechterrollen und androgyne Figuren, die sich auch in Idealbildern wie Männern als Bishōnen oder immer wieder vorkommenden Frauen in Männerrollen zeigen. Dabei ist homosexuelles Verhalten oft nicht Identifikationsmerkmal der Charaktere, diese begreifen sich gar nicht als homosexuell oder werden durch viele weitere Merkmale charakterisiert und können in den unterschiedlichsten Rollen auftreten. Geschichten über gleichgeschlechtliche Liebe sind ganze Genres gewidmet. Nichtsdestotrotz werden auch in Geschichten über gleichgeschlechtliche Liebe bisweilen konservative Werte vermittelt, insbesondere in älteren Werken finden die Beziehungen ein tragisches Ende und die Protagonisten werden für Verstöße gegen die gesellschaftlichen Normen bestraft. Da das Medium lange Zeit nur in Japan konsumiert wurde, sind die meisten Produktionen nur mit Blick auf den heimischen Markt entstanden, haben starke, von außen schwer verständliche Bezüge zur japanischen Kultur und berücksichtigen Gepflogenheiten oder Tabus anderer Kulturen nicht, wie es bei auslandsorientierten Produktionen wie aus den USA üblich ist. Während sich Kino- und Fernsehproduktionen häufiger an Kinder und deren Familien richten, ist die Zielgruppe des Videomarktes sowie der nachts ausgestrahlten Fernsehserien ältere Jugendliche und Erwachsene. * Kodomo (jap. für „Kind“): Produktionen für jüngere Kinder. * Shōnen (jap. für „Junge“): Produktionen für männliche Jugendliche, oft den Genres Action, Science-Fiction und Fantasy zuzuordnen. * Shōjo (jap. für „Mädchen“): Sendungen für weibliche Jugendliche, oft Liebesgeschichten. * Seinen (jap. für „junger Mann“): Primäre Zielgruppe sind Männer im Alter von 18 bis 30 Jahren, meist mit anspruchsvolleren, erotischeren oder gewalthaltigeren Inhalten. * Josei: ist das weibliche Gegenstück zu Seinen. Behandelt oft den Alltag oder auch das Berufs- und Liebesleben von jungen Frauen. Auch wenn grundsätzlich alle möglichen Themen auftreten können, so sind doch besonders solche mit Bezug zum japanischen Alltag oder der japanischen Kultur verbreitet. Die kann zum einen Sport und Kunst, Probleme des Alltags und dessen Regeln oder des Lebens im modernen, technisierten und in den Metropolen dicht besiedelten Landes sein, zum anderen traditionelle Künste, Themen des Buddhismus und Shinto und der japanischen Geschichte und Mythologie. Traditionelle Geschichten, wozu neben Mythologie auch japanische Klassiker wie Hakkenden und Genji Monogatari zählen, werden dabei oft aufgegriffen, modernisiert und in einer zeitgenössischen Deutung oder Moral präsentiert. Auch nicht-japanische, insbesondere jüdisch-christliche Symbolik und chinesische Mythologie wird immer wieder eingewoben. Dazu kommen typisch japanische Sujets wie mono no aware, die sich nicht nur in Ästhetik, sondern auch in den Geschichten selbst ausdrücken können. Diese Themen werden nicht selten gemischt mit Science-Fiction- und Fantasy-Elementen und die meisten Werke lassen sich nicht klar einem einzigen Genre zuordnen. Ferner werden politische Themen aufgegriffen, wie die Wertschätzung der Natur, Umweltschutz oder die Frage von Krieg und Frieden. Neben den international bekannteren, pazifistischen Werken in fantastischen, realistischen oder dystopischen Setting gibt es auch Geschichten, die an Kriegspropaganda des Zweiten Weltkriegs anknüpfen oder den japanischen Imperialismus herunterspielen und Japan als Opfer im Zweiten Weltkrieg darstellen. Aus anderen Bereichen der japanischen Populärkultur finden sich Japanische Idols, berühmte Persönlichkeiten, die singen, schauspielern und werben, auch in Animes immer wieder: als zentrale Figur einer Geschichte über das Showgeschäft oder in abgewandelter Form in einer fantastischen Erzählung. Auch gibt es seit den 1990er Jahren immer wieder Werke, die die Fanszene selbst in den Fokus nehmen und sich wiederum vor allem an diese als Zielgruppe wenden. Von Literaturverfilmungen (z. B. Das Tagebuch der Anne Frank oder Heidi) über Horror bis zu Comedy und Romanzen werden nahezu alle Bereiche und Altersklassen abgedeckt. Die Werke können Wissen über Geschichte, einen Sport oder einen anderen thematischen Fokus eines Animes vermitteln, sowie moralische Werte lehren wie Teamwork oder Respekt. Auch gibt es Genres, die ausschließlich in Anime und Mangas vorkommen oder in diesen Medien entstanden sind: * Etchi: Abgeleitet von der Aussprache des englischen Buchstabens H für „Hentai“. Japanisch für unanständige Sexualität. Diese Anime enthalten nach der westlichen und insbesondere der deutschen Definition nur leicht sexuelle Andeutungen. In Japan sind Etchi und Hentai das Gleiche, was sich vor allem durch die Wortbildung selbst erklären lässt. * Gourmet: Geschichten über Kochen und Essen, in denen vor allem Gourmets, Restaurantkritiker oder Köche im Mittelpunkt stehen. * Harem: Lose definiertes Genre, in dem der Protagonist der Handlung von mehreren oder gar einer Vielzahl weiterer Charaktere anderen Geschlechts umgeben ist, die sich zu ihm hingezogen fühlen. * Hentai: japanisch für abnormal oder pervers. Dieser Begriff wird hauptsächlich von westlichen Zusehern für Anime mit pornographischen oder erotischen Inhalten genutzt. In Japan jedoch sind die Begriffe Poruno oder Ero gebräuchlich, um auf solches Material hinzuweisen. * Isekai: bedeutet so viel wie „andere Welt“. Hierbei gelangen ein oder mehrere Charaktere aus verschiedensten Gründen aus der realen Welt in eine andere. Diese kann beispielsweise ein Videospiel oder eine Fantasiewelt sein. * Magical Girl/Mahō Shōjo (jap. für „magisches Mädchen“): Geschichten über Mädchen, die sich in magische Kriegerinnen verwandeln können. * Mah-Jongg: Geschichten um das Spiel Mah-Jongg. * Mecha: Anime und Manga, in denen Roboter oder fantastische Maschinen vorkommen. Oft sind diese riesig und werden von in ihnen sitzenden Piloten gesteuert. * Sentai/Super Sentai (jap. für „Kampfteam“): Bezieht sich auf jede Sendung mit einem Team aus Superhelden. * Boys Love: Bezeichnung für Anime über Liebesbeziehungen zwischen Männern. Teils werden auch die Untergenres oder historischen Bezeichnungen Shōnen Ai oder Yaoi verwendet. * Sport: Geschichten, in denen eine Sportart im Mittelpunkt steht. Üblicherweise wird die Entwicklung eines Sportlers von den Anfängen bis zur professionellen Karriere verfolgt. * Yuri: bezieht sich auf Anime und Manga, die Liebe und Romantik zwischen weiblichen Charakteren zum Inhalt haben. Pornographische Animes, sogenannte Hentai, machen nur einen kleinen Teil des japanischen Kaufvideo-Marktes aus; im Fernsehen und im Kino werden diese in Japan überhaupt nicht gezeigt. Viele Animes beinhalten jedoch erotische Elemente, ohne dem Hentai-Genre zugeordnet werden zu können, insbesondere die des Genres Etchi. Solche sowie Serien mit hohem Anteil von Gewalt oder anspruchsvollen Inhalten laufen im japanischen Fernsehen im Nachtprogramm und finanzieren sich in der Regel nicht durch die Ausstrahlung, sondern durch die mit Fernsehausstrahlung beworbenen DVD-Verkäufe. Erotische Geschichten und der relativ freizügige Umgang mit Sexualität in der Populärkultur haben in Japan eine lange Tradition, so gab es in der Edo-Zeit viele solche Ukiyo-e, Shunga genannt. In Hentai als auch in Etchi-Manga sind, wie in der japanischen Erotik allgemein üblich, Sexszenen oft in eine humoristische oder parodistische Erzählung eingebettet. Sexuelle Gewalt und Fetische werden vergleichsweise häufig thematisiert. Neben Komödien wird entsprechend auch Horror oft für Erotik und Pornografie verwendet. Kritiker stellen dazu fest, dass solche Geschichten zwar eine Vielfalt sexueller Praktiken zeigen, aber zugleich konservative Gesellschaftsbilder vermitteln, indem zu überschwängliches oder den Normen widersprechendes Verhalten bestraft wird. Neben Humor und Horror gibt es außerdem eine Reihe romantischer, sentimentaler Pornografie, die frei von Gewalt und Übertreibung über Sex als Ausdruck menschlicher Gefühle und Charakterentwicklung erzählt. Benannt wird dieses Untergenre oft nach Cream Lemon, einem der ersten Vertreter. Erotik ist in Japan stark geprägt von der unter der amerikanischen Besatzung entstandenen Gesetzgebung, die die Darstellung des erwachsenen Genitalbereichs und andere „anstößige“ Inhalte unter Strafe stellte (§ 175 des jap. Strafgesetzbuchs). Dies wurde von vielen Künstlern umgangen, indem die Figuren und ihre Genitalien kindlich gezeigt wurden. Zusammen mit der Kawaii-Ästhetik beförderte das die Entstehung vieler erotischer und pornografischer Geschichten mit kindlichen Figuren und die Etablierung der Genres Lolicon und Shotacon. Auch wenn die Auslegung der Gesetze gelockert wurde, blieb diese Strömung erhalten. Andere Wege, die Zensurgesetzgebung zu umgehen, sind die Verwendung von Balken oder Verpixelung, Auslassungen oder stark reduzierte, symbolhafte Darstellung von Geschlechtsorganen. International waren erotische Anime zeitweise kommerziell deutlich erfolgreicher und verbreiteter als andere Genres, was zur Legende führte, alle Anime seien pornografisch. Dieser Eindruck ist jedoch auch Ergebnis der Stereotype des westlichen Publikums und wirkte vermutlich auch auf die japanischen Produktionen zurück, die wiederum an amerikanischen Filmen orientierend den Frauen größere Brüste und den Männern mehr Muskeln gaben. Nacktheit kann darüber hinaus auch jenseits sexueller Szenen vorkommen, in Alltags- oder Kinderserien, da es in solchen Situationen in Japan nicht als anstößig gilt.
Die häufig anzutreffenden Stile, Bildsprache und Symbolik von Animes sind zum einen geprägt durch die lange Zeit übliche Produktion als Cel-Animation, zum anderen durch Einflüsse von Mangas und insbesondere in der frühen Zeit aus dem amerikanischen und französischen Film. Ähnlich wie im Manga sind die handelnden Figuren einfach und stilisiert gehalten, während die Hintergründe detaillierter und realistischer gezeichnet sind. Auf diese Weise wird sowohl die Identifikation mit den Charakteren erleichtert als auch das Eintauchen in die Welt der Geschichte. Der Detailreichtum der Hintergrundbilder kann insbesondere in Kinoproduktionen ein großes Ausmaß erreichen und bildet einen entsprechenden Kontrast zu den Charakteren im Vordergrund. In Aktionszenen dagegen verschwindet der Hintergrund meist ganz, die gezeigte Bewegung tritt gänzlich in den Fokus. Charakteristisch ist, vor allem im Vergleich zu früheren westlichen Produktionen, eine große Vielfalt in der Farbpalette und deren individuell unterschiedlicher Einsatz in jedem Werk. Das Charakterdesign ist stark vom Manga beeinflusst und entspricht beispielsweise oft dem Niedlichkeitskonzept Kawaii. Bei älteren Charakteren oder Werken für erwachseneres Publikum kommt auch das reifere, nicht niedliche Designprinzip „kirei“ vor. Darüber hinaus finden japanische Idealvorstellungen von schönen Frauen und Männern, Bishōjo und Bishōnen, Anwendung und in der Charakterentwicklung werden Archetypen, Stereotype und Klischees verwendet, von denen sich manche von denen anderer Kulturkreise unterscheiden. Das oft eher „europäisch“ wirkende Äußere und Frisuren in allen Farben auch bei japanischen Charakteren sind für westliche Zuschauer besonders auffällig und irritierend. Tatsächlich sind die europäisch wirkenden großen Augen und andere Merkmale des Charakterdesigns im Shōjo-Manga entstanden und dienen vor allem der Vermittlung von Emotionen, haben symbolische Bedeutung oder dienen der Unterscheidung von Figuren. Daher haben auch weibliche Figuren generell sowie die Figuren in romantischen Geschichten – vor allem für Frauen – tendenziell größere Augen. Waren die so dargestellten Figuren früher meist tatsächlich europäisch, werden diese Merkmale in Japan heute nicht mehr als Kennzeichen einer bestimmten Herkunft wahrgenommen. Wenn tatsächlich die Herkunft verdeutlicht werden soll, geschieht das durch andere Merkmale, wie für Europäer mit einer markanteren Nase. Bisweilen sind die Darstellungen dann deutlich stereotyp. Eine andere Art häufig anzutreffenden Charakterdesigns ist Chibi oder Super Deformed. Diese in der Regel für Comedyserien oder eingestreute komische Szenen verwendete Variante zeigt Charakteren in extrem verkleinerter, verniedlichter Form. Daneben ist – im Unterschied zum westlichen Animationsfilm – nicht die realistische Bewegung Ziel der Animation, sondern der Übergang zwischen ausdrucksstarken Posen. Dies lässt sich sowohl auf Kostenzwänge in der Produktion, in der stehende Bilder günstiger sind, als auch auf eine japanische ästhetische Tradition zurückführen, die sich beispielsweise auch im Kabuki-Theater zeigt, in dem Posen ebenfalls eine wichtige Rolle einnehmen. Auch über den Einsatz von Posen hinaus verweisen viele Stilmittel und Symbole im Anime auf ältere japanische Kunstformen wie Drucke, Kamishibai und Theater sowie generell japanische Ästhetik. Details werden nur spärlich, aber sehr gezielt eingesetzt, um den Eindruck größerer Detailfülle zu verleihen als tatsächlich vorhanden. Wichtige Momente können ungezeigt bleiben oder nur angedeutet und der Zuschauer muss die bleibenden Lücken selbst füllen. Auch Erzähl- und Sprechformen des Animes stammen vom Theater und Kamishibai ab. Im Gesamteindruck bleibt dabei oft eine ästhetische Distanz zwischen Werk und Rezipient (vgl. Verfremdungseffekt) und ein größerer Fokus auf Künstlichkeit und Symbolismus, wie er in vielen japanischen Künsten üblich und dem japanischen Publikum vertraut ist. Völliger Realismus und die Illusion einer echten Begebenheit sind im Gegensatz zu manchen westlichen Medien dagegen nicht das Ziel. Trotz dessen werden auch bei Animes emotionale Reaktion und Empathie des Zuschauers ausgelöst und gefordert. Nicht nur die Bildsprache, auch Motive und andere Gestaltungsmittel sind von der japanischen Kultur geprägt. So die Jahreszeit markierende Geräusche wie die Zikaden im Sommer oder die oft ähnliche Inszenierung von Kämpfen, die ebenfalls von typischer Tongestaltung und Musik unterstützt wird. Darüber hinaus gibt es ein weites Feld an Körpersprache und Symbolen, die in Anime eingesetzt werden und außerhalb Japans nicht immer verständlich sind und auch japanische Höflichkeitsformen bilden sich, schwer zu übersetzen, in den Geschichten und deren Inszenierung ab. Die einfach gehaltene, günstigere Animationstechniken der sogenannten Limited Animation prägten den Anime. Dazu zählt auch die häufiger nicht zum Ton passenden Lippenbewegungen, da nur wenige Mundstellungen verwendet werden und die Sprecher nach der Animation aufnehmen. Limited Animation geht mit einer sich von Full Animation unterscheidenden Ästhetik einher: Neben der Betonung von Posen der Figuren auch eine große Bedeutung von Rhythmus bei Einsatz und Wiederverwendung der Einzelbilder und Schnitten. Durch die Posen fällt dem vor der Animation stattfindende Charakterdesign ein größeres Gewicht zu als bei der auf Bewegung fokussierten Full Animation. Diese Hinwendung zu den beziehungsweise Betonung von einzelnen Charakteren dient zugleich dem multimedialen Einsatz der Figuren, die sich leichter aus ihrer Serie herauslösen und in anderen Kontexten verwenden und vermarkten lassen. Während die Techniken der Limited Animation für manche nicht als richtige Animation gelten, sind sie für andere eine modernere, weiterentwickelte Animation, die sich von der Nachempfindung des Realfilms gelöst hat und in der sich sowohl kommerzielle Massenwerke als auch experimentelle Kunst realisieren und manchmal kaum noch unterscheiden lassen. Thomas Lamarre nennt einige Einsätze dieser Techniken, wie sie beispielsweise bei Gainax geschehen, wegen ihrer besonderen Ästhetik und dem ausgefeilten Einsatz von Schnitt und Rhythmus sogar „Full Limited Animation“. Hiroki Azuma macht die Folienbibliotheken der Studios als eine frühe Form von Datenbanken zu einem wichtigen Element seiner Analyse der Anime-Fankultur und deren Verhältnis zu Technik und Information. Die im Anime übliche, flächenhafte Ästhetik, die durch stilisierte Figuren und die Techniken der Cel-Animation mit ihrer Arbeit in Schichten entsteht, wird mit dem Begriff Superflat in Verbindung mit einem größeren Trend in der japanischen Kunst und Populärkultur gebracht, der von Holzschnitt bis zu Computerspielen und Manga reicht. Über die international bekannte Ästhetik von Anime hinaus gibt es auch viele Werke, die diesen Vorstellungen nicht entsprechen. Dazu können schon ältere Anime-Klassiker zählen, die nicht mehr heutigen Stilen ähneln, aber auch Puppentrickfilme von Kihashiro Kawamoto oder Animation mit Silhouetten und Schattenrissen. Besonders im Animationsfilm bis zum Zweiten Weltkrieg sind die Einflüsse des japanischen Theaters und Kunst in der Vorliebe zu flächiger Bildgestaltung und für Choreografie deutlich zu erkennen.
Am Entstehungsprozess von Anime sind neben den Animatoren, denen die eigentliche Arbeit des Erstellens der Animation zufällt, viele weitere Berufsgruppen beteiligt. Diese sind die in der Filmbranche üblichen Beteiligten wie Regisseur, Drehbuchautoren, Filmproduzenten, Filmeditor und Filmkomponist sowie speziell für den Animationsfilm benötigte wie Synchronsprecher. Darüber sind in der Branche beispielsweise Mitarbeiter für Übersetzung importierter Filme tätig. In die Produktionen oder Vermarktung von Anime und des umgebenden Medienmixes involviert sind auch Verleger, Mangaka, Beschäftigte bei Aufsichtsbehörden, bei Fernsehsendern, Spielzeugherstellern, Videospielherstellern und -verlegern, sowie aller Unternehmen, die sich an der Produktion eines Animes beteiligen beziehungsweise diesen sponsern. Auch einfachen Mitarbeitern in Organisation und Vertrieb können entscheidende Rollen zufallen. So ist in der oft von Termindruck geprägten Branche die Arbeit und Zuverlässigkeit von Boten, die Rohmaterial oder eine fertige Produktion ausliefern, von großer Bedeutung und bisweilen Gegenstand von Auseinandersetzungen und Anekdoten. Neben all diesen offiziellen Beschäftigten kann man, vor allem international, auch Fansubber und illegale Verbreiter dazuzählen, da auch diese einen Einfluss auf das von einem Zuschauer konsumierte Werk haben. Branchenverband ist die Association of Japanese Animations (AJA). Autorschaft und kreativer Einfluss auf das Endprodukt sind bei Animes meist nicht klar zu erkennen und wie bei vielen anderen Film- und Fernsehproduktionen auf eine große Zahl an Beteiligten verteilt. Am deutlichsten erkennbar sind sie noch bei Kinofilmen, insbesondere solchen bekannter Regisseure und Autoren, denen der Großteil der kreativen Entscheidungen und Ideen zugeschrieben werden. Autorenfilme und entsprechend bekannte Autoren sind im Anime selten. Die Regel sind seit den 1970er Jahren Produktionskomitees, die von den Sponsoren, beteiligten Produktionsunternehmen und Rechteinhabern besetzt werden und neben der groben inhaltlichen Linie des Animes auch über das begleitende Merchandise und Adaptionen entscheiden beziehungsweise über alle Teile eines Multimedia-Franchises, dessen Teil Animes nicht selten sind. Bei lang laufenden Serien, die eine Vorlage adaptieren, ist die Autorschaft besonders unklar. Trotz der Vorlage werden dabei in der Regel Teile der Geschichte weggelassen oder neue ergänzt, insbesondere zusätzliche kurze Geschichten, falls ein „Strecken“ der Serie notwendig ist. Auch kann bei der Adaption eine Anpassung an ein anderes, beispielsweise jüngeres Publikum stattfinden. An diesen Entscheidungen sind eine Reihe von Personen beteiligt: Eine Serienregie entscheidet über Handlungsbögen. Regisseure einzelner Folgen entscheiden über die Nähe der Inszenierung zur Vorlage, über deren konkrete Umsetzung die leitenden Animatoren. Beim Charakterdesign werden die Figuren der Vorlage an die Bedürfnisse der Adaption in Bezug auf technische und cineastische Umsetzung, inhaltliche Veränderungen und Zielgruppe angepasst. Laut einer im Jahr 2013 durchgeführten Studie arbeiten japanische Anime-Zeichner im Durchschnitt 10 bis 11 Stunden pro Arbeitstag bzw. 263 Stunden pro Monat bzw. 4,6 freie Tage/Monat. Animatoren verdienen pro Jahr durchschnittlich (Mittelwert) 3,3 Millionen Yen (ca. 23.000 €) bzw. am häufigsten (Modalwert) 4,0 Mio. Yen (28.000 €), angefangen bei Einstiegspositionen wie Zwischenzeichnern mit 1,1 Mio. Yen (8000 €) über Schlüsselzeichner mit 2,8 Mio. Yen (20.000 €) und Storyboarder/3D-Animatoren mit 3,8 Mio. Yen (26.000 €) bis zu Regisseuren mit 6,5 Mio. Yen (45.000 €). Zeichner werden häufig nach einem Schema bezahlt, bei dem sie zusätzlich zu einem festen Lohn noch nach fertiggestellten Einzelbildern bzw. -szenen bezahlt werden. Dieses entstand in den 1960er Jahren nach mehreren Arbeitskämpfen vor allem bei Tōei Animation, in denen um gerechte und überhaupt zum Leben ausreichende Bezahlung gerungen wurde. Zur damaligen Zeit wurden bis zu 13.500 Yen pro Monat gezahlt. Am schlechtesten verdienten freiberufliche Frauen nur mit Oberschulabschluss, die meist kolorierten, mit etwa 5.000 Yen im Monat. Generell wurden Frauen grundsätzlich schlechter bezahlt und wurden für höhere Positionen nicht in Betracht gezogen, was sich teilweise bis heute erhalten hat. Für die Koloration von Zeichnungen oder Hilfsarbeiten waren dagegen oft Frauen tätig, auch weil es heißt, sie hätten ein besseres Gefühl für die Farbe. Bereits von Filmproduktionen von vor dem Zweiten Weltkrieg ist bekannt, dass die Ehefrauen von Animatoren sich an deren Projekten beteiligten. Die Benachteiligung von Frauen ist mit der Erwartung verbunden, dass sie Kinder bekommen. Von Reiko Okuyama heißt es, sie sei um 1960 die erste Frau gewesen, die nach Heirat und Schwangerschaft in die Arbeit zurückkehrte. Auch verheiratete Männer mit Familie wurden lange benachteiligt, da Studios flexible Junggesellen, die beliebig lang Überstunden machen und sogar im Studio übernachten, bevorzugen und demnach auch schneller befördern. Als mit den 1960er Jahren die Produktion von Fernsehfilmen aufkam, wurden die Wochen vor Produktionsabschluss zu „Killer-Wochen“ (satsujin shūkan) und immer wieder kam es zu Krankenhausaufenthalten von Mitarbeitern wegen Überarbeitung. In einigen Fällen wird jedoch an deren medizinischer Notwendigkeit gezweifelt, sie seien womöglich als Zeichen der Hingabe des Mitarbeiters, zur Flucht aus der Überarbeitung oder als Marketing-Signal nach außen geschehen. Die Arbeitsbedingungen in der Branche verbesserten sind ab den 1990er Jahren in einigen Bereichen, da mit der aufkommenden Videospiele-Industrie den Animatoren erstmals eine Alternative offen stand, die oft bessere Bezahlung und Bedingungen versprach. Zugleich führte die Digitalisierung dazu, dass ganze Berufsgruppen entfielen oder deutlich andere Fähigkeiten für Tätigkeiten wie Kolorierung benötigt wurden.
Traditionell entstanden Animes, wie auch Trickfilme aus anderen Ländern, als Cel-Animation. Dabei werden bemalte Folien („Cels“) vor einen ebenfalls gemalten Hintergrund gelegt und abgelichtet. Die Zahl der produzierten Folien und Einzelbilder pro Sekunde hängt dabei von Budget und der beabsichtigten Qualität beziehungsweise Flüssigkeit der Bewegung ab. Tendenziell wurden Kinofilme aufwändiger und höherwertiger, mit mehr Cels für die gleiche Zeit, produziert als Fernsehserien. Auch Produktionen direkt für den Videomarkt haben in der Regel eine höhere Qualität als für das Fernsehen. Die Cel-Animation wird seit den 1990er Jahren zunehmend von der Computeranimationen verdrängt. Bis in die 1930er Jahre wurde noch vorrangig Papier verwendet, da Kunststofffolien kaum zu bekommen waren, ehe Fujifilm 1934 eine eigene Celluloid-Produktion einrichtete. Von da an blieb die materielle Grundlage der Animation in Japan bis in die 1990er Jahre Cels und die damit verbundenen Produktionsverfahren. Seit den Fernsehserien ab Beginn der 1960er Jahre – für manche aus diesem Grund die eigentliche Geburt von Anime – herrscht Limited Animation als Animationsprinzip vor. Bei den Produktionen von Kinofilmen in den Jahren zuvor wurde noch nach dem Vorbild Disneys Full Animation angestrebt, das heißt möglichst realistische Darstellung und bestmögliche Illusion der Bewegung, wobei eine größere Zahl von Bildern pro Sekunde und entsprechender Aufwand eingesetzt wird. 18 unterschiedliche Bilder pro Sekunde sind dafür üblich, 24 in der Spitze. Dieser Ansatz ist unüblich geworden, nur Kinoproduktionen insbesondere von Studio Ghibli verfolgen diesen noch, und wurde weitgehend durch Limited Animation abgelöst. Diese kommt mit durchschnittlich acht Bildern pro Sekunde oder weniger aus. Der Eindruck von Bewegung wird nicht nur durch unterschiedliche Bilder, sondern auch Arrangement der Bilder und Schnitte erzeugt. So kann der Eindruck von Bewegung, anstatt durch verschiedene Bilder, durch das Verschieben von Vorder- und Hintergrund gegeneinander erzeugt werden. In Actionszenen wechseln eher Standbilder in ausdrucksstarken Posen in schnellen Schnitten als dass Bewegungen tatsächlich gezeigt werden. Raumtiefe kann durch das Übereinanderlegen der Ebenen und deren Überschneidung zumindest angedeutet werden. Bildelemente werden häufig wiederverwertet und wiederkehrende Bewegungen mit immer gleichen Bildern hintereinander. Zu diesem Zweck verwenden Studios Bibliotheken der einzelnen Figuren in unterschiedlichen Positionen und Bewegungen, die erneut eingesetzt werden können. Auch das Zerlegen der Figuren und die Animation nur des sich bewegenden Körperteils zählt zu diesen Methoden. Ein Fokus auf Erzählen statt Zeigen, die Verwendung von Symbolen sowie ein gezielter Einsatz von Ton und Musik können diese Methoden unterstützen und die Lücken füllen, die die mangelnde Bewegung lässt. Die deutliche Kostenersparnis dabei war zunächst einer der wichtigsten Gründe dafür. Doch auch als ab den 1970er Jahren die Studios langsam mehr Geld zur Verfügung hatten, wurde von diesem Prinzip nicht abgewichen. Stattdessen wurden, wie schon von Beginn an von Tezuka, dessen künstlerische Möglichkeiten erkundet oder zusätzlicher Aufwand in Hintergründe und Designs investiert. Mit Aufkommen der Xerographie in den 1960ern kam ein Werkzeug hinzu, das einfache Übertragung von Zeichnungen auf die Cels sowie deren Vervielfältigung und Skalierung ermöglichte. Die kostensparenden Methoden der Limited Animation wurden bereits ab den 1920er Jahren eingesetzt, jedoch nicht systematisch. Die Vertonung einschließlich Aufnahmen der Sprecher finden nach Herstellung der Animation statt, weswegen Lippenbewegungen gerade in günstigeren Produktionen nicht zum Ton passen. Außerdem werden meist nur drei Bilder von Mundstellungen verwendet, an Stelle von acht bei aufwändigen amerikanischen Produktionen. Die umgekehrte Verfahrensweise mit Tonaufnahmen vor Herstellung der Animation war in den 1930er Jahren mit Aufkommen des Tonfilms entwickelt worden und seitdem mehrere Jahrzehnte üblich. Als in den 1980er Jahren erstmals Computeranimationen eingesetzt wurden, gehörte die japanische Filmwirtschaft zu den ersten Anwendern. Seitdem wird immer wieder mit 3D-Animation experimentiert. Anders als in den USA konnte die Computeranimation aber nicht die traditionelle 2D-Ästhetik ablösen, reine 3D-Animationsfilme bleiben eine Seltenheit. Sie hatten wenig Publikumserfolg, was insbesondere auf den schwer zu beherrschenden uncanny-valley-Effekt zurückgeführt wird, und sind aufwändig in der Herstellung. Stattdessen werden 3D-Animationen als Effekte in Szenen klassischer Animation eingesetzt, beispielsweise Lichteffekte und am Computer animierte Bildelemente werden in einer Weise gerendert, die sie wie handgezeichnet erscheinen lässt. Besonders letzteres ist seit Ende der 1990er Jahre durch neue Software einfacher umsetzbar geworden und wurde daher zunehmend in Bildelementen eingesetzt, die mit der Hand gezeichnet zu aufwändig oder nur schwer zufriedenstellend umzusetzen sind. Insbesondere die Charaktere aber bleiben handgezeichnet und die Ästhetik der traditionellen Cel-Animation wird beibehalten; wobei Zeichnungen digitalisiert und anschließend als Computergrafik koloriert und animiert werden. Zugleich bringt der Einsatz von Computern neue Möglichkeiten für die Einbindung von Fotografie und Rotoskopie. Seit den 2010er Jahren ist der Produktionsprozess in nahezu allen Studios vollständig digitalisiert: Von den Skripten über Skizzen, Zeichnungen, Kolorierung und Schnitt findet alles an Computern statt. Das von Tōei entwickelte Software-Paket RETAS verbindet Anwendungen für alle Stadien der Produktion und hat weite Verbreitung erfahren. Insbesondere da an der 2D-Optik der Cel-Animation festgehalten wurde, finden Prinzipien der Limited Animation weiterhin breite Anwendung oder sind wie die Datenbanknutzung in digitalisierten Produktionsprozessen noch effektiver. Bisweilen führen die von der Technik gebotenen neuen Möglichkeiten aber auch zu größerem Aufwand, als er sich mit den älteren, beschränkten Animationsmethoden ergeben hätte. Die Produktionen sind in der Regel auf viele Unternehmen verteilt, wobei eines als Hauptproduzent fungiert und weitere Nachunternehmer sind. Manches Studio hat sich auf Zuarbeiten spezialisiert, einige heute bedeutende Studios wie Madhouse haben lange fast nur Zuarbeiten für andere geliefert, ehe sie in Eigenregie produzierten. Diese Aufteilung der Arbeiten geht bis zu den Anfängen der Fernseh-Animes in den 1960ern zurück, als die für Fernsehserien im Vergleich zu Kinofilmen plötzlich stark gestiegene Nachfrage von einzelnen Studios nicht gedeckt werden konnte. Die Herstellung findet nicht nur in Japan statt, sondern aus Kostengründen auch in anderen asiatischen Ländern, Amerika und Europa. Die wichtigsten Nachunternehmer sitzen in Korea, China und Thailand. Ausgelagert werden vor allem die Herstellung von Zwischenphasenbildern und die Koloration. Die Entwicklung von Drehbüchern und Storyboards, Designs und Schlüsselbildern bleibt in der Regel in Japan. Diese Auslagerung begann bereits 1966, blieb jedoch eine Seltenheit bis in die 1990er Jahre, als Kommunikation und Austausch mit den Nachunternehmern einfacher wurde. Für die Zeit um 2010 wurde geschätzt, dass etwa 60 bis 70 Prozent der an Animes beteiligten Arbeitskräfte außerhalb Japans arbeiten. Auch gleichberechtigte Koproduktionen gab es in der Geschichte des Mediums immer wieder. So beispielsweise mit europäischen Sendern in den 1970er Jahren. Seit in den 1990er Jahren das Interesse an Anime in westlichen Ländern zugenommen hat, kommen auch solche Koproduktionen wieder häufiger vor, vor allem mit amerikanischen Firmen. Auf der anderen Seite arbeiten japanische Studios, insbesondere solche auf Zuarbeiten spezialisierte, auch Produktionen in anderen Ländern zu, vor allem amerikanischen. Dies begann bereits mit einzelnen Filmen in den 1950er Jahren und ab 1960 wurden durch die Produzenten Jules Bass und Arthur Rankin Jr. mehrere Studios regelmäßig beauftragt: Zunächst Mochinaga Tadahito für Puppentrickfilme, dann mit dem Studio MOM Productions auch Zeichentrickfilme und später gehörten Tōei Animation, Mushi Production und Top Craft zu den Auftragnehmern, die damit Lücken zwischen ihren Aufträgen füllen konnten.
Eines der international bekanntesten Anime-Studios ist Studio Ghibli, das seit 1985 unter der Leitung von Hayao Miyazaki Filme produziert, z. B. Prinzessin Mononoke 1997, Chihiros Reise ins Zauberland 2001 oder Das wandelnde Schloss 2004. Seinen bisher größten weltweiten Erfolg hatte Studio Ghibli mit Chihiros Reise ins Zauberland. Der Film erhielt neben zahlreichen internationalen Zuschauer- und Kritikerpreisen im Jahr 2002 den Goldenen Bären auf der Berlinale und im Jahr 2003 den Oscar als bester Animationsfilm, was ihn zum meistausgezeichneten Zeichentrickfilm aller Zeiten macht. Mit seinem Fokus auf Kinoproduktionen und als starke, international bekannte Marke ist Studio Ghibli jedoch eine Ausnahme unter den Anime-Studios. Bei Animeserien ist Tōei Animation bedeutend, das bei frühen Science-Fiction-Klassikern wie Uchū Senkan Yamato (auch Space Battleship Yamato) und Captain Future und später bei Sailor Moon, Dragon Ball und weiteren Serien beteiligt war, die große internationale Verbreitung gefunden haben. Darüber hinaus produzierte Tōei die bedeutendsten Anime-Filme der 1960er Jahre. Weitere bekannte Anime-Studios: * A-1 Pictures (Fairy Tail, Sword Art Online) * Bee Train (El Cazador, .hack//SIGN, Madlax, Noir, Tsubasa – Reservoir Chronicle) * Bones (Eureka Seven, Fullmetal Alchemist, Ouran High School Host Club, Soul Eater, Wolf’s Rain) * GAINAX (FLCL, Gurren Lagann, He Is My Master, Die Macht des Zaubersteins, Neon Genesis Evangelion) * J.C.Staff (Slayers, Shakugan no Shana, To Aru Majutsu no Index, Zero no Tsukaima) * Kyōto Animation (Clannad, Kanon, K-On!, Lucky Star, Die Melancholie der Haruhi Suzumiya) * Madhouse (Black Lagoon, Chobits, Death Note, No Game No Life, Ninja Scroll, Summer Wars) * Nippon Animation (Serienreihe World Masterpiece Theater, Chibi Maruko Chan) * Production I.G (Blood – The Last Vampire, Ghost in the Shell, Higashi no Eden, Neon Genesis Evangelion: The End of Evangelion, Jin-Roh) * Shaft (Bakemonogatari, Puella Magi Madoka Magica, Magister Negi Magi Negima!?, Sayonara Zetsubō Sensei) * Studio Pierrot (Bleach, Frau Pfeffertopf, Naruto, Saber Rider, Saiyuki) * Sunrise (City Hunter, Code Geass, Cowboy Bebop, Inu Yasha, The Vision of Escaflowne) * TMS Entertainment (Mila Superstar, Lupin III, Lady Oscar, Detektiv Conan, Monster Rancher) * WIT Studio (Attack on Titan, Seraph of the End, Kabaneri of the Iron Fortress)
Die Produktion und Veröffentlichung von Animes ist oft eng mit anderen Medien verknüpft. In der Vergangenheit basierten fast alles Animes auf erfolgreichen Mangas. Es wird aber auch umgekehrt nach dem Erfolg eines Animes ein entsprechender Manga gezeichnet. Vergleichsweise selten sind „Anime-Comics“ bei denen der Manga nicht neu gezeichnet, sondern aus Einzelbildern des Animes und eingefügten Sprechblasen zusammengesetzt wird. Zu den üblichen Merchandising-Artikeln von Franchises, unter anderem Artbooks, Soundtrack-CDs und Klingeltöne, nehmen Model-Kits und fertige Figuren eine wichtige Rolle ein. Diese werden in Japan in großer Zahl für viele Serien verkauft, sind außerhalb des Landes jedoch nur schwer erhältlich. Neben der bereits von den Anfangen des Mediums bestehenden Zielgruppe von Kindern und Familien, die über Tickets für Kinofilme, Werbeschalten in Fernsehserien sowie Verknüpfung mit Spielzeugen Einnahmen generieren, ist die seit den 1980er Jahren entstandene Zielgruppe jugendlicher und junger erwachsener Fans eine finanziell ebenso wichtige Gruppe für die Branche geworden. Sie ist zahlenmäßig deutlich kleiner als die erste Gruppe, jedoch zu deutlich größeren Ausgaben für den Kauf von Merchandising und Kaufmedien bereit und lässt sich direkter ansprechen. Wichtigste Einnahmequelle der Studios waren in den 2000er Jahren an erster Stelle das Merchandising, danach Senderechte und in deutlich geringerem Umfang Kinoeinnahmen und Werbefilme. Hauptabnehmer ist das Fernsehen, gefolgt vom Kino und dem Videomarkt an letzter Stelle. Für eine einzelne Folge werden etwa 5 Millionen Yen, in früheren Zeiten eher 7 Millionen, und anderthalb Monaten Produktionszeit aufgewendet. In den 2000er Jahren wurden jedes Jahr 30 bis 50 Fernsehserien und 10 bis 20 Kinofilme produziert. Neben den eigentlichen Filmproduktionen gehören auch Auftragswerke für andere Branchen zu den Einnahmequellen der Studios. Waren das bereits in den Frühzeiten des Mediums Aufträge für Werbung und Lehrfilme, kamen ab den 1980ern vor allem Zuarbeiten zu Computerspielen als lukrative Aufträge hinzu. Für Fernsehserien waren die Senderechte in Japan allein nie ausreichend, um die Kosten zu decken. Astro Boy als erste halbstündige Fernsehserie wurde deutlich unter ihren Kosten verkauft, um überhaupt ins Fernsehen zu kommen und Konkurrenz abzuschrecken, was den Preis für die nachfolgenden Produktionen auf ein zu niedriges Niveau festlegte. Daher sind zusätzliche Einnahmen über Merchandising, Lizenzverkauf ins Ausland und später die Vermarktung von Kaufmedien für das Überleben der Studios notwendig. Als Lehre aus dem Niedergang von Mushi Production wurde diese Wertschöpfung daher im Laufe der 1970er Jahre in Produktionskomitees institutionalisiert, in denen Sponsoren Einfluss auf die Produktion und weitere Teile eines Franchise nehmen. Teile der Branche sind daher von einem großen Einfluss der Geldgeber aus anderen Branchen geprägt, die ihre Investitionen über den Einfluss im Produktionskomitee zurückerhalten wollen. Insbesondere für einige, auf Neuartigkeiten setzende Branchen wie Spielehersteller ist ein Anime, in den sie investieren, daher nur eine regelmäßig laufende Werbesendung, die abgesetzt und eine neue, ähnliche ersetzt werden kann und soll, sobald das Produkt ausreichend bekannt gemacht und verkauft wurde. Die Finanzierung über ausländische Beteiligungen oder Beauftragung bestand zwar seit den 1950er Jahren, trat nach dem Misserfolg von Mushi Production, wo mit 30 % Einnahmen aus dem Lizenzverkauf gerechnet wurde, aber für die Branche in den Hintergrund. Ausnahmen waren einige wenige Studios, die fast nur im amerikanischen Auftrag arbeiteten, und Kinderserien. Erst ab dem internationalen Erfolg von Anime ab den 1990ern wurde die Finanzierung aus dem Ausland wieder bedeutender, was zu einem Anteil der Lizenzeinnahmen von 50 % für einige Studios führte, aber auch zu einer Spekulationsblase. Der Anteil hat sich auf einem niedrigeren Niveau stabilisiert. Die Anime-Produktionen werden in der Regel von Produktionskomitees geleitet, denen oft Unternehmen unterschiedlicher Branchen angehören, so neben Buch-, Spieleverlagen, Studios, auch Lebensmittelfirmen, die Kapital einbringen und sich die Rechte am Werk aufteilen. Durch diese frühe Verknüpfung erscheinen parallel zum Anime auch Manga, Romane und weitere Artikel. Teilweise werden diese Franchises dann gezielt zur Werbung für ein Produkt oder eine Produktgruppe eingesetzt. Die Zusammenarbeit in Produktionskomitees soll auch gewährleisten, dass inhaltliche und Designelemente über die einzelnen Werke hinaus im Franchise genutzt werden, beispielsweise der Einsatz von Charakteren in einem Videospiel bei der Entwicklung für eine Fernsehserie schon mitgedacht wird. Dabei können jedoch Entwicklung der Geschichte, der Figuren und die Darstellung von Konflikten und menschlichen Beziehungen in den Hintergrund treten. So werden Charaktere für die Verwendung in Computerspielen stark vereinfacht, Spielmechaniken angepasst und dabei unter Umständen austauschbar gemacht und die Handlung und Charakterentwicklung der Vorlage aufgebrochen oder außer Acht gelassen. Solche Charakterzeichnung kann sich auch im Anime zeigen, wird es bei dessen Produktion bereits mitgedacht. Die Adaption anderer Werke bietet außerdem die Möglichkeit, Details von Geschichten oder Nebenerzählungen wegzulassen, da die mit der Vorlage bereits vertrauten Zuschauer in der Lage sind,d die Lücken zu füllen. Enge Zusammenarbeit über Komitees hat ab den 1990er Jahren deutlich zugenommen, in denen auch der Medienmix an Bedeutung gewonnen hat. Praktiziert wurde diese Zusammenarbeit aber bereits seit langem, so war schon Astro Boy 1963 von Süßwaren- und Spielzeugherstellern mitfinanziert, die passendes Merchandising auf den Markt brachten. Oft ist die Computerspiel-Industrie an der Anime-Produktion beteiligt, die auf Grundlage der Animes Computer- und Konsolenspiele produziert. Ebenfalls gab es Animes, die wie Pokémon und Digimon auf erfolgreichen Spielen basieren. Wie in Kinofilmen wird im Anime die Musik als wichtiges künstlerisches Mittel benutzt. Am häufigsten wird die Musik als Thema für einen Charakter genutzt, oder um als Hintergrundmusik die Stimmung einer Szene wiederzugeben. Serien haben ein Vorspannlied als Einleitung und einen mit Musik unterlegten Abspann.Lieder werden häufig von bekannten Musikern oder japanischen Idolen gesungen, aber auch von den Synchronsprechern (Seiyū). Bis in die 1970er Jahre waren nur einfache musikalische Untermalungen und die Veröffentlichung von einzelnen Liedern als Single üblich, mit Kindern als Zielpublikum. 1977 wurde dann nach dem Vorbild des Soundtracks zu Star Wars zum in Japan ähnlich erfolgreichen Uchū Senkan Yamato ein Album herausgebracht. Dessen Erfolg führte rasch zu vielen Nachahmern und die Veröffentlichung von Soundtrack-Alben wurde zu einem üblichen Teil der Verwertungskette. Die Musik wurde aufwändiger komponiert und zu den bis dahin nur mit Orchester oder in Form klassischer Lieder aufgenommenen Stücken traten in den 1980er Jahren Pop- und Elektroklänger, etwas später auch Rockmusik. Die Verwertungskette wurde bald noch um Tonträger ergänzt, auf denen die Synchronsprecher Lieder und Texte in ihrer Rolle im Anime aufgenommen haben. Das förderte die Bekanntheit der bis dahin wenig berühmten Sprecher, die seitdem selbst zu Idolen werden können. Eine weitere Variante von Anime-CD-Veröffentlichungen sind Drama-CDs: Hörspiele, in denen die Sprecher eine Geschichte erzählen, die häufig im Anime nicht vorkommt. Durch die enge Verzahnung verschiedener Medien und der Übertragung von Inhalten von Manga zu Anime und darüber hinaus haben sich seit den 1990er Jahren zunehmend Charaktere von ihren Erzählungen gelöst, wie es Kulturwissenschaftler Gō Itō 2005 erstmals beschrieb. Der von ihm so genannte kyara (Chara, kurz für engl. Character) ist eine vereinfachte, auf Äußerlichkeiten und wenige prägnante Merkmale reduzierte Form eines Charakters, der als vollwertige literarische Figur nur innerhalb einer Erzählung existiert. Es sind dann nicht die Figuren, sondern oft nur deren Kyara, die in vereinfachten Formen in Adaptionen wie Computerspielen und Musik auftreten, die in Fanwerken verarbeitet werden oder die die Werke eines Franchise verbinden, nicht Geschichten oder detailreiche Charaktere. Kyara sind demnach seit der Jahrtausendwende zunehmend Objekt der Zuneigung der Fans (moe) und zum Angelpunkt von Franchises geworden, während die Bedeutung von und das Interesse an übergreifenden, großen Erzählungen abgenommen habe.
Neben Filmen mit originären Stoffen, für die insbesondere das Studio Ghibli weltweit bekannt ist, kommen viele Animes ins japanische Kinos, die vor allem romantische und dramatische Stoffe aus bekannten Romanen und Mangas umsetzen. Außerdem ist es für mehrere, über lange Zeit erfolgreich laufende Manga- und Animeserien meist für Kinder üblich, jedes Jahr einen Kinofilm zum Franchise in die Kinos zu bringen. Auf diese Weise kann das Publikum die ihm bereits vertrauten Figuren, manchmal in nur wenig abgewandelten oder die Serie zusammenfassenden Geschichten, in höherer Animationsqualität im Kino erleben. Auch finden seit etwa 1970 mehrere jährliche Festivals statt, auf denen Studios Filme und Serienzusammenschnitte zu bekannten Franchises oder Fernsehserien präsentieren, was insbesondere im Segment der Kinderunterhaltung zu einer dauerhaften Institution geworden ist. Die in bereits bestehende Franchises eingebundenen Filme sind oft auch als Werbemaßnahme für die weiteren Produkte ihrer Marke gedacht, sodass auch auf den ersten Blick an der Kinokasse gefloppte Filme oder solche, die ihre Produktionskosten nicht wieder einspielen, auf Grund ihres Wertes als Werbung für die Produzenten eine gelungene Investition sein können. Gänzlich originäre Stoffe dagegen stellen für die Geldgeber ein großes Risiko dar und sind daher selten. Die zehn erfolgreichsten Anime Kinofilme:
Neben Fernsehserien und Kinofilmen werden Animes seit den frühen 1980er Jahren als Original Video Animation, kurz OVA, für den Kaufvideo- und DVD-Markt produziert. OVAs oft sehr kurze Serien oder Kurzfilme, mit Geschichten die für eine Fernsehserie nicht ausreichen oder für die kein großes Publikum zu erwarten ist. Die Qualität ist sehr unterschiedlich, bei manchen Produktionen nur sehr gering, aber oft deutlich über Fernsehniveau. Die Zielgruppe sind zum einen Jugendliche und junge Erwachsene, darunter besonders Anime-Fans. Angebote für diese enthalten in der Regel mit viel Fanservice und Action sowie teils pornografische Inhalte, außerdem Zusatzinhalte zu bekannten Serien. Daneben sind die Käufer von Heimvideos zu großem Teil Familien und Kinder. Letztere Zielgruppen machten in den 1990er Jahren noch den überwiegenden Anteil am Direktverkaufsmarkt aus, wobei dieses Angebot auch viele Animationsfilme aus den USA, vor allem von Disney und Warner Brothers enthielt. In Verbindung mit diesem Videomarkt gab es in Japan in der Vergangenheit auch einen umsatzstarken Leihvideomarkt. Beide profitieren davon, dass in Japan bereits seit langem weniger Vorbehalte gegenüber Animationsfilm bestehen und daher Animes aller Genres und für alle Altersgruppen produziert werden, sodass eine breite Käuferschaft besteht. Die Etablierung dieses Vertriebsweges erlaubte es seit den 1980er Jahren mehr und kleineren Studios den Eintritt in den Animemarkt, da OVAs die Gelegenheit kleinerer, direkt finanzierter Aufträge für die Videovertriebe oder sogar direkt für Fans bieten. Im Gegensatz dazu sind für Fernseh- und Kinoproduktionen größere finanzielle Anstrengungen oder entsprechend größere Produktions-Beteiligungen nötig. Mit Aufkommen der DVD wurde die Attraktivität des Vertriebswegs für Käufer weiter erhöht, da nun Zusatzinhalte und Interaktivität geboten werden konnte. Seit 2000 gibt es auch Serien direkt für das Internet, Original Net Animation (ONA) genannt. Seit in Japan Heimvideo ab Ende der 1970er Jahre für größere Käuferschichten erschwinglich wurde, sind auch Animes aus Fernsehen und Kinos später regelmäßig für den Heimkinomarkt erschienen und haben so ein zweites Publikum erhalten. Auch ältere Werke, die ohne Wiederholungen oder weitere Vorführungen bis dahin immer mehr in Vergessenheit gerieten, wurden auf Kaufmedien ausgewertet und konnten so wieder in die Erinnerung der Öffentlichkeit und von Fans zurückkehren. Zu den Anime mit den höchsten Heimvideoverkäufen zählen daher solche, die zuvor bereits durch Kino und Fernsehen Zuschauer gewinnen konnten:
Anime-Fernsehserien haben für gewöhnlich 12–13, 24–26, sowie seltener 52 oder mehr Folgen, so dass bei wöchentlicher Ausstrahlung eine Laufzeit von einem viertel, halben oder ganzen Jahr erreicht wird. Ein solches Vierteljahresintervall wird als cours (, kūru) bezeichnet. Die cours sind dabei saisonal, d. h., es gibt Winter-, Frühlings-, Sommer- und Herbst-Cours, die im Januar, April, Juli bzw. Oktober beginnen. Im Jahr 1963 wurden sieben Serien gesendet, dies wird generell als der Beginn von Anime-TV-Serien angesehen. 1978 wurde die 50er-Grenze mit 52 Serien gebrochen. 1998 wurde die 100er-Grenze mit 132 Serien erreicht. Mit 233 Serien wurde die 200er-Grenze im Jahr 2004 erreicht. Seitdem hat sich die Anzahl der Serien mehr oder weniger etabliert, jedoch gab es Jahre wie 2006 und 2014, in denen die 300er-Grenze erreicht wurde. Die meisten Anime-Serien sind insbesondere seit der großen Zunahme der Zahl ab den 1990ern nicht als Endlosserien ausgelegt, obwohl insbesondere Verfilmungen langer Manga-Serien auf weit mehr als 100 Folgen kommen können. Viele Serien laufen dagegen nur über einen Cours, also etwa 13 Folgen. Anders sieht dies bei am Tage ausgestrahlten Animes aus, die meist lang laufen (über zwei cours) und sich zudem auch entweder an ein junges oder ein Familienpublikum richten. Der Anstieg der Anime-Anzahl in den 1990ern ist darauf zurückzuführen, dass seit 1996 die Mitternachtsprogrammplätze für Anime verwendet werden, aber auch darauf, dass durch den großen Erfolg (und die Kontroverse) von Neon Genesis Evangelion immer mehr Studios, Videounternehmen und Verlage Werke produzieren ließen. während 4 bis 5 % schon außergewöhnlich hoch sind. Einschaltquoten spielen bei Mitternachtsanimes kaum eine Rolle. Zum einen wurde bereits früh dafür geworben, die Serien aufzunehmen, womit die Ausstrahlung zu einem Videovertrieb über Umwege wurde, bei der der Kunde den Anime umsonst erhält, aber Werbung hinnehmen und den Datenträger mitbringen muss. Zudem dient die Ausstrahlung zunehmend der Werbung für Veröffentlichungen auf Kaufmedien – die höhere Qualität oder Zusatzinhalte im Vergleich zur Fernsehfassung bieten – und Merchandise-Artikeln, mit denen der Gewinn gemacht wird. Abhängig von deren Verkaufszahlen entscheidet sich dann, ob weitere Staffeln produziert werden. Viele der Anime, die Teil eines Medienmix-Franchises sind, dienen aber auch der Bewerbung des gesamten Franchises, so dass für das auftraggebende Produktionsunternehmen auch die Animeverkäufe zweitrangig sein können, sofern Verkäufe für andere Produkte unter der Marke anziehen. Seit der Einführung der Mitternachtsanime hat sich die Anzahl der Serien mit hohen Einschaltquoten verringert, und auch die Art der Serien im Tagesprogramm hat sich verändert. Anime mit den höchsten Einschaltquoten:
Japanische Fernsehsender gehen auch dazu über, den ausländischen Markt direkt zu beliefern. Im Januar 2009 begann TV Tokyo als erster größerer Fernsehsender, seine Animes nur Stunden nach deren Ausstrahlung im japanischen Fernsehen englisch untertitelt auf einer abopflichtigen Website zu veröffentlichen. Heute wird ein großer Teil der Neuerscheinungen gleichzeitig zur japanischen Ausstrahlung (Simulcast) auf Websites mit englischen (Funimation und Crunchyroll), aber auch deutschen Untertiteln gestreamt. Die Sparte hat bei internationalen Streaming-Plattformen deutlich an Beliebtheit gewonnen und stand beispielsweise auf Netflix 2025 nach geschauten Minuten auf Platz 3 nach englischen und koreanischen Inhalten. Zugleich wurden internationale Plattformen wie Netflix wichtige Auftraggeber für Animeproduktionen.
Anime sind ein fester Bestandteil des japanischen Kulturgutes. Zu den erfolgreichsten Kinofilmen in Japan zählen viele Animes, so Prinzessin Mononoke, Pokémon: Der Film und Chihiros Reise ins Zauberland. Nach einer Umfrage sind die 100 beliebtesten Zeichentrickserien in Japan alle Anime, mit Ausnahme von Tom und Jerry. Im Vergleich zum Animationsfilm in anderen Ländern war Anime in Japan bereits vergleichsweise früh gesellschaftlich anerkannter. So wurden einige Animatoren und Regisseure seit den 1980er Jahren prominent und ähnlich geachtet wie ihre Kollegen aus dem Realfilm. Während Anime, genauso wie andere japanische Populärkultur, noch bis in die 1990er Jahre von der Politik wenig beachtet und wenn überhaupt nur als Problem wahrgenommen wurde, änderte sich dies nach 2000. Insbesondere durch den Außenminister und späteren Premierminister Tarō Asō, selbst Fan von Anime und Manga, wurde die japanische Populärkultur als wichtiger Teil der japanischen Wirtschaft und Kultur begriffen und dessen Export beworben und gefördert. Mehrere Gesetzesvorhaben stärkten den Urheberschutz und Vertreter der Anime-Industrie wurden in politische Beratungsgremien aufgenommen. Anime und Manga sollten als Soft Power beziehungsweise im Kontext der Idee von Cool Japan ein positives Bild Japans in der Welt vermitteln und wichtiger Teil der Exportwirtschaft sein. Trotz mehrer Regierungswechsel wird an dieser Strategie über inzwischen Jahrzehnte hinweg festgehalten. Tatsächlich hat sich Beliebtheit und entsprechend das Exportvolumen von Anime international seither vervielfacht. Diesen Initiativen entgegen steht, dass Anime wie auch Manga nicht so neu und modern, nicht so stilistisch und inhaltlich einheitlich sind, wie die politischen Strategien sie bewerben. Stilmerkmale und Marketingstrategien haben eine weit vor 2000 zurückreichende Geschichte und sind oft im Zusammenspiel mit westlichen Einflüssen entstanden, sind also weniger originär japanisch als politisch suggeriert wird. Manche Animeserien werden dafür krititiert, nationalistische oder revanchistische Ideen zu transportieren. Japanischen Animefans wird ein stärkeres Nationalbewusstsein zugeschrieben als anderen Teilen der Gesellschaft. Zugleich findet im Medium auch Kritik an Politik, Gesellschaft und Nationalismus statt, viele Werke zielen auf einheimisches Publikum und sind international nicht verständlich und die Szene und deren Vertreter versuchen sich politischer Einvernahme zu entziehen. Des Weiteren ist fraglich, ob die auch in Japan recht kleine Branche die von der Politik in sie gesetzten wirtschaftlichen Hoffnungen erfüllen kann.
Anime-Produktionen werden weltweit vermarktet und konsumiert. So gab es 2011 dauerhafte Lizenzvereinbarungen japanischer Anime-Rechteinhaber mit Lizenznehmern in 138 Ländern. Nur einige Staaten Zentralasiens und Afrikas sind ausgenommen. Dazu kommt die nicht unerhebliche illegale Verbreitung. In einigen Nachbarländern Japans – Südkorea und Taiwan – war der Manga dagegen schon früh präsent, ehe auch Animes gezeigt wurden. In der Volksrepublik China dagegen erfuhren beide Medien wie außerhalb Japans erst in den 1990er Jahren größere Verbreitung, auch hier gingen Fernsehserien den Comics voraus. Die, gerade in westlichen Ländern unerwartete, Popularität von Anime – und in Verbindung damit auch Manga – in der Jugendkultur wird von Antonia Levi schon Mitte der 1990er Jahre als „Sieg des Multikulturalismus“ bezeichnet. Einer, der zugleich die Comic- und Animationsszene in Amerika und Europa mit neuen Ideen befruchtete. Die Veröffentlichung findet sowohl synchronisiert als auch untertitelt statt, wobei insbesondere Fans untertitelte Fassungen oft bevorzugen, um nicht originalgetreue Übersetzungen zu meiden. Da viele Animes Bezüge zur japanischen Kultur haben und daher für Zuschauer in anderen Ländern nicht immer leicht zugänglich sind, waren außerhalb Asiens zunächst vor allem neutrale Stoffe oder solche basierend auf europäischen oder internationalen Märchen erfolgreich, ehe auch stärker japanische Serien ein Publikum finden konnten. Bei anderen Serien, die sich eher an Anime-Fans richten, wurden stattdessen zusätzliche Erläuterungen beigelegt, um die japanischen Eigenheiten zu erklären. Der Erfolg des Mediums seit den 1990er Jahren wird teils mit dessen Andersartigkeit beziehungsweise des „Japanischseins“ erklärt, das gerade für Jugendliche einen besonderen Reiz ausmache. Andere Autoren verweisen darauf, dass Serien mit weniger explizitem Japanbezug wie Pokémon und Sailor Moon die erfolgreichsten sind und daher einer im Medium verbreiteten Mischung aus Fantasy und dem Publikum bekannten Alltagsthemen, die zur Identifikation einladen, eine wichtigere Rolle zukommt. Die früh im Westen erfolgreichen Serien wie Astro Boy ließen keinen japanischen Bezug erkennen, beziehungsweise diesen leicht herausbearbeiten, und wurden daher gern als kulturell neutral wirkende Produkte eingekauft. Durch diese frühen Importe wurde das Publikum bereits an japanische Ästhetik und Erzählmuster gewöhnt. Jonathan Clements spricht von drei Typen von Konsumenten: vor allem Kindern und Jugendlichen, die eher kulturell neutrale Produkte konsumieren; erwachsene Fans, die Anime gerade wegen seiner besonderen Merkmale wählen; und zufällige Publikumsgruppen, die insbesondere bei familien- oder breit anschlussfähigen Filmen in Erscheinung treten. Besondern in den 1970er und 1980er Jahren, aber auch noch danach, findet ein erheblicher Teil von Animes sein Publikum über illegale Kopien. Vor allem dort, wo noch keine Unternehmen Animes lizenziert hatten oder keine Verkaufsinfrastruktur vorhanden war, wurden das Medium nur durch illegale Verbreitung überhaupt erst bekannt und gewann eine Anhängerschaft. Waren das früher Kopien von Videokassetten, die privat und auf Conventions weitergereicht und von Fans untertiteln wurden, wurden daraus später über Websites zum Herunterladen angebotene Fansubs. Als sich international ein kommerzieller Markt für Animes entwickelte, begannen deren Unternehmen den damit entstehenden Einnahmeeinbußen entgegenzutreten. In den USA taten sich 1995 zusammen, um gegen illegale Kopien und Verleihe der lizenzierten Werke vorzugehen. Dies sollte sich gegen kommerziell orientierte Rechtsverletzungen richten, geriet jedoch schnell in die Kritik der Fanszene, dass es auch gegen Fangruppen vorgehe. Die Arbeit wurde ohne Öffentlichkeitsarbeit fortgesetzt, um keine Reaktionen der Fans mehr zu provozieren. Nichtkommerzielle Kopien werden von den Unternehmen oft toleriert, nicht wenige von ihnen begannen selbst als Fangruppen. Viele Fansubgruppen wiederum stellen die Verbreitung ein, wenn ein Anime in der jeweiligen Sprache lizenziert wurde und offiziell veröffentlicht wird. Durch die Etablierung von Streaming sowie von Tauschplattformen nahm die Online-Verbreitung von illegalen Kopien ab den 2000er Jahren zu und geht nun nicht mehr nur direkt von Fansubbern aus oder findet nicht nur über persönliche Treffen statt. Während die Anime-Vertriebe dahinter wachsende Verluste befürchten, wird diese Form der Verbreitung von anderen Beobachtern auch als Werbung in Zielgruppen gesehen, die kommerzielle Vertriebe nicht erreichen können. Es ist jedoch unklar, ob sich solche Werbung je in Einnahmen für die Produzenten auszahlt. In den 2020er Jahren hat die internationale Beliebtheit und entsprechend der Export japanischer Populärkultur, darunter auch besonders Anime, deutlich zugenommen. Seit 2022 ist der Auslandsmarkt bedeutender als der inländische Markt. Im Jahr 2023 erreichte der Export zusammen mit Videospielen einen Wert von 33,7 Milliarden Euro.
Anime-Serien sind im Westen erstmals in den Vereinigten Staaten im Fernsehen aufgetaucht. Dort sind in den 1960er Jahren unter anderem Astro Boy, Kimba, der weiße Löwe, Gigantor und Speed Racer gelaufen. Letztere wurde als einzige schon als japanisch erkannt und prägte lange das Bild von Anime in den USA. Danach waren Anime-Serien weniger präsent, als es in Europa der Fall war. Die populärsten Serien kamen aus dem Science-Fiction-Bereich, wie Star Blazer, Voltron und Robotech. Auch gab es Koproduktionen zwischen den USA und Japan, deren japanische Ursprünge oft nicht wahrgenommen wurden, Kurz darauf war wie in Deutschland die internationale Vermarktung der Serien Sailor Moon, Pokémon und Dragon Ball Z für die Wahrnehmung von Anime im Speziellen verantwortlich gewesen. Der Film Pokémon the Movie: Mewtwo Strikes Back von 1999 wurde zum erfolgreichsten Anime-Film in den japanischen Kinos. Erfolgreiche Ausstrahlungen von Anime-Serien hatten Einfluss auf die Cartoon-Industrie in den USA selbst. Zunächst betraf das vor allem die Comicszene, die sich in Ästhetik und Themen von Anime und Manga inspirieren ließ. Es folgten Animationsproduktionen, die zunächst noch zurückhaltend auf düsterere Atmosphäre und erwachsenere Themen setzten. Serien wie Galaxy Rangers in den 1980ern sowie Avatar – Der Herr der Elemente, Monsuno und Teen Titans in den 2000ern waren von der Anime-Ästhetik beeinflusst. Seit Ende der 2000er wurden auch mehrfach Manga- beziehungsweise Anime-Titel von amerikanischen Studios als Realfilm adaptiert. Nach dem Boom Anfang der 2000er Jahre gingen zum Ende des Jahrzehnts die Verkäufe von Anime-DVDs zurück, was zum einen auf die Konkurrenz durch legale und illegale Online-Angebote zurückgeführt wurde, aber auch den massiven Zustrom neuer Wettbewerber in den wachsenden Markt um 2000. Diese kauften oft Lizenzen, ohne deren Chancen im US-Markt einschätzen zu können oder gar nur mit Projektskizzen, was erst die Lizenzpreise in die Höhe trieb und bei ausbleibenden Erfolg viele Unternehmungen in den Ruin. Auch einige japanische Studios, die zu sehr auf Geld aus den USA setzten, waren dann in finanziellen Nöten. Eine ähnliche, noch deutlichere Entwicklung nahm der nordamerikanische Manga-Markt. Im US-Fernsehen werden für Anime, die im Kinderprogramm laufen, die umfangreichsten Bearbeitungsmaßnahmen unternommen. Diese US-Fassungen werden dann oft international vermarktet. Der amerikanische Jugendschutz ist im Vergleich zu europäischen Ländern wie Deutschland und Frankreich weitaus strenger. In den USA stehen den Unternehmen umfangreiche Mittel zur Verfügung, um Bilder zu retuschieren, Namen zu ändern, Folgen auszulassen, zusammenzuschneiden und somit die Handlung zu verändern. Auch die Musik wurde teilweise verändert. Freizügige, gewalttätige, religiöse oder japanisch-kulturelle Inhalte und auch Bezüge zu Alkohol, Waffen und Drogen werden entfernt. Ernsthafte Themen wie der Tod werden umschrieben oder ausgelassen. Diese Maßnahmen unterscheiden sich von Serie zu Serie und auch von Firma zu Firma. Die konsequentesten und umfangreichsten Bearbeitungen finden bei 4Kids (One Piece, Yu-Gi-Oh), Harmony Gold (Robotech), Saban Brands (Digimon, Glitter Force) und DiC (Sailor Moon) statt. Weitgehend unbearbeitete Serien haben Popularität durch Videokassetten oder durch Nachtprogramme von Sendern wie Cartoon Network oder SyFy gewonnen. Speziell im Nachtprogrammblock von Cartoon Network sind Cowboy Bebop und Big O sehr populär geworden. Space Dandy, Ghost in the Shell: Stand Alone Complex und eine zweite Staffel von Big O wurde von amerikanischen Geldern mitfinanziert. Netflix plant, mehrere Serien mitzufinanzieren, die dann als Netflix Original beworben werden. Seit den 2000ern sind Anime, zuvor nur wenigen bekannt, stärker Teil des amerikanischen Mainstreams geworden, was auch zu zunehmender gesellschaftlicher und politischer Kritik am Medium führte. Während zunächst vor allem die Fans kritisiert wurden – als seltsam und unreif – geraten mittlerweile auch die Werke selbst in die Kritik, meist, weil sie nicht kinderfreundlich genug seien.
Als erster Anime in Deutschland wurde ab dem 16. März 1961 der Film Der Zauberer und die Banditen von Toei Animation aus dem Jahr 1959 in den Kinos gezeigt. Die erste Anime-Serie im deutschen Fernsehen war Speed Racer, von der 1971 aber nur einige Folgen gezeigt wurden, ehe sie wegen Protesten abgesetzt wurde. Für die Ausstrahlung von Captain Future in den 1980er Jahren wurde Gewaltszenen entfernt, sodass sie von 52 auf 40 Folgen gekürzt wurde. Entsprechend wurden in den 1970er und 1980er Jahren nur kinderfreundliche Serien, zum Beispiel des Masterpiece Theater gezeigt, bei denen keine Proteste zu befürchten waren. Einige davon waren deutsche Koproduktionen wie Wickie und die starken Männer, Die Biene Maja und Nils Holgersson. Die ersten deutschen Kauf-Animes gab es im Jahr 1975 auf sogenannten TED-Bildplatten. In den 1980er Jahren erschienen zahlreiche Animes auf VHS-Kassetten. Dieser Markt war neben der Zweitverwertung von Kinderserien aus dem Fernsehen geprägt von erotischen Werken, die von Trimax herausgebracht wurden. Diese Importe führten dazu, dass „Anime“ noch bis nach 2000 von vielen eng mit pornografischen oder stark gewalthaltigen Werken verknüpft wurden. Mit Beginn der 1990er Jahre sind im deutschen Kino häufiger Anime-Filme gezeigt worden, darunter Akira (1991), Ghost in the Shell (1997) sowie einige Produktionen von Studio Ghibli wie Prinzessin Mononoke (2001) und Chihiros Reise ins Zauberland (2003). Mit dem Aufkommen des Privatfernsehens kam auch eine Vielzahl von Anime-Serien ins Fernsehen, zunächst über Einkäufe von europäischen Programmpaketen, in denen neben westlichen Zeichentrickserien auch vereinzelt Anime enthalten waren. Mit der Zeit wurden auch Serien für Jugendliche ins Programm genommen, und im August 1999 erhielten Animes den Programmblock Moon Toon Zone bei RTL 2. Dieser Block bestand aus Sailor Moon, Dragon Ball und Pokémon und wurde mit Anime@RTL2 ab 2001 und PokitoTV im Jahr 2004 ausgebaut. Von 2007 bis Juni 2016 gab es mit Animax Deutschland ein eigener Pay-TV-Sender für den deutschsprachigen Raum. Heute senden nur noch ProSieben MAXX (seit 2013) und Nickelodeon regelmäßig Animes. Die Nachbearbeitung von Animes geschah im deutschen Fernsehen und Kino lange Zeit in großem Maße und war oft Gegenstand großer Kritik von Fans. Dabei wurden zahlreiche Schnitte und inhaltliche Änderungen meist mit dem Jugendschutz begründet, da Trickserien als Kinderprogramm gelten und für dieses Publikum eingekauft und gezeigt werden. Das erste deutsche Anime-Label war OVA Films, gegründet 1995. Um 2000 kamen immer mehr Label auf den Markt, von denen sich jedoch viele nicht halten konnten. Erst ab 2010 traten neue Unternehmen dazu, von denen einige seit 2015 auch regelmäßige Anime-Festivals veranstalten. AV Visionen startete im September 2007 das erste deutsche Anime-Video-on-Demand-Portal Anime on Demand. Mit der Zeit folgten weitere deutsche wie internationale Angebote, die jedoch nicht alle von Dauer waren. So stellte das zu ProSiebenSat.1 Media gehörende MyVideo sein 2011 gestartete Angebot 2016 wieder ein. Seit 2013 bedient das amerikanische Portal Crunchyroll auch den deutschen Markt. Eine Fanszene entwickelte sich ab den 1980er Jahren in kleinerem Maße. Mit zunehmender Verbreitung und Popularität von Animes wie auch Mangas nach der Veröffentlichung von Akira im Westen und umso mehr nach dem Erfolg von Fernsehserien, darunter Sailor Moon und Dragon Ball, entwickelte sich eine größere Fangemeinde. Diese stützte sich stark auf Kommunikation über Chats und Foren, es entstanden Fanzines und Veranstaltungen der Szene sowie Treffen auf Buchmessen. Darüber hinaus gehört Cosplay, das Verkleiden als Figur aus einem Manga oder Anime, und Fan-Art zu wichtigen Hobbys in der Szene. Außerdem findet nicht selten eine Auseinandersetzung mit japanischer Kultur und Gesellschaft jenseits von Populärkultur statt. Bedeutende Veranstaltungen, auf denen sich Fans vorrangig treffen, sind Anime- und Manga-Conventions sowie der Japantag, die Buchmessen oder Veranstaltungen zum japanischen Film. Das einzige derzeitige professionelle deutschsprachige Anime-Fachmagazin ist die AnimaniA, die seit September 1994 erscheint. Dazu kommen Jugendmagazine mit eigenen Anime-Bereichen, wie Mega Hiro, Koneko und Kids Zone. Mittlerweile eingestellt sind die vom Verein Anime no Tomodachi herausgegebene Funime sowie die MangasZene.
In Frankreich sind Anime zum ersten Mal mit den Serien Kimba, der weiße Löwe und Choppy und die Prinzessin (Erstausstrahlung folgte in Deutschland im Jahr 1996) im Jahr 1972 und 1974 aufgetaucht. Ähnlich wie bei Wickie und die starken Männer und Die Biene Maja gab es französisch-japanische Koproduktionen (Barbapapa, Odysseus 31 und Die geheimnisvollen Städte des Goldes) und viele Serien des World Masterpiece Theater wurden gezeigt. Space Adventure Cobra gilt als der Anime mit dem höchsten Kultstatus in Frankreich, Realverfilmungen und Fortsetzungen als Koproduktion sind geplant. 2004 wurde Ghost in the Shell 2: Innocence bei den Internationalen Filmfestspielen von Cannes 2004 nominiert. Wie in den USA hatten Anime Einfluss auf die heimische Zeichentrickindustrie in Frankreich. Totally Spies! und Wakfu sind ästhetisch an Anime angelehnt.
In Italien war die Resonanz auf Anime durchwegs positiv. Seit Goldorak wurde beinahe jedes Genre und Format von Japan übernommen. Während in Deutschland in den 70ern und 80ern nur knapp 20 Serien gezeigt wurden, waren es in Italien bereits über 200. Der Grund für diese Massenimporte war, dass Italien bereits 1976 das Fernsehen privatisierte und daraus eine Vielfalt an Sendern hervorging. Auch waren Anime die preiswertesten Zeichentrickproduktionen.
Verschiedene Animeserien sind in Spanien zunächst auf dem öffentlich-rechtlichen Sender Televisión Español gelaufen. Der erste war wie in anderen Ländern Kimba, der weiße Löwe, 1969.
Der Medienhistoriker Jonathan Clements weist darauf hin, dass Anime auf unterschiedliche Weisen rezipiert werden und wurden: lange Zeit nur als Ereignis, das im Kino oder im Fernsehen stattfand. Seit den 1980ern auch als Produkt, als Kaufmedium zum erwerben und besitzen. Die Art, wie Anime erlebt wurde, verändert die Wirkung des Mediums auf den Zuschauer. Anime als Ereignis ist insbesondere in Japan noch heute von Bedeutung, teils auch in abgewandelter Form wie bei Konzert-„Auftritten “der in 3D animierten Figur Miku Hatsune. Auch die Sicht von Journalisten und Wissenschaft auf das Medium wird davon beeinflusst, welche Arten der Rezeption dabei beachtet werden. In der Auseinandersetzung mit dem Medium spielt eine Reihe von Quellen eine Rolle. Dazu zählen die selbstgeschriebenen Chroniken von Unternehmen und von Einzelpersonen, Jahrbücher, digitale und analoge Datenbanken, Magazinsammlungen und Kataloge (vor allem der Animage und Newtype), sowie schließlich Originalmaterial an Werken und aus deren Produktion. Letztere sind jedoch nur noch unvollständig erhalten, da aus der Frühzeit bis in die Nachkriegszeit viele Materialien verloren gegangen und nur Berichte, Aufträge, Katalogeinträge oder Werbung dazu erhalten sind. Die Einblicke, die man in das Medium gewinnen kann, können sich dabei besonders bei den Quellen von Studios und Künstler, stark unterscheiden, da viele ihre persönliche Sicht auf die Entwicklung von Anime und ihren Beitrag darin pflegten und verbreiteten. Auch gehen manche Berichte auf mündliche Überlieferung oder Aussagen zurück, die Jahre oder Jahrzehnte nach den Ereignissen niedergeschrieben wurden. Akademische Geschichtsschreibung zu Anime und solche in Unternehmens- und Fankreisen ist oft teleologisch und von persönlichen Erfahrungen geprägt. Entsprechend wird sie oft so erzählt, dass die Geschichte auf bestimmte, für den Erzähler besonders bedeutende, Werke als Kulminationspunkt zuläuft, die aber je nach Erzähler unterschiedliche sind, bestimmt von ästhetischem Geschmack und Erfahrungen. So werden auf Fans fokussierte Studios in der Forschung intensiver betrachtet als solche mit Zuspruch bei einem breiten Publikum, das aber weniger Anteil an Forschung und dem Gedächtnis der Szene hat.
Japanische Animationsfilme haben weltweit eine Fangemeinde, die sich in großen Teilen mit der von Mangas überschneidet. Der Markt der Fans, die viel konsumieren und bereit sind, größere Mengen Geld regelmäßig auszugeben, wird auf 100.000 bis 400.000 Menschen geschätzt. Im folgenden Jahrzehnt wurden mit dem Aufkommen von Original Video Animations mehr Produktionen für ein Nischenpublikum möglich und Fans konnten über Video das Erleben von Animes untereinander teilen und nach Belieben oft und genau betrachten, was die Szene stärkte. Bald wurden diese Fans auch in der Anime-Industrie selbst aktiv. Die Szene emanzipierte sich von der Science-Fiction-Szene und wurde durch Veranstaltungen und massenweise Kinobesuche erstmals als eigene Gruppe öffentlich wahrgenommen. Es kam der Begriff Otaku für Anime-Fans auf, der bis heute sowohl als Selbstbezeichnung als auch spöttische, herabwürdigende Fremdbezeichnung verwendet wird. Ein wichtiges Porträt dieser Fans war die Kurzserie Otaku no Video des von Fans gegründeten Studios Gainax. Mit zunehmender Verbreitung und Popularität von Animes wie auch Mangas nach der Veröffentlichung von Akira im Westen und umso mehr nach dem Erfolg von Fernsehserien, darunter Sailor Moon und Dragon Ball, entwickelte sich auch in Nordamerika und Europa eine größere Fangemeinde. Die Entwicklung dieser Fangemeinde wurde auch befördert durch die mit dem Internet aufkommenden, neuen Kommunikationsformen wie Chats und Foren. Während gelegentliche Zuschauer meist synchronisierte Animes konsumieren, werden in der Kern-Fanszene vor allem im Westen eher die untertitelten Fassungen vorgezogen, da diese näher am Original liegen und meist leichter und für eine deutlich größere Zahl an Werken verfügbar sind. Vor allem in den 1990er Jahren waren die synchronisierten Fassungen auch deutlich stärker nachbearbeitet und kulturell dem Zielland angepasst. Insbesondere das Bedürfnis, Werke in möglichst originaler Form zu sehen, spielt daher eine große Rolle beim Bevorzugen von Untertiteln. Damit verbunden entsteht oft auch ein Interesse an japanischer Sprache sowie das Verwenden japanischer (Slang-)Begriffe in der Konversation unter Fans. erin auf einem Motorrad mit einem Bild aus dem Anime „Girls und Panzer“ Das Medium lädt, wie auch Manga, in großem Maße zu eigener Kreativität ein. In der Fanszene ist die Auseinandersetzung mit den Werken und deren Fortsetzung in Form von Dōjinshi (Fan-Manga), Fanfiction, Fanart oder das Verkleiden als Figur aus einem Anime (Cosplay) weit verbreitet. Dieses große Maß an Interaktion zwischen Medium und Fans kann als ein weiteres wichtiges Merkmal von Anime gesehen werden. Gegenstand nicht weniger Fan-Werke sind von den Fans erdachte Liebesgeschichten zwischen den Charakteren, die im Original nicht vorkommen – häufig auch gleichgeschlechtliche Liebe. Für Geschichten über Liebe zwischen Männern etablierte sich die Genrebezeichnung Yaoi. Manche unter den Fans haben auch besonders starke Zuneigung oder Liebe zu einzelnen Charakteren oder Charakter-Merkmalen, was unter dem Begriff Moe zusammengefasst wird, der auch an dieses Phänomen angelehnte Genremerkmale und Darstellungsmittel bezeichnen kann. Die Anime- und Manga-Fanszene kann als in eine breitere Kultur moderner Japan-Mode eingebettet gesehen werden, bestehend aus J-Pop und Visual Kei, japanischem Essen, Mode, Karaoke und Computerspielen. Bedeutende Veranstaltungen, auf denen sich Fans vorrangig treffen, sind Anime- und Manga-Conventions. Diese Conventions bieten Verkaufsstände, Workshops, Autogrammstunden, Konzerte oder Videoabende und Cosplay-Wettbewerbe. Eine der weltweit größten Conventions ist die Japan Expo in Frankreich mit über 230.000 Besuchern. Darüber hinaus finden viele weitere Veranstaltungen in Europa und Nordamerika statt. Daneben ist Anime auch bei Veranstaltungen zu Japan, Animationsfilm, Comic oder Literatur ein Thema, so finden sich in Deutschland beim Japantag oder der Frankfurter Buchmesse Veranstaltungen zum japanischen Animationsfilm. Da bis in die 1990er Jahre hinein alle Animes nur mit Blick auf den heimischen Markt entstanden – und viele auch heute noch – ist für ihr Verständnis oft Wissen über die japanische Kultur notwendig. Der Erfolg der Serien außerhalb Japans war für deren Produzenten daher oft unerwartet. Laut Antonia Levi macht gerade diese zusätzliche Ebene, der damit verbundene Aufwand und die Möglichkeit etwas über eine andere Kultur zu lernen bei der Rezeption auch den Reiz des Mediums für seine westlichen Fans aus, die das „Japanischsein“ von Anime wertschätzen. Die Attraktivität des Medium für die Fans, so Ralf Vollbrecht, liege im deutlichen Unterschied zum „westlichen“ Zeichentrick. Statt „kindlich-kindisch“ zu sein, würde das Körperliche und sexuelle Attraktivität stärker betont, und die Geschichten seien auch bei fantastischen Stoffen in ihren Themen nah an den Lebenswelten – insbesondere Entwicklungsthemen werden oft angesprochen – und es gibt ein hohes Identifikationspotenzial für die vor allem junge Zielgruppe und Fangemeinde. Auch Alexander Zahlten betont, der Reiz vieler Serien gerade für jugendliches Publikum läge in der Thematisierung von Transformation des Selbst und der Begegnung mit Anderen, und bringt dies in Zusammenhang mit dem Ende der bipolaren Weltordnung nach dem Ende des Kalten Krieges, das eine Verunsicherung und Sorge um das Selbst gebracht habe. Gerade für Mädchen biete Anime Geschichten mit besonderen Identifikationsmöglichkeiten, so Dinah Zank. Vor allem einige Genres von Animes sprechen in Themenwahl und Design ein weibliches Publikum an und bietet diesem auch Charaktere wie weibliche Kriegerinnen, die Stereotype aufbrechen. Dabei sprechen solche Werke auch männliche Zuschauer an, auch weil sie die Flucht in eine andersartige, „sichere, fantasievolle und idealisierte“ Mädchenwelt bieten.
* Gilles Poitras: The Anime Companion: What’s Japanese in Japanese Animation? Stone Bridge Press, 1998, ISBN 1-880656-32-9, (englisch). * Jonathan Clements, Helen McCarthy: The Anime Encyclopedia: A Guide to Japanese Animation Since 1917. Stone Bridge Press, 2001, ISBN 1-880656-64-7, (englisch). * Patrick Drazen: Anime Explosion! – The What? Why? & Wow! of Japanese Animation. Stone Bridge Press, 2002, ISBN 1-880656-72-8, (englisch). * Deutsches Filminstitut – DIF / Deutsches Filmmuseum & Museum für angewandte Kunst (Hrsg.): ga-netchû! Das Manga Anime Syndrom. Henschel-Verlag, Kassel 2008, ISBN 978-3-89487-607-4. * Jonathan Clements: Anime – A History. Palgrave Macmillan, 2013, ISBN 978-1-84457-390-5.
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Actionfilm
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Der Actionfilm (von engl. action: Tat, Handlung, Bewegung) ist ein Filmgenre des Unterhaltungskinos, in welchem der Fortgang der äußeren Handlung von zumeist spektakulär inszenierten Kampf- und Gewaltszenen vorangetrieben und illustriert wird. Es geht eher um stimulierende Aktionen als um inhaltliche Zusammenhänge, empathisches Miterleben der Gefühlswelt der Protagonisten oder künstlerisch-ästhetische Bildwelten. Hauptbestandteile von Actionfilmen sind daher meist aufwendig gedrehte Stunts, Nahkampf-Szenen, Schießereien, Explosionen und Verfolgungsjagden.
Der Actionfilm ist seit den 1960er-Jahren ein eigenständiges Filmgenre, doch seine Konventionen sind bereits seit dem Beginn der Filmgeschichte bekannt. Künstler aus dem Vaudeville wie Buster Keaton oder Harold Lloyd ließen ihr Können in artistischer Bewegung in Verbindung mit Tricktechnik in ihr Filmschaffen einfließen. Harry Piel drehte damals in Deutschland eine Reihe von „Sensationsfilmen“ mit spektakulären Stunts. Der deutsche Filmkritiker Joe Hembus stellte fest, schon Der große Eisenbahnraub (1903) enthalte „Überfall, Verfolgung, Showdown, ausgeschmückt mit Mord, Terror, Brutalitäten, Humor, unter Einsatz von schnellen Transportmitteln.“ Der erste richtige Film der Filmgeschichte sei ein Actionfilm und handle von Verbrechen und Verbrechern, auch darin weise der Film der zukünftigen Entwicklung seiner Kunst den Weg. In den 1930er Jahren entstanden in den Vereinigten Staaten Serials, kurze Episodenfilme mit rund 20–30 Minuten Länge, welche vor dem eigentlichen Hauptfilm gezeigt wurden. Diese handelten oft von einem Helden, welcher sich in einer Western- oder Space-Opera-Umgebung physischen Herausforderungen gegenübersah. Das Serial Ace Drummond von 1936 enthielt bereits alles, was später Bestandteil des späteren Actionkinos werden sollte: Nahkämpfe, Schießereien, Verfolgungsjagden, mehrere Flugzeugabstürze sowie (einfache) Spezialeffekte.
Der Actionfilm als eigenes Genre hat seinen Ursprung im Kriminalfilm, in dem in den 1950er-Jahren Aktion und explizite Darstellung von physischer Gewalt zunehmend an Bedeutung gewann, etwa in Stanley Kubricks Die Rechnung ging nicht auf (1956). Auch in vielen Western spielten Verfolgungsjagden (meist zu Pferde) und Schießereien ein wichtiges Handlungselement. Alfred Hitchcock präsentierte in Der unsichtbare Dritte (1959) erstmals eine geschlossene filmische Welt, die ausschließlich als Herausforderung für die physische Aktion der Hauptfigur dient. Dieses Konzept der geschlossenen Actionwelt, die rein zum Ausleben von Körperakrobatik und zur Demonstration spektakulärer Gewaltanwendungstechniken existiert, bereitete den Weg für die Filme der James-Bond-Reihe und Fernsehserien wie Kobra, übernehmen Sie. Dieser von realistischer Darstellung und moralischer Wertung weit entfernten Illusionstendenz stehen die Regisseure der Bewegung des New Hollywood gegenüber, die in offener Form Aktion und Gewaltanwendung inszenierten. Sie reagierten auf gesellschaftliche und politische Entwicklungen wie die Protestbewegung und den Vietnamkrieg und suchten den Kontext der Darstellung zu Fragen der Moral, etwa zu den Folgen von Gewaltanwendung auf den menschlichen Körper. Beispiele für diese realistischere und ernüchternde Herangehensweise sind Arthur Penns Bonnie und Clyde (1967) und Sam Peckinpahs The Wild Bunch – Sie kannten kein Gesetz (1969).
Autor Harvey O’Brien teilte die Geschichte des Actionfilms in vier Phasen ein: Die Frühphase, die klassische, die postklassische und die neoklassische Phase. Zu typischen Elementen der Frühphase zählt O’Brien die Figur des Vigilanten, wie er beispielsweise von Dirty Harry verkörpert wird. Des Weiteren stellt er einen Fokus auf Autoverfolgungsjagden, wie in The French Connection fest, die bis hin zu einer „Fusion aus Mensch und Maschine“ (Mad Max 2) reicht. Mit den Bruce-Lee-Filmen fand eine Ära der Überbetonung physischer Kräfte und des Körperkultes im Actionfilm ihren Anfang. Stilmittel wie Zeitlupe und Tonverfremdungen führten zur Entwicklung und Definition des Subgenres des Martial-Arts-Films. In den 1980er Jahren beherrschte der Actionfilm das Mainstreamkino mit Stars wie Arnold Schwarzenegger und Sylvester Stallone, die durch Bodybuilding den Körperkult auf einen Höhepunkt führten. Ein treibender Produzent dieser Ära war das Filmstudio Cannon Films, welches gering budgetierte Filme um Schauspieler wie Chuck Norris, Michael Dudikoff oder Charles Bronson produzierte. Neben wenigen humorvollen Verfilmungen wie Indiana Jones beherrschten überwiegend reaktionäre Themen wie Rachephantasien und das stereotype Aufbauen von Feindbildern das Actionkino. Die klassische Phase des Actionsfilms hatte ihren Höhepunkt in den 1980er Jahren mit Filmen wie Phantom-Kommando oder dem ersten Teil von Stirb Langsam. Jene Filme folgten häufig einem Handlungsmuster von drei Akten, welche sich mit den Schlagworten Überleben – Widerstand – Rache beschreiben lassen. Die Schusswaffe gewann eine höhere Gewichtung gegenüber dem Auto. In den 1990er Jahren wurde das Genre zunehmend ironisiert und spiegelte sich selbst, etwa in Filmen wie Last Action Hero (John McTiernan, 1993) und True Lies (James Cameron, 1994). McTiernans Stirb-langsam-Reihe (1988 bis 2013) brach ebenfalls ironisch mit dem Heldenbild des Actionfilms und ließ ihren Protagonisten, dargestellt von Bruce Willis, entmystifiziert als leidensfähigen Jedermann gegen das Böse siegen. Diese postklassische Phase nach dem Ende des Kalten Krieges kennzeichnete sich durch einen weniger offenen Maskulinismus aus, stattdessen gewannen Spezialeffekte und in Anlehnung an das Hong-Kong-Kino, Martial Arts und Zweikampftechniken an Bedeutung. Stars wie Jackie Chan vereinnahmten den Stunt als Teil der künstlerischen Darstellung und zogen einen Teil ihrer Popularität aus der Tatsache, auch gefährliche Action grundsätzlich selbst zu bewerkstelligen. Mit The Rock – Fels der Entscheidung oder Con Air wurden für das Action-Genre relativ anspruchsvolle Werke geschaffen, die sich vom aufkommenden Direct-to-Video-Billigtrend abhoben.
O’Brien beschreibt den 11. September 2001 und die darauf folgenden Kriege in Afghanistan und Irak als weiteren Wendepunkt und Beginn der neoklassischen Phase des Actionfilmes. Insbesondere der zweite Krieg erschütterte das bisherige Bild der USA als die „Guten“ in der Bevölkerung. Dies hatte auch Auswirkungen auf den Film, wo zusehends ein Verschwimmen des bisherigen klaren Gut-Böse-Dualismus auftrat. Gleichzeitig wurden Motive aus der Frühphase des Actionsfilms wie Rache und Selbstjustiz, beispielsweise in dem Kill-Bill-Zweiteiler, wiederbelebt. Zudem gewannen ab den mittleren 1990ern aufwendige digitale Spezialeffekte und Stunts gegenüber einfachen Kämpfen und Schusswechseln an Bedeutung, z. B. in der Mission-Impossible-Reihe mit Tom Cruise oder xXx – Triple X mit Vin Diesel. Viele Elemente des Actionfilms wurden bereits Ende der 1970er in der mit Krieg der Sterne beginnenden ersten Trilogie von Star Wars und in etwas geringerem Maße auch Star Trek in die Science-Fiction übernommen. Ab 2000 wurde der Superheldenfilm erneut populär, welcher durch das Batman-Reboot oder Marvels Avengers, die mit enormen tricktechnischen und finanziellen Mitteln produziert wurden. Spätestens in den 2010ern verschwanden klassische Actionfilme als Blockbuster weitgehend aus dem Kino, und Fortsetzungen wie Stirb Langsam 5 oder dem nachempfundene Filme wie White House Down waren nur durchschnittlich erfolgreich. Eine Ausnahme stellt aber z. B. die The-Expendables-Trilogie dar, die als Ensemble-Filme um die populären Schauspieler Schwarzenegger, Stallone, Willis, Jason Statham, Dolph Lundgren und andere als eine Art Hommage inszeniert wurde. Rebecca Rubin von Variety schrieb in einem Review zu Michael Bays Ambulance (2022), der Abstieg des traditionellen Actionfilms hänge zusammen mit dem Aufkommen von Streamingdiensten wie Netflix und damit veränderten Sehgewohnheiten des Publikums, gleichzeitig verabschieden sich Szenegrößen wie Ford, Stallone und Willis zusehends in den Ruhestand. Ab den 2010ern kamen vermehrt von inhaltlich anspruchsvollen Arthouse und Noir beeinflusste Blockbuster ins Kino. In diesen Filmen wurden metaphysische und (pseudo)philosophische Gedankenstränge und nichtlineare und teils surreale Handlungen mit aufwendig choreografierten Actionfilmen kombiniert. Im Arthouse Action dominieren düstere Grundtöne. Insbesondere die Werke von Christopher Nolan (z. B. Inception, Tenet) sind hier zu nennen. Auch James Bond 007: Keine Zeit zu sterben wurde als Mischung von Arthouse und Action bezeichnet.
Weibliche Hauptfiguren waren bis Ende der 1990er Jahre selten, eine Ausnahme stellten aber die von Sigourney Weaver verkörperte Ellen Ripley der Alien-Reihe und die von Linda Hamilton verkörperte Sarah Connor in Terminator dar. Später folgten Brigitte Nielsen (Red Sonja), Kate Beckinsale (Underworld), Uma Thurman (Kill Bill), Michelle Rodriguez (SWAT - Die Spezialeinheit) oder Halle Berry (Catwoman), welche meist Seite an Seite mit einem männlichen Filmpartner agierten. Mit Wonder Woman (Gal Gadot) oder Rogue One (Felicity Jones) wurden weitere Heldinnen geschaffen.
Neben den in Hollywood produzierten Actionfilmen konnten sich international nur wenige Produktionen behaupten. In den 1970er Jahren waren Martial-Arts-Filme, welche überwiegend in Hongkong entstanden, populär. Zeitgleich entstanden mit dem Hongkong-Film relativ actiongeladene Spielarten des Polizeifilms. Ein bekannter Regisseur des Hongkong-Films ist John Woo (City Wolf, Bullet in the Head), welcher Elemente des Hongkong-Filmes nach Hollywood brachte und dort durch Filme wie Operation: Broken Arrow und Im Körper des Feindes (jeweils mit John Travolta) weltweite Erfolge erzielte. In Europa zählt neben Großbritannien Frankreich zu einem der Zentren des Actionfilms. Der Regisseur Luc Besson erreichte mit Nikita, Léon – Der Profi (jeweils mit Jean Reno) und Das fünfte Element internationale Erfolge. Ebenfalls in Frankreich entstand die Transporter-Reihe mit Jason Statham. Zu den wenigen erfolgreichen deutschen Actionfilmen zählt Lola rennt (2001). In der Stadt Kampala in Uganda werden in den Filmstudios von Wakaliwood unter einfachsten Bedingungen Filme wie Who Killed Captain Alex? gedreht, deren Mittel in der Regel nur wenige hundert Euro betragen, die sich aber im Lande einer hohen Beliebtheit erfreuen. Der Besitzer von Wakaliwood, Isaac G. Nabwana, wird dort als Ugandas Tarantino bezeichnet.
Die Bewegung, Grundmotiv des Films, dient im Actionfilm in erster Linie Schauzwecken und hat weniger erzählerische Funktionen. Oft werden im Actionfilm in der Art einer Nummernrevue geschlossene Sequenzeinheiten aneinandergereiht, die der Zurschaustellung unterschiedlichster bewegungsgetriebener Konflikt- oder Duellsituationen dienen, etwa Shootouts, Verfolgungsjagden, Körperkämpfe oder Explosionen. Subjekte der Aktion sind speziell im US-amerikanischen Actionfilm häufig sich verfolgende Fahrzeuge, etwa in Brennpunkt Brooklyn (William Friedkin, 1971), Bullitt (Peter Yates, 1968) oder Dirty Harry (Don Siegel, 1971). Der dargestellten Gewalt wird häufig der Realitätsbezug genommen. Filmische Mittel wie Konvergenzmontage und Parallelmontage strukturieren diese Nummern, etwa um einen Spannungsbogen in einer Last-Minute-Rescue aufzulösen. In den Plots geht es meist um den Kampf zwischen Gut und Böse, die Identifikationsfigur ist häufig ein physisch starker männlicher Held (oder ein weiblicher, siehe beispielsweise Lara Croft), der in der Regel eindeutige Prinzipien vertritt, die den ethischen und weltanschaulichen Grundlagen der westlichen Kultur entsprechen (Gut gegen Böse, Beschützen der Schwachen, Gerechtigkeit, Sühne für erlittenes Unrecht, Verteidigung, Bewahrung der vertrauten Lebensweise usw.). Häufig fließen erzählerische Elemente aus verwandten Genres in den Actionfilm ein, unter anderem aus dem Abenteuerfilm, dem Kriegsfilm, dem Kriminalfilm, dem Psychothriller, dem Horrorfilm und dem Science-Fiction-Film.
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Al Pacino
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Alfredo James „Al“ Pacino (* 25. April 1940 in New York City) ist ein US-amerikanischer Schauspieler, Filmregisseur und Filmproduzent. Ab den 1970er-Jahren war er in zahlreichen Filmklassikern zu sehen; er gilt als herausragender Charakterdarsteller des zeitgenössischen amerikanischen Films und Theaters. Im Laufe seiner Karriere wurde er unter anderem mit dem Oscar, dem Golden Globe Award, dem Tony Award und der National Medal of Arts ausgezeichnet. Seine bekanntesten Rollen sind Michael Corleone in der von Francis Ford Coppola inszenierten Der-Pate-Trilogie, der idealistische Polizist Frank Serpico in Serpico, der gescheiterte Bankräuber Sonny Wortzik in Hundstage, der Gangster Tony Montana in Scarface, der blinde Oberstleutnant a. D. Frank Slade in Der Duft der Frauen und Lt. Vincent Hanna in Heat.
Al Pacino, geboren 1940 in East Harlem, ist der Sohn von Salvatore Pacino (1922–2005) und von Rose Gerardi (1918–1962), der Tochter eines italienischen Einwanderers und einer italienisch-amerikanischen Mutter, die in New York geboren wurde. Seine Eltern ließen sich scheiden, als er zwei Jahre alt war. Nach der Scheidung zogen Al und seine Mutter in die Bronx, und Pacino wuchs bei seinen sizilianischen Großeltern, die aus der Heimatstadt seines Vaters eingewandert waren, in der South Bronx auf. Sein Vater Salvatore, der nach Covina zog, arbeitete als Versicherungsagent und war Eigentümer des Restaurants Pacino’s Lounge, das in den wirtschaftlich schweren Zeiten der frühen 1990er Jahre geschlossen wurde; heute trägt es den Namen Citrus Grill. Al Pacino ist der Stiefsohn der Schauspielerin und Maskenbildnerin Katherin Kovin-Pacino und hat vier Schwestern: eine Lehrerin, Zwillinge und eine weitere, die sein Vater in seiner vierten Ehe adoptierte.
Pacino interessierte sich schon früh für die Schauspielerei. Mit 17 Jahren verließ er die Schule und ging auf die Manhattan School of Performing Arts. Nebenher arbeitete er in kleineren Theatern als Platzanweiser und Kartenabreißer. Er verfeinerte sein Talent an zwei renommierten New Yorker Schauspielschulen, in Herbert Berghofs HB Studio und später bei Lee Strasberg im Actors Studio. Dort hatte er mehrere Auftritte in erfolgreichen Theaterstücken, wie z. B. bei seinem Debüt in The Connection. Für seine Rolle in dem Stück The Indian Wants the Bronx wurde er mit einem Obie Award ausgezeichnet.
Pacino wurde bei einem Off-Broadway-Auftritt vom späteren Filmproduzenten Martin Bregman entdeckt. 1969 wirkte er in seiner ersten Hollywood-Produktion Ich, Natalie mit. 1971 erhielt er neben Kitty Winn eine Rolle in dem Film Panik im Needle Park. Regisseur Francis Ford Coppola erkannte sein Talent und besetzte ihn gegen den Willen des Produzenten Robert Evans als Michael Corleone in Der Pate (1972). Evans, der Pacino sofort wieder loswerden wollte, weigerte sich sogar, dessen Namen auszusprechen. Doch der Film wurde zum Erfolg, Pacino wurde zum Weltstar und sein Stil von vielen Nachwuchsdarstellern intensiv studiert. Außerdem brachte ihm die Rolle 1973 seine erste Oscar-Nominierung ein. Nach Hundstage wurde es stiller um Pacino. Erst in den 1980er Jahren brachte er sich durch Filme wie Brian De Palmas Scarface (1983) und Sea of Love – Melodie des Todes (1989) wieder ins Gespräch. Nach einer erneuten Zusammenarbeit mit Coppola in Der Pate III (1990) und Brian De Palmas Gangsterfilm Carlito’s Way folgte der Thriller Heat (1995) mit Schauspielkollege Robert De Niro. Die männliche Hauptrolle in Pretty Woman lehnte er ab. Seine Darstellung des AIDS-kranken Schwulenhassers Roy Cohn in der Miniserie Engel in Amerika (2003) brachte ihm zahlreiche Preise ein und wurde von der Kritik hoch gelobt. Pacino ist dafür bekannt, seine Rollen bis zum Äußersten auszufüllen. Während sein Spiel in den 1970er Jahren – insbesondere in Der Pate – dabei zumeist minimalistisch und zurückhaltend war, änderte sich dies mit seinem Comeback in den 1980er Jahren radikal: Pacinos exaltierte Darstellungen in Filmen wie Scarface, Im Auftrag des Teufels, An jedem verdammten Sonntag oder auch Der Duft der Frauen wurden von der Kritik gern als Overacting bezeichnet. Für einen Großteil des Publikums etablierte er sich aber gerade dadurch als einer der größten Charakterdarsteller der Gegenwart und wurde für Der Duft der Frauen unter anderem mit einem Oscar als bester Hauptdarsteller geehrt. Eine Vielzahl seiner Filme, darunter selbst solche wie Glengarry Glen Ross, der zunächst im Kino floppte, zählen heute zu den besten ihrer Genres.
Neben seiner Karriere als Filmschauspieler arbeitet er weiterhin regelmäßig an verschiedenen Theatern – sowohl als Darsteller wie auch als Regisseur und Produzent. Für seine Rollen in den Bühneninszenierungen von The Basic Training Of Pavlo Hummel von David Rabe und Does A Tiger Wear A Necktie? von Don Petersen erhielt er jeweils einen Tony Award. Als langjähriges Mitglied von David Wheelers Experimental Theatre Company in Boston stand er unter anderem in Richard III. und Bertolt Brechts Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui auf der Bühne. In New York und London spielte Pacino in David Mamets American Buffalo, in New York war er der Titelheld in Richard III. und spielte den Mark Anton in Julius Cäsar. Außerdem stand er im Square Theatre in New York in Oscar Wildes Salome auf der Bühne und wirkte in der Uraufführung von Ira Levins Theaterstück Chinese Coffee mit. 1996 inszenierte er in New York Eugene O’Neills Zwei-Personen-Stück Hughie, in dem er auch die Titelrolle spielte. In der Theatersaison 2010/2011 spielte Pacino in der Shakespeare-in-the-Park-Produktion Der Kaufmann von Venedig den Shylock. 2012 sah man ihn am Broadway in einer Inszenierung von David Mamets Glengarry Glen Ross, wobei er anders als in der Verfilmung nicht den erfolgreichen Makler Ricky Roma verkörperte, sondern den alternden Verlierertyp Shelly (im Film gespielt von Jack Lemmon). Drei Jahre später stand Pacino am Broadway erneut in einem Mamet-Stück auf der Bühne: in dem Ein-Mann-Stück China Doll spielte er einen reichen Unternehmer, dem seine junge Frau davongelaufen ist.
Pacinos erstes eigenständiges Projekt war 1996 Looking for Richard, eine dokumentarische und künstlerische Filmstudie über die Titelfigur von Shakespeares Richard III., bei dem er Regie führte, die Produktion übernahm, das Drehbuch schrieb und die Hauptrolle spielte. Pacino war auch Produzent, Hauptdarsteller und Koautor des Independent-Kurzfilms The Local Stigmatic, einer Verfilmung des gleichnamigen Theaterstücks von Heathcote Williams, das sowohl im New Yorker Museum of Modern Art als auch im Public Theatre aufgeführt wurde. Mitte Oktober 2024 veröffentlichte er mit Sonny Boy. A Memoir eine Autobiografie.
Al Pacino war insgesamt neun Mal für einen Oscar nominiert, womit er als Darsteller hinter Laurence Olivier und Jack Nicholson auf Platz 3 der meistnominierten männlichen Oscar-Kandidaten steht. Seine erste Nominierung erhielt er 1973 für seine Rolle des Michael Corleone in Der Pate von Francis Ford Coppola. Danach folgten Nominierungen für … und Gerechtigkeit für alle, Der Pate – Teil II, Hundstage, Serpico, Dick Tracy, Glengarry Glen Ross und The Irishman. 1993 wurde er schließlich für seine Rolle als Lt. Colonel Frank Slade in Der Duft der Frauen mit dem Oscar ausgezeichnet. Im Jahr 1994 wurde ihm bei den Filmfestspielen von Venedig der Goldene Löwe für sein Lebenswerk verliehen. Am 7. Juni 2007 erhielt er im Kodak Theatre in Los Angeles den AFI Life Achievement Award des American Film Institute für sein Lebenswerk. Am 4. September 2011 erhielt er den „Jaeger-LeCoultre Glory to the Filmmaker Award“. Der Preis ehrt bei den Filmfestspielen von Venedig alljährlich die Arbeit eines bemerkenswerten zeitgenössischen Filmschaffenden. Zusammen mit Ellen Burstyn und Harvey Keitel sitzt Pacino im Präsidium des Actors Studio.
Bis in die 1980er Jahre war Pacino mit Marthe Keller liiert, mit der er sieben Jahre zusammenlebte. Er hat vier Kinder. Seine älteste Tochter (geboren 1989) hat er mit der Tänzerin Jan Tarrant, mit der Schauspielerin Beverly D’Angelo hat er Zwillinge (geboren 2001).
* 1996: Al Pacino’s Looking for Richard (Looking for Richard) * 2000: Chinese Coffee * 2011: Wilde Salomé (Dokumentarfilm)
* 1990: The Local Stigmatic (Kurzfilm) * 1996: Al Pacino’s Looking for Richard (Looking for Richard) * 2014: Der letzte Akt (The Humbling)
* 1996: Al Pacino’s Looking for Richard (Looking for Richard) * 2011: Wilde Salomé (Dokumentarfilm)
Al Pacino wurde im Lauf der Jahrzehnte von verschiedenen deutschen Sprechern synchronisiert. Im ersten Jahrzehnt seiner Karriere wurde er, in der Regel, von Lutz Mackensy gesprochen (u. a. Der Pate I und II, Serpico, Hundstage). Mit Scarface (1983) übernahm Frank Glaubrecht die Synchronisation des Schauspielers. Seit 1999 ist Glaubrecht alleiniger Sprecher (Heat, City Hall, Insomnia etc.) und er kann mittlerweile als Pacinos Standardstimme bezeichnet werden. In den 1990er Jahren wurde Pacino auch mehrmals von Klaus Kindler gesprochen (Frankie & Johnny, Der Duft der Frauen, Glengarry Glen Ross, Carlito’s Way, Donnie Brasco), weitere Synchronsprecher waren Jürgen Clausen (Asphalt-Blüten), Arne Elsholtz (Cruising), Gottfried Kramer (Der Pate III) und Joachim Kemmer (Dick Tracy).
* 1973: Nominierung als bester Nebendarsteller für Der Pate * 1974: Nominierung als bester Hauptdarsteller für Serpico * 1975: Nominierung als bester Hauptdarsteller für Der Pate – Teil II * 1976: Nominierung als bester Hauptdarsteller für Hundstage * 1980: Nominierung als bester Hauptdarsteller für … und Gerechtigkeit für alle * 1991: Nominierung als bester Nebendarsteller für Dick Tracy * 1993: Bester Hauptdarsteller für Der Duft der Frauen * 1993: Nominierung als bester Nebendarsteller für Glengarry Glen Ross * 2020: Nominierung als bester Nebendarsteller für The Irishman * 1973: Nominierung als bester Hauptdarsteller – Drama für Der Pate * 1974: Bester Hauptdarsteller – Drama für Serpico * 1975: Nominierung als bester Hauptdarsteller – Drama für Der Pate – Teil II * 1976: Nominierung als bester Hauptdarsteller – Drama für Hundstage * 1978: Nominierung als bester Hauptdarsteller – Drama für Bobby Deerfield * 1980: Nominierung als bester Hauptdarsteller – Drama für … und Gerechtigkeit für alle * 1983: Nominierung als bester Hauptdarsteller – Komödie oder Musical für Daddy! Daddy! Fünf Nervensägen und ein Vater * 1984: Nominierung als bester Hauptdarsteller – Drama für Scarface * 1990: Nominierung als bester Hauptdarsteller – Drama für Sea of Love – Melodie des Todes * 1991: Nominierung als bester Hauptdarsteller – Drama für Der Pate III * 1991: Nominierung als bester Nebendarsteller für Dick Tracy * 1993: Bester Hauptdarsteller – Drama für Der Duft der Frauen * 1993: Nominierung als bester Nebendarsteller für Glengarry Glen Ross * 2001: Cecil B. DeMille Award für sein Lebenswerk * 2004: Bester Hauptdarsteller – Mini-Serie oder TV-Film für Engel in Amerika * 2011: Bester Hauptdarsteller – Mini-Serie oder TV-Film für Ein Leben für den Tod * 2016: Nominierung als bester Hauptdarsteller – Komödie oder Musical für Danny Collins * 2020: Nominierung als bester Nebendarsteller für The Irishman British Academy Film Award * 1973: Nominierung als bester Nachwuchsdarsteller für Der Pate * 1975: Nominierung als bester Hauptdarsteller für Serpico * 1976: Bester Hauptdarsteller für Der Pate – Teil II und Hundstage * 1991: Nominierung als bester Nebendarsteller für Dick Tracy * 2020: Nominierung als bester Nebendarsteller für The Irishman National Board of Review * 1973: Bester Nebendarsteller für Der Pate * 1974: Bester Hauptdarsteller für Serpico * 2004: Bester Hauptdarsteller – Mini-Serie oder TV-Film für Engel in Amerika * 2010: Bester Hauptdarsteller – Mini-Serie oder TV-Film für Ein Leben für den Tod * 2013: Nominierung als bester Hauptdarsteller – Mini-Serie oder TV-Film für Der Fall Phil Spector Screen Actors Guild Award * 2004: Bester Darsteller – Mini-Serie oder TV-Film für Engel in Amerika * 2010: Bester Darsteller – Mini-Serie oder TV-Film für Ein Leben für den Tod National Society of Film Critics * 1973: Bester Hauptdarsteller für Der Pate American Film Institute * 2007: AFI Life Achievement Award * 1986: Nominierung als schlechtester Schauspieler für Revolution * 2004: Nominierung als schlechtester Nebendarsteller für Gigli * 2009: Nominierung als schlechtester Schauspieler für 88 Minutes und Righteous Kill * 2012: Schlechtester Nebendarsteller für Jack und Jill * 2012: Schlechtestes Leinwandpaar (Adam Sandler und entweder Katie Holmes, Al Pacino oder Adam Sandler) für Jack und Jill * 2013: Auszeichnung in der Kategorie Lebenswerk international Filmfestspiele von Venedig * 1994: Goldener Löwe für sein Lebenswerk * 2011: Jaeger-LeCoultre Glory to the Filmmaker Award * 2011: Queer Lion für Wilde Salomé
* Sonny Boy: A Memoir. Penguin Press, New York, 2024, ISBN 978-0-593-65511-5. ** Sonny Boy: Mein Leben. Übersetzt von Stephan Kleiner, Piper, München, 2024, ISBN 978-3-492-07310-3.
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The Visitors
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The Visitors ist das achte Studioalbum der schwedischen Popgruppe ABBA. Es wurde am 30. November 1981 in Schweden veröffentlicht. Die Aufnahmen im Studio dauerten von März bis November 1981. Etwa gleichzeitig mit der LP wurde One of Us als Single herausgegeben und, bis zum Comeback 2021 zum letzten internationalen Charterfolg der Gruppe, während die nachfolgende Singleauskopplung Head over Heels floppte. The Visitors war zudem die erste veröffentlichte Audio-CD der Musikgeschichte und wurde am 17. August 1982 vorgestellt. Im Vergleich zu den Vorgängeralben von ABBA weist dieses einige musikalische Eigenheiten auf, die zuvor in den Produktionen der Gruppe kaum Anwendung fanden. So wird kein einziges Stück auf der gesamten LP von den beiden ABBA-Sängerinnen Agnetha Fältskog und Anni-Frid Lyngstad durchgehend gemeinsam gesungen. Die Lead Vocals wurden in jedem der neun Lieder auf eine der beiden aufgeteilt. Zudem wurden viele Elemente, die bis dato charakteristisch für die Musik der Gruppe gewesen waren, durch neue ersetzt. So handeln die Texte von Trennung, Abschiedsschmerz und Kriegsangst.
Benny Andersson und Björn Ulvaeus begannen im Februar 1981 mit dem Komponieren für ein neues Studioalbum. Die am 12. Februar 1981 öffentlich bekannt gegebene Scheidung der beiden ABBA-Mitglieder Andersson und Lyngstad überschattete dabei die Arbeit innerhalb der Band. Die Aufnahmen für drei neue Stücke begannen am 16. März 1981 in den Polar Music Studios in Stockholm. Darunter befand sich mit When All Is Said and Done eine Pop-Ballade, deren Text von einer zerbrochenen Beziehung handelt und sich auf die Trennung von Lyngstad und Andersson beziehen sollte. Dementsprechend übernahm Lyngstad die Lead Vocals und ließ in ihre stimmliche Darbietung auch die emotionalen Aspekte mit einfließen, die angesichts ihrer damaligen Privatsituation gegeben waren. Auch Slipping Through My Fingers gehörte zu den ersten drei eingespielten Songs. Ulvaeus hatte die Idee für den Text, nachdem er seine Tochter Linda dabei beobachtet hatte, wie sie zur Schule ging. Er handelt von den gemischten Gefühlen der Eltern beim Heranwachsen ihrer Kinder und der damit verbundenen Einsamkeit und Nostalgie. Hier übernahm Agnetha Fältskog den Leadgesang und erzählte später, der Song habe sich „sehr echt angefühlt“. Eine symbolische Kulisse der Küche und des Frühstückstisches, die im Text des Songs vorkommen, befindet sich heute im ABBA-Museum auf Djurgården in Stockholm. Ein weiterer Song, dessen Grundspuren im März 1981 eingespielt wurde, war Two for the Price of One, bei dem zur Abwechslung Ulvaeus den Hauptgesang übernahm. Dieser meinte später, der Song hätte trotz des trivialen Textes ein Hit werden können, hätten Fältskog und Lyngstad die Lead Vocals gesungen. Zwischen 27. und 29. April 1981 wurden Slipping Through My Fingers und Two for the Price of One für das Fernsehspecial Dick Cavett Meets ABBA live aufgezeichnet, neben Darbietungen einiger älterer ABBA-Songs. Am 26. Mai wurde ein erster Versuch unternommen, Like an Angel Passing Through My Room aufzunehmen. Diese erste Demoversion trug den Arbeitstitel Twinkle Twinkle Little Star und wurde von Ulvaeus gesungen. Eine weitere Alternative zur selben Melodie entstand mit Another Morning Without You, bei der Lyngstad solo sang. Bis zum Ende der Aufnahmesessions wurden weitere Varianten mit verschiedenen Instrumentierungen und Lead Vocals ausprobiert. Eine Version, die beide ABBA-Sängerinnen beinhaltete, wurde später verworfen und durch eine Variante ersetzt, in der Lyngstad vollständig alleine singt. Für die Deluxe Edition des Albums wurde 2012 ein neun-minütiges Medley zusammengestellt, das die Entstehung von Like an Angel Passing Through My Room über mehrere Alternativversionen dokumentiert. Am 2. September 1981 war Aufnahmebeginn für I Let the Music Speak und Head over Heels. Besonders bei letzterem hatten die Musiker Probleme. Da die neue digitale Studiotechnik sehr präzise arbeitete, konnte Toningenieur Michael B. Tretow nur noch mäßig mit Verzögerung und Verschiebung der Spuren experimentieren, was die Aufnahmen „trockener“ und „kälter“ wirken ließ. Währenddessen zeugte I Let the Music Speak wieder einmal von den Ambitionen der beiden Komponisten, ein Musical zu schreiben. Parallel wurde Should I Laugh or Cry produziert, das später nicht auf der Titelliste des Albums erschien, weil es als „nicht stimmig genug“ angesehen wurde. Stattdessen wurde es im Dezember 1981 als B-Seite veröffentlicht. Am 15. Oktober 1981 gingen die Aufnahmen mit Soldiers, One of Us und das für das Album namensgebende Lied The Visitors zu Ende. Der Text des ersteren handelte in Zusammenhang mit dem Kalten Krieg von Kriegsangst und der Furcht vor einer möglichen neuen faschistischen Bewegung. Der Titelsong wurde ab 22. Oktober 1981 aufgenommen. Der Text von The Visitors handelt von Überwachung und Besuchen der Sicherheitspolizei bei Dissidenten in der Sowjetunion. Mitte November waren die Aufnahmen und Nachbearbeitungen von allen Songs abgeschlossen.
Das Frontcover wurde von Rune Söderqvist zusammen mit dem Fotografen Lars Larsson entworfen. Söderqvist stellte die Gruppe im kalten, ungeheizten Atelier des Malers Julius Kronberg im Freilichtmuseum Skansen, Stockholm, in einer düsteren Stimmung dar. Im Hintergrund hing ein großes Gemälde von Julius Kronberg, das den griechischen Gott Eros darstellt. Das Cover zeigte die Gruppe zum ersten Mal nicht mehr als Gemeinschaft, sondern jedes Mitglied für sich allein. Diese düstere Stimmung innerhalb der Gruppe spiegelte sich sowohl in den Melodien als auch in den Texten vieler Songs wider. Das Cover ist laut The Making of The Visitors auch das Resultat einer gewissen Erschöpfung aufgrund des jahrelangen Zusammenseins als Gruppe.
# The Visitors (Crackin’ Up) # When All Is Said and Done # I Let the Music Speak # Two for the Price of One # Slipping Through My Fingers # Like an Angel Passing Through My Room
# Should I Laugh or Cry # The Day Before You Came
# From a Twinkling Star to a Passing Angel (Demo-Medley)
* John Tobler: ABBA Gold. Die Erfolgsstory. Königswinter: Heel-Verlag, 1994, S. 98–101
* Carl Magnus Palm: Licht und Schatten. ABBA – Die wahre Geschichte. Bosworth Edition, 2006, Paperback-Ausgabe, 638 Seiten. ISBN 3-86543-100-3 * Carl Magnus Palm: Abba – Story und Songs kompakt. Bosworth Edition, 2007, 156 Seiten. ISBN 978-3-86543-227-8 * Jan Gradvall, Petter Karlsson: ABBA – Die ganze Geschichte in 600 Bildern. G+J NG Buchgesellschaft mbH, Hamburg 2014, 400 Seiten. ISBN 978-3-86690-404-0
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Aluminium
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Aluminium ist ein chemisches Element mit dem Elementsymbol Al und der Ordnungszahl 13. Im Periodensystem gehört Aluminium zur dritten Hauptgruppe und zur 13. IUPAC-Gruppe, der Borgruppe, die früher als Gruppe der Erdmetalle bezeichnet wurde. Es gibt zahlreiche Aluminiumverbindungen. Aluminium ist ein silbrig-weißes Leichtmetall. In der Erdhülle ist es, nach Sauerstoff und Silicium, das dritthäufigste Element und in der Erdkruste das häufigste Metall. In der Werkstofftechnik werden mit „Aluminium“ alle Werkstoffe auf Basis des Elementes Aluminium verstanden. Dazu zählt Reinaluminium (mindestens 99,0 % Al), Reinstaluminium (min 99,7 % Al) und insbesondere die Aluminiumlegierungen, die bis zu mit Stahl vergleichbare Festigkeiten besitzen – bei nur einem Drittel seiner Dichte. Entdeckt wurde Aluminium, das in der Natur fast ausschließlich in Form von chemischen Verbindungen vorkommt, im frühen 19. Jahrhundert. Im frühen 20. Jahrhundert setzte die industrielle Massenproduktion ein. Die Gewinnung erfolgt in Aluminiumhütten ausgehend von dem Mineral Bauxit zunächst im Bayer-Verfahren, mit dem Aluminiumoxid gewonnen wird, und anschließend im Hall-Héroult-Prozess einer Schmelzflusselektrolyse, bei der Aluminium gewonnen wird. 2016 wurden weltweit 115 Mio. Tonnen Aluminiumoxid (Al2O3) produziert. Daraus hat man 54,6 Mio. Tonnen Primäraluminium gewonnen. Das Metall ist sehr unedel und reagiert an frisch angeschnittenen Stellen bei Raumtemperatur mit Luft und Wasser zu Aluminiumoxid. Dies bildet aber sofort eine dünne, für Luft und Wasser undurchlässige Schicht (Passivierung) und schützt so das Aluminium vor Korrosion. Reines Aluminium weist eine geringe Festigkeit auf; bei Legierungen ist sie deutlich höher. Die elektrische und thermische Leitfähigkeit ist hoch, weshalb Aluminium für leichte Kabel und Wärmetauscher verwendet wird. Eines der bekanntesten Produkte ist Alufolie. Weitere sind Bauteile in Fahrzeugen und Maschinen, elektrische Leitungen, Rohre, Dosen und Haushaltsgegenstände. Das Aluminiumrecycling erreicht weltweit Raten von etwa 40 %.
1782 vermutete Lavoisier als erster, dass es sich bei der 1754 von Marggraf aus einer Alaunlösung gewonnenen Alaunerde (alumina, abgeleitet von lateinisch ‚Alaun‘) um das Oxid eines bislang unbekannten Elements handle. Dessen Darstellung glückte schließlich 1825 dem Dänen Hans Christian Ørsted durch Reaktion von Aluminiumchlorid (AlCl3) mit Kaliumamalgam, wobei Kalium als Reduktionsmittel diente: :\mathrm{4\ AlCl_3 + 3\ K \rightarrow Al + 3\ KAlCl_4} Davy, der sich lange Zeit ebenfalls an der Darstellung des neuen Elements versucht hatte, führte ab 1807 die Namensvarianten alumium, aluminum und aluminium ein, von welchen die letzten beiden im Englischen nebeneinander fortbestehen. 1827 gelang es Friedrich Wöhler mit der gleichen Methode wie Ørsted, jedoch unter Verwendung metallischen Kaliums als Reduktionsmittel, reineres Aluminium zu gewinnen. Henri Étienne Sainte-Claire Deville verfeinerte den Wöhler-Prozess im Jahr 1846 und publizierte ihn 1859 in einem Buch. Durch diesen verbesserten Prozess stieg die Ausbeute bei der Aluminiumgewinnung, und in der Folge fiel der Preis des Aluminiums, der zuvor höher als jener von Gold gewesen war, innerhalb von zehn Jahren auf ein Zehntel. 1886 wurde unabhängig voneinander durch Charles Martin Hall und Paul Héroult das nach ihnen benannte Elektrolyseverfahren zur Herstellung von Aluminium entwickelt: der Hall-Héroult-Prozess. 1889 entwickelte Carl Josef Bayer das nach ihm benannte Bayer-Verfahren zur Isolierung von reinem Aluminiumoxid aus Bauxiten. Aluminium wird noch heute nach diesem Prinzip großtechnisch hergestellt. Am Ende des 19. Jahrhunderts stand das Metall in solchem Ansehen, dass man daraus gefertigte Metallschiffe auf den Namen Aluminia taufte.
Aluminium ist mit einem Anteil von 7,57 Gewichtsprozent nach Sauerstoff und Silicium das dritthäufigste Element der Erdkruste und damit das häufigste Metall. Allerdings kommt es aufgrund seines unedlen Charakters praktisch ausschließlich in gebundener Form vor. Trotzdem kann es in seltenen Fällen in gediegener (elementarer) Form entdeckt werden und ist deshalb auch als Mineral anerkannt. Daneben wurde bisher einmalig (Stand 2024) eine allotrope Form von Aluminium im Meteoriten Chatyrka () gefunden, die zwar ebenfalls im kubischen Kristallsystem, jedoch in einer anderen Raumgruppe kristallisiert. Diese Modifikation wurde 2014 als eigenständige Mineralart unter dem Namen Steinhardtit anerkannt. Die größte Menge befindet sich chemisch gebunden in Form von Alumosilicaten, in denen es in der Kristallstruktur die Position von Silicium in Sauerstoff-Tetraedern einnimmt. Diese Silicate sind zum Beispiel Bestandteil von Ton, Gneis und Granit. Seltener wird Aluminiumoxid in Form des Minerals Korund und seiner Varietäten Rubin (rot) und Saphir (farblos, verschiedenfarbig) gefunden. Die Farben dieser Kristalle beruhen auf Beimengungen anderer Metalloxide. Korund hat mit fast 53 % den höchsten Aluminiumanteil einer Verbindung. Einen ähnlich hohen Aluminiumanteil haben die noch selteneren Minerale Akdalait (Al10O14(OH)2; etwa 51 %), Cupalit (stoffrein CuAl rund 29,8 %) und Diaoyudaoit (NaAl11O17; etwa 50 %). Insgesamt sind bisher 1156 aluminiumhaltige Minerale bekannt (Stand: 2024). Das einzige wirtschaftlich wichtige Ausgangsmaterial für die Aluminiumproduktion ist Bauxit. Vorkommen befinden sich in Südfrankreich (Les Baux), Guinea, Bosnien und Herzegowina, Ungarn, Russland, Indien, Jamaika, Australien, Brasilien und den Vereinigten Staaten. Bauxit enthält ungefähr 60 Prozent Aluminiumhydroxid (Al(OH)3 und AlO(OH)), etwa 30 Prozent Eisenoxid (Fe2O3) und Siliciumdioxid (SiO2). Bei der Herstellung unterscheidet man Primäraluminium, auch Hüttenaluminium genannt, das aus Bauxit gewonnen wird, und Sekundäraluminium aus Aluminiumschrott. Die Wiederverwertung benötigt nur etwa 5 Prozent der Energie der Primärgewinnung.
Infolge der Affinität zu Sauerstoff kommt Aluminium in der Natur sehr selten elementar (gediegen) vor. Erstmals entdeckt wurde Aluminium 1978 durch B. V. Oleinikov, A. V. Okrugin, N. V. Leskova in Mineralproben aus der Billeekh Intrusion und dem Dyke OB-255 in der Republik Sacha (Jakutien) im russischen Föderationskreis Ferner Osten. Insgesamt sind weltweit bisher knapp 30 Vorkommen für gediegen Aluminium bekannt (Stand 2023), so unter anderem in Aserbaidschan, Bulgarien, der Volksrepublik China (Guangdong, Guizhou, Jiangsu und Tibet) und in Venezuela. Zudem konnte gediegen Aluminium in Gesteinsproben vom Mond, das die Sonde der Luna-20-Mission vom Krater Apollonius mitbrachte, nachgewiesen werden. Aufgrund der Seltenheit hat gediegen Aluminium zwar keine Bedeutung als Rohstoffquelle, als gediegen vorkommendes Element ist Aluminium dennoch von der International Mineralogical Association (IMA) als eigenständiges Mineral anerkannt (Interne Eingangs-Nr. der IMA: 1980-085a). Gemäß der Systematik der Minerale nach Strunz (9. Auflage) wird Aluminium unter der Systemnummer 1.AA.05 (Elemente – Metalle und intermetallische Verbindungen – Kupfer-Cupalit-Familie – Kupfergruppe) eingeordnet. In der veralteten 8. Auflage der Strunz’schen Mineralsystematik ist Aluminium dagegen noch nicht aufgeführt. In der zuletzt 2018 überarbeiteten Lapis-Systematik nach Stefan Weiß, die formal auf der alten Systematik von Karl Hugo Strunz in der 8. Auflage basiert, erhielt das Mineral die System- und Mineralnummer I/A.03-005. Die vorwiegend im englischsprachigen Raum verwendete Systematik der Minerale nach Dana führt das Element-Mineral unter der Systemnummer 01.01.01.05. In der Natur kommt gediegen Aluminium meist in Form körniger Mineral-Aggregate und Mikronuggets vor, kann in seltenen Fällen aber auch tafelige Kristalle bis etwa einen Millimeter Größe entwickeln. Frische Mineralproben sind von metallisch glänzender, silberweißer Farbe. An der Luft dunkeln die Oberflächen durch Oxidierung nach und wirken grau. Auf der Strichtafel hinterlässt Aluminium einen dunkelgrauen Strich. Je nach Fundort enthält Aluminium oft Fremdbeimengungen von anderen Metallen (Cu, Zn, Sn, Pb, Cd, Fe, Sb) oder tritt eingewachsen in beziehungsweise mikrokristallin verwachsen mit Hämatit, Ilmenit, Magnetit, Moissanit und Pyrit beziehungsweise Jarosit auf. Typmaterial, das heißt Mineralproben aus der Typlokalität des Minerals, wird im Geologischen Museum der Akademie der Wissenschaften in Jakutsk in der russischen Teilrepublik Sacha (Jakutien) aufbewahrt.
Ca. zwei Drittel des europäischen Aluminiumbedarfs wird durch Primäraluminium gedeckt. Primäraluminium wird elektrolytisch aus einer Aluminiumoxidschmelze hergestellt. Da diese aus den auf der Erde allgegenwärtigen Alumosilicaten nur schwer isoliert werden kann, erfolgt die großtechnische Gewinnung aus dem relativ seltenen, silikatärmeren Bauxit. Zur Gewinnung von reinem Aluminiumoxid aus Silikaten gibt es seit langem Vorschläge, deren Anwendung allerdings nicht wirtschaftlich möglich ist. Das im Erz enthaltene Aluminiumoxid/-hydroxid-Gemisch wird zunächst mit Natronlauge aufgeschlossen (Bayer-Verfahren, Rohrreaktor- oder Autoklaven-Aufschluss), um es von Fremdbestandteilen wie Eisen- und Siliciumoxid zu befreien, und wird dann überwiegend in Wirbelschichtanlagen (aber auch in Drehrohröfen) zu Aluminiumoxid (Al2O3) gebrannt. Der trockene Aufschluss (Deville-Verfahren) hat dagegen keine Bedeutung mehr. Dabei wurde feinstgemahlenes, ungereinigtes Bauxit zusammen mit Soda und Koks in Drehrohröfen bei rund 1200 °C kalziniert und das entstehende Natriumaluminat anschließend mit Natronlauge gelöst. Die Herstellung des Metalls erfolgt in Aluminiumhütten durch Schmelzflusselektrolyse von Aluminiumoxid nach dem Kryolith-Tonerde-Verfahren (Hall-Héroult-Prozess). Zur Herabsetzung des Schmelzpunktes wird das Aluminiumoxid zusammen mit Kryolith geschmolzen (Eutektikum bei 963 °C). Bei der Elektrolyse entsteht an der den Boden des Gefäßes bildenden Kathode Aluminium und an der Anode Sauerstoff, der mit dem Graphit (Kohlenstoff) der Anode zu Kohlenstoffdioxid und Kohlenstoffmonoxid reagiert. Die Graphitblöcke, welche die Anode bilden, brennen so langsam ab und werden von Zeit zu Zeit ersetzt. Die Graphitkathode (Gefäßboden) ist gegenüber Aluminium inert. Das sich am Boden sammelnde flüssige Aluminium wird mit einem Saugrohr abgesaugt. Rundbarren aus Aluminium Aufgrund der hohen Bindungsenergie durch die Dreiwertigkeit des Aluminiums und der geringen Atommasse ist der Prozess recht energieaufwendig. Pro produziertem Kilogramm Rohaluminium müssen 12,9 bis 17,7 Kilowattstunden an elektrischer Energie eingesetzt werden. Eine Reduzierung des Strombedarfs ist nur noch in geringem Ausmaß möglich, weil die Potentiale für energetische Optimierungen weitgehend erschlossen sind. Aluminiumherstellung ist daher nur wirtschaftlich, wenn billige Elektroenergie zur Verfügung steht. Die nachfolgende Tabelle zeigt die Aluminiumproduktion 2019 und 2020 und die maximal mögliche Produktionsleistung der Hüttenwerke nach Ländern.
Um Aluminium zu recyceln, werden Aluminiumschrotte und „Krätzen“ in Trommelöfen eingeschmolzen. „Krätze“ ist ein Abfallprodukt bei der Verarbeitung von Aluminium und bei der Herstellung von Sekundäraluminium. Krätze ist ein Gemisch aus Aluminiummetall und feinkörnigen Oxidpartikeln und wird beim Schmelzen von Aluminium bei 800 °C aus dem Aluminiumoxid der normalen Aluminiumkorrosion und als Oxidationsprodukt (Oxidhaut) beim Kontakt von flüssigem Aluminium mit Luftsauerstoff gebildet. Damit beim Aluminiumgießen keine Aluminiumoxidpartikel in das Gussteil gelangen, wird die Krätze durch Kratzvorrichtungen von der Oberfläche der Metallschmelze abgezogen. Um die Bildung von Krätze zu verhindern, wird die Oberfläche der Schmelze mit Halogenidsalzen (rund zwei Drittel NaCl, ein Drittel KCl und geringe Mengen Calciumfluorid CaF2) abgedeckt (siehe dazu Aluminiumrecycling). Dabei entsteht als Nebenprodukt Salzschlacke, die noch ca. 10 Prozent Aluminium enthält, die, entsprechend aufbereitet, als Rohstoff für mineralische Glasfasern dient. Allerdings wird an der Herstellung von Sekundäraluminium kritisiert, dass beim Recycling pro Tonne jeweils 300 bis 500 Kilogramm Salzschlacke, verunreinigt mit Dioxinen und Metallen, entstehen; deren mögliche Wiederverwertung ist aber Stand der Technik.
Aluminium erstarrt ausschließlich in einem kubisch flächenzentrierten Kristallgitter mit der . Der Gitterparameter beträgt bei Reinaluminium 0,4049 nm (entspricht 4,05 Å) bei 4 Formeleinheiten pro Elementarzelle. Es handelt sich hierbei um eine kubisch dichteste Kugelpackung mit insgesamt 12 Gleitsystemen, wodurch einzelne Gitterebenen unter Spannungseinwirkung vergleichsweise leicht verschoben werden können. (Zum Vergleich: Das kubisch raumzentrierte Gitter ist keine dichteste Packung und die hexagonal dichteste Kugelpackung hat nur 4 Gleitsysteme). Die leichte Verschiebbarkeit der Gitterebenen ist die Voraussetzung für eine hohe Bruchdehnung und die plastische Verformbarkeit. Die gute plastische Verformbarkeit erleichtert Verarbeitungstechniken wie Walzen, Biegen, Pressen und Extrudieren. Leerstellen kommen mit einer Dichte von 1,3 × 10−4 bei 500 °C vor, bei Raumtemperatur sind es nur noch 10−12. Durch Abschrecken können größere Leerstellendichten bei Raumtemperatur vorkommen, was für einige Eigenschaften von Aluminiumwerkstoffen von Bedeutung ist, da die Leerstellen die Diffusion begünstigen. Durch Umformen bei Raumtemperatur kann die Leerstellendichte auf 10−4 erhöht werden. Die Versetzungs dichte liegt bei 10−7, einem für Metalle typischen Bereich, und führt auch zur guten Umformbarkeit von Aluminium. Stapelfehler konnten bei Aluminium nicht nachgewiesen werden, was mit der hohen Stapelfehlerenergie von 103 bis 200 (10−7 J/cm²) erklärt wird. Dies führt dazu, dass die Festigkeitssteigerung beim Kaltwalzen und -schmieden nur gering ausfällt und manche Aluminiumwerkstoffe sogar anschließend zur Entfestigung neigen.
Mit einer Dichte von 2,6989 g/cm³ (etwa ein Drittel von Stahl) ist Aluminium ein typisches Leichtmetall, was es als Werkstoff für den Leichtbau interessant macht. Die Dichte der Legierungen weicht meist nur um etwa +3 % bis −2 % ab. Nur spezielle Legierungen mit Lithium haben eine 15 % geringere Dichte. Aluminium zählt somit zu den leichtesten Werkstoffen, übertroffen nur noch von Magnesium.
Aluminium ist ein relativ weiches und zähes Metall. Die wichtigsten mechanischen Kennwerte von Reinaluminium sind im Folgenden aufgelistet: * Zugfestigkeit: 39–117 N/mm² abhängig von mechanischer Behandlung und Reinheitsgrad * Bruchdehnung: 45–60 % abhängig von mechanischer Behandlung und Reinheitsgrad * Elastizitätsmodul: 70 000 N/mm² auch E-Modul genannt * Schubmodul: 25 000 N/mm² auch G-Modul genannt * Poissonzahl: 0,35 auch Querkontraktionszahl genannt Die Zugfestigkeit von Reinaluminium ist relativ gering, wobei die Bruchdehnung einen relativ hohen Wert aufweist. Zum Vergleich: Die Zugfestigkeit der Aluminium-Legierungen liegt dagegen bei bis zu 710 N/mm² (Legierung 7068).
Bei einer Sprungtemperatur von 1,2 K wird reines Aluminium supraleitend. Die Wärmeleitfähigkeit liegt mit 235 W/(K m) relativ hoch. Die Wärmeleitfähigkeit von Kupfer liegt zwar etwa doppelt so hoch, dafür ist die Dichte etwa viermal größer, weshalb Aluminium für Wärmetauscher in Fahrzeugen genutzt wird. Der Wärmeausdehnungskoeffizient ist durch den recht niedrigen Schmelzpunkt mit 23,1 µm·m−1·K−1 recht hoch. Die Schwindung, also die Volumenabnahme beim Erstarren liegt bei 7,1 %.
Da thermische und elektrische Leitfähigkeit bei Metallen von denselben Mechanismen dominiert werden, ist Aluminium mit 37{,}67\, \mathrm{m / \Omega mm^2} auch ein sehr guter elektrischer Leiter. In der Rangfolge der Elemente mit der größten spezifischen Leitfähigkeit steht Aluminium wie bei der Wärmeleitfähigkeit hinter Silber, Kupfer und Gold an vierter Stelle. Durch die Kombination von hohem spezifischem Leitwert, geringer Dichte, hoher Verfügbarkeit und (im Vergleich zu anderen Materialien) geringen Kosten ist Aluminium in der Elektrotechnik – speziell in der Energietechnik, wo große Leiterquerschnitte benötigt werden – neben Kupfer zum wichtigsten Leitermaterial geworden.
Aluminium ist paramagnetisch, wird also von Magneten angezogen, der Effekt ist jedoch sehr schwach ausgeprägt. Die Magnetische Suszeptibilität liegt bei Raumtemperatur bei 0,62 × 10−9 m³/kg, womit Aluminium praktisch gesehen unmagnetisch ist.
Das reine Leichtmetall Aluminium hat aufgrund einer sich sehr schnell an der Luft bildenden dünnen Oxidschicht ein stumpfes, silbergraues Aussehen. Diese passivierende Oxidschicht macht reines Aluminium bei pH-Werten von 4 bis 8,5 korrosionsbeständig (siehe Abbildung). Die Oxidschicht ist etwa 0,05 µm dick. Sie schützt vor weiterer Oxidation, ist aber bei der elektrischen Kontaktierung und beim Löten hinderlich. Durch elektrische Oxidation (Eloxieren) oder auf chemischem Weg kann eine 5 bis 25 µm dicke Schicht zum verbesserten Korrosionsschutz erzeugt werden. Die Oxidschicht kann mittels Komplexbildungsreaktionen aufgelöst werden. Aluminium geht in neutraler chloridischer Lösung einen sehr stabilen und wasserlöslichen Neutralkomplex ein. Die folgende Reaktionsgleichung veranschaulicht dies: :\mathrm{Al_2O_3(s) + 2\ Cl^-(aq) + 3\ H_2O(l) \longrightarrow 2\ [Al(OH)_2Cl](aq) + 2\ OH^-(aq)} Dies geschieht vorzugsweise an Stellen, wo die Oxidschicht des Aluminiums bereits geschädigt ist. Es kommt dort zu Lochfraßkorrosion: Löcher entstehen. Kann die chloridische Lösung dann an die freie Metalloberfläche treten, so laufen andere Reaktionen ab. Aluminium-Atome können unter Komplexierung oxidiert werden: :\mathrm{Al(s) + 4\ H_2O(l) + Cl^-(aq) \longrightarrow [Al(OH)_2Cl](aq) + 3\ e^- + 2\ H_3O^+(aq)} Liegen in der Lösung Ionen eines edleren Metalls (→elektrochemische Spannungsreihe) vor, so werden sie reduziert und am Aluminium abgeschieden. Auf diesem Prinzip basiert die Reduktion von Silberionen, die auf der Oberfläche von angelaufenem Silber als Silbersulfid vorliegen, hin zu Silber. Aluminium reagiert heftig mit wässriger Natriumhydroxidlösung (NaOH) (und etwas weniger heftig mit wässriger Natriumcarbonatlösung) unter Bildung von Wasserstoff. Diese Reaktion wird in chemischen Rohrreinigungsmitteln genutzt. Die Reaktion von Aluminium mit NaOH läuft in zwei Schritten ab: der Reaktion mit Wasser und die Komplexierung des Hydroxids zu Natriumaluminat. Bei der Reaktion mit Wasser : 2 Al + 6 H2O -> 2 Al(OH)3 + 3 H2 entsteht zunächst Aluminiumhydroxid. In der Regel wird anschließend die Oberfläche getrocknet; dabei wird das Hydroxid in das Oxid umgewandelt: :2 Al(OH)3 -> Al2O3 + 3 H2O Dies passiert aber nicht bei der Reaktion von Aluminium in wässriger Natronlauge. Nun folgt der 2. Schritt, die Komplexierung des Hydroxids zu Natriumaluminat: : \mathrm{ Al(OH)_3 + Na^+ + OH^- \ \longrightarrow \ Na^+ + Al(OH)_4^- } Durch die Komplexierung wird das gallertartige Hydroxid wasserlöslich und kann von der Metalloberfläche abtransportiert werden. Dadurch ist die Aluminiumoberfläche nicht mehr vor dem weiteren Angriff des Wassers geschützt und Schritt 1 läuft wieder ab. Mit dieser Methode lassen sich – ebenso wie bei der Reaktion von Aluminium mit Säuren – pro zwei Mol Aluminium drei Mol Wasserstoffgas herstellen. : 2 Al + 6 HCl -> 2 AlCl3 + 3 H2 Aluminium reagiert bei Zimmertemperatur mit Brom; hierbei entstehen Flammen. Das entstehende Aluminiumbromid reagiert mit Wasser unter Bildung von Aluminiumhydroxid und Bromwasserstoffsäure. :AlBr3 + 3 H2O -> Al(OH)3 + 3 HBr -Bildung (Aufnahme im Zeitraffer) Quecksilber und Aluminium bilden Aluminiumamalgam. Wenn Quecksilber direkt mit Aluminium zusammenkommt, d. h., wenn die Aluminiumoxidschicht an dieser Stelle mechanisch zerstört wird, frisst Quecksilber Löcher in das Aluminium; unter Wasser wächst dann darüber Aluminiumoxid in Gestalt eines kleinen Blumenkohls. Quecksilber wird in der Luftfahrt deshalb als Gefahrgut und „ätzende Flüssigkeit“ gegenüber Aluminiumwerkstoffen eingestuft. Mit Salzsäure reagiert Aluminium sehr heftig unter Wasserstoffentwicklung. Von Schwefelsäure wird es langsam aufgelöst. In Salpetersäure wird es passiviert. In Pulverform (Partikelgröße kleiner 500 µm) ist Aluminium vor allem dann, wenn es nicht phlegmatisiert ist, wegen seiner großen Oberfläche sehr reaktiv. Aluminium reagiert dann mit Wasser unter Abgabe von Wasserstoff zu Aluminiumhydroxid. Feinstes, nicht phlegmatisiertes Aluminiumpulver wird auch als Pyroschliff bezeichnet. Nicht phlegmatisierter Aluminiumstaub ist explosionsgefährdet und größere Mengen können sich bei Luftkontakt selbst entzünden. :4 Al + 3 O2 -> 2 Al2O3 Zum Löschen von brennendem Aluminiumstaub darf kein Wasser (Knallgasbildung), Kohlendioxid, Stickstoff und keine Löschpulver der Brandklassen A, B oder C eingesetzt werden. Geeignete Feuerlöschmittel sind Löschpulver der Brandklasse D, trockener Sand und Zement, trockene Abdecksalze, trockene rostfreie Graugussspäne und poröses Hohlglasgranulat wie Pyrobubbles.
In der Natur kommt ausschließlich das Isotop 27Al vor; Aluminium gehört damit zu den Reinelementen. Dieses Isotop, das stabil ist und im Kern 14 Neutronen und 13 Protonen enthält, absorbiert keine Neutronen, weshalb Aluminium in Kernreaktoren genutzt wird. Alle anderen Isotope werden künstlich erzeugt und sind radioaktiv. Das stabilste dieser Isotope ist 26Al mit einer Halbwertszeit von 717.000 Jahren. Durch Elektroneneinfang oder Beta-Zerfall entsteht daraus 26Mg, durch Einfangen eines Neutrons und anschließenden Gamma-Zerfall 27Al. Die Isotope 24Al bis 29Al (außer 26Al und 27Al) haben Halbwertszeiten zwischen wenigen Sekunden und einigen hundert Sekunden. 23Al zerfällt mit einer Halbwertszeit von nur 0,13 Sekunden.
26Aluminium (26Al, Aluminium-26, Al-26) ist ein Radionuklid des chemischen Elements Aluminium, das entweder durch Beta-Plus-Zerfall oder durch Elektroneneinfang zu stabilem <sup>26</sup>Magnesium zerfällt. Die Halbwertzeit von 26Al beträgt 717.000 Jahre. Dies ist für das Isotop zwar bei weitem zu kurz, um als primordiales Nuklid vorliegen zu können, doch entsteht eine geringe Menge davon bei Kollisionen von Atomen mit in kosmischer Strahlung enthaltenen Protonen. Beim Zerfall von 26Aluminium entstehen außerdem Gammastrahlung und Röntgenstrahlung. Wegen seiner Radioaktivität wird es üblicherweise hinter mindestens 5 cm dicken Bleischichten gelagert.
26Aluminium wird bei der Altersberechnung von Meteoriten und Kometen verwendet. Es entsteht neben <sup>10</sup>Beryllium auf außerirdischen Objekten in beträchtlichen Mengen bei der nuklearen Spallation von Silicium. Nach dem Sturz auf die Erde endet die Produktion von 26Al und seine relative Häufigkeit im Verhältnis zu anderen kosmogenen Nukliden nimmt deshalb ab. 26Aluminium kann auf der Erde selbst nicht entstehen, weil die Erdatmosphäre die Interaktion von Silicium mit kosmischer Strahlung auf der Erdoberfläche und in der unteren Troposphäre verhindert. Infolgedessen kann der 26Al-Anteil in einer Gesteinsprobe eines Meteoriten zur Berechnung des Datums, wann dieser auf die Erde stürzte, benützt werden.
Die aus dem Zerfall von Al-26 herrührende Gammastrahlung bei 1809 keV war die erste aus dem galaktischen Zentrum beobachtete Gammastrahlung, die von dem NASA-Weltraumteleskop High Energy Astronomy Observatory 3 im Jahre 1984 gemacht wurde. Das Isotop entsteht hauptsächlich in Supernovae, wobei zahlreiche radioaktive Nukliden in das interstellare Medium hinausgeschleudert werden. Es wird angenommen, dass das Isotop kleinen planetarischen Körpern genügend Wärme liefert, um ihr Inneres zu verändern, wie es in den Frühgeschichten der Asteroiden Ceres und Vesta der Fall gewesen sein soll.
Unlegiertes Aluminium wird in unterschiedlichen Reinheitsgraden hergestellt: * Reinaluminium mit einem Aluminiumgehalt von 99 % bis 99,9 % * Reinstaluminium mit einem Aluminiumgehalt von mindestens 99,99 % Beim Reinaluminium ist der Typ mit 99,5 % Al (Werkstoffbezeichnung EN AW-1050A oder Al99,5) am gebräuchlichsten. Hieraus lassen sich Tafeln, Stangen, Bleche, Rohre und Folien herstellen. Als Einsatzgebiete sind u. a. der Behälter- und Apparatebau insbesondere für die chemische Industrie und die Nahrungsmittelindustrie, Komponenten für die Elektrotechnik, Reflektoren für die Lichttechnik und Verpackungen zu nennen. Für Reinstalluminium werden Fremdelemente wie Eisen und Silicium durch Raffination entfernt, wodurch vergleichsweise höhere Kosten entstehen. Die Bezeichnung ergibt sich aus dem Reinheitsgrad und einem zusätzlichen „R“, also „Al99,99R“ für 99,99 % reines Aluminium. Es sind Feinstdrähte, Beschichtungstargets und Folien im Handel, die oftmals zur Herstellung hochwertiger Oberflächen oder für Halbleiterkomponenten wie Kondensatorfolien und Stromkollektoren verwendet werden. Allgemein git, dass mit steigendem Reinheitsgrad die elektrische Leitfähigkeit, die Korrosionsbeständigkeit und das optische Reflexionsvermögen zunehmen, die Festigkeit hingegen abnimmt.
Aluminiumlegierungen sind Legierungen, die überwiegend aus Aluminium bestehen. Für andere Legierungen, die Aluminium enthalten, siehe Abschnitt #Weitere Anwendungen. Aluminium kann mit zahlreichen Metallen legiert werden, um bestimmte Eigenschaften wie die Festigkeit zu steigern oder andere, ungewünschte Eigenschaften zu unterdrücken. Bei einigen hochfesten Legierungen ist die Bildung der schützenden Oxidschicht (Passivierung) stark gestört, wodurch die daraus gefertigten Bauteile teils korrosionsgefährdet sind, was eine zusätzliche Oberflächenbehandlung notwendig macht. Es gibt Aluminiumknetlegierungen, die zur Weiterverarbeitung durch Walzen, Schmieden und Strangpressen gedacht sind, und Gusswerkstoffe. Diese werden in Gießereien verwendet. Im Allgemeinen werden Aluminiumlegierungen in die zwei große Gruppen der Knet- und Gusslegierungen eingeteilt: * Aluminiumgusslegierungen enthalten typisch Silicium als Hauptlegierungselement (AlSi), teilweise auch Kupfer oder Magnesium. * Aluminiumknetlegierungen haben einen Anteil von etwa 75 % und werden weiter unterteilt nach dem Hauptlegierungselement(en) in ** Aluminium-Kupfer-Legierungen (AlCu): Sie haben mittlere bis hohe Festigkeit, sind aushärtbar, aber korrosionsanfällig und schlecht schweißbar. Sie können Zusätze von Magnesium oder Mangan enthalten. ** Aluminium-Mangan-Legierungen (AlMn): Sie haben geringe bis mittlere Festigkeit, sind korrosionsbeständig und gut zu verarbeiten. ** Aluminium-Magnesium-Legierungen (AlMg, ohne AlMgSi): Sie haben mittlere Festigkeiten, sind nicht aushärtbar, korrosionsbeständig, gut umformbar und schweißbar. Die meisten Sorten enthalten zusätzlich noch Mangan (AlMg(Mn)). ** Aluminium-Magnesium-Silicium-Legierungen (AlMgSi): Sie haben mittlere bis hohe Festigkeiten, sind gut zu bearbeiten durch Schweißen und Strangpressen, aushärtbar und korrosionsbeständig. ** Aluminium-Zink-Magnesium-Legierungen (AlZnMg): Kupferfreie Sorten haben mittlere bis hohe Festigkeiten und sind gut schweißbar. Kupferhaltige Sorten (AlZnMg(Cu)) haben hohe Festigkeiten – im Falle 7075 über 500 MPa – sind nicht durch Schmelzschweißen, jedoch gut durch Zerspanen (Fräsen, Bohren) zu bearbeiten. ** Sonderlegierungen, beispielsweise Aluminium-Lithium-Legierungen mit besonders geringer Dichte, oder Automatenlegierungen die besonders gut zerspanbar sind. Außerdem wird unterschieden zwischen naturharten Legierungen – welche sich durch eine Wärmebehandlung nicht härten lassen – und aushärtbaren: * Typische naturharte Aluminiumknetlegierungen sind: AlMg, AlMn, AlMgMn, AlSi * Aushärtbare Knetlegierungen – Festigkeitssteigerung durch Ausscheidungshärtung von Legierungselementen bei einer zusätzlichen Alterungsglühung bei 150 bis 190 °C. Typische aushärtbare Aluminiumknetlegierungen sind: AlMgSi, AlCuMg, AlZnMg. Die erste hochfeste, aushärtbare Aluminiumlegierung AlCuMg bekam 1907 die Handelsbezeichnung Duraluminium, kurz „Dural“ genannt.
Aluminium ist nach Stahl der zweitwichtigste metallische Werkstoff. 2016 wurden weltweit 115 Mio. Tonnen produziert. Der Aluminiumpreis bewegte sich am Weltmarkt seit 1980 um den Wert von 2000 Dollar pro Tonne (Reinheit von 99,7 %). Er ist jedoch relativ volatil, 2016 fiel er auf um die 1500 Dollar pro Tonne, während er 2017 wieder bei annähernd 2000 Dollar lag. Im August 2020 verhängte die USA (Kabinett Trump I) 10 % Einfuhrzoll auf Aluminium aus Kanada, um die inländische Produktion zu schützen. Infolge von Sanktionen im Ukraine-Krieg übersprang die Notierung [Ende März 2022] „zum zweiten Mal seit Ausbruch des Kriegs die Marke von 3.500 Dollar pro Tonne.“
Aluminiumlegierungen besitzen eine hohe spezifische Festigkeit (d. h. Festigkeit bezogen auf die Dichte). Verglichen mit konventionellen Stählen sind Bauteile aus Aluminiumlegierungen bei gleicher Festigkeit etwa halb so schwer, weisen jedoch ein größeres Volumen auf. Deshalb wird es gern im Leichtbau verwendet, also dort, wo es auf geringe Masse ankommt, die zum Beispiel bei Transportmitteln zum geringeren Treibstoffverbrauch beiträgt, vor allem in der Luft- und Raumfahrt. Im Kraftfahrzeugbau gewann es aus diesem Grund an Bedeutung; hier standen früher der hohe Materialpreis, die schlechtere Schweißbarkeit sowie die problematische Dauerbruchfestigkeit und die Verformungseigenschaften bei Unfällen (geringes Energieaufnahmevermögen in der sogenannten Knautschzone) im Wege. Die Haube des Washington-Denkmals, ein 3 kg schweres Gussstück, galt bis 1884 als eines der größten Aluminiumwerkstücke. Beim Bau von kleinen und mittleren Schiffen und Booten wird die Korrosionsbeständigkeit von Aluminium gegenüber Salzwasser geschätzt. Der Fahrzeugbau (inklusive Schiffen, Flugzeugen und Schienenfahrzeugen) machte 2010 mit ca. 35 Prozent den größten Anteil an der weltweiten Verwendung von Aluminium aus. Mit einigen Aluminiumlegierungen werden Festigkeiten erreicht, die denen von Stahl nur wenig nachstehen. Daher ist die Verwendung von Aluminiumlegierungen zur Gewichtsreduzierung überall dort angebracht, wo Materialkosten eine untergeordnete Rolle spielen. Insbesondere im Flugzeugbau und in der Weltraumtechnik sind sie weit verbreitet. Der größte Teil der Struktur heutiger Verkehrsflugzeuge wird aus Aluminiumblechen verschiedener Stärken und Legierungen genietet oder inzwischen auch verschweißt.
Bei Fahrzeugen spielt deren Masse eine Rolle: Je leichter ein Fahrzeug ist, desto geringer ist der Treibstoffverbrauch. In Deutschland werden knapp 50 % des Aluminiums im Fahrzeugbau verwendet (Stand: 2015). Bei PKWs werden Aluminiumwerkstoffe verwendet für verschiedene Motor komponenten – darunter der Motorblock, die Zylinderkolben für die spezielle Kolbenlegierungen existieren, die Zylinderköpfe – wo vor allem die geringe Wärmeausdehnung und Korrosionsanfäligkeit sowie die hohe Warmfestigkeit ausschlaggebend sind; zusammen mit der guten Gießbarkeit, da diese Komponenten üblicherweise gegossen werden. Weitere Anwendungen bei Fahrzeugen sind für Gehäuse von Getrieben, als Wärmeabschirmung und als Wärmetauscher – bei den letzten beiden in Form von Reinaluminium. Im Fahrwerk wird Aluminium genutzt als Schmiedeteile für Hinterachsen, Achsträger, Querlenker und Räder. In der Karosserie wird Aluminium verwendet für Türen, Motorhauben, Stoßfänger und Kotflügel, sowie in der Rohbaustruktur. Bei Nutzfahrzeugen wird Aluminium angewandt für Bordwände, Ladebordwände, Aufbauten, zur Ladungssicherung, Druckluftbehälter, Treibstofftanks und als Unterbauschutz. Der Leichtbau mit Aluminium wird bei Nutzfahrzeugen stark durch die gesetzliche Maximallast pro Achse beeinflusst: Bei geringerem Fahrzeuggewicht ist eine höhere Nutzlast möglich. Bei Schienenfahrzeugen wird ebenfalls Aluminium verwendet. Voraussetzung waren dafür zwei wichtige andere Entwicklungen: Bestimmte Schweißverfahren die für Aluminiumwerkstoffe geeignet sind (WIG-Schweißen / MIG-Schweißen) in den 1950ern und das Strangpressen von Großprofilen. Die Verwendung von Aluminiumlegierungen hat die gesamte Bauweise von Schienenfahrzeugen verändert. Bis etwa 1970 waren Konstruktionen aus Stahlrohren üblich, danach vermehrt verschweißte Profile aus Aluminiumlegierungen. Bereits in der Anfangsphase der Luftfahrt wurden Aluminiumwerkstoffe genutzt, 1903 beispielsweise Magnalium für die Beschläge eines Flugzeuges, das noch größtenteils aus Holz, Draht und Tuch bestand. Das erste flugfähige Ganzmetallflugzeug stammt aus dem Jahre 1915, bestand allerdings aus Stahlblechen in Schalenbauweise. Die entscheidende Entwicklung zur Verwendung von Aluminium im Flugzeugbau stammt von 1906 von Alfred Wilm, der mit dem Duraluminium eine aushärtbare Aluminium-Kupfer-Legierung fand, die sehr hohe Festigkeiten aufweist und sich daher ausgezeichnet für den Leichtbau eignet. Genutzt werden für Flugzeuge AlCu und AlZnMg. Die Gesamtmasse von Flugzeugen geht zu 60 % auf Aluminium zurück. Die Verbindung der aus Blechen gestanzten, geschnittenen oder getriebenen, aus dem Vollen gefrästen oder aus Profilen bestehenden Werkstücke erfolgt meist durch Nieten, zum Teil inzwischen auch durch Schweißen. Bei Sport- und Alltagsrädern, hat Aluminium bei vielen Bauteilen Stahl abgelöst. Bei Felgen gab es im Rennsport auch Holzfelgen, bevor sich Alufelgen durchsetzten – diese sind griffiger für Bremsbacken, verschleißen jedoch dabei. Alurahmenrohre wurden zuerst – um 1970 – mit Epoxidkleber gefügt, später geschweißt. Bei Gepäcksträgern und Seitenständern kommt Alu als Draht, Guss und Rohr vor. Lenker, Vorbau, Bremsgriffe, Kurbeln und Ketten-Schaltwerk sind seit langem typisch aus Alu. Schutzbleche sind häufig aus kunststoffumhülltem Alu.
-Blechpaket (zylindrisches Teil in der Mitte) eines Spaltpolmotors. Die Aluminium-Käfigstäbe verlaufen im Inneren. An den Stirnseiten sind zusätzlich Lüfterflügel mitgegossen. Obere Wicklung und Lagerschalen des Motors sind entfernt. Aluminium ist ein guter elektrischer Leiter. Es weist nach Silber, Kupfer und Gold die vierthöchste elektrische Leitfähigkeit aller Metalle auf. Ein Leiter aus Aluminium hat bei gegebenem elektrischen Widerstand eine kleinere Masse, aber ein größeres Volumen als ein Leiter aus Kupfer. Daher wird meistens dann Kupfer als elektrischer Leiter verwendet, wenn das Volumen eine dominante Rolle spielt, wie bei den Wicklungen in Transformatoren. Aluminium hat dann als elektrischer Leiter Vorteile, wenn das Gewicht eine wesentliche Rolle spielt, beispielsweise bei den Leiterseilen von Freileitungen. Auf Grund der Gewichtsreduktion werden in Flugzeugen Aluminiumkabel verwendet. Aluminium wird unter anderem zu Stromschienen in Umspannwerken und zu stromführenden Gussteilen verarbeitet. Für Elektroinstallationen gibt es kupferkaschierte Aluminiumkabel, der Kupferüberzug ist zur Verbesserung der Kontaktgabe. In diesen Anwendungsbereichen sind primär Rohstoffpreise entscheidend, da Aluminium preisgünstiger als Kupfer ist. Für Oberleitungen bei elektrischen Bahnen ist es dagegen aufgrund seiner schlechten Kontakt- und Gleiteigenschaften ungeeignet, in diesem Bereich wird trotz des höheren Gewichts primär Kupfer eingesetzt. Beim Kontaktieren unter Druck ist Aluminium problematisch, da es zum Kriechen neigt. Außerdem überzieht es sich an Luft mit einer Oxidschicht. Nach längerer Lagerung oder Kontakt mit Wasser ist diese isolierende Schicht so dick, dass sie vor der Kontaktierung beseitigt werden muss. Vor allem im Kontakt mit Kupfer kommt es zu Bimetallkorrosion. Bei ungeeigneten Kontaktierungen in Klemmen kann es bei Aluminiumleitern in Folge zu Ausfällen und Kabelbränden aufgrund sich lösender Kontakte kommen. Crimpverbindungen mit passenden Hülsen und Werkzeugen sind jedoch sicher. Als Zwischenlage zwischen Kupfer und Aluminium können Verbindungsstücke aus Cupal die Kontaktprobleme vermeiden. Hervorzuheben ist das geringe Absinken der spezifischen elektrischen Leitfähigkeit von Aluminium bei Zusatz von Legierungsbestandteilen, wohingegen Kupfer bei Verunreinigungen eine deutliche Verringerung der Leitfähigkeit zeigt.
und Metallisierung in einem Bipolartransistor Die Elektronikindustrie setzt Aluminium aufgrund der guten Verarbeitbarkeit und der guten elektrischen und Wärme-Leitfähigkeit ein. In integrierten Schaltkreisen wurde bis in die 2000er Jahre ausschließlich Aluminium als Leiterbahnmaterial eingesetzt. Bis in die 1980er Jahre wurde es als Material für die Steuerelektrode (Gate) von Feldeffekttransistoren mit Metall-Isolator-Halbleiter-Struktur (MOSFET beziehungsweise MOS-FET) verwendet. Neben dem geringen spezifischen Widerstand sind für die Verwendung die gute Haftung auf und geringe Diffusion in Siliciumoxiden (Isolationsmaterial zwischen den Leiterbahnen) sowie die einfache Strukturierbarkeit mithilfe von Trockenätzen ausschlaggebend. Seit Anfang der 2000er Jahre wird Aluminium jedoch zunehmend durch Kupfer als Leiterbahnmaterial ersetzt, auch wenn dafür aufwendigere Strukturierungsverfahren (vgl. Damascene- und Dual-Damascene-Prozess) und Diffusionsbarrieren notwendig sind. Der höheren Fertigungsaufwand wird durch den geringeren spezifischen Widerstand, der im Fall von kleinen Strukturen bei Aluminium viel früher signifikant ansteigt und anderen Eigenschaften (Elektromigrationverhalten) überwogen und die Aluminium-Prozesse konnte die gestiegenen Anforderungen (Taktfrequenz, Verlustleistung) in mit hohen Frequenzen arbeitenden Schaltkreisen nicht mehr genügen. Aluminium wird jedoch weiterhin in mikroelektronischen Produkten verwendet, so wird es wegen seiner guten Kontaktierbarkeit durch andere Metalle in den letzten Leiterbahnebenen eingesetzt, um den elektrischen Kontakt zu den bei der Flip-Chip-Montage eingesetzten Lotkügelchen herzustellen. Ähnlich verhält es sich bei Leistungshalbleitern, bei denen in der Regel alle Leiterbahnebenen aus Aluminium bestehen. Allgemein und insbesondere bei Leistungshalbleitern wird das Material für Bonddrähte (Verbindungsdrähte zwischen Chip und Gehäuseanschluss) verwendet. Mit der Einführung der High-k+Metal-Gate-Technik hat Aluminium nach gut 25 Jahren Abwesenheit im Bereich des Gates an Bedeutung gewonnen und wird neben anderen als Material zur Einstellung der Austrittsarbeit eingesetzt.
In der Verpackungsindustrie wird Aluminium zu Getränke- und Konservendosen sowie zu Aluminiumfolie verarbeitet. Dabei macht man sich die Eigenschaft der absoluten Barrierewirkung gegenüber Sauerstoff, Licht und anderen Umwelteinflüssen zunutze. Ausschlaggebend für die Verwendung von Aluminium als Verpackung ist nicht die geringe Dichte, sondern die gute Verarbeitbarkeit durch Walzen und die Ungiftigkeit. Dünne Folien werden in Stärken von sechs Mikrometern hergestellt und dann zumeist in Verbundsystemen eingesetzt, beispielsweise in Tetra Paks. Kunststofffolien können durch Bedampfen mit Aluminium mit einer dünnen Schicht versehen werden, welche dann eine hohe (aber nicht vollständige) Barrierefunktion aufweist. Grund dieser Barrierewirkung ist nicht das reine Aluminium, sondern die Passivschicht aus Böhmit. Wird diese verletzt, so kann Gas ungehindert durch den Werkstoff Aluminium strömen. Genutzt werden meist Reinaluminium, AlMn (Legierungen mit Mangan) und AlMg (Legierungen mit Magnesium). Aus Aluminium werden Kochtöpfe und andere Küchengeräte, wie die klassische italienische Espressokanne, sowie Reise- und Militär-Geschirr hergestellt. Aluminium wird für eine Vielzahl von Behältern und Gehäusen verarbeitet, da es sich gut durch Umformen bearbeiten lässt. Gegenstände aus Aluminium werden häufig durch eine Eloxalschicht vor Oxidation und Abrieb geschützt. Druckgasflaschen aus Aluminium sind eher selten, denn Taucher brauchen Ballast und im Bereich Feuerwehr wurden Leichtstahlflaschen durch solche aus Faserverbund ersetzt, zunehmend ohne Alu-Liner. 2017 entfielen 17 % der europäischen Aluminiumverwendung auf Verpackungen.
Aluminium wird aufgrund seines hohen Reflexionsgrades als Spiegelbeschichtung von Oberflächenspiegeln, unter anderem in Scannern, Kraftfahrzeug-Scheinwerfern und Spiegelreflexkameras aber auch in der Infrarotmesstechnik eingesetzt. Es reflektiert im Gegensatz zu Silber Ultraviolettstrahlung. Aluminium-Spiegelschichten werden meist durch eine Schutzschicht vor Korrosion und Kratzern geschützt.
Aluminiumpulver und Aluminiumpasten werden zur Herstellung von Porenbeton eingesetzt. Man verwendet Verbindungen wie Aluminiumhydroxysulfat, Aluminiumdihydroxyformiat oder amorphes Aluminiumhydroxid als alkalifreie Spritzbetonbeschleuniger.
Aluminium wird als Konstruktionswerkstoff insbesondere für Leichtbaukonstruktionen und als Funktionswerkstoff zur Fertigung von dekorativen und korrosionsbeständigen Bauteilen verwendet. Neben der Witterungsbeständigkeit ist vor allem die einfache Verarbeitbarkeit von Vorteil, insbesondere bei handwerklicher Fertigung. Das Baugewerbe ist der Hauptabnehmer für Aluminiumprofile. Genutzt wird Aluminium hauptsächlich für Fensterrahmen, Türen und Tragstruktur sowie Verkleidung von Vorhangfassaden. Bekannt ist die Fassade des Imperial War Museums in Manchester. Für Aussenanwendungen werden oft korrosionsbeständige Aluminium-Mangan-Legierungen eingesetzt. Aluminiumheizkörper werden auch zur Gebäudebeheizung verwendet, da Aluminium ein geringes Gewicht hat und in Feucht-Räumen nicht rostet. Zu beachten ist, dass Heizungswasser laut VDI 2035 bereits einen pH-Wert von mindestens 8,2 haben soll. Wenn eine zusätzliche Eigen-Alkalisierung auftritt Einsatz von Aluminium-Heizkörpern nicht unkritisch, da pH-Werte über 8,5 zur Korrosion von Aluminium führen können. Im konstruktiven Ingenieurbau werden Legierungen mit höherer Festigkeit genutzt, darunter AlMg und AlSi. Selten wird Aluminium auch im Brückenbau eingesetzt, wo sonst der Stahlbau vorherrscht. Imperial War Museum 2008cropped.jpg|Das Imperial War Museum von Außen LibeskindSpaceFrameTower.jpg|Dachkonstruktion aus Aluminium beim Imperial War Museum Aluminium heat reflector with hole melted through by high temperatures.jpg|Aluminiumblech, punktuell über 600 °C erhitzt.
In der Raketentechnik enthält der Treibstoff von Feststoffraketen bis zu 30 Prozent Aluminiumpulver, das bei der Verbrennung viel Energie freisetzt. Aluminium wird in Feuerwerken (s. a. Pyrotechnik) verwendet, wo es je nach Körnung und Mischung für farbige Effekte sorgt. Auch in Knallsätzen findet es oft Verwendung. Bei der Aluminothermie wird Aluminium zur Gewinnung anderer Metalle und Halbmetalle verwendet, indem das Aluminium zur Reduktion der Oxide genutzt wird. Ein wichtiges Verfahren der Aluminothermie ist die Thermitreaktion, bei der Aluminium mit Eisen(III)-oxid umgesetzt wird. Bei dieser stark exothermen Reaktion bildet sich bei Temperaturen von bis zu 2500 °C flüssiges Eisen, das zum aluminothermischen Schweißen genutzt wird, beispielsweise zum Fügen von Bahngleisen. Für Laborzwecke wird auch die Reduktionswirkung von Aluminiumamalgam eingesetzt. Aluminium dient als Pigment für Silber- und Goldbronze. Farbig eloxiert ist es Bestandteil vieler Dekorationsmaterialien wie Flitter, Geschenkbänder und Lametta. Zur Beschichtung von Oberflächen wird es beim Aluminieren verwendet. Heizelemente von Bügeleisen und Kaffeemaschinen werden aus Aluminium geformt. Bevor es gelang, Zinkblech durch Titanzusatz als so genanntes Titanzink verarbeitbar zu machen, wurde vielfach Aluminiumblech für Dachelemente wie Dachrinnen eingesetzt. Auch Fassadenpaneele, Dachschindeln und Wellblech werden aus Aluminium gefertigt. Siehe Leichtdach. Wegen seiner hohen Wärmeleitfähigkeit wird Aluminium als Werkstoff für stranggepresste Kühlkörper und wärmeableitende Grundplatten verwendet. Aluminium-Elektrolytkondensatoren verbauen Aluminium als Elektrodenmaterial und Gehäusewerkstoff, weiters wird es zur Herstellung von Antennen und Hohlleitern verwendet. Aluminium kommt in einigen Legierungen vor. Neben den Aluminiumlegierungen die überwiegend aus Aluminium bestehen, kommt es noch vor in den Kupferlegierungen Aluminiumbronze, Aluminiummessing, Isabellin, zu etwa gleichen Teilen Al und Kupfer in der Devardaschen Legierung, als Hauptlegierungselement für Magnesiumlegierungen sowie in Alnico und Sendust, zwei Eisenlegierungen mit besonderen magnetischen Eigenschaften. In vielen Titanlegierungen kommt ebenfalls Aluminium vor, insbesondere in Ti-6Al-4V, der Sorte die etwa 50 % aller Titanlegierungen ausmacht. Dort ist Aluminium mit sechs Massenprozent enthalten.
Bei der Verarbeitung wird unterschieden, ob es sich um Gusslegierungen handelt oder um Knetlegierungen: * Gusslegierungen werden in Gießereien verarbeitet und in Formen gegossen, die schon vollständig oder weitgehend der Form der Endprodukte entsprechen. Danach erfolgt eine Endbearbeitung durch Schleifen. Gusslegierungen werden häufig aus Schrott erschmolzen. * Knetlegierungen werden in den Hüttenwerken zu Barren vergossen und anschließend dort gewalzt, um Platten, Bleche, Stangen und Folien herzustellen. Aus dicken Platten und anderen massiven Rohteilen werden durch Zerspanen (Fräsen, Bohren und Drehen) Einzelteile hergestellt. Andere massive Rohteile können durch Schmieden zu Einzelstücken verarbeitet werden oder durch Strangpressen zu Profilen. Letzteres kommt bei Aluminium besonders häufig vor. Bleche werden durch Stanzen, Biegen und Tiefziehen verarbeitet. Danach werden die Einzelteile durch Schweißen, Nieten, Löten und ähnliche Verfahren verbunden.
Aus dem niedrigen Schmelzpunkt folgt ein geringer Energieeinsatz beim Schmelzvorgang sowie eine geringere Temperaturbelastung der Formen. Aluminium eignet sich grundsätzlich für alle Gussverfahren, insbesondere für Druckguss beziehungsweise Aluminiumdruckguss, mit denen kompliziert geformte Teile gefertigt werden können. In der Gießerei werden besondere Aluminiumgusslegierungen verarbeitet, größtenteils die Aluminium-Silicium-Legierungen. In den Hüttenwerken werden dagegen meist Knetlegierungen erzeugt, die zur Weiterbearbeitung durch Walzen, Schmieden und Fließpressen gedacht sind. Diese werden in den Hüttenwerken zu Barren (Blockguss) oder zu Rundbarren vergossen, die theoretisch endlos sein können (Strangguss). Seit den 1930er Jahren kommt der Strangguss vermehrt zum Einsatz. Dafür gibt es spezielle Anlagen die bis zu 96 Rundbarren gleichzeitig herstellen können mit Gießlängen zwischen 3 und 7 Metern teils bis zu 10 Metern. Die Durchmesser liegen bei 75 bis 700 mm. Bleche werden manchmal durch Gießen direkt auf eine Walze hergestellt, die die Schmelze kühlt. Das Rohblech wird danach direkt kaltgewalzt ohne Warmwalzen, was Kosten von bis zu 60 % spart. Ein Mischverfahren aus Gießen und Schmieden ist Cobapress, welches speziell für Aluminium ausgelegt ist und häufig in der Automobilbranche genutzt wird.
Etwa 74 Prozent des Aluminiums wird durch Umformen bearbeitet. Hierzu zählt unter anderem das Walzen, Schmieden, Strangpressen und Biegen. Rein- und Reinstaluminium lässt sich wegen der niedrigen Festigkeit gut umformen und verfestigt sich bei Kaltumformung, wobei große Formänderungen möglich sind. Die Verfestigung lässt sich durch Rekristallisationsglühen beseitigen. Knetlegierungen mit AlMg und AlMn erreichen ihre höhere Festigkeit durch die Legierungselemente und durch Kaltverformung. Die aushärtbaren Legierungen AlMgSi, AlZnMg, AlCuMg und AlZnMgCu scheiden bei Umformung festigkeitssteigernde Phasen aus; sie lassen sich relativ schwierig umformen.
Gegossene Barren werden häufig durch Walzen weiterverarbeitet, entweder zu dicken Platten die anschließend durch Fräsen zu Endprodukten werden, zu Blechen die durch Stanzen und Biegen weiterverarbeitet werden oder zu Folien. Beim Walzen ändert sich die Mikrostruktur der Werkstoffe: Kleine kugelförmige Bestandteile die häufig nach dem Gießen vorliegen, werden plattgedrückt und in die Länge gezogen. Das Gefüge wird dadurch einerseits feiner und gleichmäßiger, andererseits aber auch Richtungsabhängig. Die Kapazität einer Aluminium-Warmwalzanlage liegt bei etwa 800.000 Tonnen pro Jahr. Verarbeitet werden Barren mit bis zu 30 Tonnen Masse. Sie haben Abmessungen von bis zu 8,7 Metern Länge, 2,2 Metern Breite und 60 cm Dicke. Noch größere Barren können technisch verarbeitet werden, die Gefügequalität nimmt dann aber ab. Nach dem Warmwalzen liegt der Werkstoff meist mit Dicken von etwa 20 bis 30 mm vor. Anschließend folgt das Kaltwalzen auf Enddicke. Kaltwalzwerke haben Kapazitäten von 300.000 bis 400.000 Jahrestonnen. Verbundwerkstoffe können durch Walzplattieren hergestellt werden. Dabei wird ein- oder zweiseitig eine Schicht aus einem anderen Werkstoff aufgebracht. Häufig wird auf korrosionsanfälliges Kernmaterial eine Schicht aus korrosionsbeständigem Reinaluminium aufgebracht.
Aluminium lässt sich durch Strangpressen in komplizierte Konstruktionsprofile formen; hierin liegt ein großer Vorteil bei der Fertigung von Hohlprofilen (für Fensterrahmen, Stäbe, Balken), Kühlkörper profilen oder in der Antennentechnik. Die Herstellung von Halbzeug oder Bauteilen geschieht aus Vormaterial wie Walzbarren, Blech oder Zylindern. Aluminiumlegierungen lassen sich deutlich besser strangpressen als andere Werkstoffe, weshalb ein großer Teil des Aluminiums mit diesem Verfahren verarbeitet wird. Dabei wird das Ausgangsmaterial durch ein hohles Werkzeug gepresst. Es entsteht Endlosmaterial das in der gewünschten Länge abgesägt wird. Es können auch komplizierte Querschnitte hergestellt werden, beispielsweise Hohlprofile oder welche mit Hinterschneidungen. Der Querschnitt ist allerdings über die Länge konstant. Mit hochfesten Legierungen sind große Mindestwanddicken erforderlich und das Pressen dauert lange, weshalb eher die mittelfesten, aushärtbaren Legierungen bevorzugt werden. Die Aushärtung wird meist direkt im Anschluss durchgeführt. Beim Strangpressen wird der Werkstoff auf Temperaturen von etwa 450 bis 500 °C erwärmt um die Umformbarkeit zu erhöhen, was gleichzeitig zum Lösungsglühen genutzt wird. Direkt nach dem Strangpressen wird das Werkstück durch Luft oder Wasser stark abgekühlt und so abgeschreckt, was zu höheren Festigkeiten führt.
Zum Zerspanen zählt das Drehen, Bohren und Fräsen. Aluminiumwerkstoffe sind gut spanbar. Ihre genauen Eigenschaften hängen jedoch von der Legierung und Gefügezustand ab. Zu beachten ist, dass die bei der Bearbeitung auftretenden Temperaturen schnell im Bereich des Schmelzpunktes liegen können. Bei gleichen Schnittparametern wie bei Stahl resultiert bei Aluminium allerdings eine geringere mechanische und thermische Belastung. Als Schneidstoff wird oft Hartmetall für untereutektische oder Diamant für die stark verschleißenden übereutektischen Legierungen verwendet. Auch Eloxalschichten erhöhen den Werkzeug-Verschleiß durch ihre Härte. Die beim Schleifen und Polieren von Aluminium entstehenden Stäube sind brennbar und stellen unter Umständen ein Explosionsrisiko dar. Wenn Aluminiumstaub mit Wasser in Berührung kommt, bildet sich Wasserstoff, der in schlecht belüfteten Räumen ebenfalls explosionsfähige Gemische mit Luft bilden kann.
Grundsätzlich sind alle Aluminium-Werkstoffe zum Schweißen geeignet, wobei jedoch reines Aluminium zu Poren in der Schweißnaht neigt. Außerdem neigt die Aluminiumschmelze zu Reaktionen mit der Atmosphäre, weshalb fast immer unter Schutzgas geschweißt wird. Gut geeignet sind das MIG- und Plasmaschweißen sowie das WIG-Schweißen. Bei Letzterem wird bei Nutzung von Wechselstrom das Edelgas Argon als Schutzgas verwendet, und bei Gleichstrom Helium. Für das Laserschweißen eignen sich sowohl Kohlendioxid- als auch Festkörperlaser, allerdings nicht für alle Legierungen. Wegen der hohen Wärmeleitfähigkeit erstarrt die Schmelze sehr schnell, sodass die Schweißnaht zu Poren und Rissen neigt. Das Widerstandspunktschweißen erfordert, verglichen mit Stahl, höhere elektrische Ströme und kürzere Schweißzeiten sowie teilweise spezielle Geräte, da die handelsüblichen Schweißgeräte für Stahl nicht dafür geeignet sind. Für das Elektronenstrahlschweißen eignen sich alle Legierungen, jedoch neigen Magnesium und Zinn zum Verdampfen während des Schweißvorgangs. Lichtbogenhandschweißen wird nur noch selten verwendet, meist zur Gussnachbesserung. Löten gestaltet sich wegen der sich bildenden Oxidschicht an Luft schwierig. Genutzt werden sowohl Hart- als auch Weichlöten mit speziellen Flussmitteln. Alternativ kann Aluminium ohne Flussmittel mit Ultraschall gelötet werden, dabei wird die Oxidschicht mechanisch während des Lötvorganges aufgebrochen.
Aluminium gelangt durch die Nahrung und durch das Atmen in den menschlichen Körper, aber auch entsprechende kosmetische Produkte und Arzneimittel wie Antazida tragen zur Aufnahme bei. In der Luft sind etwa 0,005–0,18 µg Al pro Kubikmeter (µg/m3) enthalten, in Städten und Industriegebieten ist die Konzentration erhöht (0,4–8,0 µg/m3). In Trinkwasser kommen etwa 0,1 mg Al pro Liter (mg/l) vor, dieser Wert wird vereinzelt in manchen Städten auch überschritten (bis zu 1 mg/l). Aluminium ist kein essentielles Spurenelement und gilt für die menschliche Ernährung als entbehrlich. Im menschlichen Körper befinden sich durchschnittlich etwa 50 bis 150 Milligramm Aluminium. Diese verteilen sich zu ungefähr 50 Prozent auf das Lungengewebe, zu 25 Prozent auf die Weichteile und zu weiteren 25 Prozent auf die Knochen. Infolgedessen ist Aluminium ist normaler Bestandteil des menschlichen Körpers. Von dort gelangt es in zahlreiche Gewebe und ins Blut. Im Blut ist Al3+ überwiegend (zu etwa 80 %) an Transferrin gebunden. 16 Prozent liegen als [Al(PO4)(OH)]−, 1,9 Prozent als Citrat-Komplex, 0,8 Prozent als Al(OH)3 und 0,6 Prozent als [Al(OH)4]− vor. Das Blut Neugeborener enthält bereits Aluminiumionen, die aus dem maternalen Kreislauf stammen. Dies wurde tierexperimentell mittels radioaktiv markierten Aluminiums des Isotops 26Al, das in der Natur nicht vorkommt, nachgewiesen. Die Eliminierung von in den Organismus gelangten wasserlöslichen Aluminiumsalzen erfolgt innerhalb weniger Tage vorwiegend durch die Nieren über den Urin, weniger über den Kot. Die Halbwertszeit im Blut beträgt hierbei 8 Stunden. Aluminium, das nicht über die Nieren ausgeschieden wird, gelangt in die Knochen. In einem Leben häufen sich etwa 35 bis 50 mg Aluminium im Körper an.
Aluminium in Form verschiedener Salze (Phosphate, Silikate) ist Bestandteil vieler Pflanzen und Früchte, denn gelöste Al-Verbindungen werden durch Regen aus den Böden von den Pflanzen aufgenommen, bei Säurebelastung der Böden infolge sauren Regens ist dies vermehrt der Fall (siehe dazu Waldschäden). Ein großer Teil des Bodens auf der Welt ist chemisch sauer. Liegt der pH-Wert unter 5,0, werden Al3+-Ionen von den Wurzeln der Pflanzen aufgenommen. Dies ist bei der Hälfte des bebaubaren Lands auf der Welt der Fall. Die Ionen schädigen insbesondere das Wurzelwachstum der Feinwurzeln. Wenn die Pflanze nicht Aluminium-tolerant ist, steht sie dann unter Stress. Zahlreiche Enzyme und signalübertragende Proteine sind betroffen; die Folgen der Vergiftung sind noch nicht vollständig bekannt. In sauren metallhaltigen Böden ist Al3+ das Ion mit dem größten Potenzial zur Schädigung. Von der Modellpflanze Arabidopsis sind Transgene bekannt, die deren Aluminium-Toleranz heraufsetzen und auch bei Kulturpflanzen sind tolerante Sorten bekannt. Der saure Regen hat beispielsweise in Schweden in den 1960er Jahren die Seen übersäuert, wodurch mehr Al3+-Ionen in Lösung gingen und empfindliche Fische verendeten. Bei pH-Werten über 5,0 ist Aluminium als polymeres Hydroxykation an der Oberfläche von Silicaten gebunden. Bei pH-Werten von 4,2 bis 5 steigt Anteil von mobilen Kationen. Bei Erhöhung der Schwefelsäurekonzentration durch sauren Regen bildet sich Aluminiumhydroxysulfat: :\mathrm{Al(OH)_3 + \ H_2SO_4 \rightarrow Al(OH)SO_4 + 2\ H_2O}
Die meisten Lebensmittel enthalten Aluminium in Spurenmengen. Unverarbeitete pflanzliche Lebensmittel enthalten durchschnittlich weniger als 5 mg/kg in der Frischmasse. Dabei streuen die Werte aufgrund unterschiedlicher Sorten, Anbaubedingungen und Herkunft in erheblichem Maße. Jedoch ist dort das Aluminium an schlecht absorbierbaren Polyphenolen gebunden, so dass eine Aufnahme im Magen-Darm-Trakt erschwert wird. Einen hohen Aluminiumgehalt weisen Kräuter und Gewürze auf, beispielsweise Thymianblätter. Im europäischen Vergleich zeigen sich Schwankungen, was vermutlich auf eine unterschiedlich hohe Aluminiumgrundbelastung und Verwendung von aluminiumhaltigen Zusatzstoffen zurückzuführen ist. Beim Kochen oder Aufbewahren in Aluminiumgeschirr oder in Alufolie kann es (außer bei sauren Lebensmitteln) nach einer Schätzung zu einer maximalen zusätzlichen Aufnahme von 3,5 mg/Tag/Person kommen. Bei sauren Lebensmitteln wie Sauerkraut oder Tomaten können aufgrund der Säurelöslichkeit wesentlich höhere Werte erreicht werden. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) rät von der Zubereitung und Lagerung von insbesondere sauren und salzigen Lebensmitteln in unbeschichteten Aluminiumgefäßen oder Alufolie ab. Hohe Belastungen fallen beispielsweise dann an, wenn Fisch oder Fleischgerichten mit Zitrone oder anderen sauren Zutaten in Aluminiumschalen oder -folien angerichtet und über längere Zeit hoch erhitzt werden. Trink- und Mineralwässer weisen mit durchschnittlich 0,2–0,4 mg/l im Gegensatz zur Nahrung geringe Gehalte auf und leisten somit einen kleinen Beitrag zur täglichen Aluminium-Aufnahme., Österreich und der Schweiz nicht mehr als 0,2 mg Aluminium enthalten. Nach einer Schätzung nimmt der erwachsene Europäer im Durchschnitt zwischen 1,6 und 13 mg Aluminium pro Tag über die Nahrung auf. auch innerhalb eines Landes aufgrund verschiedener Erhebungen. Falls Säuglinge mit Fertignahrung ernährt werden, kann die Aluminiumkonzentration im Blut bei 15 μg/l liegen. Eine mögliche gesundheitliche Schädigung ist nicht bekannt. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) nennt eine tolerierbare wöchentliche Aufnahme (TWI) von 1 mg Aluminium pro kg Körpergewicht. Vor 2008 nannte sie einen TWI von 7 mg Al je kg Körpergewicht. Wegen der möglichen Akkumulation im Körper zieht die Efsa als Maß den TWI der tolerierbaren täglichen Aufnahme (TDI) vor. Aluminium ist als Lebensmittelzusatzstoff unter der Bezeichnung ausschließlich als Farbmittel für Überzüge von Zuckerwaren und als Dekoration von Kuchen und Keksen erlaubt. Weiterhin ist Aluminium zum Färben von Arzneimitteln und Kosmetika zugelassen. Bei der Untersuchung von Laugengebäck (Brezeln, Stangen, Brötchen) aus Bäckereien wurde Aluminium nachgewiesen, das in das Lebensmittel gelangt, wenn bei der Herstellung von Laugengebäck Aluminiumbleche verwendet werden. Während Bier in Aluminiumfässern transportiert wird, hat sich für den Weintransport der Werkstoff Aluminium nicht durchgesetzt. Ein kurzfristiger Kontakt schadet nicht, doch können nach längerem Kontakt Weinfehler in Geruch und Geschmack oder als Trübung auftreten, vor allem beim offenen Stehen an der Luft.
Bei eingeschränkter Nierenfunktion und bei Dialyse-Patienten führt die Aufnahme von Aluminium zu progressiver Enzephalopathie (Gedächtnis- und Sprachstörungen, Antriebslosigkeit und Aggressivität) durch Untergang von Hirnzellen und zu fortschreitender Demenz, zu Osteoporose (Arthritis) mit Knochenbrüchen und zu Anämie (weil Aluminium dieselben Speichereiweiße wie Eisen besetzt). Dies wurde in den 1970er Jahren bei langjährigen Hämodialysepatienten durch starke Aluminiumzufuhr beobachtet („Dialysis Encephalopathy Syndrome“). Speziell im Hinblick auf die Verwendung in Deodorants bzw. Antitranspirantien und Lebensmittel-Zusatzstoffen werden die gesundheitlichen Auswirkungen von Aluminium untersucht.
Aluminium wurde kontrovers als Faktor im Zusammenhang mit der Alzheimer-Krankheit in Verbindung gebracht. Es ist jedoch unklar, ob die Aluminium-Akkumulation eine der Folgen der Alzheimer-Krankheit ist, oder ob Aluminium in ursächlichem Zusammenhang mit der Alzheimer-Krankheit zu sehen ist. So wäre es auch möglich, dass sich Aluminium erst nach der Entstehung von Alzheimer in den erkrankten Gehirnregionen ansammelt. Das Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) hat mehrmals, zuletzt 2020, die Einschätzung abgegeben, dass eine kausale Verbindung zwischen Aluminium und der Alzheimer-Krankheit nicht belegt ist. Bei der Risikobewertung von Aluminium ist es jedoch grundsätzlich wichtig, die Gesamtaufnahme über die verschiedenen Eintragspfade wie Lebensmittel oder aluminiumhaltige Produkte für den Lebensmittelkontakt zu betrachten. Mittlerweile sieht man bei Aluminium keine oder nur eine zu vernachlässigende Rolle bei der Entstehung der Alzheimer-Krankheit.
Ebenfalls kontrovers wurde die Rolle aluminumhaltiger Deodorants bzw. Antitranspirantien auf Basis von Aluminiumchlorohydrat bei der Entstehung von Brustkrebs diskutiert Wie viel Aluminiumsalz tatsächlich in den Körper gelangen kann, hängt von mehreren Faktoren wie den Aluminiumsalzgehalt in Deos (Menge variiert von 0,2 bis 5,8 Prozent) oder die Häufigkeit der Verwendung ab. Das BfR teilte diese Einschätzung, basierend auf drei Studien aus 2016 und 2019: Gesundheitliche Beeinträchtigungen durch den regelmäßigen Gebrauch von Aluminiumchlorohydrat-haltigen Antitranspirantien sind nach gegenwärtigem wissenschaftlichen Kenntnisstand unwahrscheinlich. So liegt die Bioverfügbarkeit des aufgetragenen Aluminiums bei 0,00192 %, deutlich geringer als bei den bisher angenommenen 0,014 %.
Durch den Abbau des Erzes Bauxit werden große Flächen in Anspruch genommen, die erst nach einer Rekultivierung wieder nutzbar werden. Um eine Tonne Aluminium herzustellen, werden fünf bis sieben Tonnen Bauxit benötigt. Zudem werden ca. drei Tonnen taubes Gestein mitgefördert. Zusätzlich entstehen bei der Herstellung des Aluminiumoxids nach dem Bayer-Verfahren ca. drei Tonnen von eisenreichem alkalischen Rotschlamm, der kaum wiederverwertet wird und dessen Deponierung oder sonstige „Entsorgung“ große Umweltprobleme aufwirft (siehe entsprechende Abschnitte unter Rotschlamm und Bauxitbergbau in Australien).
Die Herstellung von Aluminium ist sehr energieaufwendig. Allein für die Schmelzflusselektrolyse zur Gewinnung eines Kilogramms Aluminium werden je nach Errichtungsdatum und Modernität der Anlage zwischen 12,9 und 17,7 kWh elektrische Energie benötigt. Bei der Stromerzeugung für die Produktion von einem Kilogramm Aluminium werden im deutschen Kraftwerkspark 8,4 kg CO2 freigesetzt, im weltweiten Durchschnitt etwa 10 kg. Wenn auf CO2-emissionsarme Wasserkraft zurückgegriffen werden kann, ist die Bilanz wesentlich günstiger. Hierzu zählen Länder wie Brasilien, Kanada, Venezuela oder Island. Auf Island besteht zudem die Möglichkeit, neben der Wasserkraft auch auf Erdwärme als Energiequelle zuzugreifen. Allerdings ist auch bei Verwendung von Elektrizität aus vollständig regenerativen Energien die Produktion von Aluminium nicht CO2-frei, da der bei der Schmelzflusselektrolyse entstehende Sauerstoff mit dem Kohlenstoff der Elektroden zu CO2 reagiert. Die Verbrauchswerte für Roh-Aluminium erhöhen sich durch Transport- und Verarbeitungsanteile für das Wiederaufschmelzen, Gießen, Schleifen, Bohren sowie Polieren auf 16,5 kg CO2 pro kg Aluminium-Konsumgut.
Aluminium ist gut wiederzuverwenden, wenn die Reststoffe streng getrennt erfasst und gereinigt werden (Aluminiumrecycling, Recycling-Code-41 (ALU)). Aluminium ist besser rezyklierbar als Kunststoffe, aufgrund des Downcycling-Effekts bei nicht sortenreiner Erfassung jedoch etwas schlechter wiederverwertbar als Stahl. Beim Aluminiumrecycling wird nur 5 Prozent der Energiemenge der Primärproduktion benötigt.
Durch Leichtbau mit Aluminiumwerkstoffen (beispielsweise Aluminiumschaum, Strangpressprofile) wird Masse von beweglichen Teilen und Fahrzeugen und infolgedessen auch Treibstoff eingespart. Aluminium ist durch seine Selbstpassivierung korrosionsbeständiger als Eisen und erfordert weniger Korrosionsschutzmaßnahmen.
Aluminiumsalze weist man durch Glühen mit verdünnter Kobaltnitratlösung (Co(NO3)2) auf der Magnesia-Rinne nach. Dabei entsteht das Pigment Thénards Blau, ein Cobaltaluminiumspinell mit der Formel CoAl2O4. Es wird auch Kobaltblau oder Cobaltblau, Dumonts Blau, Coelestinblau, Cobaltaluminat oder – nach dem Entdecker des Pigments, Josef Leithner – Leithners Blau genannt.
Die Probelösung wird alkalisch gemacht, um Aluminium als Aluminiumhydroxid Al(OH)3 zu fällen. Der Niederschlag wird abfiltriert und mit einigen Tropfen Phenolphthalein versetzt, dann gewaschen, bis keine Rotfärbung durch Phenolphthalein mehr vorhanden ist. Wenn anschließend festes Natriumfluorid (NaF) auf den Niederschlag gestreut wird, verursachen Hydroxidionen, die bei der Bildung von Kryolith Na3[AlF6] freigesetzt werden, eine erneute Rotfärbung des Phenolphthaleins.
Grund hierfür ist, dass Al(III) in neutralen sowie essigsauren Lösungen in Verbindung mit Morin eine fluoreszierende kolloidale Suspension bildet.
Quantitativ kann Aluminium als Chelatkomplex (Oxinat) mit 8-Hydroxychinolin bestimmt werden.
in Form eines roten Korund auf einem Aluminiumoxidkeramik-Substrat -Kristalle aus Aluminiumkaliumsulfat-Dodecahydrat * Aluminiumoxid Al2O3 (englisch alumina), auch als Tonerde oder Korund bekannt, liegt als weißes Pulver oder in Form sehr harter Kristalle vor. Es ist das Endprodukt des Bayer-Verfahrens und dient in erster Linie als Ausgangsmaterial für die Aluminiumgewinnung (Schmelzflusselektrolyse). Es wird darüber hinaus als Schleif- oder Poliermittel und für Uhrensteine, Ziehsteine und Düsen verwendet. In keramischer Form dient es als Isolierstoff, Konstruktionskeramik, als Substratmaterial für Dickschichtschaltkreise, als Grundplatte von Leistungshalbleitern und in transparenter Form als Entladungsgefäß von Natriumdampf-Hochdrucklampen. * Aluminiumhydroxid Al(OH)3 wird ebenfalls nach dem Bayer-Verfahren gewonnen und ist das wichtigste Ausgangsmaterial zur Erzeugung anderer Al-Verbindungen, vor allem für Aluminate. Als reines Produkt wird es als Füllstoff und zum Brandschutz in Kunststoffen und Beschichtungen eingesetzt. * Aluminiumchlorid, Polyaluminiumchlorid und Aluminiumsulfat werden vor allem als Flockungsmittel in der Wasseraufbereitung, Abwasserreinigung und der Papierindustrie eingesetzt. * Natriumaluminat NaAl(OH)4 wird ebenfalls als Flockungsmittel verwendet und ist weiterhin Rohstoff für die Zeolith-Produktion, Titandioxid-Beschichtung und Calciumaluminatsulfat-Herstellung. * Zeolithe (Alumosilikate) als Ionenaustauscher, in Lebensmitteln und in Waschmitteln zur Wasserenthärtung. * Alaune (Kaliumaluminiumsulfat, KAl(SO4)2·12H2O). Wegen seiner adstringierenden Wirkung als Rasierstift eingesetzt zum Stillen von kleinen Blutungen. * Aluminiumdiacetat, bekannt als essigsaure Tonerde für entzündungshemmende Umschläge. * Aluminiumorganische Verbindungen wie Triethylaluminium werden im großtechnischen Maßstab als Katalysatoren in der Polyethylen-Herstellung eingesetzt. Ein weiteres Anwendungsgebiet ist die Halbleitertechnik. Hier werden flüchtige Aluminiumalkyle (Trimethylaluminium, Triethylaluminium) als Vorstufen zur CVD (chemical vapor deposition) von Aluminiumoxid verwendet, das man als Isolator und Ersatz für das nicht ausreichend isolierende Siliciumdioxid einsetzt. * Aluminiumoxynitrid ist ein transparenter keramischer Werkstoff. * Aluminiumnitrid ist ein Konstruktions- und Isolationswerkstoff und zeichnet sich durch sehr hohe Wärmeleitfähigkeit bei Raumtemperatur aus. Außerdem könnte die hohe Bandlücke die Anwendung als Wide-Bandgap-Halbleiter ermöglichen. * Lithiumaluminiumhydrid (LiAlH4) ist ein starkes Reduktionsmittel, welches weitverbreitet bei der Synthese organischer Verbindungen ist. * Phosphate: Aluminiumphosphate sind Aluminiumsalze der Phosphorsäure. Aufgrund der Eigenschaft der Phosphorsäure beziehungsweise des Phosphat-Anions (PO43−), unter bestimmten Bedingungen Wasser abzuspalten und infolgedessen zu polymerisieren, sind verschiedene Aluminiumphosphate bekannt: ** Aluminiumorthophosphat (AlPO4) ** Aluminiummetaphosphat (Al(PO3)3) ** Monoaluminiumphosphat (Al(H2PO4)3) ** Aluminiumpolyphosphat
* Hans Joliet (Hrsg.): Aluminium – Die ersten hundert Jahre. VDI Verlag, 1988, ISBN 3-18-400802-9. Deutsche Fachliteratur * Friedrich Ostermann: Anwendungstechnologie Aluminium. 3. Auflage. Springer, 2014, ISBN 978-3-662-43806-0. * Aluminium-Taschenbuch. Aluminium-Verlag, Düsseldorf: ** Band 1: Grundlagen und Werkstoffe, 16. Auflage, 2002. ** Band 2: Umformen von Aluminium-Werkstoffen, Gießen von Aluminium-Teilen, Oberflächenbehandlung von Aluminium, Recycling und Ökologie, 15. Auflage 1999, 672 S. ** Band 3: Weiterverarbeitung und Anwendung, 16. Auflage, 2003, 863 S. * Luitgard Marschall: Aluminium. Metall der Moderne. Oekom, München 2008, ISBN 978-3-86581-090-8. Englische Fachliteratur * George E. Totten, D. Scott MacKenzie: Handbook of Aluminum. Marcel Dekker, Yew York, Basel: ** Band 1: Physical Metallurgy and Processes. 2003, 1296 Seiten ** Band 2: Alloy Production and Materials Manufacturing. 2003, 724 Seiten * Joseph R. Davis (Hrsg.): Aluminum and Aluminum Alloys. 4. Auflage, 1998, 784 Seiten
* Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), 20. Juli 2020: ) * – Umfangreiche Materialinformationen und Bilder. * , Verband der deutschen Aluminiumindustrie * Andrea Wille, Sigrid März: ], 3. September 2020 * Delia Friess: ], 23. Januar 2023
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Antimon
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Antimon [] (von lateinisch Antimonium, vermutlich von arabisch „al-ithmîd(un)“ (, Antimonsulfid bzw. Stibnit)) ist ein chemisches Element mit dem Elementsymbol Sb (von ‚(Grau-)Spießglanz‘) und der Ordnungszahl 51. Im Periodensystem steht es in der 5. Periode und der 5. Hauptgruppe, bzw. 15. IUPAC-Gruppe oder Stickstoffgruppe. Es ist ein silbergraues, sprödes, seltenes Halbmetall, welches dem Arsen ähnelt. Die beiden stabilen Isotope Antimon-121 und Antimon-123 sind die einzigen natürlich vorkommenden. Antimon kommt in der Natur in vielen Mineralen vor, die Produktion erfolgt hauptsächlich aus Stibnit. Der größte Produzent von Antimon ist mit Abstand die Volksrepublik China, die auch die größten Reserven des Halbmetalls besitzt. Verwendung findet Antimon in Legierungen, überwiegend mit Blei und Zinn. Auch in der Halbleitertechnik findet es Applikationen. Historische Bedeutung hat die medizinische Verwendung des Elements. Antimon ist giftig, es besteht ein Verdacht auf eine krebserregende Wirkung.
Das Wort Antimon leitet sich von mittellateinisch antimonium ab und geht zurück auf arabisch iṯmid, das wie griechisch στίμμι, verwandt mit lateinisch stibium, auf ägyptisch-koptisch stim (von altägyptisch sdm) zurückgeht. Es wurde auch vermutet, dass der Name als griechisch anthémonion auf das spätgriechische anthemon („Blüte“) zurückgeht. Damit sollten die stängelartigen Kristalle von Stibnit (Antimonsulfid, Sb2S3) beschrieben werden, die büschelförmig erschienen und wie eine Blüte aussähen. Im 11. Jahrhundert findet sich der lateinische Begriff für die mineralische Arzneidroge antimonium (auch anthimonium und anthimonum) zur innerlichen Therapie von Krankheiten dann bei Constantinus Africanus. Im 15. Jahrhundert kannte man noch kein metallisches Antimon, sondern nur die Schwefelverbindung. Im 17. Jahrhundert ging der Name Antimon als Bezeichnung für das natürlich vorkommende schwarze Schwefelantimon (Antimontrisulfid, genannt auch antimonium crudum) auf das Halbmetall (Antimon) über. Die koptische Bezeichnung für das Schminkpuder Antimonsulfid ging über das Griechische in das Lateinische stibium über. Die vom schwedischen Mediziner und Chemiker Jöns Jakob Berzelius („Vater der modernen Chemie“) benutzte Abkürzung Sb wird noch heute als Elementsymbol genutzt. Eine späte legendäre bzw. spaßhafte Volksetymologie, die von Samuel Johnson in seinem Wörterbuch verewigt wurde, besagt, dass der deutsche Mönch Basilius Valentinus die Beobachtung machte, dass Schweine durch die Aufnahme von „Antimon“ schnell fett wurden. Er probierte dies auch an seinen Ordensbrüdern aus, woraufhin diese allerdings starben, sodass der Begriff „antimoine“ (antimönchisch) geprägt wurde, aus dem später „Antimon“ entstanden sei. Als Typlokalität für gediegenes Antimon gilt die Silbergrube in der schwedischen Gemeinde Sala im Västmanland. Allerdings war metallisches Antimon schon den Chinesen und Babyloniern bekannt. Einige seiner Verbindungen wurden schon in der Bronzezeit als Zuschlag zu Kupfer verwendet, um Bronze herzustellen (Funde von Velem-St. Vid in Ungarn).
Antimon ist ein selten vorkommendes Element. Da es in der Natur auch gediegen (das heißt in elementarer Form) gefunden werden kann, wird es von der International Mineralogical Association (IMA) unter der System-Nr. 1.CA.05 als Mineral anerkannt. Weltweit konnte gediegenes Antimon bisher (Stand: 2011) an rund 300 Fundorten nachgewiesen werden. So unter anderem in mehreren Regionen von Australien; in den bolivianischen Departements La Paz und Potosí; Minas Gerais in Brasilien; Schwarzwald, Fichtelgebirge, Oberpfälzer Wald, Odenwald und im Harz in Deutschland; Seinäjoki in Finnland; mehreren Regionen von Frankreich; Lombardei, Piemont, Sardinien und Trentino-Südtirol in Italien; einigen Regionen von Kanada; einigen Regionen von Österreich; Ost- und Westsibirien und Ural in Russland; neben Västmanland noch Dalarna, Gästrikland, Närke, Södermanland, Värmland und Västerbotten in Schweden; in einigen Regionen der Slowakei; Böhmen und Mähren in Tschechien sowie in vielen Regionen der USA. Eine der weltweit bedeutendsten Lagerstätten für gediegenes Antimon und Antimonerze ist der Murchison greenstone belt in der Murchison Range von Südafrika.
2020 betrug die Antimonförderung weltweit 78.400 Tonnen. Der mit Abstand größte Produzent für Antimon ist China. So wurden 2020 55 % des auf der Welt geförderten Antimons dort gewonnen. Die Staaten mit der größten Förderung von Antimon sind:
Technisch wird Antimon aus dem Antimonglanz gewonnen. Ein Verfahren beruht auf dem Abrösten und der Reduktion mit Kohlenstoff (Röstreduktionsverfahren): :\mathrm{Sb_2S_3 +5\ O_2 \rightarrow \ Sb_2O_4 +3\ SO_2} :\mathrm{Sb_2O_4 +4\ C \rightarrow 2\ Sb + 4\ CO} Eine andere Möglichkeit besteht darin, die Reduktion mit Eisen durchzuführen (Niederschlagsverfahren): :\mathrm{Sb_2S_3 + 3\ Fe \rightarrow 2\ Sb + 3\ FeS} Weltweit wurden zu Beginn des 21. Jahrhunderts zwischen 110.000 und 160.000 Tonnen pro Jahr an Antimon gefördert. Seit 1900 hat sich damit die Fördermenge mehr als verzehnfacht. 87 % der Antimonproduktion findet in China statt (Stand: 2015).
Antimon kann in drei verschiedenen Modifikationen auftreten, wobei metallisches bzw. graues Antimon die beständigste Modifikation ist. Durch Abschrecken von Antimondampf an kalten Flächen entsteht amorphes, schwarzes und sehr reaktives Antimon, welches sich durch Erhitzen wieder in metallisches Antimon umwandelt. Durch elektrolytische Herstellung entsteht explosives Antimon, das beim Ritzen explosionsartig aufglühend und funkensprühend in metallisches Antimon übergeht. Diese Form enthält jedoch immer etwas Chlor und kann nicht als Modifikation betrachtet werden. Gelbes Antimon ist ebenfalls keine eigenständige Modifikation, sondern eine hochpolymere chemische Verbindung mit Wasserstoff.
Metallisches Antimon ist silberweiß, stark glänzend, blättrig-grobkristallin. Es lässt sich aufgrund seiner Sprödigkeit leicht zerkleinern. Elektrische und thermische Leitfähigkeit sind gering.
Mit naszierendem Wasserstoff reagiert Antimon zum instabilen Antimonhydrid SbH3. Von Luft und Wasser wird Antimon bei Raumtemperatur nicht angegriffen. Oberhalb des Schmelzpunkts verbrennt es in Luft mit bläulich-weißer Flamme zu Antimon(III)-oxid. In heißen konzentrierten Mineralsäuren löst es sich auf. Mit den Halogenen reagiert es schon bei Raumtemperatur heftig zu den entsprechenden Halogeniden. In Verbindungen liegt Antimon überwiegend in den Oxidationsstufen +3 und +5 vor. In Metallantimoniden wie Kaliumantimonid K3Sb bildet es Sb3−-Ionen.
Der überwiegende Teil des hergestellten Antimons wird zu Legierungen verarbeitet und zeigt dabei folgende Eigenschaften: * Es dient zur Härtung von Blei- und Zinnlegierungen. * Im Gegensatz zu den meisten anderen Metallen dehnt es sich beim Abkühlen der Schmelze aus (infolge Umwandlung in eine andere Modifikation): Der Antimongehalt kann so eingestellt werden, dass solche Legierungen beim Abkühlen nicht schrumpfen oder sich sogar etwas ausdehnen; beim Guss presst sich das Metall dadurch beim Erstarren in alle Ecken und Winkel, so dass auch komplizierte Formen und stark gemusterte Oberflächen lunkerfrei hergestellt werden können. Wichtige Legierungen: * Blei-Antimon-Legierungen: Hartblei, Letternmetall, Lagermetall, Akkumulatoren-Blei, Bleimantel für Erdkabel * Zinn-Antimon-Legierungen: Britanniametall, Lagermetall * Herstellung von Halbleitern, z. B. durch Dotierung von Silicium, zur Herstellung von III-V-Verbindungshalbleitern * Zinn-Antimon-Kupferlegierungen (Babbitt-Metall) als Lagermetalle * Zinn-Antimon-Kupfer-Bleilegierungen für Zinngeschirr und andere Gebrauchsartikel aus Zinn * so genanntes Lötzinn oder Weichlot * Aluminium-Antimon, Gallium-Antimon, Indium-Antimon für Infrarot- und Hall-Effekt-Geräte * Schrumpffreie Antimon-Legierungen für Präzisionsguss
„Antimon“ (bzw. ein aus Antimonerz gewonnenes Präparat) war bereits im Alten Ägypten (im Papyrus Ebers gegen Augengeschwüre und Augenpusteln), im Alten Rom (zum selben Zweck bei Celsus) und in Rezeptsammlungen des 15. Jahrhunderts (als Bestandteil von Heilpflastern und Salben) bekannt. Es wurde auch von Paracelsus als Bestandteil dermatologischer Präparate abgehandelt, so in de antimonio, dem ersten Traktat seines erstmals 1569 in Straßburg gedruckten Buches liber praeparationum, worin „Antimon“, etwa in Form des Minerallkermes, als wirksam gegen lepra bzw. scabies squamosa, elephantia bzw. inflatio cruris et pedum, alopetia, morphea, vulnera und ulcera beschrieben wird. Im 16. und 17. Jahrhundert wurde es zu einem (iatrochemischen) „Leitarzneimittel“, war aber – wie auch andere paracelsische Medikamente – umstritten und in Frankreich, wo sich ein hundertjähriger „Antimonstreit“ zwischen Befürwortern und Gegnern der medizinischen Verwendung von Antimon und verschiedenen seiner Verbindungen entwickelt hat, zwischen 1615 und 1688 auch verboten. Das von Paracelsus stets mit Antimon bezeichnete Mineral war der natürlich vorkommende Grauspießglanz (Sb2S2), welcher Blei, Kupfer und Arsen enthalten kann. Das heutige metallische Antimon nannte Paracelsus hingegen „Spießglanzkönig, regulus antimonii“. In der Form von Antimonpillen als Abführmittel. Im Triumphwagen Antimonii von Basilius Valentinus, hrsg. von Johann Thölde und Joachim Tancke, erstmals im Druck erschienen 1604, steht: „Nimb das Glaß, so auß der minera oder auß dem Ertz des Antimonii gemacht worden, gantz klein zerrieben, und extrahiers mit dem Essig, so da distillirt worden, und hernachmals, wenn der Essig wiederumb davon abgezogen und abgesueßt mit einem reinem Spiritu vini zum andern mahl außgezogen worden worden, so sol man dieselbe Extraction wol verschlossen pelicaniren und circuliren einen gantzen Monat, darnach mit einem sondern Handgriff ueber distilliren per se ohne einigen Zusatz, so wirst du eine lieblich suesse, wunderbare Artzeney, in der Form eines schoenen rothen Oels, ueberkommen, auß welchem weiter der Stein Ignis gemacht wird“. Brechweinstein wurde lange als brechreizerregendes Mittel verwendet (Antimonpille), heute wird es noch manchmal verwendet, um den Mageninhalt von Vögeln zu untersuchen. Sowohl Schistosomiasis als auch Trypanosomen wurden beginnend Anfang des 19. Jahrhunderts mit Brechweinstein (Kaliumantimonyltartrat) bekämpft. Brechweinstein wurde hergestellt, indem man für einen Tag Wein in einem Antimonbecher lagerte, und diesen dann austrank. Inzwischen kommen effektivere und verträglichere Medikamente zur Anwendung. Antimonpräparate (dazu gehören die schon länger bekannten Chemotherapeutika wie Fuadin, Neostibosan und Solustibosan) werden meist als weniger toxische pentavalente Formen zur medikamentösen Therapie der Leishmaniose und Schistosomiasis eingesetzt, allerdings in entwickelten Ländern nicht mehr als Mittel der ersten Wahl. Hierbei hemmt Antimon das Enzym Phosphofructokinase, das den geschwindigkeitsbestimmenden Schritt der Glykolyse darstellt.
* Bestandteil von Sprengstoffzündern und bleihaltiger Munition ** in Bremsbelägen von Fahrzeugen ** war ca. 1826 im Zündkopf des ersten echten Streichholzes von John Walker enthalten. Seit der Erfindung der Sicherheitsstreichhölzer hat es an Bedeutung verloren und wird heute nur noch selten in Reibflächen verwendet. * Antimon(V)-sulfid: ** zur Herstellung (Vulkanisieren) von rotem Kautschuk (Beispiel: Labor-Gummischläuche) ** früher als Augenschminken und in der Augenheilkunde („Augenerweiterer“) * Antimonchromat als gelbes Farbpigment ** Katalysator zur Herstellung von Polyester und PET (Antimon(III)-oxid) ** als Weißpigment zur Färbung von Polystyrol, Polyethylen und Polypropylen ** Herstellung weißer Glasuren und Fritten ** Läuterung von Bleiglas ** mit Zinn dotiert als transparent-leitfähige Beschichtung („ATO“ Antimon-Tin-Oxide), beispielsweise auf Gläsern, zur Herstellung von Displays oder in elektrisch leitfähigen Pigmenten („Minatec“), für Fußbodenbeläge zur Ableitung elektrostatischer Aufladungen. ** in Pigmenten („Lazerflair“) für die Laserbeschriftung von Kunststoffteilen, wegen der starken Absorption von Infrarot-Strahlung üblicher Markierungslaser (Nd:YAG). ** in Tarnanstrichen wegen der starken Infrarot-Absorption. ** als Flammschutzmittel und als Bestandteil von flammfesten und flammhemmenden Farben, Kunststoffen und Textilien für Kabelumhüllungen, Autositzbezüge, Vorhangstoffe, Kinderbekleidung u. Ä. * Antimonsalze als Bestandteil von Pestiziden, Beizen und Feuerwerksartikeln * Scheidemittel für Gold: Zur Ausfällung von Silber aus Goldschmelze
Antimon kann bereits bei Ingestion von 200 bis 1200 mg tödlich sein. In der Toxikologie sind drei Antimon-Formen bekannt, von denen das gasförmige Antimonhydrid (Stiban, SbH3) die gefährlichste Form ist, die eine massive Hämolyse, welche ein Nierenversagen bewirken kann, induziert. Nach der Toxizität folgt Brechweinstein mit dreiwertigem („trivalentem“) Antimon, während fünfwertiges Antimon am wenigsten toxisch ist. Das trivalente Antimon wird innerhalb der ersten zwei Stunden nach der Einnahme zu 95 % in rote Blutkörperchen aufgenommen und damit vorwiegend in stark durchbluteten Organen angereichert. Die Exkretion erfolgt vorwiegend durch Bindung an Glutathion über die Galle mit entsprechend hohem enterohepatischen Kreislauf, und nur ein geringer Teil wird über die Nieren ausgeschieden. Kaliumantimonyltartrat wird zu 90 % innerhalb des ersten Tages nach Aufnahme ausgeschieden, die übrigen 10 % aufgrund einer langsameren Eliminationskinetik über 16 Tage. Es wird vermutet, dass Antimon ähnlich wie Arsen die Funktion des Pyruvatdehydrogenase-Komplexes hemmt und somit zu einem Mangel des intrazellulären Energieträgers Adenosintriphosphat (ATP) führt. Dabei kommt es zur Bildung von Chelatkomplexen zwischen dem Antimon und Thiol-Gruppen der entsprechenden Enzyme. Im Körper wirkt es in zahlreichen Organen toxisch, so im Verdauungstrakt, in der Leber, in den Nieren, im Herz und im Zentralnervensystem. Die höchste Konzentration erreicht Antimon in der Leber, wo es zu einer Hepatitis bis hin zum Leberversagen kommen kann. Am Herzen kommt es zu EKG-Veränderungen mit Inversion und Verminderung der T-Welle und verlängertem QT-Intervall. Therapeutisch erfolgt bei einer Antimon-Vergiftung neben unterstützenden Maßnahmen wie Infusionstherapie (sowohl zum Ausgleich des Flüssigkeitsverlustes durch das Erbrechen als auch zum Schutz der Nieren), und engmaschiger Überwachung der Vitalfunktionen und des EKGs die Gabe von Aktivkohle, N-Acetylcystein als Vorläufer des Glutathions zur vermehrten Sekretion und eines Chelatbildners, z. B. Dimercaprol. Ergebnisse aus Untersuchungen deuten darauf hin, dass Antimonverbindungen Haut und Schleimhäute reizen. Diese Verbindungen lösen sich vermutlich aus Kunststoff und Textilien.
Von den Antimonverbindungen sind seitens der EU Antimonfluorid als giftig (T) und die Chloride als ätzend (C) eingestuft, außerdem als umweltgefährlich (N); alle anderen Antimonverbindungen als gesundheitsschädlich (Xn) und umweltgefährlich (N). Antimon selbst ist dort nicht aufgeführt, laut Sicherheitsdatenblatt ist es als reizend gekennzeichnet. Die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) stuft Antimon(III)-oxid als möglicherweise krebserzeugende Substanz ein. In der EU gilt für Trinkwasser ein Grenzwert von 5 µg/l. Untersuchungen von in PET-Flaschen abgefüllten Fruchtsäften (für die keine Richtlinien existieren) ergaben Antimonkonzentrationen bis zu 44,7 µg/l in unverdünnten Saftkonzentraten. Antimon wurde 2016 von der EU gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (REACH) im Rahmen der Stoffbewertung in den fortlaufenden Aktionsplan der Gemeinschaft (CoRAP) aufgenommen. Hierbei werden die Auswirkungen des Stoffs auf die menschliche Gesundheit bzw. die Umwelt neu bewertet und ggf. Folgemaßnahmen eingeleitet. Ursächlich für die Aufnahme von Antimon waren die Besorgnisse bezüglich Exposition von Arbeitnehmern, hoher (aggregierter) Tonnage, hohes Risikoverhältnis (Risk Characterisation Ratio, RCR) und weit verbreiteter Verwendung sowie der möglichen Gefahr durch krebsauslösende Eigenschaften. Die Neubewertung läuft seit 2018 und wird von Deutschland durchgeführt.
Flammenfärbung: Flamme fahlblau, wenig charakteristische Phosphorsalzperle: Farblos (gestört durch alle Elemente, die eine farbige Perle erzeugen) Reduktion durch unedle Metalle, zum Beispiel Eisen, Zink oder Zinn. In nicht zu sauren Lösungen reduzieren unedle Metalle Antimon-Kationen Sb(III), Sb(V) und Sb(III)/(V) zu metallischem Antimon: :2 Sb^3+ + 3 Fe -> 2 Sb +3 Fe^2+ Die auf Antimon zu prüfende Substanz wird in salzsaure Lösung gegeben und mit Eisenpulver versetzt. Es entsteht ein schwarzer, flockiger Niederschlag aus metallischem Antimon in der Lösung oder direkt am Eisen. Auch der Nachweis an einem Eisennagel ist möglich. Dabei ist eine schwarze Ablagerung am Nagel ein Nachweis für Antimon, welches sich hier elementar niedergeschlagen hat. Die Marshsche Probe gestattet einen eindeutigen Nachweis von Antimon. Wenn die pyrolytisch abgeschiedene Substanz (dunkel glänzender Spiegel) sich nicht in ammoniakalischem Wasserstoffperoxid löst, sind Arsen und Germanium als mögliche Alternativen ausgeschlossen. Die hochempfindliche Bestimmung winziger Antimonspuren erfolgt durch die Hydridtechnik der Atomspektrometrie. Hierbei wird im Prinzip die Marshsche Probe mit der Atomabsorptionsspektrometrie gekoppelt. Die Matrixeffekte der Probelösung lassen sich dadurch sehr wirksam unterdrücken. Eine weitere Methode besteht darin, eine wässrige Lösung, in der Antimonionen enthalten sind, mit Rhodamin-B-Lösung zu versetzen. Es bildet sich ein farbiger Komplex, der mit Isopropylether extrahierbar ist. Dieser Nachweis ist allerdings recht unspezifisch, da auch Gold-, Cadmium-, Gallium, Thallium-, Uran- und Wolfram-ionen farbige Komplexe bilden.
* Antimonwasserstoff, auch Monostiban SbH3 genannt.Giftiges Gas, das sich aus Antimon und einwirkenden Säuren bildet.
* Antimon(V)-fluorid (SbF5) bildet (nach VSEPR) eine quadratische Pyramide aus und hybridisiert dabei zu sp3d * Antimon(V)-chlorid (SbCl5) * Antimon(III)-fluorid (SbF3) * Antimon(III)-chlorid (SbCl3) * Antimon(III)-bromid (SbBr3) * Antimon(III)-iodid (SbI3)
* Antimon(III)-oxid (Antimontrioxid, Sb2O3), das in der Natur vorkommt und das beim Verbrennen von Antimon an der Luft entsteht * Antimon(III,V)-oxid (Antimontetroxid, Sb2O4), wird ebenfalls in der Natur aufgefunden und entsteht beim Erhitzen von Sb2O3 * Antimon(V)-oxid (Antimonpentaoxid, Sb2O5) * Es existieren Salze, die sich von der hypothetischen wasserreichen Form der antimonigen Säure HSb(OH)4 ableiten. Die antimonige Säure selbst, das Antimontrihydroxid (H3SbO3/Sb(OH)3), ist nicht isolierbar. Es wirkt aufgrund der Reaktion Sb(OH)3 + H2O -> Sb(OH)4- + H+ als schwache Säure (pKS = 11). Es ist amphoter und kann auch als sehr schwache Base wirken (Sb(OH)3 -> SbO+ + OH- + H2O ) * Antimonsäure (HSb(OH)6)
* Antimontrisulfid, auch Antimonglanz genannt (Sb2S3)Grauschwarze, metallisch glänzende Stängel. Ausgangsstoff zur Herstellung metallischen Antimons. Löslich in starken Säuren. Verwendung für Streichhölzer, Rubingläser und Tarnanstriche (Reflexion von IR-Licht). * Antimonpentasulfid, früher als Goldschwefel bezeichnet (Sb2S5)
* Antimon(V)-chloridfluorid (SbCl4F) (Katalysator für die Herstellung von Polytetrafluorethylen [„Teflon“]) * Aluminiumantimonid (AlSb) * Galliumantimonid (GaSb) * Indiumantimonid (InSb) * Kaliumdihydrogenpyroantimonat (K2H2Sb2O7)
* Willem Frans Daems: Stimmi – Stibium – Antimon. Eine substanzhistorische Betrachtung. (= Weleda-Schriftenreihe. 9). Arlesheim/Schwäbisch Gmünd 1976. * Ulrich Trense: Das Antimon und seine Verbindungen, ihre medizinische Bedeutung im 16. und 17. Jahrhundert (= Arbeiten der Forschungsstelle des Instituts für Geschichte der Medizin der Universität zu Köln. Band 34). Medizinische Dissertation Köln 1985.
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Argon
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Argon ( „untätig, träge“) ist ein chemisches Element mit dem Symbol Ar (bis 1957 nur A) und der Ordnungszahl 18. Im Periodensystem steht es in der 8. Hauptgruppe bzw. der 18. IUPAC-Gruppe und zählt daher zu den Edelgasen. Wie die anderen Edelgase ist es ein farbloses, äußerst reaktionsträges, einatomiges Gas. In vielen Eigenschaften wie Schmelz- und Siedepunkt oder Dichte steht es zwischen dem leichteren Neon und dem schwereren Krypton. Argon ist das häufigste auf der Erde vorkommende Edelgas, der Anteil an der Atmosphäre beträgt etwa 0,934 %. Damit ist Argon der dritthäufigste Bestandteil der Erdatmosphäre, nach Stickstoff und Sauerstoff. Dies ist großteils auf den Zerfall des Kaliumisotops 40K zurückzuführen, bei dem 40Ar entsteht. Argon war das erste Edelgas, das als Stoff entdeckt und gewonnen wurde, daher der Name, der im Grunde zu jedem Edelgas passt. Helium (von griechisch helios für „Sonne“) wurde vorher lediglich spektroskopisch im Sonnenlicht sowie in irdischen Proben nachgewiesen und Neon erst später entdeckt. Argon wurde 1894 von Lord Rayleigh und William Ramsay durch fraktionierte Destillation von flüssiger Luft gefunden. Als preiswertestes Edelgas wird Argon in großen Mengen als Schutzgas etwa beim Schutzgasschweißen und in der Produktion von manchen Metallen, aber auch als Füllgas von Glühlampen verwendet.
Einen ersten Hinweis auf das später entdeckte Argon fand Henry Cavendish, der 1785 die Reaktivität der Luft erforschte. Er erzeugte elektrische Entladungen in einer bestimmten Menge Luft, die mit Sauerstoff im Verhältnis von 5:3 angereichert war. Stickstoff und Sauerstoff reagierten miteinander und die entstandenen Stickoxide konnten ausgewaschen werden. Dabei blieb stets ein kleiner Rest nicht-reagierten Gases zurück. Cavendish erkannte jedoch nicht, dass es sich dabei um ein anderes Element handelte und setzte seine Experimente nicht fort. Nachdem John William Strutt, 3. Baron Rayleigh 1892 die Dichte von aus Luft isoliertem Stickstoff bestimmt hatte, fiel ihm auf, dass aus Ammoniak gewonnener Stickstoff eine niedrigere Dichte aufwies. Es gab verschiedene Spekulationen zu diesem Befund; so meinte James Dewar, es müsse sich um ein N3, also ein Stickstoff-Analogon zu Ozon handeln. Rayleigh wiederholte Cavendishs Experimente, indem er in einer luftgefüllten Glaskugel elektrische Funken erzeugte und so Stickstoff und Sauerstoff zur Reaktion brachte. Nach Bestätigung von Cavendishs Ergebnis eines unreaktiven Rückstandes untersuchte William Ramsay diesen ab 1894 durch Überleitung über heißes Magnesium genauer. Da Magnesium mit Stickstoff zum Nitrid reagiert, konnte er dem Gemisch weiteren Stickstoff entziehen. Dabei stellte er eine Erhöhung der Dichte fest und fand schließlich ein bislang unbekanntes, reaktionsträges Gas. Am 31. Januar 1895 gaben Ramsay und Rayleigh schließlich die Entdeckung des neuen Elements bekannt, das sie nach dem altgriechischen argos, „träge“, Argon nannten. Als William Ramsay ab 1898 das aus der Luft isolierte Argon weiter untersuchte, entdeckte er darin drei weitere Elemente, die Edelgase Neon, Krypton und Xenon. Erste technische Anwendungen fand das Gas in der Elektroindustrie: Es wurden unter anderem Gleichrichter auf der Basis der Glimmentladung in Argon hergestellt, die sogenannten Tungar-Röhren.
Argon zählt im Universum zu den häufigeren Elementen, in seiner Häufigkeit ist es vergleichbar mit Schwefel und Aluminium. Es ist im Universum nach Helium und Neon das dritthäufigste Edelgas. Dabei besteht primordiales Argon, das etwa in der Sonne oder Gasplaneten wie Jupiter gefunden wird, hauptsächlich aus den Isotopen 36Ar und 38Ar, während das dritte stabile Isotop, 40Ar, dort nur in geringer Menge vorkommt. Das Verhältnis von 36Ar zu 38Ar beträgt etwa 5,7. Auf der Erde ist Argon dagegen das häufigste Edelgas. Es macht 0,934 % des Volumens der Atmosphäre (ohne Wasserdampf) aus und ist damit nach Stickstoff und Sauerstoff der dritthäufigste Atmosphärenbestandteil. Die Zusammensetzung terrestrischen Argons unterscheidet sich erheblich von derjenigen des primordialen Argons im Weltall. Es besteht zu über 99 % aus dem Isotop 40Ar, das durch Zerfall des Kaliumisotops <sup>40</sup>K entstanden ist. Die primordialen Isotope sind dagegen nur in geringen Mengen vorhanden. Da Argon durch den Kaliumzerfall in der Erdkruste entsteht, findet man es auch in Gesteinen. Beim Schmelzen von Gesteinen im Erdmantel gast Argon, aber auch das beim Alpha-Zerfall entstehende Helium aus. Es reichert sich daher vorwiegend in den Basalten der ozeanischen Erdkruste an. Aus den Gesteinen wird Argon an das Grundwasser abgegeben. Daher ist in Quellwasser, vor allem wenn es aus größerer Tiefe kommt, Argon gelöst.
Die Gewinnung des reinen Argons erfolgt ausschließlich aus der Luft, in der Regel im Rahmen der Luftverflüssigung im Linde-Verfahren. Argon wird dabei nicht in der Haupt-Rektifikationskolonne des Verfahrens von den Hauptluftbestandteilen getrennt, sondern in einer eigenen Argon-Kolonne. In dieser wird durch Rektifikation zunächst Rohargon hergestellt, das noch etwa 3–5 % Sauerstoff und 1 % Stickstoff enthält. Anschließend wird Rohargon in weiteren Stufen gereinigt. Das Gasgemisch wird zunächst auf Raumtemperatur erwärmt und auf 4–6 bar verdichtet. Um den restlichen Sauerstoff zu entfernen, wird danach Wasserstoff eingespritzt, der an Edelmetall-Katalysatoren mit dem Sauerstoff zu Wasser reagiert. Nachdem dieses entfernt wurde, wird in einer weiteren Kolonne das Argon, das sich am unteren Ende der Kolonne anreichert, vom restlichen Stickstoff getrennt, so dass Argon mit einer Reinheit von 99,9999 % (Argon 6.0) produziert werden kann. Weitere Quellen für die Gewinnung von Argon sind die Produktion von Ammoniak im Haber-Bosch-Verfahren sowie die Synthesegasherstellung, etwa zur Methanolproduktion. Bei diesen Verfahren, die Luft als Ausgangsstoff nutzen, reichern sich Argon und andere Edelgase im Produktionsprozess an und können aus dem Gasgemisch isoliert werden. Wie beim Linde-Verfahren werden auch hier die verschiedenen Gase durch Adsorption oder Rektifikation voneinander getrennt und so reines Argon gewonnen.
Wie alle Edelgase besitzt Argon nur abgeschlossene Schalen (Edelgaskonfiguration). Dadurch lässt sich erklären, dass das Gas stets einatomig vorliegt und die Reaktivität gering ist. In Wasser ist Argon etwas löslich. In einem Liter Wasser können sich bei 0 °C und Normaldruck maximal 53,6 ml Argon lösen.
Als Edelgas reagiert Argon fast nicht mit anderen Elementen oder Verbindungen. Bislang ist nur das experimentell dargestellte Argonfluorohydrid HArF bekannt, das durch Photolyse von Fluorwasserstoff in einer Argonmatrix bei 7,5 K gewonnen wird und anhand neuer Linien im Infrarotspektrum identifiziert wurde. Oberhalb von 27 K zersetzt es sich. Nach Berechnungen sollten weitere Verbindungen des Argons metastabil sein und sich verhältnismäßig schwer zersetzen; diese konnten jedoch experimentell bislang nicht dargestellt werden. Beispiele hierfür sind das Chloranalogon des Argonfluorohydrides HArCl, aber auch Verbindungen, bei denen das Proton durch andere Gruppen ersetzt ist, etwa FArCCH als organische Argonverbindung und FArSiF3 mit einer Argon-Silicium-Bindung. Argon bildet einige Clathrate, in denen es physikalisch in Hohlräume eines umgebenden Kristalls eingeschlossen ist. Bei −183 °C ist ein Argon-Hydrat stabil, jedoch ist die Geschwindigkeit der Bildung sehr langsam, da eine Umkristallisierung stattfinden muss. Ist das Eis mit Chloroform gemischt, bildet sich das Clathrat schon bei −78 °C. Stabil ist auch ein Clathrat von Argon in Hydrochinon.
Insgesamt sind 23 Isotope sowie ein weiteres Kernisomer von Argon bekannt. Von diesen sind drei, nämlich die Isotope 36Ar, 38Ar und 40Ar, stabil und kommen in der Natur vor. Dabei überwiegt bei weitem 40Ar mit einem Anteil von 99,6 % am natürlichen irdischen Isotopengemisch. 36Ar und 38Ar sind mit einem Anteil von 0,34 % beziehungsweise 0,06 % selten. Von den instabilen Isotopen besitzen 39Ar mit 269 Jahren und 42Ar mit 32,9 Jahren die längsten Halbwertszeiten. Alle anderen Isotope besitzen kurze Halbwertszeiten im Bereich von unter 10 ps bei 30Ar bis 35,04 Tagen bei 37Ar. 40Ar wird für die Altersbestimmung von Gesteinen genutzt (Kalium-Argon-Datierung). Dabei wird ausgenutzt, dass instabiles 40K, das in diesen enthalten ist, langsam zu 40Ar zerfällt. Je mehr Kalium zu Argon zerfallen ist, desto älter ist das Gestein. Das kurzlebige Isotop 41Ar kann zur Überprüfung von Gasleitungen verwendet werden. Durch das Durchleiten von 41Ar kann die Leistungsfähigkeit einer Belüftung oder Dichtigkeit einer Leitung festgestellt werden. 39Ar wird hingegen für die Altersbestimmung von Grund-, See- und Ozeanwasser sowie von Gletschereis verwendet. So lange das Wasser Kontakt zur Atmosphäre hat, löst sich Argon zu gleichen Teilen wie es in dieser vorkommt. Sobald das Wasser von der Atmosphäre abgeschlossen ist, verringert sich der Anteil des gelösten 39Ar aufgrund seines Zerfalls mit einer Halbwertszeit von 269 Jahren. Mittels Low Level Counting (LLC) oder Atom Trap Trace Analysis (ATTA) kann der verbliebene Anteil an 39Ar bestimmt und darüber das Alter berechnet werden. → Liste der Argon-Isotope
Wie die anderen Edelgase hat Argon auf Grund der Reaktionsträgheit keine biologische Bedeutung und ist auch nicht toxisch. In höheren Konzentrationen wirkt es durch Verdrängung des Sauerstoffs erstickend. Bei Drücken von mehr als 24 bar wirkt es narkotisierend.
Als günstigstes und in großen Mengen verfügbares Edelgas wird Argon in vielen Bereichen verwendet. Die Produktion betrug 1998 weltweit etwa zwei Milliarden m³ bzw. zwei km³. Der größte Teil des Argons wird als Schutzgas verwendet und wird vor allem dann genutzt, wenn Stickstoff nicht anwendbar ist, da Stickstoff bei hohen Temperaturen unerwünschte chemische Reaktionen eingeht. Beispiele sind spezielle Schweißverfahren wie das Metallinertgasschweißen (MIG) und das Wolfram-Inertgas-Schweißen (WIG), welches beim Schweißen von Aluminiumlegierungen oder von hoch legierten Stählen verwendet wird. Argon dient dabei als temperaturstabiles Inertgas. Weiterhin wird es in der Metallurgie als Schutzgas, etwa für die Produktion von Titan, hochreinem Silicium oder der Schmelzraffination sowie zum Entgasen von Metallschmelzen genutzt. Argon wird weiters als gasförmiges Löschmittel in geschlossenen Räumen, wie automatischen oder ferngesteuerten EDV- und elektrischen Anlagen, eingesetzt und wirkt dabei durch die Sauerstoffverdrängung brandlöschend. Für diesen Zweck wird reines Argon oder ein Gasgemisch zusammen mit Stickstoff verwendet und damit die Räumlichkeit in kurzer Zeit geflutet. Diese Löschmethode kommt nur in Räumen zum Einsatz, in denen sich normalerweise keine Personen aufhalten. Sind Personen in diesen Räumen tätig, beispielsweise zu Wartungsarbeiten, müssen sie vorab entsprechend unterwiesen sein, um bei einer Aktivierung der Brandlöschanlage und der damit verbundenen Signalisierung unmittelbar die Räumlichkeiten sicher verlassen zu können. Argon ist ein Lebensmittelzusatzstoff (E 938) und dient als Treib- und Schutzgas bei der Verpackung von Lebensmitteln und der Weinherstellung. In der Analytik wird Argon als Träger- und Schutzgas für die Gaschromatographie und das induktiv gekoppelte Plasma (ICP-MS, ICP-OES) verwendet. Glühlampen werden häufig mit Argon-Stickstoff-Gemischen gefüllt, weil eine Gasfüllung die Sublimation des Glühfadens vermindert. Argon hat dabei eine geringere Wärmeleitfähigkeit als leichtere Gase, ist aber preiswerter als andere schwerere und damit noch geringer wärmeleitende Gase wie Krypton oder Xenon. Ein Vorteil der geringeren Wärmeleitfähigkeit ist eine höhere mögliche Glühtemperatur und damit höhere Lichtausbeute. Ebenfalls wegen der geringen Wärmeleitfähigkeit wird es als Füllgas für Isolierglasscheiben verwendet. Auch in Gasentladungslampen dient Argon als Leuchtgas mit einer typischen violetten Farbe. Wird etwas Quecksilber dazugegeben, ändert sich die Farbe ins Blaue. Weiterhin ist Argon das Lasermedium in Argon-Ionen-Lasern. Im Bereich der Stahlerzeugung kommt Argon eine besonders wichtige Rolle im Bereich der Sekundärmetallurgie zu. Mit der Argon-Spülung kann die Stahllegierung entgast und gleichzeitig homogenisiert werden, speziell wird dabei der unerwünschte, gelöste Stickstoff aus der Schmelze entfernt. Beim Tauchen wird Argon – insbesondere bei der Nutzung des heliumhaltigen Trimix als Atemgas – dazu verwendet, um Trockentauchanzüge zu füllen bzw. damit zu tarieren. Hierbei wird ebenfalls die geringe Wärmeleitfähigkeit des Gases genutzt, um das Auskühlen des Anzugträgers zu verzögern. Als Atemgas sind dagegen Gasgemische aus Argon und Sauerstoff (Argox) weitgehend ungeeignet, da Argon um den Faktor 2,3 narkotisierender als Stickstoff ist und damit Tauchtiefen bis nur maximal etwa 15 Meter gefahrlos zu erreichen sind. Die Ursache für den narkotisierenden Effekt ist die gute Lipidlöslichkeit von Argon unter Druck. Seit Mai 2014 ist Argon auf der Dopingliste der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA). Durch den bei der Inhalation von Argon entstehenden Sauerstoffmangel wird die Bildung von körpereigenem Erythropoetin (EPO) aktiviert. Aus demselben Grund ist auch Xenon auf der Dopingliste.
* P. Häussinger, R. Glatthaar, W. Rhode, H. Kick, C. Benkmann, J. Weber, H.-J. Wunschel, V. Stenke, E. Leicht, H. Stenger: Noble Gases. In: Ullmann's Encyclopedia of Industrial Chemistry. Wiley-VCH, Weinheim 2006, doi:10.1002/14356007.a17_485.
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Arsen
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Arsen [] ist ein chemisches Element mit dem Elementsymbol As und der Ordnungszahl 33. Im Periodensystem der Elemente steht es in der 4. Periode und der 5. Hauptgruppe, bzw. 15. IUPAC-Gruppe oder Stickstoffgruppe. Arsen kommt selten gediegen vor, meistens in Form von Sulfiden. Es gehört zu den Halbmetallen, da es je nach Modifikation metallische oder nichtmetallische Eigenschaften zeigt. Umgangssprachlich wird auch das als Mordgift bekannte Arsenik meist einfach „Arsen“ genannt. Arsenverbindungen kennt man schon seit dem Altertum. Als mutagenes Klastogen können Arsenverbindungen als Gift wirken, welches Chromosomenaberrationen hervorrufen und somit karzinogene Wirkung besitzen kann. Arsen wird zur Dotierung von Halbleitern und als Bestandteil von III-V-Halbleitern wie Galliumarsenid genutzt. Die organische Arsenverbindung Arsphenamin (Salvarsan) galt trotz schwerer und schwerster Nebenwirkungen Anfang des 20. Jahrhunderts als Durchbruch in der Behandlung der Syphilis. Heute wird Arsentrioxid als letzte Behandlungsoption in der Therapie der Promyelozytenleukämie angewendet.
gilt als erster Hersteller reinen Arsens Der Name Arsen geht auf zurück, der antiken Bezeichnung des Arsenminerals Auripigment. Sie findet sich schon bei Dioskurides im 1. Jahrhundert. Die griechische Bezeichnung scheint ihrerseits ihren Ursprung im Altpersischen (al-)zarnik (goldfarben, Auripigment, „Arsen“) zu haben und gelangte wohl durch semitische Vermittlung ins Griechische. Volksetymologisch wurde der Name fälschlicherweise vom gleichlautenden (alt- und neu-)griechischen Wort abgeleitet, das sich etwa mit männlich/stark übersetzen lässt. Erst seit dem 19. Jahrhundert ist die Bezeichnung Arsen gebräuchlich. Das Elementsymbol wurde 1814 von Jöns Jakob Berzelius vorgeschlagen. Das alchemistische Symbol ist 🜺 Im Mittelalter wurde Arsenik (Arsen(III)-oxid) im Hüttenrauch (staubbeladenes Abgas metallurgischer Öfen) gefunden. Albertus Magnus beschrieb um 1250 erstmals die Herstellung von Arsen durch Reduktion von Arsenik mit Kohle. Er gilt daher als Entdecker des Elements, auch wenn es Hinweise darauf gibt, dass das elementare Metall schon früher hergestellt wurde. Paracelsus führte es im 16. Jahrhundert in die Heilkunde ein. Etwa zur gleichen Zeit wurden Arsenpräparate in der chinesischen Enzyklopädie Bencao Gangmu des Apothekers Li Shizhen beschrieben. Dieser Autor hebt insbesondere die Anwendung als Pestizid in Reisfeldern hervor. Im 17. Jahrhundert wurde das gelbe Auripigment bei niederländischen Malern als Königsgelb populär. Da sich das Pigment über längere Zeiträume hinweg in Arsen(III)-oxid umwandelt und von der Leinwand bröckelt, verursacht es Schwierigkeiten bei der Restaurierung. Von 1740 bis 1808 wurden Arsenpräparate in Europa mit Erfolg als Beizmittel im Pflanzenschutz eingesetzt. Wegen ihrer hohen Giftigkeit wurde diese Nutzung schließlich verboten. Der Einsatz von Arsenzusätzen für den Bleiguss beruht auf der größeren Härte solcher Bleilegierungen, typische Anwendung sind Schrotkugeln. Obwohl die Giftigkeit und die Verwendung als Mordgift bekannt war, fand Arsen im beginnenden 19. Jahrhundert Anwendung als eines der bedeutendsten Asthmamittel. Die Grundlage bildeten anscheinend Berichte, in denen den Chinesen nachgesagt wurde, sie würden Arsen in Kombination mit Tabak rauchen, um Lungen zu bekommen, die stark wie Blasebälge seien. Ebenfalls bis ins 19. Jahrhundert fanden Arsenverbindungen äußerlich und innerlich Anwendung bei bösartigen Geschwülsten, Hauterkrankungen und (etwa in Form der Fowlerschen Tropfen) bei Fieber. Arsen wurde in Form von Kupferarseniten in Farbmitteln wie dem Pariser Grün eingesetzt, um Tapeten zu bedrucken, oder für den Farbschnitt bei Büchern verwendet. Bei hoher Feuchtigkeit wurden diese Pigmente durch Schimmelpilzbefall in giftige flüchtige Arsenverbindungen umgewandelt, die nicht selten zu chronischen Arsenvergiftungen führten. In der Gegenwart werden ältere Bücher auf möglichen Arsengehalt hin untersucht und geeignete Sicherheitsmaßnahmen ergriffen. Im Ersten Weltkrieg wurden Arsenverbindungen in chemischen Kampfstoffen (etwa Blaukreuz und Lewisit) eingesetzt. Bei den Opfern bewirkten sie durch Angriff auf Haut und Lungen grausame Schmerzen und schwerste körperliche Schädigungen.
aus Sankt Andreasberg im Harz(Mineralogisches Museum der Universität Bonn) Arsen (Scherbenkobalt) kommt in der Natur gediegen, das heißt in elementarer Form, vor und ist daher von der International Mineralogical Association (IMA) als eigenständiges Mineral anerkannt. Gemäß der Systematik der Minerale nach Strunz (9. Auflage) wird Arsen unter der System-Nr. 1.CA.05 (Elemente – Halbmetalle (Metalloide) und Nichtmetalle – Arsengruppen-Elemente) (8. Auflage: I/B.01-10) eingeordnet. Die im englischsprachigen Raum ebenfalls geläufige Systematik der Minerale nach Dana führt das Element-Mineral unter der System-Nr. 01.03.01.01. Weltweit sind zurzeit rund 330 Vorkommen für gediegenes Arsen dokumentiert (Stand 2011). In Deutschland wurde es an mehreren Fundstätten im Schwarzwald (Baden-Württemberg), im bayerischen Spessart und Oberpfälzer Wald, im hessischen Odenwald, in den Silberlagerstätten des Westerzgebirges (Sachsen), am Hunsrück (Rheinland-Pfalz), im Thüringer Wald sowie in Reichenstein/Niederschlesien gefunden. In Österreich trat Arsen an mehreren Fundstätten in Kärnten, Salzburg und der Steiermark zutage. In der Schweiz fand sich gediegen Arsen in den Kantonen Aargau und Wallis. Weitere Fundorte sind in Australien, Belgien, Bolivien, Bulgarien, Chile, China, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Japan, Kanada, Kasachstan, Kirgisistan, Madagaskar, Malaysia, Marokko, Mexiko, Mongolei, Neuseeland, Norwegen, Österreich, Peru, Polen, Rumänien, Russland, Schweden, Slowakei, Spanien, Tschechien, Ukraine, Ungarn, im Vereinigten Königreich (Großbritannien) und in den Vereinigten Staaten (USA) bekannt. Weit häufiger kommt das Element in verschiedenen intermetallischen Verbindungen mit Antimon (Allemontit) und Kupfer (Whitneyit) sowie in verschiedenen Mineralen vor, die überwiegend der Klasse der Sulfide und Sulfosalze angehören. Insgesamt sind bisher (Stand: 2011) 565 Arsenminerale bekannt. Die höchsten Konzentrationen an Arsen enthalten dabei unter anderem die Minerale Duranusit (ca. 90 %), Skutterudit und Arsenolith (jeweils ca. 76 %), die allerdings selten zu finden sind. Weit verbreitet sind dagegen Arsenopyrit (Arsenkies), Löllingit, Realgar (Rauschrot) und Auripigment (Orpiment, Rauschgelb). Weitere bekannte Minerale sind Cobaltit (Kobaltglanz), Domeykit (Arsenkupfer), Enargit, Gersdorffit (Nickelarsenkies), Proustit (Lichtes Rotgültigerz, Rubinblende), Rammelsbergit sowie Safflorit und Sperrylith. Arsenate finden sich häufig in phosphathaltigen Gesteinen, da sie eine vergleichbare Löslichkeit aufweisen; das häufigste Sulfidmineral Pyrit kann bis zu einigen Massenprozent Arsen einbauen. Arsen wird heutzutage als Nebenprodukt der Verhüttung von Gold-, Silber-, Zinn-, Kupfer-, Cobalt- und weiteren Buntmetallerzen sowie bei der Verarbeitung von Phosphatrohstoffen gewonnen. Die größten Produzenten im Jahr 2009 waren China, Chile, Marokko und Peru. Arsen ist nur schwer wasserlöslich und findet sich daher nur in geringen Spuren, etwa 1,6 ppb (Milliardstel Massenanteilen), in Meeren und Ozeanen. In der Luft findet man Arsen in Form von partikulärem Arsen(III)-oxid. Als natürliche Ursache dafür hat man Vulkanausbrüche identifiziert, die insgesamt jährlich geschätzte 3000 Tonnen in die Erdatmosphäre eintragen. Bakterien setzen weitere 20.000 Tonnen in Form organischer Arsenverbindungen wie Trimethylarsin frei. Ein großer Teil des freigesetzten Arsens entstammt der Verbrennung fossiler Brennstoffe wie Kohle oder Erdöl. Die geschätzten Emissionen, verursacht durch den Straßenverkehr und stationäre Quellen, betrugen 1990 in der Bundesrepublik Deutschland 120 Tonnen (20 Tonnen in den alten, 100 Tonnen in den neuen Bundesländern). Die Außenluftkonzentration von Arsen liegt zwischen 0,5 und 15 Nanogramm pro Kubikmeter.
Arsen fällt in größeren Mengen als Nebenprodukt bei der Gewinnung von Kupfer, Blei, Cobalt und Gold an. Dies ist die Hauptquelle für die kommerzielle Nutzung des Elements. Es kann durch thermische Reduktion von Arsen(III)-oxid mit Koks oder Eisen und durch Erhitzen von Arsenkies (FeAsS) oder Arsenikalkies (FeAs2) unter Luftabschluss in liegenden Tonröhren gewonnen werden. Dabei sublimiert elementares Arsen, das an kalten Oberflächen wieder in den festen Aggregatzustand zurückkehrt. : Arsenkies zersetzt sich in Eisensulfid und elementares Arsen. : FeAs2_{(s)} -> FeAs_{(s)} {}+ As_{(g)} : Arsenikalkies zersetzt sich in Eisenarsenid und elementares Arsen. Für die Halbleitertechnik wird Arsen, dessen Reinheit über 99,99999 Prozent betragen muss, durch Reduktion von mehrfach destilliertem Arsen(III)-chlorid im Wasserstoffstrom hergestellt: : 2AsCl3 + 3H2 -> 6HCl + 2As : Arsentrichlorid reagiert mit Wasserstoff zu Chlorwasserstoff und elementarem Arsen. Früher wurde es auch durch Sublimation aus Lösungen in flüssigem Blei erzeugt. Dabei wird der Schwefel der Arsen-Erze durch das Blei in Form von Blei(II)-sulfid gebunden. Die hierbei erzielten Reinheiten von über 99,999 Prozent waren für Halbleiteranwendungen nicht ausreichend. Eine andere Möglichkeit besteht im Auskristallisieren bei hohen Temperaturen aus geschmolzenem Arsen oder in der Umwandlung in Monoarsan, einer anschließenden Reinigung sowie der Zersetzung bei 600 °C in Arsen und Wasserstoff.
Arsen bildet mit Stickstoff, Phosphor, Antimon und Bismut die 5. Hauptgruppe des Periodensystems und nimmt wegen seiner physikalischen und chemischen Eigenschaften den Mittelplatz in dieser Elementgruppe ein. Arsen hat eine relative Atommasse von 74,92159. Der Radius des Arsen-Atoms beträgt 124,5 Pikometer. In kovalent gebundenem Zustand ist er etwas kleiner (121 Pikometer). Aufgrund der Abgabe der äußeren Elektronen (Valenzelektronen) bei der Ionisierung reduziert sich der Radius beträchtlich auf 34 Pikometer (As5+; das äußerste p- und das äußerste s-Atomorbital bleiben unbesetzt) beziehungsweise 58 Pikometer (As3+; nur das p-Orbital ist unbesetzt). In chemischen Komplexverbindungen ist das As5+-Kation von vier Bindungspartnern (Liganden), As3+ von sechs umgeben. Arsen tritt allerdings nur sehr selten in eindeutig ionischer Form auf. Arsen zeigt je nach Verbindungspartner Oxidationsstufen zwischen −3 und +5. Mit elektropositiven Elementen wie Wasserstoff oder Metallen bildet es Verbindungen, in denen es eine Oxidationsstufe von −3 einnimmt. Beispiele dafür sind Monoarsan (AsH3) und Arsenkupfer (Cu3As). In Verbindungen mit elektronegativen Elementen wie den Nichtmetallen Sauerstoff, Schwefel und Chlor besitzt es die Oxidationsstufe +3 oder +5; erstere ist dabei gegenüber den in derselben Hauptgruppe stehenden Elementen Stickstoff und Phosphor tendenziell bevorzugt.
Arsen kommt wie andere Elemente der Stickstoffgruppe in verschiedenen allotropen Modifikationen vor. Anders als beim Stickstoff, der in Form zweiatomiger Moleküle mit kovalenter Dreifachbindung vorkommt, sind die entsprechenden As2-Moleküle instabil und Arsen bildet stattdessen kovalente Netzwerke aus.
Graues oder metallisches Arsen ist die stabilste Form. Es hat eine Dichte von 5,73 g/cm3. Seine Kristalle sind stahlgrau, metallisch glänzend und leiten den elektrischen Strom. Betrachtet man den strukturellen Aufbau des grauen Arsens, dann erkennt man Schichten aus gewellten Arsen-Sechsringen, welche die Sesselkonformation einnehmen. Darin bilden die Arsen-Atome eine Doppelschicht, wenn man sich den Aufbau der Schicht im Querschnitt ansieht. Die Übereinanderlagerung dieser Doppelschichten ist sehr kompakt. Bestimmte Atome der nächsten darüberliegenden oder darunterliegenden Schicht sind von einem Bezugsatom fast ähnlich weit entfernt wie innerhalb der betrachteten Doppelschicht. Dieser Aufbau bewirkt, dass die graue Arsen-Modifikation wie die homologen Elemente Antimon und Bismut sehr spröde ist. Deswegen werden diese drei Elemente häufig auch als Sprödmetalle bezeichnet.
Wird Arsen-Dampf, in dem Arsen gewöhnlich als As4-Tetraeder vorliegt, schnell abgekühlt, so bildet sich das metastabile gelbe Arsen mit einer Dichte von 1,97 g/cm3. Es besteht ebenfalls aus tetraedrischen As4-Molekülen. Gelbes Arsen ist ein Nichtmetall und leitet infolgedessen den elektrischen Strom nicht. Es kristallisiert aus Schwefelkohlenstoff und bildet kubische, stark lichtbrechende Kristalle, die nach Knoblauch riechen. Bei Raumtemperatur und besonders schnell unter Lichteinwirkung wandelt sich gelbes Arsen in graues Arsen um.
Natürlich gebildetes orthorhombisches schwarzes Arsen ist in der Natur als seltenes Mineral Arsenolamprit bekannt.
Bei der Reduktion von Arsenverbindungen in wässriger Lösung entstehen ähnlich wie beim Phosphor Mischpolymerisate. Bei diesen bindet ein Teil der freien Valenzen des Arsens Hydroxygruppen (–OH). Man nennt diese Form des Arsens braunes Arsen.
Arsen reagiert heftig mit Oxidationsmitteln und Halogenen. So verbrennt Arsen an der Luft mit bläulicher Flamme zu einem weißen Rauch von giftigem Arsen(III)-oxid. : 4As + 3O2 -> 2As2O3 : Arsen reagiert mit Sauerstoff zu Arsen(III)-oxid. Ohne äußere Wärmezufuhr findet die Reaktion mit Chlor unter Feuererscheinung zu Arsen(III)-chlorid statt. : 2As + 3Cl2 -> 2AsCl3 : Arsen reagiert mit Chlor zu Arsentrichlorid. Eine weitere Oxidation ist möglich. : AsCl3 + Cl2 -> AsCl5 : Arsentrichlorid reagiert mit Chlor zu Arsenpentachlorid. Analoge Reaktionsgleichungen gelten für die entsprechenden Reaktionen mit Fluor. Stark oxidierende Säuren, wie konzentrierte Salpetersäure oder Königswasser, wandeln Arsen in Arsensäure um. : As + 5HNO3 -> 5NO2 + H2O + H3AsO4 : Arsen reagiert mit Salpetersäure zu Stickstoffdioxid, Wasser und Arsensäure. Ist die Oxidationsstärke weniger groß – etwa bei Verwendung von verdünnter Salpetersäure oder Schwefelsäure – entsteht Arsenige Säure. : 2As + 3H2SO4 -> 3SO2 + 2H3AsO3 : Arsen reagiert mit Schwefelsäure zu Schwefeldioxid und Arseniger Säure. Unter sauren Bedingungen und bei Anwesenheit von nichtpassivierten unedlen Metallen, insbesondere Zink, reagiert Arsen mit dem gebildeten Wasserstoff zu Monoarsan. :Zn + 2H3O+ -> Zn^2+ + H2 + 2 H2O : Zink reagiert mit Wasserstoffionen zu Zinkionen und neutralem Wasserstoff. : 2As + 3H2 -> 2AsH3 : Arsen reagiert mit Wasserstoff zu Monoarsan. Mit basischem Natriumhydroxid bildet sich ortho-Natriumarsenit. : 2As + 6NaOH -> 2Na3AsO3 + 3H2 : Arsen reagiert mit Natriumhydroxid zum entsprechenden Arsenitsalz und elementarem Wasserstoff.
Vom Arsen sind künstlich hergestellte, radioaktive Isotope mit Massenzahlen zwischen 65 und 87 bekannt. Die Halbwertszeiten liegen zwischen 96 Millisekunden (66As) und 80,3 Tagen (73As). Natürlich vorkommendes Arsen besteht zu 100 Prozent aus dem Isotop 75As, es ist daher ein anisotopes Element. Der entsprechende Arsen-Kern besteht also aus genau 33 Protonen und 42 Neutronen. Physikalisch zählt man ihn daher zu den ug-Kernen (u steht hier für ungerade, g für gerade). Sein Kernspin beträgt 3/2. Generell sind Kerne mit einer ungeraden Anzahl Kernbausteinen tendenziell instabiler, wobei Kerne mit ungerader Protonen- und Neutronenzahl zumeist zu einem Element benachbarter Ordnungszahl und gerader Anzahl Protonen und Neutronen betazerfallen. Daraus und aus der Stabilität vieler Isotope der benachbarten Elemente Selen und Germanium ergibt sich die Tatsache, dass Arsen nur ein stabiles Isotop besitzt.
Arsen wird Bleilegierungen zugesetzt, um ihre Festigkeit zu verbessern und das Blei gießbarer zu machen. Vor allem die fein strukturierten Platten von Akkumulatoren könnten ohne Arsen nicht gegossen werden. Historisch war Arsen eine wichtige Zutat von Kupferlegierungen, die dadurch besser verarbeitbar wurden. Metallisches Arsen wurde früher gelegentlich zur Erzeugung mattgrauer Oberflächen auf Metallteilen verwendet, um eine Alterung vorzutäuschen. In der Elektronik spielt es als mindestens 99,9999 Prozent reines Element für Gallium-Arsenid-Halbleiter, sogenannte III-V-Halbleiter (aufgrund der Kombination von Elementen aus der 3. und 5. Hauptgruppe des Periodensystems), sowie für Epitaxieschichten auf Wafern in Form von Indiumarsenidphosphid und Galliumarsenidphosphid eine wesentliche Rolle in der Herstellung von Hochfrequenzbauelementen wie Integrierten Schaltkreisen (ICs), Leuchtdioden (LEDs) beziehungsweise Laserdioden (LDs). Es gab Anfang 2004 weltweit nur drei Hersteller von hochreinem Arsen, zwei in Deutschland und einen in Japan. Arsen wird in Form seiner Verbindungen in einigen Ländern als Schädlingsbekämpfungsmittel im Weinbau, als Fungizid (Antipilzmittel) in der Holzwirtschaft, als Holzschutzmittel, als Rattengift und als Entfärbungsmittel in der Glasherstellung verwendet. Der Einsatz ist umstritten, da die eingesetzten Arsenverbindungen (hauptsächlich Arsen(III)-oxid) giftig sind.
Die Verwendung arsenhaltiger Mineralien als Heilmittel ist bereits in der Antike durch Hippokrates und Plinius bezeugt. Sie wurden als Fiebermittel, als Stärkungsmittel und zur Therapie von Migräne, Rheumatismus, Malaria, Tuberkulose und Diabetes eingesetzt. Im 18. Jahrhundert wurde eine Mischung aus Kaliumarsenit und Lavendelwasser als Fowler’sche Lösung bekannt, die lange als medizinisches Wundermittel galt und als Fiebersenker, Heilwasser und sogar als Aphrodisiakum Anwendung fand. Kaliumarsenit war als Bestandteil der Fowler’schen Lösung bis in die 1960er Jahre in Deutschland als Mittel zur Behandlung der Psoriasis im Einsatz. Constantinus Africanus (1017–1087) empfahl eine Arsenapplikation zur Bekämpfung von Zahnschmerzen. Bereits um 2700 vor Christus soll die Anwendung von Arsen zur Behandlung eines schmerzenden Zahnes in der chinesischen Heilkunst beschrieben worden sein. In dem Mitte des 10. Jahrhunderts erschienenen Werk „Liber Regius“ empfahl der arabische Arzt Haly Abbas (ʿAli ibn al-ʿAbbās; † 944) ebenfalls den Einsatz von Arsenik zur Devitalisation der Pulpa. Arsen(III)-oxid wurde bis in die Neuzeit zur Devitalisation der Zahnpulpa verwendet und verschwand in den 1970er Jahren wegen der krebserregenden Wirkung, Entzündungen des Zahnhalteapparates, des Verlustes eines oder mehrerer Zähne einschließlich Nekrosen des umliegenden Alveolarknochens, Allergien und Vergiftungserscheinungen aus dem Therapiespektrum. Einen Aufschwung erlebten arsenhaltige bzw. Arsenverbindungen enthaltende Arzneimittel zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Harold Wolferstan Thomas und Anton Breinl konnten 1905 beobachten, dass das arsenhaltige Präparat Atoxyl Trypanosomen, zu denen die Erreger der Schlafkrankheit gehören, abtötet. 1907 behandelte Paul Uhlenhuth die Hühnerspirochaetose und die Syphilis mit organischen Arsenverbindungen. 1920 wurde eine Weiterentwicklung, das Tryparsamid, in der Zeit von 1922 bis 1970 im tropischen Afrika zur Therapie der Schlafkrankheit eingesetzt. Es war bedeutsam für die Eingrenzung dieser Epidemie in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts, konnte jedoch zur Erblindung führen. Das in den 1950er Jahren entwickelte Melarsoprol war über mehrere Jahrzehnte das Mittel der Wahl zur Behandlung der Schlafkrankheit und wird heute noch eingesetzt, da keine effektiven Nachfolgepräparate zur Verfügung stehen. Ebenfalls angeregt durch die Trypanosomen-toxische Wirkung von Atoxyl entwickelte Paul Ehrlich das arsenhaltige Arsphenamin (Salvarsan). Das 1910 in die Therapie der Syphilis eingeführte Mittel stellte das erste auf theoretischen Vorüberlegungen beruhende, systematisch entwickelte, spezifisch wirkende Chemotherapeutikum dar und war Vorbild für die Entwicklung der bis heute verwendeten Sulfonamide. Es wurde lange Zeit auch bei der Behandlung von Dysenterie eingesetzt. Im Jahr 2000 wurde ein arsenikhaltiges Präparat unter dem Namen Trisenox in den USA zur Behandlung der akuten Promyelozytenleukämie (APL) zugelassen. Seit 2002 besteht für Trisenox in Europa eine Zulassung zur Behandlung der APL, (Vertrieb in EU und USA: Cephalon). Seine Wirksamkeit bei der Krebstherapie wird auch auf die antiangioneogenetische Wirkung zurückgeführt. Die verschiedenen Arsensulfide sind Bestandteil von Arzneimitteln der Chinesischen Medizin.
Aufgrund der toxischen Eigenschaften von Arsenverbindungen wurde früher überwiegend Arsenik zur Haltbarmachung von Wirbeltieren (Taxidermie) als Insektizid verwendet. Viele andere Stoffe, wie auch Lindan, wurden zum selben Zweck verwendet, wie es die Fachliteratur der Präparatoren aus der Zeit von 1868 bis 1996 beschreibt. Solche Stoffe sind jedoch auch für Menschen giftig und stellen heute an Präparatoren besondere Anforderungen, da diese auch in Kontakt mit derart kontaminierten Präparaten kommen.
Die biologische Bedeutung des Arsens für den Menschen ist nicht vollständig geklärt. Es gilt als Spurenelement im Menschen, Mangelerscheinungen wurden bisher aber nur an Tieren nachgewiesen. Der notwendige Bedarf liegt, falls er bestehen sollte, zwischen 5 und 50 µg pro Tag. Eine tägliche Arsenaufnahme von – je nach Wahl der Nahrungsmittel – bis zu einem Milligramm gilt als harmlos. In einer neuen Studie konnte eine erhöhte Arsenbelastung durch hohe Arsengehalte im Grundwasser von Reisanbaugebieten mit der Entstehung von Krebserkrankungen in Verbindung gebracht werden. Die Förderung der Krebsentwicklung ist jedoch dosisabhängig und nur bei Verzehr von belastetem Reis als täglichem Grundnahrungsmittel gegeben. Es gibt bei regelmäßigem Verzehr von Arsenverbindungen, speziell Arsentrioxid eine Gewöhnung, die beim Absetzen der Dosis sogar von Entzugserscheinungen begleitet wird. Menschen, die wegen der stimulierenden Allgemeinwirkung früher häufig Arsenik konsumierten (vor allem in der Steiermark), wobei häufig Gewöhnung und Sucht eintrat, werden Arsenikesser genannt. Meerestiere wie Muscheln oder Garnelen enthalten besonders viel Arsen, letztere bis zu 175 ppm. Vermutlich agiert es durch die Bindung an freie Thiolgruppen in Enzymen als Inhibitor, verhindert also deren Wirkung. Für viele Tiere ist Arsen ein essentielles Spurenelement. So zeigen Hühner oder Ratten bei arsenfreier Ernährung deutliche Wachstumsstörungen; dies hängt wahrscheinlich mit dem Einfluss des Elements auf die Verstoffwechslung der Aminosäure Arginin zusammen. Zahlreiche Algen und Krebstiere enthalten organische Arsen-Verbindungen wie das schon erwähnte Arsenobetain. Arsen führt zur verstärkten Bildung der sauerstofftransportierenden roten Blutkörperchen. Aus diesem Grund wurde es früher dem Futter von Geflügel und Schweinen zugesetzt, um eine schnellere Mästung zu ermöglichen. Trainer von Rennpferden benutzten es zum illegalen Doping ihrer Tiere – heute kann der Zusatz von Arsen zur Nahrung allerdings leicht im Urin nachgewiesen werden. Lösliche Arsenverbindungen werden leicht über den Magen-Darm-Trakt aufgenommen und rasch innerhalb von 24 Stunden im Körper verteilt. Man findet den größten Teil des aufgenommenen Arsens in den Muskeln, Knochen, Nieren und Lungen. Im Menschen wurde es zusammen mit Thallium in fast jedem Organ nachgewiesen. Blut enthält bis zu 8 ppb Arsen, in den anderen Organen des Körpers wie etwa den Knochen hat es einen Anteil von zwischen 0,1 und 1,5 ppm, in Haaren liegt der Anteil bei etwa 1 ppm. Der Gesamtgehalt von Arsen im Körper eines Erwachsenen liegt im Durchschnitt bei etwa 7 Milligramm. Organische Arsenverbindungen wie die aus Fischen und Meeresfrüchten stammende Dimethylarsinsäure, Trimethylarsenoxid, Trimethylarsin sowie Arsenobetain verlassen den menschlichen Körper fast unverändert innerhalb von zwei bis drei Tagen über die Nieren. Anorganische Arsenverbindungen werden in der Leber zu Monomethylarsonsäure (MMAA) und Dimethylarsinsäure (DMAA) umgewandelt und anschließend ebenso über die Nieren ausgeschieden. Bei Pflanzen erhöht das Element den Kohlenhydrat-Umsatz. Der Gebänderte Saumfarn (Pteris vittata) nimmt das Halbmetall bevorzugt aus dem Boden auf und kann bis zu fünf Prozent seines Trockengewichts an Arsen aufnehmen. Aus diesem Grund wird die schnellwachsende Pflanze zur biologischen Säuberung arsenkontaminierter Böden eingesetzt. Die stimulierende Wirkung des Arsens ist vermutlich auch Ursache des früher in einigen Alpengegenden verbreiteten Arsenikessens. Im 17. Jahrhundert verzehrten manche der dortigen Bewohner lebenslang zweimal wöchentlich bis zu 250 Milligramm Arsen – bei Männern, weil es bei der Arbeit in den Höhenlagen half, bei Frauen, da es angeblich zu einer kräftigen Gesichtsfarbe beitrug. In der Wissenschaft lange als Märchen abgetan, nahm ein Bauer aus den Steirischen Alpen 1875 vor der in Graz versammelten deutschen Fachwelt eine Dosis von 400 Milligramm Arsentrioxid zu sich, die sich später auch in seinem Urin nachweisen ließ. Die Dosis lag weit über dem Doppelten der für normale Menschen tödlichen Arsenmenge, zeigte aber keinerlei negative Auswirkungen auf den Bauern. Ähnliches wird von Bewohnern einer Siedlung in der hochgelegenen chilenischen Atacamawüste berichtet, deren Trinkwasser hochgradig mit Arsen belastet ist, die jedoch keinerlei Vergiftungssymptome zeigen. Heute geht man davon aus, dass eine langsame Gewöhnung an das Gift mit sukzessive steigenden Dosen physiologisch möglich ist. Über den Bakterienstamm GFAJ-1 wurde 2010 berichtet, dass er unter bestimmten Bedingungen in arsenathaltigen Nährmedien in der Lage sei, Arsenat anstatt Phosphat in Biomoleküle wie die DNA einzubauen, ohne dabei abzusterben, was bisher eher als unmöglich galt. Der Befund scheint jedoch auf unsauberen Arbeitsmethoden zu basieren, die Befunde konnten nicht repliziert werden.
Dreiwertige lösliche Verbindungen des Arsens sind hoch toxisch, weil sie biochemische Prozesse wie die DNA-Reparatur, den zellulären Energiestoffwechsel, rezeptorvermittelte Transportvorgänge und die Signaltransduktion stören. Dabei kommt es mutmaßlich nicht zu einer direkten Einwirkung auf die DNA, sondern zu einer Verdrängung des Zink-Ions aus seiner Bindung zu Metallothioneinen und damit zur Inaktivierung von Tumorsupressorproteinen (siehe auch Zinkfingerprotein). Arsen(III)- und Zink(II)-Ionen haben vergleichbare Ionenradien und damit ähnliche Affinität zu diesen Zinkfingerproteinen, allerdings führt Arsen dann nicht zur Aktivierung der Tumorsupressorproteine. Die chronische Arsen-Vergiftung führt über die Bindung an Sulfhydryl-Gruppen von Enzymen der Blutbildung (zum Beispiel Delta-Amino-Laevulin-Säure-Synthetase) zu einem initialen Abfall des Hämoglobins im Blut, was zu einer reaktiven Polyglobulie führt. Des Weiteren kommt es bei chronischer Einnahme von Arsen zur Substitution der Phosphor-Atome im Adenosin-Triphosphat (ATP) und damit zu einer Entkopplung der Atmungskette, was zu einer weiteren reaktiven Polyglobulie führt. Klinisch finden sich hier nach Jahren der As-Exposition Trommelschlägelfinger, Uhrglasnägel, Mees-Nagelbänder und Akrozyanose (Raynaud-Syndrom), mit Folge der Black Foot Disease. Metallisches Arsen dagegen zeigt wegen seiner Unlöslichkeit nur eine geringe Giftigkeit, da es vom Körper kaum aufgenommen wird (LD50 = 763 mg/kg Ratte, oral). Es sollte aber, da es sich an der Luft leicht mit seinen sehr giftigen Oxiden wie dem Arsenik überzieht, stets mit größter Vorsicht behandelt werden. Anders verhält es sich mit Arsenik, das in früheren Zeiten als Stimulans von Arsenikessern benutzt wurde, um einer Arsenvergiftung vorzubeugen. Der Mechanismus dieser Immunisierung gegen Arsen ist nicht bekannt.
Anionisches Arsen tritt als Arsenit ([AsO3]3−) und Arsenat ([AsO4]3−) in vielen Ländern im Grundwasser in hohen Konzentrationen auf. Durch Auswaschungen aus arsenhaltigen Erzen in Form von drei- und fünfwertigen Ionen trinken weltweit über 100 Millionen Menschen belastetes Wasser. Besonders in Indien, Bangladesh und Thailand, wo im 20. Jahrhundert mit internationaler Unterstützung zahlreiche Brunnen gegraben wurden, um von mit Krankheitserregern kontaminiertem Oberflächenwasser auf Grundwasser ausweichen zu können, führte diese unerkannte Belastung des Trinkwassers zu chronischer Arsenvergiftung bei weiten Teilen der betroffenen Bevölkerung. Das Problem kann, wo es bekannt wird, chemisch durch Oxidation der Arsenverbindungen und nachfolgende Ausfällung mit Eisenionen behoben werden. Von der Rice University wurde eine kostengünstige Filtermöglichkeit mit Nano-Magnetit entwickelt. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt seit 1992 einen Grenzwert für Arsen im Trinkwasser von 10 Mikrogramm pro Liter. Der Wert wird in einigen Staaten Osteuropas und in den USA immer noch überschritten. In Deutschland wird er dagegen seit 1996 eingehalten. In der EU ist der Gehalt an Arsen im Trinkwasser seit 1998, aktuell durch die Richtlinie (EU) 2020/2184, auf einen Höchstwert von 10 Mikrogramm pro Liter begrenzt. Auch in Mineralwässern ist der Höchstwert an Arsen in der EU durch die Richtlinie 2003/40/EG auf 10 μg/l festgelegt. Die USA verpflichteten sich im Jahre 2001, diesen Grenzwert ab 2006 einzuhalten.
Für Fruchtsäfte, rekonstituiertes Fruchtsaftkonzentrat und Fruchtnektare gilt in der EU laut Verordnung (EU) 2023/915 ein Grenzwert von 20 µg/kg. Die US-amerikanische FDA legte 2023 eine unverbindliche Auslöseschwelle von 10 µg/kg für anorganisches Arsen in Apfelsaft fest. Fische und Meeresfrüchte weisen zwar hohe Gehalte an Arsen auf, jedoch nahezu ausschließlich in der als unbedenklich geltenden organisch gebundenen Form. Grenzwerte wie für Quecksilber oder Cadmium gibt es nicht.
Auch in Bier wurden erhöhte Arsen-Konzentrationen festgestellt. Ursache waren hier jedoch nicht die Anreichung von Arsen in den Rohstoffen, sondern Verunreinigungen des Filtermaterials Kieselgur.
Für die Entfernung von ionischem Arsen aus dem Trinkwasser gibt es Verfahren, die auf Adsorption an Aktivkohle, aktiviertem Aluminiumoxid oder Eisenhydroxid-Granulat beruhen. Letzteres wird standardmäßig in Festbettreaktoren in der Trinkwasseraufbereitung in Deutschland und international eingesetzt. Daneben werden Ionenaustauscher verwendet. Es ist möglich, Arsen mittels gentechnisch veränderten Pflanzen aus dem Boden zu entfernen, die es in Blättern speichern. Zur Phytosanierung von Trinkwasser bietet sich die Dickstielige Wasserhyazinthe an, die Arsen insbesondere in ihr Wurzelgewebe einlagert und so eine Abreicherung des kontaminierten Wassers bewirkt. Organische Arsenverbindungen in belasteten Böden können enzymatisch mit Hilfe von Pilzen abgebaut werden. In Bangladesh wird nach einem Verfahren der schweizerischen Forschungseinrichtung EAWAG versucht, Arsen mit Hilfe von transparenten PET-Flaschen und Zitronensaft abzureichern. Bei dieser SORAS (Solar Oxidation and Removal of Arsenic) genannten Methode oxidiert Sonnenlicht das Arsen; die Inhaltsstoffe des Zitronensafts helfen bei der Ausfällung. Mit dieser kostengünstigen Methode lässt sich der Arsengehalt um 75 bis 90 Prozent senken. In Gewässern des Yellowstone-Nationalparks, die sich aus Geysiren und anderen Thermalquellen vulkanischen Ursprungs speisen, wurden eukaryontische Algen der Gattung Cyanidioschyzon gefunden, die die hohen Arsenkonzentrationen der Gewässer tolerieren und sie zu biologisch weniger verfügbaren organischen Verbindungen oxidieren können. An einer Nutzung zur Abreicherung in Trinkwasser wurde 2009 gearbeitet.
Als Antidote bei akuten Arsenvergiftungen stehen die schwefelhaltigen Komplexbildner Dimercaptopropansulfonsäure (DMPS), Dimercaptobernsteinsäure und das ältere, schlechter verträgliche Dimercaprol zur Verfügung. Sie sind noch bei starken Arsendosen effektiv, wenn die Vergiftung rechtzeitig diagnostiziert wird. Ihr Stellenwert bei der Behandlung chronischer Arsenvergiftungen ist hingegen umstritten. Aktivkohle ein bis mehrere Stunden nach der Einnahme kann das Metall ebenfalls binden und zur Ausscheidung bringen.
Indische Forscher haben im Tierversuch herausgefunden, dass die Einnahme von Knoblauch zur Senkung der Arsengehalte im Blut und der Erhöhung der Arsengehalte im Urin führen kann. Erklärt wird dies über eine Ausfällung des Arsens bei Reaktion mit schwefelhaltigen Substanzen wie etwa Allicin, das Bestandteil des Knoblauchs ist. Zur Prophylaxe werden zwei bis drei Knoblauchzehen täglich empfohlen.
Arsenverbindungen zeigen beim Verbrennen eine wenig charakteristische fahlblaue Flammenfärbung. Bei der Glühröhrchenprobe erhitzt man Arsenverbindungen, welche teilweise sublimieren und sich an kalten Oberflächen in Form von schwarzem Arsen, weißem Arsen(III)-oxid oder gelbem Arsentrisulfid wieder niederschlagen. * Die Marshsche Probe ist, neben der Gutzeit-Reaktion, die klassische Nachweisreaktion in der Chemie und Gerichtsmedizin für Arsen: As2O3 + 6Zn + 12H3O+ -> 2AsH3 + 6Zn^2+ + 15H2O * Bei der Bettendorfschen Probe oxidiert Arsen in konzentrierter Salzsäure unabhängig von der Oxidationsstufe zweiwertige Zinn-Ionen. Dabei fällt elementares Arsen aus: 2As^3+ + 3Sn^2+ -> 3Sn^4+ + 2As * Gibt man zu einer ammoniakalischen, ammoniumchloridhaltigen Lösung von Arsenat Magnesium-Ionen, so erhält man einen kristallinen Niederschlag von Magnesiumammoniumarsenat-Hexahydrat: AsO4^3- + Mg^2+ + NH4+ + 6H2O -> MgNH4AsO4.6H2O Arsenat reagiert mit Magnesiumionen, Ammoniumionen und Wasser zu Magnesiumammoniumarsenat-Hexahydrat. * Eine weitere Nachweisreaktion von Arsen(at) in wässriger Lösung ist die Fällung mit Ammoniumheptamolybdat. Der gelbe Niederschlag ist schwerlöslich in Säuren, aber gut löslich in Basen: H2AsO4- + 22H3O+ + 3NH4+ + 12MoO4^2- -> (NH4)3[As(Mo3O{10})4.aq] + 34H2O Dihydrogenarsenat reagiert mit Wasserstoffionen, Ammoniumionen und Molybdationen zu Ammoniumarsenomolybdat und Wasser.
Die Kopplung von Hydridtechnik mit dem induktiv gekoppelten Plasma / laserinduzierter Fluoreszenzmessung ist eine sehr nachweisstarke Methode zur Bestimmung von Arsen. Mittels Hydriderzeugung freigesetztes AsH3 wird dabei im Plasma atomisiert und mit einem Laser zur Emission angeregt. Mit dieser Methode wurden Nachweisgrenzen von 0,04 ng/mL erreicht.
Bei der Massenspektrometrie wird die Arsenspezies zunächst durch ein induktiv gekoppeltes Argonplasma (ICP) thermisch ionisiert. Anschließend wird das Plasma in das Massenspektrometer geleitet. Eine Nachweisgrenze von 0,2 µg/l wurde für Arsenit beschrieben.
Weitverbreitet ist die photometrische Erfassung von As als Arsenomolybdänblau. As(V) reagiert zunächst mit (NH4)2MoO4. Danach folgt eine Reduktion mit SnCl2 oder Hydrazin zu einem blauen Komplex. Die Photometrie erfolgt bei 730 nm und ist somit nahezu störungsfrei. Die Nachweisgrenzen können durch Verwendung von basischen Farbstoffen als Komplexbildner verbessert werden.
Eine sehr empfindliche Arsenbestimmung im ppt-Bereich ist mittels Neutronenaktivierungsanalyse möglich. Sie kommt insbesondere dann zur Anwendung, wenn die Probe eine komplexe Zusammensetzung aufweist oder schwierig aufzuschließen ist. Allerdings gibt diese Methode keinen Hinweis auf die chemische Verbindung, in der das Arsen vorliegt. Bei der Wechselwirkung von Neutronen mit der Probe, die das natürliche Isotop Arsen-75 enthält, wird das schwerere Isotop Arsen-76 gebildet, das jedoch instabil ist und sich unter einem β-Zerfall in Selen-76 umwandelt. Gemessen werden dabei die β-Strahlen, über die ein Rückschluss auf die Menge des Arsens möglich ist.
Bei Biosensoren wird die Biolumineszenz bei Kontakt von in Wasser gelöstem Arsen mit genetisch modifizierten Bakterien (z. B. Escherichia coli K12) und eines Lichtmessgeräts (Luminometer) detektiert. Die vorhandene Arsenkonzentration korreliert dabei direkt mit der emittierten Lichtmenge.
Chemische Verbindungen von Arsen und Wasserstoff (→ Arsane) sind im Vergleich zu den entsprechenden Verbindungen der Hauptgruppennachbarn Stickstoff und Phosphor nicht sehr zahlreich und sehr instabil. Es sind zurzeit drei Arsane bekannt. * Arsenwasserstoff (auch Monoarsan oder Arsin genannt) mit der Summenformel AsH3 ist eine wichtige Ausgangssubstanz zur Herstellung von Galliumarsenid in der Halbleiterindustrie.
Arsen bildet mit Halogenen binäre Verbindungen vom Typ AsX3, AsX5 und As2X4 (X bezeichnet das entsprechende Halogen). * Arsen(III)-fluorid (AsF3) * Arsen(V)-fluorid (AsF5) * Arsen(III)-chlorid (AsCl3) * Arsenpentachlorid (AsCl5) * Arsentribromid (AsBr3) * Arsentriiodid (AsI3) * Diarsentetraiodid (As2I4)
Wichtige Sauerstoffsäuren sind: * Arsensäure (2 H3AsO4 · H2O), deren Salze als Arsenate oder Arsenate(V) bezeichnet werden und den Phosphaten ähneln. Beispiele sind Calciumarsenat (Ca3(AsO4)2·3H2O) und Bleihydrogenarsenat (PbHAsO4), die als Pflanzenschutzmittel verwendet wurden * Arsenige Säure (H3AsO3), deren Salze als Arsenite oder Arsenate(III) bezeichnet werden. Das wichtigste Arsenoxid ist Arsen(III)-oxid (Arsentrioxid auch Arsenik oder Weißarsenik, As2O3, das Anhydrid der Arsenigen Säure), das in der Gasphase in Form von Doppelmolekülen mit der Formel As4O6 vorliegt. Es ist amphoter und weist damit auf den Halbmetallcharakter des Arsens hin. Neben As2O3 kennt man As2O5 (Arsenpentaoxid, das Anhydrid der Arsensäure) und das gemischte Anhydrid der Arsenigen Säure und Arsensäure As2O4 (Arsentetraoxid) Ein historisch wichtiges Färbe- und Pflanzenschutzmittel ist ein Kupfer-Arsen-Oxid mit dem Trivialnamen Schweinfurter Grün (Cu(AsO2)2·Cu(CH3COO)2), das im großen Stil erstmals von Wilhelm Sattler produziert wurde und als Wandfarbe bereits 1882 verboten wurde.
Es bestehen zwei wichtige Arsensulfide, die beide als Minerale in der Natur vorkommen. * Arsenmonosulfid (Realgar, As4S4) * Arsen(III)-sulfid (Auripigment, As2S3)
Wichtige Verbindungen von Arsen mit Metallen sind * Galliumarsenid (GaAs), ein wichtiger Halbleiter * Indiumarsenid (InAs), ein wichtiger Halbleiter * Nickelarsenid (NiAs) * Aluminiumgalliumarsenid (AlGaAs) * Arsenbronze – (CuAs) in früher Bronzezeit
In Analogie zu den Aminen und Phosphinen findet man entsprechende Verbindungen mit Arsen anstelle von Stickstoff oder Phosphor. Sie werden als Arsine bezeichnet. * Dimethylarsin (AsH(CH3)2) * Trimethylarsin (As(CH3)3), eine übelriechende Flüssigkeit, die zur Behandlung bakterieller Infektionen und als Pilzschutzmittel Anwendung fand. Zu den Arsoranen, Verbindungen vom Typ R5As, wobei R5 für fünf – möglicherweise unterschiedliche – organische Gruppen steht, zählt man etwa Pentaphenylarsen oder Pentamethylarsen. Fehlt eine der fünf Gruppen, bleibt ein einfach positiv geladenes Ion zurück (R steht wiederum für – möglicherweise verschiedene – organische Gruppen), das man als Arsoniumion (AsR4)+ bezeichnet. Analog zu den Carbonsäuren lassen sich zwei Klassen arseno-organischer Säuren bilden: * Arsinsäuren (RR'AsOOH) * Arsonsäuren (RAsO(OH)2) Zudem sind Heteroaromaten mit Arsen als Heteroatom bekannt, wie Arsabenzol, das aus einem Benzolring besteht, in dem ein Kohlenstoffatom durch Arsen ersetzt ist und das somit analog zu Pyridin aufgebaut ist. Auch homocyclische Arsenverbindungen existieren. Beispiele sind * Pentamethylcyclopentaarsen (AsCH3)5 * Hexamethylcyclohexaarsen (AsCH3)6 deren Moleküle einen Fünf- beziehungsweise Sechsring aus Arsenatomen als Rückgrat aufweisen, an den nach außen hin je eine Methylgruppe pro Arsenatom gebunden ist. Eine polycyclische Variante bildet das nebenstehende Molekül, dessen Rückgrat sich aus einem Sechs- und zwei angehefteten Fünfringen zusammensetzt (R steht für jeweils eine tert-Butylgruppe). Schließlich lassen sich Arsenpolymere darstellen, lange Kettenmoleküle, die als Polyarsine bezeichnet werden. Sie bestehen aus einer zentralen „Strickleiter“ der Arsenatome, an die außen auf jeder Seite je „Sprosse“ eine Methylgruppe angeheftet ist, so dass sich die chemische Formel (AsCH3)2n ergibt, wobei die natürliche Zahl n weit über 100 liegen kann. Polyarsine zeigen deutliche Halbleitereigenschaften.
In der Bioorganik spielen Arsenolipide, Arsenosaccharide und arsenhaltige Glycolipide eine bedeutende Rolle. Wichtige Vertreter dieser Stoffklassen sind zum Beispiel Arsenobetain, Arsenocholin und unterschiedlich substituierte Arsenoribosen. Sie treten vor allem kumuliert in maritimen Lebewesen auf und können auf diesem Weg in die menschliche Nahrungskette gelangen. Arsenhaltige Biomoleküle konnten in Algen, Meeresschwämmen und in Fischgewebe nach erfolgter Extraktion mittels HPLC-ICP-MS nachgewiesen werden. Die Analytik von Organo-Arsenverbindungen (einschließlich ihrer Speziation) ist sehr aufwändig.
Das Element Arsen erreichte zweifelhafte Berühmtheit als Mordgift, belegt durch geschichtliche Aufzeichnungen sowie die Instrumentalisierung in Literatur und Film. Es handelte sich bei dem Mordgift allerdings nie um elementares Arsen, sondern um dessen Verbindungen. In Italien und Frankreich starben Herzöge, Könige und Päpste an vorsätzlich herbeigeführten Arsenvergiftungen. Im Frankreich des 17. Jahrhunderts steht die Marquise de Brinvilliers, die ihren Vater und zwei Brüder mit einer Arsenikmischung vergiftete, im Mittelpunkt eines Giftskandals. In Deutschland brachte die Serienmörderin Gesche Gottfried aus Bremen 15 Menschen zu Tode. Aufsehen erregte auch der Fall der Serienmörderin Anna Margaretha Zwanziger zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Die Urheber der Morde blieben jedoch meist unerkannt, da Arsen bis 1836 in kleinen Mengen nicht nachgewiesen werden konnte. Erst die durch James Marsh entwickelte und nach ihm benannte Marshsche Probe machte es möglich, Spuren des Elementes zu identifizieren und somit eine unnatürliche Todesursache nachzuweisen. Im 19. und 20. Jahrhundert fanden weiter vorsätzliche Vergiftungen mit arsenhaltigen Mitteln statt – zum einen, weil sie leicht als Herbizide verfügbar waren, zum anderen ließ sich bei chronischer Gabe kleiner Dosen ein krankheitsbedingter Tod vortäuschen. Im September 1840 fiel im Prozess gegen Marie Lafarge das erste Urteil, das alleine auf den Ergebnissen der Marshschen Probe beruhte. Im Fall der Marie Besnard, die angeblich zwischen 1927 und 1949 für mehrere Todesfälle in ihrem Umfeld in Loudun verantwortlich sein sollte, konnte ein eindeutiger Beweis nicht erbracht werden, weil Untersuchungsergebnisse widersprüchlich waren, und sie musste 1954 letztendlich freigesprochen werden. wurde mit Arsen vergiftet Jahrelang glaubte die Fachwelt, dass der Tod des ehemaligen französischen Kaisers Napoleon Bonaparte mit 51 Jahren auf der Insel St. Helena einem Giftanschlag mit Arsen zugeschrieben werden muss. Zumindest hatte man in seinen Haaren hochkonzentrierte Spuren des Giftes entdeckt. Heute existieren verschiedene andere Thesen zur Erklärung des Faktenbefunds. Eine Möglichkeit besteht darin, dass das Arsen nach seinem Tod den Haaren beigegeben wurde, um diese zu konservieren, eine damals durchaus übliche Methode. Möglich ist ein Übermaß der Benutzung der arsenhaltigen Fowlerschen Lösung, die zu seiner Zeit bei vielen seiner Zeitgenossen als medizinisches Wundermittel galt. Die dritte und heute als wahrscheinlichste angesehene Möglichkeit ist, dass sich Napoleon durch organische Arsenverbindungen vergiftete, die Schimmelpilze beständig aus seinen mit grünen Arsenpigmenten gefertigten Tapeten freisetzten. Deren hoher Arsengehalt ist durch eine 1980 in einem Notizbuch aufgefundene Materialprobe schlüssig belegt. Der berühmte Philosoph René Descartes starb 1650 wenige Monate nach seiner Ankunft am Hofe der schwedischen Königin Christine. Der Verdacht, er sei von einem der Jesuiten, die sich am Hofe der protestantischen Königin aufhielten, aus religionspolitischen Gründen mit Arsen vergiftet worden, verstärkte sich, als Christine später tatsächlich zum Katholizismus konvertierte, konnte aber nicht erhärtet werden, so dass die offizielle Todesursache, Lungenentzündung, sich in den Biographien etablierte. Erst kürzlich wurde anhand von neu aufgefundenen und neu interpretierten Dokumenten der alte Verdacht erhärtet und behauptet, dass der „Giftmord an Descartes in sehr hohem Maße wahrscheinlich, um nicht zu sagen, fast sicher“ erscheint. Im Jahre 1900 kam es im britischen Manchester zu einer Massenvergiftung, von der mehrere Tausend Menschen betroffen waren. Wie sich herausstellte, hatten alle Bier derselben Brauerei getrunken. In Vorstufen der Bierproduktion wurde anscheinend Schwefelsäure eingesetzt, die ihrerseits aus Schwefel hergestellt wurde, der aus mit Arsenopyrit kontaminierten Sulfidmineralen stammte. Etwa 70 Menschen erlagen ihren Vergiftungen. In den Jahren 2010 und 2011 starben in Österreich zwei Männer an einer Arsenvergiftung. Am 11. April 2013 wurde am Landesgericht Krems eine 52-jährige Polin des Mordes an den beiden für schuldig befunden und von dem Geschworenengericht nicht rechtskräftig zu lebenslanger Haft verurteilt. Noch in den 1950er Jahren auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges erkrankte die US-amerikanische Botschafterin, Clare Booth Luce, in Rom durch eine Vergiftung mit dem aus Tapeten freigesetzten Arsen. Die Tatsache, dass die Krankheit auf die schimmelpilzbefallenen Tapeten und nicht auf gegnerische Geheimagenten zurückgeführt werden konnte, trug in diesem Fall nicht nur zur Genesung der Botschafterin, sondern auch zum Erhalt des Friedens bei. In Friedrich Schillers bürgerlichem Trauerspiel Kabale und Liebe vergiftet der junge Major Ferdinand von Walter erst seine Geliebte Luise Millerin und dann sich selbst. Allerdings tritt in Kabale und Liebe der Tod unrealistischerweise binnen Minuten ein. Die Protagonistin des berühmten Romans Madame Bovary von Gustave Flaubert, die unglücklich verheiratete Landarztgattin Emma Bovary, stirbt am Ende des Romans durch Suizid mit Arsen in Form eines weißen Pulvers. Der Spross einer Arztfamilie Flaubert beschreibt die Vergiftungssymptome und den äußerst qualvollen Tod der Bovary sehr detailliert. Im Roman Starkes Gift (Strong Poison) von Dorothy L. Sayers ist das Opfer mit Arsen vergiftet worden. Die Verdächtige, Krimi-Schriftstellerin Harriet Vane, hat sich zur fraglichen Zeit intensiv mit Arsenmorden beschäftigt und sich dazu sogar vom Apotheker beraten lassen. Der berühmte Detektiv „Kalle Blomquist“ aus dem gleichnamigen Kinderbuch von Astrid Lindgren wendete die Marshsche Probe an, um ein mit Arsen vergiftetes Stück Schokolade zu überprüfen. In dem Theaterstück von Joseph Kesselring Arsen und Spitzenhäubchen (englisch: Arsenic and Old Lace) vergiften zwei alte Damen in gutmeinender Absicht ältere einsame Herren mit einer Arsen-, Strychnin- und Zyankali-Mischung. Bekannt wurde das Stück durch die gleichnamige Verfilmung von Frank Capra mit Cary Grant, Peter Lorre und Priscilla Lane in den Hauptrollen.
* Erwin Riedel: Anorganische Chemie. de Gruyter, Berlin 2002, ISBN 3-11-017439-1. * Dietmar Ritter: Charakterisierung und Einsatz alternativer Arsen- und Phosphor-Quellen für die Metallorganische Molekularstrahlepitaxie von InP und GaInAs. Shaker, Aachen 1998, ISBN 3-8265-4489-7. * Nicholas C. Norman: Chemistry of Arsenic, Antimony and Bismuth. Blackie, London 1998, ISBN 0-7514-0389-X. * Andrew A Meharg: Venomous Earth: How arsenic caused the world’s worst mass poisoning. Macmillan Science. * Die bremische Gesina. In: Hans Heinrich: Frau-Geschichten. WM-Literatur-Verlag, Weilheim 2002, ISBN 3-9808439-0-4, S. 62–72.
* Mineralienatlas:Arsen * Fragen und Antworten zu Arsengehalten in Reis und Reisprodukten – Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR). 22. Dezember 2020
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Astat
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Astat [] (von : „unbeständig, unstet“) ist ein radioaktives chemisches Element mit dem Elementsymbol At und der Ordnungszahl 85. Im Periodensystem steht es in der 7. Hauptgruppe bzw. der 17. IUPAC-Gruppe und zählt damit zu den Halogenen. Astat entsteht beim natürlichen Zerfall von Uran. Astat ist das seltenste natürlich vorkommende Element der Erde und muss bei Bedarf künstlich erzeugt werden.
Als Dmitri Mendelejew sein Periodensystem entwickelte, waren nur die vier Halogenide Fluor, Chlor, Brom und Iod bekannt, der Bereich unterhalb des Iods blieb zunächst frei. Er sagte ein Eka-Iod voraus, das eine Atommasse von etwa 170 haben sollte. Durch die noch unklare Lage der Lanthanoide war diese Vorhersage jedoch weit entfernt von den tatsächlichen Gegebenheiten im Periodensystem, Atommassen von etwa 170 haben die Elemente Thulium und Ytterbium. Erst mit der Einführung der Ordnungszahl als Ordnungsprinzip durch Henry Moseley 1913 und der Zuordnung der bekannten Elemente bis Uran zu einer Ordnungszahl gemäß dem Moseleyschen Gesetz stand fest, dass es ein Eka-Iod mit der Ordnungszahl 85 geben muss. In der Folgezeit wurde von einer Reihe von Forschern behauptet, Eka-Iod auf verschiedene Weise gefunden zu haben. So behauptete Fred Allison 1931, das Element durch eine selbst erfundene magneto-optische Methode in Seewasser und brasilianischem Monazit gefunden zu haben und nannte es nach Alabama Alabamium. Seine Ergebnisse konnten aber nicht bestätigt werden, seine Untersuchungsmethoden bezeichnete Irving Langmuir als Pathologische Wissenschaft. Auch der indische Chemiker Rajendralal De behauptete 1937, Eka-Iod aus Monazit, der aus Travancore stammte, extrahiert zu haben und nannte das Element Dakin, wahrscheinlich nach Dhaka. 1947 aktualisierte er seine Beschreibungen und nannte das Element jetzt Dekhin. Da die beschriebenen Eigenschaften nicht zum Astat passten, wurde die behauptete Entdeckung nicht weiter beachtet. 1939 beobachteten Horia Hulubei und Yvette Cauchois den radioaktiven Zerfall des Radonisotops 222Rn und maßen die charakteristische Röntgenstrahlung der entstehenden Elemente. Dabei entdeckten sie einige Spektrallinien, die sie Element 85 zuordneten. Nachdem sie auf Grund des 2. Weltkrieges die Arbeit unterbrechen mussten, verkündete Hulubei 1944 die vollständigen Ergebnisse und nannte das neue Element Dor nach dem rumänischen Wort für Sehnsucht (nach Frieden). Es ist unklar, ob sie tatsächlich Astat gefunden haben. Beim Zerfall von 222Rn entsteht über 218Po 218At, jedoch ist die messbare Strahlung sehr schwach. Auch Walter Minder behauptete 1940 und 1942, Eka-Iod gefunden zu haben. Er stützte seine Entdeckungen auf die Beobachtung radioaktiver Strahlung. 1940 berichtete Minder beim Zerfall von 222Rn von einer stärker werdenden Betastrahlung, die er auf den Zerfall von Radium A (218Po) zu 218At zurückführte und nannte das neue Element nach der Schweiz Helvetium. Zwei Jahre später behauptete Minder, beim Beobachten der Thorium-Zerfallsreihe einen Zerfall gemessen zu haben, der zu Element 85 führen sollte und nannte das Element nun Anglo-Helveticum. Beide Ergebnisse Minders konnten von Berta Karlik und Traude Bernert, die die Versuche Minders wiederholten, nicht bestätigt werden. Die erste eindeutige Entdeckung von Element 85 gelang 1940 den Wissenschaftlern Dale R. Corson, Kenneth Ross MacKenzie und Emilio Gino Segrè an der University of California. Sie beschossen Bismut mit Alphateilchen, die in einem Zyklotron erzeugt wurden und erhielten dabei ein radioaktives, Alphastrahlung absonderndes Produkt. Anschließend untersuchten sie dieses Produkt chemisch und schlossen nacheinander die bekannten Elemente wie Thallium, Polonium oder Blei aus, bis nur noch die Möglichkeit des neu entdeckten Elementes 85 übrigblieb. 1947 schlugen sie nach altgriechisch ἀστατέω, astatos, „instabil“ den Namen Astat für das Element vor. Natürlich vorkommendes Astat wurde 1943 von Berta Karlik und Traude Bernert gefunden, die in den Zerfallsreihen von Radium, Thorium und Actinium die drei Isotope 215At, 216At und 218At nachweisen konnten. Endgültig bestätigt wurde die Entdeckung des Astats und sein Name 1949 von der IUPAC.
Astat wird durch Beschuss von Bismut mit Alphateilchen im Energiebereich von 26 bis 29 MeV hergestellt. Man erhält dabei die relativ langlebigen Isotope 209At bis 211At, die dann im Stickstoffstrom bei 450 bis 600 °C sublimiert und an einer gekühlten Platinscheibe abgetrennt werden.
Bei diesem radioaktiven Element wurde mit Hilfe von Massenspektrometrie nachgewiesen, dass es sich chemisch wie die anderen Halogene, besonders wie Iod verhält (es sammelt sich wie dieses in der Schilddrüse an). Astat ist stärker metallisch als Iod. Forscher am Brookhaven National Laboratory haben Experimente zur Identifikation und Messung von elementaren chemischen Reaktionen durchgeführt, die Astat beinhalten. Mit dem On-Line-Isotopen-Massenseparator (ISOLDE) am CERN wurde 2013 das Ionisationspotenzial von Astat mit 9,31751(8) Elektronenvolt bestimmt. Die Existenz von At2-Molekülen konnte noch nicht nachgewiesen werden.
Astat hat etwa 20 bekannte Isotope, die alle radioaktiv sind; das langlebigste ist 210At mit einer Halbwertszeit von 8,3 Stunden.
Organische Astatverbindungen dienen in der Nuklearmedizin zur Bestrahlung bösartiger Tumoren. Astat-Isotope eignen sich aufgrund der kurzen Halbwertszeiten innerlich eingenommen als radioaktive Präparate zum Markieren der Schilddrüse. Das Element wird in der Schilddrüse angereichert und in der Leber gespeichert.
Die chemischen Eigenschaften von Astat konnten aufgrund der geringen Mengen bisher nur mit Tracerexperimenten festgestellt werden. Sie ähneln stark denjenigen des Iods, wobei es aber ein schwächeres Oxidationsmittel ist. Bisher konnten diverse Astatide, Interhalogenverbindungen und organische Verbindungen nachgewiesen werden. Auch die Anionen der entsprechenden Sauerstoffsäuren sind bekannt. Wegen des im Vergleich zu anderen Halogenen elektropositiveren Charakters wird es von Silber nur unvollständig ausgefällt. Dafür existiert das komplexstabilisierte Kation At(Py)2 (Py=Pyridin), wodurch Astat auch kathodisch abgeschieden werden kann. Nachgewiesen wurde auch das Hydrid, Astatwasserstoff HAt.
Einstufungen nach der CLP-Verordnung liegen nicht vor, weil diese nur die chemische Gefährlichkeit umfassen und eine völlig untergeordnete Rolle gegenüber den auf der Radioaktivität beruhenden Gefahren spielen. Auch Letzteres gilt nur, wenn es sich um eine dafür relevante Stoffmenge handelt.
* Eric Scerri: A tale of seven elements. Oxford University Press, Oxford 2013, ISBN 978-0-19-539131-2.
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Alkalimetalle
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Als Alkalimetalle werden die chemischen Elemente Lithium, Natrium, Kalium, Rubidium, Caesium und Francium aus der 1. Hauptgruppe des Periodensystems bezeichnet. Sie sind silbrig glänzende, reaktive Metalle, die in ihrer Valenzschale ein einzelnes Elektron besitzen, das sie als starke Reduktionsmittel leicht abgeben können. Obwohl Wasserstoff in vielen Darstellungen des Periodensystems auch in der ersten Hauptgruppe steht – ganz oben und meist mit einer Lücke abgetrennt, oder in anderer Farbe dargestellt – kann Wasserstoff keinesfalls zu den Alkalimetallen gezählt werden. Als typisches Nichtmetall ist Wasserstoff unter Standardbedingungen gasförmig und nicht fest, hat eine viel größere Ionisierungsenergie und zeigt keine typischen metallische Eigenschaften.
Der Name der Alkalimetalle leitet sich von dem arabischen Wort für „Pottasche“ ab, die alte Bezeichnung für aus Pflanzenaschen gewonnenes Kaliumcarbonat. Humphry Davy stellte im Jahre 1807 erstmals das Element Kalium durch eine Schmelzflusselektrolyse aus Kaliumhydroxid dar. Letzteres gewann er aus Kaliumcarbonat. In einigen Sprachen spiegelt sich dies im Namen wider. So heißt Kalium beispielsweise im Englischen und Französischen potassium und im Italienischen potassio.
Alkalimetalle sind metallisch glänzende, silbrig-weiße weiche Leichtmetalle. Caesium hat bei geringster Verunreinigung einen Goldton. Sie sind mit dem Messer schneidbar. Alkalimetalle haben eine geringe Dichte. Sie reagieren mit vielen Stoffen, so beispielsweise mit Wasser, Luft oder Halogenen teilweise äußerst heftig unter starker Wärmeentwicklung. Insbesondere die schwereren Alkalimetalle können sich an der Luft selbst entzünden. Daher werden sie unter Schutzflüssigkeiten, wie Paraffin oder Petroleum (Lithium, Natrium und Kalium), bzw. unter Luftabschluss in Ampullen (Rubidium und Caesium) aufbewahrt. Als Elemente der ersten Gruppe des Periodensystems besitzen sie nur ein schwach gebundenes s-Elektron, das sie leicht abgeben. Ihre ersten Ionisierungsenergien und ihre Elektronegativitäten sind entsprechend klein. In Verbindungen kommen sie alle fast ausschließlich als einwertige Kationen vor, wenngleich sogar Verbindungen bekannt sind, in denen diese Metalle anionisch vorliegen (z. B. Natride, komplexiert mit sogenannten Kryptanden). FlammenfärbungLi.png|Lithium FlammenfärbungNa.png|Natrium FlammenfärbungK.png|Kalium Die Flammenfärbung des Rubidium.jpg|Rubidium Alkalimetalle und ihre Salze besitzen eine spezifische Flammenfärbung: * Lithium und seine Salze färben die Flamme rot (671 nm). * Natrium und seine Salze färben die Flamme gelb (589 nm). * Kalium und seine Salze färben die Flamme violett (768 und 404 nm). * Rubidium und seine Salze färben die Flamme rot (780 und 421 nm). * Caesium und seine Salze färben die Flamme blauviolett (458 nm). Aufgrund dieser Flammenfärbung werden Alkalimetallverbindungen für Feuerwerke benutzt. In der Atomphysik werden Alkalimetalle eingesetzt, da sie sich aufgrund ihrer besonders einfachen elektronischen Struktur besonders leicht mit Lasern kühlen lassen.
Alle Alkalimetalle kristallisieren in der kubisch-raumzentrierten Struktur. Lediglich Lithium und Natrium kristallisieren in der hexagonal-dichtesten Packung, wenn tiefe Temperaturen vorherrschen. Der Radius der Elementatome sowie der Kationen nimmt mit steigender Massenzahl zu. Viele andere Eigenschaften der Alkalimetalle zeigen einen Trend innerhalb der Gruppe von oben nach unten: * Abnahme der Härte, Ionisierungsenergie, Elektronegativität, Schmelz- und Siedepunkte, * Zunahme der Reaktivität, Basizität und Dichte.
Die Alkalimetalle reagieren mit Wasserstoff unter Bildung salzartiger Alkalimetallhydride: :2 Me + H_2 -> 2 MeH Die thermische Beständigkeit der Hydride nimmt vom Lithiumhydrid zum Caesiumhydrid ab. Alkalihydride werden als Reduktions- oder Trocknungsmittel eingesetzt. Mit Sauerstoff reagieren die Metalle unter Bildung fester, weißer Alkalimetalloxide (Lithiumoxid, Natriumoxid), Alkalimetallperoxide (Natriumperoxid, Kaliumperoxid) und Alkalimetallhyperoxide (Kaliumhyperoxid, Rubidiumhyperoxid, Caesiumhyperoxid): :4 Li + O_2 -> 2 Li_2O :4 Na + O_2 -> 2 Na_2O :2 Na + O_2 -> Na_2O_2 :2 K + O_2 -> K_2O_2 Die Reaktion mit Wasser zu Alkalimetallhydroxiden erfolgt unter Freisetzung von Wasserstoff: :2 M + 2 H_2O -> 2 MOH + H_2 Vom Lithium zum Caesium steigt die Reaktivität stark an. Während eine annähernd kubische Probe von Lithium relativ träge reagiert, entzündet sich schon bei Natrium aufgrund der Hitzeentwicklung der entstehende Wasserstoff unter Anwesenheit von Luftsauerstoff. Ab dem Kalium erfolgt bei fortschreitender Reaktion auch Verdampfung und Entflammung des Metalls, nicht zuletzt auch wegen des mit der Ordnungszahl abnehmenden Siedepunkts (siehe oben). Aber auch unter Luftabschluss können schon weniger als 0,5 g Natrium explosiv mit Wasser reagieren, was eigentlich durch die an der Kontaktfläche der Edukte entstehenden Reaktionsprodukte, Wasserstoff und Alkalimetalhydroxid, gehemmt werden sollte. Hoch geschwindigkeits aufnahmen eines Experiments, bei dem Tropfen einer unter Standardbedingungen flüssigen Legierung aus Kalium und Natrium unter einer Inertgas-Atmosphäre mit Wasser in Kontakt gebracht wurden, legen eine initial erfolgende Coulomb-Explosion („negative Oberflächenspannung“) bzw. die damit einhergehende starke Oberflächenvergrößerung der mit Ausnahme von Lithium nach kurzer Zeit schmelzflüssigen unlegierten Alkalimetallproben als Ursache für den ungehemmten Ablauf, die hohe Geschwindigkeit und damit die Heftigkeit dieser Reaktionen nahe. Die Alkalimetallhydroxide sind farblose Feststoffe, die sich in Wasser unter starker Erwärmung leicht lösen und dabei stark basisch reagieren. Die Hydroxide und ihre Lösungen wirken stark ätzend. Die Reaktivität der Alkalimetalle nimmt mit steigender Ordnungszahl zu, weil mit steigender Zahl von Elektronenschalen das Außenelektron immer mehr von der Anziehungskraft des positiv geladenen Atomkerns abgeschirmt wird und daher leichter abgespalten werden kann. Die Zunahme der Reaktivität lässt sich an der Reaktion der verschiedenen Metalle mit Wasser gut erkennen: Lithium und Natrium reagieren mit Wasser zwar heftig unter Wasserstoffentwicklung, aber ohne dass es zur Entzündung des Wasserstoffs kommt. Kalium und Rubidium reagieren unter spontaner Entzündung des Wasserstoffs, Caesium reagiert explosionsartig. Besonders gut reagieren die Alkalimetalle mit Nichtmetallen, denen nur wenige Elektronen fehlen, um Edelgaskonfiguration zu erreichen. Mit Halogenen reagieren die Alkalimetalle zu den salzartigen Alkalimetallhalogeniden: :2 Me + X_2 -> 2 MeX Die Reaktivität steigt vom Lithium zum Caesium und sinkt vom Fluor zum Iod. So reagiert Natrium mit Iod kaum und mit Brom sehr langsam, während die Reaktion von Kalium mit Brom und Iod explosionsartig erfolgt. Alkalimetalle können Halogenkohlenwasserstoffen unter Explosionserscheinungen das Halogen unter Bildung von Kohlenstoff und dem entsprechenden Alkalimetallhalogenid entziehen: :CCl_4 + 4 Na -> 4 NaCl + C Alkalimetalle lösen sich in flüssigem Ammoniak unter Bildung von intensiv blau gefärbten Lösungen. Diese Lösungen, die positiv geladene Alkalimetall-Kationen und solvatisierte Elektronen enthalten, wirken als sehr starke Reduktionsmittel und werden z. B für die Birch-Reduktion eingesetzt. Wird diesen Lösungen ein geeigneter Komplexbildner ( e Kryptand oder Kronenether) zugesetzt, können sich entsprechende Salze mit Alkalimetall-Anionen, die sogenannten Alkalide, bilden.
Wasserstoff, das erste Element der 1. Hauptgruppe, ist unter Normalbedingungen ein Nichtmetall und wird deshalb nicht zu den Alkalimetallen gezählt. Wasserstoff hat z. B wie andere typische Nichtmetalle eine deutlich höhere erste Ionisierungsenergie als die Alkalimetalle, die ihr Elektron leicht abgeben, und zeigt dementsprechend andere chemische Eigenschaften. Anders als die Alkalimetalle teilt Wasserstoff sein Elektron mit Nichtmetallen wie Chlor oder Sauerstoff und bildet mit ihnen über kovalente Bindungen Molekularverbindungen. Im Gegensatz zu den Alkalimetallen kann Wasserstoff ein Elektron von Metallen aufnehmen und bildet mit ihnen salzartige Hydride. Die wichtigste charakteristische Eigenschaft des Wasserstoffatoms ist die Fähigkeit, das einzige Elektron an das Molekül Wasser unter Bildung des Hydroniumkations zu verlieren. Dieses Kation spielt bei allen chemischen Reaktionen in wässrigen Lösungen eine wichtige Rolle. Die genannten Besonderheiten des Elements Wasserstoff, haben dazu geführt, dass man in Lehrbüchern auch die Auffassung findet „Wasserstoff gehört im Periodensystem zu keiner bestimmten Gruppe“. Jedoch gibt es auch chemische Eigenschaften und chemisches Verhalten, in denen Wasserstoff den Alkalimetallen ähnlich ist. Wasserstoff ist wie die Alkalimetalle ein starkes Reduktionsmittel und tritt wie die Alkalimetalle stets einwertig auf. Wasserstoff wandelt sich unter extrem hohem Druck in eine metallische Hochdruckmodifikation um, den metallischen Wasserstoff. Umgekehrt haben auch einige Alkalimetalle unter bestimmten Bedingungen Eigenschaften wie Wasserstoff, z. B. besteht Lithium als Gas zu 1 % aus zweiatomigen Molekülen.
* A. G. Sharpe et al.: Inorganic Chemistry, second edition – ISBN 0-13-039913-2 – Kapitel 10 Group 1: the alkali metals. * Handbuch der experimentellen Chemie Sekundarbereich II, Band 2, Alkali- und Erdalkalimetalle, Halogene, Aulis Verlag Deubner & Co. KG, Köln.
* Reaktion von Natrium mit Wasser auf Video * Beschreibung der Alkalimetalle mit vielen Abbildungen * Video zur Ursache der heftigen Reaktion von Alkalimetallen mit Wasser unter Luftabschluss auf dem YouTube-Kanal (Thunderf00t) des Hauptautors des Nature-chemistry-Artikels (englisch)
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Atom
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atom: Der Atomkern (rosa) liegt im Zentrum einer wesentlich größeren Wolke aus zwei Elektronen (grau). In einer maßstäblichen Darstellung würde zu einem Atomkern mit Durchmesser 1 Millimeter eine Elektronenwolke von etwa 100 Meter gehören. Rechts oben ist der Kern aus je zwei Protonen und Neutronen zusätzlich schematisch und vergrößert dargestellt. In Wirklichkeit ist die Anordnung aus den vier Teilchen kugelsymmetrisch. s in maßstäblicher Darstellung ihres kovalenten Radius Atome sind nicht unteilbar, wie zum Zeitpunkt der Namensgebung angenommen, sondern zeigen einen wohlbestimmten Aufbau aus noch kleineren Teilchen. Sie bestehen aus einem Atomkern und einer Atomhülle. Der Atomkern hat einen Durchmesser von etwa einem Zehn- bis Hunderttausendstel des gesamten Atomdurchmessers, enthält jedoch über 99,9 Prozent der Atommasse. Er besteht aus positiv geladenen Protonen und einer Anzahl von etwa gleich schweren, elektrisch neutralen Neutronen. Diese Nukleonen sind durch die starke Wechselwirkung aneinander gebunden. Die Hülle besteht aus negativ geladenen Elektronen. Sie trägt mit weniger als 0,06 Prozent zur Masse bei, bestimmt jedoch die Größe des Atoms. Der positive Kern und die negative Hülle sind durch elektrostatische Anziehung aneinander gebunden. In der elektrisch neutralen Grundform des Atoms ist die Anzahl der Elektronen in der Hülle gleich der Anzahl der Protonen im Kern. Diese Zahl legt den genauen Aufbau der Hülle und damit auch das chemische Verhalten des Atoms fest und wird deshalb als chemische Ordnungszahl bezeichnet. Alle Atome desselben Elements haben die gleiche chemische Ordnungszahl. Sind zusätzliche Elektronen vorhanden oder fehlen welche, ist das Atom negativ bzw. positiv geladen und wird als Ion bezeichnet. Die Vorstellung vom atomaren Aufbau der Materie existierte bereits in der Antike, war jedoch bis in die Neuzeit umstritten. Der endgültige Nachweis konnte erst Anfang des 20. Jahrhunderts erbracht werden und gilt als eine der bedeutendsten Entdeckungen in Physik und Chemie. Einzelne Atome sind selbst mit den stärksten Lichtmikroskopen nicht zu erkennen, da es die Wellenlänge des sichtbaren Lichts für die benötigte Auflösung in dieser Größenordnung physikalisch nicht zulässt. Eine direkte Beobachtung einzelner Atome ist erst seit Mitte des 20. Jahrhunderts mit Feldionenmikroskopen möglich, seit einigen Jahren auch mit Rastertunnelmikroskopen und hochauflösenden Elektronenmikroskopen. Die Atomphysik, die neben dem Aufbau der Atome auch die Vorgänge in ihrem Inneren und ihre Wechselwirkungen mit anderen Atomen erforscht, hat entscheidend zur Entwicklung der modernen Physik und insbesondere der Quantenmechanik beigetragen.
Die Vorstellung vom atomaren Aufbau der Materie existierte bereits in der Antike, allerdings nur in Form von spekulativen philosophischen Überlegungen. Aufgrund ihrer extrem geringen Größe sind einzelne Atome selbst mit den stärksten Lichtmikroskopen nicht zu erkennen. Dennoch konnte Johann Loschmidt schon Mitte des 19. Jahrhunderts aufgrund makroskopischer Eigenschaften der Gase ungefähr abschätzen, wie groß und schwer ein solches hypothetisches Atom sein müsste. Noch Anfang des 20. Jahrhunderts war umstritten, ob es Atome wirklich gibt. Der endgültige Nachweis ihrer Existenz gilt als eine der bedeutendsten Entdeckungen in Physik und Chemie. Einen entscheidenden Beitrag lieferte Albert Einstein 1905, indem er die bereits seit langem bekannte, im Mikroskop direkt sichtbare Brownsche Bewegung kleiner Körnchen quantitativ dadurch erklärte, dass sie von zufällig gehäuften Stößen von Atomen oder Molekülen aus der Umgebung herrührte. Erst seit wenigen Jahrzehnten erlauben Feldionenmikroskope und Rastertunnelmikroskope, seit einigen Jahren zudem auch Elektronenmikroskope, einzelne Atome direkt zu beobachten.
Das Konzept des Atomismus, nämlich dass Materie aus Grundeinheiten aufgebaut ist – „kleinsten Teilchen“, die nicht immer weiter in kleinere Stücke zerteilt werden können – existiert seit Jahrtausenden, genauso wie das Gegenkonzept, Materie sei ein beliebig teilbares Kontinuum. Doch diese Ideen beruhten zunächst ausschließlich auf philosophischen Überlegungen und nicht auf empirischer experimenteller Untersuchung. Dabei wurden den Atomen verschiedene Eigenschaften zugeschrieben, und zwar je nach Zeitalter, Kultur und philosophischer Schule sehr unterschiedliche. Eine frühe Erwähnung des Atomkonzepts in der Philosophie ist aus Indien bekannt. Die Nyaya- und Vaisheshika-Schulen entwickelten ausgearbeitete Theorien, wie sich Atome zu komplexeren Gebilden zusammenschlössen (erst in Paaren, dann je drei Paare). Experimentell arbeitende Naturwissenschaftler machten sich Ende des 18. Jahrhunderts die Hypothese vom Atom zu eigen, weil diese Hypothese im Rahmen eines Teilchenmodells der Materie eine elegante Erklärung für neue Entdeckungen in der Chemie bot. Doch wurde gleichzeitig die gegenteilige Vorstellung, Materie sei ein Kontinuum, von Philosophen und auch unter Naturwissenschaftlern noch bis ins 20. Jahrhundert hinein aufrechterhalten.
Im Rahmen der wissenschaftlichen Erforschung konnte die Existenz von Atomen bestätigt werden. Um ihren inneren Aufbau zu beschreiben, wurden viele verschiedene Atommodelle entwickelt. Insbesondere das Wasserstoffatom als das einfachste aller Atome war dabei wichtig. Einige der Modelle werden heute nicht mehr verwendet und sind nur von wissenschaftsgeschichtlichem Interesse. Andere gelten je nach Anwendungsbereich als noch heute brauchbare Näherung. In der Regel wird das einfachste Modell genommen, welches im gegebenen Zusammenhang noch ausreicht, um die auftretenden Fragen zu klären. Viele der im Folgenden genannten Entdeckungen (sofern nach 1900) wurden mit dem Nobelpreis für Physik oder Chemie ausgezeichnet.
Robert Boyle vertrat 1661 in seinem Werk The Sceptical Chymist die Meinung, die Materie sei aus diversen Kombinationen verschiedener corpuscules aufgebaut und nicht aus den vier Elementen der Alchemie: Wasser, Erde, Feuer, Luft. Damit bereitete er die Überwindung der Alchemie durch den Element- und Atombegriff der modernen Chemie vor. Daniel Bernoulli zeigte 1740, dass der gleichmäßige Druck von Gasen auf die Behälterwände, insbesondere das Gesetz von Boyle und Mariotte, sich durch zahllose Stöße kleinster Teilchen erklären lässt. Damit wurde seine Forschung zum Vorläufer der kinetischen Gastheorie und statistischen Mechanik. Ab Ende des 18. Jahrhunderts wurde die Vorstellung von Atomen genutzt, um die wohlbestimmten Winkel an den Kanten und Ecken der Edelsteine auf die verschiedenen möglichen Schichtungen von harten Kugeln zurückzuführen. Nachdem Antoine Lavoisier 1789 den heutigen Begriff des chemischen Elements geprägt und die ersten Elemente richtig identifiziert hatte, benutzte 1803 John Dalton das Atomkonzept, um zu erklären, wieso Elemente immer in Mengenverhältnissen kleiner ganzer Zahlen miteinander reagieren (Gesetz der multiplen Proportionen). Er nahm an, dass jedes Element aus gleichartigen Atomen besteht, die sich nach festen Regeln miteinander verbinden können und so Stoffe mit anderen Materialeigenschaften bilden. Außerdem ging er davon aus, dass alle Atome eines Elements die gleiche Masse hätten, und begründete damit den Begriff Atomgewicht. Die Beobachtungen zum chemischen und physikalischen Verhalten von Gasen konnte Amedeo Avogadro 1811 dahingehend zusammenfassen, dass zwei ideale Gase bei gleichen Werten von Volumen, Druck und Temperatur des Gases immer aus gleich vielen identischen Teilchen („Molekülen“) bestehen. Die Moleküle bestehen bei elementaren Gasen wie Wasserstoff, Sauerstoff oder Stickstoff immer aus zwei Atomen des Elements (Avogadrosches Gesetz). 1866 konnte Johann Loschmidt die Größe des einzelnen Luftmoleküls bestimmen, indem er mit einer von James C. Maxwell aus der kinetischen Gastheorie gewonnenen Formel die von George Stokes gemessenen Werte für die innere Reibung in Luft auswertete. Damit konnte er auch das Gewicht bzw. die Masse eines Luftmoleküls bestimmen. Außerdem erhielt er die nach ihm benannte Loschmidtsche Zahl als Anzahl der Luftmoleküle pro Kubikzentimeter (unter Normalbedingungen). Infolge der Arbeiten von Avogadro und Stanislao Cannizzaro wurde angenommen, dass Atome nicht als einzelne Teilchen auftreten, sondern nur als Bestandteile von Molekülen aus mindestens zwei Atomen. Doch 1876 gelang August Kundt und Emil Warburg der erste Nachweis eines einatomigen Gases. Sie bestimmten den Adiabatenexponenten von Quecksilber-Dampf bei hoher Temperatur und erhielten einen Wert, wie er nach der kinetischen Gastheorie nur für Teilchen in Gestalt echter Massenpunkte auftreten kann. Ab 1895 kamen entsprechende Beobachtungen an den neu entdeckten Edelgasen hinzu. Nach Erscheinen seiner Dissertation über die Bestimmung von Moleküldimensionen schlug Albert Einstein im selben Jahr 1905 ein Experiment vor, um die Hypothese von der Existenz der Atome anhand der Zitterbewegung kleiner Partikel in Wasser quantitativ zu prüfen. Nach seiner Theorie müssten die Partikel aufgrund der Unregelmäßigkeit der Stöße durch die Wassermoleküle kleine, aber immerhin unter dem Mikroskop sichtbare Bewegungen ausführen. Es war Einstein dabei zunächst nicht bekannt, dass er damit die seit 1827 bekannte Brownsche Bewegung von Pollen quantitativ erklärt hatte, für deren Ursache schon 1863 Christian Wiener erstmals Molekularstöße angenommen hatte. Nach Einsteins Formeln hängt die Stärke der Zitterbewegung von der Masse der stoßenden Moleküle ab, und auf dieser Grundlage bestimmte der französische Physiker Jean Perrin die Molekülmasse experimentell und fand ähnliche Ergebnisse wie Loschmidt. Diese Arbeiten trugen entscheidend zur allgemeinen Anerkennung der bis dahin so genannten „Atomhypothese“ bei.
Joseph John Thomson entdeckte 1897, dass die Kathodenstrahlen aus Teilchen bestimmter Ladung und Masse bestehen und dass deren Masse kleiner als ein Tausendstel der Atommasse ist. Diese Teilchen wurden als Elektronen bezeichnet und erwiesen sich als ein Bestandteil aller Materie, was dem Konzept des Atoms als unzerteilbarer Einheit widersprach. Thomson glaubte, dass die Elektronen dem Atom seine Masse verliehen und dass sie im Atom in einem masselosen, positiv geladenen Medium verteilt seien wie „Rosinen in einem Kuchen“ (Thomsonsches Atommodell). Die kurz zuvor von Henri Becquerel entdeckte Radioaktivität wurde von Marie Curie als eine Strahlung direkt aus den einzelnen Atomen angesehen und 1903 von Ernest Rutherford und Frederick Soddy mit Umwandlungen verschiedener Atomsorten ineinander in Verbindung gebracht. Ein solcher Prozess widersprach aber der in der Chemie erfolgreichen Grundannahme, die Atome seien unveränderlich. Rutherford und Soddy konnten 1908 nachweisen, dass aus den α-Teilchen, die die Alphastrahlung bilden, Helium-Atome werden. Zusammen mit seiner Forschergruppe beschoss Ernest Rutherford 1909 eine Goldfolie mit α-Teilchen. Er stellte fest, dass die meisten der Teilchen die Folie fast ungehindert durchdrangen, während einige wenige aber um sehr viel größere Winkel abgelenkt wurden als nach Thomsons Modell möglich wäre. Rutherford schloss daraus, dass fast die ganze Masse des Atoms in einem sehr viel kleineren, elektrisch geladenen Volumen in der Mitte des Atoms konzentriert sei und schuf damit die grundlegende Vorstellung vom Aufbau des Atoms aus Atomkern und Atomhülle. Dies Rutherfordsche Atommodell ist seither gültig. Die stark abgelenkten α-Teilchen waren diejenigen, die einem Kern zufällig näher als etwa ein Hundertstel des Atomradius gekommen waren. Die Ladungszahl des Atomkerns entpuppte sich als die chemische Ordnungszahl des betreffenden Elements, und α-Teilchen erwiesen sich als die Atomkerne des Heliums. Der Chemiker Frederick Soddy stellte 1911 fest, dass manche der natürlichen radioaktiven Elemente aus Atomen mit unterschiedlichen Massen und unterschiedlicher Radioaktivität bestehen mussten. Da die Isotope desselben Elements an ihrem chemischen Verhalten nicht zu unterscheiden waren, entwickelte der Physiker J.J. Thomson ein erstes Massenspektrometer zu ihrer physikalischen Trennung. Damit konnte er 1913 am Beispiel von Neon nachweisen, dass es auch stabile Elemente mit mehreren Isotopen gibt. 1918 fand Francis William Aston mit einem Massenspektrometer von erheblich größerer Genauigkeit heraus, dass fast alle Elemente Gemische aus mehreren Isotopen sind, wobei die Massen der einzelnen Isotope immer (nahezu) ganzzahlige Vielfache der Masse des Wasserstoffatoms sind. Rutherford wies 1919 in der ersten beobachteten Kernreaktion nach, dass durch Beschuss mit α-Teilchen aus den Kernen von Stickstoffatomen die Kerne von Wasserstoffatomen herausgeschossen werden können. Diesen gab er den Namen Proton und entwickelte ein Atommodell, in dem die Atome nur aus Protonen und Elektronen bestehen, wobei die Protonen und ein Teil der Elektronen den kleinen, schweren Atomkern bilden, die übrigen Elektronen die große, leichte Atomhülle. Die Vorstellung von Elektronen im Atomkern stellte sich jedoch als problematisch heraus und wurde 1932 endgültig fallengelassen, nachdem von James Chadwick das Neutron als ein neutraler Kernbaustein mit etwa gleicher Masse wie das Proton nachgewiesen wurde. Damit entstand das heutige Atommodell: Der Atomkern ist zusammengesetzt aus so vielen Protonen, wie die Ordnungszahl angibt, und zusätzlich so vielen Neutronen, dass die betreffende Isotopenmasse erreicht wird; die Atomhülle besteht aus so vielen Elektronen, dass das ganze Atom neutral wird.
des Wasserstoffatoms (Z=1) mit einem Elektron, das zwischen festen Umlaufbahnen (Orbits) springt und dabei ein Photon mit einer bestimmten Frequenz f abstrahlt. Die beobachteten Eigenschaften (wie Größe, Stabilität, Reaktionsweisen, Absorption und Emission von Licht) der Atomhülle konnten im Rahmen der klassischen Physik keine Erklärung finden. Erst unter Einbeziehung von neuartigen Quantisierungsregeln mithilfe der Planck-Konstante konnte Niels Bohr 1913 erklären, wie es in den optischen Spektren reiner Elemente zu den Spektrallinien kommt, die für das jeweilige Element absolut charakteristisch sind (Spektralanalyse nach Robert Wilhelm Bunsen und Gustav Robert Kirchhoff 1859). Im Franck-Hertz-Versuch konnte die quantisierte Energieaufnahme und -abgabe an Quecksilberatomen experimentell bestätigt werden. Das Bohrsche Atommodell war zwar nur für Systeme mit lediglich einem Elektron (damals nur Wasserstoff und ionisiertes Helium) gültig, bildete jedoch im Laufe des folgenden Jahrzehnts das Fundament für eine Reihe von Verfeinerungen. Sie führten im Schalenmodell zu einem ersten Verständnis des Aufbaus der Elektronenhüllen aller Elemente und damit auch zum physikalischen Verständnis des chemischen Periodensystems. Damit wurde das Bohrsche Atommodell zur Grundlage des populären Bildes vom Atom als einem kleinen Planetensystem. e der ersten (2 Elektronen) und zweiten (8 Elektronen) Elektronenschale 1925 entwickelte Werner Heisenberg zusammen mit Max Born, Pascual Jordan, Wolfgang Pauli u. a. die Matrizenmechanik. 1926 ersetzte Erwin Schrödinger die Quantisierungsregeln durch seine Wellenmechanik. Sie beschreibt die Elektronen nicht als Massenpunkte auf bestimmten ebenen Bahnen, sondern als in drei Dimensionen ausgedehnte stehende Materiewelle. Beide Formen einer neuen „Quantenmechanik“ konnten das Spektrum des Wasserstoffatoms richtig erklären. Als Folge dieser Beschreibungen ist es unter anderem unzulässig, einem Elektron gleichzeitig genaue Werte für Ort und Impuls zuzuschreiben. Dieser Sachverhalt wurde 1927 von Heisenberg in der Unschärferelation formuliert. Demnach können statt der Bewegung auf bestimmten Bahnen nur Wahrscheinlichkeitsverteilungen für Wertebereiche von Ort und Impuls angegeben werden, eine Vorstellung, die nur schwer zu veranschaulichen ist. Den quantisierten Umlaufbahnen des Bohrschen Modells entsprechen hier „Atomorbitale“. Sie geben unter anderem an, wie sich in der Nähe des Atomkerns die Aufenthaltswahrscheinlichkeit der Elektronen konzentriert, und bestimmen damit die wirkliche Größe des Atoms. Die Beschreibung der Eigenschaften der Atome gelang mit diesen ersten vollständig quantenmechanischen Atommodellen sehr viel besser als mit den Vorläufermodellen. Insbesondere ließen sich auch bei Atomen mit mehreren Elektronen die Spektrallinien und die Struktur der Atomhülle in räumlicher und energetischer Hinsicht darstellen, einschließlich der genauen Möglichkeiten, mit den Atomhüllen anderer Atome gebundene Zustände zu bilden, also die aus der Chemie bekannten stabilen Moleküle. Daher wurde das Bohrsche Atommodell zugunsten des quantenmechanischen Orbitalmodells des Atoms verworfen. Das Orbitalmodell ist bis heute Grundlage und Ausgangspunkt genauer quantenmechanischer Berechnungen fast aller Eigenschaften der Atome. Das Orbitalmodell bei einem Atom mit mehr als einem Elektron ist physikalisch als eine Näherung zu bezeichnen, nämlich als eine Ein-Teilchen-Näherung, die jedem einzelnen Elektron ein bestimmtes Orbital zuschreibt. Ein so gebildeter Zustand des Atoms wird als Konfiguration bezeichnet und gehört in der Quantenmechanik zu der einfachsten Art von Mehrteilchenzuständen. Genauere Modelle berücksichtigen, dass nach den Regeln der Quantenmechanik die Hülle auch in einem Zustand sein kann, der durch Superposition verschiedener Konfigurationen entsteht, wo also mit verschiedenen Wahrscheinlichkeitsamplituden gleichzeitig verschiedene Elektronenkonfigurationen vorliegen (Konfigurationsmischung). Hiermit werden die genauesten Berechnungen von Energieniveaus und Wechselwirkungen der Atome möglich. Wegen des dazu nötigen mathematischen Aufwands werden jedoch, wo es möglich ist, auch weiterhin einfachere Atommodelle genutzt. Zu nennen ist hier neben dem Schalenmodell unter anderen das Thomas-Fermi-Modell, in dem die Elektronenhülle pauschal wie ein in einem elektrostatischen Potentialtopf gebundenes ideales Elektronengas („Fermigas“) behandelt wird, dessen Elektronendichte wiederum (zusammen mit der Kernladung) die Form des Potentialtopfs bestimmt.
Zur Entdeckung des Atomkerns und seiner Zusammensetzung aus Protonen und Neutronen siehe den Abschnitt „Teilbarkeit und Aufbau der Atome“ oben. Hier folgen Stichworte zur Erforschung weiterer Eigenschaften der Kerne.
Die Bindungsenergie der Nukleonen ist Ursache der hohen Energie der Quanten der radioaktiven Strahlung. Sie übersteigt die chemische Bindungsenergie von Molekülen um fünf bis sechs Größenordnungen. Ab 1935 war hierbei erstmals eine grobe Modellvorstellung erfolgreich, das Tröpfchenmodell von C.F. von Weizsäcker und Hans Bethe. Damit wurde für Kerne ab etwa 10 Nukleonen die anfängliche Zunahme der mittleren Bindungsenergie bis etwa A=60 durch die wachsende Anzahl erklärt, in der die Nukleonen sich aufgrund der eigentlichen Kernkräfte mit ihren jeweiligen Nachbarn binden, und danach die Abnahme der mittleren Bindungsenergie aufgrund der zunehmenden elektrostatischen Abstoßung, die alle Protonen untereinander betrifft.
Da das Maximum der mittleren Bindungsenergie bei mittelschweren Kernen liegt, bedeutet es Energiefreisetzung sowohl, wenn sehr leichte Kerne fusionieren, als auch wenn sehr schwere Kerne spalten. Die Fusion von Wasserstoff zu Helium wurde 1938 als Energiequelle der Sterne identifiziert. Die Spaltung nach Neutroneneinfang wurde erstmals 1938 an Urankernen (des Isotops U-235) durch Otto Hahn und Fritz Strassmann nachgewiesen. Danach wurde die Kernforschung erheblich intensiviert und führte 1945 zu den ersten Atombomben, 1952 den Wasserstoffbomben und ab Mitte der 1950er Jahre zur Nutzung der Atomenergie zur Energieversorgung.
Sehr viel detaillierter als das Tröpfchenmodell ist das 1949 von J.H.D. Jensen und Maria Goeppert-Mayer aufgestellte Schalenmodell der Kerne. Ähnlich wie das Schalenmodell der Atome nimmt es für je ein Nukleon ein bestimmtes Orbital in einem gemeinsamen kugelsymmetrischen Potentialtopf an. Damit kann eine Fülle von Daten über die Grundzustände und angeregten Zustände der Kerne erklärt werden, zum Beispiel ihr Kernspin, ihr magnetisches Dipol- und elektrisches Quadrupolmoment, sowie über ihre Zerfalls- und Reaktionsweisen. Aage Bohr, Ben Mottelson und James Rainwater gelang es Anfang der 1960er Jahre, dies Einzelteilchenmodell mit den Aspekten kollektiver Bewegung zu verbinden, womit auch die Abweichungen von der Kugelgestalt in bestimmten Bereichen der Nukleonenzahlen verständlich wurden.
Die kurzreichweitigen Kernkräfte konnten in den 1970er Jahren auf die Starke Wechselwirkung zwischen Quarks zurückgeführt werden.
Ab den 1950er Jahren konnten Atome und vor allem die Atomkerne durch die Entwicklung verbesserter Teilchenbeschleuniger und Teilchendetektoren beim Beschuss mit Teilchen sehr hoher Energie untersucht werden. Ende der 1960er Jahre zeigte sich in der „tief inelastischen Streuung“ von Elektronen an Atomkernen, dass auch Neutronen und Protonen keine unteilbaren Einheiten sind, sondern aus Quarks zusammengesetzt sind.
1951 entwickelte Erwin Müller das Feldionenmikroskop und konnte damit von einer Nadelspitze erstmals ein Abbild erzeugen, das auf direkte Weise so stark vergrößert war, dass einzelne Atome darin sichtbar wurden (wenn auch nur als verschwommene Flecken). 1953 entwickelte Wolfgang Paul die magnetische Ionenfalle (Paulfalle), in der einzelne Ionen gespeichert und mit immer höherer Genauigkeit untersucht werden können. Hier kann ein einzelnes Atom auch durch sein Fluoreszenzlicht direkt visuell sichtbar gemacht und fotografiert werden. 1985 entwickelte eine Arbeitsgruppe um Steven Chu die Laserkühlung, ein Verfahren, die Temperatur einer Ansammlung von Atomen mittels Laser strahlung stark zu verringern. Im selben Jahr gelang es einer Gruppe um William D. Phillips, neutrale Natriumatome in einer magneto-optischen Falle einzuschließen. Durch Kombination dieser Verfahren mit einer Methode, die den Dopplereffekt nutzt, gelang es einer Arbeitsgruppe um Claude Cohen-Tannoudji, geringe Mengen von Atomen auf Temperaturen von einigen Mikrokelvin zu kühlen. Mit diesem Verfahren können Atome mit höchster Genauigkeit untersucht werden; außerdem ermöglichte es auch die experimentelle Realisierung der Bose-Einstein-Kondensation. Anfang der 1980er Jahre wurde von Gerd Binnig und Heinrich Rohrer das Rastertunnelmikroskop entwickelt, in dem eine Nadelspitze eine Oberfläche mittels des Tunneleffekts so fein abtastet, dass einzelne Atome sichtbar werden. Damit wurde es auch möglich, Atome einzeln an bestimmte Plätze zu setzen. In den 1990er Jahren konnten Serge Haroche und David Wineland in Experimenten die Wechselwirkung eines einzelnen Atoms mit einem einzelnen Photon erfolgreich untersuchen. In den 2000er Jahren wurde die Handhabbarkeit einzelner Atome unter anderem genutzt, um einen Transistor aus nur einem Metallatom mit organischen Liganden herzustellen. Seit Ende der 1980er Jahre werden durch Vielfachanregung mit einem Laserimpuls Rydberg-Atome erzeugt. In einem Rydberg-Atom ist ein Elektron in einem so hohen Energiezustand angeregt, dass es den Atomkern, teilweise auch den gesamten Atomrumpf, bestehend aus dem Atomkern und den restlichen Elektronen, in weitem Abstand umkreist und sein Verhalten sich damit dem eines klassischen Teilchens nähert. Rydberg-Atome können über 100.000-mal größer sein als nicht angeregte Atome. Da sie extrem empfindlich auf äußere Felder reagieren, kann man mit ihnen z. B. die Wechselwirkung eines einzelnen Atoms mit einem einzelnen Photon im Detail untersuchen. Sind zwei oder mehr Elektronen in solchen Zuständen angeregt, spricht man von planetarischen Atomen.
Die Unterscheidung und Bezeichnung verschiedener Atomsorten geht zunächst vom Aufbau des Atomkerns aus, während der Zustand der Hülle gegebenenfalls durch zusätzliche Symbole angegeben wird. Kennzahlen sind die Protonenzahl (Ordnungszahl, Kernladungszahl) Z, die Neutronenzahl N des Kerns, und die daraus gebildete Massenzahl A=Z+N. Je nach ihrer Protonenzahl gehören die Atome zu einem der 118 bekannten chemischen Elemente, von Wasserstoff mit Z=1 bis Oganesson mit Z=118. Davon sind 91 in natürlichen Vorkommen entdeckt worden, 27 nur nach künstlicher Herstellung durch Kernreaktionen. Die Ordnung der Elemente wird im Periodensystem – wichtig für die Chemie – graphisch veranschaulicht. Darin werden die Elemente mit aufsteigender Ordnungszahl in Form einer Tabelle angeordnet. Jede Zeile wird als Periode des Periodensystems bezeichnet und endet, wenn das jeweilige Orbital mit Elektronen voll besetzt ist (Edelgas). In den nächsten Zeilen wiederholt sich aufgrund der schrittweisen Elektronenbesetzung der nächsten Orbitale der chemische Charakter der Elemente. So stehen Elemente mit ähnlichen chemischen Eigenschaften in einer Spalte untereinander; sie bilden eine Gruppe des Periodensystems. Atome eines Elements, die sich in der Neutronenzahl unterscheiden, gehören zu verschiedenen Isotopen des Elements. Insgesamt bestehen die 118 Elemente aus etwa 2800 Isotopen, wovon 2500 künstlich erzeugt wurden. Isotope werden nach dem chemischen Element und der Massenzahl bezeichnet. Für die schwereren Wasserstoffisotope gibt es die speziellen Namen „Deuterium“ und „Tritium“. Das Symbol für ein bestimmtes Isotop des Elements X hat die Form ^A_Z \mathrm{X}, ^A\mathrm{X} oder X-A (Beispiele: ^{12}_{\,\, 6}\mathrm{C}, ^{58}\mathrm{Fe}, Pb-208). Die Angabe der Protonenzahl Z ist redundant, da sie schon durch die Ordnungszahl des Elements X gegeben ist.
Nuklid ist die ganz allgemeine Bezeichnung für Atomarten, unabhängig davon, ob sie zum gleichen Element gehören oder nicht. Die Nuklidkarte oder Isotopenkarte – wichtig für die Kernphysik und ihre Anwendungen – ist eine Tabelle, in der jede Atomart einen eigenen Platz erhält. Dazu wird auf einer Achse die Anzahl der Protonen, auf der anderen die der Neutronen aufgetragen. Häufig wird die Stabilität und bei instabilen Nukliden auch die Art der Umwandlung oder die Größenordnung der Halbwertszeit durch bestimmte Farben und gegebenenfalls auch Teilung des dem Isotop zugewiesenen Platzes dargestellt. Der Atomkern eines Nuklids ^A_Z\mathrm{X} kann entweder im energetischen Grundzustand oder in einem der verschiedenen Anregungszustände vorliegen. Wenn darunter relativ langlebige, sogenannte metastabile Zustände sind, werden diese als Isomere bezeichnet und als eigene Nuklide gezählt (Symbol ^A_Z\mathrm X^m, ^A_Z\mathrm X^* o. ä.). Nach dieser Definition sind mit dem Stand von 2003 insgesamt etwa 3200 Nuklide bekannt. In der Kernphysik werden Nuklide mit unterschiedlichen Protonenzahlen, aber gleicher Massenzahl A als Isobare bezeichnet. Seltener werden unter dem Namen Isotone Nuklide mit verschiedenen Protonenzahlen, aber gleicher Neutronenzahl zusammengefasst. Nur etwa 250 Isotope von 80 Elementen haben einen stabilen Kern. Alle anderen Atome sind instabil und wandeln sich über kurz oder lang in Atome eines stabilen Isotops um. Da sie dabei im Allgemeinen ionisierende Strahlung erzeugen, heißen sie auch Radioisotope oder Radionuklide. Auf der Erde wurden in den natürlichen Vorkommen neben allen 250 stabilen Isotopen 30 Radioisotope gefunden, die sich auf 10 radioaktive Elemente verteilen und die natürliche Radioaktivität verursachen. Viele weitere kurzlebige Isotope existieren im Inneren von Sternen, insbesondere während der Supernova-Phase.
Als Rydberg-Atom wird ein Atom bezeichnet, in dem ein Elektron in einem so hohen Energiezustand angeregt ist, dass es den Atomkern, teilweise auch den gesamten Atomrumpf, bestehend aus dem Atomkern und den restlichen Elektronen, in weitem Abstand umkreist und sein Verhalten damit dem eines klassischen Teilchens ähnelt. Rydberg-Atome können über 100.000-mal größer sein als nicht angeregte Atome. Da sie extrem empfindlich auf äußere Felder reagieren, kann man mit ihnen z. B. die Wechselwirkung mit einem einzelnen Photon im Detail untersuchen. Sind zwei oder mehr Elektronen in solchen Zuständen angeregt, spricht man von planetarischen Atomen. Im teils übertragenen Sinn werden als exotische Atome auch solche Systeme bezeichnet, die in physikalischer Hinsicht gewisse Ähnlichkeiten zu den gewöhnlichen Atomen aufweisen. In ihnen kann z. B. eines der Protonen, Neutronen oder Elektronen durch ein anderes Teilchen derselben Ladung ersetzt worden sein. Wird etwa ein Elektron durch ein schwereres Myon ersetzt, bildet sich ein myonisches Atom. Als Positronium wird ein exotisches Atom bezeichnet, in dem ein Elektron statt an ein Proton an ein Positron, das ist das positiv geladene Antiteilchen des Elektrons, gebunden ist. Auch Atome, die gänzlich aus Antiteilchen zur normalen Materie aufgebaut sind, sind möglich und für sich allein sogar ebenso stabil wie die entsprechenden „normalen“ Atome. So wurden erstmals 1995 am Genfer CERN Antiwasserstoffatome künstlich hergestellt und nachgewiesen. An solchen exotischen Atomen lassen sich unter anderem fundamentale physikalische Theorien über die Symmetrie zwischen Teilchen und Antiteilchen überprüfen. Des Weiteren wird der Name „Atom“ manchmal auch für Zwei-Teilchen-Systeme verwendet, die nicht durch elektromagnetische Wechselwirkung zusammengehalten werden, sondern durch die starke Wechselwirkung. Bei einem solchen Quarkonium handelt es sich um ein kurzlebiges Elementarteilchen vom Typ Meson, das aus einem Quark und einem Antiquark aufgebaut ist. Ein Quarkonium-Atom lässt sich in seinen verschiedenen metastabilen Zuständen so durch Quantenzahlen klassifizieren wie das Wasserstoffatom.
Die beiden Hauptbestandteile eines Atoms sind der Atomkern und die Atomhülle. Die Hülle besteht aus Elektronen. Sie trägt mit weniger als 0,06 Prozent zur Masse des Atoms bei, bestimmt aber dessen Größe und dessen Verhalten gegenüber anderen Atomen, wenn sie einander nahekommen. Der Kern besteht aus Protonen und Neutronen, ist im Durchmesser zehn- bis hunderttausendmal kleiner als die Hülle, enthält aber mehr als 99,9 Prozent der Masse des Atoms.
, die pro Nukleon aufgebracht werden muss, um den Kern vollständig in Nukleonen zu zerlegen, für die auf der Erde natürlich vorkommenden Kerne. Der leichteste Atomkern besteht aus nur einem Proton. Mehrere Protonen stoßen sich zwar gemäß der Elektrostatik ab, können zusammen mit einer geeigneten Anzahl von Neutronen aber ein stabiles System bilden. Doch schon bei kleinen Abweichungen von dem energetisch günstigsten Zahlenverhältnis ist der Kern instabil und wandelt sich spontan um, indem aus einem Neutron ein Proton wird oder umgekehrt und die frei werdende Energie und Ladung als Betastrahlung abgegeben wird. Kerne mit bis zu etwa 20 Protonen sind nur bei einem Verhältnis von nahezu 1:1 von Neutronenzahl und Protonenzahl stabil. Darüber steigt in den stabilen Atomkernen das Verhältnis von 1:1 bis auf etwa 1,5:1, weil bei größeren Protonenzahlen wegen ihrer elektrostatischen Abstoßung die Anzahl der Neutronen schneller anwachsen muss als die der Protonen (Details siehe Tröpfchenmodell). Die Bindungsenergie liegt in stabilen Kernen (abgesehen von den leichtesten) oberhalb von 7 MeV pro Nukleon (siehe Abbildung) und übertrifft damit die Bindungsenergie der äußeren Elektronen der Atomhülle oder die chemische Bindungsenergie in stabilen Molekülen um das ca. 106-fache. Kerne mit bestimmten Nukleonenzahlen, die als Magische Zahl bezeichnet werden, beispielsweise Helium-4, Sauerstoff-16 oder Blei-208, sind besonders stabil, was mit dem Schalenmodell des Atomkerns erklärt werden kann. Oberhalb einer Zahl von 82 Protonen (also jenseits von Blei) sind alle Kerne instabil. Sie wandeln sich durch Ausstoßen eines Kerns He-4 in leichtere Kerne um (Alphastrahlung). Dies wiederholt sich, zusammen mit Betastrahlung, so lange, bis ein stabiler Kern erreicht ist; mehrere Zerfallsstufen bilden eine Zerfallsreihe. Auch zu den Protonenzahlen 43 (Technetium) und 61 (Promethium) existiert kein stabiler Kern. Daher kann es insgesamt nur 80 verschiedene stabile chemische Elemente geben, alle weiteren sind radioaktiv. Sie kommen auf der Erde nur dann natürlich vor, wenn sie selber oder eine ihrer Muttersubstanzen eine genügend lange Halbwertzeit haben.
In welcher Art ein instabiler Atomkern zerfällt, ist für das jeweilige Radionuklid typisch. Bei manchen Nukliden können die (untereinander völlig gleichen) Kerne auch auf verschiedene Arten zerfallen, so dass mehrere Zerfallskanäle mit bestimmten Anteilen beteiligt sind. Die wichtigsten radioaktiven Zerfälle sind * Alpha-Zerfall, bei dem sich aus zwei Protonen und zwei Neutronen des Kerns durch die starke Wechselwirkung ein Helium-Atomkern bildet, der ausgestoßen wird, * Beta-Zerfall, bei dem mittels der schwachen Wechselwirkung ein Neutron des Kerns in ein Proton oder umgekehrt umgewandelt wird und ein Elektron und ein Antineutrino beziehungsweise ein Positron und ein Neutrino erzeugt und ausgesendet werden, * Gamma-Zerfall, bei dem ein angeregter Kern durch elektromagnetische Wechselwirkung Gammastrahlung erzeugt und in ein niedrigeres Energieniveau gelangt, bei gleichbleibender Protonen- und Neutronenzahl. -Kern (oben) reagieren zu einem <sup>3</sup>He-Kern, bestehend aus zwei Protonen und einem Neutron. Die bei der Reaktion frei werdenden Energie wird als Gammastrahlung abgestrahlt. Die Energien der Strahlungen sind für das jeweilige Nuklid charakteristisch, ebenso wie die Halbwertszeit, die angibt, wie lange es dauert, bis die Hälfte einer Probe des Nuklids zerfallen ist. Durch Anlagerung eines Neutrons kann sich ein Kern in das nächstschwerere Isotop desselben Elements verwandeln. Durch den Beschuss mit Neutronen oder anderen Atomkernen kann ein großer Atomkern in mehrere kleinere Kerne gespalten werden. Einige schwere Nuklide können sich auch ohne äußere Einwirkung spontan spalten. Größere Atomkerne können aus kleineren Kernen gebildet werden. Dieser Vorgang wird Kernfusion genannt. Für eine Fusion müssen sich Atomkerne sehr nahekommen. Diesem Annähern steht die elektrostatische Abstoßung beider Kerne, der sogenannte Coulombwall, entgegen. Aus diesem Grund ist eine Kernfusion (außer in bestimmten Experimenten) nur unter sehr hohen Temperaturen von mehreren Millionen Grad und hohen Drücken, wie sie im Inneren von Sternen herrschen, möglich. Die Kernfusion ist bei Nukliden bis zum Nickel-62 eine exotherme Reaktion, so dass sie im Großen selbsterhaltend ablaufen kann. Sie ist die Energiequelle der Sterne. Bei Atomkernen jenseits des Nickels nimmt die Bindungsenergie pro Nukleon ab; die Fusion schwererer Atomkerne ist daher endotherm und damit kein selbsterhaltender Prozess. Die Kernfusion in Sternen kommt daher zum Erliegen, wenn die leichten Atomkerne aufgebraucht sind.
Die Atomhülle besteht aus Elektronen, die aufgrund ihrer negativen Ladung an den positiven Atomkern gebunden sind. Sie wird oft auch als Elektronenhülle bezeichnet. Bei einem neutralen Atom mit Z Elektronen beträgt die durchschnittliche Bindungsenergie je Elektron etwa 13{,}6\; Z^{4/3} . Sie nimmt daher mit steigender Teilchenzahl erheblich zu, im Gegensatz zur durchschnittlichen Bindungsenergie pro Nukleon im Kern, die ab der Massenzahl A=62 sogar abnimmt. Zur Erklärung wird angeführt, dass zwischen Nukleonen nur Bindungskräfte kurzer Reichweite wirken, die kaum über die benachbarten Teilchen hinausreichen, während die Hülle durch die elektrostatische Anziehungskraft gebunden ist, die vom Z-fach geladenen Kern aus alle Elektronen erfasst. Abgesehen von der Masse, die zu über 99,95 Prozent im Atomkern konzentriert ist, ist die Atomhülle für praktisch alle äußeren Eigenschaften des Atoms verantwortlich. Der Begriff Atommodell bezieht sich daher im engeren Sinn meist nur auf die Hülle (siehe Liste der Atommodelle). Ein einfaches Atommodell ist das Schalenmodell, nach dem die Elektronen sich in bestimmten Schalen um den Kern anordnen, in denen jeweils für eine bestimmte Anzahl Elektronen Platz ist. Allerdings haben diese Schalen weder einen bestimmten Radius noch eine bestimmte Dicke, sondern überlappen und durchdringen einander teilweise. Besser getrennt sind sie auf der Skala der Bindungsenergie der Elektronen.
Die Atomhülle bestimmt die Stärke und Abstandsabhängigkeit der Kräfte zwischen zwei Atomen. Im Abstandsbereich mehrerer Atomdurchmesser polarisieren sich die gesamten Atomhüllen wechselseitig, sodass durch elektrostatische Anziehung anziehende Kräfte, die Van-der-Waals-Kräfte, entstehen. Sie bewirken vor allem die Kondensation der Gase zu Flüssigkeiten, also einen Wechsel der Aggregatzustände. Die (näherungsweise) Inkompressibilität der Flüssigkeiten und Festkörper hingegen beruht darauf, dass alle Atome bei starker Annäherung einander stark abstoßen, sobald sich ihre Hüllen im Raum merklich überschneiden und daher verformen müssen. Außer im Fall zweier Wasserstoff atome, die jeweils nur ein Elektron in der Hülle haben, spielt die elektrostatische Abstoßung der beiden Atomkerne dabei nur eine geringe Rolle. In einem mittleren Abstandsbereich zwischen dem Vorherrschen der schwach anziehenden Van-der-Waals-Kräfte und der starken Abstoßung kommt es zwischen zwei oder mehr zueinander passenden Atomhüllen zu einer besonders starken Anziehung, der chemischen Bindung. Bei Atomen bestimmter Elemente kann diese Anziehung zu einem stabilen Molekül führen, das aus Atomen in zahlenmäßig genau festgelegter Beteiligung und räumlicher Anordnung aufgebaut ist. Die Moleküle sind die kleinsten Stoffeinheiten der chemischen Verbindungen, also der homogenen Materialien in all ihrer Vielfalt. Vermittelt über die Hüllen ihrer Atome ziehen auch Moleküle einander an. Ein fester Körper entsteht, wenn viele Moleküle sich aneinander binden und dabei, weil es energetisch günstig ist, eine feste Anordnung einhalten. Ist diese Anordnung regelmäßig, bildet sich ein Kristallgitter. Infolge dieser Bindung ist der feste Körper nicht nur weitgehend inkompressibel wie eine Flüssigkeit, sondern im Unterschied zu dieser auch auf Zug belastbar und deutlich weniger leicht verformbar. Verbinden sich Atome metallischer Elemente miteinander, ist ihre Anzahl nicht festgelegt und es können sich nach Größe und Gestalt beliebige Körper bilden. Vor allem chemisch reine Metalle zeigen dann meist auch eine große Verformbarkeit. Verbindungen verschiedener Metalle werden Legierung genannt. Die Art der Bindung von Metallatomen erklärt, warum Elektronen sich fast frei durch das Kristallgitter bewegen können, was die große elektrische Leitfähigkeit und Wärmeleitfähigkeit der Metalle verursacht. Zusammengefasst ergeben sich aus der Wechselwirkung der Atomhüllen miteinander die mechanische Stabilität und viele weitere Eigenschaften der makroskopischen Materialien.
Die dem Schalenmodell zugrundeliegenden Elektronenschalen ergeben sich durch die Quantisierung der Elektronenenergien im Kraftfeld des Atomkerns nach den Regeln der Quantenmechanik. Um den Kern herum bilden sich verschiedene Atomorbitale, das sind unscharf begrenzte Wahrscheinlichkeitsverteilungen für mögliche räumliche Zustände der Elektronen. Jedes Orbital kann aufgrund des Pauli-Prinzips mit maximal zwei Elektronen besetzt werden, dem Elektronenpaar. Die Orbitale, die unter Vernachlässigung der gegenseitigen Abstoßung der Elektronen und der Feinstruktur theoretisch die gleiche Energie hätten, bilden eine Schale. Die Schalen werden mit der Hauptquantenzahl durchnummeriert oder fortlaufend mit den Buchstaben K, L, M,… bezeichnet. Genauere Messungen zeigen, dass ab der zweiten Schale nicht alle Elektronen einer Schale die gleiche Energie besitzen. Falls erforderlich, wird durch die Nebenquantenzahl oder Drehimpulsquantenzahl eine bestimmte Unterschale identifiziert. Sind die Orbitale, angefangen vom energetisch niedrigsten, so weit mit Elektronen besetzt, dass die gesamte Elektronenzahl gleich der Protonenzahl des Kerns ist, ist das Atom neutral und befindet sich im Grundzustand. Werden in einem Atom ein oder mehrere Elektronen in energetisch höherliegende Orbitale versetzt, ist das Atom in einem angeregten Zustand. Die Energien der angeregten Zustände haben für jedes Atom wohlbestimmte Werte, die sein Termschema bilden. Ein angeregtes Atom kann seine Überschussenergie abgeben durch Stöße mit anderen Atomen, durch Emission eines der Elektronen (Auger-Effekt) oder durch Emission eines Photons, also durch Erzeugung von Licht oder Röntgenstrahlung. Bei sehr hoher Temperatur oder in Gasentladungen können die Atome durch Stöße Elektronen verlieren (siehe Ionisationsenergie), es entsteht ein Plasma, so z. B. in einer heißen Flamme oder in einem Stern. Da die Energien der Quanten der emittierten Strahlung je nach Atom bzw. Molekül und den beteiligten Zuständen verschieden sind, lässt sich durch Spektroskopie dieser Strahlung die Quelle im Allgemeinen eindeutig identifizieren. Beispielsweise zeigen die einzelnen Atome ihr elementspezifisches optisches Linienspektrum. Bekannt ist etwa die Natrium-D-Linie, eine Doppellinie im gelben Spektralbereich bei 588,99 nm und 589,59 nm, die auch in nebenstehender Abbildung mit D-1 bezeichnet wird. Ihr Aufleuchten zeigt die Anwesenheit von angeregten Natrium-Atomen an, sei es auf der Sonne oder über der Herdflamme bei Anwesenheit von Natrium oder seinen Salzen. Da diese Strahlung einem Atom auch durch Absorption dieselbe Energie zuführen kann, lassen sich die Spektrallinien der Elemente sowohl in Absorptions- als auch in Emissionsspektren beobachten. Diese Spektrallinien lassen sich auch verwenden, um Frequenzen sehr präzise zu vermessen, beispielsweise für Atomuhren. Obwohl Elektronen sich untereinander elektrostatisch abstoßen, können in einem neutralen Atom zusätzlich bis zu zwei weitere Elektronen gebunden werden, wenn es bei der höchsten vorkommenden Elektronenenergie noch Orbitale mit weiteren freien Plätzen gibt (siehe Elektronenaffinität). Chemische Reaktionen, d. h. die Verbindung mehrerer Atome zu einem Molekül oder sehr vieler Atome zu einem Festkörper, werden dadurch erklärt, dass ein oder zwei Elektronen aus einem der äußeren Orbitale eines Atoms (Valenzelektronen) unter Energiegewinn auf einen freien Platz in einem Orbital eines benachbarten Atoms ganz hinüberwechseln (Ionenbindung) oder sich mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit dort aufhalten (kovalente Bindung durch ein bindendes Elektronenpaar). Dabei bestimmt die Elektronegativität der Elemente, bei welchem Atom sich die Elektronen wahrscheinlicher aufhalten. In der Regel werden chemische Bindungen so gebildet, dass die Atome die Elektronenkonfiguration eines Edelgases erhalten (Edelgasregel). Für das chemische Verhalten des Atoms sind also Form und Besetzung seiner Orbitale entscheidend. Da diese allein von der Protonenzahl bestimmt werden, zeigen alle Atome mit gleicher Protonenzahl, also die Isotope eines Elements, nahezu das gleiche chemische Verhalten. Nähern sich zwei Atome über die chemische Bindung hinaus noch stärker an, müssen die Elektronen eines Atoms wegen des Pauli-Prinzips auf freie, aber energetisch ungünstige Orbitale des anderen Atoms ausweichen, was einen erhöhten Energiebedarf und damit eine abstoßende Kraft nach sich zieht.
Mit großer Genauigkeit wird die Wechselwirkung zwischen Kern und Hülle schon durch den einfachen Ansatz beschrieben, in dem der Kern eine punktförmige Quelle eines elektrostatischen Felds nach dem Coulomb-Gesetz darstellt. Alle genannten Atommodelle beruhen hierauf. Aufgrund zusätzlicher Effekte, die in erweiterten Modellen behandelt werden, sind nur extrem kleine Korrekturen nötig, die unter dem Namen Hyperfeinstruktur zusammengefasst werden. Zu berücksichtigen sind hier drei Effekte: erstens die endliche Ausdehnung, die jeder Kern besitzt, zweitens eine magnetische Dipolwechselwirkung, wenn sowohl Kern als auch Hülle eine Drehimpulsquantenzahl von mindestens ½ haben, und drittens eine elektrische Quadrupolwechselwirkung, wenn beide Drehimpulsquantenzahlen mindestens 1 sind. Die endliche Ausdehnung des Kerns – verglichen mit einer theoretischen Punktladung – bewirkt eine schwächere Anziehung derjenigen Elektronen, deren Aufenthaltswahrscheinlichkeit bis in den Kern hineinreicht. Betroffen sind nur s-Orbitale (Bahndrehimpuls Null). Bei Atomen mittlerer Ordnungszahl liegt die Korrektur der Bindungsenergie in der Größenordnung von 1 Prozent. Die magnetischen Dipol- bzw. elektrischen Quadrupol-Momente von Hülle und Kern bewirken eine Kopplung mit der Folge, dass die Gesamtenergie eines freien Atoms je nach Quantenzahl seines Gesamtdrehimpulses äußerst geringfügig aufgespalten ist. Im H-Atom beträgt die Aufspaltung etwa ein Millionstel der Bindungsenergie des Elektrons (siehe 21-cm-Linie). Anschaulich gesprochen hängt die Energie davon ab, in welchem Winkel die Achsen der beiden magnetischen Dipolmomente bzw. elektrischen Quadrupolmomente von Kern und Hülle zueinander stehen. Auch bei Atomen in Flüssigkeiten und Festkörpern machen sich diese Wechselwirkungen in entsprechend modifizierter Form bemerkbar. Trotz der Kleinheit der dadurch verursachten Effekte haben sie eine große Rolle in der Atom- und Kernforschung gespielt und sind in besonderen Fällen auch bei modernen Anwendungen wichtig.
Etwa eine Sekunde nach dem Urknall kamen wegen sinkender Temperatur die ständigen Umwandlungen zwischen den Elementarteilchen zur Ruhe, übrig blieben Elektronen, Protonen und Neutronen. In den darauf folgenden drei Minuten verbanden sich in der primordialen Nukleosynthese die vorhandenen Neutronen mit Protonen zu den einfachsten Kernen: Deuterium, Helium, in geringerem Umfang auch Lithium und möglicherweise in noch kleineren Mengen Beryllium und Bor. Die übrigen Protonen (86 Prozent) blieben erhalten. Die ersten neutralen Atome mit dauerhaft gebundenen Elektronen wurden erst 380.000 Jahre nach dem Urknall in der Rekombinationsphase gebildet, als das Universum durch Expansion so weit abgekühlt war, dass die Atome nicht sogleich wieder ionisiert wurden. Die Kerne aller schwereren Atome wurden und werden durch verschiedene Prozesse der Kernfusion erzeugt. Am wichtigsten ist die stellare Nukleosynthese, durch die in Sternen zunächst Helium, anschließend auch die schwereren Elemente bis zum Eisen gebildet werden. Elemente mit höheren Kernladungszahlen als Eisen entstehen in explosionsartigen Vorgängen wie im r-Prozess in Supernovae und im s-Prozess in AGB-Sternen, die kurz vor dem Ende ihrer Lebensdauer sind. Kleine Mengen verschiedener Elemente und Isotope werden auch dadurch gebildet, dass schwere Kerne wieder geteilt werden. Das geschieht durch radioaktive Zerfälle (siehe Zerfallsreihe), die u. a. für einen Teil des Vorkommens von Helium und Blei verantwortlich sind, und Spallationen, die für die Entstehung von Lithium, Beryllium und Bor wichtig sind.
Skala). Der Wert von Silicium (Si) wurde willkürlich auf 106 gesetzt. In der Verteilung der Elemente dominiert im Universum Wasserstoff mit rund drei Viertel der Masse, danach folgt Helium mit etwa einem Viertel. Alle schwereren Elemente sind viel seltener und machen nur einen kleinen Teil der im Universum vorhandenen Atome aus. Ihre Häufigkeiten werden von den verschiedenen Mechanismen der Nukleosynthese bestimmt. Im Sonnensystem sind Wasserstoff und Helium vorwiegend in der Sonne und den Gasplaneten enthalten. Dagegen überwiegen auf der Erde die schweren Elemente. Die häufigsten Elemente sind hier Sauerstoff, Eisen, Silicium und Magnesium. Der Erdkern besteht vorwiegend aus Eisen, während in der Erdkruste Sauerstoff und Silicium vorherrschen.
Indirekte Möglichkeiten, Atome zu erkennen, beruhen auf der Beobachtung der von ihnen ausgehenden Strahlung. So kann aus Atomspektren beispielsweise die Elementzusammensetzung entfernter Sterne bestimmt werden. Die verschiedenen Elemente lassen sich durch charakteristische Spektrallinien identifizieren, die auf Emission oder Absorption durch Atome des entsprechenden Elements in der Sternatmosphäre zurückgehen. Gasentladungslampen, die dasselbe Element enthalten, zeigen diese Linien als Emissionslinien. Auf diese Weise wurde z. B. 1868 Helium im Spektrum der Sonne nachgewiesen – über 10 Jahre, bevor es auf der Erde entdeckt wurde. Ein Atom kann ionisiert werden, indem eines seiner Elektronen entfernt wird. Die elektrische Ladung sorgt dafür, dass die Flugbahn eines Ions von einem Magnetfeld abgelenkt wird. Dabei werden leichte Ionen stärker abgelenkt als schwere. Das Massenspektrometer nutzt dieses Prinzip, um das Masse-zu-Ladung-Verhältnis von Ionen und damit die Atommassen zu bestimmen. Die Elektronenenergieverlustspektroskopie misst den Energieverlust eines Elektronenstrahls bei der Wechselwirkung mit einer Probe in einem Transmissionselektronenmikroskop.
erstelltes Bild einer rekonstruierten Goldoberfläche mit atomarer Auflösung. Eine direkte Abbildung, die einzelne Atome erkennen lässt, wurde erstmals 1951 mit dem Feldionenmikroskop (oder Feldemissionsmikroskop) erzielt. Auf einem kugelförmigen Bildschirm, in dessen Mittelpunkt sich eine extrem feine Nadelspitze befindet, erscheint ein etwa millionenfach vergrößertes Bild. Darin sind die obersten Atome, die die Spitze bilden, nebeneinander als einzelne Lichtpunkte zu erkennen. Dies kann heute auch im Physikunterricht an der Schule vorgeführt werden. Das Bild entsteht in Echtzeit und erlaubt z. B. die Betrachtung der Wärmebewegung einzelner Fremdatome auf der Spitze. Auch das Rastertunnelmikroskop ist ein Gerät, das einzelne Atome an der Oberfläche eines Körpers sichtbar macht. Es verwendet den Tunneleffekt, der es Teilchen erlaubt, eine Energiebarriere zu passieren, die sie nach klassischer Physik nicht überwinden könnten. Bei diesem Gerät tunneln Elektronen durch einen nur Nanometer breiten Spalt zwischen einer elektrisch leitenden Spitze und der elektrisch leitenden Probe. Bei Seitwärtsbewegungen zur Abrasterung der Probe wird die Höhe der Spitze so nachgeregelt, dass immer derselbe Strom fließt. Die Bewegung der Spitze bildet die Topographie und Elektronenstruktur der Probenoberfläche ab. Da der Tunnelstrom sehr stark vom Abstand abhängt, ist die laterale Auflösung viel feiner als der Radius der Spitze, manchmal atomar. Eine tomographische Atomsonde erstellt ein dreidimensionales Bild mit einer Auflösung unterhalb eines Nanometers und kann einzelne Atome ihrem chemischen Element zuordnen. Aufbauend auf einer um 2010 entwickelten Atom-Licht-Schnittstelle ist es 2020 gelungen, Fotos einzelner Atome zu machen, die weniger als einen Tausendstel Millimeter über einer lichtleitenden Glasfaser schweben. Dadurch ist es unter Laborbedingungen nun möglich, Effekte wie die Absorption und Aussendung von Licht kontrollierter als bisher zu untersuchen. Dies kann bei der Entwicklung neuartiger optischer Glasfaser-Netzwerke helfen.
Charles Kittel: Einführung in die Festkörperphysik. 7. Auflage 1988, Verlag R. Oldenbourg (München), S. 16. F. Dannemann: Die Naturwissenschaften in ihrer Entwicklung und in ihrem Zusammenhange. Bd. 3, Verlag W. Engelmann 1922, S. 198. Loschmidt: Zur Grösse der Luftmoleküle. In: Sitzungsberichte der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften Wien. Band 52, 1866, Abt. II, S. 395–413. G. Baur et al.: Production of antihydrogen. In: Physics Letters B. 368, Nr. 3, 1996, S. 251–258, doi:10.1016/0370-2693(96)00005-6; .
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Arzt
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eines Patienten (2011) : Symbol des ärzt lichen und pharma zeutischen Standes Ein Arzt (Mehrzahl: Ärzte; weiblich: Ärztin, Ärztinnen) ist ein medizinisch ausgebildeter und zur Ausübung der Heilkunde zugelassener Heilkundiger. Der Arztberuf ist eine auf Vorbeugung (Prävention), Erkennung (Diagnose), Behandlung (Therapie) und Nachsorge von Krankheiten, Leiden oder gesundheitlichen Beeinträchtigungen gerichtete Beschäftigung und umfasst auch ausbildende Tätigkeiten. Ärzte stellen sich in den Dienst der Gesundheit und sind bei ihrem Handeln moralischen und ethischen Grundsätzen verpflichtet (siehe etwa die Genfer Deklaration des Weltärztebundes). Die Vielfalt an Krankheiten und Behandlungsmöglichkeiten hat in der Humanmedizin und der Tiermedizin zu einer großen Anzahl von Fachgebieten und weiteren Differenzierungen geführt (siehe die Liste medizinischer Fachgebiete).
Die Bezeichnung Arzt (, ; verwandt mit „Arznei“) zog während des Mittelalters aus der lateinischen Gelehrtensprache ins Deutsche ein, und zwar über die latinisierte Variante (spätlateinisch auch ) des griechischen , klassische Aussprache [], ‚Oberarzt‘, ‚Leibarzt‘ (seit dem 2. Jahrhundert die Amtsbezeichnung von Leibärzten bei Hofe, genannt archiatri palatini und von öffentlich bestallten, archiatri populares genannten Gemeindeärzten), einer Zusammensetzung aus , ‚Kommando‘ und . Mit dem davon abgeleiteten griechischen Wort ἰατρῖναι (iatrinai; entsprechend lateinisch feminae medicae, „Ärztinnen“) wurden in der griechisch-römischen Medizin gelegentlich angesehene Hebammen bezeichnet. In vielen fachsprachlichen Komposita tritt das ursprüngliche griechische Wort bzw. die latinisierte Form als Wortbestandteil auf: iatrogen „durch ärztliches Handeln verursacht“; Psychiater „Seelenarzt“; Pädiater „Kinderarzt“ usw. Über mittelhochdeutsche Vermittlung gelangte das Wort in andere Sprachen, so , . Die germanische Bezeichnung für den Heilberuf () ist beispielsweise im dänischen , im schwedischen , im englischen (vgl. Bald’s Leechbook), oder im deutschen Familiennamen Lachmann erhalten und hat sich in andere Sprachen verbreitet, z. B. , . Im polnischen und tschechischen ist die germanische Wurzel mit einem slawischen Suffix (-arz, -ař) verbunden. Die lateinische Bezeichnung (ursprünglich als allgemeine, vom Ausbildungsstand unabhängige, Berufszeichnung; seit dem 10. Jahrhundert dann vom bzw. , dem Wundarzt, unterschieden), Die medica (weibliche Form von medicus) war bis ins Mittelalter eine heilkundige Frau, womit sowohl eine Ärztin, als auch eine Laienärztin oder eine Hebamme gemeint sein konnte. Im islamischen Kulturraum des Mittelalters wurden heilkundige Frauen bzw. Ärztinnen als Tabibe bezeichnet. Zur Unterscheidung vom (im 18. Jahrhundert noch nicht „vollpromovierten“) chirurgicus wurde auch der Begriff medicus purus („reiner Arzt“) gebraucht (Bestrebungen, die Chirurgie mit der „Medizin“ zu vereinen, setzten etwa in der Mitte des 18. Jahrhunderts ein). Die Bezeichnung meinte meist einen akademisch ausgebildeten Arzt (vgl. englisch physician). In vielen Sprachen wird der Arzt umgangssprachlich nach seinem zumeist geführten akademischen Grad Doktor genannt. Gelegentlich ebenfalls als Arzt wurden vor allem ab dem 13. Jahrhundert volksmedizinisch arbeitende, weder ärztlich noch wundärztlich ausgebildete Laienärzte (praktizierende medizinische Laien) bezeichnet. Vor dem Jahr 1500 sind Laien als Verfasser bzw. Kompilatoren (etwa im Speyrer Arzneibuch von 1321) medizinischer Texte selten bezeugt. Im Spätmittelalter und in der Frühneuzeit kamen Laienärzte bzw. Laienmedizinerinnen (beispielsweise Philippine Welser, Eleonore von Württemberg und die Herzogin Eleonora Maria Rosalia sowie die Martin Luther behandelnde Gräfin Dorothea von Mansfeld, geborene von Solms) oft aus dem Bereich der Hausmütter und Hausväter. Auch in modernen medizinischen Subkulturen bestehen laienmedizinische Systeme.
Die Funktion des Arztes ist eine der ältesten der Menschheit. Medizingeschichtlich gesehen entstand der Arztberuf (veraltet auch das Arzttum) aus dem Stand der Heilkundigen, die schon unter den Priestern des Altertums zu finden waren. Erste schriftliche Belege des Arztberufs stammen aus Mesopotamien und wurden im 3. Jahrtausend v. Chr. verfasst. Über den Arzt schreibt Hippokrates bzw. der Verfasser des wohl im 3. Jahrhundert v. Chr. entstandenen Textes Der Arzt ausführlich: „Er soll von gesundem Aussehen und im Verhältnis zu der ihm eigenen Konstitution wohlgenährt sein […]. Ferner soll sein Äußeres sauber sein, was in einer angemessenen Kleidung und in wohlriechenden Salben zum Ausdruck kommt, deren Geruch unverdächtig ist […]. Was die seelischen Eigenschaften betrifft, so sei er besonnen, was sich nicht nur darin äußert, daß er schweigen kann […]. Man soll saubere und weiche Läppchen benutzten, für die Augen Scharpie, für die Wunden Schwämme. […].“ Auch Heilkundige des Mittelalters wirkten und galten, auch ohne universitäre Ausbildung, als Ärzte (bzw. Ärztinnen). Im Mittelalter unterschied man gelehrte Ärzte (akademisch gebildete, von den Komplexionen der Humoralpathologie Kenntnis habende, Ärzte im Gegensatz zu den mehr handwerklich tätigen Wundärzten). Die moderne Ausbildung von Ärzten begann im 18. Jahrhundert mit der Erweiterung des naturwissenschaftlichen Wissens und der Einführung von systematischem praktischem Unterricht am Krankenbett. Die Revolutionszeit in der Mitte des 19. Jahrhunderts brachte in vielen Länder Europas auch eine ärztliche Reformbewegung. Diese erstrebte unter anderem Einheitlichkeit und Niederlassungsfreiheit sowie freie Arztwahl und Selbstverwaltung. Im Jahr 1869 wurde der ärztliche Beruf in Deutschland zum freien Gewerbe erklärt. Es wurde die Kurierfreiheit beschlossen, das Staatsexamen an die Universitäten gebunden, die Approbation erlangte Gültigkeit für alle deutschen Bundesstaaten und der Doktortitel wurde unabhängig von den Prüfungen für die Approbation. Eine einheitliche Prüfungsordnung (siehe auch Approbationsordnung) für Ärzte gab es in Deutschland erstmals 1883. Im Jahr 1901 wurde eine neue Prüfungsordnung und das Medizinalpraktikantenjahr vor der ärztlichen Approbation eingeführt. In den Bremer Leitlinien legte der Deutsche Ärztetag 1924 die Grundzüge einer einheitlichen Facharztordnung fest. Eine deutsche ärztliche Berufsordnung mit Facharztordnung wurde 1937 erlassen. Weibliche Ärzte kamen bereits im Mittelalter auf, zum Teil vorbereitet auch durch die Tätigkeit der Hebammen. Die erste privilegierte Medizinerin Schlesiens war im 17. Jahrhundert Anna Würster. Die erste medizinische Promotion einer Frau in einem modernen Staat erfolgte 1869 in Zürich. 1899 wurden in Deutschland durch Beschluss des Bundesrates Frauen zu ärztlichen, zahnärztlichen und pharmazeutischen Prüfungen zugelassen. 2014 war der Anteil der Ärztinnen an der Gesamtzahl der berufstätigen Ärzte bereits auf 45,5 Prozent gestiegen, wenngleich der Anteil der Frauen 2015 zu Beginn des Studiums bei fast zwei Dritteln lag. Bis ins 21. Jahrhundert galt für Ärzte Salus aegroti suprema lex („Das Wohl des Kranken sei oberstes Gebot“). Hinzugekommen ist in der Rechtsprechung das Selbstbestimmungsrecht des Patienten.
Während die körperliche Gesundheit von männlichen Ärzten mit derjenigen der allgemeinen männlichen Bevölkerung vergleichbar zu sein scheint, scheint die körperliche Gesundheit von Ärztinnen besser zu sein als die der allgemeinen weiblichen Bevölkerung. Hinsichtlich der psychischen Gesundheit fällt auf, dass Depressionen und Suchterkrankungen bei Ärzten häufiger vorkommen als in der restlichen Bevölkerung. Ein weiteres bei Medizinern häufig auftretendes Krankheitsbild ist das Burnout-Syndrom, das bereits bei Medizinstudenten in erhöhtem Maß nachgewiesen werden kann. Mehrere Studien zeigten eine gegenüber der allgemeinen Bevölkerung erhöhte Suizidrate unter Ärzten. Das gegenüber der Normalbevölkerung erhöhte relative Risiko, einen Suizid zu begehen, lag für männliche Ärzte bei 1,1–3,4 und für Ärztinnen bei 2,5–3,7. Da in den Studien meist nur eine kleine Zahl von Suiziden untersucht wurde, waren die Vertrauensbereiche des wahren Wertes der Risikoerhöhung weit. Es wird vermutet, dass eine beträchtliche Anzahl von Selbstmorden nicht erfasst wird, da diese fälschlicherweise als Vergiftungen oder Unfälle deklariert werden. Von den verschiedenen beruflichen Spezialisierungen sind insbesondere Psychiater, Anästhesisten und Allgemeinmediziner von einer erhöhten Suizidrate betroffen. Als Ursachen des erhöhten Suizidrisikos werden verschiedene Faktoren diskutiert. Ein Persönlichkeitsprofil mit zwanghaften Zügen kann infolge der beruflichen Anforderungen zu einer depressiven Störung führen. Die Schwierigkeiten, Familie und Karrierewunsch zu vereinbaren, können insbesondere bei Ärztinnen zu Erschöpfung und Depression führen. Suchterkrankungen (wie beispielsweise Alkohol-, Drogen- und Medikamentenabhängigkeit), die bei Ärzten häufiger auftreten, gehen ihrerseits meistens mit Depressionen und einer erhöhten Suizidrate einher. Dieses für Ärzte jeden Geschlechts festgestellte Risikoprofil ist berufsunabhängig und trifft für die meisten Suizidenten zu. Psychische Probleme korrelieren häufig mit Zeitdruck und mangelnder Autonomie am Arbeitsplatz sowie belastenden Patient-Arzt-Beziehungen. Ärzte werden seltener krankgeschrieben und zeigen eine mangelhafte Inanspruchnahme medizinischer Versorgungsleistungen. Häufig behandeln sich Ärzte selbst. Die eigenständige Behandlung eigener psychischer Störungen ist jedoch häufig ineffektiv.
Die heiligen Zwillingsbrüder Cosmas und Damian gelten wegen ihres Arztberufs unter anderem auch als Schutzpatrone der Ärzte. Ein weiterer Schutzpatron ist der heilige Pantaleon, einer der vierzehn Nothelfer.
Der Arzt gehört in Deutschland (seit 1935) zu den Freien Berufen und ist (seit 1887) ein klassischer Kammerberuf. Ärzte unterliegen einer staatlichen Überwachung der Zulassung (Approbation in Deutschland, s. u. in anderen EU-Ländern) und unter anderem dem Arztwerberecht, welches weitgehende Einschränkungen in der Publikation und Veröffentlichungen bedeutet. Ärzte haften ihren Patienten zwar in der Regel nicht auf Erfolg ihres Handelns, können ihnen aber unter dem Gesichtspunkt der Arzthaftung zum Schadenersatz verpflichtet sein. Die freie Ausübung der Heilkunde ist in Deutschland nur approbierten Ärzten erlaubt. Mit festgelegten Einschränkungen dürfen auch Heilpraktiker Kranke behandeln, wobei die klar festgelegten Grenzen einzuhalten sind. Ausnahmsweise werden spezielle Bereiche der Diagnostik und Therapie auch (meist auf Veranlassung von Ärzten) von Angehörigen der Gesundheitsfachberufe durchgeführt. Ab dem Zeitpunkt der ärztlichen Approbation darf der Arzt die gesetzlich geschützte Bezeichnung „Arzt“ führen und erhält mit ihr die staatliche Erlaubnis zur eigenverantwortlichen und selbstständigen ärztlichen Tätigkeit. Die bundesweit einheitliche Approbationsordnung regelt das zuvor erfolgreich abzuleistende mindestens sechsjährige Medizinstudium bezüglich der Dauer und der Inhalte der Ausbildung in den einzelnen Fächern sowie der Prüfungen. Das Studium der Medizin umfasst u. a. drei Examina, sowie ein Jahr praktische Tätigkeit (sogenanntes „Praktisches Jahr“). Von Oktober 1988 bis Oktober 2004 war zur Erlangung der Vollapprobation zusätzlich eine 18-monatige, gering bezahlte Tätigkeit als Arzt im Praktikum unter Aufsicht eines approbierten Arztes gesetzlich vorgeschrieben. Meist arbeitet ein approbierter Arzt für mehrere Jahre als Assistenzarzt an von der Landesärztekammer anerkannten Weiterbildungsstätten (wie 1956 Krankenhäuser, 35,6 % waren 2015 in privater Trägerschaft; seltener einzelne Großpraxen), um sich auf einem oder mehreren Spezialgebieten der Medizin anrechenbar weiterzubilden und eventuell nach zusätzlich mindestens vierjähriger Weiterbildungszeit eine Facharztprüfung abzulegen. Die Anforderungen dazu sind in den Weiterbildungsordnungen der Landesärztekammern geregelt. Niedergelassene Ärzte arbeiten in freier Praxis, gegebenenfalls auch mit mehreren Ärzten in einer Berufsausübungsgemeinschaft (früher: Gemeinschaftspraxis) oder Praxisgemeinschaft (s. a. Vertragsarztrechtsänderungsgesetz). Honorarärzte arbeiten auf Honorarbasis für verschiedene Kliniken oder niedergelassene Ärzte. Jeder Arzt ist meldepflichtiges Pflichtmitglied der Ärztekammer (des Bundeslandes), in deren Gebiet er wohnt bzw. seine ärztliche Tätigkeit ausübt. Im Jahr 2020 waren in Deutschland bei den Landesärztekammern 536.940 Ärzte gemeldet, von denen 127.819 zu diesem Zeitpunkt im Ruhestand oder ohne ärztliche Tätigkeit waren. Zur Behandlung von Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherungen benötigt der Arzt eine Zulassung (Facharzt in eigener Praxis) oder Ermächtigung (als Arzt in einem Krankenhaus oder ähnlicher Institution) und ist dann auch Pflichtmitglied der Kassenärztlichen Vereinigung seines Niederlassungsbezirks. Die kassenärztliche Zulassung besitzen 135.388 Ärzte (Ende 2008): selbstständige 58.095 Hausärzte und 77.293 Fachärzte. In den Kliniken sind 146.300 Ärzte angestellt. Ende 2013 arbeiteten 35.893 ausländische Ärzte in Deutschland, öfter im Osten. 2013 betrug die Zahl der berufstätigen Ärzte in Deutschland 357.252. Die Erteilung der Approbation hängt seit dem 1. April 2012 nicht mehr von der Staatsangehörigkeit ab (Änderung des §3 BAÖ durch § 29 des Gesetzes zur Verbesserung der Feststellung und Anerkennung im Ausland erworbener Berufsqualifikationen).
Die Verordnung von rezeptpflichtigen Arzneimitteln und die meisten invasiven Maßnahmen sind in Deutschland ausnahmslos dem approbierten Arzt vorbehalten. Hierbei ist er persönlich zur Einhaltung des anerkannten wissenschaftlichen Standes und medizinethischer Vorgaben verpflichtet. Die Genfer Deklaration orientierte sich 1948 am Eid des Hippokrates. Weiter unterliegen Ärzte speziellen Regelungen, wie dem Berufs- und Standesrecht, welches auch an die Genfer Konvention anknüpft. Insbesondere ist auch im Strafrecht die Einhaltung der ärztlichen Schweigepflicht nach § 203 StGB festgehalten.
In Deutschland gibt es aus historischen Gründen unterschiedliche medizinische akademische Grade. Diese weisen im Gegensatz zum Facharzttitel nicht auf eine besondere Fachkompetenz hin, sondern dienen als Beleg einer wissenschaftlichen Leistung in einem medizinischen Bereich: * Dr. med. – Hier wurde im Anschluss an das Staatsexamen oder das medizinische Diplom (DDR) eine medizinische Promotion durchgeführt. Im Gegensatz zu anderen Studienfächern ist es in der Medizin üblich, während des Studiums die Dissertation zu beginnen. Die Promotion erfolgt erst nach dem Studienabschluss. Einzelheiten dazu regeln die Promotionsordnungen der Universitäten. * Dr. med. dent. – doctor medicinae dentariae (Doktor der Zahnmedizin) * Dr. rer. medic. / Dr. rer. med. – „Doktor der theoretischen Medizin“, „Doktor der medizinischen Wissenschaften“, „Doktor der Medizinwissenschaften“ oder einer vergleichbaren Bezeichnung. * Dipl.-Med. – Der Grad Diplom-Mediziner aus DDR-Zeiten (erworben 1971 bis 1990) ist noch häufig in den neuen Bundesländern anzutreffen. Nach Ansichten verschiedener Experten ist dieser Grad vom Arbeitsaufwand des Erwerbs her mit dem Dr. med. der Bundesrepublik in jener Zeit zu vergleichen. * Dr. med. habil. – Zur Habilitation in der Medizin sind ärztliche Tätigkeit und eigenständige Forschungsarbeit sowie das Durchlaufen des Habilitationsverfahrens notwendig. Anschließend werden die akademischen Bezeichnungen Privatdozent und, gegebenenfalls nach mehreren Jahren, außerplanmäßiger Professor verliehen, sofern regelmäßig Lehrveranstaltungen an einer Universität angeboten werden. Für entsprechende Leistungen nicht einer Hochschule angehörender Graduierter kann die Bestellung als Honorarprofessor erfolgen. * Dr. sc. med. – Dieser der Habilitation ebenbürtige Grad – in der DDR von 1971 bis 1990 verliehen – wurde im Zuge der sogenannten Promotion B erworben.
Laut einer Studie des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen haben deutsche Ärzte trotz längerer persönlicher Arbeitszeit die kürzeste Sprechzeit je Patient in Europa. Sie liegt 30 % niedriger als der europäische Durchschnitt. Klinikärzte verbringen rund 44 % ihrer Zeit für Schreibtätigkeiten und Protokolle (Stand: 2014/2015). Laut einem Projektbericht des Statistischen Bundesamts vom August 2015 wenden Arzt-, Psychotherapeuten- und Zahnarztpraxen jährlich durchschnittlich 96 Tage Zeit für die Erfüllung von Informationspflichten auf, wobei dieser Wert den gesamten Zeitaufwand aller Praxismitarbeiter darstellt und sämtliche Informationspflichten, auch die der gemeinsamen Selbstverwaltung, umfasst. Laut der deutschlandweiten Online-Befragung des Marburger Bunds „MB-Monitor“ von 2017 sind 66 % der Krankenhausärzte der Auffassung, dass ihnen nicht ausreichend Zeit für die Behandlung ihrer Patienten zur Verfügung steht.
Die Einkommen von Ärzten in Deutschland variieren, da das Spektrum medizinischer Tätigkeiten breit gefächert ist. Auch finden sich Unterschiede zwischen klinisch tätigen (beispielsweise 24-Stunden-Schichten sowie eine hohe Anzahl an Überstunden) und niedergelassenen (hoher Anteil „nicht-medizinischer“-Tätigkeit aufgrund der Selbständigkeit).
Nach dem Zi-Praxis-Panel des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung in Deutschland (Jahresbericht 2019) über die wirtschaftliche Situation und die Rahmenbedingungen in der vertragsärztlichen Versorgung der Jahre 2016 bis 2019, lag der Mittelwert des Jahresüberschusses je Praxisinhaber im Jahr 2019 bei circa 174.000 Euro. Um einem Mangel an Landärzten entgegenzuwirken, wollte die Bundesregierung 2011 in einem neuen „Versorgungsgesetz“ das Einkommen von Landärzten erhöhen. Unter einer Vielzahl von Gesetzen war das GKV-Versorgungsstrukturgesetz 2012 und Juni 2015 das Gesetz zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung.
Die durchschnittlichen Gehälter klinisch tätiger Ärzte unterscheiden sich stark nach den jeweiligen Positionen:
Neben den strengen rechtlichen Vorgaben zur Ausübung seines Berufs ist der Arzt auch bei der Außendarstellung bzw. Werbung zu seinen Leistungen und seiner Praxis umfangreichen Verordnungen und Gesetzen unterworfen. Im Unterschied zu anderen Branchen ist Ärzten anpreisende oder vergleichende Werbung absolut verboten. Seit dem 105. Deutschen Ärztetag 2002 sind sachliche, berufsbezogene Informationen über ihre Tätigkeit gestattet. Hauptkriterium ist dabei das schützenswerte Interesse des mündigen Patienten. Umstritten war ab 1998 die Individuelle Gesundheitsleistung eingeführt worden.
Im Jahr 2011 wurden in Deutschland rund 342.100 berufstätige Ärzte und rund 107.300 Ärzte ohne ärztliche Tätigkeit gezählt. Auf durchschnittlich 239 Einwohner kam ein berufstätiger Arzt. In Deutschland gab es 2023 insgesamt rund 502.000 Ärzte der Human- und Zahnmedizin, rund 23 Prozent mehr als zehn Jahre zuvor. Zum 31. Dezember 2021 waren in Deutschland laut Bundesärztekammer 416.420 Ärzte berufstätig. Davon kamen 57.164 (rund 14 Prozent) aus dem Ausland. Die chronologische Entwicklung kann aus der folgenden Tabelle und der Abbildung abgelesen werden. In der Gesamtzahl approbierter Ärzte sind auch die nicht (mehr) berufstätigen und die nicht ärztlich tätigen Ärzte enthalten. Die Bundesärztekammer und die Kassenärztliche Bundesvereinigung haben für Deutschland 385.149 Ärztinnen und Ärzte gezählt, die 2017 ärztlich tätig waren, und damit 6.542 Ärzte mehr als im Vorjahr. Der Anteil von Frauen stieg weiter an und erreichte 2017 46,8 %, nach 46,5 % im Vorjahr. Auch der Anteil älterer Ärzte stieg weiterhin an. 2017 waren 18,4 % der Ärzte 60 Jahre oder älter (2016: 17,9 %). Insgesamt waren 2017 172.647 Ärztinnen und Ärzte in der vertragsärztlichen Versorgung, also als Niedergelassene tätig, selbständig oder bei einem Vertragsarzt angestellt. Arztbesuche: Deutsche Erwachsene (zwischen 18 und 79 Jahren) gingen Mitte der 2000er Jahre im Durchschnitt 9,2-mal pro Jahr zum Arzt. Ärztinnen und Ärzte: Früher gab es deutlich mehr männliche als weibliche Ärzte. Je höher die Hierarchieebene, desto geringer ist der Anteil der Ärztinnen. Der Springer Medizin Verlag hat 2022 alle auf männlichen Berufsbezeichnungen basierenden Titel von Fachzeitschriften umbenannt, beispielsweise von Der Chirurg auf den das Fachgebiet betreffenden Titel Die Chirurgie.
In Österreich ist man mit der Sponsion zunächst Doktor der gesamten Heilkunde (Doctor medicinae universae/Dr. med. univ.). Mittlerweile handelt es sich entgegen der Bezeichnung nicht um einen Doktorgrad, sondern um einen Diplomgrad ähnlich dem Magister oder dem Diplomingenieur. Vor dem Wintersemester 2002/03 war das Medizinstudium in Österreich ein Doktoratsstudium, welches auch Übergangsregelungen kannte. Der eigentliche Doktorgrad der Medizin (Doctor scientae medicinae bzw. Dr. scient. med.) kann seitdem im Anschluss an das Diplomstudium in einem dreijährigen Doktoratsstudium erworben werden. Selbständig als Arzt tätig werden darf man nur, wenn für drei Jahre im Rahmen des „Turnus“ verschiedene (definierte) Disziplinen durchlaufen wurden und die Arbeit vom jeweiligen Abteilungsvorstand positiv bewertet wurde. Danach ist eine weiter abschließende Prüfung abzulegen. Damit hat man das „jus practicandi“ erworben, also die Berechtigung zur selbständigen Berufsausübung als Arzt für Allgemeinmedizin. Alternativ kann sofort nach der Sponsion die (meist sechsjährige) Ausbildung zu einem Facharzt erfolgen, nach der wiederum eine Prüfung abzulegen ist. Viele Fachärzte absolvieren den Turnus vor Beginn der Ausbildung ganz oder teilweise. Es hat sich in Österreich eingebürgert, die Ausbildung zum Allgemeinmediziner zuvor abzuleisten. Viele Krankenhäuser nehmen nur Assistenzärzte mit abgeschlossener Turnusausbildung in Dienst, da diese einen Nacht- oder Wochenenddienst alleine ableisten dürfen. Ärzte aus anderen EU-Staaten können um Anerkennung als approbierte Ärzte ansuchen. Am 14. Dezember 2010 hat die EU-Kommission in ihrem Amtsblatt C377/10 eine Änderungsmitteilung für die , Anhang 5.1.1. veröffentlicht, wonach ab diesem Zeitpunkt sämtliche Absolventen des österreichischen Medizinstudiums bereits mit der Promotion ihr Grunddiplom abgeschlossen haben und somit innerhalb des gesamten EU- und EWR-Raumes sowie der Schweiz und Liechtenstein eine selbständige Tätigkeit bzw. Ausbildung zum Facharzt unter denselben Voraussetzungen wie einheimische Mediziner aufnehmen dürfen. Bis dahin hatten Mediziner aus Österreich erst mit dem Abschließen der Ausbildung zum Allgemeinmediziner bzw. Facharzt ein Anrecht auf automatische Anrechnung ihres Diploms in den übrigen Mitgliedsstaaten. Der (niedergelassene) Arzt gehört in Österreich zu den Freien Berufen (Berufe von öffentlicher Bedeutung). * Die Quote von knapp 5 Ärzten je 1000 Einwohner ist mit die höchste Ärztedichte Europas und eine der höchsten weltweit. * Einwohnerquote Kassenärzte: Da in Österreich eine Pflichtversicherung herrscht, sind 99 % der Bevölkerung Krankenkassenzahler. Die Quote ist also repräsentativ.
Ärzte müssen in Österreich pro Jahr 50 Stunden Weiterbildung absolvieren, was alle 5 Jahre von der Ärztekammer kontrolliert wird.
Aerzte-ch-1960-2017.png|berufstätig (VZÄ = Vollzeitäquivalent) 2017 arbeiteten in der Schweiz rund 36.700 (36.900, je nach Quelle) Ärzte, davon rund 15.200 (42 %) Frauen und 21.400 (58 %) Männer, 51 % im ambulanten und 47 % im stationären Sektor, rund 12.600 (34 %) waren Ausländer (d. h. ohne Schweizer Bürgerrecht).
In der Schweiz ist man nach dem mit dem Staatsexamen abgeschlossenen sechsjährigen Studium zunächst eidgenössisch diplomierter Arzt und als solcher zur Arbeit als Assistenzarzt in Spitälern (Krankenhäusern) und Arztpraxen befugt. Die Weiterbildung zum zur selbständigen Berufsausübung befugten Facharzt (Spezialarzt) dauert je nach Fach zwischen 3 („praktischer Arzt“) und 8 Jahren nach dem Studienabschluss. Für einen Facharzttitel muss zudem eine Facharztprüfung abgelegt werden. Danach darf sich der Arzt „Facharzt für ⟨Fachgebiet⟩ FMH“ nennen. Die jeweilige Fachgesellschaft prüft, ob jeder Facharzt seiner Fortbildungspflicht (je nach Fachgebiet 60–100 Stunden pro Jahr) nachkommt.[ref. ergänzen]
Die Zulassung zur Berufsausübung zulasten der Krankenkassen wird vom Krankenkassenzentralverband Santésuisse erteilt, ist aber bei entsprechender Qualifikation nur eine Formalität. Die Erlaubnis zur Praxiseröffnung ist kantonal geregelt. Aktuell besteht aber ein Praxiseröffnungs-Stopp,[ref. ergänzen] welcher die Berufsausübung zulasten der Krankenkassen einschränkt. Lediglich bei Bedarfsnachweis, z. B. bei einer Praxisübernahme, ist eine Zulassung möglich.[ref. ergänzen]
Seit dem 1. Januar 2005 gilt, nach längeren Kämpfen, für die Assistenzärzte und Oberärzte an Schweizer Spitälern das landesweit gültige Arbeitszeitgesetz und damit die darin festgelegte maximale Wochenarbeitszeit von 50 Stunden (Art. 9 ArG, Wöchentliche Höchstarbeitszeit). Sie ist zwar bedeutend höher als die allgemein übliche Arbeitszeit in der Schweiz (38,5–42,5 Stunden), doch ein gewisser Fortschritt – bis dahin waren Arbeitsverträge mit der Formulierung «Die Arbeitszeit richtet sich nach den Bedürfnissen des Spitals.» üblich, wodurch Arbeitszeiten von oft über 60 oder 70 Stunden pro Woche ohne finanziellen Ausgleich zu leisten waren. Die Entgelte der Assistenzärzte lagen deswegen auf dem Niveau der Pflegenden im oberen Kader (Pflegedienstleistungen).
Die Leitenden Ärzte und Chefärzte sind diesem Arbeitszeitgesetz nicht unterstellt. Auch sind sie finanziell in der Gesamtvergütung deutlich höher gestellt. Diese, vor allem auch historisch bedingte, hierarchische Trennung zeigen auch die getrennten Berufskammern der Spitalärzte VLSS und VSAO. Hingegen ist die ältere Ärztekammer FMH allen qualifizierten Ärzten offen, wie auch die fachlichen Ärzteverbände. Die Mitgliedschaft ist freiwillig, im Gegensatz zu anderen Ländern, wie Deutschland oder Österreich.
Referenzen: FMH / NZZ / VSAO Zwar herrscht in der Schweiz (immer noch, 2017/18) kaum Transparenz bezüglich der Einkommensverhältnisse – im Allgemeinen und auch im ärztlichen Bereich. Wobei gilt – je höher gestellt, desto weniger Transparenz. Jedoch „sickern“ zuverlässige Angaben durch. So bemühen sich die Spitalleitungen neuerdings um mehr Transparenz. Wie das Zürcher Universitätsspital, welches zurzeit «prüft», ob und in welcher Form es die Ärztelöhne künftig offenlegen soll. Die Hälfte der Ärzte in der Schweiz arbeiten in den Spitälern. Besonders gut bezahlt sind dort Radiologen, Kardiologen, Gastroenterologen, Intensivmediziner und Urologen. Am unteren Ende der Lohnskala stehen Psychiater, Kinderärzte und Ärzte aus dem Bereich Physikalische Medizin und Rehabilitation. Die Normallöhne betragen (p. a.): * Oberarzt – zwischen 120.000 und 360.000 CHF * leitender Arzt – zwischen 200.000 und 600.000 CHF * Chefarzt – zwischen 250.000 und 750.000 CHF. Diese Angaben eines Beratungsunternehmens decken sich mit denjenigen des Vereins der Leitenden Spitalärzte der Schweiz (VLSS) – in einer seiner Umfragen deklarierten die Kaderärzte folgende durchschnittlichen Löhne: * Chefärzte – rund 370.000 CHF * leitende Ärzte – rund 290.000 CHF. Zu den Grundlöhnen und Boni kommen, besonders bei Kaderärzten, Zusatzhonorare aus Behandlungen von zusatzversicherten Patienten im stationären Bereich sowie bei Grund- und Zusatzversicherten im spitalambulanten Bereich. Die können bei Chefärzten bis zum 9-fachen des Grundlohns betragen. «Einzelne Chefärzte kommen so auf Jahreslöhne von 2 Millionen Franken oder mehr», sagt ein Berater, der auch bemängelt, dass die Chefärzte oft selbst darüber bestimmen können, wie die Honorare verteilt werden.
Ärzte sind ein häufiges Thema in der Weltliteratur. Allein Henrik Ibsen hat drei Dramen geschrieben, in denen Ärzte in wichtigen Rollen erscheinen (Ein Volksfeind, 1882; Die Wildente, 1884; Die Frau vom Meer, 1888). Ein älteres Beispiel ist Georg Büchners 1836–1837 geschriebenes Dramenfragment Woyzeck. Noch häufiger als im Schauspiel kommen Ärzte in Romanen vor (siehe Arztroman).
* Gerhard Baader: Gesellschaft, Wirtschaft und ärztlicher Stand im frühen und hohen Mittelalter. In: Medizinhistorisches Journal. Band 14, 1979, S. 176–185. * Erich Ebstein: Ärzte-Memoiren aus vier Jahrhunderten. Springer, Berlin 1923. * Wolfgang U. Eckart: Geschichte der Medizin. 5. Auflage. Springer, Berlin u. a. 2005, ISBN 3-540-21287-6. (Relativ knappe und gut lesbare wissensch. Darstellung des Gesamtthemas) * Albrecht Wernich, August Hirsch, Ernst Julius Gurlt: Biographisches Lexikon der hervorragenden Ärzte aller Zeiten und Völker. Urban & Schwarzenberg, Wien 1884–1888. ** Wilhelm Haberling, Franz Hübotter, Hermann Vierordt (Bearb.): Biographisches Lexikon der hervorragenden Ärzte aller Zeiten und Völker. 2. Auflage. Urban & Schwarzenberg, Berlin / Wien 1929–1935. * Markus Vieten: Via medici-Buchreihe: Berufsplaner Arzt oder was man mit einem Medizinstudium alles anfangen kann. Thieme Verlag, Stuttgart 2003, ISBN 3-13-116105-1. * Vittoria Bucknall, Suendoss Burwaiss, Deborah MacDonald, Kathy Charles, Rhys Clement: Mirror mirror on the ward, who’s the most narcissistic of them all? Pathologic personality traits in health care. In: Canadian Medical Association Journal. 187, 2015, S. 1359–1363. * Ralf Bröer: Medizinalgesetzgebung/Medizinrecht. In: Werner E. Gerabek, Bernhard D. Haage, Gundolf Keil, Wolfgang Wegner (Hrsg.): Enzyklopädie Medizingeschichte. Walter de Gruyter, Berlin / New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 942–950. * Werner E. Gerabek, Bernhard D. Haage, Gundolf Keil, Wolfgang Wegner (Hrsg.): Enzyklopädie Medizingeschichte. De Gruyter, Berlin / New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, insbesondere S. 105–108 (Stichworte Arzt […]) und S. 121–123 (Ausbildung, ärztliche.) * Fridolf Kudlien: Der Arzt des Körpers und der Arzt der Seele. In: Clio Medica. Band 3, 1968, S. 1–19. * Giovanni Maio: Arztbild. In: Werner E. Gerabek u. a. (Hrsg.): Enzyklopädie Medizingeschichte. 2005, S. 106–108. * Annette Niederhellmann: Arzt und Heilkunde in den frühmittelalterlichen Leges. Philosophische Dissertation Münster 1982. Berlin / New York 1983 (= Arbeiten zur Frühmittelalterforschung. Band 12). * Hermann Peters: Der Arzt und die Heilkunst in alten Zeiten. 1900; unveränderter Neudruck: Düsseldorf/Köln 1969. * Reinhard Platzek: Verpflichtet zu heilen. Zur Zielrichtung ärztlichen Handelns. In: Dominik Groß, Monika Reininger: Medizin in Geschichte, Philologie und Ethnologie: Festschrift für Gundolf Keil. Königshausen & Neumann, 2003, ISBN 3-8260-2176-2, S. 199–202. * Heinz-Peter Schmiedebach: Ärztliche Standeslehre und Standesethik 1919–1945. In: Gerhard Baader, Ulrich Schultz: Medizin und Nationalsozialismus. Tabuisierte Vergangenheit, ungebrochene Tradition? Berlin-West 1980, S. 64–74. * Wolfgang Wegner: Arzt. In: Werner E. Gerabek u. a. (Hrsg.): Enzyklopädie Medizingeschichte. 2005, S. 105 f.
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Anthropologie
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“ von Leonardo da Vinci (1490) als Sinnbild Anthropologie (im 16. Jahrhundert als anthropologia gebildet aus , und -logie: Menschenkunde, Lehre vom Menschen) ist die Wissenschaft vom Menschen. Sie wird im deutschen Sprachraum und in vielen europäischen Ländern vor allem als Naturwissenschaft verstanden. Die naturwissenschaftliche oder Physische Anthropologie betrachtet den Menschen im Anschluss an die Evolutionstheorie von Charles Darwin als biologisches Wesen. Dieser naturalistischen Betrachtung des Menschen, die sich beispielsweise mit der Konstitution (früher auch mit der Rassenlehre und Humangenetik) und der Abstammung des Menschen befasst, stehen verschiedene andere Ansätze gegenüber, beispielsweise die philosophische Anthropologie. Hier wird der Mensch nicht nur als Objekt, sondern auch als Subjekt wissenschaftlich untersucht. Dabei geht es unter anderem um qualitative Eigenschaften wie die Personalität, die Entscheidungsfreiheit und die Möglichkeit zur Selbstbestimmung. Im englischen Sprachraum wird auch die Ethnologie als Kultur- beziehungsweise Sozialanthropologie als Teil der Anthropologie verstanden und ist mit der physischen Anthropologie häufig auch in gemeinsamen Fakultäten oder Instituten vereinigt. In der deutschen Wissenschaftspolitik ist die Anthropologie als Kleines Fach eingestuft.
Die Bezeichnung Anthropologie geht zurück auf den deutschen Philosophen, Arzt und Theologen Magnus Hundt (1449–1519), der das 1501 erschienene Werk „Antropologium de hominis dignitate, natura, et proprietatibus, de elementis, partibus et membris humani corporis“ (Anthropologie über Würde, Wesen und Eigenschaften des Menschen, über die Elemente, Teile und Glieder des menschlichen Körpers) schrieb. Zu den ersten Dozenten für das Fach gehörte der Anatom und Physiologe Heinrich Palmatius Leveling, der die Anthropologie 1799 an der Ingolstädter Universität als Vorlesung anbot. Ein Lehrstuhl für „Allgemeine Naturgeschichte und Anthropologie“ wurde 1826 in München eingerichtet. Friedrich Nasse gab von 1823 bis 1826 in Leipzig die aus der Zeitschrift für psychische Ärzte hervorgegangene Zeitschrift für die Anthropologie heraus. Auf den ersten eigenständigen Lehrstuhl Deutschlands für (physische) Anthropologie wurde am 1. August 1886 Johannes Ranke berufen, dem 1917 der Schweizer Rudolf Martin (1864–1925) folgte, der 1918 Direktor des Anthropologischen Instituts und der Anthropologisch-Prähistorischen Staatssammlung wurde. Martin war 1900 zum Extraordinarius und 1905 zum Ordinarius für Anthropologie an der Universität Zürich ernannt worden.
Die biologische Anthropologie ist mit ihren Teilgebieten Primatologie, Evolutionstheorie, Paläoanthropologie, Bevölkerungsbiologie, Industrieanthropologie, Genetik, Sportanthropologie, Wachstum (Auxologie), Konstitution und Forensik ein Fachbereich der Humanbiologie. Ihr Ziel ist die Beschreibung, Ursachenanalyse und evolutionsbiologische Interpretation der Verschiedenheit biologischer Merkmale der Hominiden (Familie der Primaten, die fossile und rezente Menschen einschließt). Ihre Methoden sind sowohl beschreibend als auch analytisch. Anthropologische Institutionen im deutschsprachigen Raum gibt es an Universitäten und an Museen in Tübingen, Kiel, Hamburg, Berlin, Göttingen, Jena, Gießen, Mainz, Ulm, Freiburg im Breisgau, München, Zürich und Wien. Meist ist dort die Bezeichnung nur „Anthropologie“, Zusätze wie „biologisch“ wurden in jüngerer Zeit notwendig, weil der konkurrierende US-amerikanische Begriff der auch hier bekannt ist.
Datenblatt mit Fotografien: 1893 im Labor Alphonse Bertillons angefertigt, zeigt es Francis Galton. Heute erstreckt sich die Erfassung menschlicher Merkmale von erkennungsdienstlicher Sammelarbeit im Bereich der Humangenetik bis zur automatisierten Bewertung aktuell aufgenommener Muster. Die forensische Anthropologie ist eine der drei gerichtlichen Wissenschaften vom Menschen, neben der Rechtsmedizin und der forensischen Zahnmedizin. Gebiete der forensischen Anthropologie: * Identifizierung nach Bildern. Die meisten bearbeiteten Fälle betreffen Ordnungswidrigkeiten im Verkehr, also Schnellfahrer und Rotmissachter, die spektakulären Fälle betreffen Bankräuber oder auch zeitgeschichtliche Personen. * Identifizierung von Skeletten und teilskelettierten Leichen, auch in Massengräbern * Altersdiagnose, insbesondere bei jungen Straftätern * Abstammungsgutachten Die forensische Anthropologie dient mit den Mitteln der Anthropologie bei der Aufklärung von Verbrechen. Forensische Anthropologen haben vor allem mit der Identifikation von Bankräubern, Schnellfahrern etc. zu tun, aber auch häufig mit stark verwesten oder vollständig skelettierten Leichen. Nicht selten sind sie die letzte Hoffnung zur Aufklärung eines Verbrechens. In Deutschland gibt es eine starke institutionelle Dominanz der Rechtsmedizin, aber gerade das verhindert manchmal den Zugang zu der eigenständigen Kompetenz der Anthropologie.
Die molekulare Anthropologie (im englischen Sprachraum auch: anthropological genetics) versucht mit Hilfe molekularbiologischer Methoden dazu beizutragen, den Verlauf der Evolution des Menschen nachzuvollziehen.
Die Sozialanthropologie gilt als Wissenschaft der kulturellen und sozialen Vielfalt – oder allgemeiner als „Wissenschaft vom Menschen in der Gesellschaft“. Sie analysiert die soziale Organisation des Menschen. Im deutschen Sprachraum war der Begriff „Sozialanthropologie“ eine seit den 1960er Jahren gebrauchte Bezeichnung für die britische oder die französische , wurde dann aber zugunsten der Fachbezeichnung „Ethnosoziologie“ aufgegeben (Fachbereich der Ethnologie). In den letzten Jahren ist jedoch eine Renaissance des Anthropologie-Begriffs zu beobachten, die einer durch Transnationalisierungs- und Globalisierungs prozesse veränderten Forschungslandschaft Rechnung tragen möchte.
: Mit der Gabe wird sein Übergang vom Familienverband in eine neue kulturelle Institution gewürdigt. Die mit der physischen Anthropologie aufgekommene Ethnologie (Völkerkunde) untersucht Überlieferungen und Brauchtum. Die primär aus geisteswissenschaft lichen Ansätzen hervorgegangene Volkskunde kann dagegen als europäische Ethnologie gelten. Die Kulturanthropologie ist eine empirisch gestützte Wissenschaft von der Kultur (im Sinne von „menschliche Kultur“). Sie entwickelte sich im 20. Jahrhundert aus der Volkskunde, hat ihren Schwerpunkt im Gegensatz zu dieser aber in interkulturellen, ethnologischen und soziologischen Themen und Modellen. Unter den anthropologischen Fachrichtungen nimmt die Kulturanthropologie eine Mittelposition zwischen den biologisch und den philosophisch orientierten Richtungen ein; sie ist in ihrem Themenspektrum am weitesten gefasst. Im deutschen Sprachraum hat sich bisher keine genauere Definition des Forschungsgegenstandes durchgesetzt. In den USA dagegen bezeichnet cultural anthropology die Ethnologie (Völkerkunde). Im Deutschen wird die ungenaue englische Bezeichnung anthropology teils falsch mit „Anthropologie“ übersetzt, während eigentlich die Ethnologie gemeint ist.
Die Rechtsanthropologie bildet eine eigenständige Unterform der Kulturanthropologie. Sie untersucht Inhalt und Funktionsweisen rechtlicher Strukturen des Menschen unterschiedlicher kultureller Traditionen von Stämmen und Völkern (siehe auch Rechtsethnologie). Zudem bezeichnet dieser Begriff eine rechtswissenschaftliche Forschungsrichtung, die sich den naturalen Grundkonstanten von Gesetzgebung und Rechtsprechung verschrieben hat. Dabei beschäftigt sich die Rechtsanthropologie vorwiegend mit dem (westlich-demokratischen) „Menschenbild der Verfassung“, das demgegenüber vom im Willen freien und eigenverantwortlich handelnden Menschen ausgeht. Dafür wählt sie zumeist einen pragmatisch-dualen Ansatz. Der Begriff Kultur, gelegentlich auch der politischere Begriff der Zivilisation, beschreibt dann die sozial-reale Welt, in der der Mensch beide Sichtweisen vereint.
Die philosophische Anthropologie ist die Disziplin der Philosophie, die sich mit dem Wesen des Menschen befasst. Die moderne philosophische Anthropologie ist eine sehr junge philosophische Fachrichtung, die erst im frühen 20. Jahrhundert als Reaktion auf den Verlust von Weltorientierung entstand. Mit Ausnahme von René Descartes, der bereits Mitte des 17. Jahrhunderts in seinen Meditationen über die erste Philosophie (1641) gewisse Zweifel am mittelalterlich-christlichen Weltbild hegt und Position zu Verhältnis von Körper und Seele bezieht. Er vermittelt ein neues philosophisches Gedankengut wie: „Das Denken (=Bewusstsein ) ist es; es allein kann von mir nicht abgetrennt werden; ich bin; ich existiere - das ist gewiss […] Demnach bin ich genau genommen ein denkendes Ding, d. h. Geist bzw. Seele bzw. Verstand […]“
Historische Anthropologie bezeichnet einerseits die anthropologische Forschung in der Geschichtswissenschaft, andererseits eine transdisziplinäre Forschungsrichtung, die die historische Veränderlichkeit von Grundphänomenen des menschlichen Daseins untersucht. Dabei bezieht sie die Geschichtlichkeit ihrer Blickrichtungen und methodischen Herangehensweisen sowie die Geschichtlichkeit ihres Gegenstandes, also das Erscheinungsbild des Menschen in den unterschiedenen Epochen, aufeinander.
Die theologische Anthropologie als Teilbereich der Systematischen Theologie deutet den Menschen aus christlich-theologischer Sicht. Dabei beschäftigt sie sich besonders mit dem Wesen des Menschen und der Bestimmung des Menschen vor Gott. Im Unterschied dazu untersucht die Religionsethnologie als Fachgebiet der Ethnologie (Völkerkunde) die Religionen bei den weltweit rund 1300 ethnischen Gruppen und indigenen Völkern, in Abgrenzung zur Religionssoziologie vor allem bei (ehemals) schriftlosen Kulturen. Zu unterschieden davon ist die Religionsanthropologie.
Die Industrieanthropologie ist ein Fachbereich der Anthropologie und untersucht die Gebrauchstauglichkeit und Benutzerfreundlichkeit von Industrieprodukten, Bedienelementen, Software, Arbeitsplätzen, Arbeitsprozessen oder Fahrständen.
Die Medienanthropologie (auch Anthropologie der Medien oder Anthropologie des Medialen) ist ein junges, interdisziplinäres Forschungsgebiet zwischen Medienwissenschaft und Anthropologie. In der Medienanthropologie werden die Produktion und Nutzung von Medien sowie deren Effekte zumeist mit kulturwissenschaftlichen und ethnografischen Methoden erforscht. Medienanthropologische Forschung wird zudem oft im Zusammenhang mit Medienpädagogik diskutiert. „Medienanthropologisch verstanden sind Menschen Wesen, die sich in Medienpraktiken und -techniken artikulieren, wahrnehmen und wahrnehmbar machen, weil sie etwas darstellen und sich ihnen etwas darstellt.“
: Städter gelten als besonders weltoffen; die Humanethologie nimmt an, dass instinktives Verhalten auch in sehr großen Populationen wichtig ist – die Humanökologie untersucht den Menschen in seinem Lebensraum. In den Sozialwissenschaften ist die Vorstellung weit verbreitet, dass der Mensch seinem Wesen nach in seinen Antrieben und Bedürfnissen unbestimmt ist, weshalb erst in Vergesellschaftungsprozessen eine Orientierung und Stabilisierung des Verhaltens und Antriebslebens entstehen kann. Dieses Menschenbild bildet die allgemeine anthropologische Voraussetzung für die Analyse von sozialen Prozessen, so etwa bei Karl Marx, Max Weber, George Herbert Mead oder Talcott Parsons. Darüber hinaus gibt es in den Sozialwissenschaften zwei klassische Menschenbilder, die als analytische und idealtypische Modelle fungieren: der homo oeconomicus der Wirtschaftswissenschaften und der homo sociologicus der Soziologie. Eine „realistische“ Variante des individualistischen homo oeconomicus ist das RREEMM-Modell des Menschen, allerdings wird in der sozialwissenschaftlichen Theoriebildung wegen Operationalisierungsproblemen auch weiterhin überwiegend auf die einfacheren Modelle zurückgegriffen. Ausgehend von der Einbeziehung amerikanischer Sozialforscher in den Vietnamkrieg (Project Camelot) wurde im Rahmen der Critical Anthropology ab 1970 eine „reflexive Anthropologie“ entwickelt (Bob Scholte 1970). Die Grundannahme der reflexiven Anthropologie besteht darin, dass sozialwissenschaftliche Aussagen nur dann einer Kritik standhalten, wenn sie die soziale und kulturelle Einbettung des Forschers und der Forschung mit bedenken (reflektieren). Gemäß dem Erkenntnisinteresse jeder Anthropologie („erkenne dich selbst“: gnothi seauton) ist auf diesem Weg eine Unterscheidung möglich zwischen einer Sozialforschung als Informationsgewinnung über andere Menschen („Ausspähen“, vergleiche Informationelle Selbstbestimmung) oder als Beitrag zur Selbsterkenntnis des Forschers und seiner Auftraggeber. Bedeutende Ansätze zu einer reflexiven Anthropologie wurden von Michel Foucault und Pierre Bourdieu vorgelegt. Die „reflexive Anthropologie“ von Gesa Lindemann schließt sich im Gegensatz dazu an die historisch-reflexive Richtung innerhalb der deutschsprachigen „philosophischen Anthropologie“ (Helmuth Plessner) an. Allgemeine Aussagen der philosophischen Anthropologie werden nicht als sozialtheoretisches Fundament begriffen, sondern zum Gegenstand der Beobachtung gemacht. Bei diesem Ansatz geht es um die Bearbeitung der Frage, wie in Gesellschaften der Kreis sozialer Personen begrenzt wird und welche Funktion der Anthropologie in der Moderne zukommt.
In dem verwendeten Schema kann die Psychologie des Menschen nicht gut untergebracht werden, denn die Psychologie vereint geisteswissenschaftliche, biologische, verhaltens- und sozialwissenschaftliche Konzepte und Methoden. Als Wissenschaft vom Erleben und Verhalten des Menschen einschließlich der biologischen bzw. neurowissenschaftlichen Grundlagen ist die Psychologie von vornherein interdisziplinär ausgerichtet. Wegen dieses umfassenden Blicks auf den Menschen kann die empirische Psychologie in ein besonderes Spannungsverhältnis zur Philosophischen Anthropologie geraten, die ebenfalls einen umfassenden theoretischen Ansatz hat, jedoch die empirischen Humanwissenschaften kaum noch zu integrieren vermag. Wichtige Themen der Psychologischen Anthropologie sind u. a. das Menschenbild, die Persönlichkeitstheorien, die Grundlagen von Motiven, Emotionen in der Neurobiologie und Psychophysiologie, die Beiträge der Kognitionswissenschaft, Sozialpsychologie und Kulturpsychologie, alle Bereiche der Angewandten Psychologie und so weiter. Auch Psychoanalyse und Psychosomatik galten als anthropologische Disziplinen.
Beispielhaft für die Forschung auf dem Gebiet der Evolutionären Anthropologie sind der Themenschwerpunkte, die das gleichnamige Max-Planck-Institut wie folgt beschreibt: „Das Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie erforscht die Geschichte der Menschheit mittels vergleichender Analysen von Genen, Kulturen, kognitiven Fähigkeiten, Sprachen und sozialen Systemen vergangener und gegenwärtiger menschlicher Populationen sowie Gruppen dem Menschen nahe verwandter Primaten. Die Zusammenführung dieser Forschungsgebiete führt zu neuen Einsichten in die Geschichte, die Vielfalt und die Fähigkeiten der menschlichen Spezies. Das Institut vereint Wissenschaftler verschiedenster Disziplinen, die sich von einem interdisziplinären Ansatz her mit der Evolution des Menschen beschäftigen.“. Buchveröffentlichungen aus dem Gebiet der Evolutionären Anthropologie stammen beispielsweise von Michael Tomasello („Eine Naturgeschichte der menschlichen Moral“, „Mensch werden. Eine Theorie der Ontogenese“) und von Richard Wrangham („Feuer fangen: Wie uns das Kochen zum Menschen machte“, „Die Zähmung des Menschen: Warum Gewalt uns friedlicher gemacht hat“).
Die pädagogische Anthropologie ist der Teilbereich der Pädagogik, der sich mit dem Ertrag anthropologischer Fragen, den Zugangsweisen und den Ergebnissen innerhalb der Pädagogik befasst. Grob lassen sich hier zwei Richtungen unterscheiden: Die Realanthropologie widmet sich der empirischen Betrachtung der Wirklichkeit des Menschen unter dem Fokus, der sich aus der Pädagogik ergibt. Die Sinnanthropologie fragt nach dem Sinn und den Zielen menschlichen Handelns, die in den pädagogischen Kontext eingearbeitet werden. Die Sinnanthropologie weist so besondere Bezüge zur Bildungstheorie auf, indem sie aus einem je spezifischen Menschenbild Bildungsansprüche ableitet. Sie weist innerhalb der verschiedenen Anthropologien eine besondere Nähe zur philosophischen und theologischen Anthropologie auf. Die Realanthropologie steht besonders der biologischen, daneben auch der philosophischen Anthropologie nahe. Die Einteilung setzte sich in den 1960er Jahren in der Unterscheidung zwischen integrativen und philosophischen Ansätzen fort. Die „integrativen“ Ansätze versuchen vor allem, anthropologische Erkenntnisse verschiedener Teildisziplinen (insbesondere der Biologie, der Soziobiologie und so weiter) für pädagogische Fragen nutzbar zu machen. Vertreter dieses Ansatzes sind unter anderem Heinrich Roth und Annette Scheunpflug. Der „philosophische“ Ansatz hat sich in verschiedene Richtungen ausdifferenziert. So besteht Otto Friedrich Bollnows Ansatz darin, anthropologische Fragen (beispielsweise nach dem Wesen des Menschen und seiner Bestimmung) für pädagogische Zusammenhänge nutzbar zu machen. Ähnlich wie andere Autoren orientierte er sich in seinen Arbeiten aber auch an der Phänomenologie. Er versuchte also nicht, aus der Philosophie (oder etwa der Biologie) ein Menschenbild zu gewinnen und es pädagogisch auszuwerten, sondern widmete sich dem pädagogischen Handeln und darin auftretenden Phänomenen wie Krise oder Begegnung unmittelbar, um sie als Bestimmungsgrößen des Menschen zu reflektieren. Der Mensch kommt bei diesen Untersuchungen im Hinblick auf Erziehung in drei Rollen vor: als Erziehender, als Zögling und als Erzieher. In der neueren pädagogischen Anthropologie wird zum einen der integrative Ansatz fortgeführt (beispielsweise auch in der Betrachtung neuerer humanmedizinischer Ergebnisse für Pädagogik). Die philosophische Anthropologie wird heute verstärkt als historische pädagogische Anthropologie fortgesetzt, indem reflektiert wird, dass anthropologische Kenntnisse sowohl auf bestimmte Menschen in bestimmten Epochen bezogen als auch aus einer je spezifischen historischen Position heraus gewonnen werden und deshalb keine überzeitlich allgemeine Gültigkeit beanspruchen können.
Kybernetische Anthropologie bezeichnet den Versuch der begrifflichen Kopplung von Anthropologie und Kybernetik mit dem Vorhaben, den Gegensatz zwischen Natur- und Geisteswissenschaften zu überwinden. Die Cyberanthropologie ist ein neueres Fachgebiet der Ethnologie (Völkerkunde) oder Sozialanthropologie und untersucht transnational zusammengesetzte Online-Gemeinschaften unter Berücksichtigung kybernetischer Perspektiven.
Die im 16. Jahrhundert aufgekommene medizinische Anthropologie beschäftigt sich mit der Wechselwirkung von Kultur und Medizin.
in Cleveland: Deutungen des Menschen finden auch Ausdruck in Kunst und Religion. Die moderne Anthropologie entwickelte sich im Austausch mit Anatomie, Erdkunde und Sprachwissenschaft. Sie konzentrierte sich zunächst auf Formen des Körperbaus, untersuchte aber auch Kulturäußerungen vorgeschichtlicher und zeitgenössischer Menschen. Manchmal wird „Anthropologie“ als Oberbegriff für mehrere der oben genannten Einzel- und Humanwissenschaften aufgefasst. Insbesondere in den USA gibt es dementsprechende Bestrebungen, biologische Anthropologie, Kulturanthropologie, Ethnolinguistik und Archäologie unter einem Dach zu vereinen (sog. „Vier-Felder-Anthropologie“). Diese weit verbreitete Auffassung leitet sich von dem Tatbestand her, dass Anthropologie – im Gegensatz und oft in Konkurrenz zur Theologie – Selbsterkenntnis des Menschen als Mensch ist, gemäß der delphischen Maxime Gnothi seauton, „erkenne dich selbst“. In diesem Sinne geben Detlev Ganten, Volker Gerhardt, Jan-Christoph Heilinger und Julian Nida-Rümelin die umfangreiche Buchreihe „Interdisziplinäre Anthropologie“ mit derzeit 19 Bänden heraus. Die Systematische Anthropologie, ein 1977 veröffentlichtes Werk der deutschen Ethnologen Wolfgang Rudolph und Peter Tschohl, bringt anthropologisch grundlegende Erkenntnisse in einen integrierten Zusammenhang. Mit Hilfe eines eigenen Begriffssystems wird ein gesamtanthropologisches Modell entwickelt, das die Grenzen und Überschneidungen von Disziplinen wie Ethnologie, Biologie, Humangenetik, Psychologie, Soziologie, Philosophie, Geschichte theoretisch auflöst (vergl. zu diesem Ansatz: Interdisziplinarität). „Ziel der Untersuchung ist eine wissenschaftliche Theorie, die dasjenige abdeckt, was systematisch sinnvoll zu einem „Mensch“ genannten Untersuchungsgegenstand gerechnet werden kann, und die damit nicht von einer einzelnen Fachrichtung beherrscht wird.“ Die Untersuchung erschließt ausgehend von allgemeinen Bedingungen der Gesamtwirklichkeit die besonderen Bedingungen des biotischen und humanen Bereichs. Dafür wurde eine global orientierte Auswahl an Studien ausgewertet und die daraus entwickelte interdisziplinäre Systematik theoretisch konsequent ausformuliert. So lautet ein zentrales Untersuchungsergebnis in Kurzform: „Anthropologie ist zu explizieren als Theorie der Klassenexistenz ‚Menschliche Existenz‘ ME. Sie hat damit den vorverständlichen Gegenstandsbereich Mensch als Existenzklasse M aufzufassen und systematisch darzulegen.“ Gegenstand ist die menschliche Existenz als empirisch beschreibbare Tatsache. Die Theorie transportierte einen damals fortschrittlichen, humanen und weit gefassten Kulturbegriff. Wegen technokratisch anmutender Formulierung wurde sie aber nur in der ethnologisch und soziologisch orientierten Fachwelt rezipiert. Gerüst und Inhalt der Theorie müssten heute aktualisiert werden, bieten jedoch „eine Basis für Einzeluntersuchungen von beliebigen Ausschnitten des Gegenstandsbereichs Mensch“. Die praktische Relevanz und damit die Rezeption der „systematischen Anthropologie“ von Rudolph und Tschohl waren bereits bei Erscheinen des Werks 1977 äußerst begrenzt. Kritiker wiesen darauf hin, dass die positivistische Begriffssystematik völlig abgehoben von den aktuellen Diskussionen in den Sozialwissenschaften entwickelt worden war. Ihr theoretischer Wert lag in der Einübung einer hierarchisch vernetzten Nomenklatur, die zwar als Ausgangspunkt für empirische Untersuchungen hätte dienen können, wenn sie allgemeine Akzeptanz gefunden hätte, aber über die Wirklichkeit menschlicher Lebensverhältnisse nicht viel mehr aussagte als ein systematisch geordneter Katalog der europäischen wissenschaftlichen Terminologie in den Humanwissenschaften. Ungeklärt blieb auch die Frage, wie die Begriffssystematik von Rudolph und Tschohl in andere Sprach- und Kultursysteme hätte übertragen werden können. Fruchtbarere Ansätze wie die Reflexive Anthropologie (vergl. dazu Pierre Bourdieu) und Ethnomethodologie wurden dagegen aus dem anthropologischen Lehrbetrieb verdrängt. Die Basis-Theorie der Anthropologie ist ebenfalls Orientierungswissen, das Zusammenhänge zwischen den Disziplinen und Schulen der Humanwissenschaften aufzeigt. Ein Bezugsrahmen ergibt aus den vier Grundfragen der biologischen Forschung (nach Nikolaas Tinbergen): Verursachungen (= Ursache-Wirkungs-Beziehungen bei den Funktionsabläufen), Ontogenese, Anpassungswert, Phylogenese. Diese vier Aspekte sind jeweils auf verschiedenen Bezugsebenen zu berücksichtigen (vergleiche Nicolai Hartmann), beispielsweise Zelle, Organ, Individuum, Gruppe: Dem tabellarischen Orientierungsrahmen aus Grundfragen und Bezugsebenen lassen sich alle anthropologischen Fragestellungen (siehe PDF-Übersichtstabelle, Absatz A), ihre Ergebnisse (siehe Tabelle, Absatz B) und Spezialgebiete zuordnen (siehe Tabelle, Absatz C); er ist Grundlage für eine Strukturierung der Ergebnisse. Mit Hilfe der Basistheorie können die anthropologische Forschung in Theorie und Empirie vorangetrieben und fundiertes sowie spekulatives Wissen besser auseinandergehalten werden (betrifft z. B. den Schulenstreit in der Psychotherapie).
* Detlev Ganten, Volker Gerhardt, Jan-Christoph Heilinger, Julian Nida-Rümelin (Herausgeber): Humanprojekt. Interdisziplinäre Anthropologie, derzeit 19 Bände, De Gruyter, Berlin ISSN=1868-8144. * Axel W. Bauer: Was ist der Mensch? Antwortversuche der medizinischen Anthropologie. In: Fachprosaforschung – Grenzüberschreitungen. Band 8/9, 2012/2013, ISBN 978-3-86888-077-9, S. 437–453. * Rutger Bregman: Im Grunde gut: Eine neue Geschichte der Menschheit. Rowohlt Verlag, Hamburg 2020, ISBN 3-498-00200-7. * Der blaue reiter. Journal für Philosophie. Themenheft: Grenzpunkt Mensch. Nr. 4, 1996. Verlag der blaue Reiter, ISBN 978-3-9804005-3-4. * Joachim Bauer: Prinzip Menschlichkeit. Warum wir von Natur aus kooperieren. Hoffmann und Campe, Hamburg 2006, ISBN 3-455-50017-X. * Eike Bohlken, Christian Thies (Hrsg.): Handbuch Anthropologie. Der Mensch zwischen Natur, Kultur und Technik. Metzler, Stuttgart 2009, ISBN 978-3-476-02228-8. * Martin Buber: Ich und Du. 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Alexander der Große
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“ (Mosaik, Pompeji, ca. 150–100 v. Chr., wohl nach einer Vorlage aus dem 4. Jahrhundert v. Chr.) Alexander der Große (; * 20. Juli 356 v. Chr. in Pella; † 10. Juni 323 v. Chr. in Babylon) war von 336 v. Chr. bis zu seinem Tod als Alexander III. König von Makedonien und Hegemon des Korinthischen Bundes. Alexander dehnte ab 334 v. Chr. die Grenzen des Reiches, das sein Vater Philipp II. aus dem vormals eher unbedeutenden Kleinstaat Makedonien sowie mehreren griechischen Poleis errichtet hatte, durch den sogenannten Alexanderzug und die Eroberung des Achämenidenreichs bis an den indischen Subkontinent aus. Nach seinem Einmarsch in Ägypten wurde er dort als Pharao begrüßt. Auch aufgrund seiner großen militärischen Erfolge wurde das Leben Alexanders ein beliebtes Motiv in Literatur (siehe Alexanderhistoriker) und Kunst, während Alexanders Beurteilung in der modernen Forschung, wie auch schon in der Antike, zwiespältig ausfällt. Mit seinem Regierungsantritt begann das Zeitalter des Hellenismus, in dem sich die griechische Kultur über weite Teile der damals bekannten Welt ausbreitete. Die kulturellen Prägungen durch die Hellenisierung überstanden den politischen Zusammenbruch des Alexanderreichs und seiner Nachfolgestaaten und wirkten noch jahrhundertelang in Rom und Byzanz fort.
Alexander wurde im Jahr 356 v. Chr. als Sohn König Philipps II. von Makedonien und der Königin Olympias, einer Tochter des Königs Neoptolemos I. von Epeiros, geboren. Viele Einzelheiten seiner Biografie, vor allem aus der Kindheit, wurden bald legendenhaft ausgeschmückt oder frei erfunden. So berichtet Plutarch gut 400 Jahre später, dass Alexander ohne Zweifel seinen Stammbaum väterlicherseits auf Herakles und Karanos, den ersten König der Makedonen, zurückverfolgen konnte, wodurch Plutarch zugleich die Abstammung Alexanders vom Göttervater Zeus implizit hervorhebt. Ebenso berichtet er, dass Olympias und Philipp Träume gehabt hätten, die ihnen der Seher Aristander so deutete, dass ihnen die Geburt eines Löwen bevorstehe. Olympias nahm für sich in Anspruch, in direkter Linie von dem griechischen Heros Achilleus und Aiakos, einem weiteren Sohn des Zeus, abzustammen. Gemäß einer (wohl ebenfalls legendären) Erzählung Plutarchs soll Alexander in jungen Jahren sein Pferd Bukephalos, das ihn später bis nach Indien begleitete, gezähmt haben, nachdem es zuvor niemandem gelungen war, es zu bändigen. Alexander erkannte, was den Fehlschlägen der anderen zugrunde lag: Das Pferd schien den eigenen Schatten zu scheuen. Daraufhin habe Philipp zu ihm gesagt: : Geh, mein Sohn, suche dir ein eigenes Königreich, das deiner würdig ist. Makedonien ist nicht groß genug für dich. Abgesehen von derlei Legenden ist wenig über Alexanders Kindheit bekannt. Makedonien war ein Land, das im Norden des Kulturraums des antiken Griechenlands lag. Es wurde von vielen Griechen als „barbarisch“ angesehen, und nur das Königsgeschlecht der Argeaden, zu dem auch Alexander gehörte, wurde aufgrund der behaupteten Abstammung von Herakles als griechisch anerkannt: Im frühen 5. Jahrhundert v. Chr. wurden erstmals Makedonen als Vertreter der Könige zu den Olympischen Spielen zugelassen, nachdem König Alexander I. eine Abstammung aus dem griechischen Argos und von Herakles in Anspruch genommen hatte. Noch heute birgt die Diskussion um die ethnische Zugehörigkeit der antiken Makedonen politischen Konfliktstoff. Aus den verfügbaren Quellen ist ersichtlich, dass das Makedonische, von dem nur wenige Wörter überliefert sind, für die Griechen wie eine fremde Sprache klang. Ob das Makedonische ein nordgriechischer Dialekt oder eine mit dem Griechischen verwandte eigenständige Sprache war, ist immer noch umstritten. Kulturell und gesellschaftlich unterschieden sich die Makedonen jedenfalls recht deutlich von den Griechen: keine städtische Kultur (siehe Polis), als Binnenreich kaum Kontakte zum mediterranen Kulturraum, und eine monarchische Staatsform, was in Griechenland zu dieser Zeit nicht die Regel war. Gerade das Königtum galt den Hellenen zu dieser Zeit als eine grundsätzlich ungriechische, barbarische Regierungsform. Auf viele Griechen wird die makedonische Gesellschaft zumindest archaisch gewirkt haben. Erst ab dem späten 6. Jahrhundert v. Chr. verstärkte sich der griechische kulturelle Einfluss in der makedonischen Oberschicht. Alexanders Vater Philipp II. hatte das bisher eher unbedeutende Makedonien, das vor ihm Streitobjekt der Adelsfamilien und Kleinkönige des Hoch- und des Tieflands gewesen war, geeint, seine Grenzen gesichert und es nicht zuletzt dank der Erschließung reicher Edelmetallvorkommen zur stärksten Militärmacht der damaligen Zeit gemacht. Er hatte Thessalien und Thrakien erobert und zuletzt alle griechischen Stadtstaaten mit Ausnahme Spartas in ein Bündnis unter seiner Führung gezwungen (Korinthischer Bund). Philipp begann anschließend mit den Vorbereitungen für einen Feldzug gegen die Perser. Schon an den Kriegszügen gegen die Griechen war Alexander zuletzt beteiligt, vor allem in der Schlacht von Chaironeia (338 v. Chr.), in der ein Bündnis griechischer Poleis unter Führung Athens und Thebens unterworfen wurde. Die makedonische Phalanx erwies sich dabei als ein wichtiges Element für den militärischen Erfolg, zentral war jedoch die Rolle der Hetairenreiterei, die Alexander bei Chaironeia kommandierte. Seine späteren Erfolge gehen zweifellos zu einem bedeutenden Teil auf die Militärreformen seines Vaters zurück. Philipp umgab sich außerdem mit sehr fähigen Offizieren, wie etwa Parmenion, die auch einen großen Anteil an Alexanders späteren Siegen hatten. Philipp holte den griechischen Philosophen Aristoteles in die makedonische Hauptstadt Pella und beauftragte ihn, Alexander in Philosophie, Kunst und Mathematik zu unterrichten. Alexander war gebildet; seine Abschrift der Ilias hütete er laut Plutarch wie einen Schatz, und er brachte der griechischen Kultur große Bewunderung entgegen. Das Verhältnis zwischen Vater und Sohn war keineswegs frei von Konflikten, gerade in Hinsicht auf die Liebschaften des Vaters, durch die sich Alexander in seiner Position als Thronfolger bedroht sah. Philipp hatte 337 v. Chr. Kleopatra, die Nichte seines Generals Attalos, als Nebenfrau geheiratet. Während eines Banketts soll Attalos Öl ins Feuer gegossen und gesagt haben, er hoffe, dass Philipp nun endlich einen legitimen Erben erhalten würde. Alexander, dessen Mutter keine Makedonin war, sei daraufhin wutentbrannt aufgefahren und habe Attalos angeschrien: : Soll das heißen, ich sei ein Bastard? Alexander warf einen Becher nach Attalos und wollte auf ihn losgehen. Auch Philipp erhob sich und zog sein Schwert, jedoch nicht um Alexander in Schutz zu nehmen, sondern um Attalos zu helfen. Da aber Philipp bereits betrunken war, stolperte er und fiel hin. Alexander soll ihn, so Plutarch, höhnisch angeblickt und sich den versammelten Makedonen zugewandt haben: : Seht ihn euch an, meine Herren. Dieser Mann will euch von Europa nach Asien führen, aber er scheitert schon bei dem Versuch, von einem Liegebett zum nächsten zu gehen. (Plutarch, Alexander, 9) Alexander befürchtete nun offenbar, von der Thronfolge ausgeschlossen zu werden. Schließlich floh er mit seiner Mutter über Epeiros nach Illyrien. Nach einem halben Jahr kehrte er nach Pella zurück, doch seine Thronfolge blieb weiterhin unsicher. Philipp wurde im Sommer 336 v. Chr. in der alten Hauptstadt Aigai (auch bekannt als Vergina) während der Hochzeit seiner Tochter Kleopatra mit dem König Alexander von Epeiros von dem Leibgardisten Pausanias ermordet. Das Motiv des Täters scheint offensichtlich: Pausanias, den Freunde Alexanders sofort nach der Tat erschlugen, war ein Vertrauter Philipps gewesen und war von Attalos beleidigt worden; dabei fühlte er sich von Philipp ungerecht behandelt. Es gab aber bald Gerüchte, wonach Alexander als Drahtzieher an der Tat beteiligt gewesen war. Die Mutmaßungen über die Hintergründe des Mordes und über eine Verwicklung von Olympias und Alexander sind weitgehend spekulativ, auch wenn eine Mitwisserschaft nicht ausgeschlossen werden kann.
Im Jahre 336 v. Chr. folgte der zwanzigjährige Alexander seinem Vater auf den Thron. Dass es keinen nennenswerten Widerstand gab, ist offenbar Antipater zu verdanken, der das Heer dazu bewog, Alexander als König anzuerkennen. Schon in den ersten Tagen ließ er Mitglieder des Hofstaats exekutieren, die das Gerücht gestreut hatten, Alexander habe etwas mit der Ermordung seines Vaters zu tun gehabt. Als Nächstes wandte er sich seinem Erzfeind Attalos zu, der sich auf der Flucht befand, jedoch von seinem Schwiegervater Parmenion getötet wurde. Sowohl Antipater als auch Parmenion standen deswegen lange in Alexanders besonderer Gunst und profitierten nicht unerheblich davon: Antipater blieb während des Asienfeldzugs als Reichsverweser in Makedonien, während Parmenion sich seine Unterstützung mit großem Einfluss im Heer vergelten ließ. Noch 336 ließ sich Alexander in Korinth die Gefolgschaft der griechischen Städte versichern. Die Völker in Thrakien und Illyrien versuchten jedoch, die Situation zu nutzen und die makedonische Herrschaft abzuwerfen. Alexander zog im Frühjahr 335 v. Chr. mit 15.000 Mann nach Norden ins heutige Bulgarien und Rumänien, überquerte die Donau und warf die thrakische Revolte nieder. Anschließend verfuhr er ebenso mit den Illyrern (siehe auch: Balkanfeldzug Alexanders des Großen). Während Alexander im Norden kämpfte, beschlossen die Griechen im Süden, dass dies der Zeitpunkt sei, sich von Makedonien zu befreien. Ihr Wortführer war Demosthenes, der die Griechen davon zu überzeugen versuchte, dass Alexander in Illyrien gefallen und Makedonien herrscherlos sei. Als erste erhoben sich die Einwohner Thebens und vertrieben die makedonischen Besatzungssoldaten aus der Stadt. Alexander reagierte augenblicklich und marschierte direkt von seinem Illyrienfeldzug südwärts nach Theben. Die Phalanx seines Generals Perdikkas eroberte die Stadt, wo Alexander zur Bestrafung sämtliche Gebäude mit Ausnahme der Tempel und des Wohnhauses des Dichters Pindar zerstören ließ. Sechstausend Einwohner wurden getötet, die übrigen 30.000 wurden in die Sklaverei verkauft. Die Stadt Theben existierte nicht mehr und sollte erst zwanzig Jahre später wieder aufgebaut werden, aber nie mehr zur alten Bedeutung zurückfinden. Abgeschreckt von Alexanders Strafgericht brachen die anderen Städte Griechenlands ihre Revolte ab und ergaben sich. Von den Korinthern ließ sich Alexander von neuem die Gefolgschaft versichern und verschonte sie daraufhin, da er sie als Verbündete in seinem Persienfeldzug brauchte.
Das Perserreich war zu Alexanders Zeit die größte Territorialmacht der Erde. Die Perserkönige hatten in den zurückliegenden Jahrhunderten die Levante, Mesopotamien, Ägypten und Kleinasien erobert und zwischen 492 und 479 v. Chr. mehrere Versuche unternommen, auch Griechenland zu unterwerfen (siehe Perserkriege). Aus Sicht von Griechen wie Isokrates ebenso wie der älteren Forschung war das Reich aber um 340 v. Chr. geschwächt und hatte seinen Zenit überschritten. In der neueren Forschung wird dies allerdings bestritten; so war den Persern wenige Jahre vor dem Alexanderzug die Rückeroberung des zwischenzeitlich abgefallenen Ägypten gelungen. Ob Persien für die Makedonen eine leichte Beute war, ist daher umstritten. Als sich Alexander 334 v. Chr. dem Perserreich zuwandte, wurde dies von Dareios III. aus dem Haus der Achämeniden beherrscht. Schon Alexanders Vater Philipp hatte Pläne für einen Angriff auf die Perser geschmiedet, angeblich, um Rache für die Invasion Griechenlands rund 150 Jahre zuvor zu nehmen, wobei es sich dabei eher um Propaganda handelte und machtpolitische Gründe den Ausschlag gegeben haben dürften. Eine Armee unter Parmenion, einem der fähigsten makedonischen Generäle, war bereits über den Hellespont nach Asien gegangen, wurde von den Persern aber zurückgeschlagen. Alexander überschritt den Hellespont im Mai 334 v. Chr. mit einer Armee aus etwa 35.000 Makedonen und Griechen, um in die Kämpfe einzugreifen, während rund 12.000 Makedonen unter Antipatros Makedonien und Griechenland sichern sollten. In der Schlacht am Granikos (Mai 334 v. Chr.) kam es zur ersten Begegnung mit den persischen Streitkräften unter der Führung eines Kriegsrates der Satrapen. Der persische General Memnon von Rhodos, ein Grieche, führte 20.000 in persischen Diensten stehende griechische Söldner, doch konnte er sich im Kriegsrat der Satrapen zugunsten einer defensiven Taktik nicht durchsetzen. Alexander errang auch aufgrund einer ungünstigen Aufstellung der Perser einen deutlichen Sieg; Memnon konnte mit einem Teil der Söldner entkommen. Damit wurde die Befreiung der Städte Ioniens möglich, die Alexander als Motiv für seinen Feldzug genannt hatte. Nach dem Sieg übernahm Alexander die politischen und wirtschaftlichen Strukturen der persischen Verwaltung Kleinasiens. In Lydien zog Alexander kampflos in Sardes ein. Er weihte den örtlichen Tempel dem Zeus und nutzte die Reichtümer der Stadt, um seine Männer zu bezahlen. Dann zog er weiter nach Ephesos. Dort war kurz zuvor Memnon mit den Resten der Söldner vom Granikos hindurchgezogen und hatte Unruhen unter den städtischen Parteien entfacht. Alexander ließ die alten Institutionen wiederherstellen und regelte die Befugnisse des Tempels der Artemis. Nach einer Ruhe- und Planungspause brach der König mit dem Gros des Heeres nach Milet auf, der größten Stadt an der Westküste Kleinasiens. Der dortige Satrap kapitulierte als Einziger nicht, da ihm die Ankunft einer persischen Hilfsflotte von 400 Schiffen versprochen worden war. Da auch Alexander von dieser Flotte gehört hatte, wies er Nikanor an, mit 160 Schiffen die Einfahrt zur Bucht von Milet zu versperren. Anschließend gelang ihm die Einnahme der Stadt (Belagerung von Milet). Die Perser, die immer noch unter dem Befehl Memnons standen (allerdings hatten Unstimmigkeiten im persischen Oberkommando einen effektiven Widerstand erschwert), sammelten sich nun in Halikarnassos, der Hauptstadt Kariens, und bereiteten die Stadt auf eine Belagerung vor (→ Belagerung von Halikarnassos). Die Kämpfe waren für Alexander sehr verlustreich. Zwischenzeitlich handelte er einen Waffenstillstand aus, um die makedonischen Gefallenen zu bergen – etwas, was er nie zuvor getan hatte und nie wieder tun sollte. Als er letztlich die Mauern durchbrach, entkam Memnon mit dem Großteil seiner Soldaten auf Schiffen aus der fallenden Stadt. Indem Alexander der karischen Satrapentochter Ada die Herrschaft über Halikarnassos versprach, sicherte er sich das Bündnis mit dem Volk Kariens. Manche Quellen sprechen davon, dass Ada Alexander adoptierte. Hier zeigte Alexander erstmals seine Taktik, Großzügigkeit gegenüber besiegten Völkern walten zu lassen, um sie nicht gegen die Makedonen aufzubringen. Das ursprüngliche Ziel des Persienfeldzugs, die Eroberung der Westküste Kleinasiens, war hiermit erreicht. Dennoch beschloss Alexander, die Expedition fortzusetzen. Entlang der Küsten Lykiens und Pamphyliens traf die makedonisch-griechische Streitmacht auf keinerlei nennenswerten Widerstand. Eine Stadt nach der anderen ergab sich kampflos. Alexander ernannte seinen Freund Nearchos zum Statthalter von Lykien und Pamphylien. Im Winter 334/333 v. Chr. eroberte Alexander das anatolische Binnenland. Er stieß vom Süden vor, sein General Parmenion von Sardes im Westen. Die beiden Armeen trafen sich in Gordion. Hier soll Alexander der Große der Legende nach den Gordischen Knoten mit seinem Schwert durchschlagen haben, über den ein Orakel prophezeit hatte, nur derjenige, der diesen Knoten löse, könne die Herrschaft über Asien erringen. Es gibt aber auch die Version, dass Alexander mit der Breitseite des Schwertes auf die Wagendeichsel schlug, so dass der Druck den Knoten auseinanderriss. Die Makedonen blieben einige Zeit in Gordion, um Nachschub an Männern und die Einfuhr der Ernte abzuwarten. Während dieser Zeit starb Memnon, der Befehlshaber der persischen Armee, im August 333 v. Chr. an einer Krankheit. Zu seinem Nachfolger wurde Pharnabazos ernannt, und da sich die Perser bereits wieder formierten, brach Alexander erneut auf. In Gordion ließ er seinen General Antigonos als Statthalter Phrygiens zurück und übertrug ihm die Aufgabe, den Norden Anatoliens zu unterwerfen und die Nachschubwege zu sichern. Durch Kappadokien marschierte Alexanders Heer nach Kilikien. Dort nahm er nach einem kurzen Gefecht die Hauptstadt Tarsos ein, wo er bis zum Oktober blieb.
In Tarsos erfuhr Alexander, dass Dareios III. die Bedrohung endlich ernst genug nahm, um selbst ein Heer aus dem persischen Kernland nach Westen zu führen. Plutarch zufolge war dieses persische Heer 600.000 Mann stark – eine Angabe, die sicherlich maßlos übertrieben ist: Der berühmte Althistoriker Karl Julius Beloch, der den Quellen immer sehr skeptisch gegenüberstand, schätzte die tatsächliche Zahl der Perser auf höchstens 100.000, die Stärke des makedonischen Heeres dagegen auf ca. 25.000 bis 30.000 Mann. Dareios gelang es, Alexanders Armee im Norden zu umgehen und Issos zu besetzen, wodurch er die Nachschubwege blockierte. Auch ließ Dareios die in Issos zurückgebliebenen Verwundeten töten. In der Schlacht bei Issos trafen die Armeen im Kampf aufeinander, bis Dareios aufgrund der großen Verluste der Perser vom Schlachtfeld floh. Die Makedonen beklagten 450 Tote und 4000 Verwundete. Unbekannt sind die persischen Verluste, sie dürften aber weit höher gewesen sein. Insgesamt hatte die persische Führung während der Schlacht mehrere Fehler begangen, angefangen bei der Aufstellung – man hatte auf die Umgruppierungen Alexanders nicht reagiert. Auch als Symbol kam der Schlacht große Bedeutung zu: Dareios hatte sich als seinem Gegner nicht gewachsen gezeigt. Zur Sicherung des Lagers der Perser sandte Alexander seinen General Parmenion nach Damaskus. Neben dem reichen Kriegsschatz befanden sich hier auch mehrere Mitglieder der königlichen Familie. Zu den Gefangenen, die in die Hände der Makedonen fielen, gehörten die Mutter des Dareios, seine Frau Stateira, ein fünfjähriger Sohn und zwei Töchter. Alexander behandelte sie mit Respekt. Außerdem wurde Barsine gefangen genommen, die Witwe des Memnon. Es kam zu einer Liebesaffäre zwischen Alexander und Barsine, aus der später ein Sohn hervorgehen sollte, der Herakles genannt wurde. Schon bald bat Dareios Alexander um den Abschluss eines Freundschaftsvertrags und die Freilassung seiner Familie. Alexander antwortete, Dareios solle zu ihm kommen und Alexander als „König von Asien“ anerkennen, dann würde seine Bitte erfüllt; andernfalls solle er sich auf den Kampf vorbereiten. Nach der Schlacht gründete Alexander die erste Stadt in Asien, die er nach sich benannte: Alexandretta, das heutige İskenderun. Hier siedelte er die 4000 Verwundeten der Schlacht an.
Der Ausgang der Schlacht überraschte die antike Welt. Die Erwartungen der Herrscher von Karthago, in Italien, Sizilien, von Sparta bis Zypern, die Kalkulationen der Handelsherren im westlichen Mittelmeerraum, in Athen, auf Delos und in Phönizien erfüllten sich nicht: „… statt der erwarteten Siegesnachricht aus Kilikien kam die von der gänzlichen Niederlage des Großkönigs, von der völligen Vernichtung des Perserheeres.“ Auch die Delegationen aus Athen, Sparta und Theben, die im Hauptquartier des Großkönigs in Damaskus den Verlauf der Feldzüge verfolgten, wurden von Alexanders Feldherrn Parmenion gefangen gesetzt. Alexander selbst widerstand der Versuchung, den Krieg durch einen Marsch nach Babylon rasch zu entscheiden, doch hatte er es nicht einfach, seine Befehlshaber und Gefährten von einer Defensivstrategie zu überzeugen. Nach wie vor beherrschte die persische Flotte das östliche Mittelmeer – sie verfügte zwar über keine Häfen mehr in Kleinasien, jedoch nach wie vor in Phönizien. Durch die Münzgeldtribute hier waren die finanziellen Mittel der Perser noch wenig eingeschränkt, und auch Ägypten stand ihnen noch als logistische und militärische Basis zur Verfügung. Die kommenden Winterstürme ließen zwar keine Flottenunternehmungen mehr erwarten und damit auch keine Gefahr einer raschen Erhebung der Griechen gegen Makedonien – insbesondere des Spartanerkönigs Agis IV. Allerdings kam es nun auch auf das Verhalten der phönizischen Geschwader an, die einen Großteil der persischen Flotte stellten. Zwar verblieben sie in dieser Jahreszeit noch in der Fremde, doch nahm Alexander an, dass er diese Kontingente durch eine sofortige Besetzung ihrer Heimatstädte zumindest neutralisieren könne. Johann Gustav Droysen kommentiert: „Auch die kyprischen Könige glaubten, für ihre Insel fürchten zu müssen, sobald die phönikische Küste in Alexanders Gewalt war.“ Nach einer Besetzung Phöniziens und Ägyptens könne dann ein Feldzug nach Asien von einer gesicherten Basis aus geführt werden, obwohl die Perser natürlich auch Zeit für neue Rüstungen gewannen. Die Versammlung stimmte Alexanders Plan zu. Die Schlacht von Issos hatte noch keine grundsätzliche Entscheidung gebracht: Entgegen den Erwartungen wurde das makedonische Heer nicht vernichtet, und Alexander besaß mit der persischen Kriegskasse in Damaskus die Mittel zur Fortführung des Feldzuges. Eingezogen wurden in Damaskus „2600 Talente in Münzgeld und 500 Pfund Silber“, die „(ausreichten), alle Soldschulden der Armee und Sold für etwa sechs weitere Monate zu bezahlen …“
Während die Städte in der nördlichen Hälfte Phöniziens – Marathos, Byblos, Arados, Tripolis und Sidon – sich dem Makedonen bereitwillig ergaben, war die dominierende Handelsmetropole Tyros allenfalls zu einem Vergleich bereit. Sie baute dabei auf ihre Insellage knapp vor der Küste, auf ihre vor Ort verfügbare eigene Flotte und die Unterstützung ihrer mächtigen Tochterstadt Karthago. Nachdem Alexander der Zutritt zur Stadt verwehrt worden war – sein Prüfstein war das Verlangen nach einem Opfer im Tempel des Stadtgottes Melkart, des tyrischen Herakles –, brach der König die Verhandlungen ab. Er beschloss, Tyros um jeden Preis einzunehmen, denn er plante schon den Vorstoß nach Ägypten und wollte eine feindliche Stadt, die sowohl mit den Persern als auch mit rebellischen Kräften in Griechenland kooperieren würde, nicht unbezwungen in seinem Rücken lassen. Eine von Arrian überlieferte angebliche Rede Alexanders vor seinen Offizieren, in der die strategischen Überlegungen erläutert werden, ist allerdings eine literarische Fiktion, die auf der Kenntnis des späteren Verlaufs des Feldzugs beruht. Vor dem Beginn der Belagerung bot Alexander den Tyrern Schonung an, falls sie kapitulierten. Sie töteten jedoch seine Unterhändler und warfen die Leichen von den Stadtmauern. Damit war der Weg zu einer Einigung endgültig versperrt. Ohne Flotte blieb nur die Möglichkeit eines Dammbaues durch das zumeist seichte Gewässer, das die vorgelagerte Inselstadt von der Küste trennte, und der Versuch, mit Belagerungsmaschinen Teile der Mauern zu zerstören. Die Finanzierung dieser aufwendigen Methode, die eine entwickelte Technik und die dafür entsprechenden Materialien und Fachkräfte erforderte, konnte Alexander durch die Beute aus dem persischen Hauptquartier in Damaskus bewerkstelligen. Ein erster Dammbau wurde von den Tyrern erfolgreich bekämpft: Es gelang ihnen bei stürmischem Wetter mit einem Brander die zwei Belagerungstürme an der Spitze des Dammes zu entzünden und durch Begleitschiffe mit Geschützen jeden Löschversuch zu vereiteln. Der Sturm riss zudem den vorderen Teil des Dammes weg. Der Vorfall löste im makedonischen Heer vorübergehende Entmutigung aus. Dazu trafen Gesandte des Dareios ein und überbrachten ein neues Friedensangebot des Großkönigs, das Alexander „den Besitz des Landes diesseits des Euphrat“, 10.000 Talente Lösegeld für seine bei Issos gefangene Mutter Sisygambis und seine Gemahlin Stateira sowie die Hand seiner ebenfalls gefangenen Tochter Stateira anbot. Im Anschluss spielte sich ein vermutlich von Kallisthenes von Olynth, den Alexander als Hofhistoriker mit auf den Feldzug genommen hatte, verbreitetes Gespräch ab: Der Befehlshaber Parmenion meinte, wäre er Alexander, so würde er akzeptieren. Alexander entgegnete, das würde er auch tun, wenn er Parmenion wäre. Alexander ließ Dareios mitteilen, er, Alexander, werde sich nehmen, was er wolle; wenn Dareios etwas von ihm erbitten wolle, solle er zu ihm kommen. Der Damm wurde in größerer Breite wiederhergestellt und mit neuen Türmen versehen. In der Zwischenzeit – nach den Winterstürmen – trafen auch die phönizischen Flottenkontingente und die Geschwader der Könige von Zypern in ihren Heimathäfen ein und standen nun Alexander zur Verfügung; insgesamt 250 Schiffe, darunter auch Vier- und Fünfruderer. Diese Bundesgenossenschaft lag auch in der Feindschaft der kleineren Städte Phöniziens gegen Tyros begründet: Die Metropole hatte zwanzig Jahre zuvor zwar einen Aufstand unter Führung von Sidon gegen die Perser befürwortet und Hilfe zugesagt, dann jedoch den Verlauf der Auseinandersetzungen abgewartet und war von den Persern für diese Haltung belohnt worden. Nach der Niederschlagung der Erhebung und der Zerstörung von Sidon errang Tyros die Vorherrschaft unter den phönizischen Handelsstädten. Während die neu gewonnene Flotte ausgerüstet wurde, unternahm Alexander eine Expedition durch das küstennahe Gebirge des Antilibanon, um die Festungen von Gebirgsstämmen zu bezwingen, den Nachschub (Holz für den Maschinenbau) und die Verbindung nach Damaskus zu sichern. Die Karthager konnten den Tyrern nicht helfen, da sie sich im Krieg mit Syrakus befanden. Nach weiteren wechselvollen Kämpfen um die Stadtmauern und zur See, die die Tyrer immer mehr Schiffe kosteten, war die Zeit zum Sturmangriff reif. Alexander beschloss einen kombinierten Land- und Seeangriff. Auf der durch den Damm erreichbaren Seite gelang es, Breschen in die Mauern zu schlagen und ein Landeunternehmen durchzuführen. Die phönizischen Schiffe sprengten die Sperrketten im Südhafen und bohrten die dort liegenden Schiffe in den Grund, die zyprische Flotte verfuhr ebenso im Nordhafen – dort gelang es den Truppen, zusätzlich in die Stadt einzudringen. Die überlieferte Zahl von 8000 Gefallenen der Stadt soll sich auf die gesamte Belagerungszeit beziehen. Ob die anschließende angebliche Kreuzigung von 2000 Kämpfern den Tatsachen entspricht, ist umstritten. Im Vorfeld des letzten Angriffes ließ Alexander Schiffe der Karthager und seiner verbündeten Phönizier zur Evakuierung der Bevölkerung passieren. In Heiligtümer oder Tempel Geflüchtete wurden verschont. Zahlreiche Einwohner – die überlieferte Zahl von 30.000 gilt allerdings als stark übertrieben – wurden in die Sklaverei verkauft. Das war in der Antike eine gängige Praxis, um die Kriegskassen aufzufüllen. Alexander soll allerdings sehr selten zu diesem Mittel gegriffen haben, da er die Bevölkerung für sich gewinnen wollte, denn er konnte sich eine ständige Bedrohung durch Aufständische in seinem kaum durchgängig besetzbaren Hinterland nicht leisten. Tyros wurde wieder aufgebaut und neu besiedelt, um unter makedonischer Hoheit die beherrschende Position in Phönizien zu sichern. Die Nachricht von diesem mit modernster Kriegstechnik errungenen Sieg – die Belagerungstürme sollen eine Höhe von 45 Metern erreicht haben – machte in der antiken Welt weit über die betroffene Region hinaus einen starken Eindruck.
Alexander, der während der Belagerung auch die Verwaltung und Logistik in den neu gewonnenen Gebieten ordnete, „brach etwa Anfang September 332 von Tyros auf.“ Die Städte und Stämme im südlichen Syrien ergaben sich bis auf die Hafenstadt Gaza. Die Stadt war seit Jahrhunderten der Hauptumschlagplatz des Gewürzhandels. Mit einer Eroberung Gazas konnte Alexander einen der lukrativsten Handelsbereiche zwischen Ost und West unter seine Kontrolle bringen, doch standen den Makedonen dort nicht nur eine recht starke persische Garnison, deren Kommandeur, ein Eunuch namens Batis, als gegenüber Dareios besonders loyal galt, sondern auch arabische (nabatäische) Söldnertruppen gegenüber. Gaza konnte sich rund zwei Monate halten und wurde erst nach harten Kämpfen erobert, bei denen Alexander selbst verwundet wurde. Wie zuvor im Fall von Tyros verhielt sich Alexander nach seinem Sieg gnadenlos gegenüber den Verteidigern. Möglicherweise ist der erbitterte persische Widerstand auch auf die Strategie des Dareios zurückzuführen, sich im Westen so viel Zeit wie möglich zu erkaufen, um im Osten weitere Truppen für den Kampf gegen Alexander zu sammeln. Dass der Kommandant Batis nach der Eroberung wie Hektor durch Achilles vor Troja um die Stadt geschleift worden sein soll, wird angezweifelt. Einen unmittelbaren Gewinn konnte sich Alexander von einer Eroberung nicht versprechen, denn die Gewürzhandelsgeschäfte des Jahres waren abgeschlossen, da „die Route nur einmal im Jahr befahren wurde.“ Wetterverhältnisse und „Orientierungsschwächen beschränkten die Aktivitäten mediterraner Seefahrt auf das halbe Jahr zwischen Mai und Oktober, in dem das Wetter in der Regel verläßlich gut war. […] Faktisch lag der Zeitpunkt Mitte August (Hesiod, 700 v. Chr.), denn es stand auch noch die Rückreise an.“ Organisiert war diese Fahrt bis in die Spätantike als riesiges „Kauffahrtgeschwader“ zuerst entlang der östlichen Küsten – vor allem Kornfrachter, Sklaven- und Baumaterial-Transporten sowie Postschiffen und anderen, die dann übers Meer von Kriegsschiffen begleitet wurden. Durch die Belagerung von Tyros waren die Handelsunternehmen 332 v. Chr. schon stark beeinträchtigt worden. Alexander nahm sofort den Hafen von Gaza zum Antransport der zerlegten Belagerungsmaschinen in Beschlag. Die Stadt selbst lag nahe dem Meer auf einem flachen Hügel. Gaza war auch der letzte freie Ankerplatz für die persische Flotte in Syrien und somit auch an der kompletten östlichen Mittelmeerküste. Die Flotte war mittlerweile in Auflösung begriffen, da die griechischen Kontingente nun ebenfalls – klimabedingt – im Herbst in ihre Heimathäfen zurück segelten. Es wird davon ausgegangen, dass der Gewürztransport nach Gaza danach in der „Felsenstadt“ Petra – der davor liegenden Station der Weihrauchstraße – angehalten wurde. Petra war „zentrales Weihrauchlager“, da die Stadt in einem Talkessel gewaltige Lagerhallen (Höhlen) besaß. „In Petra saßen die Ökonomen, die kontrollierten, was sie zu welchem Preis an die mediterranen Küsten bringen wollten.“ Für 332 war das Geschäft allerdings schon gelaufen. Den jahreszeitlichen Bedingungen zufolge kehrten im Herbst auch die Kauffahrtsflotten zurück und trafen in Phönizien überall in Häfen ein, die von den Makedonen kontrolliert wurden. Die Auflösung der persischen Kriegsflotte im Herbst war ebenfalls eine Routineangelegenheit, doch war es allen Beteiligten klar, dass die Kontingente auf Grund der makedonischen Besetzung sämtlicher Festlandshäfen im östlichen Mittelmeer im nächsten Frühjahr nicht wieder unter persischem Kommando zusammengeführt werden würden.
Während Alexander mit dem Heer 332 v. Chr. den größten Teil des Jahres mit Belagerungen zur Vervollständigung seiner Blockade der persischen Seemacht verbrachte – und dabei die phönizischen Hafenstädte und ihren Handel unter seine Kontrolle nahm –, war die Flotte der Perser durch den bereits im Frühjahr erfolgten Abzug der phönikischen und kyprischen Kontingente geschwächt und verhielt sich defensiv. Die persischen Admirale Pharnabazos und Autophradates versuchten – meist mit Hilfe begünstigter oder eingesetzter Machthaber – die wichtigsten Inseln unter ihrer Kontrolle zu behalten. In Griechenland, das Alexanders Statthalter Antipater bis auf die Peloponnes fest im Griff hatte, rührte sich kein Widerstand. Lediglich der Spartanerkönig Agis III. setzte noch auf die persische Karte und hatte Kreta durch seinen Bruder und Mitregenten Agesilaos besetzen lassen. Doch schon im Vorjahr, noch während des Aufenthalts in Gordion 333 v. Chr., hatte Alexander „Amphoteros, den Bruder des Orestiden Krateros“ beauftragt, „‚in Übereinstimmung mit den Abmachungen des Bündnisses‘ eine neue griechische Flotte auszurüsten.“ Dank „der erbeuteten Schätze aus Sardis“ gelangen die Anfänge dazu und nach dem Sieg bei Issos und dem darauf folgenden Winter, der keine Flottenunternehmungen zuließ, stand Alexanders neue Flotte im Frühjahr 332 v. Chr. bereit. Nun konnten die makedonischen Nauarchen Hegelochos und Amphoteros ihrerseits systematisch die Inseln besetzen – von Tenedos und Chios (wo der persische Admiral Pharnabazos mit der Besatzung von 15 Trieren in Gefangenschaft geriet) – bis nach Kos und schließlich Lesbos. Dort handelte der athenische Söldnerführer Chares mit zweitausend Mann freien Abzug aus und begab sich nach Tainaron, dem Hafen und Söldnermarkt südlich von Sparta. Amphoteros unterwarf zuletzt noch die kretischen Stützpunkte, während Hegelochos bereits nach Ägypten steuerte, „um selbst die Meldung vom Ausgang des Kampfes gegen die persische Seemacht zu überbringen, zugleich die Gefangenen abzuliefern […] So war mit dem Ausgang des Jahres 332 der letzte Rest einer persischen Seemacht, die das makedonische Heer im Rücken zu gefährden und dessen Bewegungen zu hindern vermocht hätte, vernichtet.“
Nach der Eroberung von Gaza machte sich Alexander mit einem Teil seines Heeres auf den Weg nach Ägypten. Ägypten war in den vorangegangenen sieben Jahrzehnten mehrfach von den Persern angegriffen und besetzt worden und ging ihnen regelmäßig durch Aufstände wieder verloren. Erst seit drei Jahren war es wieder in der Hand des Großkönigs, doch „Ägypten war von Truppen entblößt, weil der Satrap Sabakes mit einem großen Aufgebot nach Issos gekommen und selbst dort gefallen war. […] Mazakes, vom Großkönig […] zum (neuen) Satrapen ernannt, konnte nicht an Widerstand denken.“ Er übergab unter Auslieferung von 800 Talenten für freies Geleit die Grenzfestung Pelusion. Ein Teil der makedonischen Flotte segelte nun den Nil aufwärts zur Hauptstadt Memphis, während sich Alexander mit den Truppen auf dem Landmarsch über Heliopolis dorthin begab. In Memphis opferte Alexander dem ägyptischen Gott Apis, wie er auch den Göttern anderer eroberter Länder Opfer darbrachte, anstatt ihn zu verachten wie der persische Großkönig Artaxerxes III., der den heiligen Stier des Gottes hatte töten lassen. „Als Gegengabe scheint Alexander als Pharao des Oberen und Unteren Ägyptens gekrönt worden zu sein, wenngleich diese Ehrung nur in dem „frei erfundenen“ Alexander-Roman erwähnt wird.“ „Die Krönung kann nicht auf einen Monat genau datiert werden, bestätigt wird sie aber durch die Pharaonentitel, die ihm in ägyptischen Tempelinschriften [etwa auf dem Amun-Tempel von Luxor] zugeschrieben sind.“ Alexander zog danach am westlichen Nil entlang nordwärts und gründete im Januar 331 v. Chr. an der Mittelmeerküste Alexandria, die bedeutendste all seiner Stadtgründungen. Im März zog Alexander von Paraetonium Was er dort an Botschaften empfing, ist unbekannt. Antike Quellen berichten, Alexander habe dort erfahren, dass er der Sohn des Zeus sei; so soll ihn der oberste Priester als „Sohn des Zeus“ begrüßt haben. Jedoch hatte Alexander sich schon vorher als Sohn des Zeus bezeichnet. Womöglich sollte man den religiös-kulturellen Aspekt dieser Reise aber nicht zu sehr gewichten, denn ebenso können ökonomische Gründe eine Rolle gespielt haben, so die Unterwerfung der Kyrenaika und die Kontrolle über die wirtschaftlich wichtigen Karawanenwege in dieser Region. Von Siwa kehrte Alexander nach Memphis zurück, verweilte dort einige Wochen und führte seine Truppen dann zurück nach Palästina.
Im Mai 331 v. Chr. kehrte Alexander nach Tyros zurück. Er befahl hier den Wiederaufbau der Stadt, die er mit befreundeten Phöniziern wieder besiedeln ließ. 15.000 zusätzliche Soldaten waren im Frühling aus Makedonien entsandt worden, und bei Tyros trafen sie im Juli mit Alexander zusammen. Seine Armee bestand nun aus 40.000 Fußsoldaten und 7000 Reitern. Alexander zog ostwärts durch Syrien und überquerte den Euphrat. Sein Plan mag gewesen sein, von hier aus südwärts nach Babylon zu ziehen, doch eine Armee unter dem persischen Satrapen Mazaios verstellte den Weg. Alexander vermied die Schlacht, die ihn viele Männer gekostet hätte, und zog stattdessen nordwärts. Derweil zog Dareios selbst eine neue große Streitmacht in Assyrien zusammen, und dieses Heer war es, das Alexander treffen wollte. Im September 331 v. Chr. überquerte das Heer den Tigris. Am 20. September, unmittelbar vor der Schlacht, kam es zu einer Mondfinsternis, die die Perser verunsicherte, weil sie sie als schlechtes Omen deuteten. Das Heer Alexanders lagerte 11 Kilometer von der persischen Armee entfernt bei einem Dorf namens Gaugamela, weshalb die folgende Schlacht als Schlacht von Gaugamela bekannt wurde. Am 1. Oktober kam es zum Kampf. Wenngleich das Heer des Dareios auch diesmal den Truppen Alexanders zahlenmäßig weit überlegen war, siegte abermals Alexander. Er vermochte aber nicht, Dareios selbst zu töten oder gefangen zu nehmen. Obwohl dieser damit erneut entkommen war, war seine Armee praktisch vernichtet. Alexander dagegen hatte nun die Herrschaft über Babylonien gewonnen und konnte ungehindert ins reiche Babylon einziehen. Mazaios, der sich nach der Schlacht von Gaugamela nach Babylon zurückgezogen hatte, übergab die Stadt an Alexander, der sie durch das Ischtar-Tor betrat und sich zum „König von Asien“ ausrufen ließ. Während die Griechen die Völker Asiens zuvor als Barbaren verachtet hatten, sah Alexander sie mit anderen Augen. Fasziniert von der Pracht Babylons befahl er die Schonung aller Bauwerke. Alexander verzieh dem persischen Satrapen Mazaios und ernannte ihn zu seinem Statthalter in Babylon. Nach fünfwöchigem Aufenthalt zog Alexander weiter ostwärts, um die großen persischen Städte im Kernland anzugreifen. Susa ergab sich kampflos. Im Januar 330 v. Chr. erreichten die Makedonen die persische Hauptstadt Persepolis. Zahlreiche Einwohner begingen vor seinem Einzug Selbstmord oder flohen. Die ältere Meinung, Alexander habe die Stadt plündern und den Königspalast niederbrennen lassen, ist inzwischen von der jüngeren Quellenkritik relativiert worden. Archäologische Funde bestätigen, dass lediglich die Gebäude, die Xerxes I. errichtet hatte, brannten, was die Darstellung Arrians wahrscheinlicher macht.
Zwar war Persien nun in Alexanders Hand, doch König Dareios III. war noch immer am Leben und auf der Flucht. Da Alexander mitgeteilt worden war, dass Dareios sich in Medien aufhalte, folgte er seiner Spur im Juni nach Nordwesten nach Ekbatana. Doch auch Dareios’ Anhängerschaft hatte jetzt keine Hoffnung mehr, Persien zurückzugewinnen. Die Vollkommenheit der Niederlage ließ nur die Möglichkeit zu, sich zu ergeben oder zeitlebens zusammen mit Dareios zu fliehen. Bisthanes, ein Mitglied der Königsfamilie, entschied sich, in Ekbatana zu bleiben, wo er Alexander empfing und ihm die Stadt übergab. Alexander zeigte sich wiederum großzügig und ernannte einen Perser zu seinem Statthalter in Medien. In Ekbatana entließ Alexander auch die griechischen Verbündeten und die thessalischen Reiter, was als Zeichen zu verstehen war, dass der vom Korinthischen Bund beschlossene „Rachefeldzug“ damit beendet war. Teile des Bundesheeres wurden jedoch von Alexander als Söldner angeworben. Dareios setzte inzwischen seine Flucht fort. Er hoffte, Zuflucht in Baktrien zu erhalten, wo ein Verwandter namens Bessos Satrap war. Bessos aber setzte Dareios gefangen und schickte einen Unterhändler zu Alexander. Er bot ihm an, Dareios an die Makedonen zu übergeben, wenn im Gegenzug Baktrien frei bliebe. Alexander ging nicht auf die Verhandlungen ein und setzte die Verfolgung fort. Bessos tötete seine Geisel im Juli und floh seinerseits. Die Leiche des Dareios wurde von Alexander nach Persepolis gebracht und dort feierlich beigesetzt.
In der Zwischenzeit hatte Alexander erkannt, dass er zur Sicherung der Herrschaft über das Perserreich die Unterstützung der persischen Adligen brauchte. Er nutzte Dareios’ Ermordung daher, die Perser zu einem Rachezug gegen Bessos aufzurufen, der sich nun den Namen Artaxerxes gegeben hatte und sich Großkönig von Persien nannte. Die Soldaten waren wenig begeistert davon, dass sie den Tod ihres Erzfeindes vergelten und zudem gemeinsam mit Persern kämpfen sollten. Außerdem war ihnen das Land im Nordosten vollkommen unbekannt. Die dortigen Provinzen Baktrien und Sogdien lagen in etwa auf den Territorien der heutigen Staaten Afghanistan, Usbekistan und Turkmenistan. Im August 330 v. Chr. brach Alexander zu einem neuen Feldzug auf und eroberte zunächst Hyrkanien an der Südküste des Kaspischen Meeres. Unter jenen, die mit Alexander kämpften, war Oxyartes, ein Bruder des Dareios. Statt von Hyrkanien den direkten Weg nach Baktrien zu wählen, zog Alexander über Aria, dessen Satrap Satibarzanes an Dareios’ Gefangennahme beteiligt gewesen war. Alexander eroberte die Hauptstadt Artacoana, verkaufte die Einwohner in die Sklaverei und benannte die Stadt in Alexandreia um; der heutige Name der Stadt ist Herat. Auf seinem weiteren Weg kam es zu einem Zwischenfall, als Philotas, der Sohn des Parmenion, beschuldigt wurde, einen Anschlag auf Alexanders Leben unternommen zu haben. Ob dieser Versuch wirklich unternommen worden war, ist unklar. Vielleicht diente die Affäre Alexander bloß als Vorwand, sich Parmenions zu entledigen, der zum Wortführer seiner Kritiker avanciert war. Sie missbilligten Alexanders Neigung, die Perser zu ehren und ihre Gewänder zu tragen, und sahen dies als Anbiederung an ein barbarisches Volk an. Philotas wurde an Ort und Stelle mit einem Speer getötet. Ein Kurier wurde dann zu den Adjutanten des in Ekbatana gebliebenen Parmenion gesandt. Sie töteten Parmenion auf Alexanders Befehl. Nach beschwerlicher Reise entlang des Flusses Tarnak erreichte Alexander im April 329 das Zentrum des heutigen Afghanistan und gründete Alexandria am Hindukusch (heute Chârikâr). Von hier aus wollte Alexander das Gebirge überschreiten und auf diesem Wege in Baktrien einfallen. Einer Legende zufolge fand man hier den Berg, an den der Titan Prometheus gekettet worden war. Als die Nachricht nach Baktrien gelangte, dass Alexander dabei war, den Hindukusch zu übersteigen, fürchteten die Einwohner von Baktra (heute Balch) die Bestrafung ihrer Stadt und vertrieben Bessos. Die beschwerliche Überquerung des Gebirges hatte die Soldaten indessen gezwungen, manche ihrer Lasttiere zu schlachten. Als sie erschöpft in Baktrien ankamen, wurde das Land ihnen kampflos übergeben. Alexander ernannte seinen persischen Vertrauten Artabazos, den Vater der Barsine, zum Satrapen. Alexander hielt sich nicht lange in Baktra auf und folgte weiterhin Bessos, der nordwärts zum Oxus (Amudarja) geflohen war. Der 75 Kilometer lange Marsch durch wasserlose Wüste wurde vielen zum Verhängnis. Bessos hatte inzwischen alle Schiffe zerstören lassen, mit denen man den Amudarja hätte überqueren können. Die Makedonen brauchten fünf Tage, um genügend Flöße für die Überquerung des Flusses anzufertigen. Dann setzten sie in Sogdien im heutigen Turkmenistan über. Die Begleiter des Bessos wollten nun nicht länger fliehen. Sie meuterten gegen ihn, nahmen ihn gefangen und händigten ihn an Alexander aus. Dieser zeigte sich gnadenlos und ließ Bessos die Nase und die Ohren abschneiden. Anschließend übergab Alexander den Verstümmelten an Dareios’ Bruder Oxyartes, damit er ihn nach Medien an den Ort brächte, wo Dareios ermordet worden war. Dort wurde Bessos gekreuzigt. Alexander ging indessen weiter nach Norden und erreichte die sogdische Hauptstadt Marakanda (heute Samarkand). Das Perserreich unterstand nun Alexander, und niemand außer ihm selbst erhob mehr Anspruch auf den Königstitel über Persien.
, römische Kopie eines Originals von etwa 330 v. Chr. Nach der Einnahme von Marakanda zog Alexander noch weiter bis zum Syrdarja und gründete dort im Mai 329 v. Chr. die Stadt Alexandria Eschatê („das entfernteste Alexandria“), das heutige Chudschand in Tadschikistan. Etwa gleichzeitig erhob sich die Bevölkerung Sogdiens gegen ihn. Anführer der Rebellion, die Alexander erhebliche Schwierigkeiten bereitete, war ein Mann namens Spitamenes, der zuvor Bessos verraten und an Alexander übergeben hatte. Die Sogdier, die Alexander zunächst begrüßt hatten, nun jedoch sahen, dass eine Fremdherrschaft durch eine andere ersetzt wurde, machten die makedonischen Besatzungen nieder. Alexander zog Truppen zusammen und marschierte von einer rebellischen Stadt zur anderen, belagerte sieben von ihnen und tötete anschließend sämtliche männlichen Einwohner, wohl um ein abschreckendes Exempel zu statuieren. In der Zwischenzeit eroberte Spitamenes Marakanda zurück, doch Alexander gewann die Stadt erneut, wobei Spitamenes allerdings entkam. Da das Heer geschwächt und stark reduziert war, musste Alexander von der Verfolgung ablassen. Im Zorn brannte er Dörfer und Felder jener Bauern nieder, die die sogdische Revolte unterstützt hatten. Für den Winter 329/328 v. Chr. zog er sich nach Baktra zurück und erwartete neue Truppen, die bald darauf aus dem Westen eintrafen und bitter benötigt wurden. Im Frühling 328 v. Chr. kehrte Alexander nach Sogdien zurück. Den Quellen zufolge gründete er am Amudarja ein weiteres Alexandria, das vielleicht mit der heutigen Siedlung Ai Khanoum identisch ist. Der Kampf gegen die sogdischen Rebellen dauerte das ganze Jahr. Erst Monate später zeigte sich, dass die Anhänger des Spitamenes ihren Befehlshaber zu verlassen begannen. Das Haupt des Rebellenführers wurde Alexander schließlich im Dezember 328 v. Chr. überbracht. Während der Sieg gefeiert wurde, kam es zu einem Streit zwischen Alexander und seinem General Kleitos. Kleitos, der altmakedonisch gesinnt war, sollte demnächst nach Baktrien aufbrechen. Grund war vermutlich sein Alter, aber Kleitos sah dies als Herabsetzung an. Es ist auch möglich, dass Kleitos bei dieser Gelegenheit die Proskynese kritisierte, ein von Alexander übernommenes persisches Hofritual der Unterwerfung unter den Herrscher. Die Streitenden waren zu diesem Zeitpunkt betrunken, und Kleitos hatte Alexanders Vater Philipp zu loben begonnen. Hierdurch fühlte sich Alexander so beleidigt, dass es zum Streit kam, in dessen Verlauf Alexander vergeblich nach seinen Waffen suchte, da sie vorsichtshalber von einem Leibwächter beiseitegelegt worden waren. Alexander, der möglicherweise Verrat befürchtete, rief in höchster Erregung auf Makedonisch nach einer Lanze, entriss einer Wache eine und tötete mit ihr Kleitos, der ihm am Granikos das Leben gerettet hatte. Als Alexander wieder bei Besinnung war, bereute er diese Tat zutiefst: Es heißt, er solle geklagt und geweint und versucht haben, sich das Leben zu nehmen. Er sah diese Tat jedenfalls als einen seiner schwersten Fehler an. Alexanders Neigung zu übermäßigem Alkoholgenuss, zumeist in allgegenwärtiger Gesellschaft, blieb eine Schwäche, bei der er häufig die Selbstkontrolle verlor. Das gemeinsame Trinken der Männer (Symposion) gehörte fest zum gesellschaftlichen Leben in der griechischen Welt. Im folgenden Jahr 327 v. Chr. eroberte Alexander noch zwei sogdische Bergfestungen. Dann war niemand mehr übrig, der ihm Widerstand hätte leisten können. Zwei Jahre hatten die Sogdier sich gegen Alexander erhoben und ihn in immer neue Scharmützel verwickelt. Nach dieser Zeit waren die meisten von ihnen tot oder versklavt. Bevor Alexander nach Baktrien zurückkehrte, ließ er 11.000 Mann Besatzung in den eroberten Gebieten Sogdiens zurück.
Zurück in Baktra gab Alexander eine Reihe von Befehlen, die seine makedonische Generalität weiter von ihm entfremdete. Da sich baktrische Reiter bei den Feldzügen in Sogdien als hilfreich erwiesen hatten, befahl Alexander seinen Generälen, 30.000 junge Perser und Baktrier zu Phalanx-Soldaten auszubilden. Auch in die Kavallerie wurden Einheimische integriert. Die Soldaten akzeptierten die Auflagen widerstrebend, denn noch immer trauten sie den Persern nicht. Alexander heiratete in Baktra die sogdische Prinzessin Roxane, Tochter eines Mannes namens Oxyartes (nicht identisch mit dem gleichnamigen Bruder des Dareios). Durch diese politische Heirat gedachte er zur Befriedung Sogdiens beizutragen. Dafür schickte Alexander seine langjährige Geliebte Barsine und den gemeinsamen unehelichen Sohn Herakles fort. Die Heirat war auch eine Beleidigung für Alexanders Verbündeten Artabazos, den Vater der Barsine, seinen Statthalter in Baktrien. Außerdem versuchte Alexander, das persische Hofritual der Proskynese einzuführen: Jeder, der vor den König treten wollte, musste sich vor ihm verbeugen und das Gesicht auf den Boden pressen. Freie Makedonen und Griechen unterzogen sich einer solchen Unterwerfungsgeste allerdings nur vor den Göttern. Es heißt, dass mehrere von Alexanders Generälen sich weigerten, sich derart vor ihm zu erniedrigen. Fortan galt sie nur noch für Perser. Alexanders Anordnungen wurden als so befremdlich empfunden, dass es diesmal zur offenen Revolte unter den griechischen Soldaten zu kommen drohte. Im Rahmen der sogenannten Pagenverschwörung ließ Alexander auch eine Reihe von einstigen Gefolgsleuten hinrichten, darunter seinen Hofbiografen Kallisthenes.
Nach der Eroberung des gesamten Perserreichs fasste Alexander den Beschluss, sein Imperium weiter nach Osten auszudehnen. Indien war für die Griechen ein halblegendäres Land, über das sie kaum etwas wussten. Das Land, das damals Indien genannt wurde, ist nicht identisch mit dem heutigen Staat Indien. Es begann dort, wo Persien endete, im Osten Afghanistans, und umfasste Pakistan und das heutige Indien. Eine definierte Ostgrenze gab es nicht, da kein Reisender jemals weit nach Indien vorgedrungen war. Die westlichsten Teile jenes Indiens hatten zu Zeiten Dareios’ I. zu Persien gehört. Indien war kein geeinter Staat, sondern bestand aus einer Vielzahl von Kleinstaaten. Für den Indienfeldzug gab es keinerlei militärische Notwendigkeit. Die Gründe werden auch heute noch in der Forschung diskutiert, ohne dass bisher eine Einigung erzielt worden wäre. Möglicherweise waren es Alexanders Kriegslust, eine Art irrationales Streben und Sehnsucht nach Erfolgen (pothos) – Arrian spricht davon, Alexander sei „Sklave seines unstillbaren Ehrgeizes“ gewesen. Auch Thesen wie die von dem Bestreben, seine Autorität durch immer neue militärische Siege zu festigen, werden angeführt. Auch seine Neugier und sein Forscherdrang, auf die es in den Quellen zahlreiche Hinweise gibt, spielten eine Rolle. Anfang des Jahres 326 v. Chr. stieß Alexander mit zwei Heeren ins Tal des Flusses Kabul vor, das damals ein Teil Indiens war. Der Vorstoß war von besonderer Grausamkeit gekennzeichnet. Immer seltener ließ Alexander gegenüber eroberten Regionen Großmut walten. Städte und Dörfer wurden zerstört und ihre Bevölkerung ermordet. Die zwei Armeen trafen einander am Indus. Alexander machte das Land zwischen Kabul und Indus zur Provinz Gandhara und ernannte seinen Gefolgsmann Nikanor zu deren Statthalter. Am anderen Ufer des Indus wurden Alexanders Truppen von Omphis empfangen, dem König von Taxila, das etwa 30 Kilometer vom heutigen Islamabad entfernt lag. Hier traf Alexanders Zug eine Gruppe nackter indischer Weiser, die die Makedonen Gymnosophisten nannten. Darunter war Kalanos, den Alexander aufforderte, ihn auf seinen weiteren Feldzügen zu begleiten. Kalanos stimmte zu und wurde Alexanders Ratgeber; offensichtlich war er bei den kommenden Verhandlungen mit indischen Führern sehr von Nutzen. Vom Hof des Omphis aus rief Alexander die anderen Staaten des Punjab auf, sich ihm zu unterwerfen und ihn als Gott anzuerkennen. Dies verweigerte Poros, der König von Pauravas, das von Taxila durch den Fluss Hydaspes (heute Jhelam) getrennt war. Im Mai überquerte Alexander während eines Platzregens den Hydaspes und besiegte eine berittene Einheit unter dem Sohn des Poros. Die Griechen und Perser zogen weiter ostwärts. Zahlenmäßig waren sie dem kleinen Heer des Poros, das sie erwartete, überlegen, doch kamen sie in dem üppig bewaldeten Land mit seinen ständigen Regenfällen schwer zurecht. Außerdem waren Berichte zu ihnen gedrungen, dass Poros eine Einheit von 85 bis 200 Kriegselefanten unterhielt. Diese kannten die Makedonen nur aus der Schlacht von Gaugamela, wo Dareios III. etwa 15 dieser Tiere eingesetzt hatte. In der Schlacht am Hydaspes wurden die Inder besiegt. In dieser Schlacht soll Alexanders Pferd Bukephalos im Hydaspes zu Tode gekommen sein, obwohl andere Quellen sagen, es sei schon vor der Schlacht an Altersschwäche eingegangen. Seinem langjährigen Reittier zu Ehren gründete Alexander die Stadt Bukephala (heute wahrscheinlich Jhelam in Pakistan). Poros wurde begnadigt und zu Alexanders Statthalter in Pauravas ernannt. Weiter im Osten am Ganges lag das Königreich Magadha, das selbst den Menschen des Punjab kaum bekannt war. Alexander wollte auch dieses Land erobern. Bei heftigem Monsunregen quälte sich die weitgehend demoralisierte Armee ostwärts und hatte einen Hochwasser führenden Fluss nach dem anderen zu überqueren. Ende Juli stand die Überquerung des Hyphasis (heute Beas) an, und von Magadha waren die Soldaten noch weit entfernt. Hier meuterten die Männer und weigerten sich weiterzugehen; ihr einziges Bestreben war die Heimkehr. Alexander war außer sich, wurde aber letztlich zur Umkehr gezwungen. Am Ufer des Hyphasis gründete er ein weiteres Alexandreia und siedelte hier viele Veteranen an, die damit wenig Hoffnung hegen durften, jemals wieder nach Griechenland zurückzukehren.
Der beschwerliche Rückweg zum Hydaspes dauerte bis zum September. In Bukephala war mit dem Bau von 800 Schiffen begonnen worden, die den Fluss abwärts zum Indischen Ozean segeln sollten. Dies waren jedoch nicht genug, um Alexanders gesamte Armee zu transportieren, so dass Fußsoldaten die Schiffe am Ufer begleiten mussten. Im November brachen sie von Bukephala auf, doch nach zehn Tagen trafen sie am Zusammenfluss des Hydaspes mit dem Acesines (heute Chanab) auf Stromschnellen, in denen mehrere Schiffe kenterten und viele Griechen ihr Leben verloren. Der weitere Weg führte durch indische Staaten, die Alexander nicht unterworfen hatte. Immer wieder wurde das Heer angegriffen, und die Perser und Griechen zerstörten Städte und Dörfer, wo sie ihnen in den Weg kamen. Im Kampf gegen die Maller wurde Alexander bei der Erstürmung einer Stadt (vielleicht Multan) durch einen Pfeil schwer verletzt. Das Geschoss drang in seine Lunge; obwohl Alexander überlebte, sollte er den Rest seines Lebens unter den Folgen dieser Verwundung leiden. Vom Krankenlager aus befahl er, dass am Zusammenfluss von Acesines und Indus ein weiteres Alexandreia (nahe dem heutigen Uch) gegründet und Roxanes Vater Oxyartes zum Statthalter der neuen Provinz ernannt werden solle. Als Nächstes griff Alexander die Staaten von Sindh an, um seiner Armee den Weg nach Süden freizukämpfen. Die Könige Musikanos, Oxykanos und Sambos wurden unterworfen. Musikanos, der später eine Rebellion anzettelte, wurde letztlich gekreuzigt. Erst als der Monsun wieder einsetzte, erreichte das Heer 325 v. Chr. die Indusmündung und den Indischen Ozean. Alexander gründete hier die Stadt Xylinepolis (heute Bahmanabad) und machte die Flotte gefechtsbereit. Während etwa ein Viertel der Armee so auf dem Seeweg die Rückkehr antreten sollte, musste der Großteil über den Landweg nach Persien zurückkehren. Im August 325 v. Chr. machte sich das Landheer unter Alexanders Führung auf den Weg. Die Flotte unter dem Befehl des Nearchos brach einen Monat später überstürzt auf, da sich die Einheimischen zu erheben begonnen hatten. Praktisch unmittelbar nach dem Abzug des Heeres fielen die gerade eroberten Kleinstaaten Indiens ab und erhoben sich gegen die in den neuen Städten zurückgebliebenen Veteranen, über deren weiteres Schicksal in den wenigsten Fällen etwas bekannt ist. Das heutige Belutschistan war damals als Gedrosien bekannt. Obwohl die Perser vor der Durchquerung der gedrosischen Wüste warnten, ging Alexander dieses Risiko ein, wahrscheinlich weil dieser Weg der kürzeste war. Die Hintergründe sind in der Forschung jedoch umstritten. Ob er wirklich die sagenhafte Königin Semiramis übertreffen wollte, ist wenigstens fraglich; wenn, dann ging es Alexander wohl darum, die Rückschläge des Indienfeldzugs durch dieses Unternehmen zu relativieren. Auch die Stärke seines Heeres zu diesem Zeitpunkt ist ungewiss, von wohl sicher übertriebenen 100.000 Mann bis zu wahrscheinlich realistischeren 30.000. Die sechzigtägigen Strapazen ließen zahllose Soldaten durch Erschöpfung, Hitzschlag oder Verdursten ums Leben kommen; dabei spielte auch der Umstand eine Rolle, dass Alexanders Führer offenbar recht unfähig waren. Im Dezember erreichten die Soldaten Pura (heute Bampur), einen der östlichsten Vorposten Persiens, und waren damit in Sicherheit.
Alexander gründete im Januar 324 v. Chr. ein weiteres Alexandreia; heute Golashkerd. Auf dem Weg westwärts stieß er in Susa auf Nearchos und seine Männer, die den Seeweg weitgehend unversehrt überstanden hatten. Neue Feiern wurden genutzt, um 10.000 persische Frauen mit Soldaten zu verheiraten – die Massenhochzeit von Susa. Alexander sah die Ehen als Notwendigkeit an, um das Zusammenwachsen von Persern und Makedonen/Griechen weiter voranzutreiben. Er selbst heiratete zwei Frauen, nämlich Stateira, eine Tochter des Dareios, und Parysatis. Er war somit nun mit drei Frauen verheiratet. Die Hochzeiten wurden nach persischem Ritual begangen. Schon Alexanders Vater hatte die Ehe mit mehreren Frauen als diplomatisches Mittel zur Stabilisierung und Ausweitung seines Machtbereiches eingesetzt. In der Forschung wurde dies als Versuch interpretiert, eine Art „Verschmelzungspolitik“ zu betreiben (Johann Gustav Droysen). Der britische Historiker Tarn sah darin gar den Versuch einer „Vereinigung der Menschheit“; viele andere moderne Historiker wie Badian oder Bosworth lehnen dies jedoch ab. Um weitere Attribute eines persischen Staates zu übernehmen, ernannte Alexander seinen langjährigen Freund Hephaistion (und nach dessen Tod Perdikkas) zum Chiliarchen (Wesir) und seinen General Ptolemaios zum Vorkoster. Beide Titel waren im Westen unbekannt. Außerdem wurden gegen mehrere Statthalter, die sich bereichert hatten oder ihren Aufgaben nicht sachgerecht nachgekommen waren, Prozesse eröffnet. Harpalos, ein Jugendfreund Alexanders und sein Schatzmeister, befürchtete aufgrund seines Verhaltens einen solchen Prozess. Er setzte sich mit 6000 Söldnern und 5000 Talenten Silber nach Griechenland ab, wurde jedoch bald darauf auf Kreta ermordet. Die Neuerungen Alexanders vergrößerten die Kluft zwischen ihm und seiner makedonischen Generalität. Da die Zahl der Soldaten iranischer Herkunft im Heer die der Makedonen zu übertreffen begann, fürchteten sie, bald gänzlich bedeutungslos zu sein. Perser durften nun auch höhere Ränge in der Armee bekleiden, was die Makedonen als unerhört ansahen. Als die Armee die Stadt Opis am Tigris erreichte, erlaubte Alexander vielen Makedonen die Rückkehr nach Hause. Was sie vorher ersehnt hatten, sahen sie nun als Affront, da dies das erste Zeichen ihrer Ersetzung durch Orientalen zu sein schien. Quellen berichten, dass manche der Soldaten Alexander wüste Beleidigungen entgegen geschrien hätten. Alexander reagierte, indem er sie ihrer Stellungen enthob und drohte, die persischen Soldaten gegen sie zu schicken. Die Soldaten entschuldigten sich, und ihnen wurde verziehen. 11.500 griechische Soldaten wurden in den Folgetagen nach Hause geschickt. Im Herbst des Jahres 324 v. Chr. ging Alexander nach Ekbatana, wo Hephaistion nach einem von vielen Trinkgelagen erkrankte und starb. Alexander, der wohl lange Jahre Hephaistions Geliebter gewesen war (zumindest bis zum Feldzug im Iran), war außer sich vor Trauer. Er ließ laut Plutarch den Arzt seines Freundes kreuzigen, die Haare von Pferden und Maultieren abrasieren und opfern, fastete mehrere Tage und richtete dann ein monumentales Begräbnis aus. Danach ließ er sämtliche Kossaier umbringen. Die Beziehung zwischen Alexander und Hephaistion wird oft mit der zwischen Achilles und Patroklos gleichgesetzt. Auch Alexander selbst nutzte diesen Vergleich, da sich das Geschlecht von Alexanders Mutter Olympias auf den Helden aus dem Trojanischen Krieg zurückführte. Alexander hatte, so wie auch sein Vater Philipp und viele andere Makedonen bzw. Griechen seiner Zeit, Liebes- und sexuelle Beziehungen sowohl zu Frauen – er hatte mehrere, deren bekannteste und wohl ernsthafteste die zu Roxane war – als auch zu Männern. Gleichgeschlechtliche Beziehungen wurden zu jener Zeit nicht geächtet, es kam aber sehr wohl auf den sozialen Status der Partner an.
Alexander ließ den persischen königlichen Schatz ausmünzen und warf damit das Vermögen der Achämeniden in das Austauschsystem des Nahen Ostens, womit ein steiler Anstieg im Volumen der Markttransaktionen im Mittelmeergebiet finanziert wurde. Dass der attische Münzfuß nunmehr – außer im ptolemäischen Ägypten – allgemein in der hellenistischen Welt galt, erleichterte den internationalen Handel und die Schifffahrt. Bei den Olympischen Spielen des Jahres 324 v. Chr. ließ Alexander das sogenannte Verbanntendekret verkünden, mit dem er den griechischen Poleis befahl, die jeweils aus politischen Gründen ins Exil getriebenen Bürger wieder aufzunehmen. Dies stellte einen massiven Eingriff in die Autonomie der Städte dar, führte zu heftigen Konflikten in den Gemeinwesen und war letztlich der Anlass dafür, dass sich Athen und mehrere andere Städte nach dem Tod des Königs im Lamischen Krieg gegen die makedonische Herrschaft erhoben. Im Februar 323 v. Chr. kehrte Alexander nach Babylon zurück. Hier bereitete er neue Feldzüge vor, die zur Einnahme der Arabischen Halbinsel führen sollten. Ob er überdies, wie Diodor berichtet, auch plante, anschließend den westlichen Mittelmeerraum mit Karthago zu erobern, ist seit langer Zeit umstritten, wird aber in der neueren Forschung zumeist angenommen, da den Makedonen im Jahre 322 v. Chr. während des Lamischen Krieges eine sehr große Flotte zur Verfügung stand, die mutmaßlich ursprünglich für das Unternehmen gegen Karthago gebaut worden war. Im Mai, kurz vor dem geplanten Aufbruch des Heeres gen Arabien, verkündete Alexander, dass sein toter Freund Hephaistion fortan als Halbgott zu verehren sei, nachdem ein Bote aus der Oase Siwa eingetroffen war, wo Alexander wegen einer Vergöttlichung Hephaistions angefragt hatte. Aus diesem Anlass veranstaltete er Feiern, bei denen er sich wieder dem unmäßigen Trunk hingab. Am nächsten Tag erkrankte er an einem Fieber, und am 10. Juni starb er schließlich. Hinsichtlich der Todesursache wurden seither mehrere Thesen diskutiert, darunter eine, nach der Alexander am West-Nil-Fieber erkrankte. Auch eine Alkoholvergiftung wird immer wieder in Erwägung gezogen. Nach einer in der Antike verbreiteten Überlieferung ist er hingegen vergiftet worden (angeblich mit dem giftigen Wasser des Styx). Wahrscheinlicher ist, dass seine körperliche Schwächung durch zahlreiche Kampfverletzungen und übermäßigen Weinkonsum zu einer Krankheit geführt hat. Da die Ärzte damals auf die reinigende Wirkung von herbeigeführtem Erbrechen und Durchfall vertrauten, war es üblich, Weißen Germer in geringen Dosen zu verabreichen. Die überlieferten Symptome Alexanders sind typisch für eine Vergiftung durch Weißen Germer. Möglicherweise verschlechterten die Ärzte seinen Zustand daher durch wiederholte Gaben des Mittels. Der Leichnam Alexanders soll zur Konservierung in Honig gelegt worden sein. Entgegen dem Wunsch des Verstorbenen, im Ammonium von Siwa begraben zu werden, wurde er in Alexandria beigesetzt. Alexanders letzte Worte auf die Frage, wem er sein Reich hinterlassen werde, sollen gelautet haben: Dem Besten. Des Weiteren äußerte Alexander eine dunkle Prophezeiung: Er glaube, dass seine Freunde große Begräbnisspiele für ihn veranstalten werden. Seinen Siegelring übergab er Perdikkas, der nach Hephaistions Tod sein engster Vertrauter gewesen war.
Alexander hatte eine Beisetzung im Ammonheiligtum der Oase Siwa gewünscht. Erst nach zweijährigen Vorbereitungen setzte sich der Leichenzug in Babylon in Bewegung. Er wurde in Syrien von Ptolemaios, dem künftigen König Ptolemaios I., in Empfang genommen und nach Ägypten geleitet. Dort wurde der Leichnam aber nicht in die Oase gebracht, sondern zunächst in Memphis bestattet. Später (wohl noch in der Regierungszeit Ptolemaios’ I., spätestens einige Jahre nach seinem Tod) wurde er nach Alexandria verlegt, nachdem dort eine prächtige Grabstätte für ihn errichtet worden war. Sie wurde unter König Ptolemaios IV. durch ein neues Mausoleum ersetzt, das dann auch als Grabstätte der Ptolemäer diente, die sich wie alle Diadochen auf Alexanders Vorbild beriefen. Hier wurde er in einem eines Königs würdigen Bezirk (Temenos) beigesetzt und durch Opfer geehrt. Zenobius berichtet im zweiten nachchristlichen Jahrhundert, dass Ptolemaios IV. ein Grabmonument errichtete, in dem Alexander, aber auch die anderen ptolemäischen Könige und Königinnen bestattet wurden. Die Leiche Alexanders soll sich in einem goldenen Sarkophag in einem Gewölbe befunden haben und die Grabstätte wurde Sema genannt, während der Teil, in dem die Ptolemäer bestattet waren, als Ptolemaeum bezeichnet wurde. Der Sarkophag mit der mumifizierten Leiche Alexanders wurde im 1. Jahrhundert v. Chr. von König Ptolemaios X. durch einen gläsernen ersetzt, der den Blick auf den einbalsamierten Leichnam freigab. Dieser Schritt Ptolemaios' X., der später irrtümlich als Grabschändung gedeutet wurde, sollte den Alexanderkult fördern. Für Caesar, Augustus, Septimius Severus und Caracalla sind Besuche am Grab bezeugt. Möglicherweise wurde es während der Stadtunruhen in der Spätantike oder bei einer Naturkatastrophe zerstört. In den Wirren der Spätantike ging die Kenntnis über den Ort der Grabstätte verloren (zumindest die Leiche soll laut Libanios noch Ende des 4. Jahrhunderts zu sehen gewesen sein). Der Kirchenvater Johannes Chrysostomos († 407) stellte in einer Predigt die rhetorische Frage nach dem Ort des Alexandergrabs, um die Vergänglichkeit des Irdischen zu illustrieren; er konnte also mit Sicherheit davon ausgehen, dass keiner seiner Hörer wusste, wo sich das berühmte Bauwerk befunden hatte. Die Erinnerung daran blieb aber noch in islamischer Zeit erhalten; im 10. Jahrhundert wurde eine angebliche Grabstätte gezeigt. Im 15. und 16. Jahrhundert berichteten europäische Reisende von einem kleinen Gebäude in Alexandria, das als Alexandergrab ausgegeben wurde. Seit dem 18. Jahrhundert sind viele Lokalisierungsversuche unternommen worden, wie zur Zeit Napoleon Bonapartes in der ʿAttārīn-Moschee in Alexandria sowie in der jüngeren Zeit im Markusdom in Venedig oder dem Kasta Grab Amphipolis im griechischen Makedonien, die bisher alle fehlgeschlagen sind.
Nach Alexanders Tod erwies sich die Loyalität zu seiner Familie, die keinen herrschaftsfähigen Nachfolger stellen konnte, als sehr begrenzt. Zwar wurde zunächst der Erbanspruch seines geistesschwachen Halbbruders und auch der seines postum geborenen Sohnes anerkannt, doch hatte diese Regelung keinen Bestand. Seine Mutter Olympias von Epirus, seine Frau Roxane, sein Sohn Alexander IV., sein illegitimer Sohn Herakles, seine Schwester Kleopatra, seine Halbschwester Kynane, deren Tochter Eurydike und sein Halbbruder Philipp III. Arrhidaios fanden einen gewaltsamen Tod. Statt der Angehörigen des bisherigen makedonischen Königsgeschlechts übernahmen Alexanders Feldherren als seine Nachfolger (Diadochen) die Macht. Da keiner von ihnen stark genug war, sich als Alleinherrscher durchzusetzen, kam es zu einer langen Reihe von Bürgerkriegen, in denen man in wechselnden Koalitionen um die Macht rang. Im Verlauf der Diadochenkriege wurde das riesige Reich in Diadochenreiche aufgeteilt. Drei dieser Reiche erwiesen sich als dauerhaft: das der Antigoniden in Makedonien (bis 148 v. Chr.), das Seleukidenreich in Vorderasien (bis 64 v. Chr.) und das der Ptolemäer in Ägypten (bis 30 v. Chr.). Alexander hinterließ zahlreiche neu gegründete Städte, von denen viele seinen Namen trugen; die bedeutendste war Alexandreia in Ägypten. Das kulturelle Vermächtnis Alexanders bestand aus der verstärkten bzw. nun erst einsetzenden Hellenisierung im Alexanderreich bzw. dessen Nachfolgereichen. Der sogenannte Hellenismus prägte die antike Welt vor allem im östlichen Mittelmeerraum und im Vorderen Orient nachhaltig über die nächsten Jahrhunderte.
Alexander wurde schon zu Lebzeiten eine mythische Gestalt, wozu sein Anspruch auf Gottessohnschaft beitrug. Die zeitgenössischen erzählenden Quellen sind nicht oder nur in Fragmenten erhalten. Dabei handelte es sich, neben den Fragmenten der angeblichen Kanzleidokumente Alexanders (Ephemeriden), größtenteils um Berichte von Teilnehmern des Alexanderzugs. Der Hofhistoriker Kallisthenes begleitete Alexander, um die Taten des Königs aufzuzeichnen und zu verherrlichen. Sein Werk „Die Taten Alexanders“ reichte vielleicht nur bis 331 v. Chr., hatte jedoch einen enormen Einfluss auf die späteren Alexanderhistoriker. Weitere Verfasser von Alexandergeschichten waren König Ptolemaios I. von Ägypten, der als Offizier und Hofbeamter in der Nähe Alexanders gelebt hatte, Aristobulos, der für Alexander Unvorteilhaftes leugnete oder abschwächte, sowie Alexanders Flottenbefehlshaber Nearchos und dessen Steuermann Onesikritos. Die stärkste Nachwirkung unter diesen frühen Alexanderhistorikern erzielte Kleitarchos, der zwar ein Zeitgenosse, aber selbst kein Feldzugsteilnehmer war, sondern in Babylon Informationen von Offizieren und Soldaten Alexanders zusammentrug und zu einer rhetorisch ausgeschmückten Darstellung verband, wobei er auch sagenhafte Elemente einbezog. Zu diesen frühen Legenden gehörte beispielsweise die falsche Behauptung, Alexander und Dareios seien einander wiederholt im Nahkampf begegnet. Im 2. Jahrhundert n. Chr. schrieb der römische Senator Arrian auf der Grundlage der älteren Quellen, unter denen er Ptolemaios und Aristobulos bevorzugte, seine Anabasis, die verlässlichste antike Alexanderquelle. Wahrscheinlich behandelte auch Strabon in seinen nicht erhaltenen Historika Hypomnemata („Historische Denkwürdigkeiten“) das Leben Alexanders; seine erhaltene Geographie enthält Informationen aus verlorenen Werken der frühen Alexanderhistoriker. Weitere Nachrichten finden sich im 17. Buch der Universalgeschichte Diodors, der sich auf Kleitarchos stützte. Plutarch verfasste eine Lebensbeschreibung Alexanders, wobei es ihm mehr auf das Verständnis des Charakters unter moralischem Gesichtspunkt als auf den historischen Ablauf ankam. Quintus Curtius Rufus schrieb eine in der Antike wenig beachtete Alexandergeschichte. Justin wählte für seine Darstellung aus seiner (verlorenen) Vorlage, der Universalgeschichte des Pompeius Trogus, vor allem Begebenheiten aus, die geeignet waren, seine Leserschaft zu unterhalten. Die Berichte von Curtius, Diodor und Pompeius Trogus hängen von einer gemeinsamen Quelle ab; das Nachrichtenmaterial, das sie übereinstimmend überliefern, stammt wohl von Kleitarchos. Diese Tradition (Vulgata) bietet teils wertvolle Informationen; Curtius wird in der französischen Forschung leicht gegenüber Arrian favorisiert. Zusätzliches Material ist bei Athenaios sowie in der Metzer Epitome und dem Itinerarium Alexandri überliefert. Nur wenige Fragmente sind von den Werken des Chares von Mytilene und des Ephippos von Olynth erhalten.
Als Quelle für den historischen Alexander von relativ geringem Wert, aber literarisch von außerordentlicher Bedeutung ist der „Alexanderroman“. Mit diesem Begriff bezeichnet man eine Vielzahl von antiken und mittelalterlichen Biografien Alexanders, welche seine sagenhaften Taten schildern und verherrlichen. Im Lauf der Jahrhunderte wurde der Stoff fortlaufend literarisch bearbeitet und ausgeschmückt. Die griechische Urfassung in drei Büchern, die den Ausgangspunkt für alle späteren Versionen und Übersetzungen in viele Sprachen bildet, ist wahrscheinlich im späten 3. Jahrhundert in Ägypten entstanden. Ihr unbekannter Autor, der wohl ein Bürger von Alexandria war, wird als Pseudo-Kallisthenes bezeichnet, weil ein Teil der handschriftlichen Überlieferung das Werk irrtümlich dem Alexanderhistoriker Kallisthenes von Olynth zuschreibt. Diesem Werk lagen ältere, nicht erhaltene romanhafte Quellen, fiktive Briefe Alexanders und kleinere Erzählungen zugrunde. Der bekannteste unter den Briefen ist ein angeblich von Alexander an Aristoteles gerichtetes Schreiben über die Wunder Indiens, das in verkürzter Fassung in den Roman eingebaut wurde und auch separat überliefert ist. Die gängige Bezeichnung „Roman“ bezieht sich auf die literarische Gattung des Antiken Romans. Im Gegensatz zum modernen Roman hielten der Verfasser und seine antike und mittelalterliche Leserschaft an dem Anspruch fest, der Inhalt sei Geschichtsschreibung und nicht literarische Erfindung. Die Idee des historischen Alexander, er sei ein Sohn des ägyptischen Gottes Ammon (Amun), verfremdet der Romanautor, indem er aus Alexander ein uneheliches Kind macht. Alexanders Vater ist im Roman der aus Ägypten nach Makedonien geflohene König und Zauberer Nektanebos, der als Ammon auftritt (gemeint ist der Pharao Nektanebos II.). Nektanebos verführt die Königin Olympias während der Abwesenheit ihres Gemahls Philipp. Später tötet Alexander, der als Sohn Philipps aufwächst, seinen leiblichen Vater; erst dann erfährt er seine wahre Abstammung. So macht der ägyptische Autor Alexander zum Ägypter. Eine weitere wesentliche Neuerung des Pseudo-Kallisthenes ist die Einführung eines nicht historischen Italienzugs Alexanders, auf dem der Makedone nach Rom kommt. Rom unterstellt sich ihm ebenso wie alle anderen Reiche des Westens kampflos. Dann unterwirft er in schweren Kämpfen die Völker des Nordens, bevor er gegen das Perserreich zieht. Hier zeigt sich das literarische Bedürfnis, den Helden auch den Westen und Norden erobern zu lassen, damit seine Weltherrschaft vollendet wird. Roxane ist im Roman eine Tochter des Perserkönigs Dareios, die dieser sterbend Alexander zur Frau gibt. Das letzte der drei Bücher, das den Indienfeldzug und den Tod des Helden behandelt, ist besonders stark von Wundern und phantastischen Elementen geprägt. Es schildert auch Alexanders angeblichen Besuch bei der Königin Kandake von Meroe, wobei der König in Verkleidung auftritt, aber enttarnt wird (eine Episode, der spätere Bearbeiter des Stoffs eine ursprünglich völlig fehlende erotische Komponente verleihen). Schließlich wird Alexander vergiftet. Im frühen 4. Jahrhundert fertigte Iulius Valerius eine freie lateinische Übersetzung des Alexanderromans an (Res gestae Alexandri Magni). Dabei nahm er Hunderte von Erweiterungen, Änderungen und Auslassungen vor. Er beseitigte Ungereimtheiten und Formulierungen, die den Makedonenkönig in ein ungünstiges Licht rücken konnten, und fügte für Alexander vorteilhafte Details ein. Sein Alexander ist eine mit allen Herrschertugenden ausgestattete Idealgestalt; er begeht zwar Fehler, lernt aber daraus. Ein weiterer Bestandteil der antiken Alexandersage sind fiktive Dialoge des Königs mit den indischen Brahmanen sowie Briefe, die angeblich zwischen ihnen ausgetauscht wurden. Dabei versuchen die Inder, die Überlegenheit östlicher Weisheit und einer einfachen, naturnahen Lebensweise gegenüber der griechischen Zivilisation und dem Machtstreben Alexanders aufzuzeigen. Auch dieses Schrifttum war sowohl griechisch als auch lateinisch verbreitet. Da es um grundsätzliche Fragen der Lebensführung und um Askese ging, war die Wirkung in christlicher Zeit beträchtlich.
Die Herrscher, die nach Alexanders Tod in den verschiedenen Teilen seines Reichs an die Macht kamen, waren nicht mit ihm blutsverwandt, und soweit in Makedonien Loyalität zur herkömmlichen Ordnung vorhanden war, galt sie dem Herrscherhaus insgesamt, wobei es nicht speziell auf die verwandtschaftliche Nähe zu Alexander ankam. Daher gab es in den Diadochenreichen wenig Anlass für einen offiziellen staatlichen Alexanderkult; dieser blieb den einzelnen Städten überlassen. Erst in hoch- und späthellenistischer Zeit wurde der politische Rückgriff auf Alexander zu einem wichtigen propagandistischen Mittel. Einen Sonderfall bildete jedoch Ägypten, dessen neue Hauptstadt Alexandria eine Gründung Alexanders und der Ort seines Grabes war. Die dort regierenden Ptolemäer förderten von Anfang an den Alexanderkult im Rahmen ihrer Propaganda. Er bildete aber zunächst keinen zentralen Bestandteil ihrer Herrschaftslegitimation und wurde erst von Ptolemaios X., der den Doppelnamen „Ptolemaios Alexandros“ führte, intensiv politisch instrumentalisiert. Ein prominenter Gegner der Römer, König Mithridates VI. von Pontos († 63 v. Chr.), fiel durch seine mit Nachdruck betriebene Alexander-Imitation auf. Er bekleidete sich mit dem Mantel Alexanders, den er von den Ptolemäern erbeutet hatte, und illustrierte so seinen Anspruch, Vorkämpfer des Griechentums und Retter der hellenistischen Monarchie vor den Römern zu sein. Später erbeutete der römische Feldherr Gnaeus Pompeius Magnus, der Mithridates besiegte, diesen Mantel und trug ihn bei seinem Triumphzug. Mit Pompeius, dessen Beiname „der Große“ an Alexander erinnerte, begann die offenkundige römische Alexander-Imitation, zunächst als Reaktion auf die Propaganda des Mithridates. Mehrere römische Feldherren und Kaiser stellten sich propagandistisch in Alexanders Nachfolge; sie verglichen sich mit ihm und versuchten, seine Erfolge im Osten zu wiederholen. Dabei steigerte sich die Verehrung Alexanders in manchen Fällen zu einer demonstrativen Nachahmung von Äußerlichkeiten. Zu den Verehrern und Nachahmern Alexanders zählten unter den Kaisern insbesondere Trajan, Caracalla und (mit Vorbehalten) Julian. Augustus trug zeitweilig auf seinem Siegelring ein Bildnis Alexanders, Caligula legte sich den aus Alexandria geholten angeblichen Panzer Alexanders an, Nero stellte für einen geplanten Kaukasusfeldzug eine neue Legion auf, die er „Phalanx Alexanders des Großen“ nannte, Trajan setzte sich einen Helm auf, den Alexander getragen haben soll. Kaiser Severus Alexander, der ursprünglich Alexianus hieß, änderte seinen Namen in Anknüpfung an den Makedonen.
Einen sehr tiefen und dauerhaften Eindruck hinterließ in Griechenland die Zerstörung Thebens. Sie wurde nicht nur von den Zeitgenossen, sondern jahrhundertelang (noch in der römischen Kaiserzeit) als unerhörte Grausamkeit empfunden, die man Alexander zur Last legte, und als historisches Musterbeispiel einer entsetzlichen Katastrophe zitiert. Besonders die antiken Redner kamen mit Vorliebe darauf zu sprechen und nutzten diese Gelegenheit, bei ihrem Publikum starke Emotionen zu wecken. Es hieß, Alexander habe wie ein wildes Tier und als Unmensch (apánthrōpos) gehandelt. Noch in byzantinischer Zeit wurde diese Deutungstradition rezipiert. Aus philosophischer Sicht wurde Alexander meist negativ beurteilt, da seine Lebensweise einen Kontrast zu den philosophischen Idealen der Mäßigung, Selbstbeherrschung und Seelenruhe bildete. Insbesondere die Stoiker kritisierten ihn heftig und warfen ihm Hochmut vor; ihre Kritik richtete sich auch gegen Aristoteles (den Gründer einer rivalisierenden Philosophenschule), der als Erzieher Alexanders versagt habe. Auch die Kyniker pflegten Alexander abschätzig zu beurteilen, wobei die Anekdote von der Begegnung des Königs mit dem berühmten kynischen Philosophen Diogenes von Sinope den Ansatzpunkt bildete. Ihr zufolge hatte Diogenes Alexander, der ihm einen Wunsch freistellte, nur gebeten: „Geh mir aus der Sonne“, und Alexander soll gesagt haben: „Wenn ich nicht Alexander wäre, wollte ich Diogenes sein.“ In der von Aristoteles gegründeten Philosophenschule der Peripatetiker war die Ablehnung Alexanders ebenfalls ausgeprägt, wenn auch nicht durchgängig. Ihr Anlass waren anscheinend ursprünglich Spannungen zwischen Aristoteles und Alexander, die noch in der römischen Kaiserzeit ein spätes Echo in einem haltlosen Gerücht fanden, wonach Aristoteles ein Gift zubereitet hatte, mit dem Alexander ermordet wurde. Das negative Alexander-Bild der Philosophen teilte auch Cicero. Er überliefert die berühmte Anekdote von dem gefangenen Seeräuber, der von Alexander wegen seiner Übeltaten zur Rede gestellt wurde, worauf der Pirat erwiderte, er handle in kleinem Maßstab aus demselben Antrieb, aus dem der König weltweit dasselbe tue. Besonders drastisch drückte Seneca die stoische Sichtweise aus. Er bezeichnete Alexander als wahnsinnigen Burschen, zum Bersten aufgeblasenes Tier, Räuber und Plage der Völker. Ähnlich äußerte sich Senecas Neffe, der Dichter Lucan. Der philosophisch orientierte Kaiser Julian, der Alexander als Feldherrn bewunderte, kritisierte ihn zugleich scharf wegen Maßlosigkeit und unphilosophischer Lebensführung. Unter den philosophisch orientierten Autoren gab es auch eine kleine Minderheit, die Alexander Lob spendete. Dazu gehörte Plutarch, der in seinen zwei Deklamationen „Über das Glück oder die Tugend Alexanders des Großen“ aus dem König einen Philosophenherrscher machte, dessen Eroberungen barbarischen Völkern Recht und Frieden brachten und die Unterworfenen so humanisierten. Bei diesen Jugendwerken Plutarchs handelte es sich allerdings um rhetorische Stilübungen, die nicht notwendigerweise seine wirkliche Auffassung spiegeln. In seiner Lebensbeschreibung Alexanders äußerte sich Plutarch weit kritischer, bemühte sich aber auch um eine Rechtfertigung Alexanders. Dion von Prusa, der den an Alexander anknüpfenden Kaiser Trajan bewunderte, würdigte die heldenhafte Gesinnung des Makedonenkönigs. Bei den Römern war ein beliebtes Thema die hypothetische Frage, wie ein militärischer Konflikt zwischen dem Römischen Reich und Alexander verlaufen wäre. Der Historiker Livius befasste sich eingehend damit und kam zum Ergebnis, dass die römischen Heerführer dem Makedonenkönig überlegen waren. Alexander habe seine Siege der militärischen Untüchtigkeit seiner Gegner verdankt. Diese Einschätzung verband Livius mit einem vernichtenden Urteil über Alexanders Charakter, der durch die Erfolge des Königs verdorben worden sei. Ähnlich urteilte Curtius Rufus, der die Siege des Makedonen mehr auf Glück als auf Tüchtigkeit zurückführte und meinte, die Herausbildung tyrannischer Züge in Alexanders Charakter sei ein Ergebnis übermäßigen Erfolgs gewesen. Der jüdische Geschichtsschreiber Flavius Josephus beschreibt Gunstbezeugungen des Makedonen für die Juden und behauptet, Alexander habe sich, als er nach Jerusalem kam, vor dem Gott, den die Juden verehrten, niedergeworfen. Dabei handelt es sich um eine jüdische Abwandlung einer griechischen Erzählung. Im 4. Jahrhundert wurden im Osten des Reichs Bronzemünzen Alexanders wie Amulette getragen. Unter den Kirchenvätern hebt sich Orosius als radikalster Kritiker Alexanders ab. In seiner auf Justin fußenden Historia adversus paganos („Geschichte gegen die Heiden“) schildert er ihn als blutdürstigen, grausamen Unmenschen und großen Zerstörer.
Die mittelalterliche Alexander-Rezeption war außerordentlich intensiv und vielfältig. Dabei stand das Sagengut im Vordergrund. Die antike Gestalt wurde mittelalterlichen Vorstellungen angepasst; beispielsweise erhält der König eine Ritterpromotion (Schwertleite). Besonders Dichter regte der Stoff im Westen ebenso wie im Orient zur Bearbeitung an; es entstanden über 80 Dichtungen in 35 Sprachen.
Die grundlegenden antiken Quellen, die im Mittelalter in West- und Mitteleuropa zur Verfügung standen, waren neben Pseudo-Kallisthenes der eifrig rezipierte Curtius Rufus, der nur als Nebenquelle dienende Justin und der viel beachtete Orosius, dessen negative Bewertung Alexanders allerdings wenig Beachtung fand. Besonders die märchenhaften Elemente des Alexanderromans machten Eindruck und regten die Phantasie der Bearbeiter zu weiteren Ausformungen an. Der Roman wurde in zahlreiche europäische Sprachen übersetzt, wobei lateinische Fassungen die Grundlage bildeten; hinzu kamen die teils stark abweichenden Versionen in orientalischen Sprachen (Armenisch, Altsyrisch, Hebräisch, Arabisch, Persisch, Türkisch, Äthiopisch, Koptisch). Eine wesentliche Rolle spielte ferner die Prophetie im biblischen Buch Daniel über den Untergang der aufeinanderfolgenden Weltreiche; in diesem Licht erschien Alexander, der nach mittelalterlicher Deutung das zweite der vier Weltreiche vernichtete und das dritte gründete, als Werkzeug Gottes. Auch dem ersten Kapitel des ersten Makkabäerbuchs war eine knappe Zusammenfassung von Alexanders Lebensgeschichte zu entnehmen; dort las man, dass er bis ans Ende der Welt gelangte und „die Welt vor ihm verstummte“. Dieser biblische Hintergrund verlieh ihm zusätzliche Bedeutung.
Im Spätmittelalter zählte man Alexander zum Kreis der Neun Helden, einem in der volkssprachlichen Literatur beliebten Heldenkatalog, der für die Zeit des Alten Testaments, die griechisch-römische Antike und die christliche Zeit jeweils die drei größten Helden benannte; für die Antike waren es Hektor, Alexander und Caesar. Noch breiter als in der Literatur wurde diese Heldenreihe in der Bildenden Kunst (Skulptur, Malerei, Textilkunst) rezipiert.
: Gent, Universiteitsbibliotheek, Ms. 92, fol. 153v Das Alexanderbild in der lateinischsprachigen Welt des Mittelalters war großenteils vom lateinischen Alexanderroman geprägt. Im Frühmittelalter ging die Hauptwirkung nicht von der ursprünglichen Fassung der von Iulius Valerius stammenden Übersetzung aus, von der nur drei vollständige Handschriften überliefert waren; weit bekannter war ein in mehr als 60 Handschriften erhaltener, spätestens im 9. Jahrhundert entstandener Auszug (Epitome) aus diesem Werk. Um 968/969 fertigte der Archipresbyter Leo von Neapel eine neue lateinische Übersetzung des Pseudo-Kallisthenes aus dem Griechischen an, die Nativitas et victoria Alexandri Magni („Geburt und Sieg Alexanders des Großen“), die mehrfach – zuletzt noch im 13. Jahrhundert – überarbeitet und erweitert wurde; die überarbeiteten Fassungen sind unter dem Titel Historia de preliis Alexandri Magni („Geschichte von den Schlachten Alexanders des Großen“) bekannt. Der Dichter Quilichinus von Spoleto schrieb 1237/1238 eine Versfassung der Historia de preliis in elegischen Distichen, die im Spätmittelalter populär wurde. Noch weit einflussreicher war aber die schon zwischen 1178 und 1182 verfasste Alexandreis Walters von Châtillon, ein Epos in zehn Büchern auf der Grundlage der Darstellung des Curtius Rufus, das zur Schullektüre wurde und im 13. Jahrhundert als Schulbuch Vergils Aeneis an Beliebtheit übertraf. Walter verzichtete fast gänzlich auf die Auswertung des im Alexanderroman vorliegenden Materials. Für ihn war Alexander der stets siegreiche Held, der sich selbst ebenso wie alle Feinde überwand und so unsterblichen Ruhm erlangte. Das Verhältnis dieser Autoren und ihres Publikums zu Alexander war vor allem von Bewunderung für außerordentliche Heldentaten und von Staunen über das Märchenhafte und Exotische geprägt. Besondere Beachtung fand Alexanders Tod; er bot Anlass zu unzähligen religiös-erbaulichen Betrachtungen, die auf die Endlichkeit und Nichtigkeit aller menschlichen Größe angesichts des Todes abzielten. Auf diesen Aspekt wiesen unter anderem viele Kleindichtungen hin, darunter insbesondere fingierte Grabschriften Alexanders. Besonders fasziniert waren mittelalterliche Leser von einer Erzählung von Alexanders Himmelsflug und Tauchexpedition, die Leo von Neapel nach dem griechischen Roman wiedergab. Dieser Sage zufolge wollte der König nicht nur auf der Erdoberfläche die äußersten Grenzen erreichen, sondern auch den Himmel und die Tiefe des Ozeans erkunden. Zu diesem Zweck ersann und baute er mit seinen Freunden ein von Greifen gezogenes Luftfahrzeug und ein von Ketten gehaltenes gläsernes Tauchfahrzeug. Der Himmelsflug wurde von mittelalterlichen Künstlern häufig abgebildet. Hans Christian Andersen hat die Geschichte noch im 19. Jahrhundert in seinem Kunstmärchen Der böse Fürst verarbeitet, ohne jedoch Alexander namentlich zu nennen. Aus dem 12. Jahrhundert stammt das Iter ad Paradisum („Paradiesfahrt“), die lateinische Version einer jüdischen Sage über Alexanders Versuch, das irdische Paradies zu finden, den in der Genesis beschriebenen Garten Eden. Neben der Heldenverehrung kamen vereinzelt auch extrem negative Deutungen der Persönlichkeit Alexanders vor. So setzten ihn im 12. Jahrhundert die prominenten Theologen Hugo von St. Viktor und Gottfried von Admont mit dem Teufel gleich. Erzählungen aus dem Alexanderroman wurden in Weltchroniken und Enzyklopädien aufgenommen, was ihre Rezeption zusätzlich erweiterte. Die lateinische Überlieferung bildete die Grundlage für die volkssprachliche Rezeption. In den volkssprachlichen Literaturen entstanden zahlreiche Prosawerke und Dichtungen über Stoffe der Alexandersage, wobei vor allem die verschiedenen lateinischen Fassungen des Pseudo-Kallisthenes, die Historia Alexandri des Curtius Rufus und die Alexandreis Walters von Châtillon verarbeitet wurden.
Alberich von Bisinzo (Albéric de Pisançon), der im frühen 12. Jahrhundert die älteste volkssprachliche Alexander-Biografie verfasste, ein nur teilweise erhaltenes Gedicht in frankoprovenzalischem Dialekt, verwarf nachdrücklich die Legende von Alexanders unehelicher Geburt und hob seine hochadlige Abstammung von väterlicher und mütterlicher Seite hervor. Er betonte auch die hervorragende Bildung des Herrschers, die – einem mittelalterlichen Bildungsideal entsprechend – neben dem Griechischen (das der Makedone wie eine Fremdsprache lernen musste) auch Latein- und Hebräischkenntnisse umfasst habe. Nach der Mitte des 12. Jahrhunderts entstanden weitere französische Gedichte, die einzelne Episoden aus Alexanders Leben (Belagerung von Tyros, Indienfeldzug, Lebensende) behandelten. Sie wurden im späten 12. Jahrhundert zur „Standardversion“ des altfranzösischen Roman d’Alexandre (auch: Roman d’Alixandre) zusammengefügt, die von allen im romanischen Sprachraum verbreiteten volkssprachlichen Bearbeitungen des Stoffs die stärkste Wirkung erzielte. Dieses Epos besteht aus über 20 000 Versen, Zwölf- und Dreizehnsilbern; vom Roman d’Alexandre erhielt dieses Versmaß später die Bezeichnung Alexandriner. Der Roman schildert Alexanders Leben durch Verknüpfung von vier Gedichten unterschiedlichen Ursprungs. Dabei kommt zum Altbestand der Alexanderlegende noch eine Reihe von frei erfundenen Personen und Begebenheiten hinzu. Der Autor stellt Alexander im Stil der Chanson de geste wie einen sehr standesbewussten, ritterlichen Lehnsherrn des Mittelalters dar. Er hebt dabei besonders die Großzügigkeit seines Helden hervor und präsentiert das Ideal eines harmonischen Verhältnisses zwischen König und Vasallen. Neben epischen Partien, besonders in den Kampfschilderungen, finden sich auch stärker romanhafte und vom Phantastischen geprägte. Mehrere Dichter fügten später Ergänzungen hinzu, insbesondere die einem Publikumsbedürfnis entsprechende Darstellung der Rache für den Giftmord an Alexander. In England schrieb Thomas von Kent im späten 12. Jahrhundert einen Alexanderroman in Alexandrinern in anglonormannischer Sprache mit dem Titel Le roman de toute chevalerie. Er akzeptierte im Gegensatz zu allen älteren romanhaften Bearbeitungen des Stoffs problemlos die Vorstellung, dass Alexander aus einem Ehebruch seiner Mutter hervorging, was für die früheren Autoren ein nicht akzeptabler Makel gewesen war. Im 15. Jahrhundert entstanden Prosafassungen des Roman d’Alexandre. Der altfranzösische Prosa-Alexanderroman fand weite Verbreitung. Einen Höhepunkt erreichte die Alexander-Bewunderung im Herzogtum Burgund am Hof Herzog Philipps des Guten († 1467) und seines Nachfolgers, Karls des Kühnen. Die bedeutendste spanische Bearbeitung des Stoffs ist El libro de Alexandre. Dieses Epos umfasst über 10 000 Verse (Alexandriner) und ist damit die umfangreichste epische Dichtung Spaniens aus dem 13. Jahrhundert. Der unbekannte Verfasser, ein vorzüglich gebildeter Geistlicher, verfolgt ein moralisches Ziel; er will dem Leser anhand der erzählten Begebenheiten die vorbildliche Tugendhaftigkeit des Helden vor Augen stellen. In Italien entstand eine Reihe von volkssprachlichen Werken über Alexanders Lebens in Prosa und in Versen, deren Grundlage meist die lateinische Historia de preliis war. Die älteste vollständig erhaltene italienische Alexanderdichtung ist die Istoria Alexandri regis von Domenico Scolari aus der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts. Scolari christianisiert seinen Helden weitgehend; Alexander ist ein frommer, geradezu heiliger Wundertäter. Als Universalmonarch beglückt er die Welt durch Recht und Frieden. Im 15. Jahrhundert erreichte das Interesse an der Alexandersage in Italien seinen Höhepunkt.
Die deutschsprachige Alexandersage und Alexanderdichtung setzte um die Mitte des 12. Jahrhunderts mit dem Alexanderlied des Pfaffen Lamprecht ein, der sich eng an Alberichs Versroman hielt. Die drei erhaltenen, später bearbeiteten Fassungen von Lamprechts Gedicht, der „Vorauer Alexander“, der „Straßburger Alexander“ und der „Basler Alexander“, setzten jedoch in der Bewertung Alexanders unterschiedliche Akzente. Im „Vorauer Alexander“ wird deutliche Kritik am König geübt. Alexander handelt zwar nach dem Willen Gottes, wird aber als hochmütig und herrschsüchtig dargestellt; die Zerstörung von Tyros wird als schweres Unrecht verurteilt, da die Tyrer als treue Untertanen des Perserkönigs nur ihre Pflicht erfüllten. Überdies erscheint er als mitleidlos, da er nicht über den Tod der vielen Gefallenen trauert. Andererseits verfügt er aber über Umsicht, die ihn seine Neigung zu jähzorniger Unbeherrschtheit überwinden lässt, womit er ein Beispiel gibt und sich von dem sehr negativ gezeichneten Dareios abhebt. Alexander wird bewusst als zwiespältige Persönlichkeit gezeichnet. Ein einfacheres Alexanderbild entwirft ein aus ritterlich-aristokratischer Sicht wertender Autor im „Straßburger Alexander“; hier wird der König als vorbildlicher Kämpfer, Feldherr und Herrscher idealisiert. Als solcher handelt er nicht eigenmächtig, sondern sucht den Rat seiner Vasallen. Er ist klug, gerecht und gütig, und seine schon in der Antike negativ bewertete Neigung zum Jähzorn wird als einigermaßen berechtigt dargestellt. Allerdings ist er nicht frei von Hochmut; zum vollkommenen Herrscher fehlt ihm die Mäßigung, die er aber in seiner letzten Lebensphase doch noch erlangt, womit er das Ideal restlos verwirklicht. Im „Basler Alexander“ dominiert ein anderes, in der mittelalterlichen Alexander-Rezeption ebenfalls zentrales Element, die Freude am Wunderbaren, Seltsamen und Exotischen. Diese Behandlung des Stoffs zielt auf das Unterhaltungsbedürfnis eines breiten, nicht mehr primär an ritterlichen Idealen orientierten spätmittelalterlichen Publikums. Im 13. Jahrhundert verfasst der Dichter Rudolf von Ems das (allerdings unfertig gebliebene) Epos Alexander. Er schildert den König als vorbildlich tugendhaften Helden und ritterlichen Fürsten, der sich durch seine moralischen Qualitäten als Herrscher legitimiert. Alexander vollzieht als Werkzeug Gottes dessen Willen. Durch ihn werden die Perser, die mit ihrem Verhalten den Zorn des Allmächtigen hervorgerufen haben, gezüchtigt. Sein Handeln ist Teil der Heilsgeschichte, er kann christlichen Herrschern als Vorbild dienen. Ulrich von Etzenbach beschreibt in seinem zwischen 1271 und 1282 entstandenen Gedicht Alexander (28.000 Verse) den König nicht nur als edlen Ritter, sondern auch als überaus frommen Mann Gottes, der seine Siege seinem gottgefälligen Verhalten und Gottvertrauen verdankt; die ihm zugeschriebenen Tugenden stammen aus der Heiligendarstellung. Ulrich missbilligt allerdings einzelne Taten wie die Ermordung Parmenions; darin unterscheidet er sich von Rudolf, bei dem Alexander makellos ist und Parmenion sein Schicksal selbst verschuldet. 1352 vollendet der nur aus seinem einzigen Werk bekannte Dichter Seifrit seine Alexanderdichtung, in der er besonders die Rolle Alexanders als Weltherrscher betont und sich bemüht, von seinem Helden den gängigen Vorwurf des Hochmuts fernzuhalten. Im 14. und im 15. Jahrhundert war der Alexanderstoff in neuen Prosabearbeitungen weit verbreitet; die eine befindet sich im Großen Seelentrost (Mitte des 14. Jahrhunderts), die andere ist Johann Hartliebs Histori von dem grossen Alexander, die nach der Mitte des 15. Jahrhunderts entstand. Beide dienten einem moralischen Zweck, doch ihre Verfasser gingen dabei auf völlig entgegengesetzte Weise bewertend vor. Im Großen Seelentrost bietet Alexander das abschreckende Lehrbeispiel eines durch und durch gierigen Menschen, den seine Neugier, Besitzgier und Machtgier letztlich ins Verderben führt, denn er versucht die dem Menschen gesetzten Grenzen zu überschreiten. Bei Hartlieb hingegen ist er ein Vorbild an Mannes- und Fürstentugend und überdies von einem wissenschaftlichen Erkenntnisstreben beseelt. Für mittelalterliche Verhältnisse auffallend ist die positive Wertung der Wissbegierde, eines auf die Natur gerichteten Forscherdrangs, der Alexander zugeschrieben wird. Im 15. Jahrhundert wurden auch Alexanderdramen geschaffen und aufgeführt, doch sind ihre Texte nicht erhalten. Während die mit literarischem Anspruch gestalteten Werke Alexander in der Regel verherrlichen oder zumindest in überwiegend positivem Licht erscheinen lassen, werden im religiös-erbaulichen und moralisch belehrenden Prosaschrifttum oft negative Züge des Makedonenkönigs betont; dort wird er als abschreckendes Beispiel für Maßlosigkeit und Grausamkeit angeführt. Sein Himmelsflug dient Geistlichen wie Berthold von Regensburg als Symbol für frevelhaften Übermut. Andererseits heben bedeutende Dichter wie Walther von der Vogelweide und Hartmann von Aue Alexanders vorbildliche milte (Freigebigkeit) hervor.
Trotz des traditionell großen Interesses am Alexanderstoff in England gab es erst im Spätmittelalter einen Alexanderroman in englischer Sprache, die mittelenglische Dichtung Kyng Alisaunder, die wohl aus dem frühen 14. Jahrhundert stammt. Sie schildert den König als Helden und hebt seine Großmut hervor, verschweigt aber auch nicht seine Maßlosigkeit und Unbesonnenheit. Eine Reihe von weiteren Schilderungen von Alexanders Leben fußte auf der Historia de preliis Alexandri Magni, die im mittelalterlichen England beliebt war.
Auch für die volkstümliche byzantinische Alexander-Rezeption bildete der Roman des Pseudo-Kallisthenes den Ausgangspunkt. Er lag zunächst in einer mittelgriechischen Prosabearbeitung aus dem 7. Jahrhundert vor. In spätbyzantinischer Zeit entstanden mehrere Neufassungen. Hier hat Alexander die Gestalt eines byzantinischen Kaisers angenommen; er ist von Gott gesandt und mit allen Ritter- und Herrschertugenden ausgestattet, wird aber nicht zum Christen gemacht, sondern dem Bereich des Alten Testaments zugeordnet. Er ist mit dem Propheten Jeremia befreundet und wird von ihm beschützt. 1388 entstand das byzantinische Alexandergedicht. Die beliebteste Szene aus der Alexandersage war in Byzanz der Himmelsflug, der in der Bildenden Kunst oft dargestellt wurde. In den süd- und ostslawischen Literaturen wurde der Alexanderstoff stark rezipiert, wobei der Weg des Überlieferungsguts vom griechischen Alexanderroman über kirchenslawische Bearbeitungen in die Volkssprachen führte. Eine altbulgarische Fassung des Romans (Aleksandria) wurde zum Ausgangspunkt der Rezeption in russischen Chroniken. In Russland war der Alexanderroman im Hochmittelalter in mehreren Versionen verbreitet. Im 14. Jahrhundert begann eine neue Version zu dominieren, die vom byzantinischen Volksroman ausging und sich durch stark ausgeprägte Merkmale des mittelalterlichen Ritterromans auszeichnete. Besonders beliebt war die serbische Fassung („serbischer Alexander“ oder „serbische Alexandreis“), die auch in Russland Verbreitung fand und Vorlage für die spätmittelalterliche georgische Prosaübersetzung war. In Russland, der Ukraine, Bulgarien und Rumänien setzte sich dieser Typus der Alexanderlegende durch.
In der mittelalterlichen arabischsprachigen Literatur war Alexander unter dem Namen „al-Iskandar“ bekannt, da der Anfang seines Namens mit dem arabischen Artikel al verwechselt wurde. Er wurde schon in der vorislamischen Dichtung erwähnt. Folgenreich war seine Identifizierung mit der koranischen Figur des Dhū l-Qarnain („der Zweihörnige“), von dem in Sure 18 erwähnt wird, dass er einen Damm gegen Gog und Magog errichtete (Verse 83–98). Diese Identifizierung wurde von den muslimischen Gelehrten mehrheitlich, aber nicht einhellig akzeptiert. Nach heutigem Forschungsstand ist die Ableitung der Figur Dhū l-Qarnains von Alexander sowie die Herkunft des Motivs aus der altsyrischen christlichen Alexanderlegende eine gesicherte Tatsache. Die im Orient verbreitete Bezeichnung Alexanders als „zweihörnig“ taucht schon in einer spätantiken Alexanderlegende in altsyrischer Sprache auf, wo Alexander ein christlicher Herrscher ist, dem Gott zwei Hörner auf dem Kopf wachsen ließ, womit er ihm die Macht verlieh, die Königreiche der Welt zu erobern. Den ursprünglichen Anlass zur Bezeichnung „der Zweihörnige“ bot die antike bildliche Darstellung Alexanders mit Widderhörnern, die auf seine Vergöttlichung deutete. Der Gott Zeus Ammon (Amun), als dessen Sohn Alexander sich betrachtete, wurde als Widder oder widderköpfig dargestellt. Im Koran wird die Geschichte des Zweihörnigen dem Propheten geoffenbart, denn er soll sie mitteilen, wenn er danach gefragt wird. Alexander erscheint darin als frommer Diener Gottes, dem die Macht auf der Erde gegeben war und „ein Weg zu allem“. Er gelangte bis zum äußersten Westen der Welt, wo die Sonne „in einer verschlammten Quelle untergeht“, und erlangte die Herrschaft über das dort lebende Volk (hier ist ein Nachhall von Pseudo-Kallisthenes zu erkennen, der Alexander nach Italien kommen und den gesamten Westen einnehmen ließ). Dann schlug der Zweihörnige den Weg zum äußersten Osten ein und gelangte an den Ort, wo die Sonne aufgeht (daher deuteten die mittelalterlichen Koranausleger die Zweihörnigkeit meist als Zeichen für die Herrschaft über Westen und Osten). Schließlich begab er sich in eine andere Richtung und kam in eine Gegend, wo Menschen lebten, die von Angriffen zweier Völker, der Yāǧūǧ und Māǧūǧ (biblisch Gog und Magog), bedroht waren und ihn um Hilfe baten. Zum Schutz der Bedrohten baute er, ohne einen Lohn zu verlangen, zwischen zwei Berghängen einen gigantischen Wall aus Eisen, den die Angreifer nicht übersteigen oder durchbrechen konnten. Dieser Schutzwall wird bis zum Ende der Welt bestehen. – Eine altsyrische Version der Sage von Alexanders Aussperrung von Gog und Magog (in den Revelationes des Pseudo-Methodius) wurde ins Griechische und ins Lateinische übersetzt und fand in Europa viel Beachtung. Auch die voranstehende Passage der 18. Sure (Verse 59–81) scheint von der Alexanderlegende beeinflusst zu sein, obwohl in der Version des Korans Mose statt Alexander der Protagonist ist. Ein dort erzähltes Wunder (Wiederbelebung eines getrockneten Fisches) stammt anscheinend aus dem Alexanderroman; es kommt auch in einer spätantiken altsyrischen Version der Legende vor. Es ist davon auszugehen, dass der Stoff des Alexanderromans zur Entstehungszeit des Korans bereits in arabischer Übersetzung verbreitet war. Die islamische Wertschätzung für Alexander, die sich aus seiner Schilderung im Koran ergab, führte dazu, dass einige Autoren ihn zu den Propheten zählten. Die mittelalterlichen arabischsprachigen Historiker behandelten die Regierung Alexanders eher knapp. Im Gegensatz zu den europäischen christlichen Chronisten gingen bedeutende muslimische Geschichtsschreiber wie Ṭabarī, Masʿūdī, Ibn al-Aṯīr und Ibn Chaldūn auf die Alexandersage nicht oder nur nebenbei ein; sie hielten sich primär an die Überlieferung über den historischen Alexander. Ṭabarī betrachtete seine Quellen kritisch; er stützte sich insbesondere auf die Darstellung des bedeutenden Gelehrten Ibn al-Kalbī († 819/821) und stellte die Vernichtung des Perserreichs als notwendig und berechtigt dar, da Dareios tyrannisch regiert habe. Die Auseinandersetzung mit dem Legendenstoff war kein Thema der Geschichtsschreiber, sondern ein Anliegen der Theologen, die sich mit der Koranauslegung befassten. Reichhaltiges Legendenmaterial über Alexander war im muslimischen Spanien (Al-Andalus) verbreitet; dort hieß es, er habe die Iberische Halbinsel als König beherrscht und in Mérida residiert. Außerdem kommt Alexander auch in der arabischen Weisheitsliteratur vor, wo er als Gelehrter und Musikliebhaber beschrieben wird. Sehr oft taucht sein Name in Spruchsammlungen auf, wobei die Sprüche teils ihm zugeschrieben werden, teils von ihm handeln.
Im Persischen wurde Alexander Iskandar, Sikandar oder Eskandar genannt. In der Spätantike war im persischen Sassanidenreich eine Legende verbreitet, wonach er der persischen Religion, dem Zoroastrismus, einen schweren Schlag versetzte, indem er religiöse Schriften vernichten ließ. Daher war Alexander bei den Anhängern dieser Religion verhasst und wurde als teuflisches Wesen betrachtet. Nach der Islamisierung wirkte sich diese Sage aber im gegenteiligen Sinne aus, denn nun machte man aus Alexander einen Vorkämpfer des Monotheismus gegen heidnische Götzendiener. Der berühmte persische Dichter Firdausi († 1020) baute eine Version der Alexanderlegende in das iranische Nationalepos Schāhnāme ein, wobei er in manchen Einzelheiten von Pseudo-Kallisthenes abwich. Für ihn war Alexander ein „römischer Kaiser“ und Christ, der unter dem Kreuzeszeichen kämpfte; offenbar dachte er dabei an die byzantinischen Kaiser. Außerdem machte er – wie schon Ṭabarī, der persischer Abstammung war – Alexander zu einem Halbbruder des Dareios, womit er ihn für das Persertum vereinnahmte; aus der Vernichtung des Perserreichs wurde ein Bruderzwist innerhalb der iranischen Herrscherfamilie. 1191 schuf der persische Dichter Nezami das Eskandar-Nāme („Alexander-Buch“). Sein Alexander ist völlig islamisiert; er ist ein monotheistischer Held, der den Zoroastrismus der Perser mit Feuer und Schwert ausrottet und dafür den Beifall des Dichters erhält. Er unterwirft nicht nur Indien, sondern auch China und gelangt im Westen bis nach Spanien. Wie schon bei Firdausī sucht Alexander auch Mekka auf und reinigt dort die Kaaba. Außerdem ist er auch Philosoph und ein großer Förderer der Wissenschaft; er befiehlt den Gelehrten, das Wissen aller Völker zusammenzutragen. Das Eskandar-Nāme wurde zum Vorbild für einige spätere Dichtungen ähnlicher Art. Die Handschriften der persischen Alexander-Bücher wurden trotz islamischer Bilderverbote ab dem 14. Jahrhundert mit Buchmalerei geschmückt. In Nordindien sorgten die Mogul-Kaiser des 16. Jahrhunderts für die Bebilderung solcher Bücher. Ein Beispiel ist das Dārāb-nāma von Abū Tāhir Tarsūsī, das in den Werkstätten Akbars illustriert wurde. Im Jahr 1390 verfasste der türkische Dichter Tāǧ ed-Dīn Ibrāhīm Aḥmedī das türkische Alexanderepos Iskendernāme, die erste türkische Bearbeitung des Alexanderstoffs. Dafür bildete Nezamis „Alexanderbuch“ die Grundlage, doch verfügte Aḥmedī auch über andere Quellen, aus denen er zusätzliches Sagenmaterial bezog. Sein Werk war im Osmanischen Reich lange berühmt und gelangte auch nach Iran und Afghanistan.
Die jüdische Alexanderrezeption war von dem Umstand geprägt, dass der Makedone schon in der Antike als Freund des jüdischen Volkes und Diener Gottes betrachtet wurde. In der mittelalterlichen hebräischen Alexanderliteratur floss Material aus unterschiedlichen Traditionen zusammen. Einerseits handelte es sich um Stoff aus dem griechischen Alexanderroman bzw. der Historia de preliis, andererseits um einzelne Sagen jüdischer Herkunft (Verhalten Alexanders in Jerusalem, seine Schutzmaßnahme gegen Gog und Magog, sein Aufenthalt im irdischen Paradies und weitere Geschichten). Die hebräische Überlieferung wurde nicht nur von der griechischen und lateinischen beeinflusst, sondern wirkte auch ihrerseits auf die westeuropäische Alexandersage ein. Weit verbreitet war in der lateinischsprachigen Welt eine von Petrus Comestor eingeführte Variante der Erzählung von Gog und Magog, wonach Alexander nicht die wilden Völker Gog und Magog, sondern die zehn jüdischen Stämme aussperrte, um sie für ihre Abwendung vom wahren Gott zu bestrafen.
Ins christliche Äthiopien gelangte der Alexanderroman auf dem Umweg über eine arabische Fassung. Der Stoff wurde für die Bedürfnisse eines geistlich orientierten Publikums stark umgestaltet. Alexander wird zu einem christlichen König, der den christlichen Glauben predigt. Er lebt keusch und ist ein Vorbild der Tugendhaftigkeit. Er stirbt wie ein Einsiedler, nachdem er sein Vermögen an die Armen verteilt hat. Durch diese besonders weitreichende Umarbeitung des Romans wird er zu einem Erbauungsbuch.
Petrarca behandelte in seinem Werk „Über berühmte Männer“ auch Alexander, wobei er sich an Curtius Rufus hielt, dessen negative Äußerungen er herausgriff; Positives verschwieg er. Die außerordentliche Bekanntheit der Legendengestalt Alexander hielt auch in der Frühen Neuzeit an. So schrieb der Chronist Johannes Aventinus († 1534), es sei „kein Herr, kein Fürst unseren Leuten, auch dem gemeinen ungelehrten Mann, so bekannt“ wie Alexander. Andererseits drangen aber in der Renaissance die Humanisten zum historischen Alexander vor und taten die Alexandersage als Märchen ab. Die Wiederentdeckung griechischer Quellen (insbesondere Arrians), die im Mittelalter unbekannt waren, ermöglichte einen neuen Zugang zur Epoche Alexanders. Schon der Portugiese Vasco da Lucena, der 1468 am Hof Karls des Kühnen von Burgund die erste französische Übersetzung der Alexanderbiografie des Curtius Rufus anfertigte, übte scharfe Kritik an der Legende, in deren Übertreibungen und Wunderglauben er eine Verdunkelung der wahren historischen Leistung Alexanders sah. 1528/29 schuf der Maler Albrecht Altdorfer sein berühmtes Gemälde Die Alexanderschlacht. Charles Le Brun malte ab den frühen sechziger Jahren des 17. Jahrhunderts eine Reihe von Szenen aus Alexanders Leben für König Ludwig XIV. Auf Dichter und Romanautoren übte die Gestalt Alexanders weiterhin eine starke Faszination aus. Ab dem 17. Jahrhundert handelt es sich allerdings großenteils um Werke, deren Handlung sich – ganz im Gegensatz zur traditionellen Alexandersage – um frei erfundene erotische Verwicklungen dreht und nur noch geringe Ähnlichkeit mit dem ursprünglichen Legendenstoff aufweist. Hans Sachs schrieb 1558 eine Tragedia von Alexandro Magno, die in sieben Akten die ganze Geschichte Alexanders darstellt. In Frankreich verfasste Jacques de la Taille 1562 die Tragödien La Mort de Daire und La Mort d’Alexandre, und Alexandre Hardy wählte dieselben Titel für zwei seiner Tragödien (La Mort d’Alexandre, 1621, und La Mort de Daire, 1626). Im weiteren Verlauf des 17. Jahrhunderts folgten zahlreiche Tragödien und Tragikomödien, darunter Racines Alexandre le Grand (Uraufführung 1665). Noch intensiver war die Rezeption in italienischer Sprache. Antonio Cesti komponierte die Oper Alessandro vincitor di se stesso (Uraufführung Venedig 1651), Francesco Lucio ein „dramma musicale“ Gl’amori di Alessandro Magno e di Rossane (Libretto von Giacinto Andrea Cicognini, 1651); zahlreiche Dramen, Melodramen, Opern und Ballette folgten. Unter den Opern waren besonders erfolgreich Alessandro Magno in Sidone von Marc’Antonio Ziani (1679, Libretto von Aurelio Aureli), die „tragicommedia per musica“ Alessandro in Sidone von Francesco Bartolomeo Conti (1721, Libretto: Apostolo Zeno) und das vielfach vertonte Libretto Alessandro nell’Indie von Pietro Metastasio (1729, Erstvertonung: Leonardo Vinci) sowie vor allem Alessandro von Händel (Uraufführung in London 1726, Libretto von Paolo Antonio Rolli). Gluck verwertete Elemente des Alexanderstoffs sowohl in seiner Oper Poro (Alessandro nell’India) (Uraufführung: Turin 1744, Libretto von Metastasio) als auch in dem Ballett Alessandro. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts schrieb in Spanien der Dichter Lope de Vega die Tragikomödie Las grandezas de Alejandro. Der englische Schriftsteller John Lyly schrieb die Komödie Campaspe (Uraufführung 1584), die auch unter dem Titel Alexander and Campaspe bekannt ist und von einem Aufenthalt Alexanders in Athen handelt. John Dryden dichtete 1692 die Ode Alexander’s Feast, welche die Basis für das Libretto des 1736 vollendeten und uraufgeführten gleichnamigen Oratoriums von Georg Friedrich Händel (HWV 75) bildete. In Griechenland wurde von 1529 bis ins frühe 20. Jahrhundert die Alexanderlegende in gedruckten Volksbüchern verbreitet, zunächst vorwiegend in Versform (Rimada, 14 Drucke von 1529 bis 1805), ab dem 18. Jahrhundert meist in Prosa (Phyllada). Von insgesamt 43 Drucken der Phyllada aus dem Zeitraum von ca. 1680 bis 1926 erschienen 20 in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.
Seit der Unabhängigkeitserklärung der früheren jugoslawischen Teilrepublik Mazedonien, der heutigen Republik Nordmazedonien, im Jahr 1991 knüpfte der neue souveräne Staat demonstrativ an die Tradition des antiken Reichs Makedonien an und betrachtete diese als einen wesentlichen Aspekt seiner nationalen Identität. Von offizieller nordmazedonischer Seite wurde behauptet, es gebe eine ethnische und kulturelle Kontinuität vom antiken Makedonien zum heutigen Nordmazedonien. Im Rahmen solcher Traditionspflege förderten mazedonische Behörden auch auf kommunaler Ebene die Verehrung Alexanders des Großen, was sich unter anderem in der Errichtung von Alexander-Denkmälern und in der Benennung von Straßen äußert. Im Dezember 2006 wurde der Flughafen der nordmazedonischen Hauptstadt Skopje nach Alexander benannt (Aerodrom Skopje „Aleksandar Veliki“); dort wurde eine große Alexander-Büste aufgestellt. 2009 wurde die Errichtung einer zwölf Meter hohen Reiterstatue auf einem zehn Meter hohen Sockel im Zentrum von Skopje beschlossen, die Alexander nachempfunden war. Im Juni 2011 wurde dieser Beschluss, der in Griechenland Irritation auslöste, umgesetzt. Von griechischer Seite wird die Behauptung einer kulturellen Kontinuität zwischen den antiken Makedonen und den heutigen Staatsbürgern der Republik Nordmazedonien nachdrücklich zurückgewiesen. Daher erscheint auch die mazedonische Alexander-Rezeption aus griechischer Sicht als Provokation, da die gesamte Alexander-Tradition ausschließlich ein Teil des griechischen kulturellen Erbes sei. Im Februar 2018 beschloss die neue nordmazedonische Regierung angesichts von Fortschritten bei den Verhandlungen mit Griechenland zum mazedonischen Namensstreit, den Flughafen von Skopje und eine Autobahn, die den Namen „Alexander von Mazedonien“ trug, wieder umzubenennen. Zusätzlich unterzeichnete Nordmazedonien im Presseabkommen, dass das Land und seine Einwohner keine Verbindung zum Hellenismus, der hellenistischen Kultur, Geschichte und Herkunft haben.
In der Moderne hat sich die Belletristik stärker als früher um Nähe zum historischen Alexander bemüht. Zu den bekannteren historischen Romanen aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gehören Alexander in Babylon von Jakob Wassermann (1905), Alexander. Roman der Utopie von Klaus Mann (1929), der Alexander als gescheiterten Utopisten darstellt, und Iskander von Paul Gurk (1944). Weitere belletristische Darstellungen von Alexanders Leben stammen von Mary Renault, Roger Peyrefitte, Gisbert Haefs und Valerio Massimo Manfredi. Arno Schmidt lässt in seiner Erzählung Alexander oder Was ist Wahrheit. (1953) den Ich-Erzähler Lampon eine Wandlung vom Verehrer zum Gegner Alexanders durchmachen. Iron Maiden widmete ihm den in der Metal-Szene sehr populär gewordenen Titel Alexander the Great, der 1986 im Album Somewhere in Time erstmals veröffentlicht wurde.
Den Ausgangspunkt der modernen wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Alexander bildete die 1833 erschienene „Geschichte Alexanders des Großen“ von Johann Gustav Droysen. Droysen betonte die aus seiner Sicht positiven kulturellen Folgen von Alexanders Politik einer „Völkervermischung“ statt einer bloßen makedonischen Herrschaft über unterworfene Barbaren. Er lobte die Wirtschaftspolitik, die Städtegründungen und die Förderung der Infrastruktur und meinte, auf religiösem Gebiet habe Alexanders Politik die Entstehung einer Weltreligion vorbereitet. Dieser Sichtweise war eine starke Nachwirkung beschieden. Im englischen Sprachraum war ihr Hauptvertreter im 20. Jahrhundert William W. Tarn, dessen 1948 erschienene Alexander-Biografie den Eroberer als Idealisten beschreibt, der eine zivilisatorische Mission erfüllen wollte. Dieser Einschätzung, deren Grundidee schon bei Plutarch auftaucht, steht eine dezidiert negative Wertung gegenüber, welche Kernpunkte der antiken Alexanderkritik aufgreift. Die Vertreter dieser Richtung (siehe bereits die negative Charakterisierung durch Karl Julius Beloch sowie später Ernst Badian und ähnlich Fritz Schachermeyr, daran anschließend Albert B. Bosworth, Ian Worthington, Wolfgang Will) unterscheiden sich hinsichtlich der Gewichtung verschiedener Einzelaspekte. Grundsätzlich aber sehen sie in dem Eroberer Alexander primär einen Zerstörer, dessen Fähigkeiten sich auf Militärisches beschränkten. Politisch sei er an seinen Fehlern gescheitert. Er habe impulsive, irrationale Entscheidungen getroffen und sich mit den Säuberungen unter seinen Vertrauten und Offizieren schließlich in die Isolation manövriert, da er niemandem mehr vertrauen konnte. Die militärischen Leistungen Alexanders, die früher einhellige Anerkennung fanden, werden von den modernen Kritikern relativiert; so charakterisiert Badian den Rückmarsch aus Indien als eine von Alexander verschuldete militärische Katastrophe. Waldemar Heckel hingegen hob Alexanders strategische Fähigkeiten hervor und wandte sich zugleich gegen ein romantisierendes Alexanderbild. Vor einer überzogenen Kritik, wodurch sozusagen das Pendel von der Heldenverehrung Alexanders in das andere Extrem umzuschlagen droht, warnte Frank L. Holt, der diesen Trend als „new orthodoxy“ bezeichnete. Eine geteilte Wirkungsbilanz des Makedoniers zieht Werner Dahlheim, der einerseits die Versuche Alexanders, eine neue Ordnung zu schaffen, angesichts der angerichteten Zerstörungen und des raschen Zerfalls der eroberten Ländermasse als gescheitert ansieht – speziell im Vergleich zur Grundlegung des römischen Kaisertums durch Augustus. Andererseits nehme Alexander infolge seiner Kriegszüge eine nahezu einzigartige Stellung ein: „Der gesamte vordere Orient und Ägypten wurden hellenisiert. Damit erhielt die griechische Kultur Weltgeltung und das Mittelmeer wuchs mit allen seinen Randgebieten für tausend Jahre zu einem einheitlichen Kulturraum zusammen.“ Neben diesen stark wertenden Darstellungen stehen Untersuchungen vor allem aus neuerer und neuester Zeit, deren Autoren von vornherein darauf verzichten, die Persönlichkeit Alexanders zu erfassen, ein Werturteil über sie abzugeben und seine verborgenen Motive zu erkunden (was aufgrund der Quellenlage sehr schwierig ist, worauf unter anderem Gerhard Wirth hingewiesen hat). Diese Forscher untersuchen vielmehr Alexanders Selbstdarstellung, deren Wandel und die sich daraus ergebenden politischen Folgen. Die europäische althistorische Forschung war lange Zeit von kolonialen und orientalistischen Vorstellungen geprägt und identifizierte sich in Übernahme der Perspektive der griechisch-römischen Quellen mit Alexander als vermeintlichem Kulturbringer im „barbarischen“ Osten. Insbesondere der französische Althistoriker Pierre Briant hat zur Kritik dieser Perspektive beigetragen. Stattdessen schlägt er vor, Alexander als „letzten Achämeniden“ zu betrachten, also als Fortsetzer der persischen Herrschaftstradition. Hiergegen hat Hans-Ulrich Wiemer betont, dass Alexander auch als vermeintlicher Achämenidenherrscher nicht zu greifen sei, zumal er in Indien und Arabien Gebiete zu erobern suchte, die nie unter achämenidischer Herrschaft standen.
* Muriel Debié: Alexandre le Grand en syriaque. Maître des lieux, des savoirs et des temps (= Bibliothèque de l’Orient chrétien. Band 7). Les Belles Lettres, Paris 2024, ISBN 9782251454900. * Johannes Hahn: Alexander in Indien 327–325 v. Chr. Antike Zeugnisse, eingeleitet, übersetzt und erläutert (= Fremde Kulturen in alten Berichten. Band 8). Thorbecke, Stuttgart 2002, ISBN 3-7995-0607-1. * Waldemar Heckel, John C. Yardley: Alexander the Great. Historical Sources in Translation. Blackwell, Oxford 2004, ISBN 0-631-22821-7(thematisch geordnete Sammlung von Quellenauszügen in englischer Übersetzung mit knappen Kommentaren und weiterführenden Hinweisen; als erster Überblick zu empfehlen)
* Edward M. Anson (Hrsg.): Brill’s Companion to the Campaigns of Philip II and Alexander the Great. Brill, Leiden/Boston 2025. * Pedro Barceló: Alexander der Große. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2007, ISBN 3-89678-610-5. * Helmut Berve: Das Alexanderreich auf prosopographischer Grundlage. 2 Bände, Beck, München 1926 (weiterhin grundlegend für Institutionen und Personen). * Albert Brian Bosworth: Alexander and the East. The Tragedy of Triumph. Clarendon Press, Oxford 1996, ISBN 0-19-814991-3 (teilweise sehr negative Bewertung Alexanders durch einen Historiker, der ihm zahlreiche Bücher und Aufsätze gewidmet hat). * Albert Brian Bosworth: Conquest and Empire. The Reign of Alexander the Great. Cambridge University Press, Cambridge 1988, 1993, ISBN 0-521-40679-X. * Albert Brian Bosworth: Alexander the Great. In: The Cambridge Ancient History. 2. Auflage, Band 6: The Fourth Century B.C. 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Antike
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Für die griechisch-römische Antike werden insgesamt sechs Epochen unterschieden, davon drei für die griechische Geschichte: * Archaik (ca. 800 bis 500 v. Chr.) * Klassik (ca. 500 bis 330 v. Chr.) und * Hellenismus (ca. 330 bis 30 v. Chr.). Als die Griechen im Verlauf des Hellenismus Teil des Imperium Romanum geworden waren, ging ihre Geschichte in der römischen auf. Diese wird ihrerseits unterteilt in: * Republik (ca. 500 bis 27 v. Chr.) * Kaiserzeit (27 v. Chr. bis 284 n. Chr.) und * Spätantike (284 bis 641 n. Chr.). In einem erweiterten Sinne umfasst die Alte Welt auch die Geschichte der altorientalischen nahöstlichen Hochkulturen Ägyptens, Syriens und Mesopotamiens (Sumer, Akkad, Babylonien, Assyrien) sowie Karthagos, des iranischen Raums (Elam, Medien, Persien), Kleinasiens (Hethiter, Luwien, Lydien, Phrygien, Kilikien) und der Levante (Phönizien, Israel, Aram-Damaskus), die etwa mit dem Beginn der Schriftlichkeit um 3500 v. Chr. einsetzte. Dieser größere Zeitraum von etwa 3500 v. Chr. bis zum Ende der Antike wird zur Unterscheidung von dem engeren, auf die griechisch-römische Welt begrenzten Antikebegriff bevorzugt als Altertum bezeichnet; oder es wird in Bezug auf den Nahen Osten bis zu dessen Eingliederung in den makedonisch-griechischen Machtbereich unter Alexander dem Großen (ca. 330 v. Chr.) vom Alten Orient gesprochen. Die auf Antike bzw. Altertum folgende Epoche der europäischen Geschichte ist das Mittelalter, das nach einem breiten, regional unterschiedlichen Übergangszeitraum einsetzt (siehe Spätantike und Frühmittelalter).
Im Sinne der klassischen Altertumswissenschaften bezeichnet der historische Begriff Antike meist die Zeit von der allmählichen Herausbildung der griechischen Staatenwelt im achten vorchristlichen Jahrhundert bis zum Tod des oströmischen Kaisers Justinian im Jahr 565 n. Chr. Seit den Arbeiten des belgischen Historikers Henri Pirenne wird immer öfter auch das Jahr 632, also der Tod Mohammeds und die darauf folgende islamische Expansion, als Datum für das Ende der Antike vorgeschlagen. Der Anfang der antiken griechisch-römischen Kultur im klassischen Sinne wird im Allgemeinen mit der Entstehungszeit der homerischen Epen und dem Beginn der griechischen Kolonisation des Mittelmeerraums im 8. Jahrhundert v. Chr. angesetzt. Die Griechen verbreiteten ihre Kultur in den folgenden Jahrhunderten im gesamten Mittelmeerraum und an den Küsten seiner Nebenmeere und seit Alexander dem Großen auch in Vorder- und Zentralasien. Die Römer brachten die antike Zivilisation bis nach Mittel- und Nordwesteuropa, wo sie sich seit dem Frühmittelalter zur christlich-abendländischen Kultur wandelte. Je nach Forschungsrichtung werden auch die minoische und mykenische Kultur von etwa 1900 bis 1100 v. Chr. sowie die so genannten „Dunklen Jahrhunderte“ 1200 bis 750 v. Chr. zur Antike gerechnet. Auch zwischen Antike, Völkerwanderung und Mittelalter lässt sich – wie bei allen Periodisierungen in der Geschichtswissenschaft – keine für alle Regionen, staatlichen und kulturellen Traditionen gültige Trennlinie ziehen. Je nach Betrachtungsweise sind unter anderem folgende Jahre als Epochengrenzen zwischen der Spätantike und dem Frühmittelalter vorgeschlagen worden: * 325: Konzil von Nikaia * 393: Letzte Olympische Spiele der Antike * 395: Teilung des römischen Reiches nach dem Tod des Theodosius * 476: Ende des weströmischen Kaisertums unter Romulus Augustulus * 498: Taufe des Frankenkönigs Chlodwig I. * 529: Gründung des ersten abendländischen Benediktinerklosters und Schließung der platonischen Akademie nach dem Tod des „letzten“ antiken Philosophen Boëthius 524 * 565: Tod Kaiser Justinians * 568: Ende der sogenannten Völkerwanderung mit dem Langobardeneinfall in Italien * 632: Beginn der islamischen Expansion * 641: Tod des Kaisers Herakleios In der neueren Forschung wird inzwischen ein später Zeitpunkt favorisiert (565 bzw. die Zeit um 600 n. Chr. oder allgemein das 7. Jahrhundert). Generell erscheint es ohnehin sinnvoll, von einem Übergangszeitraum ab ca. 500 bis in das 7. Jahrhundert n. Chr. auszugehen, anstatt feste Daten zu wählen. Der Begriff Antike wurde lange Zeit räumlich mit der griechischen, hellenistischen und später römischen Welt gleichgesetzt. In diesem Sinne wurde der griechisch-römische Kulturraum von den umgebenden Räumen so abgegrenzt, wie schon antike griechische und später römische Gelehrte sich von den Regionen der „Barbaren“ abgrenzten (siehe auch Barbaricum). Griechen wie Römer betrachteten etwa die Kelten, Germanen oder Reitervölker nicht als Teil der zivilisierten Welt. Eine Sonderrolle spielte das Perserreich (siehe Achämenidenreich, Partherreich und Sassanidenreich), das kulturell hoch entwickelt war. Über die recht enge Definition der römisch-griechischen Welt, die durch die Klassische Altertumswissenschaft geprägt wurde, geht der universalhistorische Antike-Begriff hinaus, der unter anderem von dem Historiker Eduard Meyer im 19. Jahrhundert gefordert wurde. In jüngerer Zeit wurde er unter anderem von dem deutschen Althistoriker Josef Wiesehöfer wieder aufgegriffen. Die Mehrheit der heutigen Forscher ordnet jedoch den Alten Orient und das alte Ägypten dem „Altertum“, nicht aber der „Antike“ zu.
Die Ursprünge der europäischen Antike liegen im Dunkeln. Ihre Vorgeschichte ist etwa in der Zeit von ca. 2000 bis ca. 1600 v. Chr. im Mittelhelladikum anzusiedeln. Zu Beginn dieses Zeitabschnitts – teils auch schon im letzten Abschnitt des Frühhelladikums FH III ca. 2200–2000 v. Chr. – wanderten Indogermanen, wahrscheinlich von Norden kommend, in Griechenland ein. Offenbar unter dem Einfluss der minoischen Kultur auf Kreta, der ersten Hochkultur Europas, die ihre Blüte von ca. 1900 bis 1450 v. Chr. hatte, entwickelte sich auf dem Festland aus der Kultur des Mittelhelladikums die mykenische Kultur (ca. 1600 bis 1050/00 v. Chr.). Sie hatte ihren Ausgangspunkt vermutlich in der Argolis und erscheint unvermittelt mit reichen Schachtgräbern ab ca. 1600 v. Chr. Unter anderem übernahm die mykenische Kultur von der minoischen die Schrift. Die auf Kreta (unter anderem) verwendete Linear A-Schrift des 17. bis 15. Jahrhunderts v. Chr. wurde zur Linear B-Schrift (15. bis 12. Jahrhundert v. Chr.) weiterentwickelt. Dieser begegnet man auf zahlreichen Tontäfelchen unter anderem der Paläste in Pylos, Theben, Mykene auf dem griechischen Festland und in den zu jener Zeit mittlerweile mykenisch beherrschten Zentren Kydonia und Knossos auf Kreta. Bekannt sind die prächtigen Zentren der mykenischen Kultur. Zu den bedeutenden Fundorten gehören Mykene, Pylos und Tiryns auf der Halbinsel Peloponnes, Orchomenos und Gla (letzteres kein Palastzentrum) in Boiotien sowie das stark mykenisch geprägte Milet in Westkleinasien. Die Zentren hatten Oberstädte (Akropolen), Burgen genannt, die im 13. Jahrhundert v. Chr. in einigen Fällen stark befestigt bzw. deren Befestigungen stark ausgebaut wurden (Mykene, Tiryns, Athen). Reiche Kuppelgräber, feine, teils reich bemalte Keramik, kunstvolle Gold-, Silber- und Fayence-Arbeiten zeugen vom Reichtum und von der Spezialisierung des Wirtschaftssystems, das in Teilen Griechenlands ab ca. 1400 v. Chr. von mächtigen Palastzentren, die größere Regionen beherrschten, zentral gesteuert wurde (so in Böotien, Attika, Messenien und in der Argolis; siehe auch Mykenische Palastzeit). Intensive Handelskontakte wurden mit dem Nahen Osten, Assyrien und Ägypten gepflegt. Mykenische Keramik war in weiten Teilen des Mittelmeergebiets beliebt; möglicherweise ließen sich in manchen Siedlungen Süditaliens (Roca Vecchia, Punta Meliso, Scoglio del Tonno) sogar Handwerker nieder. Etwa für den Zeitraum 1200 bis 750 v. Chr. setzt man traditionell das Dunkle Zeitalter an, aus dem vergleichsweise wenig überliefert ist. Zu Beginn dieser Phase wurden viele der Zentren des griechischen Festlands zerstört, womit die Grundlage der Palastkultur unterging. Die mykenische Kultur bestand jedoch noch etwa 150 Jahre weiter, erlebte in einigen Regionen ab Mitte des 12. Jahrhunderts sogar eine gewisse Nachblüte, bevor der Übergang in die sogenannte Protogeometrische Periode (ca. 1050/00–900 v. Chr.) erfolgte. Ungefähr zur gleichen Zeit, als sich um 1200 v. Chr. in Griechenland – und auch an anderen Regionen des östlichen Mittelmeerraums (s. auch Ende des Hethiterreichs, Seevölker) – Zerstörungen und Umwälzungen ereigneten, entstanden auf Zypern und einigen Orten Südkleinasiens (zum Beispiel Tarsus und Mersin) mykenisch geprägte Siedlungen. Westhandel, speziell mit Italien und Sardinien, wurde auch im 12. Jahrhundert v. Chr. weiterhin betrieben, teilweise noch im 11. Jahrhundert v. Chr. Der Überlieferung nach setzte ca. 1050 v. Chr. die sehr umstrittene Ionische Wanderung ein, in deren Verlauf die Einwohner des griechischen Festlandes die Inseln der Ägäis und die Westküste Kleinasiens kolonisierten. Auf dem griechischen Festland bietet sich ein diffuses Bild: Wenige Siedlungen wurden bisher entdeckt und die meisten machen einen – im Vergleich zur mykenischen Zeit – ärmlichen Eindruck. Ganz anders hingegen Lefkandi auf Euböa: dort wurden neben einer Siedlung mit einem großen Gebäude des Fürsten von Lefkandi Gräber gefunden, die sehr reich ausgestattet waren. Das Dunkle Zeitalter hellt sich in den letzten Jahrzehnten – dank vieler neuer Funde, vor allem, aber nicht nur, aus der mykenischen Spätphase des 12./11. Jahrhunderts v. Chr. – immer mehr auf. Nach Annahme der Homer-Forschung spiegeln unterschiedliche Passagen der Ilias die Verhältnisse dieser Zeit wider. Sie war offenbar auch für die Entwicklung der griechischen Gesellschaft zur Polis hin wichtig. Ab dem 8. Jahrhundert waren die Kontakte zum Vorderen Orient wieder sehr intensiv, und es entstanden Handelsstationen auf Zypern (Kition) und in Syrien (Al Mina). Vermutlich bereits im späten 9. Jahrhundert v. Chr. hat man von den Phöniziern das Alphabet vermittelt bekommen.
Mit dem so genannten archaischen Zeitalter begann im frühen 8. Jahrhundert v. Chr. die eigentliche Antike. Seit dem Jahr 776 v. Chr. ist die Siegerliste der Olympischen Spiele überliefert. Von etwa 770 bis 540 v. Chr. breiteten sich die Griechen während der Großen Kolonisation im westlichen Mittelmeer (vor allem Sizilien und Unteritalien, siehe auch Magna Graecia, und bis Marseille), an der nördlichen Ägäis und am Schwarzen Meer aus. In Kleinasien waren Griechen bereits vorher ansässig. In dieser Zeit (etwa zwischen 750 und 650 v. Chr.) wurden vermutlich auch die Homerischen Epen (Ilias und Odyssee) schriftlich fixiert, die ältesten Literaturdenkmäler des Abendlands. Die ältesten tatsächlich erhaltenen Papyrusfragmente dieser Texte stammen aus dem 3. Jahrhundert v. Chr., die ältesten Codices mit längeren Textpassagen tauchen im Mittelalter (etwa 10. Jahrhundert n. Chr.) auf, wie generell der Großteil der erhaltenen antiken Literatur vor allem in mittelalterlichen Handschriften überliefert ist. Hesiod wirkte ebenfalls etwa in der Zeit um 700 v. Chr.
Die klassische Periode war eine Zeit großer kultureller und wissenschaftlicher Entfaltung. Zugleich bildete sich das System der griechischen Stadtstaaten, der Poleis, heraus, wobei diese in der Mehrzahl nur eine sehr kleine Bevölkerung umfassten. Der werdende Militärstaat Sparta im Süden der Peloponnes unterwarf zwischen 720 und 600 v. Chr. Messenien und kontrollierte damit den gesamten südwestlichen Teil der Halbinsel. Die Stadt mit ihrer oligarchischen Verfassung kann als das erste Beispiel für die fortan herrschende Polis-Struktur gelten. Auch in vielen anderen griechischen Stadtstaaten regelten Verfassungen das Zusammenleben der Bürger, aber auch die Tyrannis, wie sie um 650 v. Chr. beispielsweise in Korinth und Megara bestand, war keine Seltenheit. In Athen bildete sich unter wechselnden Voraussetzungen schließlich ein demokratisches System heraus. Nach den Gesetzgebungen Drakons (621 v. Chr.) und Solons (594/593 v. Chr.) gelang es Peisistratos und seinen Söhnen etwa zwischen 561 und 510 v. Chr. zwar noch einmal, eine Tyrannis zu errichten. Bis 501 v. Chr. brachten die Reformen des Kleisthenes von Athen aber den Durchbruch für die Attische Demokratie.
Mit Athens Unterstützung der kleinasiatischen Griechenstädte im Ionischen Aufstand um 500 v. Chr. begann ein annähernd zweihundertjähriger Konflikt mit dem Perserreich, zunächst in Gestalt der drei Perserkriege, die der Historiker Herodot, der „Vater der Geschichtsschreibung“ (mit ihm lässt man traditionell die griechische Geschichtsschreibung beginnen, vgl. Liste der griechischsprachigen Geschichtsschreiber der Antike), in seinen Historien geschildert hat, wenngleich nicht immer zuverlässig. Als die Perser zu einer Strafexpedition in Griechenland einfielen, wurden sie 490 v. Chr. von den Athenern in der Schlacht bei Marathon besiegt. Zehn Jahre später unterlag der persische Großkönig Xerxes I. der athenischen Flotte unter Themistokles in der Schlacht von Salamis und 479 v. Chr. den vereinigten Heeren der griechischen Poleis in der Schlacht von Plataiai. Die Perser waren vorerst zurückgedrängt, die griechischen Stadtstaaten in Kleinasien aus der Abhängigkeit befreit. Nach der erfolgreichen Verteidigung und mit der Gründung des Attischen Seebunds 477 v. Chr. unter der auf die eigene Seemacht gestützte Vorherrschaft Athens setzte eine etwa 50-jährige Blütezeit der Stadt (die Pentekontaetie) ein, die bis zum Ausbruch des Peloponnesischen Krieges 431 v. Chr. (bzw. bis zum Tod des leitenden Staatsmannes Perikles im Jahr 429 v. Chr.) reichte. Die Akropolis mit dem Parthenontempel wurde damals unter der Regie des Phidias zum glanzvoll-repräsentativen Zentrum der Seemacht Athen ausgebaut. Die klassischen Tragödien von Aischylos, Sophokles und Euripides kamen – meist im Rahmen festlicher Dichterwettbewerbe – im Theater zur Aufführung. Kaufleute und Gewerbetreibende, Künstler und Gelehrte zog die Metropole an. Auf der Agora wirkte neben den Sophisten der Philosoph Sokrates auf seine Mitbürger ein, dessen Lehren Platon später zu einem Werk von herausragender philosophiegeschichtlicher Bedeutung verarbeitete. Athen mit seinen zu gleichberechtigter politischer Mitwirkung gelangten (männlichen) Vollbürgern beanspruchte nunmehr, die „Schule von Hellas“, zu sein. Seine durchaus auch aggressive äußere Machtentfaltung in und mit dem Attischen Seebund führte allerdings schon während der Pentekontaetie zu Spannungen, vor allem gegenüber der konkurrierenden griechischen Großmacht Sparta.
Die zunehmende Rivalität zwischen der Seemacht Athen und der Landmacht Sparta mündete 431 v. Chr. in den fast 30 Jahre währenden Peloponnesischen Krieg, den die zeitgenössischen Historiker Thukydides und (im Anschluss an Thukydides) Xenophon eindringlich beschrieben haben. Der sehr wechselhaft verlaufende und mit einer als beispiellos empfundenen Brutalität geführte Konflikt endete, auch aufgrund der Unterstützung Spartas durch das Perserreich, 404 v. Chr. mit der vollständigen Niederlage Athens und mit der Errichtung einer zeitweiligen spartanischen Hegemonie über Griechenland. In der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts v. Chr. führten die griechischen Städte einen fast permanenten Krieg gegeneinander und in wechselnden Koalitionen, unter fortwährender Einmischung der Perserkönige. Die Sehnsucht nach einem Allgemeinen Frieden wurde auch zu propagandistischen Zwecken eingesetzt (Königsfrieden von 386 v. Chr.). 371 v. Chr. löst Theben unter Epaminondas nach der Schlacht bei Leuktra Sparta als Hegemon ab. Doch auch Thebens Vorherrschaft bestand nur bis rund 362 v. Chr. und endete mit dem Tod Epaminondas. Insgesamt schwächte der Peloponnesische Krieg die griechischen Poleis so stark, dass Philipp II. von Makedonien dem andauernden Machtkampf ein Ende setzen konnte, indem er Griechenland gewaltsam mit seinem hervorragend geschulten Heer einigte. Der von Athenern wie Demosthenes als nicht-griechischer Barbar betrachtete König errang in der Schlacht von Chaironeia 338 v. Chr. die Hegemonie über Hellas, die im Jahr darauf im Korinthischen Bund bekräftigt wurde. Auf Sizilien behauptete sich derweil das mächtige Syrakus gegenüber der Handelsrepublik Karthago, welche mit den dortigen griechischen Poleis (Westgriechen) seit dem frühen 5. Jahrhundert v. Chr. im Konflikt lag. Auf Sizilien hielt sich zudem, im Gegensatz zum Mutterland, in vielen Städten die Tyrannis als Regierungsform (Dionysios I. von Syrakus, Agathokles von Syrakus und andere).
Nach der Ermordung Philipps 336 v. Chr. führte sein Sohn Alexander der Große ein griechisch-makedonisches Heer nach Asien und eroberte in wenigen Jahren mit dem Perserreich ein Weltreich. Der Alexanderzug bahnte der griechischen Kultur im ganzen damals bekannten Orient den Weg, von Ägypten über Mesopotamien und Persien bis zu den Grenzen Indiens und Turkestans. Nach Alexanders Tod 323 v. Chr. in Babylon teilten seine Nachfolger, die Diadochen, nach lange währenden Bürgerkriegen das Reich unter sich auf und herrschten fortan als Könige. In allen Teilreichen war die Kultur in den folgenden Jahrhunderten von einer gegenseitigen Durchdringung von griechisch-makedonischen und indigenen Elementen geprägt. Die Existenz der miteinander rivalisierenden Monarchien prägte das Zeitalter in politischer Hinsicht; den Hellenismus kennzeichnete fortan ein nahezu ständiger Kampf der drei Großmächte Ptolemäer, Seleukiden und Antigoniden um die Vorherrschaft. Dennoch wuchs die Bevölkerung im gesamten Mittelmeerraum stetig und ermöglichte so das Wachstum größerer Städte und Metropolen mit Einwohnern über 100.000 Menschen. Viele Poleis erlebten eine Blüte, zudem breiteten sich in dieser Zeit der Fernhandel (siehe Indienhandel) und die Güterproduktion für große städtische Märkte aus. Verschiedene Wissenschaften blühten nicht zuletzt dank der Förderung durch Könige auf, insbesondere in Alexandria. Seit 200 v. Chr. trat Rom als bedeutende Macht in Griechenland auf, besiegte die Antigoniden und Seleukiden ohne große Mühe und dehnte nach und nach seinen Einfluss aus. 168 v. Chr. zerschlugen die Römer das Antigonidenreich, und 146 v. Chr. unterstellte das Römische Reich die Mitglieder des unterlegenen Achaiischen Bundes faktisch dem Statthalter der neuen Provinz Macedonia; Korinth als führende Polis der Achaier wurde gebrandschatzt. Doch blieben zunächst viele Poleis wie Athen und Sparta zumindest äußerlich unabhängig und unterstanden nur indirekt den Römern. 133 v. Chr. erwarb Rom das Attalidenreich von Pergamon, das zur Provinz Asia wurde; und 64/63 v. Chr. beseitigte es die Überreste des Seleukidenreiches, die als Provinz Syria direkter römischer Herrschaft unterstellt wurden. Der letzte hellenistische König, der den Römern ernsthaften Widerstand leistete, war Mithridates VI., der aber scheiterte. Als letzter Nachfolgestaat des Alexanderreichs wurde im Jahre 30 v. Chr. auch das ptolemäische Ägypten, dessen letzte Herrscherin Kleopatra VII. war, als Provinz Aegyptus ins Römische Reich eingegliedert. Damit war die hellenistische Staatenwelt als machtpolitischer Faktor ausgelöscht, und fast alle Hellenen waren fortan Untertanen der römischen Kaiser, denn 27 v. Chr. wurde auch das eigentliche Griechenland als Provinz Achaea Teil des Imperium Romanum. Die griechische Kultur lebte jedoch im Römischen Reich sowie später im Byzantinischen Reich noch lange fort, und die griechische Sprache blieb die lingua franca im Osten des Mittelmeerraumes.
Nach den Griechen wurden die Römer zu den zweiten Trägern und Vermittlern der antiken Kultur und prägten diese für mehrere hundert Jahre. Je weiter sie als Eroberer in außeritalische Länder vordrangen, desto stärker ließen sie sich von deren Kultur inspirieren und beeinflussen. Sie adaptierten vielfach lokale Gebräuche. Literatur, Philosophie, Kunst, Architektur und Alltagskultur insbesondere der Griechen, aber auch der Länder der Levante, sowie Waffentechniken der Gallier oder Germanen und religiöse Einflüsse aus Ägypten und Syrien wurden von den Römern aufgenommen. Nicht zuletzt durch die kulturelle Ausstrahlung und Heterogenität der Stadt Rom, die sich in der römischen Kaiserzeit zur Millionenstadt entwickelte, wurden solche Einflüsse im Imperium verbreitet. Über Jahrhunderte war die römische Oberschicht zudem zweisprachig und beherrschte neben Latein auch Griechisch.
Rom, der Legende nach 753 v. Chr. gegründet, entstand neueren archäologischen Forschungen zufolge erst gegen Ende des 7. Jahrhunderts v. Chr. aus dem Zusammenschluss mehrerer dörflicher Siedlungen an einer Furt am Unterlauf des Tibers. Politisch und kulturell stand Rom lange unter etruskischem Einfluss; die Etrusker wiederum unterhielten schon früh Kontakt mit griechischen Siedlern.
Wohl um 500 v. Chr. befreiten sich die Römer vom etruskischen Stadtkönigtum (dessen Existenz allerdings nicht gesichert ist) und bildeten im Verlauf der folgenden Jahrzehnte schrittweise eine republikanische Regierungsform aus. In den Zwölftafelgesetzen, die wohl um 450 v. Chr. entstanden, wurden die ersten zivil-, straf- und prozessrechtlichen Normen des römischen Rechts festgehalten. Die ungeschriebene Verfassung, die sich graduell entwickelte, sah von da an ein Zusammenwirken der drei Institutionen Senat, Magistratur und Volksversammlung vor, die sich in ihrer Macht theoretisch gegenseitig beschränkten. Die offizielle Bezeichnung der Republik lautete S.P.Q.R. für Senatus Populusque Romanus (dt.: Senat und Volk von Rom). Machtpolitisch dominierte der Senat, der sich anfangs aus Angehörigen erbadliger Familien, den Patriziern, zusammensetzte, bevor sich im 4. Jahrhundert eine neue, meritokratisch legitimierte Führungsschicht entwickelte, die Nobilität. Aus ihr gingen auch die meisten Konsuln hervor, die beiden auf ein Jahr gewählten obersten Magistrate der Republik. Das wichtigste nur den Plebejern zugängliche Amt war das des Volkstribunen, der ein Vetorecht gegen Senatsbeschlüsse besaß. Seit 287 v. Chr. besaßen die Beschlüsse der von den Tribunen geleiteten plebejischen Volksversammlung Gesetzeskraft. , 1. Jahrhundert, Antikensammlung Berlin) Mit der Legion entwickelten die Römer eine effektive Streitmacht. Bis zum Jahr 272 v. Chr. unterwarfen sie ganz Italien südlich der Poebene. Mit den Punischen Kriegen gegen die Seemacht Karthago im 3. und 2. Jahrhundert v. Chr., wobei die Kämpfe wechselhaft verliefen, begann der Aufstieg Roms zur antiken Weltmacht, die für die folgenden Jahrhunderte die gesamte Mittelmeerwelt beherrschen sollte. Nach 200 v. Chr. nahm Rom zunehmend Einfluss auf die Politik der hellenistischen Großmächte und wurde zur Protektoratsmacht im östlichen Mittelmeerraum. 148 v. Chr. wurde das Makedonien der Antigoniden, 63 v. Chr. das Reich der Seleukiden, und schließlich 30 v. Chr. das Ägypten der Ptolemäer römische Provinz. Die Römische Republik ermöglichte durch die Herstellung von innerem Frieden und der Integration der eroberten Gebiete ein weiteres, kontinuierliches Bevölkerungswachstum, auch durch die ständige Neugründung von Kolonien in eroberten Ländern. Durch die Ansiedlung von Veteranen aus den Legionen vorheriger Kriege konnte die Republik zudem einen verlässlichen Einfluss in diesen Ländern gewinnen und gleichzeitig mit einem stetigen Bevölkerungszuwachs neue Gebiete kultivieren. Handel und Verkehr konnten dank der Römerstraßen zunehmen, welche zunächst häufig aus militärischen Gründen angelegt wurden und die wachsenden Reichsstädte und Kolonien miteinander verbanden. Entlang der Straßen entwickelten sich Streckenposten und Marktflecken zu Städten. Mit diesen infrastrukturellen Neuerungen ging im Reich ein Wachstum der wirtschaftlichen Produktion und somit auch der verfügbaren Steuermittel einher. Lange Zeit war die Autorität der im Senat versammelten politischen Elite unangefochten; dem Volk kam vor allem die Rolle zu, durch die Verleihung von Ämtern und Würden die Hierarchie innerhalb der Nobilität zu bestimmen. Mit dem Wachstum der Republik an Größe, Macht und Wohlstand kam es jedoch im Inneren zu einer Reihe von Krisen, da die Ungleichheit innerhalb der Oberschicht wuchs. Die Nobilität begann an Integrationskraft zu verlieren, während die Rivalität innerhalb der Führungsschicht eskalierte und zunehmend vor dem Volk ausgetragen wurde. Den Optimaten, die an der Vorherrschaft des Senats festhielten, standen die Popularen gegenüber, die ebenfalls zur Oberschicht gehörten und versuchten, sich mit Hilfe der Volksversammlung gegen ihre Rivalen durchzusetzen. Seit der Gracchenzeit zog Gewalt in die Innenpolitik ein, und 88 v. Chr. kam es erstmals zum Bürgerkrieg. In der Epoche der Bürgerkriege erreichte diese Krise der Römischen Republik ihren Höhepunkt, und es zeichnete sich ab, dass die Republik als Staatsform die Erfolge nicht mehr meistern konnte, die sie gezeitigt hatte: So wurde der Prinzipat möglich, also die Umwandlung der Republik in eine faktische Alleinherrschaft mit republikanischer Fassade. Bereits der populare Politiker Gaius Iulius Caesar hatte als Diktator auf Lebenszeit (dictator perpetuus) eine quasi-monarchische Stellung erlangt. Als erster römischer Kaiser gilt jedoch sein Großneffe und Erbe Augustus, dem es nach dem Tod Caesars 44 v. Chr. und den darauffolgenden blutigen Machtkämpfe gelang, mit dem Prinzipat eine dauerhaft monokratische Staatsordnung an die Stelle der zerstörten Republik zu setzen, wobei jedoch die faktisch entmachteten Staatsorgane der Republik, zum Beispiel der Senat, noch sehr lange fortbestanden.
, heute in den Musei di Antichità Classiche der Vatikanischen Museen Das von Augustus errichtete Kaisertum (Prinzipat) wurde von ihm und seinem Nachfolger Tiberius für rund 60 Jahre recht sicher geführt. Augustus bewahrte noch bewusst eine republikanische Fassade, während mit der weitgehend reibungslosen Machtübernahme des Tiberius das Kaisertum zur Normalität wurde. Unter Caligula, Claudius und Nero traten jedoch zeitweilig Zerfallserscheinungen auf. Nach dem Krisenjahr 68/69 (Vierkaiserjahr) traten die Flavier (Vespasian, Titus, Domitian) die Regierung an, die sowohl außen- als auch innenpolitisch insgesamt recht erfolgreich herrschten. Nach der Ermordung Domitians, der 96 einer Verschwörung zum Opfer fiel, folgte eine weitere kurze Krise des Herrschaftssystems, die jedoch unter den Adoptivkaisern weitgehend behoben werden konnte. Das Imperium – in dem die Städte weiterhin kulturell, wirtschaftlich und hinsichtlich der Verwaltung eine ganz zentrale Rolle spielten – erlebte seine größte Blüte und Ausdehnung dann auch unter diesen „Adoptivkaisern“ (das Kaisertum war auch weiterhin formal nicht erblich) in der ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts: Einer Expansion unter Trajan (vor allem im Balkanraum und im Osten gegen das Partherreich im Rahmen der Partherkriege) folgte eine Rücknahme und Sicherung der Grenzen unter Hadrian. Bald nach der Mitte des 2. Jahrhunderts n. Chr. wuchs jedoch der Druck auf die ausgedehnten Reichsgrenzen. Im Norden und Nordosten bedrängten die Germanen, im Osten die Parther (die sich trotz mancher Niederlage behaupten konnten) das Reich. Mark Aurel, der „Philosophenkaiser“ im Geiste der Stoa, sah sich bald nach Übernahme der Herrschaft nahezu ständig zur kriegerischen Verteidigung der Reichsgrenzen genötigt. Mit seinem Tod endete 180 n. Chr. ein als Blütezeit betrachtetes Zeitalter des Imperiums. Nach dem schwachen Commodus, der 192 ermordet wurde, stabilisierten die Kaiser aus dem Hause der Severer, hervorzuheben ist besonders Septimius Severus, die Grenzen wenigstens teilweise. Kaiser Caracalla gewährte 212 mit der Constitutio Antoniniana allen freien Reichsbürgern das Bürgerrecht. Nach der Ermordung des Severus Alexander 235 kam es jedoch unter den Soldatenkaisern zur Reichskrise des 3. Jahrhunderts, die aber erst um 260 ihren Höhepunkt erreichte. Dieser Zeitraum war geprägt von raschen Regierungswechseln, zeitweiligen und regional unterschiedlichen ökonomischen Problemen, zentrifugalen Tendenzen im Inneren (zeitweilige Abspaltung des Gallischen Sonderreichs; Verlust mehrerer Provinzen an Palmyra) und dem stetig wachsenden Druck auf die Grenzen. Neben den verschiedenen Germanenstämmen (wie den Alamannen und Goten) übte nun vor allem das Sassanidenreich im Osten einen enormen Druck aus: Nach dem Sturz des letzten Partherkönigs im Jahr 224 (bzw. 226), erneuerten die Sassaniden das Perserreich und erwiesen sich in der Regel als den Römern gleichwertige Gegner, wenngleich auch sie mit einer gefährdeten Grenze konfrontiert waren (im spätantiken Zentralasien, siehe Iranische Hunnen). Die Zeit der Soldatenkaiser wird allerdings in der neueren Forschung keineswegs mehr als eine reine Krisenzeit begriffen, sondern vielmehr als eine (wenngleich teils von Krisensymptomen begleiteten) Transformationsphase.
Mit der Einführung der Tetrarchie (293) und zahlreichen inneren Reformen gelang es Kaiser Diokletian (Kaiser seit 284) gegen Ende des 3. Jahrhunderts, das Reich wieder zu stabilisieren. Diese Zeit der beginnenden Spätantike ist gekennzeichnet von Umbrüchen, die zum Teil eine Abkehr von bis dahin wesentlichen Bestandteilen der antiken Kultur darstellten. Dazu gehört vor allem die von Kaiser Konstantin dem Großen initiierte Privilegierung des Christentums, das unter Diokletian noch verfolgt worden war. Konstantin stabilisierte das Reich durch mehrere Reformen, die vielfach an Diokletians Maßnahmen anknüpften, und die Sicherung der Grenzen; obwohl die diokletianische Tetrarchie aufgegeben wurde, blieb fortan ein Mehrkaisertum die Regel. Ein letzter Versuch, die alten Kulte durch die Verbindung mit neuplatonischem Gedankengut wieder zu beleben, scheiterte mit dem Tod Kaiser Julians im Jahr 363; alle nachfolgenden Kaiser waren Christen. Teilweise stießen auch bestimmte Formen der Philosophie auf Ablehnung, wenngleich das Christentum nun selbst stark von der griechischen Philosophie geprägt wurde und zwischen 300 und 600 eine massive Transformation durchlief, bspw. mit dem Ersten Konzil von Nicäa. Die Platonische Akademie in Athen, oft als „Hort des Heidentums“ bezeichnet, wurde 529 geschlossen, während die bereits christianisierte Schule von Alexandria noch bis zum Beginn des 7. Jahrhunderts bestehen blieb. Kaiser Valentinian I. festigte den Westen des Reiches, doch kam es 378 unter seinem Bruder Valens zur Niederlage von Adrianopel und zu einer neuen Krise. In diesem Zusammenhang gehört das Auftauchen der Hunnen (nur eines von zahlreichen Reitervölkern aus der eurasischen Steppenzone, die teils eine wichtige Rolle spielten) und der Beginn der sogenannten Völkerwanderung, deren Bewertung in der Forschung sehr umstritten ist. Kaiser Theodosius I. wiederum konnte den Osten des Reiches stabilisieren und war zugleich der letzte Kaiser, der de facto über das gesamte Imperium Romanum herrschte. Er erklärte das katholische Christentum schließlich 392 zur Staatsreligion und verbot alle heidnischen Kulte wie die Olympischen Spiele. Allerdings lassen sich noch bis mindestens in das 6. Jahrhundert hinein bedeutende heidnische Minderheiten auf dem Boden des Imperiums nachweisen, da die antipaganen Gesetze der Kaiser lange Zeit nicht konsequent durchgesetzt wurden. Nach der faktisch endgültigen Teilung des Reiches unter den beiden Söhnen des Theodosius 395 erwies sich letztlich nur das von Konstantinopel, dem früheren Byzantion, aus regierte Oströmische Reich auf die Dauer eines weiteren Jahrtausends als lebensfähig. Es bewahrte viele antike Traditionen; unter anderem blieb das Lateinische in dem überwiegend griechischsprachigen Reich noch bis ins frühe 7. Jahrhundert Amtssprache. Das Weströmische Reich, in dem die Heermeister zur eigentlichen Macht hinter dem Thron wurden, hingegen zerbrach aufgrund endloser Bürgerkriege, gepaart mit äußerem Druck. Kriegerverbände traten an die Stelle der kollabierenden Reichsregierung und ergriffen, zunächst als foederati, seit dem 5. Jahrhundert direkt Besitz von weströmischen Provinzen. Ihre Anführer traten hier oft als reges an die Stelle der römischen Autoritäten. Rom selbst wurde 410 von den Westgoten und 455 von den Vandalen geplündert, von der Millionenstadt der hohen Kaiserzeit schrumpfte sie auf schätzungsweise 200.000 Einwohner am Ende des 5. Jahrhunderts. Die Spätantike sah auch das langsame Verschwinden der klassisch-antiken Stadt (polis bzw. civitas). In der Forschung ist umstritten, ob es sich hierbei um einen Niedergang oder eher um einen Wandel handelt – diese Frage stellt sich für viele andere Aspekte der Epoche (zum Beispiel im wirtschaftlichen Bereich, wobei viele Provinzen weiterhin aufblühten). Im Westen (das Ostreich war davon nicht betroffen und durchlief erst im 7. Jahrhundert eine Krisenzeit, siehe unten) lösten sich im 5. Jahrhundert zunehmend die antiken politischen Strukturen auf, während das reguläre Heer (zumindest nach Ansicht der älteren Forschung) immer stärker „barbarisiert“ wurde und die Bedeutung der nichtrömischen foederati besonders im Westen immer mehr zunahm. Die geringer werdenden Steuereinnahmen durch den Verlust von Provinzen und Steuermitteln führten dazu, dass die Regierung in Ravenna immer hilfloser wurde; die kaiserliche Autorität schwand dahin, während die eigentliche Macht nun meist bei hohen Militärs wie Aetius oder Ricimer lag, die gegeneinander oft blutige Bürgerkriege führten und das Westreich so weiter schwächten. 476 setzte Odoaker, der Kommandeur der föderierten Truppen in Italien, dann den letzten Westkaiser Romulus Augustulus ab, da dieser überflüssig geworden sei, und unterstellte sich der nominellen Oberherrschaft des oströmischen Kaisers. Die Geschichtswissenschaft sah in diesem von den Zeitgenossen nur wenig beachteten Akt früher oft das Ende der Antike. Heute wird dagegen auch das 6. Jahrhundert noch zur Antike gezählt, da vor allem im Osten römisch-antike Strukturen fortbestanden und dem oströmischen Kaiser Justinian (527–565) für kurze Zeit noch einmal eine Rückeroberung großer Teile des Westreiches gelang. Dass diese letztlich dennoch scheiterte, hatte auch mit dem Druck zu tun, den das Sassanidenreich seit 540 erneut auf die Ostgrenze des Reiches ausübte (siehe auch Römisch-Persische Kriege und Herakleios). Im Oströmischen Reich lebten antike Kultur und Geisteswelt zwar noch bis weit ins Mittelalter fort. Die 632 einsetzende islamische Expansion führte allerdings auch hier zu erheblichen Veränderungen in Verwaltung und Gesellschaft und gilt als der entscheidende Einschnitt, der das Ostrom der Spätantike vom Byzantinischen Reich des Mittelalters trennt.
Antike Traditionen hatten starke und prägende Auswirkungen auf den weiteren Verlauf der Weltgeschichte, insbesondere auf die Entwicklung der westlichen Welt, die in der Antike ihre Wurzeln hat. Neuzeitliche Aufklärer, Philosophen, Staatstheoretiker, Wissenschaftler, Künstler und andere knüpften immer wieder an die Ionische Naturphilosophie, die attische Demokratie, das römische Recht, den religiösen Pluralismus, das antike Schönheitsideal und andere Hinterlassenschaften der Antike an. Antike Traditionen gerieten auch im Mittelalter nie völlig in Vergessenheit. In den Klöstern des Abendlandes wurden antike Schriften in größerer Zahl bewahrt. Auch die Romidee blieb im Heiligen Römischen Reich lebendig. Im 8. Jahrhundert kam es zur ersten sogenannten Karolingischen Renaissance. Auch byzantinische und arabische Gelehrte stützten sich auf antikes Wissen und gaben es indirekt an das mittelalterliche Europa weiter. Als man im Italien des 15. Jahrhunderts die – meist römischen – Überreste der Antike neu zu schätzen lernte und in der Kunst nachahmte, bezeichnete man dies als Renaissance. Die Wiedergeburt der Antike und des antiken Geistes setzte der jahrhundertelangen Dominanz religiösen Denkens in Europa ein Ende und mündete schließlich in das Zeitalter der europäischen Aufklärung und in die Moderne. Die meisten Schriftsteller und Philosophen der Aufklärungszeit beriefen sich auf die Antike und vereinnahmten diese für ihre Ideen. Ohne griechische Wissenschaft und Philosophie, ohne die damals entstandenen politischen Ideen, ohne das römische Recht, ohne Architektur und Kunst der Griechen und Römer wäre die westliche Kultur der Neuzeit undenkbar. So trat infolge der Arbeiten von Johann Joachim Winckelmann seit dem 18. Jahrhundert die „klassische“ griechische Kunst – oder vielmehr das, was man idealisierend für diese hielt – zunehmend ins Zentrum des Interesses. Im 19. Jahrhundert sprach man im Zusammenhang mit den Arbeiten von Architekten und Künstlern wie Karl Friedrich Schinkel, Leo von Klenze und Bertel Thorvaldsen von einer Renaissance der griechischen Antike und vom Neuhumanismus. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg verlor die griechisch-römische Zivilisation zunehmend die Vorbildfunktion, die man ihr in Europa und Nordamerika jahrhundertelang zugesprochen hatte. Ein entscheidender Einschnitt war hier das Verschwinden des griechischen und stark auch des lateinischen Unterrichtsfaches von den Sekundarschulen. Ein weiterer Aspekt war, dass in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts Elemente der antiken Tradition von Anhängern totalitärer Ideologien willkürlich aufgegriffen und so zweckentfremdet wurden. Der Führerkult des faschistischen Regimes in Italien griff direkt auf das antike Rom zurück und knüpfte (nach dem Verständnis des Regimes) an den Caesarenkult an, wobei bereits der Terminus fascismo vom lateinischen Begriff fasces abgeleitet ist. Benito Mussolini wurde als Nachfolger des Augustus in eine Reihe mit den römischen Caesaren gestellt, und es wurde eine „Wiedererrichtung“ des antiken Römischen Reiches angestrebt. Auch das NS-Regime in Deutschland orientierte sich teils an antiken Vorbildern, so etwa im Zusammenhang mit der ideologisch begründeten Lobpreisung Spartas. Der Bedeutungsverlust nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges hat für die Altertumswissenschaften allerdings immerhin den Vorteil, dass nun ein unverstellterer, neutraler Blick auf die Antike leichter möglich ist. Die erhaltene Zeugnisse der Antike sind – neben überlieferten Texten philosophischer, literarischer oder historischer Natur – zahlreiche Objekte der griechischen und römischen Kunst: von großen Skulpturen bis zur Kleinkunst, Töpferei, Münzen etc. Wichtige Antikensammlungen befinden sich in Rom, Athen, Neapel, Paris, London, München, Sankt Petersburg, Wien und Berlin. Für die Kenntnis des antiken Alltags sind vor allem archäologische Ausgrabungen wie die in Pompeji, Olympia, Delphi oder Pergamon von Bedeutung.
Der Großteil der antiken Literatur (und damit auch der Geschichtsschreibung) ist nicht erhalten, sodass unser Wissen über die Antike durch die Überlieferungslage beeinflusst wird (siehe auch antike Geschichtsschreibung und hinsichtlich der griechischen Geschichtsschreibung die Liste der griechischsprachigen Geschichtsschreiber der Antike). Es wurde geschätzt, dass uns kaum 10 % der griechischen Literatur überliefert sind. Andere Forscher sind noch weit pessimistischer und gehen eher von einer Verlustrate um 99 % aus. In Teilen sieht es besonders trostlos aus (Archaik, Hellenismus), in anderen Bereichen etwas besser (klassische Zeit Griechenlands sowie Spätantike). Insgesamt ist die Quellenlage jedoch problematisch; man muss in allen Bereichen davon ausgehen, dass vieles spurlos verloren ist und sich auch viele Ereignisse und Zusammenhänge unserer Kenntnis entziehen. Neben den erzählenden Quellen sowie beispielsweise erhaltenen Gesetzestexte, Reden, Briefen, philosophischen Texten, anderen Prosawerken und Gedichten müssen daher natürlich auch Inschriften, Papyri sowie (oft von besonderer Bedeutung) archäologische und numismatische Quellen herangezogen werden. Eine Zusammenfassung mit ausführlichen Angaben bieten die jeweiligen Artikel (Geschichtsschreibung und Ähnliches) in den entsprechenden Lexika (siehe unten). Im Folgenden seien einige der wichtigsten antiken Geschichtsschreiber und ihre (oft nur teilweise) erhaltenen Texte genannt: * Herodot: Historien. * Thukydides: Der Peloponnesische Krieg. * Xenophon: Hellenika; Der Zug der Zehntausend (Anabasis) * Polybios: Historien. * Diodor: Bibliothek. * Sallust: Die Verschwörung des Catilina; Der Krieg gegen Jugurtha. * Caesar: Der Gallische Krieg; Der Bürgerkrieg. * Livius: Römische Geschichte. * Flavius Josephus: Der jüdische Krieg. * Tacitus: Annalen; Historien; Germania. * Arrian: Alexanders des Großen Zug durch Asien. * Sueton: Leben der Caesaren. * Cassius Dio: Römische Geschichte. * Ammianus Marcellinus: Res Gestae. * Anonymus: Historia Augusta. * Zosimos: Neue Geschichte. * Prokop: Kriege, Bauten und Geheimgeschichte. Siehe auch die online verfügbaren Quellensammlungen wie LacusCurtius oder das Perseus Project.
* Persische Architektur * Geschichte der Geschichtsschreibung * Rhetorik der Antike * Bücherverluste in der Spätantike * Lateinische Literatur * Liste antiker Stätten * Liste antiker Ortsnamen und geographischer Bezeichnungen * Liste der Abkürzungen antiker Autoren und Werktitel
Quellenausgaben mit Übersetzungen bieten neben anderen Reihen die Sammlung Tusculum und die Loeb Classical Library. Eine äußerst wichtige Sammlung der erhaltenen Reste ansonsten verlorener griechischer Geschichtsschreiber stellt der Jacoby dar: * Felix Jacoby: Die Fragmente der griechischen Historiker (FGrHist). Weidmann, Berlin 1923 ff. (Nachdr. Brill, Leiden 1995ff., ISBN 90-04-01108-0; CD-ROM, ISBN 90-04-14137-5) . * Siehe nun vor allem auch die Neubearbeitung (mit englischer Übersetzung und neuem Kommentar): Brill’s New Jacoby * Die Fragmente römischer Historiker sind gesammelt in Die frühen römischen Historiker und in (allerdings nur bis zur Mitte des 3. Jahrhunderts n. Chr.) The Fragments of the Roman Historians. * Für die Spätantike sind unter anderem die Sammlungen Kleine und fragmentarische Historiker der Spätantike und Translated Texts for Historians von Bedeutung.
Allgemein: Aufgrund der Masse an Fachpublikationen kann an dieser Stelle nur eine sehr beschränkte Auswahl genannt werden. Das zentrale bibliographische Nachschlagewerk der Altertumswissenschaft stellt immer noch die L’Année philologique dar (L’Année Philologique. Bibliographie critique et analytique de l’Antiquité greco-latine, hrsg. von J. Marouzeau und J. Ernst, Paris 1923ff.). Kostenlos nutzbar ist zudem die umfangreiche ] und Oldenbourg Grundriss der Geschichte hingewiesen) zu entnehmen oder den Bibliographien, die in der ausführlichen aufgeführt sind. Es sei außerdem auf die hier verlinkten Artikel verwiesen, wo sich zahlreiche weiterführende Literaturangaben finden.
* Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft. Herausgegeben von Georg Wissowa und anderen, in 2 Reihen, Stuttgart 1894–1980, ISBN 3-476-01193-3 (Neudruck ab 1997; Digitalisierungsprojekt seit 2007 mit Register als Erschließungshilfe und mit Links zu Digitalisaten; trotz des Alters in seiner Gesamtheit nicht überholtes Grundlagenwerk). * Konrat Ziegler, Walther Sontheimer, Hans Gärtner (Hrsg.): Der Kleine Pauly. Lexikon der Antike. 5 Bände. Druckenmüller (Artemis), Stuttgart/München 1964–1975, ISBN 3-423-05963-X (Nachdruck dtv, München 2002; hervorragendes Lexikon auf Grundlage der RE, jedoch mit verkürzten und neugeschriebenen Artikeln). * Hubert Cancik, Helmuth Schneider (Hrsg.): Der Neue Pauly. Enzyklopädie der Antike. Metzler, Weimar/Stuttgart 1996–2003, ISBN 3-476-01470-3 (26 Bände mit schwankender Qualität der Beiträge). * Carl Andresen und andere (Hrsg.): Lexikon der Alten Welt. (LAW), Artemis, Zürich, Stuttgart 1965, ISBN 3-491-96036-3 [Neuausgabe: Albatros, Düsseldorf 2001] (in viele Bereichen veralteter Forschungsstand). * Graham Shipley u. a. (Hrsg.): The Cambridge Dictionary of Classical Civilization. Cambridge 2006 (gut bebildertes Nachschlagewerk zur klassischen Antike; ). * Kai Brodersen, Bernhard Zimmermann (Hrsg.): Metzler Lexikon Antike. 2., überarbeitete und erweiterte Auflage. J. B. Mezler Verlag, Stuttgart 2006, ISBN 3-476-02123-8. * Simon Hornblower, Antony Spawforth (Hrsg.): The Oxford Classical Dictionary (OCD). 4. Auflage. Oxford University Press, Oxford 2012 (wohl das beste einbändige Lexikon über die Antike mit teils herausragenden Artikeln). * Heinrich Beck, Herbert Jankuhn, Hans Kuhn, Kurt Ranke, Reinhard Wenskus (Hrsg.); Johannes Hoops (Begründer): Reallexikon der Germanischen Altertumskunde. (RGA), 2. völlig neu bearbeitete und stark erweiterte Auflage. De Gruyter, Berlin/New York 1973–2007 (Neubearbeitung des wichtigen Lexikons von Hoops). * Theodor Klauser und andere (Hrsg.): Reallexikon für Antike und Christentum. (RAC), Stuttgart 1950ff, ISBN 3-7772-9427-6 (noch nicht abgeschlossen, besonderes Augenmerk gilt der Spätantike). * Oliver Nicholson (Hrsg.): The Oxford Dictionary of Late Antiquity. Oxford University Press, Oxford 2018, ISBN 978-0-19-866277-8 (aktuelles Fachlexikon zur Spätantike).
* Lukas de Blois, Robartus J. van der Spek: Einführung in die Alte Welt. Neuausgabe, Franz Steiner, Stuttgart 2019, ISBN 978-3-515-10190-5. * Stanley M. Burstein: Antike global. Die Welt von 1000 v. Chr. bis 300 n. Chr. wbg Theiss, Darmstadt 2022, ISBN 978-3-8062-4448-9 (knappe „globalgeschichtliche“ Einführung bis zum Beginn der Spätantike). * Hans-Joachim Gehrke, Helmuth Schneider (Hrsg.): Geschichte der Antike. 5., erweiterte Auflage. Metzler, Stuttgart/Weimar 2019, ISBN 978-3476047601 (grundlegende Einführung). * Hans-Joachim Gehrke (Hrsg.): Die Welt vor 600. Frühe Zivilisationen (Geschichte der Welt, Band 1). C. H. Beck, München 2017, ISBN 978-3-406-64101-5. * Hartmut Leppin: Einführung in die Alte Geschichte. 2., aktualisierte Auflage. C. H. Beck, München 2014, ISBN 9783406667107.
* Beck Geschichte der Antike. 7 Bände. C.H. Beck, München 2014–2023 (sortiert nach Epochendarstellung; die jeweiligen Bände sind gut lesbare, aktuelle Einführungen in die jeweilige Epoche). ** Elke Stein-Hölkeskamp: Das archaische Griechenland. Die Stadt und das Meer. München 2015. ** Sebastian Schmidt-Hofner: Das klassische Griechenland. Der Krieg und die Freiheit. München 2016. ** Peter Scholz: Der Hellenismus. Der Hof und die Welt. München 2015. ** Wolfgang Blösel: Die römische Republik. Forum und Expansion. München 2015. ** Armin Eich: Die römische Kaiserzeit. Die Legionen und das Imperium. München 2014. ** Rene Pfeilschifter: Die Spätantike. Der eine Gott und die vielen Herrscher. München 2014. ** Johannes Preiser-Kapeller: Byzanz. Das Neue Rom und die Welt des Mittelalters. München 2023. * Blackwell History of the Ancient World. Blackwell, Oxford u. a. (ebenfalls empfehlenswerte, aktuelle Epocheneinführungen). ** Marc Van de Mieroop: A History of the Ancient Near East ca. 3000–323 BC. 3. Auflage. 2016. ** Jonathan Hall: A History of the Archaic Greek World. 2. Auflage. 2014. ** Peter John Rhodes: A History of the Classical Greek World. 2005. ** Robert Malcolm Errington: A History of the Hellenistic World. 2006. ** Stephen Mitchell: A History of the Later Roman Empire, AD 284–641. 2. Auflage. 2015. ** Timothy E. Gregory: A History of Byzantium. 2005 (alle Bände bieten einen gut lesbaren und fundierten, knappen Überblick mit aktueller Literatur). * Blackwell Companion to the Ancient World. Verschiedene Herausgeber. Blackwell, Oxford 2003 ff. (Inzwischen sind zahlreiche Bände erschienen bzw. in Vorbereitung; sie bieten in Form von mehreren, relativ knappe Fachaufsätzen einen Einstieg auf Grundlage der aktuellen Forschungslage). * The Cambridge Ancient History. Div. Hrsg., 14. Bände (teils in Teilbänden). 2. Auflage. Cambridge 1970ff. (Umfassende und sehr wichtige Gesamtdarstellung der Antike; die zweite Auflage ist vollständig neubearbeitet worden). * Aloys Winterling, Kai Brodersen, Martin Jehne, Winfried Schmitz (Hrsg.): Enzyklopädie der griechisch-römischen Antike. 13 Bände. Oldenbourg, München 2007ff. (Noch nicht abgeschlossene Handbuchreihe, der Aufbau ist an der Enzyklopädie deutscher Geschichte orientiert). * Geschichte kompakt Antike. Wissenschaftlichen Buchgesellschaft, Darmstadt (mehrere Bände; gute, knappe Einführungen mit einem in die Darstellung integrierten Forschungsüberblick). * Werner Dahlheim: Die Antike. Griechenland und Rom von den Anfängen bis zur Expansion des Islam. Schöningh Verlag, Paderborn 1994, ISBN 3-506-71980-7. * Robin Lane Fox: Die klassische Welt. Eine Weltgeschichte von Homer bis Hadrian. Klett-Cotta, Stuttgart 2010 (gut lesbare und verlässliche Überblicksdarstellung bis ins 2. Jahrhundert n. Chr.). * Wolfgang Schuller: Das Erste Europa, 1000 v. Chr.–500 n. Chr. (= Handbuch der Geschichte Europas. Band 1). Ullmer, Stuttgart 2004, ISBN 3-8001-2791-1. * Jochen Bleicken u. a. (Hrsg.): Oldenbourg Grundriss der Geschichte. Band 1–4, München 1980 ff. (verschiedene Auflagen). (Dreiteilung jedes Bandes: 1) sehr knappe Darstellung, 2) Forschungsüberblick und 3) umfassende Bibliographie.) * Eckhard Wirbelauer (Hrsg.): Oldenbourg Geschichte Lehrbuch: Antike. Oldenbourg, München 2004, ISBN 3-486-56663-6 (umfassender und zugleich origineller Einstieg in die antike Geschichte, der alle wichtigen Themen abdeckt; die Ereignisgeschichte wird aber nur sehr knapp behandelt). * Profile History of the Ancient World. Profile, London (sortiert nach Epochendarstellung; aktuelle und gut lesbare Überblickswerke). ** Angelos Chaniotis: Age of Conquests: The Greek World from Alexander to Hadrian. 2018. ** Kathryn Lomas: The Rise of Rome. From the Iron Age to the Punic Wars. 2018. ** David S. Potter: The Origin of Empire. Rome from the Republic to Hadrian. 2019. ** Michael Kulikowski: The Triumph of Empire. The Roman World from Hadrian to Constantine. 2016. ** Michael Kulikowski: The Tragedy of Empire. From Constantine to the Destruction of Roman Italy. 2019. ** Paul Stephenson: New Rome. The Roman Empire in the East, AD 395-700. 2021. * Routledge History of the Ancient World. Routledge Verlag, London / New York: ** Amélie Kuhrt: The Ancient Near East. 2 Bände, 1995, ISBN 0-415-01353-4 (Band 1), ISBN 0-415-12872-2 (Band 2) (recht umfassende Darstellung der altorientalischen Geschichte bis zu den Achaimeniden) ** Robin Osborne: Greece in the making 1200–479 B. C. 1996, ISBN 0-415-03583-X. ** Simon Hornblower: The Greek world 479–323 B. C. 4. Auflage. 2011, ISBN 978-0-415-60292-1 (hervorragende Gesamtdarstellung der klassischen Zeit) ** Graham Shipley: The Greek world after Alexander 323–30 B. C. 2000, ISBN 0-415-04618-1 (mit die beste Gesamtdarstellung des Hellenismus). ** Timothy J. Cornell: The beginnings of Rome. Italy and Rome from the Bronze Age to the Punic Wars (c. 1000–264 B. C). 1995, ISBN 0-415-01596-0. ** Martin Goodman: The Roman world 44 B. C.–A. D. 180. 1997, ISBN 0-415-04969-5. ** David S. Potter: The Roman empire at Bay, AD 180–395. 2004, ISBN 0-415-10058-5; 2. Auflage 2014 (hervorragende Darstellung, die auch soziokulturelle Aspekte mit einbezieht). ** Averil Cameron: The Mediterranean world in Late Antiquity A. D. 395–600. 1993, ISBN 0-415-01420-4; 2. Auflage 2012 (eine ausgezeichnete englische Einführung in die Spätantike)
(Zum Teil veraltet. Älteren Datums, aber bis heute noch grundlegend, sind die Darstellungen zur griechischen Geschichte von Karl Julius Beloch, Georg Busolt und Eduard Meyer.) * Karl Julius Beloch: Griechische Geschichte. 4 Bände (in 8 Teilbänden). Straßburg 1893ff. (2. überarbeitete Auflage 1912ff.) (bedeutende, aber teilweise umstrittene Darstellung). * Georg Busolt: Griechische Geschichte bis zur Schlacht bei Chaeroneia. 3 Bände in 4 Teilbänden. Perthes, Gotha 1885–1904. * Johann Gustav Droysen: Geschichte des Hellenismus. Perthes, Gotha 1877 (auf CD-ROM, Berlin 2007, ISBN 978-3-89853-343-0). * Matthias Gelzer: Julius Caesar. Der Politiker und Staatsmann. Callwey, München 1941 (3. Auflage, Nachdruck Steiner, Wiesbaden 1983, ISBN 3-515-03907-4). * Edward Gibbon: Verfall und Untergang des römischen Imperiums. 6 Bände dtv, München 2003, ISBN 3-423-96406-5 (Original: The History of the Decline and Fall of the Roman Empire. 6 Bände, London 1776–1788) (zum ersten Mal komplette und ungekürzte dt. Übersetzung bis zum Ende Westroms, die Geschichte von Byzanz ist immer noch ausgespart. Lesenswert, aber inhaltlich bzw. hinsichtlich der Wertung veraltet). * Eduard Meyer: Geschichte des Altertums. 5 Bände, 7. Auflage, Darmstadt 1965 (Original: 1884–1902, ). * Theodor Mommsen: Römische Geschichte. Weidmann, Berlin 1902 (Nachdruck dtv, München 2001, ISBN 3-423-59055-6).
; Griechenland – Hellas * Raimund Schulz, Uwe Walter: Griechische Geschichte ca. 800–322 v. Chr. 2 Bände. De Gruyter, Berlin/Boston 2022 (aktuelle Darstellung der klassischen Zeit mit einem recht umfassenden Forschungsteil). * Karl-Wilhelm Welwei: Griechische Geschichte. Von den Anfängen bis zum Beginn des Hellenismus. Schöningh, Paderborn u. a. 2011, ISBN 978-3-506-77306-7 (aktuelle und recht umfassende Darstellung bis ins späte 4. Jahrhundert v. Chr.). * Karl-Joachim Hölkeskamp, Elke Stein-Hölkeskamp (Hrsg.): Die griechische Welt. Erinnerungsorte der Antike. Beck, München 2010, ISBN 978-3-406-60496-6. * Oswyn Murray, John K. Davies, Frank W. Walbank: Die Geschichte des antiken Griechenland. Düsseldorf 2006, ISBN 3-491-96167-X.(Beinhaltet die Bände Das frühe Griechenland [Murray], Das klassische Griechenland [Davies] und Die hellenistische Welt [Walbank]; sehr empfehlenswert als Einstiegslektüre.) * Christian Meier: Athen. Ein Neubeginn der Weltgeschichte. Berlin 1993, ISBN 3-88680-128-4 (Gesamtdarstellung Athens im 5. Jahrhundert, aber ohne Anmerkungen). * The Edinburgh History of Ancient Rome. Herausgegeben von J. S. Richardson. 8 Bände. Edinburgh University Press, Edinburgh 2012–2020. * Klaus Bringmann: Geschichte der römischen Republik. München 2002, ISBN 3-406-49292-4 (solide Darstellung). * Hartwin Brandt: Die Kaiserzeit. Römische Geschichte von Octavian bis Diocletian. 31 v. Chr.–284 n. Chr. Beck, München 2021 (aktuelle Darstellung der frühen und hohen Kaiserzeit). * Karl Christ: Geschichte der römischen Kaiserzeit. 5. aktual. Auflage. München 2005, ISBN 3-406-36316-4 (sehr gute deutsche Darstellung der Kaiserzeit bis Konstantin dem Großen). * Kay Ehling, Saskia Kerschbaum (Hrsg.): Die Kaiser Roms. Von Augustus bis Justinian. wbg Theiss, Freiburg im Breisgau 2025. * Michael Sommer: Römische Geschichte I. Rom und die antike Welt bis zum Ende der Republik (= Kröners Taschenausgabe. Band 449). Kröner, Stuttgart 2013, ISBN 978-3-520-44901-6 (aktuelle und gut lesbare Darstellung der republikanischen Zeit). * Michael Sommer: Römische Geschichte II. Rom und sein Imperium in der Kaiserzeit (= Kröners Taschenausgabe. Band 458). Kröner, Stuttgart 2009, ISBN 978-3-520-45801-8 (aktuelle und gut lesbare Darstellung der Kaiserzeit). * Karl-Joachim Hölkeskamp, Elke Stein-Hölkeskamp (Hrsg.): Erinnerungsorte der Antike. Die römische Welt. Beck, München 2006, ISBN 3-406-54682-X. * Klaus-Peter Johne (Hrsg.): Die Zeit der Soldatenkaiser. 2 Bände. Berlin 2008. * Alexander Demandt: Die Spätantike. Handbuch der Altertumswissenschaft III. 6, München 1989; 2. überarbeitete Auflage. München 2007 (als inhaltlich gekürzte Ausgabe ohne wissenschaftlichen Apparat: Geschichte der Spätantike. München 1998, ISBN 3-406-44107-6). * Arnold Hugh Martin Jones: The Later Roman Empire 284–602. A Social, Economic and Administrative Survey. 3 Bände Oxford 1964 (Neudruck in 2 Bände Baltimore 1986) (umfassendste moderne, von einem Autor verfasste Darstellung der Spätantike, jedoch durch die Faktendichte teils schwer lesbar und inzwischen vor allem in den Wertungen teilweise überholt). * Scott Fitzgerald Johnson (Hrsg.): The Oxford Handbook of Late Antiquity. Oxford u. a. 2012.
Nur in Auswahl. Es sei auch auf die oben genannten Fachlexika verwiesen. * Kulturgeschichte der antiken Welt. Verschiedene Verfasser, Mainz 1977ff. Griechenland – Hellas * Jochen Bleicken: Die athenische Demokratie. 4. Auflage. Stuttgart 1995, ISBN 3-8252-1330-7. * Donald Kagan: The Peloponnesian War. London 2003, ISBN 0-00-711505-9 (siehe auch Kagans vierbändige Darstellung des Peloponnesischen Krieges; hier eine intelligente und zusammenfassende Darstellung für ein breiteres Publikum). * Michael Rostovtzeff: A Social and Economic History of the Hellenistic World. 2 Bände. 1941. * Raimund Schulz: Abenteurer der Ferne. Die großen Entdeckungsfahrten und das Weltwissen der Antike. Klett-Cotta, Stuttgart 2016, ISBN 978-3-608-94846-2. * Michael Stahl: Gesellschaft und Staat bei den Griechen. 2 Bände Schöningh, Paderborn 2003, Band 1, ISBN 3-506-99000-4, Band 2, ISBN 3-506-99001-2 (sehr gutes Überblickswerk). * Karl-Wilhelm Welwei: Das klassische Athen. Demokratie und Machtpolitik im 5. und 4. Jahrhundert. Darmstadt 1999, ISBN 3-534-12976-8 (detaillierte Darstellung der Politik Athens und dessen Aufstieg zur Hegemonialmacht). * Karl-Wilhelm Welwei: Sparta. Aufstieg und Niedergang einer antiken Großmacht. Stuttgart 2004, ISBN 3-608-94016-2 (wohl die beste deutschsprachige Darstellung der Geschichte Spartas). * Karl-Wilhelm Welwei: Die griechische Polis. Verfassung und Gesellschaft in archaischer und klassischer Zeit. 2. Auflage. Stuttgart 1998, ISBN 3-515-07174-1. * Aufstieg und Niedergang der römischen Welt. Berlin und New York 1972ff. * Jochen Bleicken: Die Verfassung der römischen Republik. 8. Auflage. Schöningh, Paderborn 2000. * Jochen Bleicken: Verfassungs- und Sozialgeschichte des Römischen Kaiserreiches. Schöningh, 2 Bände. Paderborn, München, Wien, Zürich 1981, Band 1, ISBN 3-506-99403-4, Band 2, ISBN 3-506-99257-0. * Uwe Walter: Politische Ordnung in der Römischen Republik. Oldenbourg, Berlin/Boston 2017, ISBN 978-3-486-59696-0. * Thomas Fischer: Gladius. Roms Legionen in Germanien. C.H. Beck, München 2020. * Encyclopædia Iranica () * Touraj Daryaee (Hrsg.): King of the Seven Climes. A History of the Ancient Iranian World (3000 BCE–651 CE). UCI Jordan Center for Persian Studies, Irvine (CA) 2017. * Josef Wiesehöfer: Das antike Persien. Von 550 v. Chr. bis 650 n. Chr. Aktual. Neuauflage, Patmos, Düsseldorf 2005, ISBN 3-491-96151-3 (gutes Überblickswerk; dort auch weitere Hinweise). Germanen und Völkerwanderung * Reallexikon der Germanischen Altertumskunde, 2. Auflage. * Bruno Bleckmann: Die Germanen. Von Ariovist zu den Wikingern. C.H. Beck, München 2009. * Mischa Meier: Geschichte der Völkerwanderung. Europa, Asien und Afrika vom 3. bis zum 8. Jahrhundert. C. H. Beck, München 2019, ISBN 978-3-406-73959-0. * Walter Pohl: Die Germanen. 2. Auflage. Oldenbourg, München 2004. * Walter Pohl: Die Völkerwanderung. Eroberung und Integration. 2. Auflage. Kohlhammer, Stuttgart u. a. 2005. * Bernhard Maier: Die Kelten. Ihre Geschichte von den Anfängen bis zur Gegenwart. 3., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. C.H. Beck, München 2016. * Wolfgang Meid: Die Kelten. 2., verbesserte Auflage. Reclam, Stuttgart 2011. * Jean MacIntosh Turfa (Hrsg.): The Etruscan World. Routledge, London 2013. * Massimo Pallottino: Etruskologie. Geschichte und Kultur der Etrusker. Birkhäuser, Basel u. a. 1988. * Dexter Hoyos: The Carthaginians. Routledge, New York u. a. 2010. * Sabine Peters (Red.): Hannibal ad portas. Macht und Reichtum Karthagos. Begleitband zur großen Sonderausstellung in Karlsruhe. Badisches Landesmuseum Karlsruhe, Karlsruhe 2004. * Michael Sommer: Die Phönizier. Handelsherren zwischen Orient und Okzident. Kröner, Stuttgart 2005. Skythen, Hunnen und andere Steppenvölker * Christoph Baumer: The History of Central Asia. Band 1 und 2. I.B. Tauris, London 2012ff. * Valerie Hansen: The Silk Road. A History with Documents. Oxford University Press, Oxford 2016. * Mischa Meier: Die Hunnen. Geschichte der geheimnisvollen Reiterkrieger. Beck, München 2025. * St. John Simpson, Svetlana Pankova (Hrsg.): Scythians. Warriors of ancient Siberia. Thames & Hudson, London 2017. * Timo Stickler: Die Hunnen. C.H. Beck, München 2007. * Rachel Mairs (Hrsg.): The Graeco-Bactrian and Indo-Greek World. Routledge, London 2020, ISBN 978-1-138-09069-9. * Raoul McLaughlin: Rome and the Distant East. Trade Routes to the Ancient Lands of Arabia, India and China. Continnuum, London/New York 2010. * Walter Scheidel (Hrsg.): Rome and China. Comparative Perspectives on Ancient World Empires. Oxford University Press, Oxford u. a. 2009. * Richard Stoneman: The Greek Experience of India. From Alexander to the Indo-Greeks. Princeton University Press, Princeton 2019. Alter Orient / Antiker Orient * Reallexikon der Assyriologie und Vorderasiatischen Archäologie * Karen Radner u. a. 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Von der römischen zur christlichen Literatur 117 bis 284 n. Chr. 1997 ** Restauration und Erneuerung. Die lateinische Literatur von 284 bis 374 n. Chr. 1989 ** Die Literatur im Zeitalter des Theodosius (374–430 n. Chr.). Erster Teil: Fachprosa, Dichtung, Kunstprosa. 2020 ** Die Literatur im Zeitalter des Theodosius (374–430 n. Chr.). Zweiter Teil: Christliche Prosa. 2020 * Albin Lesky: Geschichte der Griechischen Literatur. Saur, München 1999, ISBN 3-598-11423-0. * Michael von Albrecht: Geschichte der römischen Literatur. 2 Bände. 3., verbesserte und erweiterte Auflage. De Gruyter, Berlin/Boston 2012. Geschichtsschreibung * Dieter Flach: Römische Geschichtsschreibung. 3. Auflage, WBG, Darmstadt 2001. * Gabriele Marasco (Hrsg.): Greek and Roman Historiography in Late Antiquity. Fourth to Sixth Century A.D. Leiden u. a. 2003. * John Marincola (Hrsg.): A Companion to Greek and Roman Historiography. 2 Bde., Blackwell, Oxford 2007. * Klaus Meister: Die griechische Geschichtsschreibung. 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In: Klaus von See (Hrsg.): Neues Handbuch der Literaturwissenschaft. Band 8 (= Europäisches Hochmittelalter. Hrsg. von Henning Krauß), S. 217–242. * Marlene Meuer: Polarisierungen der Antike. Antike und Abendland im Widerstreit – Modellierungen eines Kulturkonflikts im Zeitalter der Aufklärung. Winter, Heidelberg 2017, ISBN 978-3-8253-6240-9 (Print), ISBN 978-3-8253-7757-1 (elektronisch).
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Ångström (Einheit)
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Das Ångström [] (nach dem schwedischen Physiker Anders Jonas Ångström) ist eine Maßeinheit der Länge. Das Einheitenzeichen ist Å (A mit Ring). Ein Ångström entspricht dem zehnmillionsten Teil eines Millimeters. Das Ångström ist keine SI-Einheit. In der Thermodynamik wird die mittlere freie Weglänge der sich bewegenden Moleküle häufig in Ångström angegeben. Auch in der Optik und der Astronomie wird es zur Angabe einer Wellenlänge genutzt (allerdings weniger in deutschsprachigen, sondern eher in englischsprachigen Fachpublikationen). Da das Ångström nicht in der Einheitenrichtlinie aufgeführt wird, ist es in der EU keine gesetzliche Einheit, nach der schweizerischen Einheitenverordnung auch nicht in der Schweiz. In DIN 1301-3 ist sie ausdrücklich als nicht mehr zugelassene Einheit aufgelistet.
Um die Jahrhundertwende 1900 benutzte Michelson eine rote Spektrallinie von Cadmium als Referenz für andere Messungen, weil diese experimentell besonders gut zugänglich und stabil war. Im Jahr 1907 setzte die Internationale Astronomische Union diese Wellenlänge als 6438,4696 Ångström fest und definierte damit eine Längenmaßeinheit, die sehr nahe, aber nicht exakt bei 10−10 m lag. Für Präzisionsmessungen in diesem Längenbereich war es einfacher, diese mikroskopisch definierte Maßeinheit zu benutzen, als den Meter um zehn Größenordnungen „herunterzubrechen“. Einen ähnlichen Versuch, zu einfach handhabbaren Zahlenwerten zu kommen, unternahm 1925 Manne Siegbahn mit der Definition der X-Einheit, die etwa 10−13 Meter entsprach. Das Ångström setzte sich aber durch. Als 1960 der Meter über eine Wellenlänge (des Kryptons) neu definiert wurde, bot die „mikroskopische“ Definition des Ångström keinen Vorteil mehr, und es bekam seine heutige Definition. 1965 führte der amerikanische Atomphysiker Joyce Alvin Bearden die Einheit Ångström Stern (Einheitenzeichen: Å*) für die Messung der Wellenlänge von Röntgenstrahlen und Kristallgittern ein, die die X-Einheit ersetzen sollte. Dabei wählte er als Definition die Kα<sub>1</sub>-Linie des chemischen Elements Wolfram, die dann entsprach. Der aktuelle CODATA-Wert ist 1 Å* =
Laut Unicode-Standard soll die Längeneinheit Ångström durch den Großbuchstaben Å (U+00C5) dargestellt werden. Unicode enthält zwar auch ein Zeichen namens ANGSTROM SIGN (Ångströmzeichen, U+212B: Å), dieses wurde jedoch lediglich zur Kompatibilität mit älteren Zeichenkodierungsstandards aufgenommen und soll in neu erstellten Texten nicht verwendet werden.
The red line of cadmium as a standard of wave-length, Proceedings of the Royal Society of London. Series A - Mathematical and Physical Sciences, Volume 155, Issue 885, Juni 1936
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Acre
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Acre (Plural deutsch Acre oder Acres; , Plural acres) ist eine angloamerikanische Maßeinheit zur Flächenbestimmung von Grundstücken und entspricht circa 4047 m² beziehungsweise 0,4 ha. Abgekürzt wird diese Einheit mit ac. Typologisch vergleichbare Maßeinheiten sind der Morgen, das Tagewerk, das Joch und die Juchart. In den Vereinigten Staaten wird die Größe von Grundstücken bei Land- und Grundvermessungen allein mit den beiden Flächeneinheiten Acre und Square Foot angegeben. Weit verbreitet sind diese Einheiten auch in Großbritannien, Kanada, Indien, Australien und anderen Commonwealth-Staaten, obwohl dort heute ein metrisches Hauptmaßsystem besteht. Die landwirtschaftliche Anbaufläche wird dort auch als Acreage bezeichnet.
Heutzutage wird der Acre direkt mit 43.560 Square Feet definiert, weil die zur ursprünglichen Definition verwendeten Längenmaße Furlong und Rod mittlerweile ungebräuchlich sind. Unter Einbezug der Meile sowie den heutzutage nicht mehr gebräuchlichen Flächenmaßen Rood, Square Chain und Square Rod (auch als Square Perch, Perch, Square Pole, Pole bezeichnet) ergibt sich die folgende Umrechnung:
Der Acre ist das Hauptmaß für Grundstücksflächen. In der Regel werden nicht mehr als zwei Nachkommastellen angegeben, womit eine Genauigkeit von ±20 m² vorliegt. Sobald genauere Angaben erforderlich sind, beispielsweise bei Bauland, wird die Flächeneinheit Square Foot verwendet. Bei landwirtschaftlich genutzten Grundstücken werden die Flächen in Workable Acre und Non Workable Acre unterteilt. Damit gemeint sind die tatsächlich nutzbare Fläche und die für landwirtschaftliche Zwecke nicht nutzbare Fläche, wie beispielsweise Ödland. Auch sehr große Grundflächen werden in Acre angegeben, beispielsweise 87.000 ac (≈ 350 km²). Eine Umrechnung in Quadratmeilen erfolgt in der Regel nicht.
* Im Bereich der Landwirtschaft bezieht sich der Flächenertrag auf den Acre. Bei Getreide wird der Ertrag in bushel/acre angegeben. * Der Preis für Land aller Arten wird in den Vereinigten Staaten und Kanada in $\acre angegeben. * Der acre-foot sowie der acre-inch sind in den Vereinigten Staaten Volumeneinheiten für große Wassermengen, beispielsweise beim kommunalen Wasserverbrauch oder bei landwirtschaftlicher Bewässerung.
Obgleich auf den Britischen Inseln die Größe des Acres seit dem Hochmittelalter mit 160 Square Rods definiert war, war dessen Fläche je nach Ort und Zeit uneinheitlich, da die Längeneinheit Rod oder Perch verschiedenen Fuß-Äquivalenten entsprach. Erst mit der Neudefinition der Imperial Units durch den Weights and Measures Act von 1824 wurde ein für das gesamte Britische Weltreich einheitlicher Acre geschaffen. Vor der Einführung des Imperial Standard Acre (Statute Acre) gab es unter anderem den alten schottischen Acre, den neuen schottischen Acre, auch als Cunningham Acre bezeichnet, oder den irischen bzw. Plantation Acre. Beispielsweise hat der Cunningham Acre etwa die 1,3-fache Größe, der Plantation Acre grob die 1,6-fache Größe des heutigen Acres. Einige dieser veralteten Maße waren teilweise bis ins 20. Jahrhundert gebräuchlich, so in abgelegenen Gebieten Irlands. In der Normandie, Frankreich, war auch die Acre [akr] je nach Ort und Zeit uneinheitlich und sogar manchmal im gleichen Bezirk, wie zum Beispiel im pays de Caux, wo es grande acre (68 Are und 66 Zentiare) und petite acre (56 bis 75 Zentiare) gab.
* Herbert Arthur Klein: The Science of Measurement. A Historical Survey. Dover Publications, Mineola NY 1988. * Johann Friedrich Krüger: Vollständiges Handbuch der Münzen, Maße und Gewichte aller Länder der Erde. Verlag Gottfried Basse, Quedlinburg/Leipzig 1830.
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Ar (Einheit)
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Das Ar ist keine SI-Einheit; im Gegensatz zum Hektar ist es nicht einmal zum Gebrauch mit dem SI zugelassen. In der EU und der Schweiz ist der Ar bzw. die Are gesetzliche Einheit für die Angabe der Fläche von Grund- und Flurstücken.
Im Jahr 1868 wurde die Maßeinheit unter der Bezeichnung Ar auch in Deutschland amtlich eingeführt: Die entsprechende Norddeutsche Maß- und Gewichtsordnung trat 1872 für das gesamte Deutsche Reich in Kraft.
;1 Hektar (von „Hekto-Ar“) = 1 ha := 100 a = 10.000 m2 := 1 hm2 = 100 m · 100 m ;1 Dekar (von „Deka-Ar“) Außer Ar und Hektar sind diese Vielfachen und Teile im deutschen Sprachraum ungebräuchlich und nur noch von historischem Interesse. Das Dekar wird als Flächenmaß in der bulgarischen Landwirtschaft, in Griechenland (Stremma), in der Türkei und einigen Staaten des Nahen Ostens (metrisches Dunam) verwendet.
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Arbeit (Sozialwissenschaften)
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Arbeit ist eine zielbewusste und sozial durch Institutionen (Bräuche) abgestützte besondere Form der Tätigkeit, mit der Menschen seit ihrer Menschwerdung in ihrer Umwelt zu überleben versuchen.
Es ist bereits strittig, ob man zielgerichtete körperliche Anstrengung von Tieren (zum Beispiel den instinktiven Nestbau oder das andressierte Ziehen eines Pfluges) als „Arbeit“ bezeichnen kann. Die philosophische Anthropologie geht zumeist davon aus, dass „Arbeit“ erst im Tier-Mensch-Übergangsfeld erscheint (vgl. zum Beispiel Friedrich Engels’ Anteil der Arbeit an der Menschwerdung des Affen, MEW 20). Dabei wird meist angenommen, dass die Resultate menschlicher Arbeit (als „Gegenstände“) wie in einem Spiegel dem Menschen sich selbst zeigen, so dass er angesichts ihrer des Selbstbewusstseins mächtig wird. Das könnten aber auch andere menschliche Tätigkeiten bewirken, so dass „Arbeit“ gerade in ihren ursprünglichen Formen schwer von anderen menschlichen Überlebensstrategien wie Spiel oder Kunst zu trennen ist. Seit der Urgeschichte ist (so Karl Bücher) ein Basiszusammenhang von Arbeit und Rhythmus anzunehmen (vgl. das Arbeitslied). Im Vergleich zu modernen Erwerbstätigen hatten Jäger und Sammler laut zahlreichen Studien mehr Freizeit. Siehe hierzu: Abschnitt „Alltag und Lebenserwartung“ im Artikel „Jäger und Sammler“.
Die Auffassung, welche Tätigkeiten als Arbeit betrachtet werden und welche Einstellung die Menschen dazu haben, sind kulturell sehr unterschiedlich und unterliegen einem ständigen sozialen Wandel. In den industrialisierten Kulturen haben Arbeit und Beruf einen hohen Stellenwert, da das marktwirtschaftlich organisierte Wirtschaftssystem und der erwünschte Fortschritt auf leistungswillige Arbeitnehmer angewiesen ist. Das war nicht immer so: Vor der industriellen Revolution lebte ein Großteil der Menschen von autonomer Subsistenzwirtschaft. Dies wandelte sich dann in kurzer Zeit zu einer stark reglementierten und hierarchisch organisierten Arbeitswelt, der von den Arbeitern einen erheblich höheren Zeitaufwand erforderte als die Selbstversorgung. In dieser Zeit entstand die Bewertung der Arbeit als »Leid und Mühsal«. Seitdem haben sich die zeitliche und körperliche Belastung, die Entlohnung sowie die rechtliche Stellung der Arbeitnehmer kontinuierlich verbessert. Andererseits wird heute jedoch viel mehr Flexibilität bezüglich der Fortbildung (bis hin zur Umschulung), der Arbeitsplätze und -zeiten erwartet. Im Westen wird Arbeit heute vielfach als »notwendiges Übel« gesehen, welches allerdings Rang und Ansehen garantiert und unter Umständen ein Weg zur Selbstverwirklichung werden kann. Der fortschreitende Wandel führt dabei zu einer stetig neuen Auseinandersetzung mit dem Stellenwert der Arbeit (siehe dazu Arbeit (Philosophie)) Demgegenüber gibt es Gesellschaften, in denen Menschen, die von unselbstständiger Lohnarbeit leben (ähnlich wie während der Industriellen Revolution im Westen), nur geringes Ansehen genießen und ihre Leistung nur widerwillig erbringen, weil der Lohn gering ist und die Arbeitszeit einen Großteil des Tagesablaufes bestimmt. In Ländern, wo die Bevölkerung noch vorwiegend autonom von traditionellen Subsistenzformen lebt, wird Lohnarbeit nur geschätzt, da ihre Bedingungen dem Einzelnen weitaus weniger Möglichkeiten (bisweilen auch mehr Freizeit) eröffnen als dem eigenständigen Bauern oder Jäger. Dies gilt auch dort, wo die Reziprozität (gegenseitige, unentgeltliche Hilfe innerhalb einer lokalen Gemeinschaft) noch eine größere Rolle spielt als die Geldwirtschaft. Die selbstbestimmte Arbeit wird hier ungleich höher geschätzt: sie wird oftmals begrifflich nicht von der Freizeit unterschieden und gilt nicht als mühevoller Überlebenskampf, sondern als »sinngebende Lebensaufgabe«. Bei einigen naturverbundenen Ethnien ist die traditionelle Arbeit eine religiöse Handlung, die das Bündnis zwischen Menschen, Ahnen und Umwelt aufrechterhält. Da diese tiefe Bedeutung bei der Lohnarbeit fehlt, mangelt es häufig auch an ausreichender Motivation zur Arbeit. Westliche Arbeitgeber empfinden das als Faulheit oder mangelnde Bereitschaft zur Entwicklung bis hin zur Rückständigkeit. Dies gilt besonders für streng egalitäre Gesellschaften, bei denen jegliche Arbeit negativ gesehen wird, weil sie etwa mit Habgier, egoistischem Streben oder Reichtum auf Kosten Anderer gleichgesetzt wird.
Das Wort Arbeit ist gemeingermanischen Ursprungs (*arbējiðiz, got. arbaiþs); die Etymologie ist unsicher; evtl. verwandt mit indoeurop. *orbh- „verwaist“, „Waise“, „ein zu schwerer körperlicher Tätigkeit verdungenes Kind“ (vgl. Erbe); evtl. auch verwandt mit aslaw. robota („Knechtschaft“, „Sklaverei“, vgl. Roboter). Im Alt- und Mittelhochdeutschen überwiegt die Wortbedeutung „Mühsal“, „Strapaze“, „Not“; redensartlich noch heute Mühe und Arbeit (vgl. Psalm 90, lateinisch labor et dolor). Das französische Wort travail hat eine ähnliche, sogar noch extremere Wortgeschichte hinter sich: es steht im Zusammenhang mit einem frühmittelalterlichen Folterinstrument. Das italienische lavoro und englische labour (amerikanisch labor) gehen auf das lateinische labor zurück, das ebenfalls primär „Mühe“ bedeutet. Viele Redensarten sind mit ihr verbunden. So wurde harte körperliche Arbeit früher als Kärrnerarbeit bezeichnet, und eine Schweinearbeit bedeutet unangenehm viel Arbeit: „Wer die Arbeit kennt und sich nicht drückt, | der ist verrückt.“
Die Geschichtsschreibung der Arbeit begann erst im 20. Jahrhundert (zuerst in Frankreich, England und den USA) zu entstehen. Eine frühe Ausnahme innerhalb der deutschen Historiker war Karl Lamprecht (1856–1915). In der DDR war die historische Arbeitsforschung eines der zentralen Forschungsbereiche. Ein neueres Buch stammt von Arne Eggebrecht und anderen.
Aristokratische Autoren wie Xenophon, Platon, Aristoteles und Cicero würdigten den Großteil der täglichen Arbeit (Handwerker, Bauern, Kaufleute) herab. Sie galt ihnen (insbesondere körperliche Arbeit) als Zeichen der Unfreiheit. Sklaven (dúloi) und Handwerker (bánausoi) waren „der Notwendigkeit untertan“ und konnten nur durch diese als „unfrei“ verstandene Arbeit ihre Lebensbedürfnisse befriedigen. Geistige Arbeit blieb der scholé (gespr. s|cholé) vorbehalten, was etwa „schöpferische Muße“ beschrieb, wovon das deutsche Wort Schule herrührt. an der Wolga“(Бурлаки на Волге)Ilja Repin 1870–1873
In Europa blieben – vor allem in der Landwirtschaft – Formen unfreier Arbeit von Männern und Frauen, auch Kindern und Alten, lange erhalten (Fron, Lasswirtschaft), am längsten im Russischen Reich; im Deutschen Reich wurden deren letztes Überbleibsel (die Schollengebundenheit in den beiden Mecklenburgs) erst durch die Novemberrevolution 1918 beseitigt. Noch heute existieren in großen Teilen der Welt unterschiedliche Erscheinungsformen unfreier Arbeit, von der Arbeitspflicht bis hin zur Arbeitsversklavung und Zwangsarbeit. Eine positive Bewertung von Arbeit als „produktiver Betätigung zur Befriedigung eigener oder fremder Bedürfnisse“ war im Rittertum und in der Mystik angelegt. Durch Reformation und Aufklärung rückte sie in den Vordergrund: Eine neue Sicht der Arbeit als sittlicher Wert und Beruf (als Berufung verstanden) des Menschen in der Welt wurde von Martin Luther mit seiner Lehre vom allgemeinen Priestertum ausgeprägt. Schärfer noch wurde im Calvinismus die Nicht-Arbeit überhaupt verworfen (siehe auch: Protestantische Ethik).
In der Frühphase der Aufklärung wurde Arbeit zum Naturrecht des Menschen erklärt (Jean-Jacques Rousseau). Damit wurde das feudalistische Prinzip der Legitimation kritisiert. Eigentum entsteht einzig durch Arbeit, niemand hat ein von Gott gegebenes Anrecht auf Eigentum. Güter, die nicht durch menschliche Arbeit entstanden sind, sind Gemeinbesitz. Adam Smith unterscheidet produktive und unproduktive Arbeit. Produktive Arbeit nennt er die Arbeit, deren Resultat ein verkäufliches Produkt ist. Dazu wird nicht nur der eigentliche Wertschöpfungsprozess (beim Schmied: der Vorgang des Schmiedens selbst) gerechnet, sondern auch alle Arbeiten, die indirekt zur Vervollkommnung des Gutes beitragen (beim Schmied: das Erhalten der Glut, das Pflegen von Hammer und Amboss). Unproduktiv ist hingegen die Arbeit, die nicht in einem verkäuflichen Produkt resultiert (zum Beispiel die mütterliche Hausarbeit). Andere Arbeiten sind von diesem Standpunkt aus nicht unnütz, da sie notwendig sind, um produktive Arbeit leisten zu können, und werden heute zum Beispiel als reproduktiv bezeichnet (beispielsweise Beamte, Verwalter, Soldaten). Der Frühsozialist Charles Fourier proklamierte 1808 ein Recht auf Arbeit. In der deutschen Philosophie (Immanuel Kant, Johann Gottfried Herder, Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Johann Gottlieb Fichte) wird die Arbeit zur Existenzbedingung und sittlichen Pflicht erklärt. Kant räumte in seiner Anthropologie in pragmatischer Hinsicht (1798, §87) jedoch ein, dass Faulheit eine Schutzfunktion habe: „Denn die Natur hat auch den Abscheu für anhaltende Arbeit manchem Subjekt weislich in seinen für ihn sowohl als andere heilsamen Instinkt gelegt: weil dieses etwa keinen langen oder oft wiederholenden Kräfteaufwand ohne Erschöpfung vertrug, sondern gewisser Pausen der Erholung bedurfte.“ Nach Karl Marx’ Werttheorie ist die „menschliche Arbeitskraft“ als alleinige Kraft fähig, das Kapital (als eine Ansammlung geronnener Arbeit) zu vergrößern (Mehrwert zu akkumulieren). Sie tut dies im Kapitalismus unausweichlich. Praktisch spiegelt dies wider, dass in der Phase der Industrialisierung freie Arbeit augenfällig zur Ware wurde und vorwiegend die düsteren Züge der damaligen Lohnarbeit annahm. So zum Beispiel in Gestalt der Kinderarbeit, des Arbeiterelends (der „Verelendung“), der Arbeitsunfälle und -krankheiten, der drückenden Akkordarbeit – alles dies sind Merkmale der allgemein so empfundenen „Sozialen Frage“ Deren Folgen wurden schon seit Hegel als „Entfremdung“ charakterisiert: Der Arbeiter hat zu seinem eigenen Arbeitsprodukt, aber auch zu dem Unternehmen, für das er arbeitet, nur noch das bare Lohnverhältnis und kann dem gemäß nicht mehr stolz auf sie sein – in diesem 'Spiegel' erkennt er sich selbst jedenfalls nicht mehr wieder. Für Ernst Jünger war Arbeit nicht Tätigkeit schlechthin, sondern der Ausdruck eines „besonderen Seins, das seinen Raum, seine Zeit, seine Gesetzmäßigkeit zu erfüllen sucht“ (Der Arbeiter). Daher kenne Arbeit auch keinen Gegensatz außer sich selbst. Das Gegenteil von Arbeit sei nicht Ruhe oder Muße, da es keinen Zustand gebe, der nicht als Arbeit begriffen werden könne. Neben der „produktiven“ Eigenschaft der Arbeit wird neuerdings (Lars Clausen) ihre „destruktive“ Seite hervorgehoben: am auffälligsten als (harte, lebensgefährliche) Arbeit der Soldaten, aber auch bei selbst-, mitmenschen- oder umweltzerstörerischer Arbeit ist Destruktives seit je Wesensbestandteil aller Arbeit (Anders die „vernichtende Tätigkeit“, die alltags als Vandalismus auftreten kann und einen organisatorischen Höhepunkt im Konzentrationslager hatte).
Der Soziologe Rudi Dutschke und der Politologe Bernd Rabehl meinten 1967 in einem Gespräch mit Hans Magnus Enzensberger, der technische Fortschritt könne die Erwerbsarbeit in Zukunft erheblich reduzieren: „Dabei muß man bedenken, dass wir fähig sein werden, den Arbeitstag auf fünf Stunden zu reduzieren durch moderne Produktionsanlagen, dadurch dass die überflüssige Bürokratie wegfällt. Der Betrieb wird zum Zentrum der politischen Selbstbestimmung, der Selbstbestimmung über das eigene Leben. Man wird also im Betrieb täglich debattieren, es wird langsam ein Kollektiv entstehen, ein Kollektiv ohne Anonymität, begrenzt auf zwei- bis dreitausend Leute, die also immer noch eine direkte Beziehung zueinander haben.“ In der Zeit der 1950er und 1960er Jahre gab der technische Fortschritt sogar in der calvinistisch geprägten nordamerikanischen Gesellschaft tatsächlich wieder dem Gedanken Raum, dass Fortschritt zu mehr Freizeit führen könne. Zeugnisse für die Hoffnungen gaben die Schöpfungen einer bunten Pop-Kultur mit ihren Science-Fiction-Träumen wie beispielsweise der Zeichentrickserie „Die Jetsons“, in der technikgestütztes Faulenzen ohne moralische Bedenken als Ideal dargestellt werden konnte. Angesichts global unterschiedlicher Entwicklungen zeigte sich jedoch, dass ein Ausruhen auf erreichtem Wohlstand in einer Region als Gelegenheit zum wirtschaftlichen Aufholen in anderen Regionen verstanden wurde. In jenem Zeitraum wurde besonders in Japan technischer Fortschritt in erster Linie als Weg begriffen, große wirtschaftliche Fortschritte zu erzielen. Bis heute begrenzt somit ein Wettbewerb, in dem der verliert, der zuerst bremst, die Möglichkeit, aus technischem und technologischem Fortschritt mehr selbstbestimmte freie Zeit zu gewinnen. Zudem prägte Robert Solow in der Wirtschaft bereits 1956 mit seinem Wachstumsmodell die Auffassung, dass technologische Innovation in erster Linie als ein Multiplikator des Faktors Arbeit aufträte, womit er in der Dogmengeschichte der Wirtschaft einen Ankerpunkt schuf, der bis heute den Raum des Denkbaren gegenüber möglichen Alternativen wirkungsvoll abgrenzt. So schafft in der heutigen Arbeitswelt technischer Fortschritt dort, wo er Freiräume erweitert, vorwiegend und sogar mit zunehmender Geschwindigkeit immer neue Arbeit. Dort, wo Technik schon vor Beginn des Industriezeitalters die Menschen von Arbeit befreite, wurden sie oft nicht freier, sondern arbeitslose Geächtete. In Deutschland nahm zwischen 1960 und 2010 das Arbeitsvolumen pro Kopf kontinuierlich um 30 Prozent ab.
Nach wie vor wird Erwerbsarbeit nicht mit Arbeit überhaupt gleichgesetzt. Wo Arbeit auch heute noch nicht Ware ist, sind zwei wesentliche Aspekte hervorzuheben: * Die nach wie vor in sehr vielen Gesellschaften dominante Subsistenzarbeit ist weiterhin die Arbeit, die der Mensch verrichtet, um seinen Lebensunterhalt zu produzieren und so sein Überleben zu sichern (englische Entsprechung: Labour), * als Selbstproduktion gibt schöpferische Arbeit – auffällig in den Künsten – in allen Gesellschaften Menschen die Möglichkeit, sich selbst zu entfalten (sich in ihr wiederzuerkennen) (englische Entsprechung: work). In den wohlhabenden Staaten der Welt (zu denen auch Deutschland zählt), wird die Erwerbsarbeit knapp. Es findet eine zunehmende Flexibilisierung, Virtualisierung, Automatisierung und Subjektivierung der Arbeit statt, prekäre Arbeitsverhältnisse nehmen zu. Inhaltlich verschiebt sich die Arbeit immer mehr in den tertiären Sektor (Dienstleistungen) und in Niedriglohnländer (Offshoring), zumal da die Jugend- und Langzeit-Arbeitslosigkeit die Arbeit trotz ihres zentral wichtigen Charakters als Überlebenstätigkeit aus dem Feld der Erfahrung Vieler rücken. In ärmeren Ländern herrschen zugleich – zum Teil – Verhältnisse, die mit denen in der Industrialisierungsphase Europas vergleichbar sind: Kinderarbeit, Billiglohnarbeit und fehlende soziale Absicherung sind dort häufig anzutreffende Bestandteile der Arbeitswelt.
Dort, wo Arbeit für andere verrichtet wird, ist nach wie vor der Unterschied bedeutsam * zwischen den (sehr vielfältigen) Formen so genannter 'unentgeltlicher' Arbeit, d. h. durch viele – in etwa fünf Millionen Jahren aufgetretene – Formen geldlosen sozialen Tauschs, der soziale Akteure miteinander verknüpft * und der historisch erst seit gut drei Jahrtausenden aufgetretenen durch Waren oder Geld entgoltenen (entgeltlichen) Erwerbsarbeit. Ein Wandel einer Tätigkeit von der unentgeltlichen zur entgeltlichen Form wird auch als Kommerzialisierung bezeichnet.
Die unentgeltliche Arbeit umfasst also historisch sehr viele Formen, die auch heute vorkommen, aber nicht immer als Arbeit betrachtet werden. * Tätigkeiten zum Erhalt der Lebensgrundlage und der Fürsorge (Subsistenzwirtschaft, Haus- und Familienarbeit, Care-Arbeit); * der Selbstentfaltung dienende Tätigkeit (heute z. B. Anfertigung von Modellbauten oder Mitarbeit an der Wikipedia als Hobby); * freiwillige (helfende, schenkende) Arbeit, Gefälligkeitsarbeit (Ehrenamt; siehe auch Bürgerarbeit, New Work); * unfreiwillige Arbeit (Sklaverei, Zwangsarbeit; andere Formen sozial erzwungener, fremdbestimmter Tätigkeiten; Beispiel: Zurückschneiden einer Hecke im Interesse der Verkehrssicherheit). * freiwillige allgemein nützliche Ersatzarbeit anstelle von Erwerbsarbeit
Unter Erwerbsarbeit versteht man eine Arbeitsleistung gegen Entgelt (Arbeitslohn) im Gegensatz zu unentgeltlicher Arbeit (wie Subsistenzarbeit, Sklavenarbeit, Hausarbeit oder ehrenamtlicher Arbeit). Erwerbsarbeit wird in einem Beschäftigungsverhältnis (Lohnarbeit) oder in selbständiger und neuerdings auch in scheinselbständiger Form geleistet. * Zu selbständiger bezahlter Arbeit siehe Selbständigkeit, Unternehmer, Kaufmann, Handwerk, freier Beruf, freie Mitarbeit, Werkvertrag. Siehe auch Ich-AG. * Bei abhängiger Beschäftigung als Arbeitnehmer ist zwischen privatrechtlichen und öffentlich-rechtlichen Beschäftigungsverhältnissen zu unterscheiden. ** Wer in der Privatwirtschaft abhängig beschäftigt ist, ist Arbeiter oder Angestellter. Zu privatwirtschaftlichen Beschäftigungsverhältnissen siehe auch Arbeitsrecht, Arbeitsvertrag, Arbeitsmarkt, Arbeitslosigkeit. Zu irregulären privatwirtschaftlichen Beschäftigungsverhältnissen siehe Minijob, Niedriglohn-Job und atypisch Beschäftigte. ** Der deutsche Staat beschäftigt in seinem öffentlichen Dienst sowohl Arbeiter und Angestellte (privatrechtliches Arbeitsverhältnis mit Arbeitsvertrag) als auch Beamte, Richter, Professoren und Soldaten (öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis mit Ernennungsurkunde). Das deutsche Privatrecht unterscheidet hier analog zwischen Werkvertrag (der Erfolg wird geschuldet) und Dienstvertrag (der Dienst wird geschuldet).
Zu den Mischformen (auch als Atypische Arbeit bzw. Atypische Beschäftigung bezeichnet) gehören zahlreiche freiwillige oder gesetzlich vorgesehene Arbeiten, die gering entgolten werden. Teils sind die Arbeitenden zur Verrichtung der betreffenden Tätigkeiten rechtlich verpflichtet, teils fühlen sie sich ethisch hierzu verpflichtet. Zu den Mischformen gehören auch solche ehrenamtlichen Tätigkeiten, für die eine Aufwandsentschädigung gezahlt wird, die über den tatsächlichen Aufwand hinausgeht.
Was die zentrale Stellung der Arbeit in kollektiven Wertsystemen angeht, sagen Kritiker der Arbeit, unterscheiden sich Staatsformen und Herrschaftsmodelle erstaunlich wenig. Als Kritiker der Arbeit war Paul Lafargue, Autor des Pamphlets Le droit à la paresse (‚Das Recht auf Faulheit‘; 1883), in der alten Arbeiterbewegung ein Außenseiter. Lafargue verstand sich als revolutionärer Sozialist und dementsprechend schätzte er die kapitalistische Arbeitsethik ein. „Die kapitalistische Moral, eine jämmerliche Kopie der christlichen Moral, belegt das Fleisch des Arbeiters mit einem Bannfluch: Ihr Ideal besteht darin, die Bedürfnisse des Produzenten auf das geringste Minimum zu reduzieren, seine Genüsse und Leidenschaften zu ersticken und ihn zur Rolle einer Maschine zu verurteilen, aus der man ohne Rast und ohne Dank Arbeit nach Belieben herausschindet.“ Lafargues Manifest erschien 1887 auf Deutsch. Lafargue zitierte Lessing: Die radikalen Kritiker der Arbeit lehnen den Arbeitszwang ab – für Reiche wie für Arme. Damit unterscheiden sie sich von Sozialisten, die sich über den Müßiggang der Reichen empören und fordern, dass alle arbeiten müssen. Hintergrund der Ablehnung des Arbeitszwangs ist die reale Möglichkeit der Aufhebung der Arbeit. Schon Lafargue meinte, dass 3 Stunden Arbeit ausreichen müssten. Aufhebung der Arbeit bedeutet jedoch nicht nur Verringerung der Arbeitszeit durch Automation und Abschaffung der Produktion von Gütern, die nur um des Profits willen hergestellt werden. Unter kapitalistischen Bedingungen sind Arbeitslose wie abhängig Beschäftigte und auch diejenigen, die auf das sogenannte Berufsleben vorbereitet werden, gleichermaßen dem System der Lohnarbeit unterworfen. Auch wer freie Zeit hat, kann diese nicht frei nutzen, sei es weil andere, mit denen man etwas zusammen tun möchte, arbeiten müssen, sei es weil die gesamte Umwelt von kommerziellen Zwängen geprägt ist. Aufhebung der Arbeit bedeutet, dass auch weiterhin notwendige Tätigkeiten wie zum Beispiel die Pflege gebrechlicher Menschen, einen anderen Charakter annehmen, wenn sie in einem anderen nicht-hierarchischen Kontext ausgeübt werden. Dass die Menschen ohne den Zwang zu Arbeit einfach nichts tun und verhungern würden, ist nach Ansicht der Kritiker der Arbeit nicht zu erwarten, da sie ja bereits unter kapitalistischen Bedingungen freiwillig konstruktiv zusammenarbeiten. Die Tradition der Ablehnung der Arbeit wurde nach dem Zweiten Weltkrieg von einer Gruppe junger Menschen in Paris wiederbelebt. Unter ihnen war Guy Debord. Der Slogan „Ne travaillez jamais“ (‚Arbeitet niemals‘) kehrte dann im Pariser Mai 1968 wieder. Die Ablehnung der Arbeit spielte auch in Italien in den Kämpfen der 1960er und 1970er Jahre eine zentrale Rolle. Der Postanarchist Bob Black rief 1985 die Proletarier dieser Welt auf, sich zu entspannen, da niemand jemals arbeiten solle. Bob Black versteht sich als Antimarxist und postleftistischer (Individual-)Anarchist. Er ruft dazu auf, alle Arbeitsplätze so umzugestalten, dass sie wie ein Spiel sind. Er findet es merkwürdig, dass die einen sich auf dem Feld abrackern, während andere in ihrer Freizeit, welche nur das ebenfalls fremdbestimmte und durchorganisierte Gegenstück zur Arbeit sei, bei der Gärtnerei entspannen. Zentral in seiner Kritik ist neben diesem Punkt(en) auch der Charakter der Fremdbestimmtheit der Arbeit, ob nun im Staatssozialismus oder im Kapitalismus. Im Anschluss an Michel Foucault kritisiert er Disziplinierung und die Disziplinargesellschaft und betont die zentrale Rolle der Arbeit bei der Disziplinierung: Gefängnisse und Fabriken seien zur selben Zeit entstanden, die Schulen seien dafür da, Leistungsgedanken und -bereitschaft und Gehorsam einzuüben und es gebe „mehr Freiheit in jeder einigermaßen entstalinisierten Diktatur als an einem gewöhnlichen amerikanischen Arbeitsplatz“. Eine ähnliche Kritik hatte allerdings auch schon Gustav Landauer vorgetragen. Auch er wollte den Arbeitstag ähnlich neu gestalten. Von einer deutschen Tradition der Arbeitskritik kann man dennoch kaum reden. Seit den 1990er Jahren bemüht sich allerdings die wertkritische Gruppe Krisis um eine Erneuerung der Kritik der Arbeit. Sie veröffentlichte ein Manifest gegen die Arbeit. Die Krisis versteht sich als postmarxistisch, bzw. grenzt sie sich ab vom traditionellen Marxismus. Aktuell in der Kritik der Arbeit ist die Kritik der Identifikation mit der Arbeit als zentralem Element männlicher Identität.
Im Bereich der Feldforschung wurde eine Studie der Österreichischen Wirtschaftspsychologischen Forschungsstelle berühmt. Sie hieß Die Arbeitslosen von Marienthal (1933) und beschäftigt sich mit den Folgen plötzlich eintretender Arbeitslosigkeit für eine Dorfgemeinschaft. Darstellungen und Schilderungen der täglichen Arbeit am unteren Rand der Gesellschaft finden sich innerhalb der Belletristik etwa bei den österreichischen Autoren Franz Innerhofer und Gernot Wolfgruber, dem Deutschen Hans Dieter Baroth und bei George Orwell (Erledigt in Paris und London).
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* 1933 Borinage, Regie: Joris Ivens und Henri Storck – Kämpferischer Film über das Elend der Bergarbeiter in Belgien Vgl. auch Les Enfants du Borinage – Lettre à Henri Storck, Regie: Patric Jean, 2000 * 1968 La Reprise du travail aux usines Wonder, realisiert von Studierenden der IDHEC, Frankreich 1968 – Regie: Jacques Willemont und Pierre Bonneau, Kurzfilm über die Wiederaufnahme der Arbeit in den Wonder-Fabriken nach dem Mai 68. * 1973 Humain, trop humain, Regie: Louis Malle, Frankreich – Arbeit in der Automobilindustrie * 1973 Es kommt drauf an, sie zu verändern, Regie: Claudia von Alemann – Film über die doppelte Ausbeutung von Fabrikarbeiterinnen * 1974 Avec le sang des autres, Film zur Arbeit in der Automobilindustrie, Regie: Bruno Muel, Frankreich * 1978 Lebensgeschichte des Bergarbeiters Alphons S., Ein Film von Alphons Stiller, Gabriele Voss und Christoph Hübner, BRD * 1981 Sois belle et tais-toi – Be pretty and shut up!, Regie: Delphine Seyrig, Frankreich -Schauspielerinnen erzählen über ihre Erfahrungen mit dem Sexismus in der Filmindustrie * 1985 Die Kümmeltürkin geht, Regie: Jeanine Meerapfel, BRD * 1993 Die Wismut, Regie: Volker Koepp, Deutschland, Film über die Wismut AG, über den Uranbergbau in der SBZ und der DDR, über das Leben, Arbeiten und Sterben der Arbeiter * 2003 Attention danger travail, Regie: Pierre Carles, Frankreich * 2009 Ende der Vertretung. Emmely und der Streik im Einzelhandel, Regie: kanalB * 2010 The Forgotten Space, Regie: Allan Sekula, Noël Burch – Ein Film über die Arbeit auf See – die Meere, den Container, den Transport an Land auf eigens gebauten Bahnen in den Niederlanden, denen Dörfer weichen müssen, über philippinische Seeleute und domestic workers, über die konkrete Realität der Globalisierung * 2011 Besprechung, Regie: Stefan Landorf, Deutschland * 2011 Work Hard – Play Hard, Regie: Carmen Losmann, Deutschland * 2012 Leviathan (2012), Regie: Lucien Castaing-Taylor, Véréna Paravel USA/F/GB 2012 * 2015 Behemoth, Regie: Zhao Liang, VR China – Film über Arbeit im Bergbau in China
* ]“ der Bundeszentrale für politische Bildung * Oliver Kloss: ], Wolfgang Rüddenklau (Hrsg.): Das war doch nicht unsere Alternative. Verlag Westfälisches Dampfboot, Münster 1999, ISBN 3-89691-466-9, S. 362–383. * Peter-Paul Bänziger: ]/Studies in Contemporary History 12 (2015), S. 11–38. * Archiv zur Darstellung der Arbeit in der bildenden Kunst * Kurt Messmer: ] vom 29. April 2022
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Anglizismus
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Als Anglizismus bezeichnet man einen sprachlichen Ausdruck, der durch Kopie aus dem Englischen in eine andere Sprache eingeflossen ist. Dies kann in allen Bereichen eines Sprachsystems vorkommen, von der Lautung über die Formenlehre, Syntax, Semantik bis zum Wortschatz sowie in den Bereichen Sprachgebrauch und Sprachebene (Fachsprache, Alltagssprache, Slang und anderes). Wird er durch regelmäßigen Gebrauch fester Bestandteil der entlehnenden Sprache bzw. als neue Bedeutung eines Wortes oder als neue Satzkonstruktion üblich, bezeichnet man den Ausdruck als Fremdwort, Lehnwort oder Lehnprägung. Im Laufe des Generationenwechsels kann sich der Gebrauch von Anglizismen verändern. Insbesondere die Jugendsprache zeigt eine schnelle Fluktuation ihrer Ausdrücke, da sie davon lebt, eine Sprechweise zu pflegen, die als frisch und der Jugend vorbehalten empfunden wird. Der Begriff Anglizismus umfasst alle englischen Sprachvarietäten; Einflüsse speziell aus dem britischen Englisch werden auch Britizismen und solche aus dem amerikanischen Englisch Amerikanismen genannt. Da im Entlehnungsvorgang bisweilen kein volles Verständnis über den Gebrauch des entlehnten Wortes oder Redewendung im Englischen vorliegt, kommt es mitunter zu Scheinanglizismen, deren Bedeutung nicht direkt mit der der Ursprungssprache in Deckung zu bringen ist. Deutsche Anglizismen sind somit keine englischen Wörter im Deutschen, sondern führen nach dem Kopiervorgang in die Zielsprache ein neues Eigenleben als deutsche Wörter englischer Herkunft.
Im Deutschen treten Anglizismen am häufigsten auf der lexikalischen Ebene in Erscheinung. Man kann folgende Phänomene unterscheiden: * Wortentlehnungen: Übernahme englischer Lexeme, die unterschiedlich stark an das Laut-, Schrift- und Grammatiksystem der aufnehmenden Sprache angepasst werden. So gilt etwa die Mehrzahl „die Killer“ und der Genitiv „des Internets“ als an das deutsche Flexionssystem angepasst. Auch weitergehende Veränderungen wie Kürzungen kommen vor, etwa bei fesch aus englisch fashionable. * Lehnübersetzungen: Eins-zu-eins-Übersetzungen der Bestandteile des fremden Wortes, wie zum Beispiel brainwashing → „Gehirnwäsche“. * Lehnübertragungen: Übersetzung der Idee hinter der Bildung des fremden Wortes, zum Beispiel skyscraper → „Wolkenkratzer“ (nicht „Himmelskratzer“, wie es bei einer Lehnübersetzung zu erwarten wäre). * Lehnbedeutungen: Übernahme des Bedeutungsspektrums des fremden Wortes, von dem Teilbedeutungen bereits bei einem deutschen Wort zu finden sind, zum Beispiel deutsch „Held“ im Sinne des „Theaterhelden“, die Übernahme aus dem Bedeutungsspektrum von hero. * Scheinanglizismen: Wortschöpfungen innerhalb einer anderen als englischen Sprachgemeinschaft mit englischen Sprachelementen, darunter im Deutschen Handy, Basecap oder Service Point. Oft existieren solche Wörter oder Wortgruppen auch im Englischen, jedoch mit einer anderen Bedeutung (falscher Freund). Das Wort Oldtimer etwa benennt im Deutschen als Scheinanglizismus ein altes Auto (engl.: vintage car, veteran car oder classic car), während es im Englischen generell einen alten Menschen (vergleichbar mit dem im Deutschen scherzhaft verwendeten „Oldie“) bezeichnet. Weitere Übernahmeerscheinungen sind auf anderen Sprachebenen zu verzeichnen: * Lehnsyntax: Verwendung von englischer Syntax, die im Deutschen nicht üblich ist. * Formenbildung: Ebenfalls eine Form des Anglizismus ist die Übernahme englischer Konjugationsformen bei Verwendung ursprünglich englischer Verben in deutschen Sätzen. Das Partizip Perfekt von Verben wird manchmal mit der Endung -ed gebildet: geprinted. Dieselbe Endung dringt dann – wohl wegen der Ähnlichkeit zur deutschen Endung -et – vereinzelt auch in die Präsensbildung ein: er printed. * Orthografie und Interpunktion: Benutzung der englischen statt der deutschen Schreibung; zum Beispiel: ** Verwendung der englischen Transkription aus nichtlateinischen Schriften (wie der kyrillischen oder der arabischen), ** Schreibung mit c in Lehnwörtern aus dem Griechischen statt der Verwendung des Kappa aus dem Ursprungswort, so Holocaust statt Holokaust. ** Die Verwendung der englischen Kommasetzung zu den Anglizismen. So gibt es im Englischen beispielsweise keine Kommata vor that-(dass-) und anderen Nebensätzen, wohl aber innerhalb von Hauptsätzen z. B. am Satzanfang nach Adverbialen. Die eindeutige Klassifizierung als Anglizismus ist dabei schwierig. ** Leerzeichen in Komposita (Industrie Museum), vielleicht auch wieder zunehmende Verwendung von Bindestrichen (Industrie-Museum). * Aussprache nicht-englischer Wörter oder Namen auf Englisch (durch Deutsche), zum Beispiel der französischen Wörter Pointe, Relais und Revirement, der ersten Silbe der Wörter Journalist und Journalismus (mit d vorweg, wegen Häufigkeit vom Duden anerkannt) oder des flämischen Ortsnamens Waterloo. Hierher gehört auch die englische Aussprache der Abkürzung IT für Informationstechnik, sogar im deutschen Hörfunk und Fernsehen. * Missverstehen eines gesprochenen französischen Wortes als eines englischen: „Sie hat ein Fabel [statt Faible] für die Nation.“ Ebenso: „Ein Fabel für Regenwürmer soll Charles Darwin gehabt haben.“ * Unidiomatische Formulierungen wie: „Ich denke“ statt „Ich meine/glaube/nehme an“; „Das ist richtig“ statt „Das stimmt / trifft zu“; „Hab eine gute Zeit!“ statt „Viel Spaß!“; „in 2020“ statt „2020 / im Jahr(e) 2020“.
Sprachwissenschaftliche Untersuchungen der Universität Bamberg stellen anhand von Material aus der Zeitung Die Welt eine Zunahme von Anglizismen in der deutschen Sprache fest. So hat sich von 1994 bis 2004 die Verwendung von Anglizismen * bei Substantiven verdoppelt, * die Anzahl der Verben ebenfalls zugenommen, * auch Adjektive sind häufiger geworden, sterben jedoch auch schnell wieder aus. Entgegen der allgemeinen Annahme, dass es beim Sprachkontakt vorwiegend zur Übernahme von Substantiven komme, wurden im untersuchten Zeitraum insgesamt etwa gleich viele Wörter aus jeder dieser drei Wortarten vom Englischen ins Deutsche entlehnt, allerdings bleiben die Substantive durchschnittlich länger im Gebrauch erhalten. Die Anzahl der Anglizismen hat zugenommen; ebenso die Häufigkeit, mit der diese verwendet werden. Klassifiziert man die Anglizismen nach Bereichen, lässt sich feststellen, dass der Bereich „Wirtschaft“ am stärksten gewachsen ist, vor allem im Marketing und Vertrieb (siehe Geml/Lauer, 2008). Einzige Ausnahme bildet der Bereich „Wissenschaft und Technik“, in welchem eine Abnahme um den Faktor 1,6 zu verzeichnen ist. Insgesamt lässt sich festhalten, dass der Gebrauch von Anglizismen in zehn Jahren um den Faktor 1,7 zugenommen hat. Hingegen hat die Entlehnungshäufigkeit im Vergleich zum Zeitraum 1954–1964 abgenommen. Das heißt, es werden mehr Anglizismen verwendet, die Geschwindigkeit der Übernahme hat aber abgenommen. Der Grund hierfür könnte ein Sättigungsprozess sein. In einer weiteren Untersuchung wurde ein großes Textkorpus der Gegenwart (1995–2004) mit insgesamt 381191 Lemmata ausgewertet; darunter wurden 13301 = 3,5 % Anglizismen festgestellt. Das Textkorpus hat einen Umfang von rund 10,3 Millionen Token (= einzelne Wortformen), darunter 52647 = 0,5 % Anglizismen. Von den 13301 Anglizismen sind 12726 (95,68 %) (48190 Token = 91,53 %) Substantive, 307 (2,30 %) (1654 Token = 3,14 %) Adjektive, 255 (1,92 %) (2371 Token = 4,50 %) Verben und 13 (0,10 %) (432 Token = 0,82 %) Adverbien.
Angaben dazu, wann welcher Anglizismus ins Deutsche gelangt ist, kann man vor allem aus Herkunftswörterbüchern (= etymologischen Wörterbüchern) gewinnen. Sie haben den Nachteil, dass sie nur einen Kernbestand des Wortschatzes enthalten, und zwar vor allem den Teil, der etymologisch besonders interessant ist. Es stellt sich also die Frage, ob der Trend der Entlehnungen, der in einem solchen Wörterbuch nachweisbar ist, auch für die Gesamtsprache repräsentativ ist. Dies muss man sich bewusst machen; mangels anderer Möglichkeiten bleibt aber nichts anderes übrig, wenn man sich eine Vorstellung von dem Verlauf der Entlehnungen machen will. Eine solche Untersuchung hat Körner am Beispiel von Duden. Das Herkunftswörterbuch 2001 durchgeführt, indem sie alle Entlehnungen erfasste, für die nach Auskunft dieses Wörterbuchs festgestellt werden kann, in welchem Jahrhundert sie aus welcher Sprache ins Deutsche gelangt sind. Speziell für die aus dem Englischen stammenden Entlehnungen kam Körner zu folgendem Ergebnis: Das Wörterbuch enthält 16781 datierbare Stichwörter, darunter 5244 Entlehnungen (Lehnwörter und Fremdwörter). Unter den Entlehnungen sind 519 datierbare Anglizismen. Man sieht, dass diese Entlehnungen aus dem Englischen erst recht spät einsetzen und dann aber eine erhebliche Dynamik entwickeln. Im 20. Jahrhundert erreichen die Anglizismen 3,1 % des gesamten erhobenen Wortschatzes beziehungsweise 9,9 % der Entlehnungen. Statt die Übernahme von Anglizismen im Deutschen generell zu untersuchen, kann man sich auch auf ihre Ausbreitung in speziellen Bereichen, etwa in bestimmten Presseorganen, konzentrieren. So hat Müller-Hasemann die Zunahme der Anglizismen in der Zeitschrift Der Spiegel für die Zeit 1947–1979 und in den Quelle-Katalogen vom Sommer 1966 – Winter 1980/1981 erhoben. Eine ähnliche Untersuchung hat Gnatchuk am Beispiel der österreichischen KLEINE ZEITUNG durchgeführt und konnte wie schon Müller-Hasemann zeigen, dass auch in diesem Fall der Übernahmeprozess dem Piotrowski-Gesetz entspricht.
Besonders schon vor längerer Zeit entlehnte Wörter haben eine Anpassung der Schreibweise erfahren, etwa Keks gegenüber älterem Cakes. Bei vor allem über den schriftlichen Verkehr übernommenen Anglizismen kann sich die Aussprache bei gleichbleibendem Schriftbild nach deutschen Aussprachegewohnheiten richten; so wird Jute heute im Deutschen gewöhnlich [] ausgesprochen, während ältere Wörterbücher noch die Aussprache [] verzeichnen.
Werden die englischen Einflüsse nicht allgemein akzeptiert, etwa weil sie auf einen Jargon oder die Jugendsprache beschränkt sind, spricht man von Neudeutsch oder abwertend von Denglisch. Eine repräsentative Umfrage über die Verständlichkeit von zwölf gebräuchlichen englischen Werbeslogans für deutsche Kunden ergab im Jahr 2003, dass einige der Slogans von weniger als 10 % der Befragten verstanden wurden. Acht der zwölf untersuchten Unternehmen hätten ihre Werbeslogans seitdem geändert. 2008 störten sich in einer Umfrage der Gesellschaft für deutsche Sprache 39 % der Befragten an Lehnwörtern aus dem Englischen. Die Ablehnung war in den Bevölkerungsgruppen am größten, die Englisch weder sprechen noch verstehen konnten (58 % Ablehnung bei der Gruppe der über 59-Jährigen, 46 % Ablehnung bei ostdeutschen Umfrageteilnehmern). Mitunter wird auch eine unzureichende Kenntnis der englischen Sprache für die Vermischung und den Ersatz bestehender Worte durch Scheinanglizismen verantwortlich gemacht. So sprechen einer Studie der GfK zufolge nur 2,1 Prozent der deutschen Arbeitnehmer verhandlungssicher Englisch. In der Gruppe der unter 30-Jährigen bewerten jedoch über 54 Prozent ihre Englischkenntnisse als gut bis exzellent. Für bessere Sprachkenntnisse könne demzufolge effizienterer Englischunterricht beitragen und statt der Ton-Synchronisation von Filmen und Serien solle eine Untertitelung der englischsprachigen Originale mit deutschem Text erfolgen. Dies würde zugleich zu einer besseren Abgrenzung zwischen den Sprachen und einer Wahrung deutscher Sprachqualität beitragen. Im Dezember 2014 forderte der Europapolitiker Alexander Graf Lambsdorff, neben Deutsch die englische Sprache als Verwaltungs- und später als Amtssprache in Deutschland zuzulassen, um die Bedingungen für qualifizierte Zuwanderer zu verbessern, den Fachkräftemangel abzuwenden und Investitionen zu erleichtern. Einer repräsentativen YouGov-Umfrage zufolge würden es 59 Prozent der Deutschen begrüßen, wenn die englische Sprache in der gesamten Europäischen Union den Status einer Amtssprache erlangen würde. Ähnliche Kritik wie gegenüber den Anglizismen traf bereits ab Ende des 19. Jahrhunderts die aus dem Französischen, Lateinischen oder Griechischen stammenden Begriffe. Vereine wie der Allgemeine Deutsche Sprachverein versuchten im Rahmen des deutschen Sprachpurismus, diese Begriffe durch deutsche zu ersetzen. So sind französische, lateinische oder griechische Fremdwörter durch deutsche Wortschöpfungen ersetzt worden, z. B. Fahrkarte für Billet, Abteil für Coupé und Bahnsteig für Perron. Im Postwesen wurden auf Geheiß Bismarcks vom Generalpostmeister Heinrich von Stephan über 700 französischsprachige Begriffe durch deutsche Neuschöpfungen ersetzt. Zwar war die damalige Öffentlichkeit empört und man verhöhnte ihn als »Generalsprachmeister«, trotzdem sind Begriffe wie eingeschrieben, postlagernd und Empfangsschein heute in den allgemeinen Sprachgebrauch übergegangen und ersetzen die Fremdwörter rekommandiert, poste restante und Rezepisse. Viele Unternehmen setzen Anglizismen in Stellenangeboten bzw. -beschreibungen ein. Kritiker vermuten, dass weniger attraktive Stellen dadurch aufgewertet werden sollen. Häufig verwendete Begriffe sind Area-Manager (weniger als der klassische Abteilungsleiter), Facility-Manager (Hausmeister), Key Account Manager (Betreuer wichtiger Kunden) oder Case Manager (ein Fallbearbeiter, siehe Fallmanagement). Um diese Entwicklung zu karikieren, wird gelegentlich der Euphemismus WC-Manager (Klomann/-frau) genannt. In Frankreich stoßen Lehnwörter und Anglizismen noch stärker auf Kritik und sollen auch durch gesetzgeberische Maßnahmen wie die Loi Toubon eingedämmt werden. Eine aktive Sprachpolitik, wie sie unter anderem in Frankreich und Island betrieben wird, um eine Anreicherung der Sprache mit Anglizismen zu unterbinden, findet in Deutschland seit Mitte des 20. Jahrhunderts nicht mehr statt. Der Sprachwissenschaftler Rudolf Hoberg sah 2013 keine Bedrohung durch Anglizismen. Die deutsche Sprache habe schon immer englische Ausdrücke aufgenommen: „Nach der letzten Duden-Ausgabe haben wir etwa 3,5 Prozent Anglizismen, aber 20 Prozent andere Fremdwörter, über die sich die Leute meistens gar nicht aufregen.“ Ebenso lehnt er gesetzliche Regelungen wie Sprachquoten in Frankreich oder Verfassungsänderungen wie in Österreich ab, die keine Erfolge zeigten. Der Germanist Karl-Heinz Göttert nannte die Aufregung über Anglizismen „komisch“: „Sie machen weniger als zwei Prozent des deutschen Wörterschatzes aus. Da gab und gibt es ganz andere Fremdwortschwemmen. Das Englische selbst hat im Mittelalter ein Drittel aus dem Französischen entlehnt. Und die japanische Sprache hat aus dem Chinesischen 50 Prozent übernommen.“ Sie seien „ein Beweis dafür, dass Nehmersprachen kreativ und nicht knechtisch mit dem Einfluss der Gebersprachen umgehen“. Er wandte sich gegen eine „Leitkultur“ und kritisierte den Sprachpurismus mit den Worten: „Schon Jakob Grimm hat sich deshalb gegen den ärgerlichen Purismus gewendet. Es wäre besser, der Verein Deutsche Sprache würde sich auf die Grimm'sche Tradition besinnen, statt einen Grimm-Preis für Verdienste beim Anglizismen-Kampf zu vergeben.“ Auch rechtsextreme Organisationen wie die NPD stören sich oft an Anglizismen und versuchen beispielsweise das nicht allgemein anerkannte Wort „Weltnetz“ statt „Internet“ zu etablieren.
Auch ins Russische wurden viele Anglizismen übernommen, wie man der Untersuchung von Stuhlpfarrer entnehmen kann, in der er die Daten, die aus zwei Wörterbüchern für die Zeit von 1980 bis 2004 gewonnen wurden, präsentiert: Es wurden also für die Jahre 1980–2004 insgesamt 549 datierbare Übernahmen von Anglizismen ins Russische (Erstvorkommen) beobachtet. Wie schon im Falle der Entlehnungen ins Deutsche folgt auch dieser Prozess dem Piotrowski-Gesetz (Stuhlpfarrer, 104.).
Die Entwicklung des Englischen zur lingua franca im 20. Jahrhundert beeinflusst die meisten Sprachen der Welt. Mitunter werden einzelne Wörter ersetzt oder bei Neuerscheinungen ohne eigene Übersetzung übernommen. Diese Entwicklung wird vor allem dann skeptisch betrachtet, wenn es genügend Synonyme in der Landessprache gibt. Kritiker merken auch an, es handle sich häufig (beispielsweise bei Handy im Deutschen) um Scheinanglizismen. In Frankreich gab es eine kulturpolitische Diskussion, die 1994 in ein „Gesetz betreffend den Gebrauch der französischen Sprache“ (Loi Toubon) führte.
* Broder Carstensen, Ulrich Busse: Anglizismen-Wörterbuch: der Einfluss des Englischen auf den deutschen Wortschatz nach 1945. De Gruyter, Berlin / New York, NY 2001, ISBN 3-11-012854-3. * Peter Eisenberg: Anglizismen im Deutschen. In: Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung, Union der deutschen Akademien der Wissenschaften (Hrsg.): Reichtum und Armut der deutschen Sprache. Erster Bericht zur Lage der deutschen Sprache. De Gruyter, Berlin / Boston, MA 2013, Seiten 57–119, ISBN 978-3-11-033462-3. * Sabine Fiedler: „Gläserne Decke“ und „Elefant im Raum“ – Phraseologische Anglizismen im Deutschen. Logos, Berlin 2014. * Sabine Fiedler: „Phraseological borrowing from English into German: Cultural and pragmatic implications“, in: Journal of Pragmatics 113 (2017), S. 89–102. * Cristiano Furiassi und Henrik Gottlieb (Hrsg.): Pseudo-English – Studies on False Anglicisms in Europe. De Gruyter, Berlin / Boston / München 2015, ISBN 978-1-61451-671-2. * Richard Glahn: Der Einfluss des Englischen auf gesprochene deutsche Gegenwartssprache. Eine Analyse öffentlich gesprochener Sprache am Beispiel von „Fernsehdeutsch“. 2., durchgesehene Aufl., Peter Lang, Frankfurt am Main 2002, ISBN 3-631-38955-8. * Manfred Görlach: Dictionary of European Anglicisms. Oxford 2001, ISBN 0-19-823519-4. * Myriam Grobe (Hrsg.): Der Anglizismen-Index. Herausgegeben in Verbindung mit dem Verein Deutsche Sprache, dem Sprachkreis Deutsch, Bern, und dem Verein Muttersprache. Paderborn 2015. * Andreas H. Jucker/Rudolf Muhr (Hrsg.): Eurospeak. Der Einfluss des Englischen auf europäische Sprachen zur Jahrtausendwende (= Österreichisches Deutsch - Sprache der Gegenwart, Bd. 1). Lang, Frankfurt/M. 2002, ISBN 3-631-39694-5. * Ryszard Lipczuk: Anglizismen in Fremd- und Verdeutschungswörterbüchern. In: M. Kotin, E. Kotorova: Geschichte und Typologie der Sprachsysteme. History and Typology of Language Systems, Universitätsverlag, Heidelberg 2011, S. 377-385, ISBN 978-3-8253-5879-2. * Rudolf Muhr: Anglizismus. In: Gert Ueding (Hrsg.): Historisches Wörterbuch der Rhetorik. WBG, Darmstadt 1992ff, Band 10 (2011), Sp. 37–45. * Nicole Plümer: Anglizismus – Purismus – Sprachliche Identität. Eine Untersuchung zu den Anglizismen in der deutschen und französischen Mediensprache. Peter Lang, Frankfurt am Main 2000, ISBN 3-631-36075-4 (Dissertation Uni Münster (Westfalen), philosophische Fakultät, 1999). * Peter Schlobinski: Anglizismen im Internet. in: Networx, Nr. 14, 2000, (PDF; kostenlos, 28 Seiten, 983 kB). * Jan Georg Schneider: Von free-floatendem Kapital, Hardlinern und Instructions. Linguistische Anmerkungen zur populären Anglizismenkritik. In: Verein Lingua et opinio e. V. (LeO) (Hrsg.): Studentische Zeitschrift für Sprache und Kommunikation. 19. Dezember 2006 . * Wolfgang Schweickard: Glanz und Elend der Sprachpflege: der Umgang mit Anglizismen in Frankreich, Italien und Deutschland, in: Wolfgang Dahmen u. a. (Hrsg.): Englisch und Romanisch. Romanistisches Kolloquium XVIII, (= Tübinger Beiträge zur Linguistik, Band 486), Narr, Tübingen 2005, S. 177–191, ISBN 978-3-8233-6133-6. * Jürgen Spitzmüller: Metasprachdiskurse: Einstellungen zu Anglizismen und ihre wissenschaftliche Rezeption. De Gruyter, Berlin/New York 2005, ISBN 978-3-11-018458-7. * Stefan Zenklusen: Leitsprache Anglotumbdeutsch. In: (ders.): Im Archipel Coolag. wvb, Berlin 2006, ISBN 3-86573-164-3; gekürzt in: Zeitschrift für kritische Theorie, Nr. 26/27, Jahrgang 2008, S. 191f, ISBN 978-3-86674-034-1 / .
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Astronom
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, einer der Väter der modernen Astronomie (hier durch häufige Sonnenbeobachtung schon fast erblindet). Porträt J.Sustermans 1636 Ein Astronom oder eine Astronomin (von ástron ‚Stern, Gestirn‘ und nómos ‚Gesetz‘) ist eine (meist akademisch gebildete) Person, die sich wissenschaftlich mit der Astronomie beschäftigt.
Beschränkt man den Begriff Astronom auf jene Wissenschaftler, die sich hauptberuflich der Astronomie widmen, dann sind meist zwei der folgenden Tätigkeiten Gegenstand des Berufs: * wissenschaftliche Forschung auf dem Gebiet Astronomie, insbesondere in der Astrophysik, Astrometrie, Kosmologie oder im Bereich des Planetensystems beziehungsweise der Raumfahrt ** Die Arbeit kann im Beobachten bestehen, in deren Analyse. * Lehrtätigkeit an einer Universität als Hochschulprofessor oder -assistent. * Entwicklung von Messinstrumenten oder Computerprogrammen. * Leitung und/oder Verwaltung von Einrichtungen für Forschung und Entwicklung bzw. von großen Projekten – etwa bei der ESA oder NASA. Der Beruf des Fachastronomen setzt im Regelfall ein Hochschulstudium der Astronomie oder verwandter Naturwissenschaften voraus, etwa ein Diplom der Physik oder Astronomie (nur in Österreich), manchmal auch Studienabschlüsse aus Mathematik, Geodäsie, Aeronautik und anderen. Das Verfassen einer Dissertation schließt sich in den meisten Fällen an, denn die abgeschlossene Promotion gilt oft als Einstellungsvoraussetzung.
Das Berufsbild des Astronomen hat sich immer wieder gewandelt. In der Vergangenheit beobachteten modernere Astronomen überwiegend den Himmel mittels optischer Teleskope an Sternwarten. Heute arbeiten die meisten Astronomen an sehr spezialisierten Fragestellungen und überwiegend am Computer. Sie verwenden elektromagnetische Signale aus allen Wellenlängenbereichen, von der kurzwelligen Gammastrahlung bis zu den längsten Radiowellen. Viele Messdaten werden auch über das Internet verbreitet – insbesondere bei regelmäßigen internationalen Messkampagnen wie im IVS – beziehungsweise vom Netz übernommen. Daher arbeiten Astronomen heute kaum mehr am Fernrohr selbst, sondern nur einen vergleichsweise kurzen Teil ihrer Arbeitszeit in den Kontrollräumen der Sternwarten. Die dort gewonnenen Daten werden meist außerhalb der Nachtdienste ausgewertet und aufbereitet. Immer mehr gewinnt das so genannte „service mode observing“ (Beobachtung auf Abruf) an Bedeutung: es werden nur Beobachtungsziel und -art angegeben werden, während die Beobachtungen unabhängig oder automatisiert an den Teleskopen beziehungsweise von Erdsatelliten durchgeführt werden.
Da viele Studenten des Faches später auf anderen Gebieten arbeiten, hängt es von ihrem Selbstverständnis ab, ob sie sich auch weiterhin als Astronom bezeichnen. Inwieweit wissenschaftlich tätige Amateurastronomen als Astronomen im eigentlichen Sinn zu nennen sind, ist ebenfalls offen. Besonders in früheren Jahrhunderten ist eine Trennung zwischen Fachastronom und Amateur wenig zweckmäßig, wie etwa das Beispiel von Wilhelm Olbers zeigt. Da die Astronomie nach wie vor eine Wissenschaft ist, die auch im professionellen Bereich von einzelnen und kleinen Forschungsgruppen geprägt ist, haben auch Amateure mit der entsprechenden Begabung und Ausrüstung die Möglichkeit, mitzuwirken. Amateure sind oft dort erfolgreich, wo eine kontinuierliche Beobachtung notwendig ist, aber wegen der Kosten durch Großteleskope kaum professionell machbar ist, etwa die Asteroiden- und Kometenüberwachung oder auf dem Gebiet veränderlicher Sterne sowie der Astrometrie.
Die Zeiten des „astronomischen Schlafmangels“, über die auch berühmte Astronomen manchmal in ihren Briefen oder Berichten geklagt haben, sind größtenteils vorüber. Moderne Sternwarten sind meistens mit Technologien ausgerüstet, die ein gewisses Maß an Fernbedienung erlauben oder sogar international anbieten, wie z. B. einige Observatorien auf Hawaii oder ESO-Sternwarten wie in Chile. Da visuelle Messungen oder Kontrollen nun selten erforderlich sind und elektro-optische Sensoren grundsätzlich auch eine Funktionskontrolle über EDV oder über das Internet erlauben, werden durchgehend nächtliche Arbeitszeiten zunehmend seltener.
* Liste von Astronomen (eine weibliche Astronomen ausschließende Liste) * Liste von Astronominnen * Physiker, Mathematiker * Geschichte der Astronomie
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Alan Turing
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Das von ihm entwickelte Berechenbarkeitsmodell der Turingmaschine bildet eines der Fundamente der Theoretischen Informatik. Während des Zweiten Weltkrieges war er maßgeblich an der Entzifferung der mit der deutschen Rotor-Chiffriermaschine Enigma verschlüsselten deutschen Funksprüche beteiligt. Der Großteil seiner Arbeiten blieb auch nach Kriegsende unter Verschluss. Turing entwickelte 1953 eines der ersten Schachprogramme, dessen Berechnungen er mangels Hardware selbst vornahm. Nach ihm benannt sind der Turing Award, die bedeutendste Auszeichnung in der Informatik, sowie der Turing-Test zum Überprüfen des Vorhandenseins von künstlicher Intelligenz. Im März 1952 wurde Turing wegen seiner Homosexualität, die damals noch als Straftat verfolgt wurde, zur chemischen Kastration verurteilt. Turing erkrankte in Folge der Hormonbehandlung an einer Depression und starb etwa zwei Jahre später durch Suizid. Im Jahr 2009 sprach der britische Premierminister Gordon Brown eine offizielle Entschuldigung im Namen der Regierung für die „entsetzliche Behandlung“ Turings aus und würdigte dessen „außerordentliche Verdienste“ während des Krieges. Noch 2011 wurde eine Begnadigung trotz einer Petition abgelehnt. 2013, am Weihnachtsabend, sprach Königin Elisabeth II. postum ein „Royal Pardon“ (Königliche Begnadigung) aus.
Alan Turings Vater, Julius Mathison Turing, war britischer Beamter beim Indian Civil Service. Er und seine Frau Ethel Sara Turing (geborene Stoney) wünschten, dass ihre Kinder in Großbritannien aufwüchsen. Deshalb kehrte die Familie vor Alans Geburt aus Chhatrapur, damals Britisch-Indien, nach London-Paddington zurück, wo Alan Turing am 23. Juni 1912 zur Welt kam. Da der Staatsdienst seines Vaters noch nicht beendet war, reiste dieser im Frühjahr 1913 erneut nach Indien, wohin ihm seine Ehefrau im Herbst folgte. Turing und sein älterer Bruder John wurden nach St Leonards-on-the-Sea, Hastings, in die Familie eines pensionierten Obersts und dessen Frau in Pflege gegeben. In der Folgezeit pendelten die Eltern zwischen England und Indien, bis sich Turings Mutter 1916 entschied, längere Zeit in England zu bleiben, und die Söhne wieder zu sich nahm. Schon in früher Kindheit zeigte sich die hohe Begabung und Intelligenz Turings. Es wird berichtet, dass er sich innerhalb von drei Wochen selbst das Lesen beibrachte und sich schon früh zu Zahlen und Rätseln hingezogen fühlte. Turings Drang zur Naturwissenschaft traf bei seinen Lehrern in Sherborne auf wenig Gegenliebe; sie setzten eher auf Geistes- als auf Naturwissenschaften. Trotzdem zeigte Turing auch weiterhin bemerkenswerte Fähigkeiten in den von ihm geliebten Bereichen. So löste er für sein Alter fortgeschrittene Aufgabenstellungen, ohne zuvor irgendwelche Kenntnisse der elementaren Infinitesimalrechnung erworben zu haben. Im Jahr 1928 stieß Turing auf die Arbeiten Albert Einsteins. Er verstand sie nicht nur, sondern entnahm einem Text selbständig Newtons Bewegungsgesetz, obwohl dieses nicht explizit erwähnt wurde.
Turings Widerstreben, für Geisteswissenschaften genauso hart wie für Naturwissenschaften zu arbeiten, hatte zur Folge, dass er einige Male durch die Prüfungen fiel. Weil dies seinen Notendurchschnitt verschlechterte, musste er 1931 auf ein College zweiter Wahl gehen, das King’s College, Cambridge, entgegen seinem Wunsch, am Trinity College zu studieren. Er studierte von 1931 bis 1934 unter Godfrey Harold Hardy (1877–1947), einem renommierten Mathematiker, der den Sadleirian Chair in Cambridge innehatte, das zu der Zeit ein Zentrum der mathematischen Forschung war. : abstraktes Modell eines Rechners, der mit nur drei Operationen (lesen, schreiben und Kopf bewegen) sämtliche berechenbare Probleme lösen kann In seiner für diesen Zweig der Mathematik grundlegenden Arbeit On Computable Numbers, with an Application to the “Entscheidungsproblem” (28. Mai 1936) formulierte Turing die Ergebnisse Kurt Gödels von 1931 neu. Er ersetzte dabei Gödels universelle, arithmetisch-basierte formale Sprache durch einen einfachen gedanklichen Mechanismus, eine abstrakt-formale Zeichenketten verarbeitende mathematische Maschine, die heute unter dem Namen Turingmaschine bekannt ist. („Entscheidungsproblem“ verweist auf eines der 23 wichtigsten offenen Probleme der Mathematik des 20. Jahrhunderts, vorgestellt von David Hilbert 1900 auf dem 2. Internationalen Mathematiker-Kongress in Paris [„Hilbertsche Probleme“].) Turing bewies, dass solch ein Gerät in der Lage ist, „jedes vorstellbare mathematische Problem zu lösen, sofern dieses auch durch einen Algorithmus gelöst werden kann“. Turingmaschinen sind bis zum heutigen Tag einer der Schwerpunkte der Theoretischen Informatik, nämlich der Berechenbarkeitstheorie. Mit Hilfe der Turingmaschine gelang Turing der Beweis, dass es keine Lösung für das „Entscheidungsproblem“ gibt. Er zeigte, dass die Mathematik in gewissem Sinne unvollständig ist, weil es allgemein keine Möglichkeit gibt, festzustellen, ob eine beliebige, syntaktisch korrekt gebildete mathematische Aussage beweisbar oder widerlegbar ist. Dazu bewies er, dass das Halteproblem für Turingmaschinen nicht lösbar ist, d. h., dass es nicht möglich ist, algorithmisch zu entscheiden, ob eine Turingmaschine, angesetzt auf eine Eingabe (initiale Bandbelegung), jemals zum Stillstand kommen wird, das heißt die Berechnung terminiert. Turings Beweis wurde erst nach dem von Alonzo Church (1903–1995) mit Hilfe des Lambda-Kalküls geführten Beweis veröffentlicht; unabhängig davon ist Turings Arbeit beträchtlich einfacher und intuitiv zugänglich. Auch war der Begriff der „Universellen (Turing-) Maschine“ neu, einer Maschine, welche jede beliebige andere Turing-Maschine simulieren kann. Die Eingabe für diese Maschine ist also ein kodiertes Programm, das von der universellen Maschine interpretiert wird, und der Startwert, auf den es angewendet werden soll. Alle bis heute definierten Berechenbarkeitsbegriffe haben sich (bis auf die Abbildung von Worten auf Zahlen und umgekehrt) als äquivalent erwiesen. 1938 und 1939 verbrachte Turing zumeist an der Princeton University und studierte dort unter Alonzo Church. 1938 erwarb er den Doktorgrad in Princeton. Seine Doktorarbeit führte den Begriff der „Hypercomputation“ ein, bei der Turingmaschinen zu sogenannten Orakel-Maschinen erweitert werden. So wurde das Studium von nicht-deterministisch lösbaren Problemen ermöglicht.
Nach seiner Rückkehr nach Cambridge im Jahr 1939 besuchte Turing Vorlesungen des österreichisch-britischen Philosophen Ludwig Wittgenstein (1889–1951) über die Grundlagen der Mathematik. Die Vorlesungen wurden Wort für Wort aus den Notizen der Studenten rekonstruiert, einschließlich Zwischenrufe von Turing und anderen Studenten. Die beiden diskutierten und stritten vehement: Turing verteidigte den mathematischen Formalismus, während Wittgenstein der Meinung war, dass Mathematik überbewertet sei und keine absolute Wahrheit zutage bringen könne.
Während des Zweiten Weltkriegs war Turing einer der herausragenden Wissenschaftler bei den erfolgreichen Versuchen in Bletchley Park (B.P.), verschlüsselte deutsche Funksprüche zu entziffern. Er steuerte einige mathematische Modelle bei, um sowohl die Enigma (siehe auch: Letchworth-Enigma) als auch die Lorenz-Schlüsselmaschine (siehe auch: Turingery) zu brechen. Die Einblicke, die Turing bei der Kryptoanalyse der Fish-Verschlüsselungen gewann, halfen später bei der Entwicklung des ersten digitalen, programmierbaren elektronischen Röhrencomputers ENIAC. Konstruiert von Max Newman und seinem Team und gebaut in der Post Office Research Station in Dollis Hill von einem von Tommy Flowers angeführten Team im Jahr 1943, entzifferte Colossus die Lorenz-Maschine. Auch konzipierte Turing die nach ihm benannten Bombes. Sie waren Nachfolgerinnen der von dem Polen Marian Rejewski entwickelten Bomba und dienten zur Ermittlung der Schlüssel von Enigma-Nachrichten. Dabei handelte es sich um ein elektromechanisches Gerät, das im Prinzip mehrere Enigma-Maschinen beinhaltete und so in der Lage war, viele mögliche Schlüsseleinstellungen der Enigma-Nachrichten durchzutesten und zu eliminieren, bis eine mögliche Lösung gefunden war (Reductio ad absurdum; ). Turings Mitwirkung als einer der wichtigsten Codeknacker bei der Entzifferung der Enigma war bis in die 1970er Jahre geheim; nicht einmal seine engsten Freunde wussten davon. Die Entzifferung geheimer deutscher Funksprüche war eine kriegsentscheidende Komponente für den Sieg der Alliierten im U-Boot-Krieg und im Afrikafeldzug.
Von 1945 bis 1948 war Turing im National Physical Laboratory in Teddington tätig, wo er am Design der ACE (Automatic Computing Engine) arbeitete. Der Name der Maschine ist abgeleitet von der Analytical Engine des Mathematikers Charles Babbage, dessen Werk Turing zeitlebens bewunderte. Ab 1948 lehrte Turing an der Universität Manchester und wurde im Jahr 1949 stellvertretender Direktor der Computerabteilung. Hier arbeitete er an der Software für einen der ersten echten Computer, den Manchester Mark I, und gleichzeitig weiterhin verschiedenen theoretischen Arbeiten. In Computing machinery and intelligence (Mind, Oktober 1950) griff Turing die Problematik der künstlichen Intelligenz auf und schlug den Turing-Test als Kriterium vor, ob eine Maschine dem Menschen vergleichbar denkfähig ist. Da der Denkvorgang nicht formalisierbar ist, betrachtet der Test nur die Antworten einer Maschine im Dialog mit einem Menschen, d. h. das kommunikative Verhalten der Maschine. Wenn dieses von einem menschlichen Verhalten nicht unterscheidbar erscheint, soll von maschineller Intelligenz gesprochen werden. Er beeinflusste durch die Veröffentlichung die Entwicklung der künstlichen Intelligenz maßgeblich. 1952 schrieb er das Schachprogramm Turochamp. Da es keine Computer mit ausreichender Leistung gab, um es auszuführen, übernahm Turing dessen Funktion und berechnete jeden Zug selbst. Dies dauerte bis zu 30 Minuten pro Zug. Das einzige schriftlich dokumentierte Spiel verlor er gegen einen Kollegen.
Von 1952 bis zu seinem Tod 1954 arbeitete Turing an mathematischen Problemen der theoretischen Biologie. Er veröffentlichte 1952 eine Arbeit zum Thema The Chemical Basis of Morphogenesis. In diesem Artikel wurde erstmals ein Mechanismus beschrieben, wie Reaktions-Diffusions-Systeme spontan Strukturen entwickeln können. Dieser als Turing-Mechanismus bekannte Prozess steht noch heute im Mittelpunkt vieler chemisch-biologischer Strukturbildungstheorien. Turings weiteres Interesse galt dem Vorkommen der Fibonacci-Zahlen in der Struktur von Pflanzen. Spätere Arbeiten blieben bis zur Veröffentlichung seiner gesammelten Werke 1992 unveröffentlicht.
1952 half der 19-jährige Arnold Murray, zu dem Turing eine gleichgeschlechtliche Beziehung hatte, einem Komplizen dabei, in Turings Haus einzubrechen. Turing meldete daraufhin einen Diebstahl bei der Polizei, die ihm als Folge der Ermittlungen eine sexuelle Beziehung zu Murray vorwarf. Da homosexuelle Handlungen zu dieser Zeit in England – wie in den meisten anderen Ländern – strafbar waren, wurde Turing wegen „grober Unzucht und sexueller Perversion“ angeklagt. Turing sah keinen Anlass, sich wegen dieser Vorwürfe zu rechtfertigen. Nach seiner Verurteilung zu einer Gefängnisstrafe wurde er vor die Wahl gestellt, die Haftstrafe anzutreten oder – da zu seiner Zeit Homosexualität von weiten Teilen der Psychiatrie als Krankheit angesehen wurde – sich behandeln zu lassen. Er entschied sich für die ärztliche Behandlung, zu der auch eine medikamentöse Behandlung mit dem Hormon Östrogen gehörte. Diesem wurde eine triebhemmende Wirkung zugeschrieben. Die Behandlung dauerte ein Jahr und führte zu Nebenwirkungen wie der Vergrößerung der Brustdrüse. Auch wenn er seine körperlichen Veränderungen mit Humor kommentierte, muss die Verweiblichung seiner Konturen den sportlichen Läufer und Tennisspieler schwer getroffen haben. Turing erkrankte an einer Depression. Im Herbst 1952 begann Turing seine Therapie bei dem aus Berlin stammenden und seit 1939 in Manchester lebenden Psychoanalytiker Franz Greenbaum. Dieser war ein Anhänger C. G. Jungs und war ihm von Freunden als für seinen Fall verständnisvoll empfohlen worden. Turing entwickelte auch ein freundschaftliches Verhältnis zur Familie Greenbaum, die er auch privat besuchte. 1954 starb Turing im Alter von 41 Jahren, wahrscheinlich entsprechend der offiziellen Feststellung durch Suizid, an einer Cyanidvergiftung. Dem Anschein nach von einem vergifteten Apfel herrührend, den man halb aufgegessen neben ihm auffand. Die Ermittler versäumten es jedoch, den Apfel auf Gift untersuchen zu lassen. Es wird berichtet, dass Turing seit 1938, nachdem er den Film Schneewittchen und die sieben Zwerge gesehen hatte, immer wieder die Verse Dip the apple in the brew / Let the sleeping death seep through (In der deutschen Version: „Tauch den Apfel tief hinein / bis das Gift wird in ihm sein.“) sang. Der These, dass Turings Tod ein Unfall im Zusammenhang mit einem chemischen Versuch war, wird von Andrew Hodges, einem seiner Biographen, entschieden widersprochen. Unter seinen Biographen ist die Annahme verbreitet, die Auswirkungen der Hormonbehandlung seien die Hauptursache für den Suizid gewesen.
Ab etwa den späten 2000er Jahren unternahmen britische Bürger eine Reihe von öffentlichkeitswirksamen Aktivitäten, um das von Turing erlittene Unrecht bekannt zu machen und seine formale Rehabilitierung zu erreichen, also einen Widerruf oder eine Aufhebung des damaligen Urteils. Dies führte im Jahr 2013 zum Erfolg. Im Jahr 2009 unterzeichneten rund 30.000 Briten eine bei der Regierung eingereichte Online-Petition, in der eine postume Entschuldigung von der britischen Regierung gefordert wurde. Am 10. September 2009 veröffentlichte der damalige britische Premierminister Gordon Brown eine Erklärung, in der er im Namen der britischen Regierung die Verfolgung Turings bedauerte und seinen außerordentlichen Beitrag während des Zweiten Weltkriegs würdigte. Dabei spielte er auch auf den strategischen Vorteil der Alliierten durch die Entschlüsselung der „Enigma“ an und unterstrich deren Bedeutung: Da die Strafverfolgung seiner sexuellen Ausrichtung damals gesetzeskonform war, wurde eine nachträgliche Aufhebung der Verurteilung Turings zunächst von offizieller Seite als unmöglich dargestellt. Noch 2012 weigerte sich die Regierung von Browns Nachfolger David Cameron, 49.000 Homosexuelle, die nach dem Criminal Law Amendment Act von 1885 verurteilt worden waren, postum zu rehabilitieren. Im Jahr 2013 wurde bekannt, dass die britische Regierung nun doch die Absicht habe, Turing zu rehabilitieren. Das Oberhausmitglied John Sharkey beantragte dies. Das konservative Mitglied des Oberhauses Tariq Ahmad kündigte die Zustimmung der Regierung an. Der Liberaldemokrat Sharkey hatte in den 1960er Jahren in Manchester Mathematik bei Turings einzigem Doktoranden Robin Gandy studiert. Eine dritte Lesung des Antrags beraumte die Regierung für Ende Oktober an. Am 24. Dezember 2013 wurde Alan Turing durch ein allein dem Monarchen zustehendes besonderes Gnadenrecht begnadigt, das sogenannte Royal Pardon. Justizminister Chris Grayling hatte diese Begnadigung bei Elisabeth II. beantragt. Turing gilt damit auch als offiziell rehabilitiert. Im April 2016 entschuldigte sich Robert Hannigan, der damalige Leiter des britischen Geheimdienstes GCHQ, für die Behandlung von Homosexuellen durch seine Institution und bezog dies ausdrücklich auch auf Alan Turing.
Anfang 2015 verlangten Mitglieder der Familie Alan Turings unter weiterer, teils prominenter Unterstützung (Stephen Fry, Turing-Darsteller Benedict Cumberbatch) in einer Petition an das britische Parlament die Rehabilitierung auch aller anderen der in England unter den Homosexuellen-Gesetzen Verurteilten. Die Petition wurde von ca. 500.000 Personen unterschrieben und sollte von Turings Großneffen Nevil Hunt und der Großnichte Rachel Barns überreicht werden. Am 21. Oktober 2016 lehnte das britische Parlament einen Gesetzesentwurf ab, der eine Rehabilitierung in Form einer generellen Rehabilitierung aller lebenden, früher für Homosexualität verurteilten Personen vorsah. Dieser Gesetzesentwurf ging einigen zu weit, anderen nicht weit genug. Am 31. Januar 2017 wurde von Königin Elisabeth II. ein Gesetz in Kraft gesetzt, das aufbauend auf der Begnadigung von Turing allen Männern die Strafe aufhebt, falls zu dem Zeitpunkt beide über 16 Jahre alt waren, als sie den geahndeten Akt in gegenseitigem Einvernehmen vollzogen. Ausgenommen sind weiterhin Verurteilungen wegen homosexueller Handlungen in öffentlichen Toiletten. Das Gesetz schließt auch bereits verstorbene Personen ein. Ein noch lebender Betroffener kann beantragen, dass die Strafe aus seiner polizeilichen Führungsakte gestrichen wird, und Historiker können darauf hinweisen, dass eine Verurteilung verstorbener Personen nach geltendem Recht ungültig ist. Das Gesetz, das von Justizminister Sam Gyimah als „Turings Gesetz“ bezeichnet wurde, ist eine Ergänzung zum Policing and Crime Act und nimmt keinen Bezug auf andere Gesetze, unter denen homosexuelle Handlungen verfolgt werden konnten. Von Michael Cashman, einem der Initiatoren des Gesetzes, wurden jedoch weitere Vereinbarungen abgesichert, die einen entsprechend umfassenden Straferlass für alle homosexuellen Handlungen ermöglichen.
Am 23. Juni 1998, der Turings 86. Geburtstag gewesen wäre, wurde eine Blaue Plakette (English Heritage Blue Plaque) an seinem Geburtshaus in Warrington Crescent, London, enthüllt. Am 2. März 1999 wurde der Asteroid (10204) Turing nach ihm benannt. Eine Turing-Statue wurde am 23. Juni 2001 in Manchester enthüllt. Sie steht im Sackville Park, zwischen den wissenschaftlichen Gebäuden der Universität Manchester und dem bei Homosexuellen beliebten Viertel der Canal Street. An seinem 50. Todestag, dem 7. Juni 2004, wurde zum Gedenken an Turings frühzeitigen Tod eine Tafel an seinem früheren Haus „Hollymeade“ in Wilmslow enthüllt. Der Turing Award wird jährlich von der Association for Computing Machinery an Personen verliehen, die bedeutende Beiträge zur Informatik geleistet haben. Er wird weithin als „Nobelpreis“ der Informatik angesehen. Der Bletchley Park Trust hat am 19. Juni 2007 eine Statue Turings in Bletchley Park enthüllt. Die Skulptur wurde von Stephen Kettle gestaltet, der als Material für sein Kunstwerk walisischen Schiefer verwendete. Im „Turing-Jahr 2012“ fanden zu Alan Turings hundertstem Geburtstag weltweit Veranstaltungen zur Würdigung seiner Leistungen und zum Gedenken daran statt. Im Jahr 2014 wurde er in die Hall of Honor (Ehrenhalle) des US-Geheimdienstes NSA (National Security Agency) aufgenommen. Am 15. Juli 2019 kündigte der Gouverneur der Bank of England, Mark Carney, eine 50-Pfund-Note mit Turings Bildnis für 2021 an. Am 25. März 2021 wurde sie erstmals herausgegeben. An diesem Tag hisste die Bank of England die Regenbogenfahne statt wie üblich die britische Nationalflagge. Die Banknote ist neben Turings Bild mit einem Zitat von ihm versehen: “This is only a foretaste of what is to come, and only the shadow of what is going to be.” Das 2021 etablierte Programm der britischen Regierung zur Förderung des Auslandsstudiums, das nach dem Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU die Beteiligung am Erasmus-Programm ersetzen soll, ist nach Alan Turing benannt. im Bahnhof von Swansea Am 26. Mai 2022 wurde ein Triebzug von Great Western Railway (800 008) während einer Zeremonie im Bahnhof London Paddington zu Ehren von Alan Turing benannt. Die Taufe des Zuges wurde von seinen Nichten Janet Robinson und Inagh Payne durchgeführt. Dieser Zug weist außerdem an beiden Enden eine Regenbogen-Lackierung zu Ehren der LGBTQ-Community auf.
* Alan Turing war ein hervorragender Langstreckenläufer. Von 1946 an startete er bei Wettkämpfen für den Walton Athletic Club. Bei den englischen Meisterschaften im Marathon 1947 wurde er Fünfter in 2:46:03 h, nur gut fünf Minuten langsamer als die Zeit, mit der sich Stan Jones beim Polytechnic Marathon des folgenden Jahres (bei dem Turing verletzt fehlte) als dritter britischer Mann hinter Jack Holden und Tom Richards für den Marathon der Olympischen Spiele 1948 in London qualifizierte. 1950 musste Turing wegen einer Beinverletzung seine Sportkarriere beenden. * Angeblich hat sich Apple beim Design seines Logos, eines angebissenen Apfels (ursprünglich in Regenbogenfarben), vom Tod des Computerpioniers Turing inspirieren lassen. Diese Annahme wurde jedoch von Steve Jobs mit den Worten widerlegt, dass er wünschte, damals daran gedacht zu haben, es aber nicht habe. Apple hatte die Legende im Sinn, nach der Isaac Newton zu seiner Gravitationstheorie inspiriert worden sein soll, als ihm ein Apfel auf den Kopf fiel. Der Logo-Designer Rob Janoff meinte, der Biss sei lediglich als Größenmaßstab hinzugefügt worden, um etwa eine Verwechslung mit einer Kirsche auszuschließen. * In seinen Lebenserinnerungen berichtet der Computerpionier Heinz Billing vom Max-Planck-Institut für Physik (München), dass sich Alan Turing und Konrad Zuse 1947 in Göttingen getroffen hätten. In Form eines Kolloquiums befragten damals britische Fachleute (neben Turing u. a. John R. Womersley und Arthur Porter) deutsche Wissenschaftler wie Zuse, Billing, Alwin Walther und Helmut Schreyer. * 2012 wurde im Heinz Nixdorf MuseumsForum in Paderborn zu Ehren von Turing ein einjähriger Zyklus von Ausstellungen unter dem Titel Genial & Geheim gezeigt. * Berichte von Bekannten über ihn sind teilweise skurril: Er habe seine Teetasse immer mit einem Fahrradschloss an seine Heizung gekettet und sei mit zweckentfremdeter Gasmaske Fahrrad gefahren, um sich beim Radfahren vor Heuschnupfen zu schützen. Bewohner des Örtchens Bletchley erschraken darüber und glaubten bei seinem Anblick an einen deutschen Giftgasangriff. * Am Institut für Informatik der Universität Münster wurden gegen Ende des ersten Jahrzehnts der 2000er Jahre von Achim Clausing zwei Originaldrucke der bedeutendsten Veröffentlichungen Turings im Nachlass von Heinrich Scholz entdeckt, wovon eine seit 1945 verschollen gewesen war. Es handelt sich um die Arbeit On Computable Numbers, with an Application to the „Entscheidungsproblem“ von 1936, die Scholz noch im selben Jahr mit einer Postkarte von Turing erbeten hatte. Bei Sotheby’s wurden vergleichbare Drucke Turings, die keine Widmung aufwiesen, für 180.000 Euro versteigert. * 2017 wurde eine bis dahin unbekannte Sammlung von 147 Briefen von Turing entdeckt. Eine weitere Sammlung mit 141 Briefen wurde darüber hinaus im selben Jahr in einem Aktenschrank in einem Lagerraum der Universität Manchester aufgefunden. Die Briefe stammen aus den Jahren 1949 bis 1954. Die an der Universität Manchester entdeckten Briefe behandeln überwiegend seine Forschungsarbeit und wurden vom Archiv der Universität übernommen; sie sind im Internet einsehbar. * Der Entwickler für Grafikprozessoren Nvidia hat die Mikroarchitektur der GeForce-16-Serie und der GeForce-20-Serie nach Turing benannt.
* David J. Bolter: Turing’s Man. Western Culture in the Computer Age. University of South Carolina Press, Chapel Hill 1984, ISBN 0-8078-4108-0. * S. Barry Cooper, Jan van Leeuwen (Hrsg.): Alan Turing: His Work and Impact. Elsevier, New York NY 2013, ISBN 978-0-12-386980-7. * Jack Copeland, Jonathan Bowen, Mark Sprevak u. Robin Wilson (Hrsg.): The Turing Guide. Oxford University Press, Oxford 2017, ISBN 978-0-19-874783-3. * Juliet Floyd, Alisa Bokulich (Hrsg.): Philosophical Explorations of the Legacy of Alan Turing. Turing 100. Springer, Berlin 2017, ISBN 978-3-319-53280-6 (= Boston Studies in the History of Science 324). * Christian Vater: Turings Maschinen. Eine Problemstellung zwischen Wissenschafts- und Technikgeschichte. Manutius, Heidelberg 2023, ISBN 978-3-944512-35-8 (= Dissertationsschrift Universität Heidelberg, mit ausführlicher Bibliographie).
* George Dyson: Turing’s Cathedral. The Origins of the Digital Universe. Pantheon, New York 2012, ISBN 978-0-375-42277-5. ** Turings Kathedrale: Die Ursprünge des digitalen Zeitalters. Propyläen Verlag, Berlin 2014, ISBN 978-3-549-07453-4. * Francis Harry Hinsley, Alan Stripp: Codebreakers – The inside story of Bletchley Park. Oxford University Press, Reading 1993, ISBN 0-19-280132-5. * Douglas R. Hofstadter: Besprechung von Alan Turing: The Enigma, in: ad libitum, Sammlung Zerstreuung, Nr. 18, S. 151–213, Volk und Welt, Berlin, 1990. Aus dem Amerikanischen. * Andrew Hodges: Alan Turing – The Enigma. Burnett Books, London, und Simon and Schuster, New York 1983, Vintage, New York 1992, (Biografie). ** Alan Turing – Enigma. Übersetzung von Rolf Herken und Eva Lack. Kammerer und Unverzagt, Berlin 1989, 662 Seiten, ISBN 3-9801050-5-9. 2. Auflage Springer 1994, ISBN 3-211-82627-0. * David Leavitt: The Man Who Knew Too Much. Alan Turing and the Invention of the Computer. W W Norton & Co, 2006, ISBN 0-393-32909-7. * Sara Turing: Alan M. Turing. Centenary Edition. Oxford University Press, Oxford 2012, ISBN 978-1-107-02058-0. Die Erstausgabe erschien 1959. * Dermot Turing: Alan Turing – The Life of a Genius. The History Press, 2017, ISBN 978-1-84165-756-1. ** Prof – Alan Turing Decoded. Pavilion Books, 2015, ISBN 978-1-84165-643-4. * Gordon Welchman: The Hut Six Story – Breaking the Enigma Codes. Allen Lane, London 1982; Cleobury Mortimer M&M, Baldwin Shropshire 2000, ISBN 0-947712-34-8.
* Rolf Hochhuth: Alan Turing. Erzählung. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1987, ISBN 3-499-22463-1. * David Lagercrantz: Der Sündenfall von Wilmslow. Übersetzung aus dem Schwedischen Wolfgang Butt. Piper, München 2015 (zuerst 2009) * Wolf Schneider: Große Verlierer. Von Goliath bis Gorbatschow. Rowohlt, Reinbek 2004, ISBN 3-498-06365-0 (darin enthalten ein Kapitel über Alan Turing). * Neal Stephenson: Cryptonomicon. Goldmann Verlag 2001, ISBN 3-442-54529-3. (Originalausgabe New York 1999.) * Robert Harris: Enigma. Heyne, München 1996, ISBN 978-3-453-11593-4. Englische Originalausgabe 1995.
* 1996: Breaking the Code (Der codierte Mann). Fernsehfilm-Biographie, Großbritannien, 90:46 Min., Buch: Hugh Whitemore, Regie: Herbert Wise, Produktion: BBC, mit Derek Jacobi als Turing. * 2001: Enigma – Das Geheimnis. Regie: Michael Apted. Dieser Film basiert auf dem 1995 erschienenen Roman Enigma des britischen Autors Robert Harris. * 2011: Codebreaker. Doku-Drama, Großbritannien, Buch: Craig Warner, Regie: Clare Beavan, Nic Stacey, Produktion: Channel 4, mit Ed Stoppard als Alan Turing.Deutschsprachige Erstsendung bei ServusTV als Der Codeknacker. Alan Turing, Erstsendung: 4. Juni 2014. * 2014: Der Fall Alan Turing oder Wie ein Mathegenie Hitler knackte. (OT: La drôle de guerre d’Alan Turing ou Comment les maths ont vaincu Hitler.) Dokumentarfilm, Frankreich, 2014, 59:56 Min., Buch und Regie: Denis van Waerebeke, Produktion: Les Films d’ici, arte France, Off World, RTBF, Erstsendung: 6. Juni 2014 bei arte. * 2014: The Imitation Game. Doku-Drama, Großbritannien, 2014, 89:30 Min., Buch: Graham Moore, Regie: Morten Tyldum, Produktion: Weinstein. Mit Benedict Cumberbatch als Alan Turing, Keira Knightley als Joan Clarke, Charles Dance, u. a. nach der Biographie von Andrew Hodges. * 2015: Erwähnung im Film Steve Jobs: Hier wurde Turing von Steve Jobs dem fiktiven Journalisten Joel Pforzheimer als Teil der kommenden Think Different Kampagne mit folgenden Hyperbeln präsentiert: „Er hat im Alleingang den zweiten Weltkrieg gewonnen und ganz nebenbei den Computer erfunden. Aber er wird nicht Teil der Kampagne sein.“ Auf dessen Frage warum nicht, antwortete Jobs: „Weil Sie mich gerade fragen mussten, wer das ist.“ Möglicherweise ist die zu geringe Bekanntheit ein unterhaltsamer Versuch zu erklären, warum Turing nicht Teil der echten Kampagne war.
* La Machine de Turing (dt.: Die Turing-Maschine) von Benoît Solès, Uraufführung 2019, ausgezeichnet mit vier Molières
* A Man From The Future. Pet Shop Boys, 2014. Die Texte im Stück basieren auf der Biographie Alan Turing: The Enigma von Andrew Hodges, der hier mit Tennant und Lowe zusammenarbeitete. * Die Bremer Alternative-Rock-Band The Paleo Paranoids setzte in ihrem Song Bite the Apple vom 2018er Album Cargo Alan Turing ein musikalisches Denkmal. * Die abendfüllende Oper Turing von Anno Schreier auf ein Libretto von Georg Holzer wurde 2022 vom Staatstheater Nürnberg uraufgeführt.
* Robert Deutsch: Turing. Avant 2017, ISBN 978-3-945034-55-2. * David Etien: Champignac : Enigma. Editions Dupuis 4. Januar 2019. * Arnaud Delalande, Éric Liberge: Der Fall Alan Turing. Aus dem Französischen von Mathias Althaler. Bahoe Books, Wien 2021.
* Porträtfoto (1936) * ] (Roll of Honour) von Bletchley Park * Andrew Hodges: – turing.org.uk (englisch) * – alanturing.net (englisch) * ], Sonderausstellung zum 100. Geburtstag von Alan Turing, 2012 * Martin Herzog: ] ZeitZeichen vom 23. Juni 2022; mit Dermot Turing. (Podcast) * Nika Bertram: WDR-Doku-Hörspiel von 2014 * André Schulz: In: Schach Nachrichten, 7. Juni 2004 * Stefan Betschon: ], 18. Januar 2012; zum 100. Geburtstag von Alan Turing
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Archäologie
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eines Bodendenkmals (In-situ-Archäologie) : Archäologische Deutungen werden in einer re konstru ierten Situation überprüft Die Archäologie (von und λόγος lógos ‚Lehre‘; wörtlich also „Lehre von den Altertümern“) ist eine Wissenschaft, die mit naturwissenschaftlichen und geisteswissenschaftlichen Methoden die kulturelle Entwicklung der Menschheit erforscht. Sie hat sich weltweit zu einem Verbund unterschiedlichster theoretischer und praktischer Fachrichtungen entwickelt. Die Archäologie befasst sich mit materiellen Hinterlassenschaften des Menschen, wie etwa Gebäuden, Werkzeugen und Kunstwerken. Sie umfasst einen Zeitraum von den ersten Steinwerkzeugen vor etwa 2,5 Millionen Jahren bis in die nähere Gegenwart. Aufgrund neuer Funde in Afrika, die etwa 3,3 Millionen Jahre alt sind, wird auch ein deutlich früherer Beginn der Werkzeugherstellung in Betracht gezogen. Materielle Hinterlassenschaften der jüngsten Geschichte (beispielsweise Konzentrationslager und Bunkerlinien aus dem Zweiten Weltkrieg) werden heute ebenfalls mit archäologischen Methoden ausgewertet, auch wenn dieser Ansatz einer „zeitgeschichtlichen“ Archäologie fachintern umstritten ist. Obwohl die Archäologie eine verhältnismäßig junge Wissenschaft ist, ist es kaum mehr möglich, alle Zeiträume zu überblicken, so dass sich verschiedene Fachrichtungen herausbildeten. Dabei können die Epochen regional unterschiedlich datiert sein, teilweise sind sie nicht überall dokumentierbar. Neben der Orientierung an Epochen (zum Beispiel Mittelalterarchäologie) oder Regionen (zum Beispiel Vorderasiatische Archäologie) gibt es auch die Spezialisierung auf bestimmte Themengebiete (zum Beispiel Christliche Archäologie, Rechtsarchäologie, Industriearchäologie). Die Archäologie untersucht Quellen unterschiedlicher Art. In der Vor- und Frühgeschichte hat man es hauptsächlich mit materieller Kultur zu tun, in der Frühgeschichte wird auch auf Schriftquellen zurückgegriffen. Diese stehen für Archäologen im Gegensatz zu Wissenschaftlern anderer Teildisziplinen der Geschichtswissenschaft jedoch nicht im Mittelpunkt. Auch Erkenntnisse zur Klima- und Umweltgeschichte, zur Ernährung oder zur Datierung von Funden tragen zur Rekonstruktion vergangener Kulturen bei.
auf einem Fresko von 1459 (Benozzo Gozzoli) In Europa entwickelte sich die Archäologie um 1450, weil man Zeugnisse für die in den Quellen der Antike geschilderten Ereignisse finden wollte. Cyriacus von Ancona (* um 1391; † um 1455), ein italienischer Kaufmann und Humanist, gilt als einer der Gründungsväter der modernen Klassischen Archäologie. Er reiste durch Griechenland und das gesamte östliche Mittelmeer, um seine Funde an antiken Gebäuden, Statuen und Inschriften festzuhalten, darunter archäologische Überreste, die seiner Zeit noch unbekannt waren: der Parthenon, Delphi, die ägyptischen Pyramiden, die Hieroglyphen. Er notierte seine archäologischen Entdeckungen in seinem Tagebuch: Commentaria (in sechs Bänden). Die in der Renaissance einsetzende Wiedergeburt klassisch-antiker Gelehrsamkeit führte im 15. und 16. Jahrhundert zu einem gesteigerten Interesse an griechischen und römischen Altertümern und zu einer Welle der Sammelleidenschaft bezüglich antiker Kunstgegenstände. Doch auch weniger reisefreudige Gelehrte begannen, sich für die vorhandenen Zeugnisse vergangener Zeiten zu interessieren. Ab Mitte des 16. Jahrhunderts trat an die Stelle der Sammelleidenschaft die akribische Erfassung der Denkmäler. In dieser Zeit wurden zahlreiche Enzyklopädien und Kataloge veröffentlicht, im späten 16. Jahrhundert vielfach mit Kupferstichen und Holzschnitten illustriert. In England veröffentlichte William Camden (1551–1632) im Jahre 1586 seine Britannia, einen Katalog der sichtbaren Altertümer. Bemerkenswert ist, dass er bereits Bewuchsmerkmale in Kornfeldern bemerkte und als solche interpretierte. Michele Mercati (1541–1593) gilt als der erste europäische Gelehrte, der Steinwerkzeuge als solche einstufte; sein Werk wurde jedoch erst 1717 veröffentlicht. Trotz großer Popularität hatte die Archäologie als Wissenschaft noch keinen Stellenwert, denn es herrschte die Ansicht vor, dass ausschließlich historische Quellen und die Bibel zur Interpretation der Vergangenheit geeignet seien. So galt es noch lange als ein Faktum, dass – wie James Ussher aus der Bibel ableitete – die Menschheit im Oktober 4004 v. Chr. entstand. 1655 wagte es Isaac de La Peyrère, die sogenannten Donnerkeile (Steinzeitartefakte) Menschen zuzuordnen, die vor Adam lebten (Präadamiten-Hypothese). Nach einer Intervention der Inquisition widerrief er seine Theorie. In Skandinavien wurden Bodendenkmäler schon früh beachtet. Bereits 1588 grub man einen Dolmen bei Roskilde aus. Im Jahre 1662 erhielt Uppsala einen Lehrstuhl für Altertumskunde. 1685 wurde in Houlbec-Cocherel in Nordfrankreich eine jungsteinzeitliche Grabkammer ausgegraben. Sie gilt als die älteste archäologische Grabung, weil hier 1722 der erste erhaltene Grabungsbericht erstellt wurde. Der Kieler Professor Johann Daniel Major führte um 1690 umfangreiche Ausgrabungen in Jütland durch und ließ zahlreiche Hügelgräber öffnen. Sein Ziel war es, die Herkunft der Einwohner der Halbinsel mit archäologischen Methoden zu klären. Bernard de Montfaucons L’Antiquité expliquée erschien ab 1719. In zehn Bänden stellte er Kunstgegenstände aus dem Mittelmeerraum dar. Montfaucons Werk blieb für lange Zeit das Standardwerk.
Archäologische Forschungsmethoden setzten sich nun sukzessiv durch. Oftmals trafen einzelne Gelehrte schon früh bahnbrechende Schlussfolgerungen, die aber oft – da noch nicht zeitgemäß – unbeachtet blieben. Einer der Bahnbrecher war der französische Amateurarchäologe Jacques Boucher de Perthes, der als Erster prähistorische Artefakte richtig zuordnete, wofür ihm aber erst mehr als 20 Jahre später, durch die Bestätigung Charles Lyells (1797–1875), Anerkennung zuteilwurde. Eine wichtige Erkenntnis war die Entdeckung des stratigraphischen Prinzips. Bereits lange vorher war die Zusammengehörigkeit und somit Gleichaltrigkeit von Funden, die sich in einer Schicht befanden (beispielsweise ein Steinartefakt im Fundzusammenhang mit einer ausgestorbenen Tierart), immer wieder diskutiert, aber nicht allgemein akzeptiert worden. Ein Modell, das in seinen Grundzügen noch heute gilt, wurde 1836 von Christian Jürgensen Thomsen veröffentlicht. Er war Kurator in Kopenhagen und erfand das „Dreiperiodensystem“, das die Vorgeschichte der Menschheit in drei Phasen einteilt: die Steinzeit, die Bronzezeit und die Eisenzeit. Etwa 30 Jahre später, um 1865, unterschied J. Lubbock die Steinzeit noch in die des geschlagenen und die des geschliffenen Steins. Die Begriffe „Paläolithikum“ (Altsteinzeit) und „Neolithikum“ („Neusteinzeit“ / Jungsteinzeit) waren geboren. Die Epochen sind in sich vielfach untergliedert, aber die damals gefundene Unterteilung gilt – mit Einschränkungen – bis heute. Mit seinem Sendschreiben von den Herculanischen Entdeckungen, der ersten archäologischen Publikation, begründete Johann Joachim Winckelmann 1762 die neue Wissenschaft der Archäologie und gilt seither als Vater der (Klassischen) Archäologie. Winckelmann war auch der Erste, der eine Periodisierung und geschichtliche Einordnung der griechischen Kunst versuchte. Seine Entwicklungsstufen (alter Stil – hoher Stil – schöner Stil – Stil der Nachahmer – Verfall der Kunst) sind durch die enthaltene Wertung jedoch überholt. Für die Verbreitung seiner Forschung und deren Rezeption in der zeitgenössischen Literatur und Kunst war der Göttinger Professor Christian Gottlob Heyne entscheidend, der mit Winckelmann korrespondierte, seine Schriften rezensierte und bekanntmachte und in seinen Vorlesungen verwendete. 1802 wurde an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel der erste Lehrstuhl für klassische Archäologie eingerichtet. Die ägyptischen Baudenkmäler, allen voran die Pyramiden, waren bereits im Altertum beliebte Reiseziele (siehe Weltwunder). Im 17. Jahrhundert hatte sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass es sich hierbei um Königsgräber handelt. Die Ägyptologie nahm mit Napoleon Bonapartes Ägypten-Feldzug 1798 ihren Anfang. In Begleitung des Heeres befanden sich auch Wissenschaftler. Von besonderer Bedeutung war der Fund des Steins von Rosette, der 1822 Jean-François Champollion die Entzifferung der Hieroglyphen ermöglichte. Von besonderer Bedeutung für die ägyptische Archäologie ist Auguste Mariette (1821–1881), der ab 1858 als Direktor des ägyptischen Altertümerdienstes mehr als dreißig Fundstätten ausgrub. Seine Methoden waren brachial (beispielsweise Sprengladungen). Die Feststellung der Fundumstände und wissenschaftliche Auswertungen waren damals noch nicht festgelegt, aber er beendete die Ära der reinen Schatzsucher (so Giovanni Battista Belzoni, 1778–1823), die zuvor zahllose Funde nach Europa geschafft hatten. Mariette selbst hat seit 1850 rund 7000 Objekte nach Paris (Louvre) gebracht. Nun setzte er sich jedoch vehement dafür ein, dass Ägyptens Altertümer nicht mehr außer Landes verschleppt wurden. Zur Aufbewahrung der Funde gründete Mariette den Vorläufer des Ägyptischen Nationalmuseums in Kairo. Karl Richard Lepsius (1810–1884) erstellte zwischen 1842 und 1845 eine umfassende Aufnahme ägyptischer und nubischer Denkmäler. 1859 wurde das Ergebnis in den zwölf Bänden der Denkmaeler aus Aegypten und Aethiopien veröffentlicht, welche allein 894 Farbtafeln enthalten. Um die archäologische Erforschung Griechenlands machte sich um 1840 besonders Ludwig Ross verdient, der als erster systematische Ausgrabungen auf der Akropolis von Athen durchführte.
Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelte sich die Archäologie zunehmend zur Wissenschaft. Unterschieden sich die Ausgräber bisher nur unwesentlich von Schatzsuchern und Grabräubern, wurden nun die Grabungstechniken verfeinert, eine gute Dokumentation und exakte Einordnung der Funde wurden immer wichtiger. Erst ab 1859 wurde das hohe Alter der Menschheit allgemein anerkannt. Im selben Jahr erschien Darwins Über die Entstehung der Arten. Der bereits 1856 entdeckte Fund des Neandertalers, der von Johann Carl Fuhlrott und Hermann Schaaffhausen vergeblich als eiszeitlich eingestuft wurde, konnte sich als solcher in Deutschland erst ab 1902 durchsetzen, als Rudolf Virchow starb, der als pathologische Autorität jede weiterführende Diskussion unterbunden hatte. In Schweden entwickelte Oscar Montelius (1843–1921) ein System der differenzierten Typologie zur Einordnung (Periodisierung) von Fundstücken und schafft die Grundlage einer relativen Chronologie. 1853/54 wurden aufgrund eines ungewöhnlich niedrigen Wasserstandes bei Obermeilen am Zürichsee hölzerne Pfeiler, Steinbeile und Keramik entdeckt. Die Siedlung wurde von Ferdinand Keller untersucht. Lange Zeit glaubt man, bei diesen Feuchtbodensiedlungen habe es sich um Pfahlbauten im Wasser gehandelt. Ab den 1920er Jahren entspann sich eine heftige Diskussion um die Lage der Pfahlbauten. Es konkurrierten Ufer- und Wasserpfahlbauten. Heute weiß man, dass es Land- und Wasserpfahlbauten gab. Die neuen Untersuchungen in Hornstaad am Bodensee belegen Pfahlbauten im Wasser, bis zu 5 Meter vom Seeboden abgehoben. Rekonstruktionen (beispielsweise in Unteruhldingen am Bodensee) zeigen nicht nur die verschiedenen Lösungsvorschläge der Archäologie, sondern auch den aktuellen Forschungsstand nach den Befunden der Unterwasserarchäologie (Pfahlbaumuseum Unteruhldingen). 1846 beginnen die Ausgrabungen in Hallstatt. Die archäologische Erforschung der Kelten begann 1858, als Oberst Schwab die ersten Ausgrabungen in La Tène am Neuenburgersee (Schweiz) durchführte. 1872 wurde die Eisenzeit Europas erstmals in eine ältere Phase (Hallstattzeit) und eine jüngere Phase (Latènezeit) unterteilt. Édouard Armand Lartet (1801–1871) untersuchte 1860 eine Fundstätte in den Pyrenäen (Massat) und fand dabei auch eine Geweihspitze mit eingraviertem Bärenkopf, der erste Fund jungpaläolithischer Kunst. Später grub er mehrere französische Höhlenfundplätze (Gorge d’Enfer, Laugerie-Haute, La Madeleine und Le Moustier) aus. Besondere Aufmerksamkeit erlangten die großartigen Höhlenmalereien, die 1879 in der Höhle von Altamira entdeckt wurden. Die Entwicklung der Klassischen Archäologie in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde von Heinrich Schliemann (1822–1890) dominiert. Der Geschäftsmann und „Hobbyarchäologe“ Schliemann gilt als Begründer der Vorgeschichtsarchäologie Griechenlands und des ägäischen Raumes. 1869 grub er auf Ithaka und 1871 begann er am Hisarlık Tepe zu graben. Dort vermutet er das Troja Homers und wird recht behalten, obwohl er sich in der Bauperiode selbst täuschte. Seine Ausgrabungsmethoden waren sehr umstritten, so mancher Fachmann hielt von Schliemanns Fähigkeiten nichts. Sein Ruhm stützt sich vor allem auf die wertvollen Funde (beispielsweise „Schatz des Priamos“). Seine Entdeckung prähistorischer (vorhomerischer) Kulturen und Siedlungen löste zahlreiche weitere Grabungen im ägäischen Raum aus. Lange unterschätzt wurden die durch ihn bewirkten methodischen Fortschritte, wie die Betonung der Stratigraphie oder der Einsatz der Fotografie als Mittel der archäologischen Dokumentation. 1892 erhielt der Gründer des Instituts für Ur- und Frühgeschichte an der Universität Wien, Moritz Hoernes, die erste das Gesamtgebiet der Prähistorischen Archäologie umfassende Lehrbefugnis Europas.
In Ägypten leistete ab 1880 Sir William Matthew Flinders Petrie (1853–1942) als Forscher und Ausgräber Pionierarbeit. Ein Meilenstein der archäologischen Forschung sind seine Methoden und Ziele der Archäologie, die er 1904 veröffentlichte. Darin legte Flinders Petrie vier Prinzipien dar: # Sorgfalt im Umgang mit den Monumenten, die man ausgräbt und Rücksichtnahme auf potenzielle künftige Ausgräber # peinliche Sorgfalt bei der Ausgrabung und Registrierung jedes vorgefundenen Details # detaillierte und saubere Vermessung und Kartierung # komplette Veröffentlichung der Resultate 1913 erschien der erste Band des Handbuchs der Archäologie, Herausgeber war Heinrich Bulle (1867–1945). Als vorbildliche Grabung dieser Zeit galt die 1922 begonnene Ausgrabung des Gräberfeldes von Assini (Argolis), die von schwedischen Archäologen vorgenommen wurde. Der gesamte Aushub wurde gesiebt und eine erstklassige Grabungsdokumentation erstellt. Der berühmteste archäologische Fund des 20. Jahrhunderts gelang Howard Carter (1873–1939) im selben Jahr. Er fand nach sechsjähriger Suche das Grab des Tut-anch-Amun. Pionier der Luftbildarchäologie war nach dem Ersten Weltkrieg der britische Pilot Osbert Crawford, er fotografierte vom Flugzeug aus archäologische Fundstätten in England. Gustaf Kossinna (1858–1931) stellte 1920 seine siedlungsarchäologischen Methoden vor. Seine Interpretationen, die den Germanen eine überragende kulturelle Bedeutung zuschrieben, dienten dem Nationalsozialismus als Beweis für die Überlegenheit der Germanen und der arischen Rasse. Die Diskreditierung in der Nachkriegszeit führte dazu, dass auf Jahrzehnte eine Anbindung archäologischer Funde an ethnische Gruppen obsolet war. Die erste ordentliche Professur wurde 1927 in Marburg geschaffen und im folgenden Jahr mit Gero Merhart von Bernegg aus Bregenz besetzt. Er hatte sich 1924 mit Die Bronzezeit am Jenissei habilitiert. Bei ihm promovierten bis zu seiner Zwangspensionierung durch die Nationalsozialisten im Jahr 1942 29 Studenten, nach dem Krieg kamen fünf weitere hinzu. Ab 1950 dominierte in Deutschland die Marburger Schule, die diese Akademiker bildeten. Gero von Merhart, wie er meist genannt wird, legte das Fach auf strenge Erfassung, Systematisierung und Katalogisierung fest und mied weitgehend die kulturgeschichtliche Deutung. Thor Heyerdahl fuhr 1947 mit einem Floß von Südamerika nach Polynesien und wird als einer der Begründer der Experimentellen Archäologie betrachtet. Seit dem 20. Jahrhundert greift die Archäologie vermehrt auf naturwissenschaftliche Methoden zurück. Dazu gehören die 1949 entwickelte Radiokarbonmethode zur Datierung von organischen Stoffen und die Strontiumisotopenanalyse zur Erforschung der Wanderbewegungen der ur- und frühzeitlichen Menschen. Auch Methoden der Fernerkundung wurden immer stärker bei archäologischen Forschungen angewandt. Die Archäologie hat sich zur Verbundwissenschaft entwickelt. Die Erforschung der 1991 in den Ötztaler Alpen gefundenen vorgeschichtlichen Leiche (Similaun-Mann/Ötzi) ist hierfür beispielhaft. Mit Hilfe der DNA-Analyse konnten weltweit erstmals die Verwandtschaftsbeziehungen von 40 Individuen aus einer bronzezeitlichen Begräbnisstätte in der Lichtensteinhöhle rekonstruiert werden. Die New Archaeology der 1960er Jahre brachte die Forderung, Erkenntnisse aus Lebenswissenschaften in die Archäologie einzuführen. Das Konzept der Tragfähigkeit stammt aus der Ökologie und wurde angewandt, um Fragen von Bevölkerungsdichte und Siedlungsentwicklung zu untersuchen. Optimal Foraging konnte Reaktionen auf Klimaveränderungen gleichermaßen erklären, wie jahreszeitliche Wanderungen und Landnutzungsformen. Zudem wurden mathematische Simulationen und Modellbildungen und computergestützte Geoinformationssysteme als Methoden in die Archäologie eingebracht. Die New Archaeology war besonders im angelsächsischen Kulturraum stark entwickelt und konnte sich im deutschen Sprachraum nie durchsetzen. Als Grund gilt, dass in der angelsächsischen Tradition die Archäologie traditionell zur Anthropologie gehört, nicht zu den Geschichts- oder Kulturwissenschaften. Als Antwort auf die New Archaeology entstand in den 1980er Jahren die Postprozessuale Archäologie, die Methoden aus den Kultur- und Sozialwissenschaften stärker in den Vordergrund rückte. Ein Kernbegriff ist die aus der Soziologie stammende Agency, die Handlungsmotive und -optionen betrachtet. Berücksichtigt man zusätzlich die inhärente Subjektivität jeglicher Interpretation einer Kultur, von der nur die materiellen Artefakte erhalten sind, setzen postprozessuale Archäologen auf hermeneutische einerseits und selbstreflektierende Praktiken andererseits. Heutige Nachfahren der zu untersuchenden Kulturen werden gleichermaßen in die Arbeit der Archäologen einbezogen, wie bislang vernachlässigte soziale Perspektiven.
Zusammen mit anderen Gedächtnisinstitutionen sind archäologische Funde und Ausgrabungsstätten das besonders sensible kulturelle Gedächtnis und oft wirtschaftliche Grundlage (zum Beispiel Tourismus) eines Staates, einer Kommune oder einer Region. Gerade archäologische Funde und Ausgrabungsstätten haben auch politische Brisanz und sind in vielen bewaffneten modernen Konflikten des 21. Jahrhunderts als Teil des kulturellen Erbes eines der Primärziele und damit von Zerstörung und Plünderung bedroht. Oft soll dabei das kulturelle Erbe des Gegners nachhaltig beschädigt oder gar vernichtet werden beziehungsweise werden dabei archäologische Funde gestohlen und verbracht. Internationale und nationale Koordinationen hinsichtlich militärischer und ziviler Strukturen zum Schutz von archäologische Funde und Ausgrabungsstätten betreibt das Internationale Komitee vom Blauen Schild mit Sitz in Den Haag. Umfangreiche Missionen dazu gab es zum Beispiel 2011 in Ägypten und in Libyen, 2013 in Syrien, 2014 in Mali bzw. im Irak und seit 2015 im Jemen.
Archäologie ist ein Sammelbegriff vieler archäologischer Disziplinen, welche meist bestimmte Zeitabschnitte oder Regionen bezeichnen. Die einzelnen Disziplinen unterscheiden sich nicht nur im behandelten Forschungsgegenstand, sondern auch in den verwendeten Methoden, zum Beispiel bei der Unterwasserarchäologie. Daneben bilden archäologische Methoden einen Teilaspekt einer eigenständigen Wissenschaft, beispielsweise in der Forensik. In Fächern wie der Altamerikanistik oder auch der Klassischen Archäologie können die inhaltlichen Schwerpunkte nicht-archäologischer Natur sein.
Die Disziplinen der Archäologie unterscheiden sich thematisch, zeitlich und räumlich. Dementsprechend unterschiedlich sind die Quellen derer sie sich bedienen. Während in der Prähistorischen Archäologie keine oder sehr spärlich schriftliche Quellen vorliegen und man sich vorwiegend auf die materiellen Hinterlassenschaften dieses Zeitabschnitts beruft, können andere archäologische Fachrichtungen zusätzlich Schriftquellen auswerten. * Prähistorische Archäologie oder Vor- (Ur-) und Frühgeschichte : Die Prähistorische Archäologie befasst sich mit einem Zeitraum, welcher mit den ersten Steingeräten vor etwa 2,5 Millionen Jahren beginnt und mit der Frühgeschichte (Völkerwanderungszeit, Römische Kaiserzeit, frühes Mittelalter) und den ersten Schriftquellen endet. * Provinzialrömische Archäologie : Dieses Spezialgebiet ist in der Schnittstelle zwischen der Ur- und Frühgeschichte und der Klassischen Archäologie angesiedelt. Mit den Methoden der Ur- und Frühgeschichte sind die römischen Provinzen Ziel der Forschung. * Klassische Archäologie : Der Schwerpunkt der Klassischen Archäologie liegt in den Hinterlassenschaften der antiken Welt. Genauer der Griechen, Etrusker und Römer in historischer Zeit (etwa zwischen dem 2. Jahrtausend v. Chr. und dem 5. Jahrhundert n. Chr.). Zur Klassischen Archäologie zählen auch die Etruskologie und die Ägäische Vorgeschichte, die sich mit kykladischen, minoischen und mykenischen Funden befasst. * Mittelalterarchäologie oder Archäologie des Mittelalters : Die Mittelalterarchäologie beginnt fließend mit dem Ende der Frühgeschichte (etwa 9. Jahrhundert) und endet theoretisch mit dem Übergang zur Neuzeitarchäologie (ca. 16. Jahrhundert). Im Unterschied zur prähistorischen Archäologie arbeitet sie in einem Zeitraum, über den in zunehmendem Maße auch Schriftquellen vorliegen. Zudem ist häufig aufgehender Baubestand vorhanden, den die Archäologie des Mittelalters mit den Methoden der historischen Bauforschung (Bau- oder Monumentenarchäologie) untersucht. * Neuzeitarchäologie mit der Industriearchäologie * Historische Archäologie : Historische Archäologie ist ein Begriff, der die Parallelüberlieferung von materiellen archäologischen Quellen und schriftlicher Überlieferung umschreibt. Er wird einerseits pragmatisch für die Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit oder nur die der Neuzeit verwendet. Im methodologisch-phänomenologischen Sinne zielt er andererseits weltweit auf Kulturen bzw. Epochen mit sogenannter dichter (schriftlicher) Überlieferung ab. Die nachfolgenden Disziplinen stellen geografische Schwerpunkte dar: : Die Ägyptologie befasst sich mit dem antiken Ägypten (etwa 5. Jahrtausend v. Chr. bis 4. Jahrhundert n. Chr.). Die Koptologie, welche die Kultur der frühen Christen in Ägypten untersucht, ist ein Teilbereich der Ägyptologie. * Vorderasiatische Archäologie : Dieses Fachgebiet geht aus der überwiegend philologisch ausgerichteten Altorientalistik hervor und widmet sich den alten Kulturen des Nahen Ostens, im Wesentlichen das Gebiet der Türkei, des Iraks, Irans, Syriens, Libanons, Israels und Jordaniens (Babylon, Assyrien, Sumer, Akkad, Elam, Hethiter und Urartu), aber auch mit den Nachfolgestaaten. Der untersuchte Zeitraum reicht vom 11. Jahrtausend v. Chr. bis zum 7. Jahrhundert n. Chr. Die Vorderasiatische Archäologie steht in enger Verbindung zur Biblischen Archäologie, welche die Siedlungs- und Kulturgeschichte Palästinas erforscht und der Ägyptologie, da in manchen Epochen Ägypten das Gebiet des heutigen Israel und Libanon beherrschte, sich zu anderen Zeiten orientalische Reiche Ägypten einverleibten. * Ägäische Archäologie : Die Forschung konzentriert sich auf die bronzezeitliche minoische, mykenische und kykladische Kultur in der Ägäis. Sie ist Teil der Klassischen Archäologie sowie auch der Vor- (Ur-) und Frühgeschichte. Diese Kulturen zählen zu den ersten Hochkulturen Europas. * Archäologie der Neuen Welt, ein Teilgebiet der Altamerikanistik
; Nach Phasen und Aspekten der kulturellen Entwicklung * Primatenarchäologie (früheste Phase der Menschheit, erste Werkzeuge) * Siedlungsarchäologie (ab der Jungsteinzeit) * Montanarchäologie (Bergbau und Hüttenwesen, ab der Bronzezeit) * Christliche Archäologie (vor allem Spätantike) * Kirchenarchäologie * Rechtsarchäologie (vor allem Mittelalter) * Industriearchäologie ; Nach besonderen Fundplätzen * Gletscherarchäologie * Schlachtfeldarchäologie (Zeithorizont: Bronzezeit bis 20. Jahrhundert) * Stadtarchäologie (Grabungen in heutigen Städten) * Trassenarchäologie (entlang von Bahn-, Kanal-, Leitungs- und Straßenbaumaßnahmen) * Unterwasserarchäologie ; Besondere Untersuchungsgegenstände * Bauarchäologie (Häuser) * Musikarchäologie (Musikinstrumente) * Textilarchäologie (Kleidung) ; Besondere Fragestellungen * Umweltarchäologie (Frage nach den Mensch-Umweltbeziehungen in der Vergangenheit) * Kognitive Archäologie (Frage nach dem damaligen Bewusstsein) * Archäologische Geschlechterforschung (Frage nach den damaligen Rollen der Geschlechter) ; Besondere Methoden * Archäoinformatik (Einsatz moderner Datenverarbeitung) * Archäometrie (Einsatz moderner naturwissenschaftlicher Methoden) * Geoarchäologie (Einsatz geowissenschaftlicher Methoden) * Luftbildarchäologie * Experimentelle Archäologie ; Hilfswissenschaften * Archäozoologie und Archäobotanik (Schnittstelle zur Biologie) : Analyse von Tierknochen-, Pollen- und Pflanzenfunden, um die Umweltbedingungen zu rekonstruieren. Zu den Untersuchungsobjekten gehören Bodenproben ebenso wie Mageninhalte, Abfallgruben und Latrinen. * Paläopathologie (Schnittstelle zur Medizin) : Paläopathologen führen medizinische Untersuchungen an menschlichen Knochen und Geweben durch, um Alter und Geschlecht der Individuen zu bestimmen und auf ihren Gesundheitszustand zu schließen. Die Paläopathologie ermöglicht Erkenntnisse über Lebensbedingungen, Ernährungsgewohnheiten und Krankheiten. Des Weiteren sind Rückschlüsse auf die medizinische Versorgung und den sozialen Zusammenhalt unserer Vorfahren möglich. * Archäoastronomie oder Astroarchäologie, auch Paläoastronomie (Schnittstelle zur Astronomie) : Zur Analyse prähistorischer Kultstätten wird die Archäoastronomie benötigt. Beispielsweise werden die Sonnwendpunkte einer bestimmten Zeit berechnet, um die mögliche astronomische Bedeutung von Fundstätten zu erschließen. * Historische Bauforschung (Schnittstelle zur Architektur)
Archäologische Forschungsmethoden gliedern sich in solche der Quellenerschließung und solche der Interpretation. In der Öffentlichkeit wird meist nur die Erschließung der Quellen zur Kenntnis genommen. Zur Quellenerschließung zählt auch die typologische und chronologische Auswertung. Erst nach der Quellenerschließung und Aufbereitung folgt die historische Interpretation.
Die Ausgrabung ist zwar die bekannteste Forschungsmethode, jedoch nur ein kleiner Teilbereich der archäologischen Arbeit. Die Dokumentation, Auswertung, Konservierung und Archivierung der Funde stellt den weitaus größten Teil der archäologischen Tätigkeit dar. Außerdem muss die Grabung sorgfältig vorbereitet werden.
Die Prospektion umfasst zerstörungsfreie Methoden, mit deren Hilfe eine Untersuchung potenzieller oder bekannter Fundplätze ermöglicht wird. Dazu gehören die Geländebegehung (Survey), die Luftbildarchäologie und geophysikalische Methoden (Geoelektrik, elektromagnetische Induktion, geomagnetische Kartierung sowie Bodenradar und LIDAR). Ebenfalls prospektiv einsetzen lässt sich die Phosphatanalyse. Eingeleitet wird eine Ausgrabung durch archäologische Voruntersuchungen. Zum Einsatz kommen hier Suchgräben, magnetische Sondierung, Bodenwiderstandsmessung, Luftbilder und andere Methoden der Bodenforschung. Die Voruntersuchungen dienen dazu, sich ein Bild der potenziellen Grabungsstelle zu machen, um die eigentliche Grabung besser planen zu können.
Die meisten Fundplätze werden heute durch Baumaßnahmen entdeckt. Über Notgrabungen, auch Rettungsgrabungen genannt, versucht die archäologische Denkmalpflege diese Befunde vor ihrer endgültigen Zerstörung auszuwerten. Seltener sind Forschungsgrabungen, bei denen unter primär wissenschaftlichen Interessen Fundplätze zur Grabung ausgewählt und ohne äußeren Zeitdruck untersucht werden können. Bei der Grabung werden verschiedene Grabungstechniken angewandt. Eine moderne Grabung ist befundorientiert, d. h. die Funde werden in ihrer räumlichen und zeitlichen Einbettung auf Befunde bezogen. Da jede Ausgrabung zur Zerstörung eines Befundes führt, soll eine exakte Dokumentation den Fundplatz, zumindest auf dem Papier, auch später bis ins Detail rekonstruierbar machen. Die wichtigsten Arbeitsmittel der Ausgrabung sind deshalb, neben der Kelle, „Papier und Buntstift“.
Die Bauforschung ist ein wesentlicher Teil sowohl der klassischen Archäologie als auch der Mittelalterarchäologie, wohingegen sie in der Ur- und Frühgeschichte mangels aufgehend erhaltener Bauwerke nur eine untergeordnete Rolle spielt. Eine der Dokumentationsmethoden ist die Photogrammetrie.
Gerade am sehr populären Beispiel der Gletschermumie Ötzi ist zu erkennen, dass die Ausgrabung nur einen Bruchteil der archäologischen Arbeit darstellt. Der 1991 entdeckte Fund wird bis heute wissenschaftlich untersucht.
Die Typologie ist die Klassifikation von Objekten nach Kriterien von Form und Material. Sie ist grundlegend für die Einordnung des Fundmaterials, da sie Vergleiche mit Fundsituationen an anderen Fundplätzen ermöglicht und zur Grundlage von Kombinationsanalysen (zur relativchronologischen Datierung wie zur sozioökonomischen Einordnung) und Verbreitungsanalysen wird.
Wie bei der Prospektion und der Altersbestimmung werden auch für Materialbestimmungen moderne naturwissenschaftliche Techniken eingesetzt (siehe Archäometrie). Zur Identifikation und Detailuntersuchung von Artefakten dienen unter anderem die Mikroskopie, Infrarot- und Ultraschallaufnahmen, Röntgen, chemische Analysen, Spektralanalysen und Laserscans.
: Zur Datierung von Holz dient ein „Kalender“ der Jahresringe. Ein Schwerpunkt der Fundanalyse ist die Datierung der Befunde (zum Beispiel Grab) anhand der Funde (zum Beispiel Grabbeigabe). Bei der Altersbestimmung wird zwischen absoluter Chronologie und relativer Chronologie unterschieden. Die relative Chronologie setzt einen Fund dabei in Bezug zu einem anderen. Ist er jünger, älter oder gar gleichzeitig? J.J. Winckelmanns „vergleichendes Sehen“ ist eine der ersten Methoden zur relativen Chronologie. * Fundkombination von geschlossenen Funden (siehe auch Seriation und Korrespondenzanalyse). Bei der absoluten Chronologie wird einem Fund ein absolutes Datum (Jahr, Jahrhundert) zugeordnet * Radiokarbonmethode (für organische Stoffe) * Thermolumineszenzdatierung auch: TL-Datierung (für Keramik) * Dendrochronologie (für Holz) * Kalium-Argon-Datierung (für Gestein)
Die Methoden der Interpretation sind in der Regel eher geisteswissenschaftlich. Für die prähistorische Archäologie ist der Analogieschluss die wesentliche Möglichkeit der Interpretation. In der historischen Archäologie (zum Beispiel Klassische Archäologie oder Archäologie des Mittelalters) ist es der Vergleich mit Informationen aus anderen Quellen, wie schriftlicher oder bildlicher Überlieferung.
In Deutschland gehört die archäologische Denkmalpflege (Bodendenkmalpflege) zu den Aufgaben der Bundesländer (siehe auch Landesarchäologe), meist als eigener Fachbereich innerhalb des Denkmalamtes organisiert. Größere Städte haben oft eine eigene Stadtarchäologie. Die Mehrzahl der Grabungen wird heute im Rahmen denkmalpflegerischer Notgrabungen entweder von den betreffenden Ämtern selbst oder im Rahmen der Firmenarchäologie von beauftragten Spezialfirmen durchgeführt. Gezielte Forschungsgrabungen sind die Ausnahme, da unnötige Bodeneingriffe auch hier vermieden werden und eine Finanzierung nur über Drittmittel möglich ist. Mehrere Institutionen fördern Forscher und Projekte durch Archäologiepreise. Ein wichtiger Geldgeber für Forschungsgrabungen ist die Deutsche Forschungsgemeinschaft. Deutsche Grabungen im Ausland werden hingegen im Rahmen von Forschungsprojekten der Universitäten, des Deutschen Archäologischen Instituts oder des Römisch-Germanischen Zentralmuseums durchgeführt.
Die Archäologie gehört in Amerika zur Anthropologie (Völkerkunde) und hat aus diesem Grund eine völlig andere Ausrichtung als die europäische Forschung. Dies folgt vor allem aus dem Umstand, dass zum Zeitpunkt der Besiedlung der neuen Welt zuerst ethnographische Untersuchungen an noch existierenden Ureinwohnern stattfanden. Die eher spärlichen präkolumbischen Funde sind ein weiterer Grund für den in der Erforschung kultureller Prozesse liegenden Schwerpunkt amerikanischer Archäologie. Als Pionier der amerikanischen Archäologie gilt Thomas Jefferson (1743–1826), welcher ab 1784 einige Grabhügel untersuchte, um ihr Alter zu bestimmen. Jefferson setzte dabei erstmals eine Methode ein, die als Vorläufer der Dendrochronologie angesehen werden kann: er zählte die Jahresringe der auf den Grabhügeln stehenden Bäume. Die ersten großen Ausgrabungen in Mittelamerika wurden Ende des 19. Jahrhunderts im Mayazentrum Copán durchgeführt. 1911 entdeckte Hiram Bingham III. die Inkastadt Machu Picchu. Im Jahre 1990 fanden Archäologen in der Nähe von Mexiko-Stadt über 10.000 Artefakte aus der Zeit der spanischen Eroberung des Landes. Man fand nicht nur menschliche Knochen, sondern auch Waffen, Kleidung, Haushaltsgeräte und Gegenstände aus dem persönlichen Besitz von Hernán Cortés. Die Fundstelle Tecoaque (vorspanischer Name: Zultepec) wurde als UNESCO-Welterbe vorgeschlagen.
Im Jahr 1863 wurde in Indien die Archaeological Survey of India gegründet. 1921/1922 entdeckte man eine der ältesten Hochkulturen der Menschheit, die Indus-Kultur. Ausgegraben wurden unter anderem die Städte Harappa und Mohenjo-Daro. Archäologie in China begann mit dem schwedischen Geologen Johan Gunnar Andersson (1874–1960), der 1921 bei Yang Shao Tsun in Honan eine jungsteinzeitliche Wohnhöhle entdeckte (Yangshao-Kultur) und damit bewies, dass China in vorgeschichtlicher Zeit bewohnt war. 1928 wurde Anyang ausgegraben, die Hauptstadt der Shang-Dynastie des 2. Jahrtausends v. Chr. 1974 wurde die Terrakottaarmee rund um das Mausoleum Qin Shihuangdis bei Xi’an entdeckt.
Afrika ist nicht nur in paläoanthropologischer Hinsicht die Wiege der Menschheit, sondern auch die unserer Kultur. Nur in Afrika kommen Steingeräte vor, die 2,5 Millionen Jahre alt sind und deren Herstellung mit den ersten Homo-Arten unserer Spezies in Verbindung gebracht wird. Die betreffenden Werkzeuge – einfache Geröllgeräte vom Oldowan-Typ, später die Faustkeile, um die Leitformen zu nennen – kommen auch in anderen Teilen der Welt vor, nur sind sie dort deutlich jünger. In Europa datieren die ältesten Stellen auf eine Million Jahre. Neue, etwa 3,3 Millionen Jahre alte Funde in Lomekwi 3, Kenia, werden als Beleg für eine eigenständige archäologische Kultur interpretiert, vorschlagsweise Lomekwian genannt. Bereits seit dem 17. Jahrhundert ist der Nordosten Afrikas Gegenstand intensiver Forschungen durch die Ägyptologie und Koptologie. Diese Region des Kontinents ist auch im internationalen Vergleich hervorragend dokumentiert. Da jedoch die ältesten Schriftquellen im subsaharischen Afrika nicht weiter als 600 Jahre zurückreichen, kommt der Archäologie gerade hier eine besondere Bedeutung zu. Aufgrund der kurzen Forschungstradition im Vergleich zu Mitteleuropa steht man hier allerdings noch vielfach am Anfang.
Die Vermittlung archäologischer Forschungsergebnisse erfolgt auf verschiedene Weise: * durch Fachbücher und Fachzeitschriften * durch populärwissenschaftliche Publikationen * in Museen (vgl. Archäologische Sammlung) * in situ: Funde und Befunde können in Form eines Archäologischen Fensters dauerhaft am Ort des Fundes oder an einem anderen geeignetem Ort präsentiert und zugleich vor Eingriffen und Witterung geschützt werden. * im Gelände: Oberirdisch sichtbare Bodendenkmäler können durch Ausschilderung oder im Rahmen eines Wanderlehrpfades erschlossen werden (vgl. Archäologische Wanderung, wie zum Beispiel der Archäologisch-naturkundliche Wanderweg Lübeck). In einem Archäologischen Park treten zumeist Rekonstruktionen hinzu. Rekonstruktionen oder der Wiederaufbau sind wissenschaftlich sehr umstritten, da eine Rekonstruktion immer spekulativ ist und nur den aktuellen Wissensstand widerspiegelt. Zudem oftmals gefärbt durch den herrschenden Zeitgeist. Es ergeben sich jedoch auch Schnittstellen zur Experimentellen Archäologie, indem die Machbarkeit und der Praxisbezug einer Theorie überprüft werden können. * durch museumspädagogische Vorführungen (meist als Experimentelle Archäologie deklariert). Vielerorts bestehen regionale Gesellschaften und Vereine, die sich der Archäologie widmen und entsprechende Aktionen tragen (siehe Liste der Archäologischen Gesellschaften in Deutschland). Zunehmend wird international auch der Schutz der archäologischen Funde für die Öffentlichkeit im Hinblick auf Katastrophen, Kriege und bewaffnete Auseinandersetzungen durchgesetzt. Das geschieht einerseits durch internationale Abkommen und andererseits durch Organisationen die den Schutz überwachen beziehungsweise durchsetzen. Als weltweites Beispiel gilt Blue Shield International mit seinen Archäologen und lokalen Partnerorganisationen. Die Wichtigkeit der archäologischen Funde im Bezug auf Identität, Tourismus und nachhaltiges Wirtschaftswachstum werden immer wieder betont. So wurde auch vom Präsident von Blue Shield International, Karl von Habsburg, bei einem Kulturgutschutz-Einsatz im April 2019 im Libanon mit der United Nations Interim Force in Lebanon erläuterte: „Kulturgüter sind ein Teil der Identität der Menschen, die an einem bestimmten Ort leben. Zerstört man ihre Kultur, so zerstört man damit auch ihre Identität. Viele Menschen werden entwurzelt, haben oft keine Perspektiven mehr und flüchten in der Folge aus ihrer Heimat.“
; Einführungen in die Archäologie * Marion Benz, Christian Maise: Archäologie. Theiss, Stuttgart 2006, ISBN 3-8062-1966-4. * Jeorjios Martin Beyer: Archäologie. Von der Schatzsuche zur Wissenschaft. Philipp von Zabern, Mainz 2010, ISBN 978-3-8053-4166-0 (Teil 1 zur Geschichte der Archäologie, Teil 2 zu den heutigen Teildisziplinen). * Manfred K. H. Eggert: Archäologie. Grundzüge einer Historischen Kulturwissenschaft. Francke, Tübingen 2006, ISBN 3-8252-2728-6. * Colin Renfrew, Paul G. Bahn: Archaeology – Theories, Methods and Practice. 5. Auflage. Thames & Hudson, London 2008, ISBN 978-0-500-28719-4 (gute englischsprachige Einführung); gekürzte deutsche Übersetzung von Helmut Schareika: Basiswissen Archäologie. Theorien – Methoden – Praxis. Philipp von Zabern, Mainz 2009, ISBN 978-3-8053-3948-3. * Kurt Wallat: Archäologie. 100 Seiten. Reclam, Ditzingen 2020, ISBN 978-3-15-020550-1. ; Einführung in Teildisziplinen der Archäologie * Johannes Bergemann: Orientierung Archäologie – was sie kann, was sie will. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 2000, ISBN 3-499-55612-X (Klassische Archäologie). * Manfred K. H. Eggert: Prähistorische Archäologie. Konzepte und Methoden. 4. überarb. Auflage. UTB Francke, Tübingen/Basel 2008, ISBN 978-3-8252-3696-0. * Hans Jürgen Eggers: Einführung in die Vorgeschichte. Neu herausgegeben von Christof Krauskopf. Mit einem Nachwort von Claudia Theune. 6. Auflage. scrîpvaz, Schöneiche bei Berlin 2010, ISBN 978-3-942836-17-3. Mit einem Verzeichnis der Schriften von Hans Jürgen Eggers. * Manfred K. H. Eggert, Stefanie Samida: Ur- und frühgeschichtliche Archäologie. 2. Auflage. UTB, Tübingen 2013, ISBN 978-3-8252-3890-2. * Barbara Scholkmann, Hauke Kenzler, Rainer Schreg (Hrsg.): Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit. Grundwissen. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2016, ISBN 978-3-534-26811-5. ; Überblicke zur Geschichte der Archäologie * Paul G. Bahn (Hrsg.): The Cambridge Illustrated History of Archaeology. Cambridge University Press, Cambridge 1996, ISBN 0-521-45498-0. * Alain Schnapp: Die Entdeckung der Vergangenheit. Ursprünge und Abenteuer der Archäologie. Aus dem Französischen von Andreas Wittenburg. Klett-Cotta, Stuttgart 2009, ISBN 978-3-608-93359-8 (Rezension von Lutz Bunk ). * S. Wolfram, U. Sommer (Hrsg.): Macht der Vergangenheit – Wer macht Vergangenheit. Archäologie und Politik (= Beiträge zur Ur- und Frühgeschichte Mitteleuropas. Band 3). Beier & Beran, Wilkau-Hasslau 1993. Überblicke zu Theorien und Methoden der Archäologie * Reinhard Bernbeck: Theorien in der Archäologie. Francke Verlag, Tübingen/Basel 1997, ISBN 3-8252-1964-X, ISBN 3-7720-2254-5. * Matthias Knaut, Roland Schwab (Hrsg.): Archäologie im 21. Jahrhundert. Innovative Methoden – bahnbrechende Ergebnisse. Konrad Theiss, Stuttgart 2010, ISBN 978-3-8062-2188-6. * G. Th. Schwarz: Archäologen an der Arbeit. Neue Wege zur Erforschung der Antike. Franke, Bern/München 1965. * Geoffrey John Tassie, Lawrence Stewart Owens: Standards of Archaeological Excavations: A Fieldguide to the Methology, Recording Techniques and Conventions, London 2010, ISBN 978-1-906137-17-5. * Bruce Trigger: A History of Archaeological Thought. Cambridge University Press, Cambridge 1990, ISBN 0-521-33818-2. ; Überblicke zu den Inhalten und Ergebnissen der Archäologie * Der Brockhaus Archäologie. Hochkulturen, Grabungsstätten, Funde. F.A. Brockhaus, Mannheim/Leipzig 2008, ISBN 978-3-7653-3321-7. * Aedeen Cremin: Große Enzyklopädie der Archäologie. Die wichtigsten archäologischen Stätten der Welt. Konrad Theiss, Stuttgart 2013, ISBN 978-3-8062-2753-6. * Barry Cunliffe: Illustrierte Vor- und Frühgeschichte Europas. Campus, Frankfurt/Main 2000, ISBN 3-88059-979-3. * Martin Kuckenburg: Siedlungen der Vorgeschichte in Deutschland, 300 000 bis 15 v. Chr. DuMont, Köln 1994, ISBN 3-7701-2922-9. * Wilfried Menghin, Dieter Planck (Hrsg.): Menschen Zeiten Räume. Archäologie in Deutschland. Theiss, Stuttgart 2002, ISBN 3-8062-1596-0. * Uta von Freeden, Siegmar von Schnurbein (Hrsg.): Spuren der Jahrtausende. Archäologie und Geschichte in Deutschland. Theiss, Stuttgart 2003, ISBN 3-8062-1337-2. * Peter F. Biehl, Alexander Gramsch, Arkadiusz Marciniak (Hrsg.): Archäologien Europas. Geschichte, Methoden und Theorien (= Tübinger Archäologische Taschenbücher. Band 3). Waxmann, Münster 2002, ISBN 3-8309-1067-3. * Marco Kircher: Wa(h)re Archäologie. Die Medialisierung archäologischen Wissens im Spannungsfeld von Wissenschaft und Öffentlichkeit (Reihe Historische Lebenswelten), transcript. Verlag für Kommunikation, Kultur und soziale Praxis, Bielefeld 2012, ISBN 978-3-8376-2037-5.
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* Guido Nockemann: The DAS Project – Digitization of an archaeological collection, 2011, (englisch)
* Der mit großem Abstand umfangreichste deutschsprachige Zugang zur Archäologie im Internet, wird ständig aktualisiert. * . Onlineportal mit umfangreicher Wissensdatenbank zur prähistorischen Archäologie * Website von Marek Poznański (mehrsprachig) Vereine und Organisationen * ] – Europäische Vereinigung zur Förderung der Experimentellen Archäologie e. V. * Zusammenschluss europäischer Institutionen zur Experimentellen Archäologie. * im Institut für Archäologische Wissenschaften der Goethe-Universität Frankfurt
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American Standard Code for Information Interchange
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Der (ASCII, alternativ US-ASCII, ausgesprochen [], ) ist eine 7-Bit-Zeichenkodierung; sie entspricht der US-Variante von ISO 646 und dient als Grundlage für spätere, auf mehr Bits basierende Kodierungen für Zeichensätze. Der ASCII-Code wurde zuerst am 17. Juni 1963 von der American Standards Association (ASA) als Standard ASA X3.4-1963 gebilligt) und 1967/68 wesentlich sowie zuletzt im Jahr 1986 (ANSI X3.4-1986) von ihren Nachfolgeinstitutionen aktualisiert und wird noch benutzt. Die Zeichenkodierung definiert 128 Zeichen und besteht aus 33 nicht druckbaren sowie 95 darauf folgenden druckbaren Zeichen, beginnend mit dem Leerzeichen: Die druckbaren Zeichen umfassen das lateinische Alphabet in Groß- und Kleinschreibung, die zehn indisch-arabischen Ziffern sowie einige Interpunktionszeichen (Satzzeichen, Wortzeichen) und andere Sonderzeichen. Der Zeichenvorrat entspricht weitgehend dem einer Tastatur oder Schreibmaschine für die englische Sprache. In Computern und anderen elektronischen Geräten, die Text darstellen, wird dieser Code in der Regel gemäß ASCII oder abwärtskompatibel (ISO 8859, Unicode) dazu gespeichert. Die nicht druckbaren Steuerzeichen enthalten Ausgabezeichen wie Zeilenvorschub oder Tabulatorzeichen, Protokollzeichen wie Übertragungsende oder Bestätigung und Trennzeichen wie Datensatztrennzeichen.
Jedem Zeichen wird ein Bitmuster aus 7 Bit zugeordnet. Da jedes Bit zwei Werte annehmen kann, gibt es 27 = 128 verschiedene Bitmuster, die auch als die ganzen Zahlen 0–127 (hexadezimal 00hex–7Fhex) interpretiert werden können. Das für ASCII nicht benutzte achte Bit kann für die Fehlererkennung (Paritätsbit) auf den Kommunikationsleitungen oder für andere Steuerungsaufgaben verwendet werden. Es wird aber fast immer zur Erweiterung von ASCII auf einen 8-Bit-Code verwendet. Diese Erweiterungen sind mit dem ursprünglichen ASCII weitgehend kompatibel, so dass alle im ASCII definierten Zeichen auch in den verschiedenen Erweiterungen durch die gleichen Bitmuster kodiert werden. Die einfachsten Erweiterungen sind Kodierungen mit sprachspezifischen Zeichen, die nicht im lateinischen Grundalphabet enthalten sind, vgl. unten.
Die ersten 32 ASCII-Zeichencodes (von 00hex bis 1Fhex) sind für Steuerzeichen (control character) reserviert; siehe dort für die Erklärung der Abkürzungen in der rechts (oder oben) stehenden Tabelle. Diese Zeichen stellen keine Schriftzeichen dar, sondern dienen (oder dienten) zur Steuerung von solchen Geräten, die den ASCII verwenden (etwa Drucker). Steuerzeichen sind beispielsweise der Wagenrücklauf für den Zeilenumbruch oder Bell (die Glocke); ihre Definition ist historisch begründet. Code 20hex (SP) ist das Leerzeichen (engl. space oder blank), das in einem Text als Leer- und Trennzeichen zwischen Wörtern verwendet und auf der Tastatur durch die Leertaste erzeugt wird. Die Codes 21hex bis 7Ehex stehen für druckbare Zeichen, die Buchstaben, Ziffern und Interpunktionszeichen (Satzzeichen, Wortzeichen) umfassen. Die Buchstaben sind lediglich Klein- und Großbuchstaben des lateinischen Alphabets. In nicht-englischen Sprachen verwendete Buchstabenvarianten – beispielsweise die deutschen Umlaute – sind im ASCII-Zeichensatz nicht enthalten. Ebenso fehlen typografisch korrekte Gedankenstriche und Anführungszeichen, die Typografie beschränkt sich auf den Schreibmaschinensatz. Der Zweck war Informationsaustausch, nicht Drucksatz. Code 7Fhex (alle sieben Bits auf eins gesetzt) ist ein Sonderzeichen, das auch als Löschzeichen bezeichnet wird (DEL). Dieser Code wurde früher wie ein Steuerzeichen verwendet, um auf Lochstreifen oder Lochkarten ein bereits gelochtes Zeichen nachträglich durch das Setzen aller Bits, das heißt durch Auslochen aller sieben Markierungen, löschen zu können. Dies war die einzige Möglichkeit zum Löschen, da einmal vorhandene Löcher nicht mehr rückgängig gemacht werden können. Bereiche ohne Löcher (also mit dem Code 00hex) fanden sich vor allem am Anfang und Ende eines Lochstreifens (NUL). Aus diesem Grund gehörten zum eigentlichen ASCII nur 126 Zeichen, denn den Bitmustern 0 (0000000) und 127 (1111111) entsprachen keine Zeichencodes. Der Code 0 wurde später in der Programmiersprache C als „Ende der Zeichenkette“ interpretiert; dem Zeichen 127 wurden verschiedene grafische Symbole zugeordnet.
Eine frühe Form der Zeichenkodierung war der Morsecode. Er wurde mit der Einführung von Fernschreibern aus den Telegrafennetzen verdrängt und durch den Baudot-Code und Murray-Code ersetzt. Vom 5-Bit-Murray-Code zum 7-Bit-ASCII war es dann nur noch ein kleiner Schritt – auch ASCII wurde zuerst für bestimmte amerikanische Fernschreibermodelle, wie den Teletype ASR33, eingesetzt. Die erste Version, noch ohne Kleinbuchstaben und mit kleinen Abweichungen vom heutigen ASCII bei den Steuer- und Sonderzeichen, entstand im Jahr 1963. Im Jahr 1965 folgt die zweite Form des ASCII-Standards. Obwohl die Norm genehmigt wurde, wurde sie nie veröffentlicht und fand daher auch nie Anwendung. Der Grund dafür war, dass der ASA gemeldet wurde, dass die ISO (die International Standards Organization) einen Zeichensatz standardisieren würde, der ähnlich wie diese Norm war, aber leicht im Widerspruch zu dieser stünde. 1968 wurde dann die gültige Fassung des ASCII-Standards festgelegt.
In den Anfängen des Computerzeitalters entwickelte sich ASCII zum Standard-Code für Schriftzeichen. Zum Beispiel wurden viele Terminals (VT100) und Drucker nur mit ASCII angesteuert. Für die Kodierung lateinischer Zeichen wird fast nur bei Großrechnern die zu ASCII inkompatible 8-Bit-Kodierung EBCDIC verwendet, die IBM parallel zu ASCII für sein System/360 entwickelte, damals ein ernsthafter Konkurrent. Die Handhabung des Alphabets ist in EBCDIC schwieriger, denn es ist dort auf drei auseinander liegende Codebereiche verteilt. IBM selbst verwendete ASCII für interne Dokumente. ASCII wurde durch Präsident Lyndon B. Johnsons Anordnung 1968 gestützt, es in den Regierungsbüros zu verwenden.
Da sich darunter Zeichen befinden, die in der Programmierung verwendet werden, insbesondere die verschiedenen Klammern, wurden Programmiersprachen über Ersatzkombinationen (Digraphen) für die Internationalisierung ertüchtigt. Zur Kodierung wurden dazu ausschließlich Zeichen aus dem invarianten Teil von ISO 646 verwendet. Die Kombinationen sind sprachspezifisch. So entspricht bei Pascal (* und *) den geschweiften Klammern ({}), während C und %> dafür vorsieht. In der Sowjetunion wurde eine als KOI7 bezeichnete Abwandlung zur Darstellung kyrillischer Zeichen entwickelt.
Zur Überwindung der Inkompatibilitäten nationaler 7-Bit-Varianten von ASCII entwickelten zunächst verschiedene Hersteller eigene ASCII-kompatible 8-Bit-Codes (d. h. solche, die auf den ersten 128 Positionen mit ASCII übereinstimmen). Der Codepage 437 genannte Code war lange Zeit der am weitesten verbreitete, er kam auf dem IBM-PC unter englischem MS-DOS, und kommt noch im DOS-Fenster von englischem Windows zur Anwendung. In deren deutschen Installationen ist seit MS-DOS 3.3 die westeuropäische Codepage 850 der Standard. Auch bei späteren Standards wie ISO 8859 wurden acht Bits verwendet. Dabei existieren mehrere Varianten, zum Beispiel ISO 8859-1 für die westeuropäischen Sprachen, die in Deutschland als DIN 66303 übernommen wurde. Deutschsprachige Versionen von Windows (außer DOS-Fenster) verwenden die auf ISO 8859-1 aufbauende Kodierung Windows-1252 – daher sehen zum Beispiel die deutschen Umlaute falsch aus, wenn Textdateien unter DOS erstellt wurden und unter Windows betrachtet werden.
Viele ältere Programme, die das achte Bit für eigene Zwecke verwendeten, konnten damit nicht umgehen. Sie wurden im Lauf der Zeit oft den neuen Erfordernissen angepasst. Auch 8-Bit-Codes, in denen ein Byte für ein Zeichen stand, boten zu wenig Platz, um alle Zeichen der menschlichen Schriftkultur gleichzeitig unterzubringen. Dadurch wurden mehrere verschiedene spezialisierte Erweiterungen notwendig. Daneben existieren vor allem für den ostasiatischen Raum einige ASCII-kompatible Kodierungen, die entweder zwischen verschiedenen Codetabellen umschalten oder mehr als ein Byte für jedes Nicht-ASCII-Zeichen benötigen. Keine dieser 8-Bit-Erweiterungen ist aber „ASCII“, denn das bezeichnet nur den einheitlichen 7-Bit-Code. Um den Anforderungen der verschiedenen Sprachen gerecht zu werden, wurde der Unicode (in seinem Zeichenvorrat identisch mit ISO 10646) entwickelt. Er verwendet bis zu 32 Bit pro Zeichen und könnte somit über vier Milliarden verschiedene Zeichen unterscheiden, wird jedoch auf etwa eine Million erlaubte Codepoints eingeschränkt. Damit können alle bislang von Menschen verwendeten Schriftzeichen dargestellt werden, sofern sie in den Unicode-Standard aufgenommen wurden. UTF-8 ist eine 8-Bit-Kodierung von Unicode, die zu ASCII abwärtskompatibel ist. Ein Zeichen kann dabei ein bis vier 8-Bit-Wörter einnehmen. Sieben-Bit-Varianten müssen nicht mehr verwendet werden, dennoch kann Unicode auch mit Hilfe von UTF-7 in sieben Bit kodiert werden. UTF-8 entwickelte sich zum Standard unter vielen Betriebssystemen. So nutzen unter anderem Apples macOS sowie einige Linux-Distributionen standardmäßig UTF-8, und mehr als 90 % der Websites werden in UTF-8 erstellt.
ASCII enthält nur wenige Zeichen, die allgemeinverbindlich zur Formatierung oder Strukturierung von Text verwendet werden; diese gingen aus den Steuerbefehlen der Fernschreiber hervor. Dazu zählen insbesondere der Zeilenvorschub (Linefeed), der Wagenrücklauf (Carriage Return), das Horizontal-Tabulatorzeichen, der Seitenvorschub (Form Feed) und das Vertikal-Tabulatorzeichen. In typischen ASCII-Textdateien findet sich neben den druckbaren Zeichen meist nur noch der Wagenrücklauf oder der Zeilenvorschub, um das Zeilenende zu markieren; dabei werden in DOS- und Windows-Systemen üblicherweise beide nacheinander verwendet, bei älteren Apple- und Commodore-Rechnern (ohne Amiga) nur der Wagenrücklauf und auf Unix-artigen sowie Amiga-Systemen nur der Zeilenvorschub. Die Verwendung weiterer Zeichen zur Textformatierung wird unterschiedlich gehandhabt. Zur Formatierung von Text werden inzwischen eher Markup-Sprachen wie zum Beispiel HTML verwendet.
Die meisten Zeichenkodierungen sind so entworfen, dass sie für Zeichen zwischen 0 … 127 den gleichen Code verwenden wie ASCII und den Bereich über 127 für weitere Zeichen benutzen.
Hier steht eine feste Anzahl Bytes für jeweils ein Zeichen. In den meisten Kodierungen ist das ein Byte pro Zeichen – Single Byte Character Set oder kurz SBCS genannt. Bei den ostasiatischen Schriften sind es zwei oder mehr Byte pro Zeichen, wodurch diese Kodierungen nicht mehr ASCII-kompatibel sind. Die kompatiblen SBCS-Zeichensätze entsprechen den oben besprochenen ASCII-Erweiterungen: * ISO 8859 mit 15 verschiedenen Zeichenkodierungen zur Abdeckung aller europäischen Sprachen, Türkisch, Arabisch, Hebräisch sowie Thai (siehe Tabelle rechts) * MacRoman, MacCyrillic und andere proprietäre Zeichensätze für Apple Mac Computer vor Mac OS X * DOS-Codepages (z. B. 437, 850) und Windows-Codepages (Windows-1252) * KOI8-R für Russisch und KOI8-U für Ukrainisch * ARMSCII-8 und ARMSCII-8a für Armenisch * GEOSTD für Georgisch * ISCII für alle indischen Sprachen
Um mehr Zeichen kodieren zu können, werden die Zeichen 0 bis 127 in einem Byte kodiert, andere Zeichen werden durch mehrere Bytes mit Werten von über 127 kodiert: * UTF-8 und GB 18030 für Unicode * ISO 6937 für europäische Sprachen mit lateinischer Schrift * Big5 für traditionelles Chinesisch (Republik China (Taiwan), Auslandschinesen) * EUC (Extended UNIX Coding) für mehrere ostasiatische Sprachen * GB (Guojia Biaozhun) für vereinfachtes Chinesisch (VR China)
Die folgende Tabelle gibt neben den hexadezimalen Codes auch noch die Dezimal- und Oktalcodes an.
Der 1936 entdeckte Asteroid (3568) ASCII wurde 1988 nach der Zeichenkodierung benannt.
* American Standards Association: American Standard Code for Information Interchange. ASA X3.4-1963. American Standards Association, New York 1963 () * American Standards Association: American Standard Code for Information Interchange. ASA X3.4-1965. American Standards Association, New York 1965 (genehmigt, aber nicht veröffentlicht) * United States of America Standards Institute: USA Standard Code for Information Interchange. USAS X3.4-1967. United States of America Standards Institute, 1967. * United States of America Standards Institute: USA Standard Code for Information Interchange. USAS X3.4-1968. United States of America Standards Institute, 1968. * American National Standards Institute: American National Standard for Information Systems. ANSI X3.4-1977. 1977. * American National Standards Institute: American National Standard for Information Systems. Coded Character Sets. 7-Bit American National Standard Code for Information Interchange (7-Bit ASCII). ANSI X3.4-1986. 1986. * Weitere Revisionen: ** ANSI X3.4-1986 (R1992) ** ANSI X3.4-1986 (R1997) ** ANSI INCITS 4-1986 (R2002) ** ANSI INCITS 4-1986 (R2007) ** ANSI INCITS 4-1986 (R2012)
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Außenbandruptur des oberen Sprunggelenkes
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Das Außenband des oberen Sprunggelenkes setzt sich zusammen aus drei Bändern (der „laterale Bandapparat“): Ligamentum fibulotalare anterius und posterius sowie Ligamentum fibulocalcaneare. Beim Umknicken nach außen (Supinationstrauma) kommt es meist zur Zerrung oder zu einem Riss (Ruptur) des Lig. fibulotalare anterius oder/und des Lig. calcaneofibulare; seltener ist die komplette Ruptur aller drei Bänder. Eine Ruptur von mindestens einem dieser drei Bänder nennt man auch eine fibulare Bandruptur. Das Ligamentum fibulotalare anterius reißt am ehesten dann, wenn der Fuß zugleich gestreckt (Plantarflexion) und verdreht (Inversion) ist. Ist der Fuß bei einer Verdrehung angewinkelt (Dorsalextension), bleibt dieses Band zumeist intakt. Bei Bänderrissen können die enormen Kräfte, die zugleich auf umliegende Weichteile und Knochen einwirken, zu Malleolarfrakturen oder zu knöchernen Bandausrissen (Abrissfrakturen) führen.
Als Erste-Hilfe-Maßnahme bei einem vermuteten Bänderriss wird das Gelenk ruhiggestellt, gekühlt, vorsichtig bandagiert und hochgelagert (PECH-Regel: „Pause, Eis, Compression, Hochlagerung“). Die PECH-Regel ist generell als geeignete Behandlungsmaßnahme akzeptiert, wenn auch die empirischen Belege für ihre Wirksamkeit unzureichend sind. Vermeintlich „leichte“ Verletzungen werden von dem Betroffenen ebenso wie vom behandelnden Arzt oft unterschätzt. Wenn sie nicht angemessen diagnostiziert und behandelt werden, kann es zu wiederholten Verletzungen oder auch zu chronischer Gelenkinstabilität kommen, woraus sich weitere Schäden ergeben können. Laut der Leitlinien der DGU, ÖGU und DGOOC wird geschätzt, dass nur etwa die Hälfte der Patienten mit akuter Außenbandverletzung ärztliche Hilfe in Anspruch nimmt und somit adäquat behandelt wird.
Bei der Diagnostik wird der Patient im Rahmen der Anamnese nach dem Hergang der Verletzung (Unfallmechanismus, Sturz, Höhe, mechanische Kraft und Bewegungsrichtung des Fußes), nach der bisherigen Behandlung und nach früheren Verletzungen befragt, das Fußgelenk nach Schwellungen und Hämatomen untersucht, das Gangbild beurteilt und eine Untersuchung durch Palpation sowie spezifische Funktions- und Schmerztests durchgeführt. Hinzu kommen Röntgenaufnahmen und gegebenenfalls der Einsatz weiterer bildgebender Verfahren.
Bei einer Verletzung der Außenbänder des oberen Sprunggelenks ist wegen der Wahl der richtigen Therapie vor allem die Frage wichtig, ob es sich um eine Bänderdehnung oder einen Bänderriss handelt. Geübten Untersuchern gelingt die Unterscheidung zwischen Bänderdehnung und Bänderriss in der Regel alleine mit dem Schubladentest, also ohne die Anfertigung von Röntgen-Bildern oder den Einsatz anderer gerätemedizinischer Untersuchungsmethoden: Für den vorderen Schubladentest liegt der Patient in Rückenlage. Der Untersucher umgreift mit einer Hand von unten die Ferse, mit der anderen Hand wird gefühlvoll von oben gegen das Schienbein gedrückt. Liegt lediglich eine Zerrung des vorderen Außenbandes vor, ist keine Schubladenbewegung möglich. Dagegen kann der Fuß bei einem Riss deutlich gegenüber dem Schien- und Wadenbein nach vorne (bei liegendem Patienten nach oben) aus dem Gelenk geschoben werden („Talus vorschub“). Da sich die normale Schubladenbewegung im oberen Sprunggelenk im gesunden Zustand von Mensch zu Mensch stark unterscheidet, ist es wichtig, die Untersuchung zuvor am gesunden Sprunggelenk des anderen Beins durchzuführen. Auf diese Weise lässt sich herausfinden, welches Ausmaß der Schubladenbewegung beim betroffenen Menschen noch als nicht gerissen anzusehen ist. Die Stabilität der fibularen Seitenbänder wird auch durch die vertikalen Aufklappbarkeit getestet. Hierbei wird der Rückfuß gegen den fixierten Unterschenkel maximal nach innen gedrückt. Manche empfehlen, den Schubladentest beim Verdacht auf einen Außenbandriss nur innerhalb der ersten 48 Stunden nach der Verletzung durchzuführen, um nicht zu riskieren, dass sich im Falle eines Bänderrisses die frühen Verklebungen der Bänder wieder lösen. Sind mehr als 48 Stunden vergangen, solle man stattdessen von einem Riss ausgehen.
Zusätzlich können bildgebende Verfahren wie Röntgen sinnvoll sein, um einen Bruch (Fraktur) der angrenzenden Knochen auszuschließen. In seltenen Fällen kann zudem eine Magnetresonanztomographie (MRT) sinnvoll sein; diese macht zugleich etwaige weitere Verletzungen (etwa Kapselrisse, Gelenkergüsse oder Knochenprellungen) sichtbar. Wie die Deutsche Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin hervorhebt, kann ergänzend oder alternativ zur MRT die Sonografie eingesetzt werden, die es dem entsprechend qualifizierten Arzt erlaubt, Instabilitäten und Bänderrisse durch eine dynamische Untersuchung aufzuzeigen. Sehr in die Kritik geraten sind bei der Diagnosestellung die bis vor einiger Zeit üblichen sogenannten „gehaltenen Röntgen-Aufnahmen“. Dabei wird auf einem Röntgenbild festgehalten, wie weit sich das Gelenk mit einer fest definierten Kraft aufklappen lässt. Aus dem Aufklappwinkel, der im Röntgenbild eingezeichnet werden kann, wurde dann auf den Verletzungsgrad geschlossen. Der Grund für die Kritik ist, dass sich mit solchen gehaltenen Aufnahmen vor allem das mittlere Außenband überprüfen lässt, das allerdings nur sehr selten isoliert reißt, sondern fast immer nur in Kombination mit dem vorderen Außenband. Da für die Auswahl der Therapie vor allem die Frage wichtig ist, ob es sich um einen Riss oder eine Zerrung handelt, nicht aber ob ein oder zwei Bänder gerissen sind, reicht der Schubladentest, der das vordere Außenband überprüft, in den meisten Fällen als alleinige Untersuchung aus.
Durch die enormen Kräfte, die beim Bänderriss auf umliegende Weichteile und Knochen einwirken, kann es zugleich zu Malleolarfrakturen oder zu knöchernen Bandausrissen (Abrissfrakturen) kommen, was zu einem freien Gelenkkörper und mitunter zu einem knöchernen Impingement des Gelenks führen kann. Außerdem können Außenbandrupturen ein Weichteil-Impingement am oberen Sprunggelenk verursachen, mit einer Einklemmung weichteiliger Strukturen (entzündliche Gelenkinnenhaut, Kapselbandgewebe, Narbengewebe) im Gelenk. Diese befinden sich zumeist in den vorderen und seitlichen Abschnitten des oberen Sprunggelenkes. Stören solche weichteiligen oder knöchernen Einklemmungen, werden sie eventuell arthroskopisch oder minimalinvasiv entfernt. Zudem ist ein Inversionstrauma die häufigste Ursache für das Sinus-tarsi-Syndrom.
Während noch vor einigen Jahren die Außenbandruptur regelhaft genäht wurde, ist heute bei gleich guten Behandlungsergebnissen die konservative Behandlung Standard. Denn da das Außenband in eine Gelenkkapsel eingebettet ist, kann es nach einer Ruptur auch ohne Operation zusammenwachsen. Nur bei kompletter Zerreißung aller drei Bänder und Operationswunsch (z. B. Profisportler) wird noch eine operative Behandlung empfohlen. Sowohl bei konservativer als auch bei operativer Therapie einer fibularen Bänderruptur fällt typischerweise eine mehrwöchige Arbeitsunfähigkeit an.
Bei der Behandlung in konservativer Therapie unterscheidet man mehrere Phasen der Heilung, deren Dauer von Fall zu Fall verschieden sein kann und die sich außerdem überlappen können: eine erste, mehrere Tage währende entzündliche Phase (Phase I), eine etwa 5–28-tägige reparative oder proliferative Phase der Primärheilung (Phase II), die durch Angiogenese, proliferierende Fibroblasten und Kollagenproduktion gekennzeichnet ist, und eine vier- bis sechswöchige Umbau- bzw. remodellierende Phase (Phase III) in der die Kollagenfibrillen und Zellen der Bänder reifen. In Phasen I und II ist ein Schutz vor zu viel Belastung wichtig, um eine überschießende Produktion des Kollagens Typ III, und somit der Bildung eines elongierten weichen Bandes vorzubeugen; in der Phase III hingegen ist eine allmähliche Zunahme der Belastung nötig, um die Bänder „auszuhärten“. Physiologische Belastungsreize während der Heilung eines Bänderrisses führen zu einer besseren Organisation des heilenden Gewebes und geringerer Narbenbildung. Bei der konservativen Therapie ist das Anlegen einer Orthese über mindestens fünf Wochen Standard. Ist die Schwellung zu stark, um eine Orthese anlegen zu können, wird der Fuß zunächst kurzzeitig (zum Beispiel zwei bis vier Tage) ruhiggestellt, bis die Schwellung etwas abgeklungen ist, beispielsweise mittels gespaltenem Unterschenkelgips, Entlastung an Unterarmgehstützen und medikamentöser Thromboembolieprophylaxe. Es ist auch erprobt worden, Bänderverletzungen ergänzend innerhalb der ersten 48 Stunden nach der Verletzung mit Hyaluronsäure-Spritzen zu behandeln; allerdings ist die empirische Datenlage zu dieser Methode noch gering (Stand: 2011). Liegt am Gelenk keine Schwellung (mehr) vor, wird normalerweise eine Orthese (z. B. Aircast-Schiene) eingesetzt. Sie stellt sicher, dass die gerissenen Bänder nicht belastet werden können und dass das Gelenk dennoch bewegt werden kann. Eine geeignete Orthese stabilisiert sowohl die Auswärtsdrehung (Supination) des Rückfußes als auch den Talusvorschub. Manche Orthesen verhindern nicht nur die Supination, sondern auch die Plantarflexion, was für die Anfangsphase als wichtig für die Heilung angesehen wird. Die Orthese wird zum Zweck der Stabilisierung Tag und Nacht getragen, da nachts der Muskeltonus nachlässt und der Fuß daher in eine ungünstige Haltung sacken könnte. Die Bänder wachsen durch das Tragen der Orthese eher belastungsgerecht zusammen, Probleme mit einem versteiften Gelenk, die bei kompletter Fixierung zu erwarten wären, werden vermieden. Als besonders günstig haben sich hierbei sogenannte modulare Orthesen erwiesen, die eine Anpassung der Bewegungsfähigkeit mit Orthese an den Heilungsverlauf ermöglichen. Ab der remodellierenden Phase kann der weitere Umbau von Bändern Monate bis Jahre dauern.
In der Therapie des akuten Gelenktraumas können nicht-steroidale Entzündungshemmer (NSAR) eingesetzt und eine frühe Mobilisation des Gelenkes durchgeführt werden. Wie ein systematischer Review von 2008 zeigte, hat der Einsatz von NSAR, Beinwell-Salbe und manueller Therapie in einer frühen Phase nach der Verletzung zumindest kurzzeitig signifikant positive Auswirkungen auf die Funktionalität des Gelenkes. In Kombination mit anderen Therapien wie Krankengymnastik hat die manuelle Therapie auch längerfristig positive Auswirkungen auf die Heilung. Krankengymnastik und manuelle Therapie sollen Schmerzen und Schwellungen verringern und die Funktion des Gelenkes wiederherstellen. Um einer chronischen Instabilität vorzubeugen, wird das Gelenk in der Akutphase mit Hilfe einer Schiene ruhiggestellt und später, in der Rehabilitationsphase, physiotherapeutisch beübt (Mobilisation des Gelenks, Balanceübungen). Ergänzend kann die Kryotherapie eingesetzt werden. Bei der Außenbandruptur ist die physikalische Therapie ein Teil der konservativen Therapie. Wie bei anderen Bänderrissen auch geht es dabei u. a. um die Resorption eventueller Ödeme, die Verbesserung der Durchblutung, die Lösung von Verklebungen und den Erhalt der Beweglichkeit unter Beachtung ärztlicher Vorgaben. Hinzu kommen angepasste Übungen der Muskulatur und ggf. die Anleitung zur Verwendung von Gehstützen oder anderer Hilfsmittel. Die Leitlinien der DGU, ÖGU und DGOOC sehen für die Behandlung der Außenbandruptur nach einer initialen Phase mit Hochlagerung, Kryotherapie und elastischer Wickelung isometrische Übungen in der Orthese vor. Im Verlauf der Behandlung wird häufig die manuelle Therapie eingesetzt, um die Beweglichkeit des Gelenkes zu verbessern. Dehnungsübungen der Achillessehne werden eingesetzt, da diese sich andernfalls infolge der Verletzung verkürzen kann. Nach Abnahme der Orthese sind laut der Leitlinien Koordinationsschulung, Muskelkräftigung (Peroneusgruppe) und Eigenreflexschulung vorgesehen. Mit sensomotorischem Balancetraining, das der Patient unter Anleitung oder selbständig durchführen kann, sollen erneute Verletzungen und dadurch wiederkehrende Bänderinstabilitäten vermieden werden. Allerdings liegen zum propriozeptiven Training widersprüchliche Ergebnisse vor. Die Wirksamkeit zusätzlicher Ultraschall-, Laser- und Kurzwellentherapie ist für die Behandlung der Außenbandruptur nicht nachgewiesen. Ein Review von 2014 kam zum Schluss, dass die manuelle Therapie und Gelenkmobilisierung sowohl bei akuten als auch bei subakuten oder chronischen Symptomen den Schmerz verringert und die Beweglichkeit verbessert.
Die operative Therapie der Außenbandruptur, so die Leitlinien der DGU, ÖGU und DGOOC, „liefert bei gleicher frühfunktioneller Nachbehandlung eine der nichtoperativen Behandlung vergleichbare bis höhere Kapselbandstabilität bei einer nichtsignifikanten Tendenz zu höherer Steifigkeit und längerer Arbeitsunfähigkeit […] sowie einem leicht erhöhten Risiko für die Entwicklung einer posttraumatischen Arthrose“. Bis in die späten 1980er wurde fast jeder akute Bänderriss am oberen Sprunggelenk operiert. Wird direkt operiert, können innerhalb der ersten 14 Tage nach der Verletzung die Teile des gerissenen Bandes aneinandergelegt und operativ vernäht werden. Später ist dies nicht mehr möglich, da diese schon teilweise abgebaut worden sind. Eine allzu frühe Operation kann allerdings eine arthrofibrotische Reaktion in der Gelenkkapsel auslösen. Nach einer operativen Bandrekonstruktion ist eine Prophylaxe der Schwellung in den ersten Tagen nach der Operation, u. a. durch intermittierende Kühlung und den Einsatz von NSAR sowie durch konsequente Hochlagerung des Fußes, entscheidend. Im Folgenden können Warm-Kalt-Wechselduschen des Fußes und manuelle Therapie eingesetzt werden.
Ist der Fuß noch nicht dauerhaft belastbar oder ist eine Orthese nötig, kann die Fahrtauglichkeit eingeschränkt sein (Fahruntüchtigkeit).
Bei adäquater Behandlung, sei es konservativ oder durch Operation, heilt die Außenbandruptur in den meisten Fällen vollständig aus. Bei einem kleineren Teil der Behandelten bleiben jedoch chronische Symptome zurück. Laut einem Review von 1997 bleiben bei 10–30 % der Behandelten eine chronische Synovitis oder Tendinitis, Gelenksteife, Schwellung (bzw. Schwellneigung Laut einem Review von 2018 hatten nach 1–4 Jahren 5 %–46 % der Behandelten noch Schmerzen, 3 %–34 % rezidivierende Umknickverletzungen und 33 %–55 % eine Gelenkinstabilität; 25 % berichteten über ein vorderes Impingement. Wird ein Bänderriss in der Frühphase der Heilung nicht angemessen behandelt, etwa indem neu gebildetes Wundgewebe durch Retraumatisierung zerstört wird, verlängert sich die Entzündungsphase. Auch andere Faktoren wie ein hohes Alter, Durchblutungsstörungen oder Diabetes können die Heilung verzögern. Werden Verletzungen nicht ausreichend ausgeheilt, kann es zu wiederholten Verletzungen oder auch zu chronischer Gelenkinstabilität kommen, woraus sich weitere Schäden ergeben können. Wachsen die Bänder unzureichend zusammen, kann es zur Abnutzung des Knorpels und somit zu einer Arthrose kommen. (Siehe auch: Posttraumatische Arthrose.) Durch Umknickverletzungen und Bänderrisse kann es durch posttraumatische Synovitis und durch Einklemmung von Narbengewebe zu einem Weichteil-Impingement am oberen Sprunggelenk und dadurch zu einer mit Schmerzen verbundenen Beschränkung des Bewegungsmaßes dieses Gelenks (Sprunggelenk-Impingement) kommen. Dies kann eine Indikation für einen operativen Eingriff darstellen, etwa durch eine Abtragung des einklemmenden Gewebes mittels Arthroskopie.
* Gültig bis 8. August 2022. * ], Gesundheitsportal des IQWiG, 4. April 2018
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Alphabet
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Ein Alphabet (frühneuhochdeutsch von kirchenlateinisch , von alphábētos) ist die Gesamtheit der kleinsten Schriftzeichen bzw. Buchstaben einer Sprache oder mehrerer Sprachen in einer festgelegten Reihenfolge. Die Buchstaben können über orthographische Regeln zu Wörtern verknüpft werden und damit die Sprache schriftlich darstellen. Die im Alphabet festgelegte Reihenfolge der Buchstaben erlaubt die alphabetische Sortierung von Wörtern und Namen beispielsweise in Wörterbüchern. Nach einigen Definitionen ist mit Alphabet nicht der Buchstabenbestand in seiner festgelegten Reihenfolge gemeint, sondern die Reihenfolge selbst. Die Bezeichnung Alphabet geht auf die ersten beiden Buchstaben des griechischen Alphabets zurück (Alpha – α, Beta – β). Ausgehend von den ersten drei Buchstaben des deutschen Alphabets (bzw. des lateinischen Alphabets) sagt man auch Abc. Alphabetschriften gehören wie Silbenschriften zu den phonographischen Schriften und stehen damit im Gegensatz zu piktografischen oder logografischen Systemen, bei denen die Zeichen für Begriffe stehen (z. B. Rind, Sonnenaufgang, Freundschaft). Im Unterschied zu Silbenschriften bezeichnen alphabetische Buchstaben in der Regel jeweils nur einen Laut (Phonem). Damit wird die fürs Sprechenlernen schon einmal erbrachte Abstraktionsleistung (das Erlernen von Signifikanten für die Objekte des Alltags) hochgradig ins Schreiben hinübergerettet und deren Wiederholung für das Schreibenlernen eingespart. Eine Zwischenform aus Alphabetschrift und Silbenschrift sind die sogenannten Abugidas, zu denen die indischen Schriften gehören. Das Alphabet dient auch dem Erlernen des Lesens und des Schreibens; eine Merkhilfe dazu waren die Buchstabentafeln; jemand, der lesen kann, wird darum als Alphabet bezeichnet, das Gegenteil ist der Analphabet. Ein wichtiges Ziel von Kulturpolitik ist die Alphabetisierung der jeweiligen Bevölkerung – also die Beherrschung des Lesens und des Schreibens durch alle.
Das deutsche Alphabet ist eine Variante des lateinischen Alphabets. Von diesem stammen die 26 Buchstaben A bis Z; hinzu kommen noch die Umlaute (Ä/ä, Ö/ö, Ü/ü) sowie das Eszett (ẞ/ß).
Die Buchstaben eines Alphabetes sind schriftliche Symbole für die kleinsten bedeutungsunterscheidenden lautlichen Einheiten der Sprache, die Phoneme; zum Beispiel unterscheiden und in und die Bedeutung der Wörter (siehe auch Minimalpaar und Allophon). In einem idealen Alphabet entspricht jeder Buchstabe einem Phonem und umgekehrt. In der Praxis finden sich aber immer Abweichungen: * Es kann dasselbe Zeichen für verschiedene Laute gelten (z. B. für in und in oder die drei in ). * Es kann derselbe Laut mit verschiedenen Zeichen notiert werden (z. B. in und ). * Es können mehrere Zeichen für ein einziges Phonem stehen (). * Es können mehrere Laute durch ein einziges Zeichen wiedergegeben werden (z. B. für ). * Es kann ein Laut unbezeichnet bleiben (z. B. der Knacklaut in ). Darüber hinaus geht die einmal festgelegte Korrespondenz von Phonem und Graphem auch durch den Sprachwandel verloren (vergleiche englisch und gegenüber lateinisch ). Fehlen in einem Schriftsystem Zeichen für Phoneme, können sprachliche (inhaltliche) Unterschiede eventuell nicht schriftlich wiedergegeben werden. So bestanden einige Alphabete ursprünglich nur aus Konsonanten (Konsonantenschrift). Später wurden sie mit Zeichen für Vokale ergänzt, die als kleine Zusätze (z. B. Punkte, Striche) zu den Konsonanten gesetzt werden konnten (z. B. arabisches und hebräisches Alphabet). Sind hingegen in einem Schriftsystem Zeichen für Phoneme im Übermaß vorhanden, können semantische (inhaltliche) Unterschiede selbst bei gleicher Lautung schriftlich ausgedrückt werden. Zum Beispiel im Deutschen und . Die Schriftsysteme für die meisten europäischen Sprachen nutzen Varianten des lateinischen Alphabets. Dabei wurden den Zeichen für lateinische Laute ähnliche Laute der jeweiligen Sprache zugeordnet. Dieselben Zeichen standen in den verschiedenen Sprachen für teilweise unterschiedliche Laute. Zudem ist es im Zuge der Sprachentwicklung zu weiteren Veränderungen der Aussprache gekommen (vgl. im Deutschen und Englischen). Da die Zahl und Art der Phoneme in den verschiedenen Sprachen unterschiedlich ist, genügte der Zeichenvorrat des lateinischen Alphabetes oft nicht. Deshalb wurden zur Darstellung der betreffenden Phoneme Buchstabenkombinationen (z. B. , , ) und diakritische Zeichen eingeführt (z. B. auf , ). Daneben wurden Varianten der ursprünglichen lateinischen Zeichen ( → , → ) und Ligaturen ( → , / → , / → ) zu eigenständigen Zeichen weiterentwickelt und gelegentlich auch Buchstaben aus anderen Alphabeten übernommen ().
Ein absolut phonetisches Alphabet wäre in der Praxis unbrauchbar, weil es aufgrund der mannigfaltigen Nuancen einer Sprache sehr viele Zeichen hätte. Ein in Bezug auf die phonetische Wiedergabe optimiertes Alphabet ist das IPA, welches möglichst vielen Lautnuancen ein grafisches Zeichen zuordnet. Eine phonemische Schreibweise behandelt unterschiedliche Aussprachen desselben Phonems gleich. So wird beispielsweise in der deutschen Orthografie die regional unterschiedliche (phonetische) Aussprache des Phonems in als norddeutsch und hochdeutsch nicht berücksichtigt. Daneben sorgen morphemische Schreibungen für ein konstanteres Schriftbild bei der Flexion, z. B. schreibt man wegen des Plurals nicht *, sondern , und bei der Derivation, z. B. statt .
Wenn Menschen einander mündlich die korrekte Schreibweise eines Wortes mitteilen, indem sie nacheinander alle Buchstaben jenes Wortes nennen, so bezeichnet man diesen Vorgang als Buchstabieren (Verb: buchstabieren). Dabei werden Konsonantenbuchstaben meist mit Hilfe von zusätzlichen Vokalen ausgesprochen, im Deutschen zum Beispiel [beː] für B oder [kaː] für K (siehe Benennung der Buchstaben). Um Missverständnisse auszuschließen, können auch in einer Buchstabiertafel festgelegte Ansagewörter (beispielsweise Namen) ausgesprochen werden, die mit dem betreffenden Buchstaben beginnen, zum Beispiel „Aachen“ für A oder „Berlin“ für B. Für Deutschland sind Buchstabiertafeln und Buchstabierregeln in der DIN 5009 enthalten.
Schon um 1400 v. Chr. wurde in Ugarit, einer Stadt an der syrischen Mittelmeerküste, das Alphabet auf Tontafeln in Keilschrift geschrieben. Dabei wurde das 27-Zeichen-Alphabet am Ende mit drei Vokalzeichen ergänzt. Die ugaritischen Texte zeigen, dass sich das Alphabet um 1400 schon weit verbreitet hatte, und dass sich auch schon eine bestimmte Reihenfolge des Alphabets etabliert hatte. Auf Grund des Schreibmaterials Tontafeln blieben in Ugarit relativ viele Text erhalten, während sonst auf vergänglichem organischem Material (Holz, Leder) geschrieben wurde, sodass meistens nur kurze Inschriften auf Stein oder Verputz erhalten blieben. Aus der kanaanäischen Linearschrift (nicht aus der ugaritischen Keilschrift) haben sich verschiedene lokale Schriften (althebräisch, altmoabitisch, phönizisch, aramäisch) entwickelt, die zunächst alle sehr ähnlich ausgeschaut haben. Auf Grund der großen Bedeutung der phönizischen Städte wie etwa Byblos und ihres Handels im Mittelmeer erlangte die phönizischen Ausprägung der Alphabetschrift die größte Verbreitung und wurde so zum Vorläufer der griechischen (und auch der lateinischen) Schrift. In der älteren Zeit wurde sowohl von rechts nach links als auch von links nach rechts geschrieben, später setzte sich die Schreibung von rechts nach links durch. Schon im Kanaanäischen konnten einzelne Konsonanten auch Vokale andeuten, nämlich j für helle Vokale (i, e) und w für dunkle Vokale (o, u;). Dieses „Hilfsmittel“ ergibt sich aus der semitischen Sprache und wurde dann auch in Hebräisch, Aramäisch und Arabisch angewandt. Als die Griechen etwa im 9. Jahrhundert v. Chr. die phönizische Schrift übernahmen und adaptierten, benutzten sie Zeichen für bestimmte semitische Konsonanten, die in ihrer Sprache nicht vorkamen, zur Bezeichnung von Vokalen, wobei der ursprüngliche Laut bzw. Name Pate stand: So wurde das den Stimmeinsatz bezeichnende Alef, das man kaum anders als „a“ hören konnte, zum Alpha; aus dem Zeichen H für einen rauen Hauchlaut, das als He bezeichnet wurde, wurde im griechischen Alphabet das Zeichen für den Vokal „e“ (siehe Buchstabe Eta). Ein Kreis war Zeichen für den typisch semitischen Laut „'Ajin“. Ajin bedeutet Auge, im griechischen wurde es zum „o“, wobei vermutlich das griechische Wort für Auge (omma oder ophtalmos) eine Hilfe war. So wie seinerzeit in Ugarit, wurden auch im Griechischen einige neue Zeichen angehängt, nämlich Phi, Chi, Psi und Omega. Längere Zeit gab es verschiedene lokale Ausprägungen der griechischen Schrift. Im Jahre 403 v. Chr. wurde in Athen das Alphabet normiert. Es wurde im Hellenismus zum Schriftsystem für ganz Griechenland.
Durch das Alphabet entstand ein System mit vergleichsweise wenigen Zeichen. Um die Aufzeichnungen der alten Ägypter verstehen zu können, musste man Hunderte, später sogar Tausende Hieroglyphen lernen. Nun genügten zwei Dutzend Zeichen, um sämtliche Gedanken, die überhaupt formulierbar sind, zu notieren. Die Einfachheit dieses Systems begünstigte dessen Verbreitung über die halbe Welt. „Die menschlichen Sprechwerkzeuge können zwar eine riesige Zahl von Lauten erzeugen, doch beruhen fast alle Sprachen auf dem formalen Wiedererkennen von nur ungefähr vierzig dieser Laute durch die Mitglieder einer Gesellschaft.“ (Jack Goody). Die Reihenfolge des griechischen und lateinischen Alphabets folgt global (mit wenigen Ausnahmen) der Reihenfolge des phönizischen Alphabets, da die Zeichen auch mit einem Zahlwert gekoppelt waren.
s Alphabet für die optische Telegrafie|alternativtext=J fehlt Die Buchstaben (Schriftzeichen eines Alphabets) bestehen meist aus Linien und können beispielsweise auf Papier geschrieben werden. Das bestimmende Merkmal eines Buchstabens ist jedoch nicht die Form, sondern seine Funktion, einen Sprachlaut oder eine Lautverbindung zu repräsentieren. Deshalb spricht man im weiteren Sinn auch bei den folgenden Zeichensystemen von Alphabeten: * Brailleschrift, die häufigste Form einer Blindenschrift * Fingeralphabete für Gebärdensprachen * optische Telegrafie Diese Zeichensysteme kodieren eigentlich Buchstaben – und nur indirekt Laute. Zudem enthalten sie auch Zeichen für Ziffern und teilweise weitere Zeichen (Satzzeichen, Steuerzeichen, Zeichen für Wörter). In der Informatik werden die Begriffe Alphabet und Buchstabe in einem verallgemeinerten Sinn verwendet. Ein „Buchstabe“ kann hier auch eine Ziffer oder ein sonstiges Symbol sein – „Alphabete“ und „Wörter“ können solche beliebigen Symbole enthalten. Siehe hierzu Alphabet (Informatik) und formale Sprache.
Romane dieser Art nutzen Sprache und Schrift bewusst als künstlerisches Material. Mithilfe literarischer Techniken wie Lipogrammen oder Abecedarien erkunden sie spielerisch und reflektierend die Beziehung zwischen sprachlicher Form und Bedeutung. Anders als konventionelle Romane, die hauptsächlich erzählerische Inhalte bieten, stellen auf das Alphabet bezogene Romane die Struktur der Sprache selbst in den Mittelpunkt oder verwenden das Alphabet als symbolisches und thematisches Ordnungsprinzip. Sie verfolgen dabei oft experimentelle Ansätze im Umgang mit Sprache, wodurch deutlich wird, wie stark Form und Inhalt einander bedingen und wie kreativ sprachliche Grenzen überwunden werden können. * Gadsby (1939) – Ernest Vincent Wright * The Gashlycrumb Tinies (1963) – Edward Gorey * La Disparition (1969) – Georges Perec * Alphabetical Africa (1974) – Walter Abish * From A to Z, in the Chocolate Alphabet (1976) – Harlan Ellison * Dictionary of the Khazars (1984) – Milorad Pavić * Anton Voyls Fortgang (1986) – Georges Perec * A Fool’s Alphabet (1992) – Sebastian Faulks * Ella Minnow Pea (2001) – Mark Dunn * Eunoia (2001) – Christian Bök * Alphabet (2004) – Kathy Page * The Lover’s Dictionary (2011) – David Levithan * The Flame Alphabet (2012) – Ben Marcus * Das Alphabet bis S (2023) – Navid Kermani * Imitathyos. Das unendliche Alphabet (2024) – Matthias A. K. Zimmermann * Alphabetical Diaries (2024) – Sheila Heti
* Hans Peter Willberg: Wegweiser Schrift. Verlag Hermann Schmidt, Mainz 2001, ISBN 3-87439-569-3. * Lewis F. Day: Alte und neue Alphabete. Reprint der Ausgabe von 1906, mit einem Nachwort von Hans A. Halbey. Harenberg Edition, Dortmund 1991, ISBN 3-88379-603-4. * George L. Campbell: Handbook of scripts and alphabets. Routledge, London 1997, ISBN 0-415-13715-2. * George A. Miller: Wörter. Streifzüge durch die Psycholinguistik. Herausgegeben und aus dem Amerikanischen übersetzt von Joachim Grabowski und Christiane Fellbaum. Spektrum der Wissenschaft, Heidelberg 1993; Lizenzausgabe: Zweitausendeins, Frankfurt am Main 1995; 2. Auflage ebenda 1996, ISBN 3-86150-115-5, S. 61–80. * Ludwig D. Morenz: Sinai und Alphabetschrift. Die frühesten alphabetischen Inschriften und ihr kanaanäisch-ägyptischer Entstehungshorizont im Zweiten Jahrtausend v. Chr., mit Beiträgen von David Sabel. EB-Verlag Dr. Brandt, Berlin 2019, ISBN 978-3-86893-252-2. * Siegfried Kreuzer Entstehung, Verwendung und Reihenfolge des Alphabets in: M. Bauks, M. Pietsch, M. Weingärtner (Hg.), (Vor)Formen und Funktionen enzyklopädischen Wissens im alten Israel und den angrenzenden Kulturen. Symposium zu Ehren von Prof. Dr. Klaus Koenen, Stuttgart: Deutsche Bibelgesellschaft 2024,
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Arthur Harris
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Sir Arthur Travers Harris, 1. Baronet GCB OBE AFC, genannt Bomber-Harris, (* 13. April 1892 in Cheltenham; † 5. April 1984 in Goring-on-Thames) war ein hochrangiger Offizier der Royal Air Force, zuletzt im Rang eines Marshal of the Royal Air Force. Er war während des Zweiten Weltkriegs ab Februar 1942 Oberbefehlshaber des RAF Bomber Command und gehört wegen der von ihm angeordneten Flächenbombardements deutscher Städte zu den umstrittensten Personen des Luftkriegs im Zweiten Weltkrieg.
Arthur Travers Harris wurde in Cheltenham während eines Urlaubs seiner Eltern geboren. Sein Vater war Angehöriger der britischen Beamtenschaft in Indien (Indian Civil Service (ICS)). Nach der Schulzeit in Dorset stand laut Biographie von Norman Longmate für Harris im Alter von 16 Jahren eine Entscheidung zwischen der Armee und den Kolonien an. Harris entschied sich 1908 für letztere. In Rhodesien war er nach eigener Auskunft mit Goldwaschen, Kutschfahrten und Landwirtschaft beschäftigt.
1914 trat er als Trompeter in das 1st Rhodesian Regiment der Britischen Armee ein. Er diente für die Südafrikanische Union im Krieg in Deutsch-Südwestafrika (heute Namibia), bevor er 1915 nach England zurückkehrte und in das neu aufgestellte Royal Flying Corps eintrat. Harris war in Frankreich und England im Einsatz und errang auf den Doppeldeckern Sopwith 1½ Strutter und Sopwith Camel fünf Luftsiege, worauf ihm das Air Force Cross (AFC) verliehen wurde. Bei Kriegsende hatte er den Rang eines Majors.
1919 verblieb er bei der neu gegründeten Royal Air Force und wurde im April 1920 Staffelführer und Kommandant des Fliegerhorstes Digby und der No. 3 Flying Training School. Später diente er unter anderem in Britisch-Indien, in Mesopotamien und in Persien. In Mesopotamien kommandierte er ein Transportgeschwader Vickers Vernon. 1922 war Harris Führer einer Lufttransportstaffel im Irak, wo die Briten versuchten, den Widerstand der Einheimischen durch Terrorangriffe auf Städte und Dörfer zu brechen, bevor der Einsatz von Infanterie notwendig wurde. Harris hatte die Idee, alle Transportflugzeuge zusätzlich mit Bombenträgern auszustatten, „kam es doch nicht auf Präzisionsangriffe an, sondern auf eine möglichst flächendeckende Terrorisierung der Bevölkerung.“ Von 1930 an war Harris im Luftstab für den Nahen Osten tätig, wo er an der Niederschlagung verschiedener Aufstände der dortigen Bevölkerung gegen die britische Kolonialherrschaft beteiligt war. Er begründete dies damit, dass seiner Ansicht nach die Araber nur eine „Politik der harten Hand“ verstünden („The only thing the Arab understands is the heavy hand“). Als Deputy Director of Plans setzte er sich im Air Ministry für den Aufbau einer Streitmacht schwerer statt leichter und mittlerer Bomber ein. Dort setzte er sich 1936 auch für die Idee des Seeminenabwurfs durch Flugzeuge ein.
1939 wurde er Kommandeur des 5. Geschwaders des Bomber Commands. Im Oktober 1940 wurde er stellvertretender Stabschef der Royal Air Force unter Charles Portal. Ab Juni 1941 war er der Leiter der Delegation der Royal Air Force in Washington, um die Lieferung von Flugzeugen im Rahmen des Leih- und Pachtgesetzes zu beschleunigen. Im Februar 1942 übernahm er das Kommando von RAF Bomber Command. Entgegen weit verbreiteter Annahme, war er nicht der Initiator der Flächenbombardements. Vielmehr erfolgte bereits am 14. Februar 1942 die Anweisung „Area Bombing Directive“ des britischen Luftfahrtministeriums an den damaligen kommissarischen Kommandeur John Baldwin. Harris verteidigte diese Anweisung als Nachfolger unbeirrbar gegen alle Versuche sie zu unterlaufen. Zum Premierminister Winston Churchill hatte er engen Kontakt und besuchte ihn häufig auf dessen Landsitz Chequers, der nicht weit von High Wycombe, dem Hauptquartier des Bomber Command, lag. Basierend auf dem Dehousing Paper von Frederick Lindemann, 1. Baron Cherwell, einem engen Berater Churchills, von dem die Wortschöpfung Flächenbombardements (Carpet Bombing) stammt, war Harris der Ansicht, allein durch Flächenbombardierungen der Städte das Deutsche Reich zur Kapitulation zwingen zu können. Harris unterstützte maßgeblich die Entwicklung eines geplanten Feuersturms (Zitat A. Harris bei den Planungen des Luftangriffs auf Lübeck am 29. März 1942: „Historischer Stadtkern brennt gut“). In der ersten Welle wurden neben Spreng- und Brandbomben vor allem große Luftminen (Blockbuster – „Wohnblockknacker“) abgeworfen, die die Dächer abdeckten und Fenster zerstörten, um den Kamineffekt zu verstärken. In einer zweiten Welle wurden Brandbomben abgeworfen, die in kürzester Zeit einen Flächenbrand entstehen ließen. Dies gelang jedoch aufgrund meteorologischer und städtebaulicher Faktoren nicht immer. Die Großbrände verursachten am Boden einen derartigen Sauerstoffentzug, dass viele Opfer durch Ersticken zu Tode kamen. Um die deutsche Flugabwehr und die nach dem sogenannten „Himmelbett-Verfahren“ arbeitende Nachtjagd, zum Beispiel entlang der Kammhuber-Linie durch lokale Überlastung zu überrumpeln, entwickelte er die Methode der Bomberströme, bei der möglichst viele Bomber auf demselben Kurs einfliegend in kurzer Zeit ein Ziel angriffen, statt einzeln und in breiter Front einzufliegen. Zur Demonstration der Wirksamkeit seines Konzeptes zog Harris im Frühjahr 1942 für die Operation Millennium alle verfügbaren Bomber zusammen, um Ende Mai mit 1047 Maschinen auf Köln den ersten „Tausend-Bomber-Angriff“ durchzuführen. Dieser Angriff war entscheidend, um die zahllosen britischen Skeptiker von der Wirksamkeit von Luftangriffen zu überzeugen und die betriebene Auflösung des Bomber Command zu verhindern. Die technischen Voraussetzungen für präzise Schläge gegen strategische Punkte wie Fabriken für Flugzeuge, Panzer und anderes Rüstungsmaterial befanden sich in der Mitte des Krieges noch in der Entwicklung. Die schweren Verluste der Eighth Air Force bei ihren Angriffen 1943 und Anfang 1944 bestätigten sein Festhalten am Nachtangriff vorerst bis zum Einsatz von neuen amerikanischen Langstreckenbegleitjägern, wobei die Nachtangriffe der RAF durch die Schaffung der 24-Stunden-Bedrohung auch für den Erfolg der amerikanischen Tagesangriffe auf strategische Punktziele weiterhin bedeutend blieben. Unter seiner Führung wurden von der RAF zahlreiche deutsche Städte schwer zerstört, so bei der Operation Gomorrha gegen Hamburg im Juli/August 1943, Kassel (22. Oktober 1943), Leipzig (4. Dezember 1943), Frankfurt am Main (22. März 1944), Darmstadt (11. September 1944), Braunschweig (15. Oktober 1944), Nürnberg (2. Januar 1945), Magdeburg (16. Januar 1945), Dresden am 13./14. Februar 1945 sowie Pforzheim (23. Februar 1945), Mainz (27. Februar 1945), Würzburg (16. März 1945), Hanau (19. März 1945), Hildesheim (22. März 1945) und Nordhausen (3./4. April 1945). Bei den Flächenbombardements wurden – neben den im Stadtgebiet befindlichen Industrieanlagen – die Zivilbevölkerung und die Infrastruktur der Stadt primäres Ziel der Angriffe. Seiner Meinung nach sollten ganz bewusst zivile Ziele angegriffen werden, um die Moral und den Widerstandswillen der deutschen Bevölkerung zu brechen (sogenanntes morale bombing). Zu Beginn der Bombardierungen äußerte sich Harris zu seiner Motivation: „Die Nazis starteten (‚entered‘) den Krieg mit der ziemlich kindischen Vorstellung, dass sie jeden anderen nach Belieben bombardieren könnten und niemand würde zurückbomben. In Rotterdam, London, Warschau und an beinahe einem halben Hundert anderer Stätten führten sie ihre ziemlich naive Theorie aus. Sie säten Wind und jetzt ernten sie Sturm.“ In seinen Memoiren schrieb er später: „Trotz all dem, was in Hamburg geschehen ist, bleibt das Bomben eine relativ humane Methode.“ Neben den Bombenangriffen auf Deutschland wurden insbesondere in Italien mehrere Großstädte bombardiert, was etwa in Mailand, Neapel und Palermo beträchtliche Schäden auch in Wohngebieten verursachte.
Am 15. September 1945 schied Harris im Streit mit dem neuen Premierminister Clement Attlee aus der Royal Air Force aus und zog sich verbittert nach Südafrika zurück. Seine Ehrungen durch die Ernennung zum erblichen Baronet, of Chipping Wycombe in the County of Buckingham, am 24. Januar 1953 (eine Erhebung zum Peer hatte er abgelehnt) sowie die Enthüllung eines von Veteranen finanzierten Denkmals 1992 vor der Kirche St Clement Danes in London durch die Königinmutter Elizabeth waren in der britischen Bevölkerung stark umstritten. Innerhalb von 24 Stunden wurde das Denkmal mit roter Farbe überschüttet und später noch mehrfach beschädigt, woraufhin es für mehrere Monate unter Bewachung stand. In diesem Zusammenhang ist auch von Bedeutung, dass seine Luftkriegsstrategie für die Besatzungen der Flugzeuge verlustreich war. Nahezu 45 % kehrten nicht heim, insgesamt kamen 55.573 Flieger bei den Angriffen auf Deutschland um. Auch deswegen wurde Harris oft „Butcher“ (englisch für Metzger oder Schlächter) genannt.
Die historische wie rechtliche Qualifizierung der alliierten Luftkriegsstrategie und damit der Position Harris’ wird unterschiedlich bewertet. Nach sachlichen oder militärischen Kriterien war die gezielte Zerstörung von Wohngebieten und Innenstädten umstritten. Zwar waren militärisch gesehen die strategischen Folgen des Luftkriegs allgemein erheblich, da angesichts der Angriffe die deutsche Rüstungsproduktion zu umfangreichen produktionsbehindernden Verlagerungen gezwungen wurde – laut Albert Speer führten die alliierten Luftangriffe bei den Luftfahrzeugen zu einer Halbierung der möglichen Produktion. Über eine Million Soldaten wurden bei der Flakartillerie eingesetzt und fehlten dadurch an den Fronten, zusätzlich wurde eine halbe Million Behelfspersonal herangezogen, darunter viele Jugendliche als Flakhelfer. All dies war aber in erster Linie auf die gegen die Rüstungsindustrie geführten Tagangriffe der USAAF und nicht auf die gegen die Zivilbevölkerung gerichteten und von Arthur Harris verantworteten Nachtangriffe der Royal Air Force zurückzuführen. Die bekanntesten Einsätze des Bomber Command außerhalb von Harris’ Strategie waren: Die Angriffe auf die Talsperren (Operation Chastise), die Versenkung des Schlachtschiffs Tirpitz (November 1944), die Bombardierung von U-Boot-Bunkern der Kriegsmarine an der französischen Atlantikküste und die Zerstörung von Anlagen des deutschen V-Waffen-Programms (Operation Hydra, Éperlecques, Mimoyecques) sowie die direkte taktische Unterstützung während der Landung alliierter Truppen in der Normandie (Operation Overlord). Harris hat seinen Standpunkt insbesondere in seinem Buch Bomber Offensive dargestellt, das seinen Lebensweg beschreibt. Er argumentiert, das nationalsozialistische Deutschland habe damit begonnen, die Zivilbevölkerung zum Objekt von Terrorangriffen zu machen (Guernica, Coventry, Rotterdam, Warschau, London). Aufgabe der britischen Verantwortlichen sei es gewesen, für ein schnelleres Ende des Krieges zu sorgen und eigene Opfer zu vermeiden, die etwa ein Landkrieg oder Stellungskrieg wie im Ersten Weltkrieg mit sich gebracht hätte. Vor dem Eintritt der Vereinigten Staaten in den Krieg (Dezember 1941) beziehungsweise vor dem D-Day, der alliierten Landung in der Normandie am 6. Juni 1944, hätte angesichts der Insellage Großbritanniens einzig die Offensivstrategie des Bomber Commands der Royal Air Force die Sicherheit des Vereinigten Königreichs garantieren können. Des Weiteren unterstreicht Harris die Bedeutung der Luftunterstützung für einen erfolgreichen Einsatz von Landtruppen. Er verweist zum Vergleich auf die deutsche Blitzkriegstrategie zu Beginn des Krieges, bei der das schnelle Vordringen des Heeres, insbesondere der Panzer, nur aufgrund massiver und rasch abrufbarer Luftunterstützung (Bomber und Jagdflieger) möglich gewesen sei. Die Tatsache, dass die deutsche Luftwaffe gegen Ende des Krieges zum großen Teil zerstört oder durch die Verteidigung des eigenen Territoriums gegen die alliierten Bomber gebunden war, habe dazu geführt, dass dem deutschen Heer die notwendige Unterstützung durch die Luftwaffe fehlte. Die alliierte Luftüberlegenheit habe den britischen und US-amerikanischen Truppen sowie der Roten Armee entscheidend geholfen, die Deutschen zurückzudrängen.
In erster Ehe heiratete Harris 1916 Barbara Daisy Kyrle Money (* 1893). Aus dieser Ehe, die 1935 geschieden wurde, hatte er drei Kinder: * Sir Anthony Travers Kyrle Harris, 2. Baronet (1918–1996); * Marigold Patricia Harris (1920–2001), ⚭ 1946 Robert William Armitage; * Rosemary Jeanne Harris (1923–2019), Autorin. In zweiter Ehe heiratete er 1938 Thérèse Hearne. Mit ihr hatte er eine Tochter: * Jacqueline Jill Harris (* 1939), ⚭ 1960 Hon. Nicholas Assheton (1934–2012), Sohn des 1. Baron Clitheroe.
In dem 1954 gedrehten britischen Spielfilm Mai 1943 – Die Zerstörung der Talsperren (The Dam Busters) von Michael Anderson wird Arthur T. Harris von Basil Sydney dargestellt. Der Ausruf Bomber Harris do it again! war eine Aktion der 23-jährigen Studentin und damaligen Piraten-Politikerin Mercedes Reichstein auf Twitter, mit der sie nach eigenen Angaben ihrem Protest gegen die rechte Pegida-Bewegung Ausdruck verleihen wollte.
* Air Force Cross, 1918 * Order of the British Empire, 1927 * Suworow-Orden (UdSSR), 1944 * Order of the Bath, 1945 * Legion of Merit (USA), 1945 * Nationaler Orden vom Kreuz des Südens (Brasilien), 1945 * Orden Polonia Restituta (Polen), 1945 * Air Force Distinguished Service Medal (USA), 1946 * Ehrenlegion (Frankreich) * Croix de guerre 1939–1945 (Frankreich)
* Bomber offensive. Collins, London 1947. * Despatch on war operations, 23rd February, 1942, to 8th May, 1945. F. Cass, London/Portland 1995, ISBN 0-7146-4692-X.
* Ralph Barker und die Redaktion der Time-Life-Bücher: Die RAF im Krieg. Bechtermünz, Eltville am Rhein 1993, ISBN 3-86047-051-5. * Charles Messenger: ‘Bomber’ Harris and the Strategic Bombing Offensive, 1939–1945. Arms and Armour Press, 1984, ISBN 0-85368-677-7, * Robin Neillands: Der Krieg der Bomber. Arthur Harris und die Bomberoffensive der Alliierten 1939–1945. Edition q, Berlin 2002, ISBN 3-86124-547-7. * Henry Probert: Bomber Harris. His Life and Times. Greenhill, London 2001, ISBN 1-85367-555-5. * Dudley Saward: „Bomber“ Harris. The Authorized Biography. Sphere Books, London 1996, ISBN 0-907675-33-6. * Stanley White: The means of victory. Charterhouse, London 1992, ISBN 0-9518781-1-5.
* ], 3. November 2004 * ] vom 23. April 2022 (Audio)
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Arthur Wellesley, 1. Duke of Wellington
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(um 1815; Apsley House, London). Wellesleys Unterschrift: Arthur Wellesley, 1. Duke of Wellington (* vermutlich 1. Mai 1769 in Dublin, Irland; † 14. September 1852 in Walmer Castle bei Deal, Kent, England), war Feldmarschall und der herausragendste britische Militärführer der napoleonischen Zeit sowie britischer Außen- und zweimal Premierminister. Die von ihm und dem preußischen Feldmarschall Blücher befehligten Truppen siegten über Napoleon in der Schlacht bei Waterloo.
Wellesley stammte aus englisch-irischem Adel und war der dritte überlebende Sohn von Garret Wesley, 1. Earl of Mornington und Anne, der Tochter von Arthur Hill-Trevor, 1. Viscount Dungannon. Der genaue Tag und Ort seiner Geburt sind nicht sicher. Vermutlich wurde er in Mornington House, 24 Upper Merrion Street in Dublin geboren. Sein älterer Bruder Richard Colley Wellesley (1760–1842) folgte dem Vater als Earl of Mornington und wurde 1799 zum Marquess Wellesley erhoben. Als Kind kränklich und wenig ehrgeizig, aber musikalisch begabt (er spielte gerne und oft Violine), stand er ganz im Schatten seiner beiden älteren Brüder. Nach dem Besuch des Eton College von 1781 bis 1785, wo er sich wenig hervortat, sandten ihn seine Eltern zunächst zum 73rd Regiment of Foot der British Army, in das er am 7. März 1787 im Rang eines Ensign eintrat. Danach besuchte er die Militärakademie in Angers, Frankreich.
Im Jahre 1788 wurde Wellesley zum Lieutenant des 76th Regiment of Foot befördert. 1789 wechselte er als Lieutenant des 12th (The Prince of Wales’s) Regiment of (Light) Dragoons zur Kavallerie, stieg 1791 zum Captain des 58th Regiment of Foot auf und wechselte 1792 als Captain zum 18th Regiment of (Light) Dragoons. Im Juni 1793 wurde er Major des 33rd Regiment of Foot und wurde im September 1793 als Lieutenant-Colonel zum Kommandeur dieses Regiments befördert. Sein schneller Aufstieg wurde durch das damals übliche Kaufsystem ermöglicht. Während der ganzen Zeit war er Adjutant des Vizekönigs von Irland. Seine aktive militärische Karriere begann 1794, als er im Ersten Koalitionskrieg mit dem Duke of York and Albany nach Flandern ging und dort am erfolglosen Feldzug gegen die Franzosen teilnahm. Er kommandierte beim Rückzug die Nachhut. 1796 wurde Wellesley zum Colonel befördert und ging mit seinem Regiment nach Britisch-Indien, wo im Jahr darauf sein älterer Bruder Richard Generalgouverneur werden sollte. Als 1799 der Vierte Mysore-Krieg gegen den Sultan von Mysore, Tipu Sultan, ausbrach, kommandierte er seine erste Division. 1802 wurde er zum Major-General befördert. Er führte 1803 einen sehr erfolgreichen Feldzug im Zweiten Marathenkrieg und konnte dabei seine militärischen Fähigkeiten erheblich ausbauen. Er wurde Oberbefehlshaber der britischen Streitkräfte in Indien und zwang ganz Südindien unter britische Herrschaft. Am 11. August 1803 nahm er die Festung Ahmednagar ein und besiegte eine überlegene Streitmacht der Marathen in der Schlacht von Assaye. In den nächsten Wochen gelang es seinen Truppen, Burhanpur und die Festung Asirgarh einzunehmen. Er stieß auf Hyderabad vor, siegte am 29. November in der Schlacht von Argaon und stürmte die Festung Gawilgarh. In Anerkennung seiner Leistungen wurde er 1804 als Knight Companion des Order of the Bath zum Ritter geschlagen und kehrte 1805 nach Großbritannien zurück, gemeinsam mit Richard, dessen Amtszeit als Generalgouverneur ebenfalls abgelaufen war. 1807 nahm Wellesley an der Expedition nach Dänemark teil und wurde 1808 zum Lieutenant-General befördert. Anfang August 1808 landete er mit 13.000 Mann in Portugal und besiegte am 21. August 1808 die französischen Truppen in der Schlacht bei Vimeiro. Wellesleys Vorgesetzte Burrard und Dalrymple, die erst nach dem Ende der Schlacht in Portugal eingetroffen waren, schlossen Ende August die Konvention von Cintra ab, die den Franzosen nicht nur den freien Abzug gewährte, sondern ihnen auch den Erhalt der Kriegsbeute und den Rücktransport auf britischen Schiffen garantierte. Diese Bedingungen wurden von der britischen Öffentlichkeit als Sieg für Frankreich empfunden; Wellesley, Burrard und Dalrymple wurden nach Großbritannien zurückbefohlen und vor einem Militärgericht angehört. Wellesley wurde entlastet und im Gegensatz zu den beiden anderen Beteiligten rehabilitiert. Am 27. Oktober 1807 vereinbarten Frankreich und Spanien im Geheimen im Vertrag von Fontainebleau (1807) die Eroberung und Teilung Portugals. Spanien gewährte den französischen Truppen den Durchmarsch durch spanisches Hoheitsgebiet. Im Frühjahr 1809 versuchten die Franzosen ein zweites Mal, Portugal zu erobern. Wellesley kehrte nach Portugal zurück und übernahm den Oberbefehl der dortigen britisch-portugiesischen Truppen. Am 12. Mai 1809 schlug er Marschall Nicolas Soult in der Zweiten Schlacht bei Oporto. Durch den Sieg in der Schlacht bei Talavera de la Reina am 28. Juli beendete Wellesley erst einmal die französischen Ambitionen. In Anerkennung seiner Leistungen wurde er am 26. August 1809 mit den erblichen Titeln Viscount Wellington und Baron Douro zum Peer erhoben. (zwischen 1812 und 1814; National Gallery, London) Wellesley gab zum Schutze Portugals am 20. Oktober 1809 beim britischen Ingenieur Richard Fletcher die Befestigung der Linien von Torres Vedras in Auftrag, unter dessen Leitung sie von portugiesischen Arbeitern und Soldaten errichtet wurden. Der Vormarsch der Franzosen unter Marschall Masséna erhielt am 27. September 1810 in der Schlacht von Buçaco einen empfindlichen Rückschlag, gleichwohl blieb die Hauptstadt Lissabon weiterhin bedroht. Am 3. April 1811 scheiterte mit der Schlacht von Sabugal der letzte Versuch Frankreichs, Portugal zu erobern. Danach schwenkte die Stimmung in Spanien auf die britische Seite um; Wellesley wurde zum General befördert und auch Oberkommandierender der spanischen Streitkräfte. Lord Beresford erhielt den Oberbefehl über die reorganisierten portugiesischen Streitkräfte. Nachdem bekannt geworden war, dass die französischen Truppen im Westen Spaniens reduziert wurden, marschierte Wellington nach Ciudad Rodrigo und nahm diese Stadt nach kurzer Belagerung am 19. Januar 1812 ein, wofür er durch den Prinzregenten Georg am 28. Februar 1812 zum Earl of Wellington erhoben wurde. Ab 27. März 1812 begannen die Verbündeten die dritte Belagerung von Badajoz, Wellington nahm die Stadt nach drei Wochen unter Verlust von etwa 4.000 Mann auf britischer Seite am 7. April ein. Die Eroberung erlaubte es den Briten, eigene Operationen im zentralen Spanien einzuleiten. Während ein britisches Korps unter General Hill zwischen den französischen Armeen Marmont und Soult Richtung Tajo vorrückte, wandte sich die britische Hauptmacht nach León. Am 21. Juli erwarteten die Franzosen den Gegner am Tormes und in Stellungen auf den Arapilen, und am 22. Juli schlug Wellington sie in der Schlacht von Salamanca. Wellington konnte infolge dieser Kämpfe am 12. August Madrid besetzen, wurde aber kurz darauf wieder aus der Stadt vertrieben und musste die geplante Belagerung von Burgos aufgeben. Am 4. Oktober 1812 wurde ihm der erbliche Titel Marquess of Wellington verliehen. Nach der Niederlage Napoleons in Russland und dem Beginn der Kämpfe in Deutschland erhielten die französischen Truppen in Spanien keine Verstärkung mehr. Wellington verbrachte den Winter damit, seine Armee zu reorganisieren, und plante, die iberische Halbinsel im Frühjahr 1813 gänzlich freizukämpfen. Im Mai 1813 begann Wellingtons abschließende Offensive von Portugal aus zwischen Duero und Tajo, in der er zunächst die nördlichen Provinzen Spaniens eroberte und sein Hauptquartier von Lissabon nach Santander verlegte. Wellingtons Truppen marschierten durch das kastilische Hochland in Richtung Kantabrien, um die französische Hauptmacht durch Abschneidung der Verbindungswege zum Rückzug aus Zentralspanien zu zwingen. Er griff die französische Hauptmacht unter Joseph Bonaparte am 21. Juni 1813 in der entscheidenden Schlacht von Vitoria mit drei Kolonnen an. Die Schlacht beendete Napoleons Herrschaft in Spanien. Am 7. Juli begann Wellington die Belagerung von San Sebastian. Im Herbst 1813 rang er, inzwischen zum Feldmarschall befördert, mit den Truppen des neuen französischen Oberbefehlshabers Soult auf breiter Front um die Übergänge in den Pyrenäen. In Südfrankreich eindringend, lieferte er sich mit Soult noch am 10. April 1814 die blutige Schlacht bei Toulouse, dann folgte mit der Abdankung Napoleons das Kriegsende. Am 11. Mai 1814 verlieh der Prinzregent stellvertretend für seinen Vater Georg III. ihm die erblichen Adelstitel Duke of Wellington und Marquess Douro. (1822; Bomann-Museum, Celle) Der Duke nahm im Frühjahr 1815 unter Lord Castlereagh auch an mehreren Sitzungen des Wiener Kongress teil. Im Februar wurde Wellington nach dessen Abberufung nach England Hauptbevollmächtigter in Wien, bevor er März 1815 nach der Rückkehr Napoleons aus Elba den Oberbefehl im neuen Krieg gegen Frankreich erhielt. Im Raum Brüssel sammelte Wellington das verbündete Heer gegen Napoleon, darunter nur etwa 35.000 Briten, und wartete die geplante Vereinigung mit den Preußen ab. Am 18. Juni in der Schlacht von Waterloo (auch „Schlacht von Belle-Alliance“) von Napoleon angegriffen, hielten Wellingtons Truppen den französischen Angriffen solange erfolgreich stand, bis die Ankunft der Preußen den Sieg der Alliierten entschied. Das bekannte Zitat „Ich wollte, es wäre Nacht, oder die Preußen kämen“ wird Wellesley beim Warten auf die Ankunft Blüchers zugeschrieben, ist aber nicht verbürgt. Die Schlacht ging mit der Hilfe Blüchers zu Wellesleys Gunsten aus, Napoleon zog sich geschlagen zurück, für ihn bedeutete diese Schlacht das Ende seiner militärischen Karriere. Wellington hingegen wurde von den Briten als Held gefeiert, unter den Militärstrategen galt er fortan als Meister der Defensive. des Duke of Wellington von Antoine Claudet (1844) 1827/28 und noch einmal von 1842 bis zu seinem Tod war Wellesley Oberbefehlshaber der britischen Armee. Ab 1829 hatte er auch das Amt des Lord Warden of the Cinque Ports inne. Nach seinem Tod wurde er am 18. November 1852 in einem Staatsbegräbnis in der Krypta der St Paul’s Cathedral beigesetzt. Im Hauptschiff der Kathedrale wurde ihm ein monumentales Grabdenkmal gesetzt.
Parallel zu seiner Militärlaufbahn war er von 1790 bis 1797 Abgeordneter für den Wahlbezirk Trim im County Meath (seinem Familiensitz) im House of Commons des irischen Parlaments. Im Jahr 1806 zog er als Abgeordneter für den Wahlbezirk Rye in Sussex ins britische House of Commons ein. Im Parlament gehörte er den Torys an. 1807 wurde er Chief Secretary for Ireland, dieses Amt gab er jedoch noch im gleichen Jahr zugunsten seiner militärischen Karriere wieder auf. 1807 war er jeweils kurzzeitig Abgeordneter für die Wahlbezirke Tralee im irischen County Kerry und Mitchell in Cornwall und war anschließend 1807 bis 1809 Abgeordneter für den Wahlbezirk Newport auf der Isle of Wight. Als er 1809 zum Peer erhoben wurde, wurde er damit auch auf Lebenszeit Mitglied des britischen House of Lords und schied dafür aus dem House of Commons aus. Nach dem Wiener Kongress wandte er sich wieder einer politischen Laufbahn zu und erhielt 1818 ein Amt in der Tory-Regierung unter Lord Liverpool. Am 17. August 1827 wurde er Oberkommandierender der britischen Armee, doch übernahm er 1828 nach dem Tod von Canning und dem Sturz von Lord Goderich widerstrebend das Amt des Premierministers. Er führte eine erzkonservative Regierung und eine isolationistische Politik. So beendete er trotz des Siegs in der Schlacht von Navarino die Unterstützung des griechischen Freiheitskampfes. Infolge dieser Politik lehnte Prinz Leopold die ihm angebotene griechische Krone ab. Innenpolitisch setzte Wellington gegen große innerparteiliche Widerstände 1829 das Wahlrecht für Katholiken durch. Aufgrund dessen beschuldigte der Earl of Winchilsea Wellington, Großbritannien in die Abhängigkeit der römischen Kirche führen zu wollen, worauf dieser ihn auf Pistole forderte. Wellington verfehlte seinen Kontrahenten jedoch, woraufhin Winchilsea aus Angst, „den Sieger von Waterloo zu töten“, nur in die Luft schoss. Gleichzeitig versuchte er eine weitere Wahlrechtsreform zu verhindern, weswegen er bei weiten Teilen der Bevölkerung höchst unpopulär wurde. Die Verzögerung der Wahlrechtsreform und seine Unbeliebtheit weiteten sich zu Unruhen aus. Dennoch erklärte er in völliger Verkennung der Lage bei der Parlamentseröffnung nach dem Tod Georgs IV., dass er eine Wahlrechtsreform weiter ablehne. Diese Erklärung führte zum Sturz seiner Regierung am 22. November 1830. Sein Nachfolger als Premierminister Earl Grey nahm sofort eine Wahlrechtsreform in Angriff und brachte am 1. März 1831 gegen den Widerstand Wellingtons den Reform Act ins Unterhaus ein. Nachdem das Gesetz das House of Commons passiert hatte, verweigerte das House of Lords am 8. Oktober 1831 seine Zustimmung. Trotz der Gefahr eines drohenden revolutionären Umsturzes blockierte das Oberhaus das Gesetz weiter. Am 9. Mai 1832 wurde Wellington erneut zum Regierungschef ernannt. Wilhelm IV. bewog ihn, ein gemäßigtes Kabinett zu bilden. Da zahlreiche Sparer aus Protest ihre Einlagen aus der Bank of England abzogen, drohte eine Finanzkrise, so dass Wellington schon am 15. Mai wieder aufgab. Sein Nachfolger wurde wieder Earl Grey, unter dem am 4. Juni 1832 die Wahlrechtsreform vom Oberhaus verabschiedet wurde. Die nächsten beiden Jahre verbrachte Wellington in der Opposition. Bei der Trauerfeier für Lord Althorp im Oberhaus entließ Wilhelm IV. unerwartet das Whig-Kabinett und beauftragte Wellington am 17. November 1834 mit der Bildung einer Minderheitsregierung. Dieser schlug schließlich Robert Peel, seinen langjährigen politischen Weggefährten, als Premierminister vor, während er das Amt des Außenministers übernahm. Dies war die letzte britische Regierung, die ein Monarch ohne Mehrheit im Unterhaus ernannte und sie scheiterte schon im April 1835. Peel wurde im September 1841 erneut zum Premierminister ernannt und Wellington wurde in dieser Regierung als Oberkommandierender der Armee Minister ohne Geschäftsbereich sowie Leader des House of Lords. Als Peel 1846 zurücktrat, legte auch Wellington am 27. Juni sein Amt als Führer der Mehrheitsfraktion nieder und zog sich aus der Öffentlichkeit zurück. Das Amt des Oberbefehlshabers der Armee behielt er allerdings bis zu seinem Tod.
Am 10. April 1806 heiratete er Kitty Pakenham, die Tochter des 2. Baron Longford. Aus der Ehe gingen folgende Kinder hervor: * Arthur Wellesley, 2. Duke of Wellington (1807–1884), britischer Lieutenant-General und Politiker; * Lord Charles Wellesley (1808–1858), britischer Major-General und Politiker. Kittys Bruder Ned war in Spanien einer von Wellingtons wichtigsten Generälen. Wellington war seit dem 7. Dezember 1790 ein Mitglied im Bund der Freimaurer (Trim No. 494) und gehörte dem renommierten Londoner Travellers Club an.
Wellington war seit 1804 Knight Companion des Order of the Bath und wurde bei der Reform der Ordensstatuten 1815 zum Knight Grand Cross dieses Ordens erhoben. 1813 wurde er als Knight Companion in den Hosenbandorden aufgenommen und 1816 zum Großkreuzritter des Guelphen-Ordens geschlagen. 1807 wurde er ins Privy Council aufgenommen und 1847 zum Fellow der Royal Society ernannt. Für seine Verdienste wurden ihm auch von verbündeten ausländischen Monarchen Adelstitel verliehen, so wurde er in Portugal 1811 zum Conde do Vimeiro und 1812 zum Duque de Vitória und Marquês de Torres Vedras, in Spanien 1812 zum Duque de Ciudad Rodrigo und in den Niederlanden 1815 zum Prins van Waterloo erhoben. Die HMS Duke of Wellington, ein 131-Kanonen-Schiff der britischen Royal Navy, wurde 1852 nach ihm benannt. Sie war das Flaggschiff von Sir Charles Napier, damals Rear-Admiral of the Blue. Auch die HMS Iron Duke, das Flaggschiff der Grand Fleet im Ersten Weltkrieg war nach ihm benannt.
* Das von Wellington favorisierte Design der hessischen Militärstiefel wurde für die ersten britischen Gummistiefel verwendet, weshalb diese in Großbritannien Wellington boots oder kurz Wellingtons genannt werden. * Nach ihm benannt sind die neuseeländische Hauptstadt Wellington sowie die Stadt Wellington in Südafrika. * Das für ihn neu geschaffene Dukedom erhielt seinen Namen nach dem Ort Wellington, Somerset. Dort steht auf dem Wellington Hill das Wellington Monument. * Das Filet Wellington, ein mit Blätterteig umhülltes Rinderfilet, erhielt seinen Namen zu seinen Ehren. * Als Premierminister machte ihn seine Ablehnung der Wahlrechtsreform so unpopulär, dass er sein Londoner Stadthaus Apsley House mit eisernen Fensterblenden versehen musste, damit ihm der wütende Mob nicht die Scheiben einwarf, weswegen er den Spitznamen Iron Duke erhielt. Der Spitzname Iron Duke wurde bereits dreimal für Kriegsschiffe der Royal Navy verwendet und auch in der Perry-Rhodan-Serie aufgegriffen. * Die britische Great Western Railway benannte die Dampflokomotiven-Baureihe GWR-Klasse Iron Duke nach ihm, die als „Flying Dutchman“ über mehrere Jahrzehnte der schnellste Zug der Welt war. * Berühmt war das Pferd von Wellington, Copenhagen. Es gibt mehrere Reiterdenkmäler des Dukes, die ihn auf Copenhagen reitend darstellen. * 2012 erschien der Film Lines of Wellington – Sturm über Portugal, in dem die Geschichte von Wellingtons Linien von Torres Vedras dargestellt werden. Darsteller Wellingtons war John Malkovich. * Wellington ist auf der Rückseite einer Fünf-Pfund-Banknote zu sehen. * 2002 wurde er in einer Umfrage der BBC auf Platz 15 der 100 größten Briten gewählt. * Ludwig van Beethoven widmete ihm das Orchesterstück Wellingtons Sieg. * 1906 komponierte der deutsche Komponist Wilhelm Zehle den Wellington’s March, der im englischsprachigen Raum nach wie vor populär ist. * Die Wellingtonrenbaan in der belgischen Stadt Ostende ist nach ihm benannt.
* „Die Geschichte einer Schlacht schreiben? Man könnte genauso gut die Geschichte einer Ballnacht schreiben wollen.“ * „Das größte Unglück ist eine verlorene Schlacht, das zweitgrößte eine gewonnene.“ * „Nichts außer einer verlorenen Schlacht kann halb so melancholisch stimmen wie eine gewonnene Schlacht.“ * „Geschichte ist jene Fabel bzw. Lüge, auf die man sich geeinigt hat.“ * „Ich kenne keine Frau, die an Liebeskummer gestorben wäre. Sie alle werden ohne größere Schwierigkeiten damit fertig und sehen dabei noch bezaubernd aus.“ * „Verschiebe nicht auf morgen, was du auch heute tun kannst, denn wenn es dir heute Spaß macht, kannst du es morgen wiederholen.“ * „Erfahrung ist die Summe der Fehler, die man gemacht hat.“ * „Das Glück dient der Tüchtigkeit.“ * „Ich wünschte, es würde Nacht oder die Preußen kämen.“ – Unbestätigtes Zitat. * „Das geht so nicht. Schreiben wir uns einen Sieg.“
* Michael Glover: Wellington as Military Commander. Sphere Books, London 1973, ISBN 0-7221-3903-9. * Richard Holmes: Wellington. The Iron Duke. HarperCollins, London 2003, ISBN 0-00-713748-6. * John Keegan: Die Maske des Feldherrn: Alexander der Große – Wellington – Grant – Hitler. Quadriga, Berlin 2000, ISBN 3-88679-283-8. * Dick Leonard: Arthur Wesley (Wellesley), Duke of Wellington: Military hero, political misfit? In: ders.: British Prime Ministers from Walpole to Salisbury. The 18th and 19th centuries, Bd. 1, Routledge, London 2021, ISBN 978-0-367-46911-5, S. 247–259. * Elizabeth Longford: Wellington. Weidenfeld and Nicolson, London 1992, ISBN 0-297-81273-4.
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Astronomie
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auf La Palma, das astronomische Observatorium am Roque de los Muchachos Die Astronomie (; von ‚Stern‘ und ‚Gesetz‘) oder Sternkunde ist die Wissenschaft der Gestirne. Sie erforscht mit naturwissenschaftlichen Mitteln die Positionen, Bewegungen und Eigenschaften der Objekte im Universum, also der Himmelskörper (Planeten, Monde, Asteroiden, Sterne einschließlich der Sonne, Sternhaufen, Galaxien und Galaxienhaufen), der interstellaren Materie und der im Weltall auftretenden Strahlung. Darüber hinaus strebt sie nach einem Verständnis des Universums als Ganzes, seiner Entstehung und seines Aufbaus. Obwohl die Astronomie nur an wenigen Schulen ein Unterrichtsfach ist, finden ihre Forschungsergebnisse in der Öffentlichkeit viel Interesse; als Amateurastronomie ist sie ein verbreitetes Hobby. Dies hängt einerseits mit dem „erhebenden“ Eindruck zusammen, den der Sternhimmel auch bei freisichtiger Beobachtung macht, andererseits mit ihrer thematischen Vielfalt, der Berührung philosophischer Fragen und der Verbindung zur Raumfahrt. Im Gegensatz zu früheren Zeiten wird die Astronomie als Naturwissenschaft heute streng abgegrenzt von der Astrologie, die aus Stellung und Lauf der Gestirne auf irdische Geschehnisse schließen will. Die Abgrenzung erfolgt auch, da die Astrologie eine Pseudowissenschaft ist – während die Astronomie auf empirischer Basis die Beschaffenheit, Bewegungen und Beziehungen von Himmelskörpern untersucht. Dennoch werden, wohl wegen der Ähnlichkeit beider Bezeichnungen, Astrologie und Astronomie von Laien nicht selten verwechselt. An den Universitäten wurde die Astronomie um etwa 1800 zu einer eigenen Studienrichtung, wird heute aber oft dem Physikstudium zugeordnet. In der deutschen Hochschulpolitik wird sie seit 2018 gemeinsam mit der Astrophysik nicht mehr als Kleines Fach, sondern als mittelgroßes Fach eingestuft.
mini|Tagundnachtgleiche von der prähistorischen Stätte bei Pizzo Vento bei Fondachelli-Fantina, Sizilien wurde oft für eine authentische Darstellung eines mittelalterlichen Weltbildes gehalten (Illustration in Camille Flammarion: La forme du ciel, Paris 1888) , Aufnahme der Raumsonde Cassini 2004 Die Astronomie gilt als eine der ältesten Wissenschaften. Ihre Anfänge liegen im Nachdenken über die Himmelserscheinungen, in der kultischen Verehrung der Gestirne und im Erarbeiten von Kalender bzw. Zeitbestimmung. In einem jahrtausendelangen Prozess – besonders gut erkennbar in der Himmelskunde Mesopotamiens und Griechenlands – trennten sich zunächst Astronomie und („Natur“)-Religion, später Astronomie und Meteorologie, in der Frühmoderne dann Astronomie und Astrologie. Wesentliche Meilensteine für unser Wissen über das Weltall waren die Erfindung des Fernrohrs vor etwa 400 Jahren, das die kopernikanische Wende vollendete, sowie später im 19. Jahrhundert die Einführung der Fotografie und Spektroskopie. Seit den 1960er-Jahren haben Astronomen mit der unbemannten und bemannten Raumfahrt die Möglichkeit, die Erdatmosphäre zu überwinden und ohne ihre Einschränkungen zu beobachten – also ohne Luftunruhe und in allen Bereichen des elektromagnetischen Spektrums. Dazu kommt erstmals die Möglichkeit, die untersuchten Objekte direkt zu besuchen und dort andere als nur rein beobachtende Messungen durchzuführen. Parallel dazu werden immer größere Teleskope für bodengebundene Beobachtungen gebaut.
mit Bildern mehrerer Teleskope Die astronomische Wissenschaft gliedert sich nach den untersuchten Objekten und der Art der Forschung, die entweder theoretischer oder beobachtender Natur ist. Zu den wichtigsten grundlegenden Fachgebieten zählen die beobachtende Astronomie, die Astrophysik, die Astrometrie und die Himmelsmechanik. Die theoretische Astronomie hingegen entwickelt analytische und numerisch-physikalische Modelle zur Beschreibung von Himmelskörpern und kosmischen Phänomenen. Die bedeutendsten Untersuchungsgebiete der Astronomie umfassen: * die Physik des Sonnensystems – insbesondere die Sonnenphysik, die Planetologie und die Meteorastronomie, * die Erforschung anderer Planetensysteme und von Exoplaneten, * die Galaktische Astronomie, welche die Milchstraße, ihre Struktur und ihr Zentrum erforscht, * die Extragalaktische Astronomie, die den Aufbau anderer Galaxien und ihrer aktiven Kerne untersucht, aber auch Gammablitze als die energiereichsten Vorgänge im Universum, * sowie die relativistische Astrophysik, die sich etwa mit Schwarzen Löchern beschäftigt. * Die Stellarastronomie untersucht Geburt, Entwicklung und Tod der Sterne, gestützt durch Spektralanalyse und Stellarstatistik. * Die Kosmologie hat Entwicklung und Struktur des gesamten Universums zum Gegenstand und untersucht mit Hilfe der Quantenphysik das Universum auch im atomaren und subatomaren Bereich, * während die Kosmogonie die Entstehung des Universums beinhaltet. Letztere kann als Teildisziplin der Kosmologie verstanden werden. Die Integration vieler Messmethoden bringt es mit sich, dass man die Beobachtende Astronomie immer weniger nach benutzten Wellenlängenbereichen (Radioastronomie, Infrarotastronomie, Visuelle Astronomie, Ultraviolettastronomie, Röntgenastronomie und Gammaastronomie) einteilt, weil die Forschergruppen und (im Idealfall) auch der einzelne Wissenschaftler Informationen aus allen diesen Quellen heranziehen kann. Die bis etwa 1900 vorherrschenden Methoden der klassischen Astronomie sind weiterhin als Basis für andere Teilgebiete unentbehrlich. Sie erforschen als Positionsastronomie mittels astrometrischer Verfahren, der Himmelsmechanik und Stellarstatistik den Aufbau des Weltalls und katalogisieren die Himmelskörper (v. a. durch Sternkataloge, Bahnbestimmungen und Ephemeriden). Im Gegensatz zu diesen überwiegend geometrischen Verfahren erforscht die Astrophysik mit ihren heute sehr vielfältigen Beobachtungstechniken die Physik der astronomischen Objekte und des ferneren Weltalls. Daneben kann die Raumfahrt als experimentelle Astronomie angesehen werden, und die Kosmologie als theoretische Disziplin.
M57, der Ringnebel im Sternbild Leier Mit der Astronomie sehr eng verbunden sind die Physik und die Mathematik; die Fachgebiete haben sich vielfach befruchtet und sind auch im Astronomie-Studium als Einheit zu sehen. Das Universum erweist sich in vielen Fällen als Laboratorium der Physik, viele ihrer Theorien können nur in seinen Weiten und an heißen, energiereichen Objekten getestet werden. Nicht zuletzt waren die aufwändigen Berechnungen der Astronomie Triebfeder der modernen numerischen Mathematik und der Datenverarbeitung. Traditionell ist die Zusammenarbeit der Astronomie mit der Geodäsie (Astrogeodäsie, Orts- und Zeitbestimmung, Bezugsysteme, Navigation), mit der Zeit- und Kalenderrechnung (Astronomische Chronologie) sowie mit der Optik (Entwicklung astronomischer Instrumente und Sensoren). Instrumentell und methodisch sind auch starke Bezüge zur Technik, Raumfahrt und Mathematik gegeben (Messgeräte, Satellitentechnik, Modellierung von Bahnen und Himmelskörpern). Geodätische Methoden werden auch zur Bestimmung des Gravitationsfeldes sowie der Figur anderer Himmelskörper angewandt. In den letzten Jahrzehnten ist auch die Zusammenarbeit der Astronomie mit der modernen Geologie und der Geophysik immer wichtiger geworden, da sich das Arbeitsgebiet der Geowissenschaften mit Teilen der Planetologie deckt. Die Mineralogie analysiert die Gesteine der Erde mit ähnlichen Methoden wie jene anderer Himmelskörper. Die Kosmochemie als Teil der Chemie untersucht die Entstehung und Verteilung der chemischen Elemente und Verbindungen im Universum und die chemische Evolution, die Astrobiologie die Umstände von Entstehung, Ursprung und Existenz von Leben im Universum. Des Weiteren kommt es zunehmend zu interdisziplinärer Forschung mit ursprünglich eher geisteswissenschaftlich ausgerichteten Disziplinen der Wissenschaft: * Die Astronomiegeschichte als Teil der Geschichtswissenschaften untersucht die Geschichte der Astronomie. * Bauten und Funde aus vor- und frühgeschichtlicher Zeit werden vermehrt in astronomischem Zusammenhang interpretiert (Archäoastronomie). * Da sich die Astronomie außerdem im Rahmen der Kosmologie mit den Fragen nach der Entstehung, der Entwicklung und dem Ende des Universums beschäftigt, gibt es darüber hinaus Schnittpunkte zu Theologie und Philosophie. Ein konkretes Beispiel für die Verbindung zwischen Theologie und Astronomie ist die Berechnung des Osterdatums, die über Jahrhunderte hinweg eine zentrale Herausforderung der Kalenderwissenschaft darstellte. Seit dem Erstes Konzil von Nicäa Konzil von Nicäa im Jahr 325 n. Chr. gilt die Regel, Ostern am ersten Sonntag nach dem ersten Frühlingsvollmond zu feiern – eine Festlegung, die präzise astronomische Kenntnisse über Sonnen- und Mondzyklen voraussetzt. Im Zuge der gregorianischen Kalenderreform von 1582 wurde unter Papst Gregor XIII. eine neue Schaltregel eingeführt, die das Sonnenjahr exakter abbildete. Verantwortlich für die Umsetzung war der Jesuit Christophorus Clavius, der auch als Wegbereiter der späteren Vatikanischen Sternwarte gilt. Diese wurde 1891 unter Papst Leo XIII. gegründet und unterhält heute gemeinsam mit der University of Arizona das Vatican Advanced Technology Telescope (VATT). Ein weiteres Beispiel für die Verbindung von Astronomie und Mathematik ist die Gaußsche Osterformel, mit der Carl Friedrich Gauß um 1800 eine algorithmische Berechnung des Osterdatums entwickelte – sie findet bis heute Anwendung in kirchlichen und weltlichen Kalenderberechnungen.
* Albrecht Unsöld, Bodo Baschek: Der neue Kosmos. ISBN 3-540-42177-7 * Alfred Weigert, Heinrich Johannes Wendker, Lutz Wisotzki: Astronomie und Astrophysik. Ein Grundkurs. Wiley-VCH, Weinheim 2010, ISBN 978-3-527-40793-4. * Jeffrey Bennett et al.: Astronomie. Die kosmische Perspektive (Hrsg. Harald Lesch), 5., aktualisierte Auflage 2010. Pearson Studium Verlag, München, ISBN 978-3-8273-7360-1 * Meyers Handbuch Weltall, Wegweiser durch die Welt der Astronomie. 1994 (7., überarbeitete Auflage), ISBN 3-411-07757-3 * P. Murdin (Hrsg.): Encyclopedia of Astronomy & Astrophysics. 2001, ISBN 0-333-75088-8 – * Der Brockhaus Astronomie: Planeten, Sterne, Galaxien. F. A. Brockhaus, Mannheim – Leipzig 2006, ISBN 3-7653-1231-2 * Joachim Herrmann: dtv-Atlas Astronomie, 15. Auflage 2005. Deutscher Taschenbuch-Verlag München, ISBN 3-423-03267-7 * Kurt Hopf: Von der Erde ins All – Das Weltall in Beispielen – Didaktische Materialsammlung auf CD-ROM für Kindergärten, Schulen, Sternwarten und Planetarien, COTEC-Verlag Rosenheim * Harry Nussbaumer: Das Weltbild der Astronomie. 2007, ISBN 978-3-7281-3106-5, 2., erweiterte und aktualisierte Auflage. vdf Hochschulverlag. * M. Wächter: Kleine Entdeckungsgeschichte(n) der Astronomie im Kontext von Zeitgeschichte und Physik, Verlag Königshausen und Neumann, Würzburg 2018, ISBN 978-3-8260-6511-8 * R.A. Freedman, W.J. Kaufmann: Universe. Freeman, NY 2004, ISBN 0-7167-9884-0 * Arnold Hanslmeier: Einführung in Astronomie und Astrophysik. Spektrum Akad. Verl., Berlin 2007, ISBN 978-3-8274-1846-3 * Hans-Ulrich Keller: Kompendium der Astronomie: Einführung in die Wissenschaft vom Universum. Franckh-Kosmos, 6. aktual. & erw. Auflage, Stuttgart 2019, ISBN 978-3-440-16276-7 * Edward Brooke-Hitching: Der Atlas des Himmels. Eine kleine Geschichte der Astronomie. Übersetzt von Lutz-W. Wolff. Knesebeck Verlag, München 2020, ISBN 978-3-95728-424-2 * Sterne und Weltraum, Monatszeitschrift für Astronomie * Sternenbote, österreichische Monatszeitschrift für Astronomie * Interstellarum, ehemalige 2-Monats-Zeitschrift für Astronomie * Astronomie + Raumfahrt, 2-Monats-Zeitschrift für Unterricht, Fortbildung, Freizeit * Orion, 2-Monats-Zeitschrift der Schweizerischen Astronomischen Gesellschaft * Regiomontanusbote, Quartalsschrift der Nürnberger Astronomischen Gesellschaft und Nürnberger Astronomischen Arbeitsgemeinschaft,
* – Datenbank astronomischer Forschungsliteratur (englisch) * – Deutschsprachige Website über Astronomie * – Astronomie für Einsteiger und Fortgeschrittene mit Blog und Tipps für die eigene Beobachtung * – Informationen zum Einstieg in das Hobby Astronomie * Lexikon der Alten Musik BR-Klassik: in: br-klassik.de, 22. Dezember 2019; abgerufen am 29. Juli 2021 (Lexikonartikel mit zusätzlichem Audiobeitrag inkl. Musikbeispielen)
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Angelina Jolie
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Angelina Jolie [], DCMG (* 4. Juni 1975 als Angelina Jolie Voight in Los Angeles, Kalifornien) ist eine US-amerikanische Schauspielerin, Filmregisseurin, Filmproduzentin und Drehbuchautorin. Seit 2005 besitzt sie auch die kambodschanische Staatsbürgerschaft. Während ihrer Ehe mit Brad Pitt trug sie den Namen Angelina Jolie Pitt. Sie wurde mit der Darstellung der Videospielheldin Lara Croft in Lara Croft: Tomb Raider (2001) international bekannt. Weitere kommerzielle Erfolge hatte sie mit den Filmen Mr. & Mrs. Smith (2005), Wanted (2008), Salt (2010) und Maleficent – Die dunkle Fee (2014). Für ihre schauspielerischen Leistungen erhielt Jolie drei Golden Globes, zwei Screen Actors Guild Awards und für ihre Rolle einer psychisch Kranken in dem Film Durchgeknallt (1999) einen Oscar als beste Nebendarstellerin. Mit dem Kriegsdrama In the Land of Blood and Honey gab Jolie 2011 ihr Debüt als Spielfilmregisseurin und Drehbuchautorin. Von 2012 bis 2022 war sie Sondergesandte des UN-Flüchtlingshochkommissars Filippo Grandi.
Angelina Jolie wurde 1975 in Los Angeles als Tochter der Schauspieler Jon Voight und Marcheline Bertrand geboren. Sie ist die jüngere Schwester des Schauspielers James Haven und die Nichte des Songwriters Chip Taylor. Ihre Taufpaten sind die Schauspieler Jacqueline Bisset und Maximilian Schell. Jolie hat deutsche und slowakische Vorfahren väterlicherseits sowie frankokanadische, niederländische, deutsche und nach eigenen Angaben irokesische Vorfahren mütterlicherseits. Letzteres wurde von Jon Voight in einem Interview allerdings bestritten. Die irokesische Abstammung Bertrands sei erfunden worden, um ihr aus Karrieregründen ein exotisches Image zu verleihen. Ein Urgroßelternpaar Jolies stammt aus Büren in Westfalen, ein anderes aus dem slowakischen Košice. Durch ihre Großmutter ist sie eine Verwandte des ehemaligen niederländischen Premierministers Wim Kok und des Gründers des Internationalen Museums für Familiengeschichte im niederländischen Eijsden, in dem Einzelheiten über ihre Vorfahren zu sehen sind.
Jolie wurde am 4. Juni 1975 in Los Angeles geboren. Ihre Eltern, die am 12. Dezember 1971 geheiratet hatten, trennten sich 1976. Bertrand reichte 1978 die Scheidung ein, die am 14. April 1980 rechtskräftig wurde. Nach der Trennung ihrer Eltern wuchs Jolie zusammen mit ihrem Bruder bei ihrer Mutter auf, die ihre eigenen Schauspielambitionen aufgab und mit den Kindern und ihrem neuen Lebensgefährten Bill Day nach Palisades in den US-Bundesstaat New York zog, wo Jolie im Nachbarort Tappan die William O. Schaefer Elementary School besuchte. Zeit mit ihrem Vater verbrachte Jolie daraufhin meist nur während der Schulferien oder wenn er sie und ihren Bruder zu Dreharbeiten mitnahm.
Als Jolie elf Jahre alt war, zog die Familie zurück nach Los Angeles. In ihrer Zeit an der Beverly Hills High School fühlte sie sich oftmals isoliert unter ihren Mitschülern, die größtenteils aus wohlhabenden Familien stammten, während ihre Mutter mit einem bescheidenen Einkommen auskommen musste. Jolie trug Kleidung aus Secondhand-Läden und wurde von anderen Schülern auf Grund ihrer ausgeprägten Gesichtszüge und äußerst schlanken Erscheinung geneckt. Mit wachsender Unzufriedenheit durchlebte sie in ihrer Jugend eine Phase autoaggressiven Verhaltens; sie beschrieb dies später mit den Worten: „Ich sammelte Messer und hatte immer bestimmte Dinge um mich. Aus irgendeinem Grund war das Ritual, mich selbst zu schneiden und die Schmerzen zu spüren, vielleicht sich lebendig zu fühlen und ein Gefühl der Befreiung zu verspüren, irgendwie therapeutisch für mich.“ Später blickte Jolie auf diese Phase ihres Lebens mit der Bemerkung zurück: „Im Herzen bin ich noch immer nur ein Punk-Kid mit Tattoos.“
Neben der Schule nahm Jolie Schauspielunterricht am Lee Strasberg Theatre and Film Institute, an dem sie zwei Jahre lang das Method Acting erlernte und in mehreren Bühnenproduktionen auftrat. Mit 14 Jahren erhielt sie einen Vertrag als Fotomodell bei der Agentur Finesse Model Management; ihre Versuche, in diesem Geschäft Fuß zu fassen, blieben jedoch ohne nennenswerten Erfolg. Mit 16 Jahren machte Jolie im Rahmen eines eigenverantwortlichen Lernprogramms vorzeitig ihren Schulabschluss und mietete sich ein eigenes Apartment in der Nähe der Wohnung ihrer Mutter. Sie dachte einige Zeit darüber nach, Bestattungsunternehmerin zu werden, nachdem ihr Großvater gestorben war, entschied sich aber letztlich doch für die Schauspielerei.
In Zwei in der Tinte stand Jolie gemeinsam mit ihren Eltern zum ersten Mal für einen Film vor der Kamera. Während ihr Vater in der Komödie an der Seite von Ann-Margret die männliche Hauptrolle spielte, waren Jolie und ihre Mutter in kleineren Nebenrollen zu sehen. Voight beschrieb das Verhalten seiner damals fünfjährigen Tochter während der Dreharbeiten im Jahr 1980 als „gelangweilt“. „Sie war nicht gerade begeistert, mitzuwirken. Aber sie hat uns die Schau gestohlen, weil sie so ehrlich und echt war.“ Ihre ersten professionellen Engagements als Schauspielerin erhielt Jolie in den Musikvideos zu Lenny Kravitz’ Stand by My Woman, Antonello Vendittis Alta Marea (beide 1991), The Lemonheads’ It’s About Time und Meat Loafs Rock and Roll Dreams Come Through (beide 1993). Außerdem stand sie für fünf Studentenfilme ihres Bruders vor der Kamera, als dieser die USC School of Cinematic Arts in Los Angeles besuchte. Sie spielte auch in den Kurzfilmen Angela & Viril sowie Alice & Viril (beide 1993) von Regisseur Steven Shainberg mit. In dem darauf folgenden Low-Budget-Film Cyborg 2 (1993) verkörperte sie einen menschenähnlichen Roboter, der darauf programmiert ist, sich mit Verführungskünsten den Weg ins Hauptquartier des Feindes zu bahnen und dort zu explodieren. Jolie über den Film: „Nachdem ich ihn gesehen hatte, ging ich nach Hause und musste mich übergeben.“ Die New York Times schrieb jedoch über ihre Darstellung: „Auch wenn sich ihr Schauspiel in Cyborg 2 noch in seiner Versuch-und-Irrtum-Phase befand, enthielt es bereits die Saat ihrer heutigen Darstellungsweise. Bereits als Teenager […] wusste Jolie, die Leinwand mit ihrer Präsenz auszufüllen.“ Nach einer Rolle in dem Thriller Without Evidence (1995) spielte Jolie an der Seite von Jonny Lee Miller und Matthew Lillard die Hackerin Kate „Acid Burn“ Libby in dem Spielfilm Hackers – Im Netz des FBI (1995). Die New York Times schrieb: „Kate (Angelina Jolie) fällt auf. Sie zieht ein noch mürrischeres Gesicht als die übrigen Darsteller und sie ist diese seltene Hackerin, die bewusst in einem durchsichtigen Top an ihrer Tastatur sitzt. Trotz ihres verdrießlichen Auftretens, und das ist alles, was die Rolle erfordert, hat Frau Jolie das süße engelhafte Aussehen ihres Vaters Jon Voight geerbt.“ Der Film spielte keinen Gewinn ein, entwickelte sich aber zu einem Kulthit, nachdem er auf Video erschienen war. In der Komödie Liebe und andere … (1996), einer modernen Adaption von Romeo und Julia unter zwei rivalisierenden italienischen Restauranteigentümern in der New Yorker Bronx, trat sie in der Rolle der Gina Malacici vor die Kamera. Im Roadmovie Nichts als Trouble mit den Frauen (1996) spielte sie den Teenager Eleanor Rigby, der sich in Danny Aiellos Filmfigur verliebt, während dieser versucht, ihre Mutter (Anne Archer) zu erobern. Im Jahr 1996 erschien sie außerdem in dem Film Foxfire als Margret „Legs“ Sadovsky, eines von fünf Mädchen, die einen ungewöhnlichen Bund eingehen, nachdem sie einen Lehrer zusammengeschlagen haben, der sie sexuell belästigt hatte. Die Los Angeles Times schrieb über Jolies Leistung: „Es bedurfte einer Menge, diese Figur zu entwickeln, aber Jolie, Jon Voights umwerfende Tochter, hat die Präsenz, das Stereotyp zu überwinden. Obwohl die Geschichte von Maddy erzählt wird, ist Legs das Thema und der Katalysator.“ 1997 spielte Jolie zusammen mit David Duchovny in dem Thriller Playing God. Der Film erzählt die Geschichte eines Chirurgen, der seine Approbation verliert und tief in die kriminelle Unterwelt hineingezogen wird, wo er Jolies Figur Claire trifft. Der Film fand bei den Kritikern wenig Beifall, sodass Roger Ebert zu erklären versuchte: „Angelina Jolie findet eine gewisse Wärme in einer Rolle, die normalerweise hart und aggressiv ist; sie erscheint zu nett, um die Freundin eines Verbrechers zu sein, und vielleicht ist sie es auch.“ Danach wirkte sie in dem Fernsehfilm True Women (1997) mit, einem historisch-romantischen Drama im Wilden Westen, basierend auf dem gleichnamigen Roman von Janice Woods Windle. Im selben Jahr spielte sie außerdem eine Stripperin in dem Musikvideo der Rolling Stones zu Anybody Seen My Baby?
Jolies Karriere erhielt Auftrieb, als sie 1998 für ihre Rolle in der Filmbiografie Wallace mit dem Golden Globe als Beste Nebendarstellerin in einem Fernsehfilm ausgezeichnet wurde und eine Nominierung für den Emmy erhielt. Unter der Regie von John Frankenheimer sowie an der Seite von Gary Sinise und Mare Winningham verkörperte Jolie in dem Film Cornelia Wallace, die zweite Ehefrau von George Wallace, seinerzeit Gouverneur von Alabama und Anhänger der Rassentrennung, der angeschossen und querschnittsgelähmt wurde, als er für die US-amerikanische Präsidentschaft kandidierte. 1998 spielte Jolie im HBO-Projekt Gia – Preis der Schönheit, einem Fernsehfilm über das Leben des lesbischen Supermodels Gia Carangi mit. Der Film beschreibt eine Welt von Sex und Drogen sowie Carangis emotionalen Niedergang und ihren Tod durch AIDS. Vanessa Vance von Reel.com schrieb: „Angelina Jolie erntete große Anerkennung für ihre Rolle als Gia, und es ist leicht zu verstehen warum. Jolie ist ergreifend in ihrer Darstellung, die den Film mit Nerv, Charme und Verzweiflung füllt, und ihre Rolle ist möglicherweise das schönste Wrack, das jemals gefilmt wurde.“ Jolie gewann ihren zweiten Golden Globe und erhielt erneut eine Nominierung für den Emmy, außerdem ihren ersten Screen Actors Guild Award. Jolie zog es in ihren Anfangsjahren häufig vor, entsprechend Lee Strasbergs Method Acting auch in Drehpausen vollkommen in ihrer Rolle zu bleiben. Während der Dreharbeiten zu Gia erklärte sie ihrem damaligen Ehemann Jonny Lee Miller, sie sei nicht in der Lage, ihn anzurufen. „Ich sagte ihm: ‚Ich bin allein; ich sterbe; ich bin lesbisch; ich werde dich in den nächsten Wochen nicht sehen.‘“ Nach Gia zog Jolie kurzzeitig nach New York, da sie das Gefühl hatte, sie habe „nichts mehr zu geben.“ Sie schrieb sich an der New York University ein, um Film zu studieren, und besuchte Kurse für Drehbuchautoren. Später beschrieb sie diese Zeit als „einfach gut, um mich selbst zu finden.“ 1998 kehrte sie als Gloria McNeary in dem Gangsterfilm Hell’s Kitchen – Vorhof zur Hölle auf die Leinwand zurück und trat im selben Jahr auch als junge Partygängerin Joan in dem Episodenfilm Leben und lieben in L.A. auf. Das Ensemble umfasste unter anderem Sean Connery, Gillian Anderson, Ryan Phillippe und Jon Stewart. Der Film erhielt überwiegend positive Kritiken und Jolie erntete besonderes Lob. Der San Francisco Chronicle schrieb: „Jolie, die sich durch ein überzogenes Skript kämpft, ist eine Sensation als die verzweifelte Klubgängerin, die lernen muss, was sie bereit ist, aufs Spiel zu setzen.“ Das amerikanische National Board of Review zeichnete sie als beste Nachwuchsdarstellerin aus. 1999 erschien sie neben John Cusack, Billy Bob Thornton und Cate Blanchett in Mike Newells Komödiendrama Turbulenzen – und andere Katastrophen, ein Film über die Rivalität zweier Fluglotsen. Sie spielte Thorntons verführerische Ehefrau Mary Bell, und im darauffolgenden Jahr heiratete sie Thornton auch im echten Leben. Der Film hinterließ gemischte Reaktionen, Jolies Figur wurde besonders kritisiert. Die Washington Post schrieb: „Mary (Angelina Jolie) ist eine völlig lächerliche Autorenkreation; eine Frau, die über sterbende Hibiskuspflanzen weint, eine Menge türkiser Ringe trägt und furchtbar einsam wird, wenn ihr Mann nachts nicht nach Hause kommt.“ Dann arbeitete sie mit Denzel Washington zusammen in Der Knochenjäger (1999), einer Adaption des gleichnamigen Romans von Jeffery Deaver. Sie spielte Amelia Donaghy, eine Polizeibeamtin, die vom Suizid ihres Vaters gequält wird und nur widerwillig zustimmt, dem ehemaligen Detective Rhyme zu helfen, einen Serienmörder zu jagen. Der Film spielte weltweit 151 Millionen US-Dollar ein, Danach nahm Jolie die Nebenrolle Lisa Rowe in Durchgeknallt (1999) an. Der Film erzählt die Geschichte der Psychiatriepatientin Susanna Kaysen und basiert auf Kaysens Memoiren Girl, Interrupted. Das Psychodrama war ursprünglich als Comeback für die Hauptdarstellerin Winona Ryder konzipiert, wurde stattdessen aber zu Jolies endgültiger Etablierung in Hollywood. Sie gewann ihren dritten Golden Globe, ihren zweiten Screen Actors Guild Award und den Oscar als beste Nebendarstellerin. Variety schrieb, „Jolie ist ausgezeichnet als das extravagante, unverantwortliche Mädchen, das sich letztendlich als viel entscheidender für Susannas Rehabilitation erweist als die Ärzte“ und Roger Ebert urteilte über ihre Leistung: „Jolie entwickelt sich zu einem der großen Freigeister gegenwärtiger Filme, eine lose Kanone, die dennoch tödlich ins Ziel trifft.“ Im Sommer 2000 spielte Jolie in ihrem ersten Blockbuster, Nur noch 60 Sekunden die Rolle der Sarah „Sway“ Wayland, die Ex-Freundin eines Autodiebs, der von Nicolas Cage verkörpert wird. Die Rolle war verhältnismäßig klein und die Washington Post kritisierte: „Alles was sie in diesem Film tut, ist herumstehen, sich abkühlen und ihre fleischigen, pulsierenden Muskelröhren zur Schau stellen, die so provozierend um ihre Zähne herum nisten.“ Sie erklärte später, der Film sei für sie nach der anstrengenden Rolle in Durchgeknallt eine willkommene Abwechslung gewesen – und es wurde zunächst ihr kommerziell erfolgreichster Film mit einem internationalen Einspielergebnis von 237 Millionen US-Dollar.
Obwohl Jolie nach dem Oscargewinn für ihre schauspielerischen Fähigkeiten bekannt war, hatten ihre Filme bis dahin selten ein breites Publikum erreicht, doch Lara Croft: Tomb Raider (2001) machte sie zu einem internationalen Superstar. Die Titelrolle des bekannten Videospiels verlangte von ihr einen britischen Akzent und ein umfassendes Martial-Arts-Training. Sie erhielt große Anerkennung für ihre Darbietung, der Film wurde jedoch allgemein negativ aufgenommen. Das Slant Magazine schrieb: „Angelina Jolie wurde geboren, um Lara Croft zu spielen, aber Regisseur Simon West erlaubt ihr nur einen Ausflug in ein billiges Computerspiel.“ Der Film wurde trotzdem zu einem großen internationalen Erfolg, er spielte weltweit 275 Millionen US-Dollar ein und begründete Jolies Reputation als weiblicher Action-Star. Anschließend erschien Jolie als Katalogbraut Julia Russell neben Antonio Banderas in Original Sin (2001), einem auf Cornell Woolrichs Roman Waltz into Darkness basierenden Thriller. Der Film fiel bei der Kritik weitgehend durch und die New York Times bemerkte: „Die Geschichte sinkt steiler in sich zusammen als Frau Jolies gewagtes Dekolleté.“ 2002 spielte sie Lanie Kerrigan in Leben oder so ähnlich, einem Film über eine ehrgeizige Fernsehreporterin, der prophezeit wird, binnen einer Woche zu sterben. Der Film erhielt negative Kritiken, auch wenn Jolies Spiel häufig positiv hervorgehoben wurde. Paul Clinton von CNN urteilte: „Jolie ist ausgezeichnet in ihrer Rolle. Trotz eines teilweise lächerlichen Plots in der Mitte des Films ist die Oscar-gekrönte Schauspielerin äußerst glaubhaft in ihrer Selbstfindung um die wahre Bedeutung eines erfüllten Lebens.“ Jolie kehrte 2003 in ihrer Rolle als Lara Croft in Lara Croft: Tomb Raider – Die Wiege des Lebens zurück. Die Fortsetzung erwies sich als weniger erfolgreich als der erste Teil, spielte aber dennoch 157 Millionen US-Dollar an den internationalen Kinokassen ein. Im selben Jahr trat sie außerdem in Jenseits aller Grenzen auf, einem Film über humanitäre Hilfe in Afrika. Der Film fiel bei Kritikern und Publikum durch und Jolie wurde für die Goldene Himbeere als schlechteste Schauspielerin nominiert. Die Los Angeles Times schrieb: „Jolie kann Lebhaftigkeit und Glaubwürdigkeit in Figuren bringen, die eine für sie nachvollziehbare Realität haben, wie sie es in ihrer Oscar-Rolle in ‚Durchgeknallt‘ bewies. Sie kann auch bekannte Cartoons spielen, was sie in den Lara-Croft-Filmen zeigte. Aber der Limbo eines gespaltenen Charakters, einer schlecht geschriebenen Figur in einer von Fliegen befallenen und mit Blut und Eingeweiden übersäten Welt, besiegt sie völlig.“ Weiterhin war sie im Musikvideo zu Did My Time der Band Korn zu sehen. 2004 war Jolie zusammen mit Ethan Hawke und Kiefer Sutherland in dem Thriller Taking Lives auf der Leinwand zu sehen. Sie spielte Illeana Scott, eine FBI-Profilerin, die die Polizei in Montreal dabei unterstützen soll, einen Serienmörder zu überführen. Der Film stieß auf gemischte Reaktionen und brachte ihr eine zweite Himbeeren-Nominierung ein. Der Hollywood Reporter schrieb: „Angelina Jolie spielt eine Rolle, die sich wie etwas anfühlt, das sie schon einmal getan hat, aber sie fügt einen unverkennbaren Schuss von Aufregung und Glamour hinzu.“ Jolie lieferte die Stimme für Lola, einem Fisch im DreamWorks SKG Animationsfilm Große Haie – Kleine Fische (2004); weitere Rollen wurden von Will Smith, Martin Scorsese, Renée Zellweger, Jack Black und Robert De Niro gesprochen. Jolie übernahm 2004 auch einen kurzen Gastauftritt als Franky in Sky Captain and the World of Tomorrow neben Jude Law, einem Science-Fiction-Film, der komplett vor einem Bluescreen gedreht wurde und bei dem fast alle Sets und Requisiten in der Nachbearbeitung computergeneriert eingefügt wurden. Jolie spielte außerdem Olympias in Alexander (2004), Oliver Stones Filmbiographie über das Leben von Alexander dem Großen. Der Film fiel in den Vereinigten Staaten durch, was Stone mit der Darstellung von Alexander als homosexuell in Verbindung brachte, außerhalb Nordamerikas spielte er jedoch 133 Millionen US-Dollar ein. Newsday schrieb über Jolies Leistung: „Jolie ist die Einzige im gesamten Film, die Spaß mit ihrer Rolle zu haben scheint, und man vermisst sie jedes Mal, wenn sie nicht auf der Leinwand zu sehen ist.“ Jolies einziger Film aus dem Jahr 2005, Doug Limans Actionkomödie Mr. & Mrs. Smith, wurde ihr größter kommerzieller Erfolg. Der Film erzählt eine Geschichte von gelangweilten Eheleuten, die herausfinden, dass sie beide ein Doppelleben als Profikiller führen. Jolie spielte die Agentin Jane Smith neben Brad Pitt. Der Film wurde überwiegend positiv aufgenommen und besonders die gute Chemie zwischen den beiden Hauptdarstellern hervorgehoben. Die Star Tribune erklärte: „Während die Geschichte willkürlich erscheint, lebt der Film von seinem geselligen Charme, der galoppierenden Energie und der thermonuklearen Chemie zwischen den beiden Stars.“ Der Film spielte weltweit über 478 Millionen US-Dollar ein und wurde zu einem der größten Erfolge des Kinojahres. In dem folgenden Jahr übernahm Jolie neben Matt Damon eine Nebenrolle in Robert De Niros Der gute Hirte, einem Film über die frühe Geschichte der CIA, erzählt aus der Sicht von Edward Wilson. Jolie trat als Margaret Russell auf, Wilsons vernachlässigte Ehefrau, die zunehmend unter den Auswirkungen der Arbeit ihres Ehemanns leidet. Die Chicago Tribune kommentierte: „Jolie altert überzeugend im Laufe des Films und ist erfreulich unbesorgt, wie ihre spröde Figur beim Publikum ankommen könnte.“ Jolie spielte außerdem Mariane Pearl in Michael Winterbottoms Dokumentardrama Ein mutiger Weg (2007) über die Entführung und Ermordung des Wall-Street-Journal-Reporters Daniel Pearl in Pakistan. Der Film basiert auf Mariane Pearls Memoiren Ein mutiges Herz: Leben und Tod des Journalisten Daniel Pearl und hatte seine Uraufführung bei den Filmfestspielen in Cannes. Der Hollywood Reporter beschrieb Jolies Darstellung als „akkurat und bewegend, respektvoll gespielt und den schwierigen Akzent dabei fest im Griff.“ Sie erhielt für die Rolle ihre vierte Golden-Globe- und die dritte Screen-Actors-Guild-Award-Nominierung. Daneben trat sie als Grendels Mutter in einer Nebenrolle in Robert Zemeckis’ animiertem Epos Die Legende von Beowulf (2007) auf, der mit Hilfe der Motion-Capture-Technik gefilmt wurde. Im Sommer 2008 war sie in dem Actionfilm Wanted, einer Adaption der gleichnamigen Graphic Novel von Mark Millar zu sehen sowie in dem Animationsfilm Kung Fu Panda (DreamWorks SKG) als Stimme der Tigerin zu hören. Wanted, der in Deutschland keine Jugendfreigabe erhielt, löste eine Diskussion um die Darstellung von Gewalt im Kino aus, war jedoch mit einem Einspielergebnis von 343 Millionen US-Dollar weltweit erfolgreich. Clint Eastwood wählte sie als Hauptdarstellerin für seinen Thriller Der fremde Sohn. Dieser Film erhielt sehr gute Kritiken und wurde 2008 bei den Filmfestspielen von Cannes gezeigt. Jolie wurde für ihre Darstellung der um ihren Sohn kämpfenden Christine Collins erstmals für den Oscar als Beste Hauptdarstellerin nominiert. 2009 begann sie mit den Dreharbeiten zu dem Action-Thriller Salt, in dem sie die Agentin Evelyn Salt spielt, die der Spionage bezichtigt wird und daraufhin eine neue Identität annehmen muss. Salt kam im Sommer 2010 in die deutschen Kinos. Am 18. Juni 2012 begannen die Dreharbeiten zu Maleficent – Die dunkle Fee, in dem Jolie die titelgebende Hauptrolle spielt. Maleficent ist eine auf dem Disney-Zeichentrickklassiker Dornröschen (1959) basierende Realverfilmung, deren Weltpremiere am 7. Mai 2014 in London stattfand. In mehreren Interviews betonte Jolie, dass sie selbst Maleficent schon als Kind bewundert habe. 2019 übernahm sie diese Rolle erneut in der Fortsetzung Maleficent: Mächte der Finsternis. 2024 spielte sie die Maria Callas in dem Filmdrama Maria und erhielt dafür viel Kritikerlob sowie unter anderem eine Golden-Globe-Nominierung.
Mit dem Dokumentarfilm A Place in Time gab Jolie 2007 ihr Regiedebüt. Der Film beschreibt das Geschehen an 27 verschiedenen Orten der Welt innerhalb einer Woche. An dem Projekt, das vor allem zur Vorführung an Schulen gedacht ist, wirkten unter anderen ihre Schauspielkollegen Jude Law, Hilary Swank, Colin Farrell und ihr Ex-Mann Jonny Lee Miller mit. Im Herbst 2010 fanden die Dreharbeiten zu In the Land of Blood and Honey statt. Das Kriegsdrama, bei dem Jolie Regie führte und für das sie das Drehbuch schrieb, erzählt eine Liebesgeschichte während des Bosnienkrieges von 1992 bis 1995. Jolie besetzte die Rollen ausschließlich mit bosnischen, serbischen und kroatischen Schauspielern wie Zana Marjanović, Nikola Djuricko und Rade Šerbedžija, die den Krieg selbst miterlebt hatten. „[Sie] waren außergewöhnlich. Ich fühlte mich privilegiert und geehrt, mit ihnen arbeiten zu dürfen und freue mich sehr darauf, dass alle bald deren unglaubliches Talent sehen können“, sagte Jolie der Branchenzeitschrift The Hollywood Reporter. Nachdem Gerüchte über die Filmhandlung in Umlauf gebracht worden waren, wonach der Film die Liebe einer bosnischen Frau zu ihrem serbischen Vergewaltiger thematisieren würde, rief dies scharfe Kritik und Proteste unter anderem von der bosnischen Vereinigung Women Victims of War hervor. Bosniens Kulturminister Gavrilo Grahovac entzog Jolie daraufhin vorübergehend die Drehgenehmigung für die Hauptstadt Sarajevo, weshalb große Teile des Films in Budapest gedreht wurden. Die Gerüchte sollten sich später als falsch erweisen. Der Film lief am 23. Dezember 2011 in den amerikanischen Kinos an. Er wurde als bester fremdsprachiger Film bei den Golden Globe Awards 2012 nominiert. Im Oktober 2013 begann Jolie in Australien unter dem Titel Unbroken mit der Verfilmung der Lebensgeschichte von Louis Zamperini. Der Film, für den Ethan und Joel Coen das Drehbuch schrieben, basiert auf Laura Hillenbrands Buch Unbeugsam: eine wahre Geschichte von Widerstandskraft und Überlebenskampf aus dem Jahr 2010. Von August bis November 2014 fanden auf Malta die Dreharbeiten des Filmdramas By the Sea statt, für das sie das Drehbuch geschrieben hatte und bei dem sie die Regie und die Hauptrolle an der Seite von Brad Pitt übernahm. Es war das erste Mal seit Mr. & Ms. Smith, dass Jolie und Pitt wieder Seite an Seite vor der Kamera standen. Die Kritiken für den Film waren weitestgehend negativ.
Bei den Dreharbeiten zu Lara Croft: Tomb Raider im zu großen Teilen verminten Kambodscha kam Jolie zum ersten Mal persönlich mit konkreten humanitären Problemen in Kontakt. Sie wandte sich an das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR, um weitere Informationen über internationale Krisenherde zu erhalten und stimmte in den darauf folgenden Monaten zu, verschiedene Flüchtlingslager zu besuchen. Im Februar 2001 brach sie zu ihrer ersten Reise auf, einer achtzehntägigen Mission durch Sierra Leone und Tansania; sie berichtete später, wie schockiert sie von den Bedingungen war, die sie dort vorfand. Sie kehrte für zwei Wochen nach Kambodscha zurück und besuchte danach afghanische Flüchtlinge in Pakistan, für die sie im Rahmen eines internationalen UNHCR-Dringlichkeitsappells eine Million US-Dollar spendete. Sie bestand darauf, alle im Zusammenhang ihrer Reisen entstandenen Kosten selbst zu übernehmen, und teilte bei ihren Besuchen die spärlichen Arbeitsbedingungen und Unterbringungen mit den Helfern vor Ort. UNHCR zeigte sich von Jolies Interesse für Flüchtlinge beeindruckt und ernannte sie am 27. August 2001 im Genfer Hauptquartier Palais des Nations zur UNHCR-Sonderbotschafterin. In einer Pressekonferenz erklärte sie ihre Beweggründe, der Flüchtlingsorganisation beizutreten: „Wir können uns nicht vor Informationen verschließen und die Tatsache ignorieren, dass es Millionen von Menschen auf der Welt gibt, die leiden. Ich möchte helfen. Ich glaube nicht, dass ich mich dabei von anderen Menschen unterscheide. Ich denke, wir wünschen uns alle Gerechtigkeit und Gleichheit, eine Chance für ein Leben mit Bedeutung. Wir alle würden gerne daran glauben, dass uns jemand beistünde, sollten wir einmal in eine schlechte Situation geraten.“ Während ihrer ersten drei Jahre als Sonderbotschafterin konzentrierte Jolie ihre Bemühungen auf Reisen und besuchte Flüchtlinge in verschiedenen Teilen der Welt. Auf die Frage, was sie zu erreichen erhoffe, antwortete sie: „Mehr Bewusstsein über die Lage dieser Menschen zu schaffen. Ich denke, sie sollten dafür gelobt werden, was sie überlebt haben und nicht auf sie herab gesehen werden.“ 2002 besuchte Jolie das Tham Hin-Flüchtlingslager in Thailand und kolumbianische Flüchtlinge in Ecuador. Sie reiste außerdem zu UNHCR-Einrichtungen im Kosovo und stattete dem Kakuma-Flüchtlingslager in Kenia, das Vertriebene aus dem Sudan aufnahm, einen Besuch ab. Während der Dreharbeiten zu Jenseits aller Grenzen besuchte sie außerdem angolanische Flüchtlinge in Namibia. Im Film wurde das humanitäre Engagement Jolies für das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR eingebunden. 2003 unternahm Jolie eine sechstägige Mission nach Tansania, wo sie Lager für kongolesische Flüchtlinge in der westlichen Grenzregion besuchte, und sie reiste für eine Woche nach Sri Lanka. Sie begab sich außerdem auf eine viertägige Mission in den Nordkaukasus in Russland und veröffentlichte zum Kinostart von Jenseits aller Grenzen im Oktober 2003 das Buch Tagebuch einer Reise – Begegnungen mit Flüchtlingen in Afrika, Kambodscha, Pakistan und Ecuador, eine Zusammenstellung von Notizen ihrer frühen Reisen (2001–2002). Bei einem privaten Aufenthalt in Jordanien im Dezember 2003 besuchte sie irakische Flüchtlinge in der jordanischen Wüste und sudanesische Flüchtlinge in Ägypten. Angelina Jolie und Brad Pitt unterstützen die SOS-Kinderdörfer bereits seit Längerem mit größeren finanziellen Beiträgen. Dabei sorgen sie insbesondere für Darfur und Haiti. Angelina Jolie hat sich schon im Jahr 2003 ein persönliches Bild von der Situation vor Ort verschafft und die Kinder im Katastrophengebiet in Haiti, genauer gesagt im SOS-Kinderdorf Santo bei Port-au-Prince, besucht. Auf ihrer ersten UN-Reise innerhalb der USA begab sich Jolie 2004 nach Arizona, wo sie Asylbewerber in drei Einrichtungen besuchte, und sie besichtigte in Phoenix Unterbringungen für Kinder und Jugendliche ohne Begleitung oder rechtlichen Beistand. Als Reaktion auf die sich durch den Darfur-Konflikt verschlechternde humanitäre Situation im Westen Sudans flog sie im Juni 2004 nach Tschad und inspizierte Flüchtlingslager im Grenzgebiet zu Darfur. Vier Monate später kehrte sie in die Region zurück und begab sich direkt nach West-Darfur. Jolie besuchte 2004 auch afghanische Flüchtlinge in Thailand und stattete während eines privaten Aufenthalts im Libanon zur Weihnachtszeit dem regionalen UNHCR-Büro in Beirut einen Besuch ab und traf sich dort mit jungen Flüchtlingen und Krebspatienten. Jolie besuchte im Mai 2005 afghanische Flüchtlinge in Pakistan und traf sich mit Pakistans Präsidenten Pervez Musharraf und Premierminister Shaukat Aziz. Sie kehrte im November zusammen mit Brad Pitt nach Pakistan zurück, um die Folgen des Erdbebens in Kaschmir zu sehen. 2006 besuchten Jolie und Pitt eine vom Hip-Hop-Musiker Wyclef Jean und seiner Wohltätigkeitsorganisation Yéle Haïti unterstützte Schule in Haiti und statteten im November während der Dreharbeiten zu Ein mutiger Weg in Indien afghanischen und birmanischen Flüchtlingen in Neu-Delhi einen Besuch ab. Jolie verbrachte den ersten Weihnachtstag 2006 mit kolumbianischen Flüchtlingen in San José, Costa Rica, wo sie Geschenke verteilte und sich mit Regierungsbeamten traf. Im Februar 2007 kehrte Jolie für eine zweitägige Mission nach Tschad zurück, um sich ein Bild von der sich verschlechternden Sicherheitslage für Flüchtlinge aus Darfur zu machen; Jolie und Pitt spendeten daraufhin eine Million US-Dollar an drei Hilfsorganisationen in Tschad und Darfur. Im August 2007 unternahm Jolie ihre erste Reise nach Syrien und in den Irak, wo sie neben irakischen Flüchtlingen auch US-Truppen traf. Sechs Monate später kehrte sie in den Irak zurück. Dabei reiste sie in die Grüne Zone nach Bagdad und traf sich unter anderem mit dem irakischen Ministerpräsidenten Dschawad al-Maliki und dem US-Oberbefehlshaber in der Region, General David Petraeus. Mit zunehmender Erfahrung begann Jolie humanitäre Probleme auch auf einer politischen Ebene zu thematisieren. Sie nimmt regelmäßig an den Feierlichkeiten zum Weltflüchtlingstag in Washington, D.C. teil und war 2005 und 2006 Gastrednerin auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos. Daneben versucht sie, Einfluss auf die Gesetzgebung in Washington zu nehmen. Sie traf sich seit 2003 mindestens zwanzig Mal mit Kongressabgeordneten und Senatoren. Sie erklärte: „Auch wenn ich es vorziehen würde, nie nach Washington kommen zu müssen, ist das der Ort, um etwas zu bewegen.“ Jolie unterstützte unter anderem ein Gesetz zum Schutz von minderjährigen Asylbewerbern und sie war im März 2005 an der Gründung einer nationalen Organisation beteiligt, die minderjährige Asylbewerber, die ohne Eltern oder Verwandte in die USA einreisen, kostenlos vor Gericht vertritt; Jolie finanzierte die Einrichtung mit einer Spende von 500.000 US-Dollar für die ersten zwei Jahre. Daneben unterstützte sie verschiedene Gesetzesvorhaben des US-Kongresses, die Entwicklungshilfe für Kinder in der Dritten Welt zu verbessern. Neben ihren politischen Aktivitäten begann Jolie, das öffentliche Interesse an ihrer Person darauf zu verwenden, humanitäre Probleme in den Massenmedien zu platzieren. Im Mai 2005 filmte sie die MTV-Sendung, The Diary Of Angelina Jolie & Dr. Jeffrey Sachs in Africa, eine Dokumentation, die sie und den bekannten Wirtschaftswissenschaftler Jeffrey Sachs auf einer Reise nach Sauri, einer entlegenen Gruppe von Dörfern im westlichen Kenia, begleitete. Dort arbeitet Sachs’ Team des UN-Millennium-Projekts mit Einheimischen zusammen, um Armut, Hunger und Krankheiten zu beenden. Im September 2006 verkündete Jolie die Schaffung der Jolie/Pitt Foundation; die Stiftung tätigte zur Gründung zwei Spenden von jeweils einer Million US-Dollar an Global Action for Children und Ärzte ohne Grenzen. Jolie erntete breite Anerkennung für ihre humanitäre Arbeit. 2003 war sie die erste Preisträgerin des neu geschaffenen Citizen of the World Award des Verbandes der UNO-Korrespondenten und 2005 erhielt Jolie den Global Humanitarian Award von der UNA-USA, einer amerikanischen Einrichtung zur Unterstützung der UNO. Kambodschas König Norodom Sihamoni verlieh Jolie am 12. August 2005 die kambodschanische Staatsbürgerschaft als Dank für ihre Arbeit zur Erhaltung der Umwelt in seinem Land; sie sicherte fünf Millionen US-Dollar zu, um die Tierwelt innerhalb eines Nationalparks in der nordwestlichen Provinz Battambang zu erhalten, in der sie ein Haus besitzt. 2007 wurde Jolie Mitglied des Council on Foreign Relations und mit dem Freedom Award des International Rescue Committee ausgezeichnet. 2010 unterstützte Jolie die Initiative Ein Logo für Menschenrechte. Im April 2012 wurde Jolie zur Ehrenbürgerin Sarajevos ernannt. In der Begründung hieß es, sie habe mit ihrem Regiedebüt In the Land of Blood and Honey dazu beigetragen, ein Stück Geschichte zu wahren und „die Prinzipien der Menschlichkeit, Demokratie, ebenso wie die Toleranz und die Solidarität von Menschen unterschiedlicher ethnischer Herkunft, Religion und kulturellem Hintergrund zu schützen.“ Am 16. November 2013 wurde Angelina Jolie bei den Governors Awards in Los Angeles mit dem Jean Hersholt Humanitarian Award („Ehrenoscar“) für ihr humanitäres Engagement unter anderem als Sondergesandte des UN-Flüchtlingshochkommissariats ausgezeichnet. Nach dem Erscheinen ihres Films In the Land of Blood and Honey führte Jolie zusammen mit dem britischen Außenminister William Hague eine zweijährige Kampagne gegen Vergewaltigung als Kriegstaktik, die im Juni 2014 mit einer Gipfelkonferenz in London abgeschlossen wurde. Ziel der Kampagne war es, die Verdrängung und Banalisierung des Themas zu beenden und die Weltgemeinschaft zum Engagement gegen sexuelle Gewalt in Konflikten aufzurufen. Seit 2012 lässt sich Jolie von der britischen Politikerin und Menschenrechtlerin Arminka Helic und der britischen Außenpolitik-Spezialistin Chloe Dalton beraten. Nachdem Angelina Jolie 2001–2012 Sonderbotschafterin des UNHCR war, wurde sie im April 2012 zur Sondergesandten (special envoy) des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR) ernannt. Am 16. Dezember 2022 gab sie ihren Rücktritt vom Amt der Sondergesandten bekannt. Sie wolle aber weiter der Flüchtlingsarbeit verbunden bleiben.
Seit 2007 ist Jolie Mitglied des Council on Foreign Relations.
Am 28. März 1996 heiratete Jolie den britischen Schauspielkollegen Jonny Lee Miller, den sie während der Dreharbeiten zu Hackers – Im Netz des FBI kennengelernt hatte. Jolie und Miller trennten sich ein Jahr später, wurden im Februar 1999 geschieden, blieben aber befreundet. Während der Dreharbeiten zu Foxfire (1996) ging Jolie eine sexuelle Beziehung mit ihrer Filmpartnerin Jenny Shimizu ein. Als sie 2003 in einem Interview mit Barbara Walters gefragt wurde, ob sie bisexuell sei, bestätigte Jolie dies. Nach der Scheidung von Thornton am 27. Mai 2003 erhielt sie das alleinige Sorgerecht. Im Juli 2002 reichte Jolie einen Antrag auf Namensänderung ein, um Voight als Familiennamen zu streichen und ihren bürgerlichen Namen in Angelina Jolie zu ändern; die Änderung wurde am 12. September 2002 offiziell bestätigt. Im August desselben Jahres sagte Jon Voight im US-Fernsehen, seine Tochter habe „ernste emotionale Schwierigkeiten“. Jolie erklärte 2004, sie sei nicht länger an einer Beziehung zu ihrem Vater interessiert. Sie gab an, dass sie die genauen Gründe für die Entfremdung von ihrem Vater nicht öffentlich machen wolle, aber sie glaube, es sei schädlich für sie, sich weiterhin mit ihrem Vater einzulassen, da sie gerade ein Kind adoptiert habe. Im Frühjahr 2005 geriet Jolie ins Visier der Boulevardpresse. Sie sei der Trennungsgrund des Schauspielerehepaares Brad Pitt und Jennifer Aniston. Die Boulevardmedien spekulierten, ob sie und Pitt während der Dreharbeiten von Mr. & Mrs. Smith eine Affäre begonnen hätten. Jolie bestritt dies in verschiedenen Interviews. Am 14. Mai 2013 veröffentlichte Jolie im Op-Ed der New York Times einen Debattenbeitrag mit dem Titel My Medical Choice, in dem sie davon berichtete, dass sie sich einer beidseitigen prophylaktischen Mastektomie unterzogen habe, um ihr hohes individuelles Brustkrebsrisiko zu minimieren. Ohne Operation habe ihr Risiko, an Brustkrebs zu erkranken, aufgrund einer Mutation im BRCA1-Gen 87 % betragen. Ihr Risiko eines Eierstockkrebses sei auf 50 Prozent geschätzt worden. Die Berichterstattung bewirkte, dass sich Frauen weltweit vermehrt für Brust-Diagnostik und genetische Beratung interessierten (Jolie-Effekt). Am 24. März 2015 veröffentlichte Jolie unter dem Titel Diary of a Surgery einen weiteren Gastbeitrag in der New York Times, in dem sie mitteilte, dass sie sich inzwischen auch einer prophylaktischen Entfernung beider Eierstöcke und der Eileiter unterzogen habe. Nachdem Pitts Managerin im April 2012 bereits die Verlobung des Paares bekanntgegeben hatte, heirateten Jolie und Pitt am 23. August 2014 auf ihrem Weingut Château Miraval an der Côte d’Azur im Beisein von Familie und Freunden. Ihr bürgerlicher Name lautet seit der Eheschließung Jolie Pitt. Zur Hochzeit schenkte sie Pitt die Schreibmaschine von Ernest Hemingway im Wert von 250.000 US-Dollar. Nach zweijähriger Ehe reichte Jolie im September 2016 die Scheidung von Pitt ein. Aufgrund von Rechtsstreitigkeiten, die sich über acht Jahre hingezogen hatten, erfolgte die Scheidung jedoch erst Ende 2024. Jolie hat mindestens 20 Tätowierungen (Stand: Februar 2016). Darunter befindet sich ein traditionelles Khmer-Tattoo, das Unglück und Unfälle abwenden soll, ein Ausspruch von Tennessee Williams „A prayer for the wild at heart, kept in cages“, ein zwölf Zoll (30,5 cm) großer Tiger und die geographischen Koordinaten der Geburtsorte von Brad Pitt und ihren Kindern. Sie ließ verschiedene Tätowierungen entfernen, darunter auch den Schriftzug Billy Bob, den Vornamen ihres zweiten Ehemanns.
Jolie ist heute eine der bekanntesten Persönlichkeiten weltweit. Laut Q-Score-Index von Marketing Evaluations Inc. kannten Jolie nach ihrem Oscargewinn 31 Prozent der Befragten in den Vereinigten Staaten im Jahr 2000, 2006 war sie bereits für 81 Prozent aller US-Amerikaner ein Begriff. In einer globalen Studie auf 42 internationalen Märkten von ACNielsen aus dem Jahr 2006 wurde Jolie zusammen mit Brad Pitt zur weltweit bevorzugten Werbeträgerin für Marken und Produkte ermittelt. Daneben wurde Jolie 2006 und 2008 von Time in deren jährliche Liste der 100 einflussreichsten Personen der Welt aufgenommen. Vom US-Wirtschaftsmagazin Forbes wurde Jolie auf der sogenannten „Celebrity 100“, einer Rangliste der einflussreichsten Prominenten, 2006 auf Position 35 und 2007 auf Rang 14 geführt. Im Februar 2007 wurde sie im Rahmen der britischen Fernsehshow The 100 Greatest Sex Symbols vor Elvis Presley und Marilyn Monroe zum größten Sexsymbol aller Zeiten gewählt. 2008 wählten die Leser der deutschen FHM Jolie auf einer Liste der 100 schönsten Frauen auf Platz 12. 2008 zählte Jolie laut Forbes Magazine zu den am besten verdienenden Schauspielerinnen in Hollywood. Zwischen Juni 2007 und Juni 2008 erhielt sie Gagen in Höhe von 14 Millionen US-Dollar. 2011 hatte sie in einem neuerlichen Forbes-Ranking die Spitzenposition durch ihr Mitwirken in Salt und The Tourist (30 Millionen US-Dollar) gemeinsam mit Sarah Jessica Parker inne. Das Ausmaß der Berichterstattung über Jolie wird auch daran deutlich, dass sie zwischen Mai 2011 und Mai 2012 auf den Titelblättern von mindestens 78 Zeitschriften zu sehen war.
Die deutsche Synchronstimme von Jolie ist seit dem Jahr 2000 bis auf wenige Ausnahmen Claudia Urbschat-Mingues. * 2007: A Place in Time (Dokumentation) * 2011: In the Land of Blood and Honey * 2017: Der weite Weg der Hoffnung (First They Killed My Father: A Daughter of Cambodia Remembers) * 2024: Without Blood * 2011: In the Land of Blood and Honey * 2005: A Moment in The World * 2011: In the Land of Blood and Honey * 2017: Der weite Weg der Hoffnung (First They Killed My Father: A Daughter of Cambodia Remembers) * 2019: Maleficent: Mächte der Finsternis (Maleficent: Mistress of Evil) * 2024: Without Blood * 2004: Große Haie – Kleine Fische (Shark Tale) * 2008: Kung Fu Panda * 2011: Kung Fu Panda 2 * 2016: Kung Fu Panda 3 * 1991: Stand By My Woman von Lenny Kravitz * 1991: Alta Marea (Don’t Dream It’s Over) von Antonello Venditti * 1993: Rock and Roll Dreams Come Through von Meat Loaf * 1997: Anybody Seen My Baby? von The Rolling Stones * 2001: Elevation von U2 * 2003: Did My Time von Korn
Academy Award of Merit („Oscar“) * 2000: Auszeichnung als Beste Nebendarstellerin für Durchgeknallt * 2009: Nominierung als Beste Hauptdarstellerin für Der fremde Sohn British Academy Film Award * 2009: Nominierung als beste Hauptdarstellerin für Der fremde Sohn * 1998: Nominierung als beste Hauptdarstellerin in einer Miniserie oder einem Fernsehfilm für Gia – Preis der Schönheit * 1998: Nominierung als beste Hauptdarstellerin in einer Miniserie oder einem Fernsehfilm für Wallace * 1998: Auszeichnung als beste Hauptdarstellerin in einem Fernsehfilm für Wallace * 1999: Auszeichnung als beste Hauptdarstellerin in einem Fernsehfilm für Gia – Preis der Schönheit * 2000: Auszeichnung als Beste Nebendarstellerin für Durchgeknallt * 2008: Nominierung als Beste Hauptdarstellerin in einem Drama für Ein mutiger Weg * 2009: Nominierung als beste Hauptdarstellerin in einem Drama für Der fremde Sohn * 2011: Nominierung als Beste Hauptdarstellerin in einer Komödie oder einem Musical für The Tourist * 2025: Nominierung als beste Hauptdarstellerin in einem Drama für Maria Nickelodeon Kids’ Choice Awards * 2015: Auszeichnung als Favorite Villain für Maleficent National Board of Review Award * 1998: Auszeichnung als beste Nachwuchsdarstellerin für Leben und lieben in L.A. Screen Actors Guild Award * 1999: Auszeichnung als beste Hauptdarstellerin in einem Fernsehfilm für Gia – Preis der Schönheit * 2000: Auszeichnung als beste Nebendarstellerin für Durchgeknallt * 2008: Nominierung als beste Hauptdarstellerin für Ein mutiger Weg * 2009: Nominierung als beste Hauptdarstellerin für Der fremde Sohn * 2002: Nominierung für die Goldene Himbeere als schlechteste Schauspielerin für Lara Croft: Tomb Raider und Original Sin * 2003: Nominierung für die Goldene Himbeere als schlechteste Schauspielerin für Leben oder so ähnlich * 2004: Nominierung für die Goldene Himbeere als schlechteste Schauspielerin für Jenseits aller Grenzen und Lara Croft: Tomb Raider – Die Wiege des Lebens * 2005: Nominierung für die Goldene Himbeere als schlechteste Schauspielerin für Alexander und Taking Lives – Für Dein Leben würde er töten * 2005: Nominierung als größte Verliererin in den ersten 25 Jahren der Verleihung der Goldenen Himbeere
Hollywood Film Award * 2017: Auszeichnung mit dem Hollywood Foreign Language Film Award für Der weite Weg der Hoffnung, gemeinsam mit Loung Ung
* 2003: (Sergio Vieira de Mello) Citizen of the World Award des Verbandes der UNO-Korrespondenten * 2005: Global Humanitarian Award der United Nations Association of the USA (UNA-USA) und des Business Council for the United Nations * 2005: Verleihung der kambodschanischen Staatsbürgerschaft * 2007: Freedom Award des International Rescue Committee * 2012: Ernennung zur Ehrenbürgerin der Stadt Sarajevo * 2014: Jean Hersholt Humanitarian Award (verliehen bei den Governors Awards am 16. November 2013 in Los Angeles) * 2014: Ernennung zur Honorary Dame Commander des Order of St. Michael and St. George (DCMG) durch Königin Elisabeth II.
* Angelina Jolie: Tagebuch einer Reise – Begegnungen mit Flüchtlingen in Afrika, Kambodscha, Pakistan und Ecuador. Bombus, München 2004, ISBN 3-936261-31-8. * Brandon Hurst: Angelina Jolie. Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag, Berlin 2007, ISBN 978-3-89602-764-1. * Harald Keller: Angelina Jolie. Bertz + Fischer Verlag, Berlin 2001, ISBN 3-929470-33-0. * Andrew Morton: Angelina Jolie. Droemer, München 2010, ISBN 978-3-426-27532-0. Englischsprachige Literatur und Quellen * Chris Heath: Rolling Stone. Juli 2001 * Jonathan Van Meter: Vogue. April 2002 * Bruce Kirkland: jam! Showbiz. 19. Oktober 2003 * Jonathan Van Meter: Vogue. März 2004 * Fred Schruers: Premiere Magazine. Oktober 2004 * Kevin Sessums: Allure. November 2004 * Matthew Swibel: Forbes. 12. Juni 2006 * Jonathan Van Meter: Vogue. Januar 2007
* , offizielle Website bei UNHCR.org (englisch) * , Jolies Reisetagebücher (englisch) * , Multimedia-Tagebuch, das von Jolie selbst besprochen wurde (englisch) * Tobias Rapp: ] vom 31. Juli 2010
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Archimedes
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, 1620, Gemäldegalerie Alte Meister, Dresden Archimedes von Syrakus (; * um 287 v. Chr. vermutlich in Syrakus; † 212 v. Chr. ebenda) war ein griechischer Mathematiker, Physiker und Ingenieur. Er gilt als einer der bedeutendsten Mathematiker der Antike. Seine Werke waren auch noch im 16. und 17. Jahrhundert bei der Entwicklung der höheren Analysis von Bedeutung.
Über das Leben des Archimedes ist wenig bekannt und vieles gilt als Legende. Archimedes, geboren ca. 287 v. Chr. wahrscheinlich in der Hafenstadt Syrakus auf Sizilien, war der Sohn des Pheidias, eines Astronomen am Hof Hierons II. von Syrakus. Mit diesem und dessen Sohn und Mitregenten Gelon II. war er befreundet und möglicherweise verwandt. Bei einem längeren Aufenthalt in Alexandria, wo die Alexandrinische Schule entstanden war, lernte Archimedes die dortigen Mathematiker Konon, Dositheos und Eratosthenes kennen, mit denen er später weiter korrespondierte. Als er nach Syrakus zurückgekehrt war, behandelte er das Problem des Unendlichen, vervollständigte die Kreisberechnung und betrieb die Anwendung der Mathematik auf die praktische Physik (Mechanik). Seine Wurfmaschinen wurden bei der Verteidigung von Syrakus gegen die römische Belagerung im Zweiten Punischen Krieg eingesetzt. Bei der Eroberung von Syrakus 212 v. Chr. nach dreijähriger Belagerung durch den römischen Feldherrn Marcus Claudius Marcellus wurde er sehr zum Bedauern von Marcellus, der ihn lebend gefangensetzen wollte, von einem römischen Soldaten getötet. Über die Umstände referiert Plutarch in seiner Biographie des Marcellus mehrere überlieferte Versionen, nach einer war er mit einem mathematischen Beweis beschäftigt und forderte einen beim Plündern der Stadt eindringenden Soldaten auf, ihn nicht zu stören, worauf der ihn erschlug. Sprichwörtlich wurden die Worte Noli turbare circulos meos (lateinisch für: „Störe meine Kreise nicht“), die Archimedes dabei gesprochen haben soll. Nach Plutarch hatte Archimedes sich testamentarisch ein Grab mit der Darstellung von Kugel und Zylinder gewünscht, da er offensichtlich auf seine Abhandlung Über Kugel und Zylinder besonders stolz war. In dieser beschrieb Archimedes 225 v. Chr. das Verhältnis von Volumen und Oberfläche einer Kugel zu einem umschreibenden Zylinder gleichen Durchmessers, er bewies, dass dieses Verhältnis 2:3 beträgt. Cicero berichtet in den Tuskulanischen Gesprächen, dass er in seiner Zeit als Quästor in Sizilien (75 v. Chr.) nach dem Grab suchte und es nahe dem Tor nach Agrigent von Gestrüpp zugewuchert fand. Eine von seinem Freund Heracleides geschriebene Biographie ist nicht erhalten.
Die Reihenfolge der erhaltenen Hauptschriften wurde erstmals 1897 von Thomas Heath angegeben und 1979 von Ivo Schneider aufgrund neuer Erkenntnisse wie folgt überarbeitet: * Die Elemente der Mechanik, darunter Über Stützen und Über Waagen. * Quadratur der Parabel, griechisch Τετραγωνισμὸς παραβολῆς, transkribiert Tetragōnismos parabolēs, lateinisch De quadratura parabolae. Inhalt: Fläche eines Parabelsegments. * Über Kugel und Zylinder, griechisch Περὶ σφαίρας καὶ κυλίνδρου, transkribiert Peri sphaíras kai kylíndrou, lateinisch De sphaera et cylindro, Buch I. Inhalt: Volumen von Kugel und Zylinder. * Die Kreismessung, griechisch Κύκλου μέτρησις, transkribiert Kýklou métrēsis, lateinisch Dimensio circuli. * Über Kugel und Zylinder, Buch II. * Über Spiralen, griechisch Περὶ ἑλίκων, transkribiert Peri helikōn, lateinisch De lineis spiralibus. Inhalt: Fläche eines von ihm erfundenen Objekts, der Spirallinie. Die archimedische Spirale wurde aber wahrscheinlich von seinem Freund Konon erfunden. * Über Konoide und Sphäroide, griechisch Περὶ κωνοειδέων καὶ σφαιροειδέων, transkribiert Peri kōnoeideōn kai sphairoeideōn, lateinisch De conoidibus et sphaeroidibus. Inhalt: Volumina von Hyperbeln und Ellipsen. * Über das Gleichgewicht bzw. den Schwerpunkt, daraus nur noch erhalten Über das Gleichgewicht ebener Flächen, 2 Bücher, griechisch Περὶ ἐπιπέδων ἰσορροπιῶν, transkribiert Peri epipédōn isorrhopiṓn, lateinisch De planorum aequilibriis. * Die Mechanische Methode, griechisch Περὶ μηχανικῶν θεωρημάτων πρὸς Ἐρατοσθένη ἔφοδος, transkribiert Peri mēchanikōn theōrēmatōn pros Eratosthenē ephodos, lateinisch De methodo. Als Fragment erhalten im von Heiberg gefundenen Archimedes-Palimpsest. * Über schwimmende Körper, 2 Bücher, griechisch Περὶ τῶν ἐπιπλεόντων σωμάτων, transkribiert Peri tōn epipleontōn sōmatōn, lateinisch De corporibus fluitantibus. Inhalt: Volumen und spezifisches Gewicht von Körpern, Hydrostatik. In der Quadratur der Parabel wird der kürzliche Tod seines Freundes Konon erwähnt, so dass sich diese Schrift um 240 v. Chr. datieren lässt. Nach der erwähnten relativen Datierung sind die meisten Werke des Archimedes erst danach entstanden. Das Buch Über Spiralen wurde nach Archimedes Angaben viele Jahre nach dem Tod des Konon geschrieben, so dass es nach Ivo Schneider etwa 230 v. Chr. zu datieren ist. Schneider ordnet die Methodenlehre Ende der 220er Jahre ein und Über schwimmende Körper als letztes Werk in die letzten acht Lebensjahre, aber wohl vor 216 v. Chr. wegen der nachfolgenden Ereignisse des Zweiten Punischen Kriegs in Syrakus. * Der Sandrechner, griechisch Ψαμμίτης, transkribiert Psammitēs, lateinisch Arenarius. Inhalt: Anzahl der Sandkörner im Universum, Darstellung beliebig großer Zahlen, heliozentrisches Weltbild des Aristarchos von Samos. * Das Rinderproblem des Archimedes, griechisch Πρόβληµα βοεικόν, transkribiert Próblēma boeïkón, lateinisch Problema bovinum, ein zahlentheoretisches Problem. Es ist in einem Gedicht von Archimedes an Eratosthenes erhalten, das Lessing entdeckte. * Ostomachion (oder Stomachion), griechisch Ὀστομάχιον, ein Puzzle-Problem. Fragment, zum Beispiel im Archimedes-Palimpsest erhalten. Zuschreibung fraglich. * Buch der Lemmata, lateinisch Liber assumptorum. Wohl nicht archimedisch (der Text zitiert Archimedes), geht aber inhaltlich vielleicht auf Archimedes zurück. Es ist nur in einer arabischen Übersetzung von Thabit Ibn Qurra aus dem 9. Jahrhundert erhalten. Es enthält unter anderem eine Dreiteilung des Winkels mit nicht-klassischen Methoden (markiertes Lineal) und die Zwillingskreise des Archimedes. Es gibt Hinweise auf einige heute verloren gegangene Schriften, zum Beispiel über Polyeder und über Hebel (von Pappos erwähnt), über die Darstellung von Zahlen (von Archimedes in Der Sandrechner erwähnt) und über Spiegel (Catoptrica, von Theon von Alexandria erwähnt). Aus der Unvollständigkeit der mechanischen Schriften des Archimedes (Gleichgewicht ebener Flächen, Quadratur der Parabel) und mehrerer Hinweise bei Archimedes (und zum Beispiel bei Heron von Alexandria) wurde auf die Existenz verloren gegangener Teile seiner Mechanik geschlossen, die Aage Drachmann zu rekonstruieren versuchte. Diese teilweise rekonstruierten mechanischen Schriften stehen chronologisch am Anfang der Werke des Archimedes. Es gibt einige Hinweise auf verloren gegangene Schriften des Archimedes in arabischer Übersetzung, so ein Buch über das Parallelenpostulat, das im Bücherkatalog von Ibn al-Nadim aufgeführt ist und möglicherweise die Behandlung des Themas bei Thabit Ibn Qurra beeinflusste.
Archimedes war sowohl in der Mathematik als auch im Bereich der heutigen Physik gleichermaßen schöpferisch tätig.
Archimedes werden die Erfindung und Kombination verschiedener Maschinenelemente zugeschrieben, wie Schrauben, Seilzüge mit Wellrädern, Flaschenzüge und Übersetzungsgetriebe mit Zahnrädern, deren Funktionen er auch in der Praxis demonstriert haben soll. Obwohl er sich im Auftrag König Hierons der Entwicklung technischer Anwendungen widmete, bevorzugte er nach Überlieferungen Plutarchs das abstrakte Denken und sah auf die praxisbezogene Arbeit des Ingenieurs mit Verachtung herab. Aus diesem Grund hinterließ er auch keine Abhandlung über praktische Erfindungen. Seine Schriften zur Mechanik und Hydrostatik sind nach dem Vorbild der Geometrie streng axiomatisch aufgebaut.
Archimedes formulierte die Hebelgesetze in seiner Schrift Über das Gleichgewicht ebener Flächen und schuf dadurch die theoretische Grundlage für die spätere Entwicklung der Mechanik. Er selbst entwickelte aus dem Hebelgesetz bereits die wissenschaftlichen Grundlagen der Statik für statisch bestimmte Systeme. Die Beschreibung des Hebels selbst findet sich schon in älteren griechischen Schriften aus der Schule des Aristoteles. Er soll (wie Pappos und andere überlieferten) gesagt haben: „“ („Gebt mir einen festen Punkt, und ich hebe die Welt aus den Angeln“). Darauf gründet sich der Begriff des archimedischen Punktes. Als er sich einmal gegenüber Hieron so äußerte, verlangte dieser nach Plutarch einen praktischen Beweis, und Archimedes bewerkstelligte unter anderem mit Flaschenzügen (Plutarch) und Seilwinden die Bewegung eines großen voll beladenen Schiffs durch einen einzigen Mann.
Nach Vitruv sollte Archimedes den Goldgehalt einer vom Herrscher Hieron II. den Göttern geweihten Krone prüfen, ohne sie jedoch zu beschädigen. Der König verdächtigte den Goldschmied, ihn betrogen zu haben. Um die gestellte Aufgabe zu lösen, tauchte er einmal die Krone und dann einen Goldbarren (sowie einen Silberbarren), der genauso viel wog wie die Krone, in einen vollen Wasserbehälter und maß die Menge des überlaufenden Wassers. Die Krone verdrängte mehr Wasser als der Goldbarren. Dadurch war bewiesen, dass die Krone ein kleineres spezifisches Gewicht hatte und daher nicht ganz aus Gold gefertigt war. Archimedes soll der Legende nach das Archimedische Prinzip beim Baden entdeckt haben. Aus dem randvollen Wasserbehälter sei jene Wassermenge ausgelaufen, die er beim Hineinsteigen ins Bad mit seinem Körpervolumen verdrängte. Glücklich über seine Entdeckung soll er mit dem Ausruf „Heureka!“ (altgriechisch: , „Ich hab’s gefunden!“) nackt auf die Straße gelaufen sein. Die Anekdote von der Überprüfung des Goldgehalts der Krone Hierons durch Wasserverdrängung ist aber kritisiert worden – diese wäre mit den Mitteln der damaligen Zeit nur schwer durchzuführen gewesen und ist wahrscheinlich eine Legende. Schon Galileo Galilei vermutete deshalb 1586, Archimedes hätte stattdessen eine Waage benutzt zur Messung der Gewichte unter Auftrieb. Das Archimedische Prinzip kann bei jedem schwimmenden Körper Anwendung finden. Es stellt beim Schiffbau eine zwingend zu berücksichtigende Tatsache dar. Bei seinen hydrostatischen Experimenten entdeckte er zudem das Prinzip der kommunizierenden Gefäße.
Archimedes bewies, dass sich der Umfang eines Kreises zu seinem Durchmesser genauso verhält wie die Fläche des Kreises zum Quadrat des Radius. Er nannte dieses (heute als Pi oder Kreiszahl bezeichnete) Verhältnis noch nicht π (Pi), gab aber eine Anleitung, wie man sich dem Verhältnis bis zu einer beliebig hohen Genauigkeit nähern kann, vermutlich das älteste numerische Verfahren der Geschichte. Mit seinen Überlegungen zur Flächen- und Volumenberechnung (u. a. mit einer exakten Quadratur der Parabel) nahm Archimedes Ideen der Integralrechnung viel später folgender Denker vorweg. Er ging dabei über die Eudoxos von Knidos zugeschriebene Exhaustionsmethode (Ausschöpfungsmethode) hinaus; beispielsweise wandte er bereits eine Form des Prinzips von Cavalieri an. 1906 fand Johan Ludvig Heiberg (1854–1928), ein dänischer Philologe und Professor an der Universität Kopenhagen, in Istanbul ein auf das 10. Jahrhundert datiertes Manuskript, das unter anderem eine Abschrift von Archimedes’ Schrift Die Mechanische Methode enthielt. Darin gibt er eine mechanische Methode preis, mit der er viele seiner Resultate erzielt hatte, bevor er sie in geometrisch strenger Weise bewies. Die Methode entspricht einem Wiegen der zu vergleichenden Volumina bzw. Flächenstücke, allerdings in geometrischer Form. Bei seiner Beschreibung erwähnt Archimedes auch ein älteres Verfahren von Demokrit, bei dem es sich möglicherweise um das Wiegen von Modellen handelt.
Von Thabit Ibn Qurra stammt die Übersetzung einer Abhandlung von Archimedes über die Konstruktion eines regulären Heptagons, bekannt als das Siebeneck nach Archimedes. Diese Konstruktion des Siebenecks nach Archimedes ist, der Überlieferung nach, eine Neusis-Konstruktion auch Einschiebung (Neusis) genannt. Die Art und Weise, wie Archimedes selbst die Länge der Strecke gefunden hat – z. B. wie er das markierte Lineal angelegt hat – ist nicht überliefert.
Außerdem entwickelte Archimedes ein stellenwertbasiertes Zahlensystem mit der Basis 108. Er benutzte es, um astronomisch große Zahlen (bis zur Größe von 1064) mathematisch fassen zu können – dies in einer Zeit, in der seine Mitwelt eine Myriade (lit. 10.000) bereits mit „unendlich“ gleichsetzte. Anlass dafür war die Abhandlung Über schwimmende Körper und die Sandzahl, auch kurz Sandrechner genannt, die er dem Sohn von Hieron II., Gelon, widmete. Darin heißt es: „Es gibt Leute, König Gelon, die der Meinung sind, die Zahl des Sandes sei unendlich groß […] Andere glauben zwar nicht, dass die Zahl unendlich sei, aber doch, dass noch keine Zahl genannt worden sei, die seine Menge übertreffen könnte.“ Da Gelon als König angesprochen wird, entstand die Schrift nach 240 v. Chr., als er Mitregent wurde (und vor Gelons Tod 216 v. Chr.). Er widerlegte diese Vorstellungen, indem er in der Abhandlung die Anzahl der Sandkörner, die alle Strände der Erde bedeckten, abschätzte und benannte. Er ging sogar noch weiter und berechnete die Anzahl der Sandkörner, die man benötigte, um das ganze Universum mit Sand anzufüllen. Damals stellte man sich das Universum allerdings noch wesentlich kleiner vor. Er verwendete folgende Annahmen für die Berechnung einer oberen Grenze: * Ein Sandkorn hat einen Durchmesser von ca. 19 μm (0,019 mm), was Schluff entspricht und kleiner als Feinsand ist. * Der Umfang der Erde beträgt nicht mehr als 300 Myriaden stadia (ca. 56.000 km). * Der Mond ist nicht größer als die Erde und die Sonne ist höchstens 30-fach größer als der Mond. * Der Winkeldurchmesser der Sonne, von der Erde aus gesehen, beträgt mehr als 1/200 eines rechten Winkels (π/400 Radiant = 0,45°). Unter Annahme folgender Verhältnisse schätzte Archimedes den Durchmesser des Universums auf weniger als 1014 griechischen „stadia“ bzw. ca. zwei Lichtjahre (), in das nicht mehr als 1063 Sandkörner hineinpassen würden.
Obwohl nach ihm benannt, stammt das archimedische Axiom nicht von Archimedes, sondern geht auf Eudoxos von Knidos zurück, der dieses Prinzip im Rahmen seiner Größenlehre einführte.
Die Originalarbeit des Archimedes ist nicht erhalten geblieben. Allerdings existiert noch eine Schrift des Mathematikers Pappos (ca. 290–350 n. Chr.), in der erwähnt wird, dass Archimedes die 13 archimedischen Körper beschrieb.
Archimedes hat die Technik seiner Zeit und die spätere Entwicklung der Technik, insbesondere der Mechanik, maßgeblich beeinflusst. Er selbst konstruierte allerlei mechanische Geräte, nicht zuletzt auch Kriegsmaschinen.
Archimedes wird die Erfindung der sogenannten archimedischen Schraube zugeschrieben, zu der er angeregt wurde, nachdem er bei seinem Studienaufenthalt in Ägypten die dortigen einfachen Vorrichtungen zur Feldbewässerung gesehen hatte. Das Prinzip der archimedischen Schraube kommt heutzutage in modernen Förderanlagen, sogenannten Schneckenförderern, zum Einsatz. Möglicherweise wurde sie von Archimedes als Lenzpumpe für Schiffe entwickelt, denn nach Athenäus von Naukratis beauftragte König Hieron Archimedes mit dem Bau des größten Schiffs der damaligen Zeit, der Syracusia.
Archimedes soll nach Plutarch die Römer bei ihrer langwierigen Belagerung mit den von ihm entwickelten Kriegsmaschinen aufgehalten haben: So entwickelte er beispielsweise Wurfmaschinen und Katapulte oder auch Seilwinden, welche ein komplettes Schiff, voll beladen und mit gesamter Besatzung, durch Ziehen an einem einzigen Seil bewegten. Auch mächtige Greifarme, die feindliche Boote packten und angeblich in Stücke rissen, gehörten dazu. Die Kralle von Archimedes soll eine Waffe gegen angreifende Flotten gewesen sein, die in der Stadtmauer von Syrakus eingebaut war und bei dessen Belagerung gegen die Römische Flotte eingesetzt wurde. Die genaue Funktion dieser Waffe ist allerdings unklar. In alten Schriften wird die Waffe als ein Hebel mit einem großen Eisenhaken dargestellt. Bereits im Jahre 425 v. Chr. verfügte die Stadt Syrakus über eine als „Eisenhand“ beschriebene Seekriegswaffe, mit der man Schiffe entern konnte (Thukydides, Pel. Kr. IV, 25), möglicherweise ein Enterhaken.
. Die Darstellung zeigt, wie Archimedes römische Schiffe mit Hilfe von Parabolspiegeln in Brand gesetzt haben soll. Außerdem soll Archimedes die Schiffe der Römer sogar über große Entfernung mit Hilfe von Spiegeln, die das Sonnenlicht umlenkten und fokussierten, in Brand gesteckt haben. Das wird von Lukian von Samosata und später von Anthemios von Tralleis berichtet. Dazu gibt es eine über 300 Jahre währende, heftige Kontroverse. Historisch sprechen die Quellenlage, Übersetzungsfragen (pyreia wurde oft mit Brennspiegel übersetzt, obwohl es nur „Entzündung“ heißt und auch Brandpfeile umfasst) und das erst Jahrhunderte spätere Auftauchen der Legende dagegen. Physikalische Gegenargumente sind die notwendige Mindestgröße und Brennweite eines solchen Spiegels, die zu erreichende Mindesttemperatur zur Entzündung von Holz (etwa 300 Grad Celsius) und die Zeit, die das zu entzündende Holzstück konstant beleuchtet bleiben muss. Technische Gegenargumente diskutieren die Herstellbarkeit solcher Spiegel zur damaligen Zeit, die Montage eines Spiegels oder Spiegelsystems und die Bedienbarkeit. Ein moderner Kritiker der Legende war der Pyrotechniker Dennis L. Simms. Zur Machbarkeit wurden mehrfach Experimente durchgeführt. Studenten des Massachusetts Institute of Technology und der University of Arizona haben 2005 erfolgreich mit 127 kleinen Spiegeln ein 30 Meter entferntes Modell einer Schiffswand entzündet, nachdem der Versuch zuvor mit zwei Spiegeln misslungen war. Allerdings musste der Himmel wolkenlos sein und das Schiff für rund 10 Minuten konstant bestrahlt werden. Ein unter Beteiligung der MIT-Studenten im Hafen von San Francisco an einem Fischerboot wiederholter Versuch in der Fernsehsendung MythBusters mit 500 Freiwilligen (gesendet im Januar 2006), der zu ähnlichen Ergebnissen kam, wurde deshalb als Fehlschlag eingestuft. Zusätzlich wurde angemerkt, dass das Meer in Syrakus im Osten liegt, die römische Flotte also am Morgen hätte angreifen müssen, und dass Wurfgeschosse und Brandpfeile effektiver gewesen wären. Möglicherweise entstand die Geschichte als Rückschluss aus der verlorenen Schrift von Archimedes Katóptrika (Optik).
Nach Cicero (De re publica) brachte Marcellus zwei von Archimedes entwickelte mechanische Planetarien zurück nach Rom. Ähnliche Geräte wurden nach Cicero schon von Eudoxos von Knidos und Thales von Milet gebaut – archäologische Beweise für solche Instrumente fanden sich später im Antikythera-Mechanismus. Möglicherweise handelt die verlorengegangene, von Pappos erwähnte Schrift des Archimedes Über die Herstellung von Sphären vom Bau von Planetarien. Ihm wird auch die Erfindung eines Odometers zugeschrieben. Ein entsprechendes Odometer mit einem Zählmechanismus mit Bällen wurde von Vitruv beschrieben. Vitruv verrät den Erfinder nicht (nur, dass er von den Alten überliefert wurde), doch wurde auch hier Archimedes als Erfinder vermutet. Auch ein Wasseruhr-Mechanismus, der Bälle als Zähl-Hilfsmittel freigibt, beschrieben in einem arabischen Manuskript, wurde ihm zugeschrieben. Leonardo da Vinci und Petrarca (der sich auf eine Cicero-Handschrift berief) schrieben Archimedes die Erfindung einer Dampfkanone zu. Leonardo fertigte auch Rekonstruktionsskizzen für die von ihm Architronito genannte Maschine an. Es gab später Versuche von Nachbauten, wie von dem Griechen Ioannis Sakas 1981 und dem italienischen Ingenieur Cesare Rossi von der Universität Neapel 2010. Rossi gab dort auch den Brennspiegeln eine neue Interpretation – sie hätten demnach die Hitze für die Dampferzeugung geliefert. In den überlieferten antiken Schriften von und über Archimedes finden sich dafür aber keine Hinweise und Experten wie Serafina Cuomo sehen darin nur einen weiteren Beweis für den legendären Ruf von Archimedes, dem man alle möglichen Erfindungen zuschrieb. Prinzipiell war den Griechen die Dampfkraft bekannt (Heronsball, 1. Jahrhundert n. Chr.).
Die Kenntnis der Werke des Archimedes war trotz seiner von Legenden gespeisten Bekanntheit in der Antike nicht sehr verbreitet, im Gegensatz etwa zu Euklid, der sein Buch im damaligen wissenschaftlichen Zentrum Alexandria zusammenstellte. Allerdings wird er von den Mathematikern Heron, Pappos und Theon in Alexandria häufig erwähnt. Die Schriften wurden zwischen dem 6. und 10. Jahrhundert in Byzanz systematisch gesammelt und kommentiert. Bekannt ist der Kommentar des Eutokios (der von Ende des 5. Jahrhunderts bis Anfang des 6. Jahrhunderts lebte) zu den wichtigsten Archimedes-Schriften (Über Kugel und Zylinder, Die Kreismessung, Über das Gleichgewicht ebener Flächen), der auch im Mittelalter in Westeuropa viel zur Kenntnis der Werke beitrug und anregend wirkte. Bei der ersten Zusammenstellung der Schriften in Byzanz spielten die Architekten der Hagia Sophia Isidor von Milet und Anthemios von Tralleis eine wichtige Rolle. Weitere Schriften kamen hinzu, bis im 9. Jahrhundert Leon von Thessaloniki die als Kodex A (Heiberg) bekannte Sammlung fast aller überlieferten Archimedischen Schriften (außer Stomachion, Rinderproblem, Über die Methode und Über schwimmende Körper) herausbrachte. Das war eine der beiden Quellen für die lateinischen Übersetzungen von Wilhelm von Moerbeke (abgeschlossen 1269). Das andere ihm zur Verfügung stehende griechische Manuskript des Archimedes enthielt Gleichgewicht ebener Flächen, Quadratur der Parabel, Über schwimmende Körper, vielleicht auch Über Spiralen und wurde von Heiberg Kodex B genannt. Das 1906 von Heiberg entdeckte Archimedes-Palimpsest (Kodex C, der vorher in Jerusalem war, es enthielt Über die Methode, Stomachion und Über Schwimmende Körper) war den Übersetzern in Mittelalter und Renaissance unbekannt. Die Kodizes A und B kamen aus dem Besitz der normannischen Könige in Sizilien in den Vatikan, wo Moerbeke sie für seine Übersetzung benutzte. Während Moerbekes Übersetzungs-Manuskript im Vatikan erhalten ist, ist Kodex B verloren. Von Kodex A sind dagegen mehrere Abschriften erhalten (neun sind bekannt), die zum Beispiel im Besitz von Kardinal Bessarion (heute in der Biblioteca Marciana) und Giorgio Valla waren. Das Original von Kodex A ist ebenfalls verschwunden. Die Übersetzungen Wilhelms von Moerbeke regten insbesondere die Gelehrten der Pariser Schule an (Nicole Oresme, Johannes de Muris). Es gibt auch eine arabische Textüberlieferung. Archimedes’ wichtigste Werke Über Kugel und Zylinder und Die Kreismessung wurden schon im 9. Jahrhundert ins Arabische übersetzt und mindestens bis ins 13. Jahrhundert immer wieder neu herausgegeben. Sie wirkten auch ab dem 12. Jahrhundert im Westen. Insbesondere eine Übersetzung der Kreismessung aus dem Arabischen ins Lateinische, die wahrscheinlich von Gerhard von Cremona (12. Jahrhundert) stammt, war im Mittelalter einflussreich. Von ihm stammt auch eine lateinische Übersetzung eines Traktats der Banū Mūsā Brüder, das weitere Ergebnisse von Archimedes enthielt: neben Kreismessung und Satz des Heron (den die Araber häufig Archimedes zuschrieben) Teile aus Über Kugel und Zylinder. Dieses als Verba filiorum bekannte Manuskript regte zum Beispiel auch Leonardo Fibonacci und Jordanus Nemorarius an. Beide wirkten als Mathematiker vor der Zeit, in der Moerbekes Übersetzung entstand. Um 1460 ließ Papst Nikolaus V. von Jakob von Cremona eine neue Übersetzung ins Lateinische anfertigen, basierend auf Kodex A. Sie enthielt auch die von Moerbeke noch nicht übersetzten Teile des Werks (Sandrechner und Kommentar des Eutokios zur Kreismessung). Da ihm Kodex B nicht zur Verfügung stand, enthält die Ausgabe nicht Über schwimmende Körper. Diese Übersetzung wurde unter anderem von Nikolaus von Kues benutzt. Die erste gedruckte Ausgabe (von Auszügen abgesehen, die Giorgio Valla 1501 druckte) waren die lateinischen Übersetzungen von Kreismessung und Quadratur der Parabel von Luca Gaurico in Venedig 1503 (nach einem Manuskript aus Madrid). Sie wurden 1543 von Nicolo Tartaglia wieder veröffentlicht zusammen mit Moerbekes Übersetzungen von Gleichgewicht ebener Flächen und Über schwimmende Körper. Die erste Ausgabe des griechischen Textes erschien 1544 in Basel (herausgegeben von Thomas Venatorius, deutsch Gechauff) zusammen mit einer lateinischen Übersetzung von Jakob von Cremona (korrigiert von Regiomontanus). Die Ausgabe enthielt auch die Kommentare von Eutokios. Für den lateinischen Text benutzte er eine von Regiomontanus um 1468 nach Deutschland gebrachte Abschrift der Übersetzung von Jakob von Cremona (bearbeitet von Regiomontanus) sowie für den griechischen Text eine von Willibald Pirckheimer aus Rom nach Nürnberg gebrachte Handschrift. Sie war eine Abschrift von Kodex A, weshalb in dieser Editio Princeps-Ausgabe auch Über Schwimmende Körper fehlt. 1558 erschien eine lateinische Übersetzung einiger Hauptschriften von Federicus Commandinus in Venedig. Wichtige weitere Ausgaben vor der Heiberg-Ausgabe waren von D´Rivault (Paris 1615), der nur die Propositionen auf Griechisch bringt und die Beweise in Latein, und von Giuseppe Torelli (Oxford 1794).
Nach dem italienischen Numismatiker und Archäologen Filippo Paruta (1552–1629) und Leonardo Agostini, einem Gelehrten aus Siena, gab es auf Sizilien eine Kupfermünze mit dem Porträt von Archimedes und einem Zylinder und Kugel sowie dessen Monogramm ARMD in römischer Schrift auf der Rückseite. Ivo Schneider beschrieb die Rückseite als „eine auf einem Untergestell ruhende Sphäre – wahrscheinlich ein grobes Abbild eines der von Archimedes geschaffenen Planetarien“. Als mögliches Motiv für eine „solche ungewöhnliche Prägung“ nennt er Marcellus, der „nach antiken Berichten zwei Sphären des Archimedes mit nach Rom brachte“. Ein Bildnis von Archimedes ist auf der höchsten Mathematikerauszeichnung, der Fields-Medaille, geprägt. Ihm zu Ehren wurde auf dem Mare Imbrium ein Mondkrater Archimedes genannt; siehe Archimedes (Mondkrater). Auch der Asteroid 3600, entdeckt von Ljudmyla Schurawlowa am 26. September 1978, trägt seinen Namen. István Száva schrieb den Roman Der Gigant von Syrakus (Prisma, Leipzig 1960, Corvina, Budapest 1960, 1968, 1978). Der Film Indiana Jones und das Rad des Schicksals (2023) thematisiert Archimedes und das fiktive Rad des Schicksals, das vom Mechanismus von Antikythera inspiriert ist.
* Archimedis Opera Omnia. Cum commentariis Eutocii, 3 Bände, Stuttgart, Teubner 1972 (Bibliotheca scriptorum Graecorum et Romanorum Teubneriana, Nachdruck der 2. Auflage, Teubner, Leipzig 1910–1915, erste Auflage 1880/81, Ausgabe von Heiberg, mit den Kommentaren von Eutokios) ** als Band 4 des Nachdrucks von 1972 erschien von Yvonne Dold-Samplonius, H. Hermelink, M. Schramm Archimedes: Über einander berührende Kreise, Stuttgart 1975 * Archimède (4 vol.), ed. Charles Mugler, Paris 1971 (mit französischer Übersetzung)
* Archimedes, Werke, Darmstadt, Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1963, 1972 (Übersetzung Arthur Czwalina nach der Ausgabe von Heiberg für Ostwalds Klassiker in einem Band) * Archimedes, Werke, Verlag Harri Deutsch, 3. Auflage 2009, ISBN 978-3-8171-3425-0 (nach der Übersetzung von Arthur Czwalina), umfasst Reprints von: ** Über schwimmende Körper und die Sandzahl, Ostwalds Klassiker, Band 213, Leipzig, Akademische Verlagsgesellschaft 1925 ** Die Quadratur der Parabel und Über das Gleichgewicht ebener Flächen oder über den Schwerpunkt ebener Flächen, Ostwalds Klassiker, Band 203, Leipzig, Akademische Verlagsgesellschaft 1923 ** Kugel und Zylinder, Ostwalds Klassiker, Band 202, Leipzig, Akademische Verlagsgesellschaft 1922 ** Über Paraboloide, Hyberboloide und Ellipsoide, Ostwalds Klassiker, Band 210, Leipzig, Akademische Verlagsgesellschaft 1923 ** Über Spiralen, Ostwalds Klassiker, Band 201, Leipzig, Akademische Verlagsgesellschaft 1922 * Ferdinand Rudio: Archimedes, Huygens, Lambert, Legendre. Vier Abhandlungen über die Kreismessung. Teubner, Leipzig 1892. (Archimedes Abhandlung über die Kreismessung) * Johan Ludvig Heiberg Eine neue Archimedeshandschrift, Hermes: Zeitschrift für Philologie, Band 42, 1907, S. 235–303 (Archimedes lange verschollene Abhandlung über die Mechanische Methode) ** Englische Übersetzung: Geometrical solutions derived from mechanics, a treatise of Archimedes, recently discovered and translated from the Greek by Dr. J. L. Heiberg, Chicago, the Open Court Publishing Company 1909 (Einführung David Eugene Smith), ** The method of Archimedes – recently discovered by Heiberg. A supplement to the works of Archimedes 1897, Herausgeber Thomas L. Heath, Cambridge University Press 1912 * Thomas Little Heath (Hrsg.): The Works of Archimedes. Cambridge 1897, Dover Publications, Mineola NY 1953, 2002, ISBN 0-486-42084-1. (in der Dover Ausgabe mit der Mechanischen Methode) ** Deutsche Übersetzung von Fritz Kliem, Berlin 1914 * Reviel Netz (Herausgeber und Übersetzer): Works of Archimedes (with a critical edition of the diagrams and a translation of Eutocius commentary), Bd. 1, Cambridge University Press 2004 (mit Kommentar, auf drei Bände angelegt), ISBN 0-521-66160-9. * Paul ver Eecke Les œuvres complètes d’Archimède, traduites du grec en français avec une introduction et des notes, Paris, Brüssel 1921, 2. Auflage, Paris 1960 mit der Übersetzung der Kommentare von Eutokios
Übersichtsdarstellungen * Markus Asper: Archimedes von Syrakus. In: Bernhard Zimmermann, Antonios Rengakos (Hrsg.): Handbuch der griechischen Literatur der Antike. Band 2: Die Literatur der klassischen und hellenistischen Zeit. C. H. Beck, München 2014, ISBN 978-3-406-61818-5, S. 465–468. * Hans-Joachim Waschkies: Archimedes. In: Hellmut Flashar (Hrsg.): Grundriss der Geschichte der Philosophie. Die Philosophie der Antike, Band 2/1, Schwabe, Basel 1998, ISBN 3-7965-1036-1, S. 393–399. Gesamtdarstellungen und Untersuchungen * Ivo Schneider: Archimedes. Ingenieur, Naturwissenschaftler und Mathematiker. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1979, ISBN 3-534-06844-0, Neuauflage Springer 2016 * Reviel Netz, William Noel: Der Codex des Archimedes – das berühmteste Palimpsest der Welt wird entschlüsselt. C. H. Beck 2007, ISBN 3-406-56336-8 (englisch: The Archimedes Codex. Weidenfeld and Nicholson 2007) * Günter Aumann: Archimedes. Mathematik in bewegten Zeiten. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 2013 * Klaus Geus: Mathematik und Biografie: Anmerkungen zu einer Vita des Archimedes. In: Michael Erler, Stefan Schorn (Hrsg.): Die griechische Biographie in hellenistischer Zeit: Akten des internationalen Kongresses vom 26. bis 29. Juli 2006 in Würzburg. Walter de Gruyter, Berlin 2007. S. 319–333 (Beiträge zur Altertumskunde; 245). * Dennis Simms: Archimedes the Engineer. In: History of Technology. Band 17, 1995, S. 45–111. * Sherman Stein: Archimedes. What did he do besides cry Eureka? Mathematical Association of America, 1999 * Andre Koch, Torres Assis: Archimedes, the Center of Gravity, and the First Law of Mechanics. Aperion Publishers, Montreal 2008 () * Chris Rorres: Completing Book 2 of Archimedes On Floating Bodies. In: Mathematical Intelligencer. Band 26, Nr. 3, 2004 () * Eduard Jan Dijksterhuis: Archimedes. Groningen 1938 (niederländisch), englische Übersetzung Kopenhagen 1956, Nachdruck Princeton University Press 1987 (mit einer Übersicht über die neuere Forschung von Wilbur Richard Knorr) * Isabella Grigorjewna Baschmakowa: Les méthodes différentielles d’Archimède. Archive History Exact Sciences, Band 2, 1962/66, S. 87–107 * Thomas L. Heath: Archimedes Werke mit modernen Bezeichnungen herausgegeben, Berlin 1914 () * Marshall Clagett: Archimedes in the Middle Ages. 5 Bände, Band 1: University of Wisconsin Press 1964, Band 2 bis 5: Memoirs of the American Philosophical Society 1976, 1978, 1980, 1984 ** Band 1: The Arabo-Latin tradition ** Band 2: The translations from the Greek by William of Moerbeke (in zwei Büchern, mit englischem und lateinischem Text) ** Band 3: The fate of the medieval Archimedes 1300–1565, in drei Büchern (Teil 1: The Moerbeke translations of Archimedes at Paris in the fourteenth century, Teil 2: The Arabo-Latin and handbook traditions of Archimedes in the fourteenth and early fifteenth centuries, Teil 3: The medieval Archimedes in the renaissance, 1450–1565) ** Band 4: A supplement on the medieval Latin traditions of conic sections (1150–1566), in zwei Büchern ** Band 5: Quasi-Archimedean geometry in the thirteenth century, in zwei Büchern
* . Basileae 1544, Online-Ausgabe der Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden * . Nürnberg 1667, Online-Ausgabe der Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden * . Nürnberg 1670, Online-Ausgabe der Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden * . In Our Time, BBC, 25. Januar 2007 (audio, 45 Min., englisch)
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Aristoteles
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Aristoteles (, Betonung lateinisch und deutsch: Aristóteles; * 384 v. Chr. in Stageira; † 322 v. Chr. in Chalkis auf Euböa) war ein griechischer Universalgelehrter. Er gehört zu den bekanntesten und einflussreichsten Philosophen und Naturforschern der Geschichte. Sein Lehrer war Platon, doch hat Aristoteles zahlreiche Disziplinen entweder selbst begründet oder maßgeblich beeinflusst, darunter Wissenschaftstheorie, Naturphilosophie, Logik, Biologie, Medizin, Physik, Ethik, Staatstheorie und Dichtungstheorie. Aus seinem Gedankengut entwickelte sich der Aristotelismus. (?). Rom, Palazzo Altemps
Der aus einer Arztfamilie stammende Aristoteles wuchs in der kleinen nordgriechischen Polis Stageira auf und kam mit siebzehn Jahren nach Athen. Im Jahr 367 v. Chr. trat er in Platons Akademie ein. Dort beteiligte er sich an Forschung und Lehre. Nach Platons Tod verließ er 347 Athen. 343/342 wurde er Lehrer Alexanders des Großen, des Thronfolgers im Königreich Makedonien. 335/334 kehrte er nach Athen zurück. Er gehörte nun nicht mehr der Akademie an, sondern lehrte und forschte selbständig mit seinen Schülern im Lykeion. 323/322 musste er wegen politischer Spannungen Athen erneut verlassen und begab sich nach Chalkis, wo er bald darauf verstarb.
Die an eine breite Öffentlichkeit gerichteten Schriften des Aristoteles in Dialogform sind verloren. Die erhalten gebliebenen Lehrschriften waren größtenteils nur für den internen Gebrauch im Unterricht bestimmt und wurden fortlaufend redigiert. Themenbereiche sind: Logik, Wissenschaftstheorie, Rhetorik: In den logischen Schriften arbeitet Aristoteles auf der Grundlage von Diskussionspraktiken in der Akademie eine Argumentationstheorie (Dialektik) aus und begründet mit der Syllogistik die formale Logik. Auf der Basis seiner Syllogistik erarbeitet er eine Wissenschaftstheorie und liefert unter anderem bedeutende Beiträge zur Definitionstheorie und Bedeutungstheorie. Die Rhetorik beschreibt er als die Kunst, Aussagen als plausibel zu erweisen, und rückt sie damit in die Nähe der Logik. Naturlehre: Aristoteles’ Naturphilosophie thematisiert die Grundlagen jeder Naturbetrachtung: die Arten und Prinzipien der Veränderung. Der damals aktuellen Frage, wie Entstehen und Vergehen möglich ist, begegnet er mit Hilfe seiner bekannten Unterscheidung von Form und Materie: Dieselbe Materie kann unterschiedliche Formen annehmen. In seinen naturwissenschaftlichen Werken untersucht er auch die Teile und die Verhaltensweisen der Tiere sowie des Menschen und ihre Funktionen. In seiner Seelenlehre – in der „beseelt sein“ „lebendig sein“ bedeutet – argumentiert er, dass die Seele, die die verschiedenen vitalen Funktionen von Lebewesen ausmache, dem Körper als seine Form zukomme. Er forscht aber auch empirisch und liefert bedeutende Beiträge zur zoologischen Biologie. Metaphysik: In seiner Metaphysik argumentiert Aristoteles (gegen Platons Annahme von abstrakten Entitäten) zunächst dafür, dass die konkreten Einzeldinge (wie Sokrates) die Substanzen, d. h. das Grundlegende aller Wirklichkeit sind. Dies ergänzt er um seine spätere Lehre, wonach die Substanz konkreter Einzeldinge ihre Form ist. Ethik und Staatslehre: Das Ziel des menschlichen Lebens, so Aristoteles in seiner Ethik, ist das gute Leben, das Glück. Für ein glückliches Leben muss man Verstandestugenden und (durch Erziehung und Gewöhnung) Charaktertugenden ausbilden, wozu ein entsprechender Umgang mit Begierden und Emotionen gehört. Seine politische Philosophie schließt an die Ethik an. Demnach ist der Staat als Gemeinschaftsform eine Voraussetzung für das menschliche Glück. Aristoteles fragt nach den Bedingungen des Glücks und vergleicht zu diesem Zweck unterschiedliche Verfassungen. Die Staatsformenlehre, die er entwickelt hat, genoss über viele Jahrhunderte unangefochtene Autorität. Dichtungstheorie: In seiner Theorie der Dichtung behandelt Aristoteles insbesondere die Tragödie, deren Funktion aus seiner Sicht darin besteht, Furcht und Mitleid zu erregen, um beim Zuschauer eine Reinigung von diesen Emotionen zu bewirken (katharsis).
Das naturwissenschaftliche Forschungsprogramm des Aristoteles wurde nach seinem Tod von seinem Mitarbeiter Theophrastos von Eresos fortgesetzt, der auch die aristotelische Schule, den Peripatos, im juristischen Sinne gründete. Die Aristoteles-Kommentierung setzte erst im 1. Jahrhundert v. Chr. ein und wurde insbesondere von Platonikern betrieben. Durch die Vermittlung von Porphyrios und Boethius wurde die aristotelische Logik für das lateinischsprachige Mittelalter wegweisend. Seit dem 12./13. Jahrhundert lagen alle grundlegenden Werke des Aristoteles in lateinischer Übersetzung vor. Sie waren für den Wissenschaftsbetrieb der Scholastik bis in die Frühe Neuzeit maßgeblich. Die Auseinandersetzung mit der aristotelischen Naturlehre prägte die Naturwissenschaft des Spätmittelalters und der Renaissance. Im arabischsprachigen Raum war Aristoteles im Mittelalter der am intensivsten rezipierte antike Autor. Sein Werk hat auf vielfältige Weise die Geistesgeschichte geprägt; wichtige Unterscheidungen und Begriffe wie „Substanz“, „Akzidenz“, „Materie“, „Form“, „Energie“, „Potenz“, „Kategorie“, „Theorie“ und „Praxis“ gehen auf Aristoteles zurück.
In jüngster Zeit werden verstärkt Parallelen und Ähnlichkeiten zwischen der Aristotelischen und der klassischen chinesischen Philosophie, insbesondere in der Ethik (vor allem bei Konfuzius und Xunzi) beobachtet.
Aristoteles wurde 384 v. Chr. in Stageira, einer damals selbständigen ionischen Kleinstadt an der Ostküste der Chalkidike, geboren. Daher wird er mitunter „der Stagirit“ genannt. Sein Vater Nikomachos war Leibarzt des Königs Amyntas III. von Makedonien, seine Mutter Phaestis stammte aus einer Arztfamilie von Chalkis auf Euboia. Nikomachos starb, bevor Aristoteles volljährig wurde. Proxenos aus Atarneus wurde zum Vormund bestimmt.
s Fresko „Die Schule von Athen“ von 1509. Aristoteles hält seine Nikomachische Ethik in der Hand und deutet mit seiner Geste auf die Erde, was seine Sicht des immanenten Realismus darstellt, während Platon mit seiner Geste zum Himmel auf seine Formenlehre hinweist und seinen Timaios hält. 367 v. Chr. kam Aristoteles als Siebzehnjähriger nach Athen und trat in Platons Akademie ein. Dort beschäftigte er sich zunächst mit den mathematischen und dialektischen Themen, die den Anfang der Studien in der Akademie bildeten. Schon früh begann er Werke zu verfassen, darunter Dialoge nach dem Vorbild derjenigen Platons. Er setzte sich auch mit der zeitgenössischen Rhetorik auseinander, insbesondere mit dem Unterricht des Redners Isokrates. Gegen das auf unmittelbaren Nutzen abzielende pädagogische Konzept des Isokrates verteidigte er das platonische Erziehungsideal der philosophischen Schulung des Denkens. Er nahm eine Lehrtätigkeit an der Akademie auf. In diesem Zusammenhang entstanden als Vorlesungsmanuskripte die ältesten seiner überlieferten Lehrschriften, darunter die logischen Schriften, die später unter der Bezeichnung Organon („Werkzeug“) zusammengefasst wurden. Einige Textstellen lassen erkennen, dass der Hörsaal mit Gemälden geschmückt war, die Szenen aus dem Leben von Platons Lehrer Sokrates zeigten.
Nach Platons Tod verließ Aristoteles 347 v. Chr. Athen. Möglicherweise war er nicht damit einverstanden, dass Platons Neffe Speusippos die Leitung der Akademie übernahm; außerdem war er in politische Schwierigkeiten geraten. Im Jahr 348 v. Chr. hatte König Philipp II. von Makedonien die Chalkidike erobert, Olynth zerstört und auch Aristoteles’ Heimatstadt Stageira eingenommen. Dieser Feldzug wurde von der antimakedonischen Partei in Athen als schwere Bedrohung der Unabhängigkeit Athens erkannt. Wegen der traditionellen Verbundenheit der Familie des Aristoteles mit dem makedonischen Hof richtete sich die antimakedonische Stimmung auch gegen ihn. Da er kein Athener Bürger war, sondern nur ein Metöke von zweifelhafter Loyalität, war seine Stellung in der Stadt relativ schwach. Er folgte einer Einladung des Hermias, der die Städte Assos und Atarneus an der kleinasiatischen Küste gegenüber der Insel Lesbos beherrschte. Zur Sicherung seines Machtbereichs gegen die Perser war Hermias mit Makedonien verbündet. In Assos fanden auch andere Philosophen Zuflucht. Der sehr umstrittene Hermias wird von der ihm freundlichen Überlieferung als weiser und heldenhafter Philosoph, von der gegnerischen aber als Tyrann beschrieben. Aristoteles, der mit Hermias befreundet war, blieb zunächst in Assos; 345/344 v. Chr. übersiedelte er nach Mytilene auf Lesbos. Dort arbeitete er mit seinem aus Lesbos stammenden Schüler Theophrast von Eresos zusammen, der sein Interesse für Biologie teilte. Später begaben sich beide nach Stageira. 343/342 v. Chr. ging Aristoteles auf Einladung von Philipp II. nach Mieza, um dessen damals dreizehnjährigen Sohn Alexander (später „der Große“ genannt) zu unterrichten. Die Unterweisung endete spätestens 340/339 v. Chr., als Alexander für seinen abwesenden Vater die Regentschaft übernahm. Aristoteles ließ für Alexander eine Abschrift der Ilias anfertigen, die der König als Verehrer des Achilleus später auf seinen Eroberungszügen mit sich führte. Das Verhältnis zwischen Lehrer und Schüler ist nicht näher überliefert; es hat zur Legendenbildung und vielerlei Spekulationen Anlass gegeben. Sicher ist, dass ihre politischen Überzeugungen grundverschieden waren; ein Einfluss des Aristoteles auf Alexander ist jedenfalls nicht erkennbar. Aristoteles soll am makedonischen Hof den Wiederaufbau seiner zerstörten Heimatstadt Stageira erreicht haben; die Glaubwürdigkeit dieser Nachricht ist zweifelhaft. Die Hinrichtung des Hermias durch die Perser 341/340 berührte Aristoteles tief, wie ein dem Andenken des Freundes gewidmetes Gedicht zeigt. Als nach dem Tode des Speusippos 339/338 v. Chr. in der Akademie das Amt des Scholarchen (Schulleiters) frei wurde, konnte Aristoteles nur wegen seiner Abwesenheit an der Wahl des Nachfolgers nicht teilnehmen; er galt aber weiterhin als Akademiemitglied. Später ging er mit seinem Großneffen, dem Geschichtsschreiber Kallisthenes von Olynth, nach Delphi, um im Auftrag der dortigen Amphiktyonen eine Siegerliste der Pythischen Spiele anzufertigen.
Mit der Zerstörung der rebellischen Stadt Theben 335 v. Chr. brach der offene Widerstand gegen die Makedonen in Griechenland zusammen, und auch in Athen arrangierte man sich mit den Machtverhältnissen. Daher konnte Aristoteles 335/334 v. Chr. nach Athen zurückkehren und begann dort wieder zu forschen und zu lehren, war aber nun nicht mehr an der Akademie tätig, sondern in einem anderen öffentlichen Gymnasium, dem Lykeion. Hier schuf er eine eigene Schule, deren Leitung nach seinem Tod Theophrastos übernahm. Neue Grabungen haben möglicherweise die Identifizierung des Gebäudekomplexes ermöglicht. Im juristischen Sinne hat aber erst Theophrastos die Schule gegründet und das Grundstück erworben – die später üblichen Bezeichnungen Peripatos und Peripatetiker speziell für diese Schule sind für die Zeit des Theophrastos noch nicht bezeugt. Die Fülle des Materials, das Aristoteles sammelte (etwa zu den 158 Verfassungen der griechischen Stadtstaaten), lässt darauf schließen, dass er über zahlreiche Mitarbeiter verfügte, die auch außerhalb von Athen recherchierten. Er war wohlhabend und besaß eine große Bibliothek. Sein Verhältnis zum makedonischen Statthalter Antipatros war freundschaftlich.
Nach dem Tod Alexanders des Großen 323 v. Chr. setzten sich in Athen und anderen griechischen Städten zunächst antimakedonische Kräfte durch. Delphi widerrief ein Aristoteles verliehenes Ehrendekret. In Athen kam es zu Anfeindungen, die ihm ein ruhiges Weiterarbeiten unmöglich machten. Daher verließ er 323/322 v. Chr. Athen. Angeblich äußerte er bei diesem Anlass, dass er nicht wollte, dass die Athener sich ein zweites Mal gegen die Philosophie vergingen (nachdem sie bereits Sokrates zum Tode verurteilt hatten). Er zog sich nach Chalkis auf Euboia in das Haus seiner Mutter zurück. Dort starb er im Oktober 322 v. Chr. Aristoteles war mit Pythias, einer Verwandten seines Freundes Hermias, verheiratet. Von ihr hatte er eine Tochter, die ebenfalls Pythias hieß. Nach dem Tod seiner Gattin wurde Herpyllis, die niedriger Herkunft war, seine Lebensgefährtin; sie war möglicherweise die Mutter seines Sohnes Nikomachos. In seinem Testament, dessen Vollstreckung er Antipatros anvertraute, regelte Aristoteles unter anderem die künftige Verheiratung seiner noch minderjährigen Tochter und traf Vorkehrungen zur materiellen Absicherung von Herpyllis.
Hinweis: Belege aus Werken des Aristoteles sind folgendermaßen angegeben: Titelangabe (Abkürzungen werden an der ersten Stelle im Kapitel per Link aufgelöst) und gegebenenfalls Buch- und Kapitelangabe sowie Bekker-Zahl. Die Bekker-Zahl gibt eine genaue Stelle im Corpus an. Sie ist in guten modernen Ausgaben vermerkt. Aufgrund von Brüchen und Inkonsequenzen im Werk des Aristoteles ist die Forschung von der früher verbreiteten Vorstellung abgekommen, das überlieferte Werk bilde ein abgeschlossenes, durchkomponiertes System. Diese Brüche gehen vermutlich auf Entwicklungen, Perspektivwechsel und unterschiedliche Akzentuierungen in verschiedenen Kontexten zurück. Da eine sichere chronologische Reihenfolge seiner Schriften nicht bestimmt werden kann, bleiben Aussagen über Aristoteles’ tatsächliche Entwicklung Vermutungen. Zwar bildet sein Werk de facto kein fertiges System, doch besitzt seine Philosophie Eigenschaften eines potentiellen Systems.
Verschiedene antike Verzeichnisse schreiben Aristoteles fast 200 Titel zu. Sofern die Angabe des Diogenes Laertios stimmt, hat Aristoteles ein Lebenswerk von über 445.270 Zeilen hinterlassen (wobei in dieser Zahl zwei der umfangreichsten Schriften – die Metaphysik und die Nikomachische Ethik – vermutlich noch nicht berücksichtigt sind). Nur etwa ein Viertel davon ist überliefert. In der Forschung werden zwei Gruppen unterschieden: exoterische Schriften (die für ein breiteres Publikum veröffentlicht worden sind) und esoterische (die zum internen Gebrauch der Schule dienten). Alle exoterischen Schriften sind nicht oder nur in Fragmenten vorhanden, die meisten esoterischen sind hingegen überliefert. Die Schrift Die Verfassung der Athener galt als verloren und wurde erst Ende des 19. Jahrhunderts in Papyrusform gefunden.
Die exoterischen Schriften bestanden vor allem aus Dialogen in der Tradition Platons, z. B. der Protreptikos – eine Werbeschrift für die Philosophie –, Untersuchungen wie Über die Ideen, aber auch propädeutische Sammlungen. Cicero lobt ihren „goldenen Fluss der Rede“. Die auch Pragmatien genannten esoterischen Schriften sind vielfach als Vorlesungsmanuskripte bezeichnet worden; gesichert ist dies nicht und für einige Schriften oder Abschnitte auch unwahrscheinlich. Weitgehend herrscht die Auffassung, dass sie aus der Lehrtätigkeit erwachsen sind. Weite Teile der Pragmatien weisen einen eigentümlichen Stil voller Auslassungen, Andeutungen, Gedankensprünge und Dubletten auf. Daneben finden sich jedoch auch stilistisch ausgefeilte Passagen, die (neben den Dubletten) deutlich machen, dass Aristoteles wiederholt an seinen Texten gearbeitet hat, und die Möglichkeit nahelegen, dass er an die Veröffentlichung mindestens einiger der Pragmatien gedacht hat. Aristoteles setzt bei seinen Adressaten große Vorkenntnisse fremder Texte und Theorien voraus. Verweise auf die exoterischen Schriften zeigen, dass deren Kenntnis ebenfalls vorausgesetzt wird.
Nach dem Tod des Aristoteles blieben seine Manuskripte zunächst im Besitz seiner Schüler. Als sein Schüler und Nachfolger Theophrast starb, soll dessen Schüler Neleus die Bibliothek des Aristoteles erhalten und mit dieser – aus Ärger darüber, nicht zum Nachfolger gewählt worden zu sein – mit einigen Anhängern Athen Richtung Skepsis in der Nähe Trojas in Kleinasien verlassen haben. Die antiken Berichte erwähnen eine abenteuerliche und zweifelhafte Geschichte, nach der die Erben des Neleus die Manuskripte zur Sicherung vor fremdem Zugriff im Keller vergruben, wo sie dann aber verschollen blieben. Weitgehend gesichert ist, dass im ersten Jahrhundert v. Chr. Apellikon von Teos die beschädigten Manuskripte erworben und nach Athen gebracht hat und dass sie nach der Eroberung von Athen durch Sulla im Jahr 86 v. Chr. nach Rom gelangten. Dessen Sohn beauftragte Mitte des Jahrhunderts Tyrannion, die Manuskripte zu sichten und durch weiteres Material zu ergänzen.
Auch wenn mit der Bibliothek des Aristoteles seine Manuskripte jahrhundertelang verschollen waren, ist es unbestritten, dass seine Lehre im Hellenismus mindestens teilweise bekannt war, vor allem durch die exoterischen Schriften und indirekt wohl auch durch Theophrasts Wirken. Daneben müssen einige Pragmatien bekannt gewesen sein, von denen es möglicherweise Abschriften in der Bibliothek des Peripatos gab.
Auf der Grundlage der Arbeit Tyrannions besorgte dessen Schüler Andronikos von Rhodos in der zweiten Hälfte des ersten Jahrhunderts v. Chr. die erste Ausgabe der aristotelischen Pragmatien, die wohl nur zum Teil auf den Manuskripten des Aristoteles beruhte. Die Schriften dieser Edition bilden das Corpus Aristotelicum. Vermutlich gehen einige Zusammenstellungen von zuvor ungeordneten Büchern sowie einige Titel auf diese Ausgabe zurück. Möglicherweise hat Andronikos auch darüber hinaus Eingriffe in den Text – wie etwa Querverweise – vorgenommen. Im Fall der zahlreichen Dubletten hat er möglicherweise verschiedene Texte zum selben Thema hintereinander angeordnet. Die heutige Anordnung der Schriften entspricht weitgehend dieser Ausgabe. Die zu seiner Zeit noch vorliegenden exoterischen Schriften berücksichtigte Andronikos nicht. Sie gingen in der Folgezeit verloren.
Heutige Ausgaben beruhen auf Abschriften, die auf die Andronikos-Ausgabe zurückgehen. Mit über 1000 Handschriften ist Aristoteles unter den nichtchristlichen griechischsprachigen Autoren derjenige mit der weitesten Verbreitung. Die ältesten Handschriften stammen aus dem 9. Jahrhundert. Das Corpus Aristotelicum ist wegen seines Umfangs nie vollständig in einem einzigen Kodex enthalten. Nach der Erfindung des Buchdrucks erschien 1495–1498 die erste Druckausgabe aus der Hand von Aldus Manutius. Die von Immanuel Bekker 1831 besorgte Gesamtausgabe der Berliner Akademie ist die Grundlage der modernen Aristotelesforschung. Sie beruht auf Kollationen der besten damals zugänglichen Handschriften. Nach ihrer Seiten-, Spalten- und Zeilenzählung (Bekker-Zählung) wird Aristoteles heute noch überall zitiert. Für einige wenige Werke bietet sie noch immer den maßgeblichen Text; die meisten liegen jedoch heute in neuen Einzelausgaben vor.
Aristoteles’ Werk deckt weite Teile des zu seiner Zeit vorhandenen Wissens ab. Er teilt es in drei Bereiche: * theoretische Wissenschaft * praktische Wissenschaft * poietische Wissenschaft Das theoretische Wissen wird um seiner selbst willen gesucht. Praktisches und poietisches Wissen hat einen weiteren Zweck, die (gute) Handlung oder ein (schönes oder nützliches) Werk. Nach der Art der Gegenstände untergliedert er das theoretische Wissen weiter: (i) Die Erste Philosophie („Metaphysik“) behandelt (mit der Substanztheorie, der Prinzipientheorie und der Theologie) Selbstständiges und Unveränderliches, (ii) die Naturwissenschaft Selbstständiges und Veränderliches und (iii) die Mathematik behandelt Unselbständiges und Unveränderliches (Met. VI 1). Eine Sonderstellung scheinen die in dieser Einteilung nicht vorkommenden Schriften zu haben, die erst nach dem Tod des Aristoteles im sogenannten Organon zusammengestellt worden sind. Die wichtigsten Schriften lassen sich grob folgendermaßen gliedern: Mit dieser Einteilung der Wissenschaften geht für Aristoteles die Einsicht einher, dass jede Wissenschaft aufgrund ihrer eigentümlichen Objekte auch eigene Prinzipien besitzt. So kann es in der praktischen Wissenschaft – dem Bereich der Handlungen – nicht dieselbe Genauigkeit geben wie im Bereich der theoretischen Wissenschaften. Es ist zwar eine Wissenschaft der Ethik möglich, aber ihre Sätze gelten nur in der Regel. Auch kann diese Wissenschaft nicht für alle möglichen Situationen die richtige Handlungsweise vorgeben. Vielmehr vermag die Ethik nur ein nicht-exaktes Wissen im Grundriss zu liefern, das zudem allein noch nicht zu einer erfolgreichen Lebensführung befähigt, sondern hierfür an Erfahrungen und bestehende Haltungen anschließen muss (EN I 1 1094b12–23). Aristoteles war davon überzeugt, dass die „Menschen für das Wahre von Natur aus hinlänglich begabt sind“ (Rhet. I 1, 1355a15–17). Daher geht er typischerweise zunächst (allgemein oder bei Vorgängern) anerkannte Meinungen (endoxa) durch und diskutiert deren wichtigsten Probleme (aporiai), um einen möglichen wahren Kern dieser Meinungen zu analysieren (EN VII 2). Auffällig ist seine Vorliebe, in einer Allaussage zu Beginn einer Schrift die Grundlage für die Argumentation zu legen und den spezifischen Gegenstand abzustecken.
Der Themenbereich Sprache, Logik und Wissen ist vor allem in den Schriften behandelt, die traditionell unter dem Titel Organon (griech. Werkzeug, Methode) zusammengestellt sind. Diese Zusammenstellung und ihr Titel stammen nicht von Aristoteles, und die Reihenfolge ist nicht chronologisch. Die Schrift Rhetorik gehört dem Organon nicht an, steht ihm aber inhaltlich wegen ihrer Art der Behandlung des Gegenstands sehr nahe. Eine Berechtigung für die Zusammenstellung besteht in dem gemeinsamen methodologisch-propädeutischen Charakter.
Im folgenden Abschnitt – der als der einflussreichste Text in der Geschichte der Semantik gilt – unterscheidet Aristoteles vier Elemente, die in zwei verschiedenen Beziehungen zueinander stehen, einer Abbildungsbeziehung und einer Symbolbeziehung: Gesprochene und geschriebene Worte sind demnach bei den Menschen verschieden; geschriebene Worte symbolisieren gesprochene Worte. Seelische Widerfahrnisse und die Dinge sind bei allen Menschen gleich; seelische Widerfahrnisse bilden die Dinge ab. Demnach ist die Beziehung von Rede und Schrift zu den Dingen durch Übereinkunft festgelegt, die Beziehung der mentalen Eindrücke zu den Dingen hingegen naturgegeben. Wahrheit und Falschheit kommt erst der Verbindung und Trennung von mehreren Vorstellungen zu. Auch die einzelnen Wörter stellen noch keine Verbindung her und können daher je allein nicht wahr oder falsch sein. Wahr oder falsch kann daher erst der ganze Aussagesatz (logos apophantikos) sein.
Einige sprachlich-logische Feststellungen sind für Aristoteles’ Philosophie fundamental und spielen auch außerhalb der (im weiteren Sinne) logischen Schriften eine bedeutende Rolle. Hierbei geht es insbesondere um das Verhältnis von Prädikaten und (wesentlichen) Eigenschaften.
Unter einer Definition versteht Aristoteles primär keine Nominaldefinition (die er auch kennt; siehe An. Post. II, 8–10), sondern eine Realdefinition. Eine Nominaldefinition gibt nur Meinungen an, welche sich mit einem Namen verbinden. Was diesen Meinungen in der Welt zugrunde liegt, gibt die Realdefinition an: eine Definition von X gibt notwendige Eigenschaften von X an und was es heißt, ein X zu sein: das Wesen. Möglicher Gegenstand einer Definition ist damit (nur) das, was ein (universales) Wesen aufweist, insbesondere Arten wie Mensch. Eine Art wird definiert durch die Angabe einer (logischen) Gattung und der artbildenden Differenz. So lässt sich Mensch definieren als vernunftbegabtes (Differenz) Lebewesen (Gattung). Individuen lassen sich mithin nicht durch Definition erfassen, sondern nur ihrer jeweiligen Art zuweisen.
Aristoteles lehrt, dass es zehn nicht aufeinander zurückführbare Aussageweisen gibt, die auf die Fragen Was ist X?, Wie beschaffen ist X?, Wo ist X? etc. antworten (→ die vollständige Liste). Die Kategorien haben sowohl eine sprachlich-logische als auch eine ontologische Funktion, denn von einem zugrunde liegenden Subjekt (hypokeimenon) (z. B. Sokrates) werden einerseits Prädikate ausgesagt, und ihm kommen andererseits Eigenschaften zu (z. B.: weiß, Mensch). Entsprechend stellen die Kategorien die allgemeinsten Klassen sowohl von Prädikaten als auch des Seienden dar. Dabei hebt Aristoteles die Kategorie der Substanz, die notwendig zukommende, wesentliche Prädikate enthält, von den anderen ab, die akzidentelle Prädikate enthalten. Wenn man von Sokrates Mensch prädiziert (aussagt), so handelt es sich um eine wesentliche Aussage, die vom Subjekt (Sokrates) angibt, was er ist, also die Substanz benennt. Dies unterscheidet sich offensichtlich von einer Aussage wie Sokrates ist auf dem Marktplatz, mit der man etwas Akzidentelles angibt, nämlich wo Sokrates ist (also den Ort benennt).
Aristoteles unterscheidet zwei Typen von Argumenten oder Erkenntnismitteln: Deduktion (syllogismos) und Induktion (epagôgê). Die Übereinstimmung mit den modernen Begriffen Deduktion und Induktion ist dabei weitgehend, aber nicht vollständig. Deduktionen und Induktionen spielen in den verschiedenen Bereichen der aristotelischen Argumentationstheorie und Logik zentrale Rollen. Beide stammen ursprünglich aus der Dialektik.
Nach Aristoteles besteht eine Deduktion aus Prämissen (Annahmen) und einer von diesen verschiedenen Konklusion. Die Konklusion folgt mit Notwendigkeit aus den Prämissen. Sie kann nicht falsch sein, wenn die Prämissen wahr sind. Die Definition der Deduktion (syllogismos) ist also weiter als die der (unten behandelten) – traditionell Syllogismus genannten – Deduktion, die aus zwei Prämissen und drei Termen besteht. Aristoteles unterscheidet dialektische, eristische, rhetorische und demonstrative Deduktionen. Diese Formen unterscheiden sich vor allem nach der Art ihrer Prämissen.
Der Deduktion stellt Aristoteles explizit die Induktion gegenüber; deren Bestimmung und Funktion ist allerdings nicht so klar wie die der Deduktion. Er nennt sie Aristoteles ist klar, dass ein derartiges Übergehen von singulären zu allgemeinen Sätzen ohne weitere Bedingungen nicht logisch gültig ist (An. Post. II 5, 91b34 f.). Entsprechende Bedingungen werden beispielsweise in dem ursprünglichen, argumentationslogischen Kontext der Dialektik erfüllt, da der Kontrahent einen durch Induktion eingeführten Allgemeinsatz akzeptieren muss, wenn er kein Gegenbeispiel nennen kann. Vor allem aber hat die Induktion die Funktion, in anderen, nicht folgernden Kontexten durch das Anführen von Einzelfällen das Allgemeine deutlich zu machen – sei es als didaktisches, sei es als heuristisches Verfahren. Eine derartige Induktion stellt plausible Gründe dafür bereit, einen allgemeinen Satz für wahr zu halten. Aristoteles rechtfertigt aber nirgends ohne weitere Bedingungen induktiv die Wahrheit eines solchen Satzes.
Die in der Topik behandelte Dialektik ist eine Form der Argumentation, die (ihrer genuinen Grundform nach) in einer dialogischen Disputation stattfindet. Sie geht vermutlich auf Praktiken in Platons Akademie zurück. Die Zielsetzung der Dialektik lautet: Die Dialektik hat demnach keinen bestimmten Gegenstandsbereich, sondern kann universal angewendet werden. Aristoteles bestimmt die Dialektik durch die Art der Prämissen dieser Deduktion. Ihre Prämissen sind anerkannte Meinungen (endoxa), das heißt Für dialektische Prämissen ist es unerheblich, ob sie wahr sind oder nicht. Weshalb aber anerkannte Meinungen? In ihrer Grundform findet Dialektik in einem argumentativen Wettstreit zwischen zwei Gegnern statt mit genau zugewiesenen Rollen. Auf ein vorgelegtes Problem der Form ‚Ist S P oder nicht?‘ muss der Antwortende sich auf eine der beiden Möglichkeiten als These festlegen. Das dialektische Gespräch besteht nun darin, dass ein Fragender dem Antwortenden Aussagen vorlegt, die dieser entweder bejahen oder verneinen muss. Die beantworteten Fragen gelten als Prämissen. Das Ziel des Fragenden besteht nun darin, mithilfe der bejahten oder verneinten Aussagen eine Deduktion zu bilden, so dass die Konklusion die Ausgangsthese widerlegt oder aus den Prämissen etwas Absurdes oder ein Widerspruch folgt. Die Methode der Dialektik weist zwei Bestandteile auf: # herausfinden, welche Prämissen ein Argument für die gesuchte Konklusion ergeben. # herausfinden, welche Prämissen der Antwortende akzeptiert. Für 2. bieten die verschiedenen Typen (a)–(ciii) anerkannter Meinungen dem Fragenden Anhaltspunkte dafür, welche Fragen der jeweilige Antwortende bejahen wird, das heißt, welche Prämissen er verwenden kann. Aristoteles fordert dazu auf, Listen solcher anerkannter Meinungen anzulegen (Top. I 14). Vermutlich meint er nach den Gruppen (a)–(ciii) getrennte Listen; diese werden wiederum nach Gesichtspunkten geordnet. Für 1. hilft dem Dialektiker in seinem Argumentationsaufbau das Instrument der Topen. Ein Topos ist eine Konstruktionsanleitung für dialektische Argumente, das heißt zur Auffindung geeigneter Prämissen für eine gegebene Konklusion. Aristoteles listet in der Topik etwa 300 dieser Topen auf. Der Dialektiker kennt diese Topen auswendig, die sich aufgrund ihrer Eigenschaften ordnen lassen. Die Basis dieser Ordnung stellt das System der Prädikabilien dar. Nach Aristoteles ist die Dialektik für dreierlei nützlich: (1) als Übung, (2) für die Begegnung mit der Menge und (3) für die Philosophie. Neben (1) der Grundform des argumentativen Wettstreits (bei der es eine Jury und Regeln gibt und die wahrscheinlich auf Praktiken in der Akademie zurückgeht) gibt es mit (2) auch Anwendungsweisen, die zwar dialogisch, aber nicht als regelbasierter Wettstreit angelegt sind, sowie mit (3) solche, die nicht dialogisch sind, sondern in denen der Dialektiker im Gedankenexperiment (a) Schwierigkeiten nach beiden Seiten hin durchgeht (diaporêsai) oder auch (b) Prinzipien untersucht (Top. I 4). Für ihn ist die Dialektik aber nicht wie bei Platon die Methode der Philosophie oder eine Fundamentalwissenschaft.
Aristoteles definiert Rhetorik als „Fähigkeit, bei jeder Sache das möglicherweise Überzeugende (pithanon) zu betrachten“ (Rhetorik I 2, 1355b26 f.). Er nennt sie ein Gegenstück (antistrophos) zur Dialektik. Denn ebenso wie die Dialektik ist die Rhetorik ohne abgegrenzten Gegenstandsbereich, und sie verwendet dieselben Elemente (wie Topen, anerkannte Meinungen und insbesondere Deduktionen), und dem dialektischen Schließen entspricht das auf rhetorischen Deduktionen basierende Überzeugen. Der Rhetorik kam im demokratischen Athen des vierten Jahrhunderts eine herausragende Bedeutung zu, insbesondere in der Volksversammlung und den Gerichten, die mit durch Los bestimmten Laienrichtern besetzt waren. Es gab zahlreiche Rhetoriklehrer, und Rhetorikhandbücher kamen auf. Aristoteles’ dialektische Rhetorik ist eine Reaktion auf die Rhetoriktheorie seiner Zeit, die – wie er kritisiert – bloße Versatzstücke für Redesituationen bereitstellt und Anweisungen, wie man durch Verleumdung und die Erregung von Emotionen das Urteil der Richter trüben kann. Im Gegensatz dazu beruht seine dialektische Rhetorik auf der Auffassung, dass wir dann am meisten überzeugt sind, wenn wir meinen, dass etwas bewiesen worden ist (Rhet. I 1, 1355a5 f.). Dass die Rhetorik sachorientiert sei und das jeweils in der Sache liegende Überzeugungspotential entdecken und ausschöpfen müsse, drückt er ebenfalls in der Gewichtung der drei Überzeugungsmittel aus. Diese sind: * der Charakter des Redners (Ethos) * der emotionale Zustand des Hörers (Pathos) * das Argument (Logos) Das Argument hält er für das wichtigste Mittel. Unter den Argumenten unterscheidet Aristoteles das Beispiel – eine Form der Induktion – und das Enthymem – eine rhetorische Deduktion (wobei wiederum das Enthymem wichtiger als das Beispiel ist). Das Entyhmem ist eine Art der dialektischen Deduktion. Sein besonderes Merkmal aufgrund der rhetorischen Situation ist, dass seine Prämissen nur die anerkannten Meinungen sind, die von allen oder den meisten für wahr gehalten werden. (Die verbreitete, kuriose Ansicht, das Enthymem sei ein Syllogismus, in dem eine der zwei Prämissen fehle, vertritt Aristoteles nicht; sie basiert auf einem schon in der antiken Kommentierung belegten Missverständnis von 1357a7 ff.) Der Redner überzeugt demnach die Zuhörer, indem er eine Behauptung (als Konklusion) aus den Überzeugungen (als Prämissen) der Zuhörer herleitet. Die Konstruktionsanleitungen dieser Enthymeme liefern rhetorische Topen, z. B.: An den zeitgenössischen Rhetoriklehrern kritisiert Aristoteles, dass sie die Argumentation vernachlässigten und ausschließlich auf Emotionserregung abzielten, etwa durch Verhaltensweisen wie Jammern oder Mitbringen der Familie zur Gerichtsverhandlung, wodurch ein sachbezogenes Urteil der Richter verhindert werde. Aristoteles’ Theorie zufolge können alle Emotionen definiert werden, indem drei Faktoren berücksichtigt werden. Man fragt: (1) Worüber, (2) wem gegenüber und (3) in welchem Zustand empfindet jemand die jeweilige Emotion? So lautet die Definition von Zorn: Wenn der Redner mit diesem Definitionswissen den Zuhörern deutlich machen kann, dass der entsprechende Sachverhalt vorliegt und sie sich im entsprechenden Zustand befinden, empfinden sie die entsprechende Emotion. Sofern der Redner mit dieser Methode bestehende Sachverhalte eines Falles hervorhebt, lenkt er damit nicht – wie bei den kritisierten Vorgängern – von der Sache ab, sondern fördert nur dem Fall angemessene Emotionen und verhindert somit unangemessene. Schließlich soll der Charakter des Redners aufgrund seiner Rede für die Zuhörer glaubwürdig, das heißt tugendhaft, klug und wohlwollend erscheinen (Rhet. I 2, 1356a5–11; II 1, 1378a6–16). Die sprachliche Form dient ebenfalls einer argumentativ-sachorientierten Rhetorik. Aristoteles definiert nämlich die optimale Form (aretê) dadurch, dass sie primär klar, dabei aber weder banal noch zu erhaben ist (Rhet. III 2, 1404b1–4). Durch solche Ausgewogenheit fördert sie das Interesse, die Aufmerksamkeit und das Verständnis und wirkt angenehm. Unter den Stilmitteln erfüllt insbesondere die Metapher diese Bedingungen.
Besteht Aristoteles’ dialektische Logik in einer Methode des konsistenten Argumentierens, so besteht seine syllogistische in einer Theorie des Beweisens selbst. In der von ihm begründeten Syllogistik zeigt Aristoteles, welche Schlüsse gültig sind. Hierfür verwendet er eine Form, die in der Tradition wegen der Bedeutung dieser Logik schlicht Syllogismus (die lateinische Übersetzung von syllogismos) genannt wird. Jeder Syllogismus ist eine (besondere Form der) Deduktion (syllogismos), aber nicht jede Deduktion ist ein Syllogismus (und zwar weil Aristoteles’ sehr allgemeine Definition der Deduktion viele mögliche Argumenttypen beschreibt). Aristoteles verwendet selbst auch keinen eigenen Begriff, um den Syllogismus von anderen Deduktionen abzugrenzen. Ein Syllogismus ist eine spezielle Deduktion, die aus genau zwei Prämissen und einer Konklusion besteht. Prämissen und Konklusion weisen zusammen genau drei verschiedene Begriffe, Terme (in der Tabelle dargestellt durch A, B, C) auf. Die Prämissen haben genau einen Term gemeinsam (in der Tabelle B), der in der Konklusion nicht vorkommt. Durch die Stellung des gemeinsamen Terms, des Mittelterms (hier immer B) unterscheidet Aristoteles folgende syllogistische Figuren: Ein Prädikat (P) (z. B. 'sterblich') kann einem Subjekt (S) (z. B. 'Grieche') entweder zu- oder abgesprochen werden. Dies kann in partikulärer oder in allgemeiner Form geschehen. Somit gibt es vier Formen, in denen S und P miteinander verbunden werden können, wie die folgende Tabelle zeigt (nach De interpretatione 7; die Vokale werden seit dem Mittelalter für den jeweiligen Aussagetypus und auch in der Syllogistik verwendet). Der Syllogismus verwendet genau diese vier Aussagetypen in folgender Form: Aristoteles untersucht folgende Frage: Welche der 192 möglichen Kombinationen sind logisch gültige Deduktionen? Bei welchen Syllogismen ist es nicht möglich, dass, wenn die Prämissen wahr sind, die Konklusion falsch ist? Er unterscheidet vollkommene Syllogismen, die unmittelbar einsichtig sind, von unvollkommenen. Die unvollkommenen Syllogismen führt er mittels Konversionsregeln auf die vollkommenen zurück (dieses Verfahren nennt er analysis) oder beweist sie indirekt. Ein vollkommener Syllogismus ist der – seit dem Mittelalter so genannte – Barbara: Weitere gültige Syllogismen und deren Beweise finden sich im Artikel Syllogismus. Die in den Analytica Priora ausgearbeitete Syllogistik wendet Aristoteles in seiner Wissenschaftstheorie, den Analytica Posteriora an. Aristoteles entwickelt zudem eine modale Syllogistik, die die Begriffe möglich und notwendig einschließt. Diese Modalsyllogistik ist sehr viel schwieriger zu interpretieren als die einfache Syllogistik. Ob eine konsistente Interpretation dieser modalen Syllogistik überhaupt möglich ist, ist noch heute umstritten. Interpretatorisch problematisch, aber auch bedeutend ist Aristoteles’ Definition von möglich. Er unterscheidet hierbei die sogenannte einseitige und die zweiseitige Möglichkeit: # Einseitig: p ist möglich, insofern nicht-p nicht notwendig ist. # Zweiseitig: p ist möglich, wenn p nicht notwendig und nicht-p nicht notwendig ist, das heißt p ist kontingent. Damit lässt sich der Indeterminismus, den Aristoteles vertritt, als der Zustand charakterisieren, der kontingent ist.
In der aristotelischen Logik wird zwischen folgenden konträren und kontradiktorischen Satzarten unterschieden – F und G stehen dabei für Subjekt und Prädikat: Diese „kanonischen Sätze“ gehören zum Fundament der traditionellen Logik und werden unter anderem bei einfacher bzw. eingeschränkter Konversion angewandt.
Aristoteles unterscheidet verschiedene Stufen des Wissens, die sich folgendermaßen darstellen lassen (Met. I 1; An. post. II 19): Mit dieser Stufung beschreibt Aristoteles auch, wie Wissen entsteht: Aus Wahrnehmung entsteht Erinnerung und aus Erinnerung durch Bündelung von Erinnerungsinhalten Erfahrung. Erfahrung besteht in einer Kenntnis einer Mehrzahl konkreter Einzelfälle und gibt nur das Dass an, ist bloße Faktenkenntnis. Wissen hingegen (oder Wissenschaft; epistêmê umfasst beides) unterscheidet sich von Erfahrung dadurch, dass es # nicht nur das Dass eines Sachverhalts, sondern auch das Warum, den Grund oder die erklärende Ursache angibt. In diesem Erkenntnisprozess schreiten wir nach Aristoteles von dem, was für uns bekannter und näher an der sinnlichen Wahrnehmung ist, zu dem vor, was an sich oder von Natur aus bekannter ist, zu den Prinzipien und Ursachen der Dinge. Dass Wissen an oberster Stelle steht und überlegen ist, bedeutet aber nicht, dass es im konkreten Fall die anderen Stufen in dem Sinne enthält, dass es sie ersetzte. Im Handeln ist zudem die Erfahrung als Wissen vom Einzelnen den Wissensformen, die aufs Allgemeine gehen, mitunter überlegen (Met. 981a12–25).
Unter einer Ursache (aitia) versteht Aristoteles in der Regel nicht ein von einem verursachten Ereignis B verschiedenes Ereignis A. Die Untersuchung von Ursachen dient nicht dazu, Wirkungen vorherzusagen, sondern Sachverhalte zu erklären. Eine aristotelische Ursache gibt einen Grund als Antwort auf bestimmte Warum-Fragen an. (Aristoteles unterscheidet vier Ursachentypen, die genauer hier im Abschnitt Naturphilosophie behandelt werden.) Nach Aristoteles hat Ursachenwissen die Form einer bestimmten Deduktion: der Demonstration (apodeixis) eines Syllogismus mit wahren Prämissen, die Ursachen für den in der Konklusion ausgedrückten Sachverhalt angeben. Ein Beispiel: Aristoteles spricht davon, dass die Prämissen einiger Demonstrationen Prinzipien (archē; wörtl. Anfang, Ursprung) sind, erste wahre Sätze, die selbst nicht demonstrativ bewiesen werden können.
Neben den Prinzipien können auch die Existenz und die Eigenschaften der behandelten Gegenstände einer Wissenschaft sowie bestimmte, allen Wissenschaften gemeinsame Axiome nach Aristoteles nicht durch Demonstrationen bewiesen werden, wie beispielsweise der Satz vom Widerspruch. Vom Satz des Widerspruchs zeigt Aristoteles, dass er nicht geleugnet werden kann. Er lautet: X kann Y nicht zugleich in derselben Hinsicht zukommen und nicht zukommen (Met. IV 3, 1005b19 f.). Aristoteles argumentiert, dass, wer dies leugnet, etwas und somit etwas Bestimmtes sagen muss. Wenn er z. B. ‚Mensch‘ sagt, bezeichnet er damit Menschen und nicht Nicht-Menschen. Mit dieser Festlegung auf etwas Bestimmtes setze er aber den Satz vom Widerspruch voraus. Dies gelte sogar für Handlungen, insofern eine Person etwa um einen Brunnen herumgeht und nicht in ihn hinein fällt. Dass diese Sätze und auch Prinzipien nicht demonstriert werden können, liegt an Aristoteles’ Lösung eines Begründungsproblems: Wenn Wissen Rechtfertigung enthält, dann führt dies in einem konkreten Fall von Wissen entweder (a) zu einem Regress, (b) einem Zirkel oder (c) zu fundamentalen Sätzen, die nicht begründet werden können. Prinzipien in einer aristotelischen demonstrativen Wissenschaft sind solche Sätze, die nicht demonstriert, sondern auf andere Weise gewusst werden (An. Post. I 3).
Aristoteles spricht zudem davon, dass, sofern die Prämissen Prinzipien sind, sie auch Definitionen darstellen können. Wie sich Demonstration, Ursache und Definition zueinander verhalten, illustriert folgendes Beispiel: Der Mond weist zum Zeitpunkt t eine Finsternis auf, weil (i) immer, wenn etwas im Sonnenschatten der Erde ist, es eine Finsternis aufweist und (ii) der Mond zum Zeitpunkt t im Sonnenschatten der Erde liegt. Mittelterm: Verdecken der Sonne durch die Erde. Ursache: Verdecken der Sonne durch die Erde kommt dem Mond zum Zeitpunkt t zu. Die Definition wäre hier etwa: Mondfinsternis ist der Fall, in dem die Erde die Sonne verdeckt. Sie erklärt nicht das Wort ‚Mondfinsternis‘. Vielmehr gibt sie an, was eine Mondfinsternis ist. Indem man die Ursache angibt, schreitet man von einem Faktum zu seinem Grund fort. Das Verfahren der Analyse besteht darin, bottom-up zu einem bekannten Sachverhalt die nächste Ursache zu suchen, bis eine letzte Ursache erreicht ist.
Das aristotelische Wissenschaftsmodell wurde in der Neuzeit und bis ins 20. Jahrhundert als ein Top-down-Beweisverfahren verstanden. Die unbeweisbaren Prinzipien seien notwendig wahr und würden durch Induktion und Intuition (nous) erlangt. Alle Sätze einer Wissenschaft würden – in einer axiomatischen Struktur – aus ihren Prinzipien folgen. Wissenschaft beruht demnach auf zwei Schritten: Zunächst würden die Prinzipien intuitiv erfasst, dann würde top-down aus ihnen Wissen demonstriert. Gegner dieser Top-down-Interpretation stellen vor allem infrage, dass für Aristoteles # die Prinzipien immer wahr sind; # die Prinzipien durch Intuition gewonnen werden; # die Funktion der Demonstration darin besteht, dass aus obersten Prinzipien Wissen erschlossen wird. Eine Interpretationsrichtung behauptet, die Demonstration habe didaktische Funktion. Da Aristoteles in den naturwissenschaftlichen Schriften seine Wissenschaftstheorie nicht befolge, lege diese nicht dar, wie Forschung durchgeführt, sondern wie sie didaktisch präsentiert werden soll. Eine andere Auslegung weist auch die didaktische Interpretation zurück, da sich sehr wohl Anwendungen des wissenschaftstheoretischen Modells in den naturwissenschaftlichen Schriften finden ließen. Vor allem aber kritisiert sie die erste Lesart dahingehend, dass sie nicht zwischen Wissensideal und Wissenskultur unterscheide; denn Aristoteles halte Prinzipien für fallibel und die Funktion der Demonstration für heuristisch. Sie liest die Demonstration bottom-up: Zu bekannten Sachverhalten würden mithilfe der Demonstration deren Ursachen gesucht. Die wissenschaftliche Forschung gehe von den für uns bekannteren empirischen (meist universalen) Sätzen aus. Zu einer solchen Konklusion werden Prämissen gesucht, die für den entsprechenden Sachverhalt Ursachen angeben. Der wissenschaftliche Forschungsprozess besteht nun darin, beispielsweise die Verknüpfung von Schwere und Statue oder Mond und Finsternis in der Weise genauer zu analysieren, dass man Mittelterme sucht, die sie als Ursachen miteinander verknüpfen. Im einfachsten Fall gibt es dabei nur einen Mittelterm, in anderen mehrere. Top-down wird dann das Wissen von den erklärenden Prämissen zu den erklärten universalen empirischen Sätzen präsentiert. Dabei geben die Prämissen den Grund für den in der Konklusion beschriebenen Sachverhalt an. Das Ziel jeder Disziplin besteht in einer derartigen demonstrativen Darstellung des Wissens, in der die nicht demonstrierbaren Prinzipien dieser Wissenschaft Prämissen sind.
Wie die Prinzipien nach Aristoteles erfasst werden, bleibt undeutlich und ist umstritten. Vermutlich werden sie durch Allgemeinbegriffe gebildet, die durch einen induktiven Vorgang entstehen, einen Aufstieg innerhalb der oben beschriebenen Wissensstufen: Wahrnehmung wird Erinnerung, wiederholte Wahrnehmung verdichtet sich zu Erfahrung, und aus Erfahrung bilden wir Allgemeinbegriffe. Mit dieser auf der Wahrnehmung basierenden Konzeption der Bildung von Allgemeinbegriffen weist Aristoteles sowohl Konzeptionen zurück, die die Allgemeinbegriffe aus einem höheren Wissen ableiten, als auch diejenigen, die behaupten, Allgemeinbegriffe seien angeboren. Vermutlich auf Grundlage dieser Allgemeinbegriffe werden die Prinzipien, Definitionen gebildet. Die Dialektik, die Fragen in der Form ‚Trifft P auf S zu oder nicht?‘ behandelt, ist vermutlich ein Mittel, Prinzipien zu prüfen. Das Vermögen, das diese grundlegenden Allgemeinbegriffe und Definitionen erfasst, ist der Geist, die Einsicht (nous).
In Aristoteles’ Naturphilosophie bedeutet Natur (physis) zweierlei: Zum einen besteht der primäre Gegenstandsbereich aus den von Natur aus bestehenden Dingen (Menschen, Tiere, Pflanzen, die Elemente), die sich von Artefakten unterscheiden. Zum anderen bilden die Bewegung (kínēsis) und Ruhe (stasis) den Ursprung, beziehungsweise das Grundprinzip (archē) aller Natur (Phys. II 1, 192b14). Bewegung bedeutet wiederum Veränderung (metabolē) (Phys. II 1,193a30). So ist beispielsweise die Ortsbewegung eine Form der Veränderung. Ebenso stellen die „Eigenbewegungen“ des Körpers, wenn dieser (zum Beispiel durch Nahrungsaufnahme) wächst oder abnimmt, eine Veränderung dar. Beide Begriffe, kínēsis und metabolē, sind für Aristoteles folglich nicht trennbar. Gemeinsam bilden sie das Grundprinzip und den Anfang aller Naturdinge. Bei Artefakten kommt das Prinzip jeder Veränderung von außen (Phys. II 1, 192b8–22). Die Wissenschaft der Natur hängt in der Folge von den Arten der Veränderung ab.
Ein Veränderungsprozess von X ist gegeben, wenn X, das (i) der Wirklichkeit nach die Eigenschaft F und (ii) der Möglichkeit nach G aufweist, die Eigenschaft G verwirklicht. Bei Bronze (X), die der Wirklichkeit nach ein Klumpen ist (F) und der Möglichkeit nach eine Statue (G), liegt Veränderung dann vor, wenn die Bronze der Wirklichkeit nach die Form einer Statue (G) wird; der Prozess ist abgeschlossen, wenn die Bronze diese Form besitzt. Oder wenn der ungebildete Sokrates gebildet wird, so verwirklicht sich ein Zustand, welcher der Möglichkeit nach schon vorlag. Der Veränderungsprozess ist also durch seinen Übergangsstatus gekennzeichnet und setzt voraus, dass etwas, das der Möglichkeit nach vorliegt, verwirklicht werden kann (Phys. III 1, 201a10–201b5). Für alle Veränderungsprozesse hält Aristoteles (in Übereinstimmung mit seinen naturphilosophischen Vorgängern) Gegensätze für grundlegend. Er vertritt darüber hinaus die These, dass in einem Veränderungsprozess diese Gegensätze (wie gebildet-ungebildet) immer an einem Substrat oder Zugrundeliegenden (hypokeimenon) auftreten, so dass sein Modell folgende drei Prinzipien aufweist: # Substrat der Veränderung (X); # Ausgangszustand der Veränderung (F); # Zielzustand der Veränderung (G). Wird der ungebildete Sokrates gebildet, so ist er dabei an jedem Punkt der Veränderung Sokrates. Entsprechend bleibt die Bronze Bronze. Das Substrat der Veränderung, an dem diese sich vollzieht, bleibt dabei mit sich selbst identisch. Den Ausgangszustand der Veränderung fasst Aristoteles dabei als einen Zustand, dem die entsprechende Eigenschaft des Zielzustands ermangelt (Privation; Phys. I 7). Aristoteles unterscheidet vier Arten der Veränderung: # Qualitative Veränderung # Quantitative Veränderung # Entstehen/Vergehen. Bei jeder Veränderung – so Aristoteles – gibt es ein zugrunde liegendes, numerisch identisches Substrat (Physik I 7, 191a13–15). Im Falle qualitativer, quantitativer und örtlicher Veränderung ist dies ein konkretes Einzelding, das seine Eigenschaften, seine Größe oder seine Position verändert. Wie verhält sich dies aber beim Entstehen/Vergehen konkreter Einzeldinge? Die Eleaten hatten die einflussreiche These vertreten, Entstehen sei nicht möglich, da sie es für widersprüchlich hielten, wenn Seiendes aus Nicht-Seiendem hervorginge (bei Entstehen aus Seiendem sahen sie ein ähnliches Problem). Die Lösung der Atomisten, Entstehen sei ein Prozess, in dem durch Mischung und Trennung unvergänglicher und unveränderlicher Atome aus alten neue Einzeldinge hervorgehen, führt nach Aristoteles’ Ansicht Entstehen illegitimerweise auf qualitative Veränderung zurück (Gen. Corr. 317a20 ff.).
Aristoteles’ Analyse von Entstehen/Vergehen basiert auf der innovativen Unterscheidung von Form und Materie (Hylemorphismus). Er akzeptiert, dass kein konkretes Einzelding aus Nichtseiendem entstehe, analysiert den Fall Entstehen jedoch folgendermaßen. Ein konkretes Einzelding des Typs F entsteht nicht aus einem nicht-seienden F, sondern aus einem zugrunde liegenden Substrat, das nicht die Form F aufweist: der Materie. Ein Ding entsteht, indem Materie eine neu hinzukommende Form annimmt. So entsteht eine Bronzestatue, indem eine Bronzemasse eine entsprechende Form annimmt. Die fertige Statue besteht aus Bronze, die Bronze liegt der Statue als Materie zugrunde. Die Antwort auf die Eleaten lautet, dass einer nicht-seienden Statue die Bronze als Materie entspricht, die durch Hinzukommen einer Form zur Statue wird. Der Entstehungsprozess ist dabei von verschiedenen Seinsgraden gekennzeichnet. Die tatsächliche, aktuale, geformte Statue entsteht aus etwas, das potentiell eine Statue ist, nämlich Bronze als Materie (Phys. I 8, 191b10–34). Materie und Form sind Aspekte eines konkreten Einzeldings und treten nicht selbständig auf. Materie ist immer Stoff eines bestimmten Dings, das schon eine Form aufweist. Sie ist ein relativer Abstraktionsbegriff zu Form. Indem eine derartige Materie in einer neuen Weise strukturiert wird, entsteht ein neues Einzelding. Ein Haus setzt sich aus Form (dem Bauplan) und Materie (Holz und Ziegel) zusammen. Die Ziegel als Materie des Hauses sind durch einen bestimmten Prozess auf eine bestimmte Weise geformter, konfigurierter Lehm. Unter Form versteht Aristoteles seltener die äußere Gestalt (dies nur bei Artefakten), in der Regel die innere Struktur oder Natur, dasjenige, was durch eine Definition erfasst wird. Die Form eines Gegenstandes eines bestimmten Typs beschreibt dabei Voraussetzungen, welche Materie für diesen geeignet ist und welche nicht.
Die aus vier Büchern bestehende Abhandlung Meteorologica ist der Namensgeber für die moderne Meteorologie, aber der moderne Sprachgebrauch ist deutlich enger gefasst als in seiner antike Abhandlung. Sie enthält u. a. Aussagen zu Meteoren, Wasserverdunstung, Erdbeben und vielerlei Wetterphänomenen. Buch 4 von Meteorologica hat Gemeinsamkeiten mit seinem Werk Über Entstehen und Vergehen. In Fortführung zu Platons Werk Timaios beschreibt er auf Basis der Vier-Elemente-Lehre zahlreiche Übergangszustände von Feuer, Luft, Wasser und Erde und ihre stofflichen Eigenschaften. Er diskutiert Affektionen, die Luft und Wasser gemeinsam haben, sowie die Arten und Teile der Erde und die Affektionen ihrer Teile.
Bewegungen erfolgen nach Aristoteles entweder naturgemäß oder naturwidrig (gewaltsam). Nur Lebewesen bewegen sich aus eigenem Antrieb, alles andere wird entweder von etwas bewegt oder es strebt möglichst geradlinig seinem natürlichen Ort entgegen und kommt dort zum Stillstand. Der natürliche Ort eines Körpers hängt von der in ihm vorherrschenden Materieart ab. Wenn Wasser oder Erde vorherrscht, bewegt sich der Körper zum Mittelpunkt der Erde, dem Zentrum der Welt, wenn Feuer oder Luft dominiert, strebt er nach oben. Erde ist ausschließlich schwer, Feuer absolut leicht, Wasser relativ schwer, Luft relativ leicht. Der natürliche Ort des Feuers ist oberhalb der Luft und unterhalb der Mondsphäre. Leichtigkeit und Schwere sind Eigenschaften von Körpern, die mit deren Dichte nichts zu tun haben. Mit der Einführung der Vorstellung einer absoluten Schwere und absoluten Leichtigkeit (Schwerelosigkeit des Feuers) verwirft Aristoteles die Auffassung Platons und der Atomisten, die alle Objekte für schwer hielten und das Gewicht als relative Größe auffassten. Das fünfte Element, der Äther des Himmels, ist masselos und bewegt sich ewig in gleichförmiger Kreisbewegung um das Zentrum der Welt. Der Äther füllt den Raum oberhalb der Mondsphäre; er ist keinerlei Veränderung außer der Ortsbewegung unterworfen. Die Annahme, auf der Erde und am Himmel gälten verschiedene Gesetze, ist für Aristoteles nötig, weil die Bewegung der Planeten und Fixsterne nicht zur Ruhe kommt. Aristoteles nimmt an, dass für jede Ortsbewegung ein Medium, das entweder als bewegende Kraft wirkt oder der Bewegung Widerstand leistet, erforderlich ist; eine kontinuierliche Bewegung im Vakuum ist prinzipiell unmöglich. Aristoteles schließt sogar die Existenz eines Vakuums aus. Die Bewegungslehre des Aristoteles war bis zur Entwicklung eines neuen Trägheitsbegriffs durch Galilei und Newton einflussreich.
Um Wissen von Veränderungsprozessen und somit von der Natur zu besitzen, muss man – so Aristoteles – die entsprechenden Ursachen (aitiai) kennen (Phys. I 1, 184a10–14). Aristoteles behauptet, es gebe genau vier Ursachentypen, die jeweils auf verschiedene Weise auf die Frage Warum antworten und die in der Regel bei einer vollständigen Erklärung alle angegeben werden müssen (Phys. II 3, 194b23–35): Der aristotelische Ursachenbegriff unterscheidet sich weitgehend vom modernen. In der Regel treffen zur Erklärung desselben Sachverhaltes oder Gegenstandes verschiedene Ursachen zugleich zu. Die Formursache fällt oft mit der Bewegungsursache und der Finalursache zusammen. Die Ursache eines Hauses sind so Ziegel und Holz, der Bauplan, der Architekt und der Schutz vor Unwetter. Letztere drei fallen oft zusammen, insofern beispielsweise der Zweck Schutz vor Unwetter den Bauplan (im Geist) des Architekten bestimmt. Die Finalursache ist vom Standpunkt der neuzeitlichen mechanistischen Physik aus kritisiert worden. Von einer insgesamt teleologisch ausgerichteten Natur wie bei Platon setzt sich Aristoteles jedoch weitgehend ab. Finale Ursachen treten für ihn in der Natur vor allem in der Biologie auf, und zwar beim funktionellen Aufbau von Lebewesen und der Artenreproduktion.
Metaphysik als Erste Philosophie Aristoteles gebraucht den Ausdruck „Metaphysik“ nicht. Gleichwohl trägt eines seiner wichtigsten Werke traditionell diesen Titel. Die Metaphysik ist eine von einem späteren Herausgeber zusammengestellte Sammlung von Einzeluntersuchungen, die ein mehr oder weniger zusammenhängendes Themenspektrum abdecken, indem sie nach den Prinzipien und Ursachen des Seienden und nach der dafür zuständigen Wissenschaft fragen. Ob der Titel (ta meta ta physika: die nach der Physik) einen bloß bibliografischen oder einen sachbezogenen Hintergrund hat, ist unklar. Aristoteles spricht in der Metaphysik von einer allen anderen Wissenschaften vorgeordneten Wissenschaft, die er Erste Philosophie, Weisheit (sophia) oder auch Theologie nennt. Diese Erste Philosophie wird in dieser Sammlung aus Einzeluntersuchungen auf drei Weisen charakterisiert: # als Wissenschaft der allgemeinsten Prinzipien, die für Aristoteles’ Wissenschaftstheorie zentral sind (→ Satz vom Widerspruch) # als Wissenschaft vom Seienden als Seienden, die aristotelische Ontologie # als Wissenschaft vom Göttlichen, die aristotelische Theologie (→ Theologie) Ob oder inwieweit diese drei Projekte zusammenhängende Aspekte derselben Wissenschaft oder voneinander unabhängige Einzelprojekte sind, ist kontrovers. Aristoteles behandelt später metaphysisch genannte Themen auch in anderen Schriften.
Im Corpus Aristotelicum finden sich in zwei Werken, den frühen Kategorien und der späten Metaphysik, unterschiedliche Theorien des Seienden.
Die Kategorien, die die erste Schrift im Organon bilden, sind vermutlich das einflussreichste Werk des Aristoteles und der Philosophiegeschichte überhaupt. Die frühe Ontologie der Kategorien befasst sich mit den Fragen ‚Was ist das eigentlich Seiende?‘ und ‚Wie ist das Seiende geordnet?‘ und ist als Kritik an der Position Platons zu verstehen. Der mutmaßliche Gedankengang lässt sich folgendermaßen skizzieren. Unterschieden werden Eigenschaften, die Einzeldingen zukommen (P kommt S zu). Dafür liegen zwei Deutungsmöglichkeiten nahe: Das eigentlich Seiende, die Substanz (ousia) sind # abstrakte, unabhängig existierende Urbilder als Ursache und Erkenntnisgegenstand von Eigenschaften. # konkrete Einzeldinge als Träger von Eigenschaften. Aristoteles selbst berichtet (Met. I 6), Platon habe gelehrt, man müsse von den wahrnehmbaren Einzeldingen getrennte, nicht sinnlich wahrnehmbare, unveränderliche, ewige Urbilder unterscheiden. Platon nahm an, dass es Definitionen (und damit aus seiner Sicht auch Wissen) von den Einzeldingen, die sich beständig ändern, nicht geben kann. Gegenstand der Definition und des Wissens sind für ihn die Urbilder (Ideen) als das für die Ordnungsstruktur des Seienden Ursächliche. Verdeutlichen lässt sich dies an einer von allen Menschen getrennten, einzelnen und numerisch identischen Idee des Menschen, die für das jeweilige Menschsein ursächlich ist und die Erkenntnisgegenstand ist für die Frage ‚Was ist ein Mensch?‘. Aristoteles’ Einteilung des Seienden in den Kategorien scheint sich von der skizzierten Position Platons abzugrenzen. Er orientiert sich dabei an der sprachlichen Struktur einfacher Sätze der Form ‚S ist P‘ und der sprachlichen Praxis, wobei er die sprachliche und die ontologische Ebene nicht explizit voneinander scheidet. Einige Ausdrücke – wie ‚Sokrates‘ – können nur die Subjektposition S in dieser sprachlichen Struktur einnehmen, alles andere wird von ihnen prädiziert. Die Dinge, die in diese Kategorie der Substanz fallen und die er Erste Substanz nennt, sind ontologisch selbständig; sie bedürfen keines anderen Dinges, um zu existieren. Daher sind sie ontologisch primär, denn alles andere ist von ihnen abhängig und nichts würde ohne sie existieren. Diese abhängigen Eigenschaften bedürfen eines Einzeldings, einer ersten Substanz als eines Trägers, an der sie vorkommen. Derartige Eigenschaften (z. B. weiß, sitzend) können einem Einzelding (etwa Sokrates) jeweils zukommen oder auch nicht zukommen und sind daher akzidentelle Eigenschaften. Dies betrifft alles außerhalb der Kategorie der Substanz. Für einige Eigenschaften (z. B. ‚Mensch‘) gilt nun, dass sie in der Weise von einem Einzelding (z. B. Sokrates) ausgesagt werden können, dass ihre Definition (vernünftiges Lebewesen) auch von diesem Einzelding gilt. Sie kommen ihm daher notwendig zu. Dies sind die Art und die Gattung. Aufgrund dieses engen Bezugs, in dem die Art und die Gattung angeben, was eine erste Substanz jeweils ist (etwa in der Antwort auf die Frage ‚Was ist Sokrates?‘: ‚ein Mensch‘), nennt Aristoteles sie zweite Substanz. Dabei hängt auch eine zweite Substanz von einer ersten Substanz ontologisch ab. * A) Kategorie der Substanz: ** 1. Substanz: Merkmal der Selbständigkeit. ** 2. Substanz: Merkmal der Erkennbarkeit. * B) Nichtsubstanziale Kategorien: Akzidenzien. Aristoteles vertritt also folgende Thesen: # Nur Einzeldinge (erste Substanzen) sind selbständig und daher ontologisch primär. # Alle Eigenschaften hängen von den Einzeldingen ab. Es existieren keine unabhängigen, nicht-exemplifizierten Urbilder. # Neben kontingenten, akzidentellen Eigenschaften (wie ‚weiß‘) gibt es notwendige, essentielle Eigenschaften (wie ‚Mensch‘), die angeben, was ein Einzelding jeweils ist.
Für Platon ergibt sich als Konsequenz aus seiner Auffassung von den Ideen die Annahme, dass im eigentlichen, unabhängigen Sinne allein die unveränderlichen Ideen existieren; die Einzeldinge existieren nur in Abhängigkeit von den Ideen. Diese ontologische Konsequenz kritisiert Aristoteles eingehend in der Metaphysik. Er hält es für widersprüchlich, dass die Anhänger der Ideenlehre einerseits die Ideen dadurch von den Sinnesobjekten abgrenzen, dass sie ihnen das Merkmal der Allgemeinheit und damit Undifferenziertheit zuweisen, und andererseits zugleich für jede einzelne Idee eine separate Existenz annehmen; dadurch würden die Ideen selbst Einzeldinge, was mit ihrem Definitionsmerkmal Allgemeinheit unvereinbar sei (Met. XIII 9, 1086a32–34). In der Metaphysik vertritt Aristoteles im Rahmen seines Vorhabens, das Seiende als Seiendes zu untersuchen, die Auffassung, dass alles Seiende entweder eine Substanz ist oder auf eine bezogen ist (Metaphysik IV 2). In den Kategorien hatte er ein Kriterium für Substanzen formuliert und Beispiele (Sokrates) für diese gegeben. In der Metaphysik thematisiert er nun abermals die Substanz, um nach den Prinzipien und Ursachen einer Substanz, eines konkreten Einzeldings zu suchen. Hier fragt er nun: Was macht etwa Sokrates zu einer Substanz? Substanz ist hier also ein zweistelliges Prädikat (Substanz von X), so dass man die Frage so formulieren kann: Was ist die Substanz-X einer Substanz? Dabei spielt die Form-Materie-Unterscheidung, die in den Kategorien nicht präsent ist, eine entscheidende Rolle. Aristoteles scheint die Substanz-X vor allem mit Hilfe zweier Kriterien zu suchen, die in der Theorie der Kategorien auf die erste und die zweite Substanz verteilt sind: * (i) selbständige Existenz oder Subjekt für alles andere, aber nicht selbst Prädikat zu sein (individuelles Wesen = erste Substanz); * (ii) Definitionsgegenstand zu sein, Erkennbarkeit zu garantieren, das heißt auf die Frage ‚Was ist X?‘ zu antworten (allgemeines Wesen = zweite Substanz). Das Kriterium (ii) wird genauer erfüllt, indem Aristoteles das Wesen als Substanz-X bestimmt. Mit Wesen meint er dabei, was ontologisch einer Definition entspricht (Met. VII 4; 5, 1031a12; VIII 1, 1042a17). Das Wesen beschreibt die notwendigen Eigenschaften, ohne die ein Einzelding aufhören würde, ein und dieselbe Sache zu sein. Fragt man: Was ist die Ursache dafür, dass diese Materieportion Sokrates ist?, so ist Aristoteles’ Antwort: Das Wesen von Sokrates, welches weder ein weiterer Bestandteil neben den materiellen Bestandteilen ist (dann bedürfte es eines weiteren Strukturprinzips, um zu erklären, wie es mit den materiellen Bestandteilen vereint ist) noch etwas aus materiellen Bestandteilen (dann müsste man erklären, wie das Wesen selbst zusammengesetzt ist). Aristoteles ermittelt die Form (eidos) eines Einzeldings als sein Wesen und somit als Substanz-X. Mit Form meint er weniger die äußere Gestalt als vielmehr die Struktur: Die Form * wohnt dem Einzelding inne, ** bei Lebewesen die Entstehung eines Exemplars derselben Art (Met. VII 8, 1033b30–2) ** bei Artefakten (z. B. Haus) als formale Ursache (Bauplan) (Met. VII 9, 1034a24) im Geist des Produzenten (Met. VII 7, 1032b23) (Architekt) die Entstehung des Einzeldings. * geht der Entstehung eines aus Form und Materie zusammengesetzten Einzeldings voraus und entsteht und verändert sich nicht und bewirkt so (bei natürlichen Arten) eine Kontinuität der Formen, die für Aristoteles ewig ist (Met. VII 8, 1033b18) * ist Ursache, Erklärung der wesentlichen Eigenschaften und Fähigkeiten eines Einzeldings (Beispielsweise ist die Form eines Menschen die Seele (Met. VII 10, 1035b15), welche sich aus Fähigkeiten wie Nährvermögen, Wahrnehmungsvermögen, Denkvermögen unter anderem konstituiert (An. II 2, 413b11–13)). Dass die Form als Substanz-X auch das genannte Kriterium (ii), selbständig zu sein, erfüllen muss, und dies teilweise als Kriterium für etwas Individuelles aufgefasst wird, ist einer von vielen Aspekten in folgender zentralen interpretatorischen Kontroverse: Fasst Aristoteles die Form (A) als etwas Allgemeines oder (B) als etwas (dem jeweiligen Einzelding) Individuelles auf? Als Problem formuliert: Wie kann die Form, das eidos, zugleich Form eines Einzeldings und Gegenstand des Wissens sein? Für (A) spricht insbesondere, dass Aristoteles an mehreren Stellen davon ausgeht, dass die Substanz-X und somit die Form definierbar ist (Met. VII 13) und dies für ihn (wie für Platon) nur auf Allgemeines zutrifft (VII 11, 1036a; VII 15, 1039b31–1040a2). Für (B) hingegen spricht vor allem, dass Aristoteles kategorisch die unplatonische Position zu vertreten scheint: Kein Allgemeines kann Substanz-X sein (Met. VII 13). Nach (B) besitzen Sokrates und Kallias zwei auch qualitativ verschiedene Formen. Definierbar müssten dann zu separierende, überindividuelle Aspekte dieser beiden Formen sein. Die Interpretation (A) hingegen löst das Dilemma etwa, indem sie die Aussage Kein Allgemeines ist Substanz-X als Nichts allgemein Prädizierbares ist Substanz-X interpretiert und so entschärft. Die Form werde nicht auf herkömmliche Weise (wie die Art ‚Mensch‘ von ‚Sokrates‘ in den Kategorien) prädiziert und sei daher nicht im problematischen Sinne allgemein. Vielmehr werde die Form von der unbestimmten Materie in einer Weise ‚prädiziert‘, die einen Einzelgegenstand erst konstituiere.
Die für die Ontologie wichtige Beziehung zwischen Form und Materie wird durch ein weiteres Begriffspaar genauer erläutert: Akt (energeia, entelecheia) und Potenz (dynamis). Für die Form-Materie-Unterscheidung ist die später ontologisch genannte Bedeutung von Potenz oder Vermögen wichtig. Potentialität ist hier ein Zustand, dem ein anderer Zustand – Aktualität – gegenübersteht, indem ein Gegenstand der Wirklichkeit nach F oder dem Vermögen, der Möglichkeit nach F ist. So ist ein Junge der Möglichkeit nach ein Mann, ein ungebildeter Mensch der Möglichkeit nach ein gebildeter (Met. IX 6). Dieses (hier diachron beschriebene) Verhältnis von Aktualität und Potentialität bildet die Grundlage für das (auch synchron zu verstehende) Verhältnis von Form und Materie, denn Form und Materie sind Aspekte eines Einzeldings, nicht dessen Teile. Sie sind im Verhältnis von Aktualität und Potentialität miteinander verbunden und konstituieren so (erst) das Einzelding. Die Materie eines Einzeldings ist demnach genau das potentiell, was die Form des Einzeldings und das Einzelding selbst aktual sind (Met. VIII 1, 1042a27 f.; VIII 6, 1045a23–33; b17–19). Zum einen ist zwar (diachron betrachtet) eine bestimmte Portion Bronze potentiell eine Kugel wie auch eine Statue. Zum anderen aber ist (synchron als konstituierender Aspekt) die Bronze an einer Statue potentiell genau das, was die Statue und deren Form aktual sind. Die Bronze der Statue ist ein Konstituens der Statue, ist aber nicht mit ihr identisch. Und so sind auch Fleisch und Knochen potentiell das, was Sokrates oder seine Form (die für einen Menschen typische Konfiguration und Fähigkeiten seiner materiellen Bestandteile,→ Psychologie) aktual sind. So wie die Form gegenüber der Materie ist für Aristoteles auch die Aktualität gegenüber der Potentialität primär (Met. IX 8, 1049b4–5). Unter anderem ist sie der Erkenntnis nach primär. Man kann nur dann ein Vermögen angeben, wenn man Bezug auf die Wirklichkeit nimmt, zu der es ein Vermögen ist. Das Sehvermögen etwa lässt sich nur bestimmen, indem man auf die Tätigkeit ‚Sehen‘ Bezug nimmt (Met. IX 8, 1049b12–17). Des Weiteren ist die Aktualität im entscheidenden Sinne auch zeitlich früher als die Potentialität, denn ein Mensch entsteht durch einen Menschen, der aktual Mensch ist (Met. IX 8, 1049b17–27).
Aristoteles unterscheidet im Vorfeld seiner Theologie drei mögliche Substanzen: (i) sinnlich wahrnehmbare vergängliche, (ii) sinnlich wahrnehmbare ewige und (iii) nicht sinnlich wahrnehmbare ewige und unveränderliche (Met. XII 1, 1069a30–1069b2). (i) sind die konkreten Einzeldinge (der sublunaren Sphäre), (ii) die ewigen, bewegten Himmelskörper und (iii) erweist sich als der selbst unbewegte Ursprung aller Bewegung. Aristoteles argumentiert für einen göttlichen Beweger, indem er feststellt, dass, wenn alle Substanzen vergänglich wären, alles vergänglich sein müsste, die Zeit und die Veränderung selbst jedoch notwendig unvergänglich sind (Phys. VIII 1, 251a8–252b6; Met. XII 6, 1071b6–10). Aristoteles zufolge ist die einzige Veränderung, die ewig existieren kann, die Kreisbewegung (Phys. VIII 8–10; Met. XII 6,1071b11). Die entsprechende beobachtbare kreisförmige Bewegung der Fixsterne muss daher als Ursache eine ewige und immaterielle Substanz haben (Met. XII 8, 1073b17–32). Enthielte das Wesen dieser Substanz Potentialität, könnte die Bewegung unterbrochen werden. Daher muss sie reine Aktualität, Tätigkeit sein (Met. XII, 1071b12–22). Als letztes Prinzip muss dieser Beweger selbst unbewegt sein. Nach Aristoteles bewegt der unbewegte Beweger „wie ein Geliebtes“, nämlich als Ziel (Met. XII 7, 1072b3), denn das Begehrte, das Gedachte und insbesondere das Geliebte kann bewegen, ohne bewegt zu sein (Met. XII 7, 1072a26). Seine Tätigkeit ist die lustvollste und schönste. Da er immaterielle Vernunft (nous) ist und seine Tätigkeit im Denken des besten Gegenstandes besteht, denkt er sich selbst: das „Denken des Denkens“ (noêsis noêseôs) (Met. XII 9, 1074b34 f.). Da nur Lebendiges denken kann, muss er zudem lebendig sein. Den unbewegten Beweger identifiziert Aristoteles mit Gott (Met. XII 7, 1072b23 ff.). Der unbewegte Beweger bewegt die gesamte Natur. Die Fixsternsphäre bewegt sich, da sie mit der Kreisbewegung die Vollkommenheit nachahmt. Die anderen Himmelskörper werden vermittelt über die Fixsternsphäre bewegt. Die Lebewesen haben Anteil an der Ewigkeit, indem sie mittels der Fortpflanzung ewig bestehen (GA II 1, 731b31–732a1).
Stellung der Biologie Nicht nur in der Philosophiegeschichte, sondern auch in der Geschichte der Naturwissenschaften nimmt Aristoteles einen bedeutenden Platz ein. Ein großer Teil seiner überlieferten Schriften ist naturwissenschaftlich, von denen die bei weitem bedeutendsten und umfangreichsten die biologischen Schriften sind, die fast ein Drittel des überlieferten Gesamtwerks umfassen. Vermutlich in Arbeitsteilung wurde die Botanik von seinem engsten Mitarbeiter Theophrast, die Medizin bzw. Geschichte der Medizin von seinem Schüler Menon bearbeitet. Aristoteles vergleicht das Studium unvergänglicher Substanzen (Gott und Himmelskörper) und vergänglicher Substanzen (der Lebewesen). Beide Forschungsgebiete haben ihren Reiz. Die unvergänglichen Substanzen, die höchsten Erkenntnisgegenstände zu untersuchen, bereiten zwar die größte Freude, aber das Wissen über Lebewesen ist leichter zu erlangen, da sie uns näher stehen. Er betont den Wert der Erforschung auch niederer Tiere und weist darauf hin, dass auch diese etwas Natürliches und Schönes zeigen, das sich nicht in ihren zerlegten Bestandteilen erschöpft, sondern erst durch die Tätigkeiten und das Zusammenwirken der Teile hervortritt (PA I 5, 645a21–645b1). Aristoteles als empirischer Forscher Aristoteles hat selbst empirische Forschung betrieben, jedoch vermutlich nicht Experimente im – erst in der neuzeitlichen Naturwissenschaft eingeführten – Sinne einer methodischen Versuchsanordnung angestellt. Sicher ist, dass er selbst Sezierungen vornahm. Einem Experiment am nächsten kommt die in festgelegten zeitlichen Abständen wiederholte Untersuchung von befruchteten Hühnereiern, mit dem Ziel zu beobachten, in welcher Reihenfolge die Organe entstehen (GA VI 3, 561a6–562a20). Experimente sind jedoch in seiner eigentlichen Domäne – der deskriptiven Zoologie – auch nicht das wesentliche Instrument der Forschung. Neben eigenen Beobachtungen und einigen wenigen Textquellen stützte er sich hier auch auf Informationen von einschlägig Berufstätigen wie Fischern, Bienenzüchtern, Jägern und Hirten. Er ließ die Inhalte seiner Textquellen teilweise empirisch überprüfen, übernahm aber auch unkritisch fremde Irrtümer. Ein verlorenes Werk bestand vermutlich großenteils aus Zeichnungen und Diagrammen von Tieren.
Aufgrund des lange vorherrschenden Interpretationsmodells der Wissenschaftstheorie des Aristoteles und der Vernachlässigung der biologischen Schriften, ging man früher davon aus, dass er diese Theorie nicht auf die Biologie angewendet hat. Demgegenüber wird heute durchaus angenommen, dass seine Vorgehensweise in der Biologie von seiner Wissenschaftstheorie beeinflusst war, wenngleich Umfang und Grad umstritten sind. Von Aristoteles ist keine Beschreibung seines naturwissenschaftlichen Vorgehens überliefert. Erhalten sind neben der allgemeinen Wissenschaftstheorie nur Texte, die ein Endprodukt der wissenschaftlichen Forschung darstellen. Die biologischen Schriften sind in einer bestimmten Reihenfolge angeordnet, die der Vorgehensweise entspricht. Die erste Schrift (Historia animalium) beschreibt die verschiedenen Tierarten und ihre spezifischen Differenzen. Sie bietet die Sammlung des Faktenmaterials wie z. B., dass alle Lebewesen mit Lungen Luftröhren aufweisen. Dabei wird nicht erörtert, ob etwas notwendig oder unmöglich so sei. In der Faktensammlung ordnet Aristoteles die Lebewesen nach verschiedenen Einteilungsmerkmalen wie blutführend, lebendgebärend usw. Nach Merkmalen geordnet stellt er allgemeine Relationen zwischen verschiedenen Aspekten der Beschaffenheit fest. So bemerkt er beispielsweise: Alle Vierfüßler, die lebendgebärend sind, weisen Lungen und Luftröhren auf (HA II 15, 505b32 f.). Erst die an dieses Werk anschließenden und darauf aufbauenden Schriften De generatione animalium (Über die Entstehung der Tiere) und De partibus animalium (Über die Teile der Tiere) befassen sich mit den Ursachen, welche die Fakten erklären. Die Faktensammlung ist die Voraussetzung dafür, Wissen auf der Grundlage von Ursachenkenntnis zu erreichen. Zentral für die Biologie sind dabei finale Ursachen, die den Zweck der Bestandteile des Körpers angeben. Die Ursache für die Existenz einer Luftröhre bei allen Lebewesen, die eine Lunge besitzen, besteht für Aristoteles in der Funktionsweise der Lunge. Die Lunge kann – anders als der Magen – nicht unmittelbar an den Mund anschließen, da sie eines zweigeteilten Kanals bedarf, so dass Einatmen und Ausatmen auf optimale Weise möglich ist. Da dieser Kanal eine gewisse Länge aufweisen muss, haben alle Lebewesen mit Lunge einen Hals. Fische haben daher keinen Hals, weil sie keine Luftröhre benötigen, da sie mit Kiemen atmen (PA III 3, 664a14–34). Finale Ursachen in der Biologie Die Verwendung finaler Erklärungen in der Biologie (und auch anderen Forschungsgebieten des Aristoteles) ist insbesondere in der Frühen Neuzeit und bis ins 20. Jahrhundert vielfach kritisiert worden. Unter finalen Erklärungen oder Ursachen versteht Aristoteles hier allerdings in der Regel keine übergreifenden Zwecke, die etwa eine bestimmte Spezies hätte. Ihm geht es vielmehr um eine interne Funktionsbestimmung der Organismen und ihrer Teile.
Aristoteles hat über 500 Spezies untersucht. Seine Schriften behandeln systematisch die inneren und äußeren Teile der einzelnen Tiere, Bestandteile wie Blut und Knochen, Arten der Fortpflanzung, die Nahrung, den Lebensraum und das Verhalten. Er beschreibt das Verhalten von Haustieren, exotischen Raubtieren wie dem Krokodil, Vögeln, Insekten und Meerestieren. Zu diesem Zweck ordnet er die Lebewesen. Einteilung der Arten Aristoteles unterscheidet zwei Hauptgruppen von Lebewesen: blutführende und blutlose Tiere. Dies entspricht der Einteilung in Wirbeltiere und Wirbellose. Diese ordnet er nach größten Gattungen: * Blutführende Tiere: ** lebendgebärende Vierfüßler ** eierlegende Vierfüßler ** Cetaceen (Meeressäuger) ** eierlegende Fußlose (Schlangen) ** lebendgebärende Fußlose (Vipern) ** Mensch (bildet eine isolierte Gattung) Vermutlich war es nicht Aristoteles’ Absicht, eine vollständige Taxonomie zu schaffen. Das System einer Taxonomie ist für ihn auch kein Hauptgegenstand. Ziel seiner Untersuchungen war eher eine Morphologie, eine Klassifikation der Lebewesen anhand charakteristischer Merkmale. So hat er die Gattungen zwischen den genannten sowie Untergattungen nicht terminologisch fixiert. Beispiel einer Beschreibung. Der Krake Aristoteles und die Erkenntnisse der modernen Biologie Obwohl Aristoteles bereits Überlegungen äußerte, die an die natürliche Selektion als einer der zentralen Faktoren der Evolution erinnern, hat er – mit Rückgriff auf Platons Ideenlehre – vor allem die Vorstellung einer „Stufenleiter der Natur“ von den einfachsten zur vollkommensten Art (dem Menschen) und ihre vorgegebene zielgerichtete Entwicklung geprägt. Diese (spätestens seit Darwin widerlegte) Vorstellung blieb bis ins 19. Jahrhundert tief im wissenschaftlichen Denken verankert und verhinderte den entscheidenden Gedankenschritt in der Geschichte der Evolutionstheorie. In vielen Fällen hat sich Aristoteles als Biologe geirrt. Einige seiner Irrtümer erscheinen reichlich kurios, wie die Beschreibung des Bisons, das sich „durch Ausschlagen und Ausstoßen seines Kots, welchen es bis siebeneinhalb Meter weit von sich schleudern kann, verteidigt“ (HA IX 45, 630b8 f.). Offenbar war seine Informationsquelle über dieses exotische Tier nicht sehr verlässlich. Weitere bekannte Irrtümer sind unter anderem die Behauptung, der Mann habe mehr Zähne als die Frau (HA II 3, 501b19), das Gehirn sei ein Kühlorgan und das Denken geschehe in der Herzgegend (PA II 7, 652b21–25; III 3, 514a16–22) sowie das Konzept der Telegonie, wonach eine vorangegangene Trächtigkeit den Phänotyp von Nachkommen aus späteren Trächtigkeiten beeinflussen könne. Aristoteles hat aber auch auf der Grundlage seiner Beobachtungen Einsichten gewonnen, die nicht nur zutreffen, sondern die erst in der Moderne wiederentdeckt oder bestätigt worden sind. Beispielsweise erwähnt er bei der Beschreibung des angeführten Kraken, dass die Paarung durch einen Fangarm des Männchens geschieht, der gegabelt ist – die sogenannte Hektokotylisation –, und beschreibt diesen Fortpflanzungsvorgang (HA V 5, 541b9–15; V 12, 544a12; GA V 15, 720b33). Dieses Phänomen war bis ins 19. Jahrhundert nur durch Aristoteles bekannt; die genaue Art der Fortpflanzung wurde erst 1959 vollständig verifiziert. Bedeutender noch ist seine Hypothese, nach der die Teile eines Organismus in einer hierarchischen Ordnung ausgebildet werden und nicht – wie die (bereits von Anaxagoras vertretene) Präformationslehre annimmt – vorgebildet sind (GA 734a28–35). Diese Auffassung von der embryonalen Entwicklung ist in der Neuzeit unter der von Aristoteles noch nicht verwendeten Bezeichnung Epigenesis bekannt geworden. Ihre empirische Grundlage waren für Aristoteles seine Sezierungen. In der Neuzeit war aber die Präformationslehre vom 17. bis in das 19. Jahrhundert hinein die allgemein akzeptierte Theorie, und Vertreter der Epigenesis wie William Harvey (1651) und Caspar Friedrich Wolff (1759) fanden mit ihren embryologischen Untersuchungen, die klar zeigten, dass die Embryonen sich aus ganz undifferenzierter Materie entwickeln, wenig Beachtung. Diese Einsicht setzte sich erst im frühen 19. Jahrhundert durch und verdrängte schließlich die präformistischen Spekulationen. Endgültig wurde erst im 20. Jahrhundert in der Experimentalbiologie durch Hans Driesch und Hans Spemann bestätigt, dass die embryonale Entwicklung eine Kette von Neubildungen, ein epigenetischer Prozess ist. Ferner gibt es eine Analogie zwischen der aristotelischen zielhaften Epigenesis und der Genetik.
Lebewesen unterscheiden sich von anderen natürlichen und künstlichen Objekten dadurch, dass sie lebendig sind. Bei Homer ist die Seele (psychê) das, was einen Leichnam verlässt. Im Laufe des 6. und 5. Jahrhundert v. Chr. findet der Begriff zunehmend eine deutliche Ausweitung: beseelt (empsychos) zu sein bedeutet lebendig zu sein und das Konzept Seele weist nun auch kognitive und emotionale Aspekte auf. Aristoteles nimmt diesen Sprachgebrauch auf. In seiner Seelentheorie ist er mit zwei Positionen konfrontiert: zum einen mit dem Materialismus vorsokratischer Naturphilosophen (vor allem Demokrit und Empedokles), die behaupten, die Seele bestehe aus einer besonderen Art Materie, zum anderen mit der dualistischen Position Platons, für den die Seele unsterblich, immateriell und ihrer Natur nach eher etwas Intelligibles ist. Hinsichtlich der Streitfrage zwischen Materialismus und Dualismus, ob Körper und Seele miteinander identisch sind oder nicht, ist Aristoteles der Auffassung, dass die Frage falsch gestellt ist. Dies erläutert er mit einem Vergleich: Die Frage Sind Körper und Seele identisch? ist ebenso unsinnig wie die Frage Sind Wachs und seine Form identisch? (An. II 1, 412b6–9). Zustände der Seele sind zwar immer auch Zustände des Körpers, aber eine Identität von Körper und Seele verneint Aristoteles ebenso wie die Unsterblichkeit der Seele.
Was die Seele ist, bestimmt Aristoteles mittels seiner Unterscheidung von Form und Materie. Die Seele verhält sich zum Körper wie die Form zur Materie, das heißt wie eine Statuenform zur Bronze. Form und Materie eines Einzeldings sind aber nicht zwei verschiedene Objekte, nicht dessen Teile, sondern Aspekte ebendieses Einzeldings. Die Seele definiert Aristoteles als „erste Wirklichkeit (entelecheia) eines natürlichen organischen Körpers“ (An. II 1, 412b5 f.). Eine Wirklichkeit oder Aktualität ist die Seele, weil sie als Form den Aspekt des Lebendigen an der potentiell belebten Materie (nämlich der organischen) darstellt. Eine erste Wirklichkeit ist sie, insofern das Lebewesen auch dann lebendig ist, wenn es nur schläft und keine weiteren Tätigkeiten ausübt (die ebenfalls Aspekte des Seelischen sind). (An. II 1, 412a19–27).
Die weiteren seelischen Aspekte sind die Funktionen, die für ein Lebewesen charakteristisch sind, seine spezifischen Fähigkeiten oder Vermögen (dynamis). Aristoteles unterscheidet vor allem folgende Fähigkeiten: * Ernährungs- und Fortpflanzungsvermögen (threptikon) * Wahrnehmungsvermögen (aisthêtikon) * Denkvermögen (dianoêtikon) Ernährungs- und Fortpflanzungsvermögen kommen – als grundlegendes Vermögen alles Lebendigen – auch den Pflanzen zu, Wahrnehmungsvermögen (und Fortbewegungsfähigkeit) weisen nur die Tiere (einschließlich des Menschen) auf. Das Denken besitzt allein der Mensch.
Aristoteles unterscheidet folgende fünf Sinne und behauptet, dass es nicht mehr geben kann: Wahrnehmung (aisthesis) fasst Aristoteles allgemein als ein Erleiden oder eine qualitative Veränderung (An. II 5, 416b33 f.). Das, was die Sinne wahrnehmen, ist dabei jeweils durch ein kontinuierliches Gegensatzpaar bestimmt: Sehen durch hell und dunkel, Hören durch hoch und tief, Riechen und Schmecken durch bitter und süß; Tasten weist verschiedene Gegensatzpaare auf: hart und weich, heiß und kalt, feucht und trocken. Aristoteles behauptet, dass beim Wahrnehmungsvorgang das jeweilige Organ wie das Wahrgenommene wird (An. 418a3–6). Des Weiteren sagt er, dass das Organ die Form „ohne die Materie“ aufnimmt, so „wie das Wachs das Siegel des Ringes ohne Eisen und ohne Gold aufnimmt“ (An. II 12, 424a18 f.). Dies ist von manchen Kommentatoren, darunter Thomas von Aquin, so interpretiert worden, dass das Organ keine natürliche Veränderung (mutatio naturalis), sondern eine geistige (mutatio spiritualis) erfahre. Andere Interpreten meinen, dass „ohne Materie“ schlicht bedeutet, dass zwar keine Partikel in das Organ gelangen, dieses sich aber tatsächlich dem Wahrnehmungsobjekt entsprechend verändert. Den Tastsinn besitzen alle Lebewesen, welche Wahrnehmung besitzen. Der Tastsinn ist ein Kontaktsinn, das heißt zwischen Wahrnehmungsorgan und Wahrgenommenem befindet sich kein Medium (An. II 11, 423a13 f.). Der Geschmacksinn ist eine Art Tastsinn (An. II 10, 422a8 f.). Die drei Distanzsinne Riechen, Hören und Sehen hingegen benötigen ein Medium, das den Eindruck vom Wahrgenommenen zum Organ transportiert.
Die Vernunft oder das Denkvermögen (nous) ist spezifisch für den Menschen. Aristoteles definiert sie als „das, womit die Seele denkt und Annahmen macht“ (An. III 4, 429a22 f.). Die Vernunft ist unkörperlich, da sie anderenfalls in ihren möglichen Denkgegenständen eingeschränkt wäre, was aber nicht der Fall sein darf (An. III 4, 429a17–22). Allerdings ist sie körpergebunden, da sie auf Vorstellungen (phantasmata) angewiesen ist. Vorstellungen bilden das Material der Denkakte, sie sind konservierte Sinneswahrnehmungen. Das entsprechende Vorstellungsvermögen (phantasia; weder interpretierend noch produktiv im Sinne von Phantasie) ist auf Sinneseindrücke angewiesen, wenngleich Sinneseindruck und Vorstellung qualitativ mitunter stark voneinander abweichen können, etwa bei Halluzinationen. Das Vorstellungsvermögen ist den Wahrnehmungsvermögen zugeordnet (An. III 8, 428b10–18). Insofern die Vernunft also in ihrer Tätigkeit an Vorstellungen gebunden ist, ist sie auch an einen Körper gebunden.
Glück (eudaimonia) und Tugend oder Bestzustand (aretê) sind die in Aristoteles’ Ethik zentralen Begriffe. Aristoteles vertritt die These, dass das Ziel aller absichtlichen Handlungen das im „guten Leben“ verwirklichte Glück ist. Die Ausbildung von Tugenden ist nach seiner Ansicht wesentlich dafür, dieses Ziel zu erreichen (→ Tugendethik).
In ihren (absichtlichen) Handlungen streben alle Menschen nach etwas, das ihnen gut erscheint. Einige dieser erstrebten Güter werden nur als Mittel erstrebt, um andere Güter zu erreichen, andere sind sowohl Mittel als auch selbst ein Gut. Da das Streben nicht unendlich sein kann, muss es ein oberstes Gut und letztes Strebensziel geben. Dieses wird nur um seiner selbst willen erstrebt. Es wird offenbar allgemein „Glück“ (eudaimonia) genannt (EN I 1).
Um umrisshaft zu bestimmen, worin das Glück als oberstes Gut für den Menschen besteht, fragt Aristoteles: Worin besteht die spezifische Funktion (telos) oder Aufgabe (ergon) des Menschen? Sie besteht im Vermögen der Vernunft (logos), das ihn von anderen Lebewesen unterscheidet. Der für den Menschen spezifische Seelenteil verfügt über dieses Vermögen der Vernunft; der andere Seelenteil, der sich aus Emotionen und Begierden zusammensetzt, ist zwar selbst nicht vernünftig, kann sich aber durch die Vernunft leiten lassen. Um das Glück zu erlangen, muss das Individuum das Vermögen Vernunft gebrauchen, nicht bloß besitzen, und zwar auf Dauer und in einem Bestzustand (aretê). Demgemäß ist „das Gut für den Menschen“, das Glück, eine
Um den Zustand der Vortrefflichkeit zu erreichen, muss man den beiden Seelenteilen entsprechend (a) Verstandestugenden und (b) Charaktertugenden ausbilden. Tugenden sind für Aristoteles Haltungen, zu denen jeder Mensch die Anlage besitzt, die sich jedoch durch Erziehung und Gewöhnung erst ausbilden müssen.
Unter den Verstandestugenden beziehen sich einige auf das Wissen von Unveränderlichem oder die Herstellung von Gegenständen. Allein die Klugheit (phronêsis) ist mit dem Handeln verknüpft, und zwar als Tugend mit dem Ziel eines guten Lebens. Sie ist – neben den Charaktertugenden – notwendig, um in konkreten Entscheidungssituationen im Hinblick auf das gute Leben handeln zu können. Im Bereich menschlicher Handlungen gibt es – anders als in den Wissenschaften – keine Beweise, und um klug zu sein, bedarf es dabei auch der Erfahrung. Die Funktion der Klugheit besteht darin, die Mitte (mesotês) zu wählen.
Charaktertugenden sind Haltungen (hexeis), für die kennzeichnend ist, dass man sie loben und tadeln kann. Sie werden durch Erziehung und Gewöhnung ausgeprägt, wobei dies nicht als eine Konditionierung zu verstehen ist. Zwar hängt von Kindheit an sehr viel von der Gewöhnung ab (EN II 1, 1103b24), Charaktertugenden liegen jedoch erst vor, wenn jemand sich wissentlich für die entsprechenden Handlungen entscheidet, und zwar nicht wegen möglicher Sanktionen, sondern um der tugendhaften Handlungen selbst willen, und wenn er dabei auch nicht ins Wanken gerät (EN II 3, 1105a26–33). Auch unterscheidet sich der Tugendhafte vom Selbstbeherrschten (der dieselben Handlungen ausführen mag, sich aber dazu zwingen muss) dadurch, dass er an der Tugend Freude empfindet (EN II 2, 1104b3 ff.). Durch Gewöhnung ausgeprägt werden die Charaktertugenden, indem Übermaß und Mangel vermieden werden. Das Instrument der Mitte bestimmt die Charaktertugenden genauer. So ist beispielsweise die Tugend der Tapferkeit eine Mitte zwischen den Lastern Tollkühnheit und Feigheit. Grundlage für die Tugenden sind dabei sowohl die Handlungen als auch die Emotionen und Begierden. Nicht tapfer, sondern tollkühn ist jemand, der entweder in einer bestimmten Situation völlig furchtlos ist, obwohl die Situation bedrohlich ist, oder der in einer ernsten Bedrohungssituation seine Furcht ignoriert. Die Mitte besteht also – hier wie bei den anderen Charaktertugenden – darin, angemessene Emotionen zu haben und demgemäß angemessen zu handeln. Dabei ist diese Lehre von der Mitte vermutlich nicht in konkreten Situationen als normativ handlungsleitend, sondern nur als Beschreibungsinstrument der Charaktertugenden aufzufassen. Sie ist auch keine arithmetische Mitte, sondern eine Mitte für uns (pros hêmas), die die jeweilige Emotion, die Person sowie die Situation berücksichtigt. Diese Tabelle zeigt einige wichtige Charaktertugenden (EN II 7): Aristoteles definiert die Charaktertugend dementsprechend als
Im Kontext der Analyse des guten Lebens unterscheidet Aristoteles drei Lebensformen, die verschiedene Ziele verfolgen: # das Genussleben – mit dem Ziel Lust; # das politische Leben – mit dem Ziel Ehre; # das theoretische Leben – mit dem Ziel Erkenntnis (EN I 3). Das Genussleben im Sinne einer bloßen Befriedigung der Begierden hält Aristoteles für sklavisch und verwirft es. Gelderwerb und Reichtum als Ziel hält er nicht für eine Lebensform, da Geld immer nur Mittel zu einem Zweck, aber nie selbst Ziel ist. Er plädiert für das theoretische Leben als beste Lebensform. Die beste Tätigkeit, die in der Glücksdefinition gesucht wird, ist diejenige des Theoretikers, der auf Gebieten wie Philosophie, Mathematik usw. forscht und neue Erkenntnisse gewinnt, denn sie bedeutet Muße, dient keinem anderen Zweck, betätigt mit den Verstandestugenden das Beste im Menschen und weist die besten Erkenntnisgegenstände auf (EN X 7, 1177a18–35). Obwohl er das theoretische Leben für das bestmögliche hält, weist er darauf hin, dass die Betrachtung als Lebensform den Menschen als Menschen übersteigt und eher etwas Göttliches ist (EN X 7, 1177b26–31). Das zweitbeste Leben ist das politische. Es besteht in der Betätigung der Charaktertugenden, die den Umgang mit anderen Menschen sowie mit unseren Emotionen bestimmen. Da Charaktertugenden und Verstandestugenden einander nicht ausschließen, meint Aristoteles möglicherweise, dass selbst der Theoretiker, insofern er ein soziales und mit Emotionen ausgestattetes Wesen ist, sich im Sinne des zweitbesten Lebens betätigen muss. Aristoteles fasst die Betätigung der Verstandestugenden (zumindest der Klugheit) und der Charaktertugenden als wesentliche Elemente des Glücks auf. Aber auch äußere oder körperliche Güter und auch die Lust hält er für Bedingungen, die hilfreich oder sogar notwendig sind, um glücklich zu werden. Güter wie Reichtum, Freunde und Macht verwenden wir als Mittel. Fehlen einige Güter, wird das Glück getrübt, wie bei körperlicher Verunstaltung, Einsamkeit oder missratenen Kindern (EN I 9, 1099a31–1099b6). Aristoteles meint, das Genussleben führe nicht zum Glück. Er hält die Lust nicht für das oberste Gut. Gegenüber lustfeindlichen Positionen macht er jedoch geltend, dass das gute Leben Lust einschließen müsse und bezeichnet die Lust als ein Gut (EN VII 14). Auch meint er, man könne einen Tugendhaften, der „auf das Rad geflochten“ sei, nicht als glücklich bezeichnen (EN VII 14, 1153b18–20). Gegen Platons Auffassung, Lüste seien Prozesse (kinêsis), die einen Mangel beseitigen (wie Lust beim Durstlöschen), und somit sei das Vollenden des Prozesses besser als dieser selbst, argumentiert Aristoteles dafür, dass Lüste Tätigkeiten (energeia) sind, die kein Ziel außer sich aufweisen. Paradigmatische Fälle sind Wahrnehmen und Denken. Mit diesem Lustkonzept, das Lust als „unbehinderte Tätigkeit“ oder „Vervollkommnung der Tätigkeit“ definiert (EN VII 13, 1153a14 f.; X 4, 1174b33), macht er geltend, dass die Betätigung der Verstandestugenden und der Charaktertugenden lustvoll sein kann. Ob Lüste gut oder schlecht sind, hängt davon ab, ob die entsprechenden Tätigkeiten gut oder schlecht sind. Bei körperlichen Lüsten ist Letzteres etwa der Fall, wenn sie im Übermaß auftreten oder wenn sie gute Handlungen verhindern und so dem Glück abträglich sind.
Die politische Philosophie des Aristoteles schließt an seine Ethik an. Als umfassende Form aller Gemeinschaften besteht der Staat (polis) um des höchsten Gutes willen, des Glücks (EN I 1, 1094a26–b11; Pol. I 1, 1252a1–7). Die politische Philosophie fragt also nach den Bedingungen des Glücks hinsichtlich des Lebens im Staat. Hierfür analysiert er die Bestandteile jeder menschlichen Gemeinschaft und jedes Staates und untersucht, welche Verfassung (politeia) die beste ist und für welche besonderen Bedingungen welche Verfassung die richtige ist.
Aus der Sicht von Aristoteles besteht der Staat von Natur aus, weil der einzelne Mensch nicht für sich allein zu existieren vermag. Betrachtet man die aus den einzelnen Haushalten sich zusammensetzenden Teile des Staates, so liegen zunächst zwei grundlegende Beziehungen vor: die zwischen Mann und Frau, deren Zweck die Fortpflanzung ist, und die von Herr und Sklave, die dem Lebensunterhalt und der Besitzmehrung dient. (Pol. I 2, 1253b, 1253a und 1253b) Aristoteles rechtfertigt die Sklaverei, indem er sie als dem Prinzip von Herrschaft und Unterordnung entsprechend auffasst. Er vertritt die These, dass es Sklaven gibt, die von Natur aus zu nichts anderem bestimmt sind als zum Sklavendasein. Das begründet er damit, dass solche „Sklaven von Natur“ nur in geringem Maße Anteil an der Vernunft hätten; daher sei es nicht nur gerechtfertigt, sondern sogar für sie selbst vorteilhaft, dass sie ihr Leben als Sklaven verbringen müssen (Pol. I 5, 1254b20–23; 1255a1 f.). Allerdings ist sein Konzept unklar und widersprüchlich, da er die Freilassung von Sklaven grundsätzlich billigt und für die Unterscheidung zwischen akzidentellen Sklaven (etwa durch Kriegsgefangenschaft) und Sklaven von Natur keine klaren Kriterien nennt. Sein Rat, Sklaven als Lohn die Freiheit zu versprechen (Pol. VII 10, 1330a20 f.), widerspricht der Vorstellung eines „Sklaven von Natur“. Entsprechend argumentiert er auch für eine Unterordnung der Frau (Pol. VII 10, 1330a20 f.). Es sei für sie besser, vom Mann beherrscht zu werden, da ihre Urteilskraft schwächer sei als die männliche (Pol. I 5, 1254b10–15; I 13, 1259a12). Mehrere Haushalte ergeben ein Dorf, in dem Arbeitsteilung bessere Versorgung ermöglicht, und mehrere Dörfer einen Staat. Dieser ist autark in dem Sinne, dass er die Bedingungen für ein gutes Leben bereitstellen kann. Aristoteles unterscheidet den Grund der Entstehung des Staates von seinem Zweck. Der Staat entsteht zum Zweck des Überlebens, des Lebens an sich, sein Zweck aber ist das gute Leben: εὖ ζῆν = eu zēn = gut leben (Pol. I 2, 1252a25–1253a1). Nach Aristoteles gehört es zur Natur des Menschen, in Gemeinschaft zu leben, denn er ist ein „zôon politikon“, ein Lebewesen in der Polisgemeinschaft (Pol. I 2, 1253a3). Nur im Staat kann der Mensch das gute Leben verwirklichen. Wer des Staates nicht bedürfe, sei „entweder ein Tier oder ein Gott“ (Pol. I 2, 1253a29).
Eine Polis (ein Staat) besteht aus den freien Bürgern. Der Zweck des Staates ist immer das gute Leben. Militär- oder Handelsbündnisse, also Verträge, machen noch keinen Staat aus. Kennzeichnendes Merkmal eines bestimmten Staates ist seine Verfassung. Bürger sind die mit dem Bürgerrecht ausgestatteten Einwohner, die sich aktiv am politischen Geschehen (am Richten und Regieren) beteiligen (Pol. III 1, 1275a22). Den Bürger bestimmt Aristoteles also primär nicht über die Herkunft oder den Wohnort, sondern über die Partizipation an den politischen Institutionen des Staates. Entsprechend den damaligen Verhältnissen in Athen betrachtet Aristoteles Frauen, Kinder, Sklaven und Fremde nicht als Bürger. Ein Bürger darf auch nicht für seinen Lebensunterhalt arbeiten müssen. Lohnarbeiter und Handwerker können somit keine Bürger sein (Pol. III 5, 1278a11). Die jeweilige Verfassung eines Staates bestimmt genauer, wer Bürger ist und wer nicht. Theorie der Verfassungen In seiner Unterscheidung der verschiedenen Verfassungen stellt Aristoteles zwei Fragen: # Zu wessen Nutzen wird geherrscht? Bei der ersten Frage unterscheidet er drei mögliche Antworten: einer, wenige, viele. Bei der zweiten Frage unterscheidet er zwei mögliche Zustände und Nutznießer: die Verfassung ist gerecht, wenn zum Nutzen aller regiert wird; sie ist ungerecht oder verfehlt, wenn allein zum Nutzen der Herrschenden regiert wird (Pol. III 6, 1279a17–21). Auf dieser Grundlage entwirft er eine erste Staatsformenlehre mit sechs Verfassungen (Pol, III 6–8): Die verschiedenen Verfassungen wenden auf unterschiedliche Weise die distributive Gerechtigkeit an (Pol. III 9, 1280a7–22). Distributive Gerechtigkeit bestimmt er als die Verteilung proportional zur Leistung oder Würde (EN V 6). Kritik an schlechten Verfassungen Unter den schlechten, nicht am Gemeinwohl orientierten Verfassungen hält er die Tyrannis für die schlechteste, denn in ihr herrscht der Tyrann über den Staat im Sinne einer despotischen Alleinherrschaft wie der Herr über den Sklaven (Pol. III 8, 1279b16). Für etwas weniger schlecht erachtet er die durch die Herrschaft der Reichen gekennzeichnete Oligarchie, die ebenso wie die Tyrannis sehr instabil ist (Pol. V 12). Für den Grundirrtum der Oligarchie hält Aristoteles die Auffassung, dass die, die in einer Hinsicht (Besitz) ungleich sind, in allen Hinsichten ungleich seien. Entsprechend besteht der Grundirrtum der Demokratie in der Ansicht, dass die, die in einigen Hinsichten gleich sind, dies in allen seien (Pol. V 1, 1301a25–36). Die Demokratie hält Aristoteles für weniger schlecht als die Tyrannis und Oligarchie. Sie ist neben Gleichheit durch Freiheit gekennzeichnet. Freiheit bedeutet dabei, so zu leben wie man will, Gleichheit, dass das Regieren und Regiertwerden reihum geht (1317b2–12). Die absolute Freiheit, so zu leben wie man will, hält Aristoteles insofern für problematisch, als sie mit der Herrschaft der Verfassung in Konflikt steht (Pol. V 9, 1310a30–35). Gleichheit kritisiert er, wenn sie als totale arithmetische interpretiert wird, die dazu führe, dass die Herrschaft der Unvermögenden die Besitzenden enteignet. Dafür, dass Aristoteles die Beteiligung des „einfachen Volkes“ an der Herrschaft durchaus nicht rundweg abgelehnt hat, spricht ferner seine so genannte „Summierungsthese“ (Pol. III 11, 1281 a38–b9) und eine differenzierte Untersuchung der Formen der Volksherrschaft im Rahmen seiner zweiten Staatsformenlehre. Unter den guten Verfassungen ist die Monarchie (unter der Aristoteles nicht zwingend ein Königtum, sondern nur eine dem Gemeinwohl dienende Alleinherrschaft versteht) am wenigsten gut. Insofern sie nicht gesetzgebunden ist, ist sie eine bloße Herrschaftsform, teilweise kaum eine Verfassung, und insofern problematisch, als nur das Gesetz unbeeinflusst von Emotionen herrschen kann. Unter einer Aristokratie versteht er eine Herrschaft der Guten, das heißt derjenigen, die am meisten Anteil an der Tugend (aretê) haben, was nicht unbedingt Herrschaft eines Geburtsadels bedeuten muss. Da das Ziel des Staates, das gute Leben, in einer Aristokratie im höchsten Maße verwirklicht wird, hält Aristoteles sie (neben einer bestimmten Form der Monarchie, nämlich der Königsherrschaft) für die beste Verfassung (Pol. IV 2, 1289a30–32). Aristoteles diskutiert Verfassungstheorie allerdings nicht ohne Realitätsbezug. Oft ist aus seiner Sicht eine absolut beste Verfassung in einem bestimmten Staat nicht möglich. Was am besten für einen konkreten Staat ist, muss immer relativ zu den Umständen bestimmt werden (Pol. IV 1, 1288b21–33). Solche Überlegungen durchziehen die ganze Verfassungstheorie. Sie zeigen sich insbesondere im Modell der Politie, die Aristoteles als die bestmögliche für die meisten zeitgenössischen Staaten ansieht (Pol. IV 11, 1295a25). Sie ist eine Mischverfassung, die Elemente der Demokratie und der Oligarchie enthält. Dabei wird für die Bestrebungen nach Gleichheit auf der einen und nach Reichtum auf der anderen Seite ein Ausgleich geschaffen. Dieser Ausgleich wird unter anderem durch Ämterzuteilung nach Klassenzugehörigkeit erreicht (Pol. V 8, 1308b26). Auf diese Weise wird nach seiner Auffassung die Stabilität erhöht und sozialen Unruhen vorgebeugt (die in griechischen Staaten häufig waren). Besondere Stabilität verleiht dem Staat ein breiter Mittelstand (Pol. IV 11, 1295b25–38).
Der zentrale Begriff der aristotelischen Theorie der Dichtung, die er in seiner zu Lebzeiten nicht veröffentlichten Poetik (poiêtikê) ausarbeitet, ist die mimêsis, das heißt die „Nachahmung“ oder „Darstellung“. Neben der Dichtung im engeren Sinne (Epik, Tragödie, Komödie und Dithyrambendichtung) zählen auch Teile der Musik und der Tanz für Aristoteles zu den mimetischen Künsten (Poet. 1, 1447a). Abbildende Künste wie Malerei und Plastik behandelt Aristoteles nicht weiter, sondern erwähnt nur, dass sie ebenfalls nach dem Prinzip der Nachahmung arbeiten (Poet. 1, 1447a19 f.). Gemeinsam ist allen mimetischen Künsten die zeitliche Sukzession. Insofern lässt sich mimêsis als ästhetisches Handeln auffassen. In der Lust an der mimêsis sieht Aristoteles eine anthropologische, allen Menschen gemeinsame Grundgegebenheit. Denn die Freude an ihr sowie an ihren Produkten ist den Menschen angeboren, da sie gerne lernen (Poet. 4, 1448b5-15). Im Gegensatz zu den anderen mimetischen Künsten ist für die Dichtung die Verwendung von Sprache spezifisch. Alle Dichtung ist zudem Darstellung von Handlungen; allerdings nicht von tatsächlich Geschehenem, sondern von dem, „was geschehen könnte, das heißt das nach den Regeln der Wahrscheinlichkeit oder Notwendigkeit Mögliche“ (Poet. 9, 1451a37 f.). Dargestellt werden Handlungen, die etwas über den Menschen im Allgemeinen aussagen, nicht über zufällige und beliebige Verhältnisse. Ziel ist nicht die Nachahmung von Menschen; nicht auf Figuren oder Charaktere, sondern auf Handlungen kommt es an; Erstere sind nur Mittel (Poet. 6, 1450a26–23). Aristoteles klassifiziert vier Formen der existierenden Dichtung nach zwei Kriterien: (i) der Art der Darstellung von Handlung und (ii) der Art der dargestellten Figuren. Dramatische Darstellung ist dadurch gekennzeichnet, dass die jeweilige Figur selbst die Handlung darstellt, berichtende dadurch, dass über die Handlung berichtet wird. Mit „besser“ und „schlechter“ sind die Figuren und ihre Handlungen gemeint. Bessere Figuren oder Charaktere sind etwas besser als wir selbst, schlechtere schlechter; beides aber nie so weit, dass wir uns nicht mehr mit ihnen identifizieren können (Poet. 5, 1449a31–1449b13). Aristoteles vertritt dabei die Hypothese, dass die Tragödie aus dem Epos und die Komödie aus dem Spottlied entstanden ist (Poet. 4, 1449a2–7). Eine Untersuchung der Komödie kündigt Aristoteles an. Sie ist aber – wie auch eine des Spottliedes – nicht überliefert. Das Epos behandelt er recht kurz. Seine überlieferte Dichtungstheorie ist daher primär eine Tragödientheorie. , der seine Kinder den Göttern anvertraut (1784) von Bénigne Gagneraux. In seiner Poetik verwendet Aristoteles die Tragödie Ödipus Tyrannos von Sophokles als Beispiel dafür, wie die perfekte Tragödie aufgebaut sein sollte, mit einem im Allgemeinen guten Protagonisten, der zu Beginn des Stücks wohlhabend ist, aber durch eine Hamartie (Fehler) alles verliert. Aristoteles definiert die Tragödie als eine Dieser kurze Satz ist eine der meistdiskutierten Passagen im gesamten Werk des Aristoteles. (3) nennt das dramatisch-darstellende Element. (1) nennt (neben oben schon genannten Aspekten) die (später sogenannte) Einheit der Handlung. Die Einheit des Ortes und der Zeit wurde in der Renaissance der aristotelischen Tragödientheorie zugeschrieben, er vertrat sie aber selbst so nicht. (2) bezieht sich darauf, dass die Sprache der Tragödie Melodie und Rhythmus aufweist. Die weitaus meiste Aufmerksamkeit hat (4) erhalten, insbesondere (4b). Emotionserregung und Katharsis In (4) beschreibt Aristoteles die Funktion der Tragödie, das was sie leisten soll. Weitgehend unumstritten ist nur (4a): Beim Zuschauer sollen durch die dargestellte Handlung die Emotionen Mitleid und Furcht erregt werden. Unklar ist allerdings, ob eleos und phobos tatsächlich mit „Mitleid“ und „Furcht“ oder mit „Elementareffekten“ „Jammer“ und „Schauder“ wiederzugeben sind. Dass die Handlung selbst und nicht die Aufführung die entscheidende Rolle bei der Emotionserregung spielt, ist daraus ersichtlich, dass Aristoteles auch die gelesene Tragödie durch seine Theorie berücksichtigt sieht. Mitleid wird erregt, wenn die Protagonisten unverdient Unglück erleiden, Furcht, wenn sie dabei dem Zuschauer (oder Leser) ähnlich sind. (4b) ist höchst kontrovers, da die Funktionsweise nicht weiter erläutert ist. Das Wort Katharsis, das als Metapher (wie „Reinigung“ im Deutschen) einen Sinnüberschuss aufweist, hat zu den verschiedensten Deutungen Anlass gegeben, insbesondere weil es schon vor Aristoteles verwendet wurde, nämlich unter anderem in der Medizin (Reinigung durch Brech- und Abführmittel) und in religiösen Kulten (Reinigung von unreinen Personen durch religiöse Praktiken). Die grammatikalische Konstruktion Reinigung der Emotionen lässt dabei verschiedene Deutungen zu, worin die Reinigung besteht. Vermutlich sollen die Emotionen selbst (durch eine Emotionserregung) gereinigt werden; die Aussage ist aber auch als Reinigung von den Emotionen verstanden worden. Der normativ-deskriptive Charakter der Tragödientheorie Aristoteles’ Tragödientheorie weist zwei Typen von Aussagen auf. Zum einen untersucht er die Grundlagen der Dichtung, unterscheidet verschiedene Arten von ihr und nennt Teile einer Tragödie und deren Funktionsweise. Zum anderen spricht er aber auch davon, was eine gute Tragödie ist und was der Dichter entsprechend machen soll. So äußert er etwa, dass in einer guten Tragödie ein Protagonist weder aufgrund seines guten noch seines schlechten Charakters vom Glück ins Unglück gerät, sondern aufgrund eines Fehlers (Hamartie), beispielsweise wie Ödipus aufgrund von Unwissenheit. Nur eine schlechte Tragödie würde zeigen, wie ein guter Charakter vom Glück ins Unglück oder ein schlechter vom Unglück ins Glück gerät. Der Grund hierfür ist die Funktion der Tragödie, das Bewirken von Mitleid und Furcht. In schlechten Tragödien würden Mitleid und Furcht nicht erregt werden, in guten ist dies aufgrund der Beschaffenheit des Protagonisten und des Fehlers als Ursache des Unglücks der Fall (Poet. 13, 1452b28–1453a12).
Von Aristoteles ist zudem ein Hymnos an Aretê überliefert, den er in Erinnerung an seinen Freund Hermias verfasst hat.
Die Lehre des Aristoteles hat auf seine Schule, den Peripatos, nach seinem Tode weit weniger Einfluss ausgeübt als Platons Lehre auf dessen Akademie. Aristoteles wurde keine Verehrung zuteil, die mit derjenigen Platons bei den Platonikern vergleichbar wäre. Dies bedeutete einerseits Offenheit und Flexibilität, andererseits Mangel an inhaltlich begründetem Zusammenhalt. Die Peripatetiker widmeten sich vor allem empirischer Naturforschung, aber unter anderem auch der Ethik, Seelenlehre und Staatstheorie. Dabei kamen Aristoteles’ Schüler Theophrastos, sein Nachfolger als Leiter der Schule, und dessen Nachfolger Straton zu teilweise anderen Ergebnissen als der Schulgründer. Nach Stratons Tod (270/268 v. Chr.) begann eine Periode des Niedergangs. s aus dem 16. Jahrhundert, heute in Berlin, Skulpturensammlung Das Studium und die Kommentierung der Schriften des Aristoteles wurde damals im Peripatos anscheinend vernachlässigt, jedenfalls weit weniger eifrig betrieben als das Platonstudium in der konkurrierenden Akademie. Erst im ersten Jahrhundert v. Chr. sorgte Andronikos von Rhodos für eine Zusammenstellung der Lehrschriften (Pragmatien) des Aristoteles, und auch bei deren Auslegung durch die Peripatetiker kam es zu einem Aufschwung. Die für die Öffentlichkeit bestimmten „exoterischen“ Schriften, insbesondere die Dialoge, waren lange populär, gingen aber in der römischen Kaiserzeit verloren. Cicero, der in seinen Dialogen dem Muster der verlorenen Dialoge des Aristoteles folgte, hat sie noch gekannt. Die Peripatetiker betrachteten die Lehrschriften als speziell für ihren internen Unterrichtsgebrauch bestimmt. In der römischen Kaiserzeit war der einflussreichste Repräsentant des Aristotelismus Alexander von Aphrodisias, der gegen die Platoniker die Sterblichkeit der Seele vertrat. Obwohl Aristoteles großen Wert auf die Widerlegung von Kernbestandteilen des Platonismus gelegt hatte, waren es gerade die Neuplatoniker, die in der Spätantike einen maßgeblichen Beitrag zur Erhaltung und Verbreitung seiner Hinterlassenschaft leisteten, indem sie seine Logik übernahmen, kommentierten und in ihr System integrierten. Eine besonders wichtige Rolle spielten dabei im 3. Jahrhundert n. Chr. Porphyrios, im 5. Jahrhundert Proklos, Ammonios Hermeiou (der in Alexandria die Tradition der Aristoteles-Kommentierung begründete) und im 6. Jahrhundert Simplikios, der bedeutende Aristoteleskommentare verfasste. Im 4. Jahrhundert schrieb Themistios Paraphrasen zu Werken des Aristoteles, die eine starke Nachwirkung erzielten. Er war unter den spätantiken Kommentatoren der einzige (wenn auch neuplatonisch beeinflusste) Aristoteliker; die anderen befassten sich mit dem Aristotelismus aus neuplatonischer Perspektive und strebten eine Synthese platonischer und aristotelischer Auffassungen an, wobei oft ein Übergewicht der platonischen erkennbar ist. Noch zu Beginn des 7. Jahrhunderts kommentierte der angesehene, in Konstantinopel lehrende christliche Philosoph Stephanos von Alexandria Werke des Aristoteles. Bei den prominenten antiken Kirchenvätern war Aristoteles wenig bekannt und unbeliebt, manche verachteten und verspotteten seine Dialektik. Sie verübelten ihm, dass er das Universum für ungeschaffen und unvergänglich hielt und die Unsterblichkeit der Seele bezweifelte (oder nach ihrem Verständnis bestritt). Ein positiveres Verhältnis zu Aristoteles hatten hingegen manche christliche Gnostiker und andere häretische Christen: Arianer (Aëtios von Antiochia, Eunomius), Monophysiten, Pelagianer und Nestorianer – ein Umstand, der den Philosophen für die kirchlichen Autoren erst recht suspekt machte. Syrer – monophysitische wie nestorianische – übersetzten das Organon in ihre Sprache und setzten sich intensiv damit auseinander. Im 6. Jahrhundert schrieb Johannes Philoponos Aristoteles-Kommentare, übte aber auch scharfe Kritik an der aristotelischen Kosmologie und Physik. Er war mit seiner Impetustheorie ein Vorläufer spätmittelalterlicher und frühneuzeitlicher Kritik an der aristotelischen Bewegungslehre.
Im Byzantinischen Reich des Frühmittelalters wurde Aristoteles wenig beachtet. Sein Einfluss machte sich vorwiegend indirekt geltend, nämlich über die meist neuplatonisch gesinnten spätantiken Autoren, die Teile seiner Lehre übernommen hatten. Daher war Vermischung mit neuplatonischem Gedankengut von vornherein gegeben. Bei Johannes von Damaskus tritt die aristotelische Komponente deutlich hervor. Im 11. und 12. Jahrhundert kam es zu einer Wiederbelebung des Interesses an aristotelischer Philosophie: Michael Psellos, Johannes Italos und dessen Schüler Eustratios von Nikaia (beide wegen Häresie verurteilt) sowie der primär philologisch orientierte Michael von Ephesos schrieben Kommentare. Die Kaisertochter Anna Komnena förderte diese Bestrebungen. Im islamischen Raum dagegen setzte die Wirkung der Werke des Aristoteles früh ein und war breiter und tiefer als in der Spätantike und im europäischen Früh- und Hochmittelalter. Der Aristotelismus dominierte qualitativ und quantitativ gegenüber der übrigen antiken Tradition. Schon im 9. Jahrhundert waren die meisten Werke des Aristoteles, häufig durch vorangehende Übersetzung ins Syrische vermittelt (der erste syrische Aristoteleskommentator war Sergios von Resaina), in arabischer Sprache verfügbar, ebenso antike Kommentare. Hinzu kam ein reichhaltiges unechtes (pseudo-aristotelisches) Schrifttum teilweise neuplatonischen Inhalts, darunter Schriften wie die Theologie des Aristoteles und der Kalam fi mahd al-khair (Liber de causis). Die aristotelischen Ideen waren von Anfang an mit neuplatonischen vermischt, und man glaubte an eine Übereinstimmung der Lehren Platons und des Aristoteles. In diesem Sinne deuteten al-Kindī (9. Jahrhundert) und al-Fārābī (10. Jahrhundert) und die ihnen folgende spätere Tradition den Aristotelismus; bei ibn Sina (Avicenna) trat das neuplatonische Element stärker in den Vordergrund. Einen relativ reinen Aristotelismus vertrat hingegen im 12. Jahrhundert ibn Rušd (Averroes), der zahlreiche Kommentare schrieb und die aristotelische Philosophie gegen al-Ghazālī verteidigte. Muslimische Gelehrte des Mittelalters bezeichneten Aristoteles oft als den „Ersten Lehrer“. Der Titel „Lehrer“ wurde Aristoteles zuerst von muslimischen Gelehrten verliehen und später von westlichen Philosophen verwendet (wie in dem berühmten Gedicht von Dante), die von der Tradition der islamischen Philosophie beeinflusst waren. Im lateinischen Mittelalter war zunächst bis ins 12. Jahrhundert nur ein kleiner Teil des Gesamtwerks des Aristoteles verbreitet, nämlich zwei der logischen Schriften (Kategorien und De interpretatione), die Boethius im frühen 6. Jahrhundert übersetzt und kommentiert hatte, zusammen mit der Einleitung des Porphyrios zur Kategorienlehre. Dieses Schrifttum, später als Logica vetus bezeichnet, bildete die Grundlage des Logikunterrichts. Mit der großen Übersetzungsbewegung des 12. und 13. Jahrhunderts änderte sich diese enge Begrenzung. Im 12. Jahrhundert wurden die bisher fehlenden logischen Schriften (Analytica priora und posteriora, Topik, Sophistische Widerlegungen) in lateinischer Sprache verfügbar; sie machten die Logica nova aus. Dann wurden eines nach dem anderen fast alle restlichen Werke zugänglich (teils erst im 13. Jahrhundert). Die meisten Schriften wurden mehrmals ins Lateinische übertragen (entweder aus dem Arabischen oder aus dem Griechischen). Michael Scotus übersetzte Aristoteleskommentare des Averroes aus dem Arabischen. Sie wurden eifrig benutzt, was in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts zur Entstehung des lateinischen Averroismus führte, der ein für damalige Verhältnisse relativ konsequenter Aristotelismus war. Im Lauf des 13. Jahrhunderts wurden die Schriften des Aristoteles als Standardlehrbücher zur Grundlage der an den Universitäten (in der Fakultät der Freien Künste) betriebenen scholastischen Wissenschaft; 1255 wurden seine Logik, Naturphilosophie und Ethik an dieser Fakultät der Pariser Universität als Lehrstoff vorgeschrieben. Die Führungsrolle kam der Pariser und der Oxforder Universität zu. Wegweisend waren die Aristoteleskommentare des Albertus Magnus. Das Verfassen von Aristoteleskommentaren wurde eine Hauptbeschäftigung der Magister, und viele von ihnen hielten die kommentierten Lehrbücher für irrtumsfrei. Besonders intensiv studierte man neben der aristotelischen Methodik die Wissenschaftstheorie, um sie als Basis für ein hierarchisch geordnetes System der Wissenschaften zu verwenden. von Raffael (1510–1511) Widerstand erhob sich allerdings von theologischer Seite gegen einzelne Lehren, vor allem gegen die Thesen von der Ewigkeit der Welt und der absoluten Gültigkeit der Naturgesetze (Ausschluss von Wundern), sowie gegen den Averroismus. Daher kam es 1210, 1215, 1231, 1245, 1270 und 1277 zu kirchlichen Verurteilungen von Lehrsätzen und zu Aristotelesverboten. Sie richteten sich aber nur gegen die naturphilosophischen Schriften oder gegen einzelne Thesen und konnten den Siegeszug des Aristotelismus nur vorübergehend hemmen. Diese Verbote betrafen nur Frankreich (vor allem Paris), in Oxford galten sie nicht. Aristoteles wurde „der Philosoph“ schlechthin: mit Philosophus (ohne Zusatz) war immer nur er gemeint, mit Commentator Averroes. Gegenpositionen (vor allem in der Erkenntnistheorie und Anthropologie) vertraten Anhänger der platonisch beeinflussten Lehren des Augustinus, besonders Franziskaner („Franziskanerschule“). Ein prominenter Kritiker des Aristotelismus war der Franziskaner Bonaventura. Ein anderer Franziskaner, Petrus Johannis Olivi, stellte um 1280 missbilligend fest: „Man glaubt ihm (Aristoteles) ohne Grund – wie einem Gott dieser Zeit.“ Schließlich setzte sich das von dem Dominikaner Thomas von Aquin abgewandelte und weiterentwickelte aristotelische Lehrsystem (Thomismus) durch, zunächst in seinem Orden und später in der gesamten Kirche. Allerdings schrieb man weiterhin neuplatonische Schriften zu Unrecht dem Aristoteles zu, wodurch das Gesamtbild seiner Philosophie verfälscht wurde. Dante würdigte in seiner Göttlichen Komödie Bedeutung und Ansehen des Aristoteles, indem er ihn als „Meister“ darstellte, der von den anderen antiken Philosophen bewundert und geehrt wird; jedoch verwarf Dante manche aristotelische Lehren. Die Politik des Aristoteles wurde erst um 1260 von Wilhelm von Moerbeke ins Lateinische übersetzt und dann von Thomas von Aquin und anderen Scholastikern kommentiert und zitiert. Besonders die Rechtfertigung der Sklaverei bzw. Knechtschaft stieß bei den Gelehrten auf Interesse und grundsätzliche Zustimmung. Die Politik regte Kommentatoren und Verfasser politischer Traktate zu Erörterungen über Vor- und Nachteile von Erb- bzw. Wahlmonarchie sowie von absoluter bzw. ans Gesetz gebundener Herrschaft an. In der Epoche des Übergangs vom Spätmittelalter zur Frühen Neuzeit setzte sich Nikolaus von Kues kritisch mit Aristoteles auseinander. Er stellte sich Aristoteles als fiktiven Gesprächspartner vor, dem man die Berechtigung der cusanischen Lehre von der Coincidentia oppositorum einsichtig machen könnte, obwohl Aristoteles sie nach seinem Satz vom Widerspruch hätte verwerfen müssen.
In der Renaissance fertigten Humanisten neue, viel leichter lesbare Aristotelesübersetzungen ins Lateinische an, weshalb man weniger auf die Kommentare angewiesen war. Bedeutend sind u. a. die Übersetzungen der Nikomachischen Ethik und der Politik durch Leonardo Bruni. Man begann aber auch, die griechischen Originaltexte zu lesen. Es kam zu heftigem Streit zwischen Platonikern und Aristotelikern, wobei die beteiligten Humanisten mehrheitlich zu Platon neigten. Es gab in der Renaissance aber auch bedeutende Aristoteliker wie Pietro Pomponazzi (1462–1525) und Jacopo Zabarella (1533–1589), und es entstanden damals im Abendland mehr Aristoteleskommentare als während des gesamten Mittelalters. Wie im Mittelalter herrschte auch noch bei vielen Renaissance-Gelehrten das Bestreben vor, platonische und aristotelische Standpunkte untereinander und mit der katholischen Theologie und Anthropologie zu versöhnen. Seit dem 15. Jahrhundert war es aber möglich, dank des besseren Zugangs zu den Quellen das Ausmaß der fundamentalen Gegensätze zwischen Platonismus, Aristotelismus und Katholizismus besser zu verstehen. Bei der Vermittlung dieser Erkenntnisse spielte der byzantinische Philosoph Georgios Gemistos Plethon eine wichtige Rolle. Unabhängig davon herrschte der (neu)scholastische Aristotelismus, der die mittelalterliche Tradition fortsetzte, mit seiner Methode und Terminologie an Schulen und Universitäten noch bis tief in die Neuzeit, auch in den lutherischen Gebieten, obwohl Martin Luther den Aristotelismus ablehnte. Im sechzehnten Jahrhundert unternahmen Bernardino Telesio und Giordano Bruno Frontalangriffe auf den Aristotelismus, und Petrus Ramus trat für eine nichtaristotelische Logik ein (Ramismus). Bereits Giovanni Battista Benedetti (1530–1590) widerlegte 1554 in seinem Werk Demonstratio proportionum motuum localium contra Aristotilem et omnes philosophos in einem simplen Gedankenexperiment die aristotelische Annahme, dass Körper im freien Fall umso schneller fallen, je schwerer sie sind: Zwei gleiche Kugeln, die durch eine (masselose) Stange fest verbunden werden, fallen mit derselben Geschwindigkeit wie jede der beiden Kugeln allein. Aber erst seit dem 17. Jahrhundert verdrängte ein neues Wissenschaftsverständnis die aristotelisch-scholastische Tradition. Den Umschwung in der Physik leitete Galileo Galilei ein. 1647 konnte die von Aristoteles aufgestellte Hypothese eines Horror Vacui von Blaise Pascal mit dem Versuch Leere in der Leere widerlegt werden. Erst in der 1687 veröffentlichten Schrift Philosophiæ Naturalis Principia Mathematica von Isaac Newton wurde mit dem Trägheitsprinzip ein Fundament der neuen klassischen Mechanik errichtet, das die aristotelischen Annahmen ersetzte. In der Biologie konnten sich aristotelische Auffassungen bis ins 18. Jahrhundert halten. Sie erwiesen sich teilweise als fruchtbar. So ging William Harvey bei der Entdeckung des Blutkreislaufs von dem Prinzip des Aristoteles aus, dass die Natur nichts Unnötiges hervorbringt, und wendete es auf die Beschaffenheit der Blutgefäße und Herzkammern, von denen Aristoteles fälschlich drei annahm, an. Charles Darwin bezeichnete 1879 Aristoteles als „einen der größten Beobachter (wenn nicht den größten), die jemals gelebt haben“. Sehr stark und anhaltend war die Nachwirkung von Aristoteles’ Poetik, insbesondere seiner Tragödientheorie (→ Regeldrama). Sie prägte Theorie und Praxis des Theaters während der gesamten Frühen Neuzeit, abgesehen von manchen gewichtigen Ausnahmen besonders in Spanien und England (Shakespeare). Die Poetik lag seit 1278 in lateinischer Übersetzung vor, 1498 und 1536 erschienen humanistische Übersetzungen. Auf ihr fußte die Poetik des Julius Caesar Scaliger (1561), die Dichtungslehre von Martin Opitz (1624), die französische Theaterlehre des 17. Jahrhunderts (doctrine classique) und schließlich die von Johann Christoph Gottsched geforderte Regelkunst (Critische Dichtkunst, 1730). Im 19. Jahrhundert setzte insbesondere in Deutschland die intensive philologische Auseinandersetzung mit dem Werk des Aristoteles ein. 1831 erschien die von der Preußischen Akademie der Wissenschaften in Auftrag gegebene und durch Immanuel Bekker besorgte Gesamtausgabe. Hermann Bonitz verfasste zahlreiche Übersetzungen und den noch heute maßgeblichen Index Aristotelicus. Ende des 19. Jahrhunderts wurde unter der Leitung von Hermann Diels ebenfalls in der in Berlin ansässigen Akademie die 15.000 Seiten umfassende Ausgabe der antiken griechischen Aristoteles-Kommentare (Commentaria in Aristotelem Graeca) veröffentlicht. Infolge der intensiven philologischen Auseinandersetzung wurde Anfang des 20. Jahrhunderts das lange vorherrschende Bild, das Corpus Aristotelicum sei ein als Ganzes komponiertes philosophisches System, vor allem von Werner Jaeger revidiert. Die moderne Aristotelesforschung wurde in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts neben Jaeger vor allem von William David Ross in Oxford bestimmt; zahlreiche Schüler sorgten für eine zunehmende Beschäftigung mit Aristoteles nicht nur in den philologischen, sondern auch den philosophischen Abteilungen angelsächsischer Universitäten, die bis heute anhält. Martin Heideggers Seinsanalyse der Fundamentalontologie geschah in intensiver Auseinandersetzung mit Aristoteles, was auch für Schüler wie Hans-Georg Gadamer gilt. Den größten Einfluss hatte Aristoteles im 20. Jahrhundert in der Ethik (Tugendethik) und der politischen Philosophie (in Deutschland insbesondere in der Schule um Joachim Ritter, im angelsächsischen Raum im Kommunitarismus). In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts griff die zuvor metaphysikkritische analytische Philosophie Aristoteles’ Substanztheorie explizit (etwa David Wiggins: Sameness and Substance, die Vier-Kategorien-Ontologie von E. J. Lowe oder die Ontologie von Barry Smith) oder seinen Essentialismus implizit auf (z. B. Kripke). Nach ihm ist der Mondkrater Aristoteles benannt. Gleiches gilt seit 1995 für den Asteroiden (6123) Aristoteles und seit 2012 für die Aristotle Mountains im Grahamland auf der Antarktischen Halbinsel.
des Langenscheidt-Verlags * Diverse Herausgeber in der Reihe Oxford Classical Texts (OCT) bei Oxford University Press * Diverse Herausgeber und Übersetzer in der Reihe Loeb Classical Library (LCL) bei Harvard University Press (griechischer Text mit englischer Übersetzung) * Ernst Grumach, Hellmut Flashar (Hrsg.): Aristoteles, Werke in deutscher Übersetzung. 20 Bände, Akademie Verlag, Berlin 1956 ff. (mit extensivem und in der Regel sehr gutem Kommentar) * Jonathan Barnes (Hrsg.): The Complete Works of Aristotle. The revised Oxford translation. 2 Bände. Princeton (New Jersey) 1984, 6. Auflage 1995, ISBN 0-691-09950-2 (Sammlung der maßgeblichen englischen Übersetzungen) * Aristoteles: Philosophische Schriften in sechs Bänden. Felix Meiner, Hamburg 1995, ISBN 3-7873-1243-9 (Übersetzungen; diverse Übersetzer) * Immanuel Bekker (Hrsg.): Aristotelis opera. 2. Auflage. besorgt von Olof Gigon. De Gruyter, Berlin 1960–1987 ** Band 1. 1960 (Nachdruck der Ausgabe von 1831 mit Verzeichnis neuerer Einzelausgaben). ** Band 2. 1960 (Nachdruck der Ausgabe von 1831 mit Verzeichnis neuerer Einzelausgaben). ** Band 3. Librorum deperditorum fragmenta, hrsg. von Olof Gigon, 1987, ISBN 3-11-002332-6. ** Band 4. Scholia in Aristotelem, hrsg. von Christian August Brandis; Supplementum scholiorum, hrsg. von Hermann Usener; Vita Marciana, hrsg. von Olof Gigon, 1961 (Nachdruck der Scholia-Ausgabe von 1836 und der Supplementum-Ausgabe von 1870; Vita Marciana als Neuausgabe). ** Band 5. Index Aristotelicus, hrsg. von Hermann Bonitz, 2. Auflage besorgt von Olof Gigon, 1961
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Abraham Lincoln
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Abraham Lincoln (* 12. Februar 1809 bei Hodgenville, Hardin County, heute: LaRue County, Kentucky; † 15. April 1865 in Washington, D.C.) amtierte von 1861 bis 1865 als 16. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. Nach seiner erfolgreichen Wahl im Jahr 1860 gelang ihm 1864 die Wiederwahl für eine zweite Amtszeit. Er war der erste US-Präsident aus den Reihen der Republikanischen Partei und der erste, der einem Attentat zum Opfer fiel. Lincolns Präsidentschaft gilt als eine der bedeutendsten in der Geschichte der Vereinigten Staaten: Nach der Wahl des Sklavereigegners traten elf der sklavenhaltenden Südstaaten aus der Union aus und bildeten die Konföderierten Staaten von Amerika. Lincoln führte die verbliebenen Nordstaaten durch den daraus entstandenen Sezessionskrieg und setzte die Wiederherstellung der Union durch. Mit seiner Emanzipationsproklamation (1862) und dem 13. Zusatzartikel zur Verfassung legte er den rechtlichen Grundstein zur erfolgreichen Abschaffung der Sklaverei in den USA. Unter Lincolns Präsidentschaft schlug das Land endgültig den Weg zum zentral regierten, modernen Industriestaat ein und schuf so die Basis für seinen Aufstieg zur Weltmacht im 20. Jahrhundert.
, in der Lincoln von 1816 bis 1830 lebte (Lincoln Boyhood National Memorial)
Abraham Lincoln wurde am 12. Februar 1809 in einer einfachen Blockhütte auf der Sinking Spring Farm nahe dem Dorf Hodgenville, im US-Bundesstaat Kentucky geboren (siehe hier). Seine Eltern waren der Landwirt und Zimmerer Thomas Lincoln (1778–1851) und dessen Ehefrau Nancy Hanks Lincoln (1784–1818), die beide aus Virginia stammten. Zur Familie gehörten noch seine ältere Schwester Sarah (1807–1828) sowie ein 1812 geborener Bruder Thomas jr., der jedoch schon kurz nach der Geburt verstarb. Der Familienstammbaum geht auf Samuel Lincoln (1622–1690) zurück, der aus der ostenglischen Grafschaft Norfolk nach Amerika ausgewandert war und sich in der Massachusetts Bay Colony niedergelassen hatte. Als frommer Baptist lehnte Lincolns Vater die in Kentucky erlaubte Sklaverei ab, obwohl einige seiner Verwandten Sklavenhalter waren. Aufgrund von Landstreitigkeiten verließ die Familie Ende 1816 Kentucky und zog nach Little Pigeon Creek im Südwesten des sklavenfreien Indiana-Territoriums, dem heutigen Spencer County. Auch hier lebten sie in einer einfachen Blockhütte, die der Vater erbaut hatte (siehe hier). 1818 starb Lincolns Mutter an der so genannten Milchkrankheit und mit neun Jahre wurde er Halbwaise. Im Folgejahr heiratete Thomas Lincoln die Witwe Sarah Bush Johnston (1788–1869), die drei eigene Kinder in die Ehe mitbrachte. Zeitlebens pflegte Abraham Lincoln eine warmherzige Beziehung zu seiner Stiefmutter, auch weil sie, anders als sein Vater, sein Streben nach Bildung unterstützte. Die Bildungsmöglichkeiten an der kaum erschlossenen Frontier, der Siedlungsgrenze zur Wildnis, waren äußerst begrenzt. Auch in der Region von Indiana gab es nur sporadisch betriebene Einraum-Schulen in Blockhütten, in denen die Kinder aller Jahrgänge gemeinsam unterrichtet wurden. Viel mehr als Grundkenntnisse im Lesen, Schreiben und Rechnen wurde dort nicht vermittelt. Die Schüler lernten meist durch gemeinsames Rezitieren. Selbst diese Art des Unterrichts hat Lincoln nur sehr unregelmäßig genossen. Von 1816 bis 1827 besuchte er zwar verschiedene Schulen in und um das heutige Cannelton, zwischen seinem 11. und seinem 15. Lebensjahr aber nicht länger als insgesamt ein Jahr. Seine umfassende Bildung hat er sich vor allem als Autodidakt angeeignet. Der junge Lincoln war lesehungrig und verschlang jedes Buch, dessen er habhaft werden konnte. Neben der King-James-Bibel beeinflussten ihn vor allem die Dramen William Shakespeares sowie Werke von Homer, Vergil, John Dryden, John Milton und Daniel Defoe. Seine Belesenheit und Gewandtheit im Ausdruck wurden bald im näheren Umkreis bekannt, so dass Nachbarn ihn schon als Jugendlichen baten, Briefe für sie aufzusetzen. Im Wesentlichen aber bestand Lincolns Leben damals aus der harten und ungeliebten Feldarbeit mit seinem Vater. Thomas Lincoln lieh seinen Sohn gegen Bezahlung auch an Nachbarn aus, wenn diese Unterstützung benötigten. Bis zu seinem 19. Lebensjahr teilte Abraham Lincoln das Pionierdasein seiner Familie in Indiana. 1830 zogen die Lincolns erneut weiter nach Westen, ins Macon County in Illinois. Kurz darauf verließ Abraham das Elternhaus und ließ sich im Präriestädtchen New Salem im benachbarten Sangamon County (heute Menard County) nieder, wo er eine Stelle als Kaufmannsgehilfe annahm. In den nächsten Jahren war er dort auch als Landvermesser und Posthalter tätig. In seiner Freizeit betätigte er sich damals als Ringer. Er war 1830 Meister in seinem County und musste in den folgenden zehn Jahren nur eine Niederlage hinnehmen. Das städtische Amerika lernte er erstmals im Jahr 1831 kennen, in dem er als Flößer auf dem Ohio River und dem Mississippi flussabwärts bis nach New Orleans fuhr.
Im Jahr 1832 nahm Lincoln als Freiwilliger am Kriegszug gegen die Sauk-Indianer unter Häuptling Black Hawk teil, ohne aber in Kämpfe verwickelt zu werden. Seine Kameraden wählten ihn bei dieser Gelegenheit zum Captain. Dies und die Tatsache, dass er sich in einem Debattierclub in New Salem als guter Redner erwiesen hatte, ermutigten ihn, noch im selben Jahr für das Repräsentantenhaus von Illinois zu kandidieren. Als Parteigänger der Whigs trat er im Wahlkampf für den Ausbau der Verkehrswege und eine Verbesserung des Schulwesens ein. Im ersten Anlauf scheiterte Lincoln, aber 1834 errang er das Mandat, das er über vier Legislaturperioden bis 1842 behalten sollte.
Das Staatsparlament von Illinois hatte bis 1839 seinen Sitz in der ersten Landeshauptstadt Vandalia. Als Honest Abe – ehrlicher Abe –, ein Spitzname, der ihm bleiben sollte, erwarb sich Abraham Lincoln dort rasch so viel Vertrauen, dass er zum Sprecher des Finanzausschusses und bereits mit 27 Jahren zum Parteiführer der oppositionellen Whigs gewählt wurde. Aus dem Jahr 1837 datiert seine erste öffentliche Stellungnahme gegen die Sklaverei. In einer Parlamentsdebatte stellte er fest, „dass die Institution der Sklaverei auf Ungerechtigkeit und schlechte Politik zurückzuführen ist“. In den ersten Jahren seiner politischen Tätigkeit absolvierte Lincoln ein diszipliniertes Selbststudium der Rechtswissenschaften; 1836 wurde er zur Anwaltskammer von Illinois zugelassen. Im folgenden Jahr gründete er mit dem Rechtsanwalt John T. Stuart eine gemeinsame Kanzlei in der neuen Hauptstadt von Illinois, Springfield. Doch auch als Anwalt lebte Lincoln noch lange in äußerst bescheidenen Verhältnissen. Während seiner Zeit in Springfield näherte sich Lincoln den Freimaurern an, die damals hohes Ansehen genossen. Obwohl er der Vereinigung wohlwollend gegenüberstand, wurde er jedoch nie – wie später irrtümlich behauptet – ihr Mitglied. Kurz vor seiner Wahl zum Präsidenten zog er ein Gesuch um Aufnahme in die Tyrian Lodge No. 333 in Springfield zurück, weil er diesen Schritt nicht als Wahlkampftaktik missverstanden sehen wollte.
Im Jahr 1842 heiratete Abraham Lincoln Mary Todd, die einer reichen Familie von Pflanzern und Sklavenhaltern aus Kentucky entstammte. Bei den Todds stieß diese Verbindung auf erheblichen Widerstand, da Lincoln nur wenig Vermögen besaß und seine politischen Ansichten den ihren weitgehend widersprachen. Ein Verwandter Mary Lincolns, ihr Schwager Benjamin Hardin Helm, stieg im Sezessionskrieg sogar zum General der konföderierten Armee auf. Er fiel später in der Schlacht am Chickamauga. Abraham und Mary Lincoln wurden vier Söhne geboren: * Robert Todd Lincoln (* 1. August 1843 in Springfield, Illinois; † 26. Juli 1926 in Manchester, Vermont) * Edward „Eddie“ Baker Lincoln (* 10. März 1846 in Springfield, Illinois; † 1. Februar 1850 ebenda) * William „Willie“ Wallace Lincoln (* 21. Dezember 1850 in Springfield, Illinois; † 20. Februar 1862 in Washington, D.C.) * Thomas „Tad“ Lincoln (* 4. April 1853 in Springfield, Illinois; † 15. Juli 1871 in Chicago, Illinois). Zwei Kinder starben also bereits zu Lincolns Lebzeiten und nur Robert erreichte das Erwachsenenalter. Wie sein Vater schlug er eine Karriere als Anwalt und Politiker ein und war von 1881 bis 1885 US-Kriegsminister. Der letzte direkte Nachfahre Abraham Lincolns, Robert Todd Lincoln Beckwith, ein Urenkel, starb 1985 im Alter von 81 Jahren.
Im Jahr seiner Heirat schied Lincoln aus dem Staatsparlament von Illinois aus, um sich verstärkt seiner Anwaltstätigkeit zu widmen. Er erwarb sich einen Ruf als Spezialist für Eisenbahnrecht und kam allmählich zu bescheidenem Wohlstand. 1842 bemühte sich Lincoln vergebens darum, bei den Wahlen zum Repräsentantenhaus als Kandidat der Whigs aufgestellt zu werden. Er führte sein Scheitern darauf zurück, dass er keiner Kirche angehörte und sich am 22. September mit dem demokratischen Politiker James Shields zu einem Duell mit Korbschwertern verabredet hatte, auch wenn es aufgrund des Einschreitens der Sekundanten nicht zum Kampf kam und niemand verletzt wurde. Als einer der führenden Köpfe der Whigs in dem jungen Bundesstaat wurde Lincoln dann 1846 ins Repräsentantenhaus gewählt. In Washington trat er als Gegner von Präsident James K. Polk und seiner Kriegspolitik gegen Mexiko auf. So forderte er Polk, der den Krieg als Akt der Selbstverteidigung darstellte, in mehreren Resolutionen dazu auf, den genauen Punkt (englisch: spot) zu benennen, an dem die mexikanische Armee in US-Territorium eingedrungen sei. Diese von Polk ignorierten Anträge wurden als Spot Resolutions verhöhnt wurde. Er ging jedoch nicht so weit, der Streichung der Geldmittel für die Armee zuzustimmen. Im Januar 1849 brachte er eine Resolution zur Beschränkung der Sklaverei im District of Columbia ein. Ansonsten machte er bei seinem ersten Auftreten in der Bundespolitik kaum von sich reden. Für Lincoln war es wichtig, im engen Kontakt zu seinen Wählern zu bleiben, den er durch seine Tätigkeit als Anwalt aufgebaut hatte. Ein Angebot, als Partner in eine Kanzlei in Chicago einzusteigen, schlug er daher aus. Da er in Washington ohne seine Familie lebte, reizte ihn auch eine Karriere in der Bundeshauptstadt wenig. Der 1849 ins Amt gelangte Präsident Zachary Taylor bot ihm an, Gouverneur des neuen Territoriums Oregon zu werden, das die heutigen Staaten Oregon, Washington und Idaho sowie Teile Montanas und Wyomings einschloss. Aber auch dies schlug er aus und kehrte 1849 nach Springfield zurück. Für die nächsten fünf Jahre verabschiedete sich Abraham Lincoln aus der Politik. Erst die Verschärfung des Konflikts zwischen Befürwortern und Gegnern der Sklaverei brachte ihn auf die politische Bühne zurück.
Um zu verstehen, wie Abraham Lincoln von einer kaum über Illinois hinaus bekannten Parteigröße zu einem in ganz Amerika beachteten Politiker und schließlich zum Präsidentschaftskandidaten der neuen Republikanischen Partei werden konnte, muss man die Entwicklung der Sklavenfrage und Lincolns Haltung dazu betrachten.
Gesellschaftlich, kulturell und wirtschaftlich unterschieden sich der Norden und der Süden der USA in wesentlichen Punkten. Sie bildeten völlig gegensätzliche Wirtschaftssysteme aus, deren Interessen sich im Laufe des 19. Jahrhunderts immer schwerer miteinander vereinbaren ließen. Der Süden, als Agrarland auf die Ausfuhr von Baumwolle, Tabak und anderen Plantagenprodukten angewiesen, verfocht eine Freihandelspolitik, worin er von Großbritannien unterstützt wurde. Der Norden, der seine noch junge Industrie vor der Einfuhr von Massenprodukten aus England schützen wollte, trat für möglichst hohe Schutzzölle ein. Die Partei der Whigs – insbesondere deren Gründer Henry Clay, den Lincoln als sein Vorbild ansah – forderten wie später auch die Republikaner eine starke Zentralmacht, eine Nationalbank sowie Bundesausgaben zur Verbesserung der zwischenstaatlichen Infrastruktur, etwa durch den Bau von Fernstraßen und Kanälen. Nicht zuletzt befürworteten sie das Prinzip der freien Arbeit in den neu zu besiedelnden Gebieten des Westens. Die im Süden traditionell starke Demokratische Partei dagegen lehnte all das ab und war für eine weitgehende Autonomie der Einzelstaaten. Dies schloss auch das Recht neuer Staaten ein, auf ihrem Gebiet die Sklaverei zu gestatten. Trotz seiner geringeren Bevölkerungszahl nahm der Süden mit seiner reichen Pflanzeraristokratie bis zum Bürgerkrieg die politisch und gesellschaftlich führende Rolle innerhalb der USA ein. So stammten 9 der 15 Vorgänger Lincolns im Präsidentenamt aus einem der Sklavenstaaten, die meisten davon aus Virginia. Zudem wog die Stimme eines weißen Südstaatlers bei Wahlen ungleich schwerer als die eines Nordstaatlers. Denn die Anzahl der Abgeordneten, die ein Staat ins Repräsentantenhaus entsenden durfte, hing von seiner Einwohnerstärke ab. Jedem der Südstaaten aber wurde die Zahl der dort lebenden afroamerikanischen Sklaven zu drei Fünfteln angerechnet, obwohl diesen selbst das Wahlrecht verwehrt war. Seit Beginn des 19. Jahrhunderts schritten Industrialisierung und Bevölkerungswachstum im Norden zwar rasch voran, so dass sich das wirtschaftliche Gewicht immer mehr zu seinen Gunsten verschob. Gleichzeitig aber gewannen die Stimmen der Südstaatler im Kongress an Gewicht, da die Anzahl ihrer Sklaven zwischen 1780 und 1860 von 500.000 auf 4 Millionen anstieg. Der wesentliche Grund dafür, dass sich die Sklaverei trotz des seit 1808 geltenden, offiziellen Verbots des Sklavenhandels auf dem Vormarsch befand, war der anhaltende Boom der amerikanischen Baumwollwirtschaft. In den frühen Jahren der Republik hatten sogar viele Politiker aus den Südstaaten, die – wie George Washington oder Thomas Jefferson – selbst Sklavenhalter waren, an eine allmähliche Abschaffung oder ein Absterben der Sklaverei gedacht. Im Jahr 1793 jedoch erfand Eli Whitney die Cotton Gin, eine Maschine, die die Fasern der Baumwolle von ihren Samenkapseln trennt. Sie steigerte die Effizienz der Entkörnung um das Fünfzigfache und machte den Baumwollanbau im großen Stil – und damit auch den Einsatz von Sklaven – profitabler denn je. Zwischen 1790 und 1820 stieg der Baumwollexport allein nach England um mehr als das Hundertfache an, von 700.000 auf 76 Millionen Kilogramm. Da Baumwolle den Boden stark auslaugt, werden nach einigen Jahren neue Anbauflächen benötigt. Anders als alle übrigen Baumwollproduzenten weltweit verfügten die Südstaatler aber nahezu unbegrenzt über Land, Arbeitskräfte und Kapital – wegen der von Weißen noch unbesiedelten Gebiete im Westen, der Sklaverei und finanzstarken Kreditgebern im Norden. So beherrschten die USA 1860 dank King Cotton (König Baumwolle) den weltweiten Baumwollmarkt. In den ersten 50 Jahren nach der Gründung der USA hatte die Sklavenfrage in der Innenpolitik nur eine untergeordnete Rolle gespielt. Mit der Ausweitung der Sklaverei wuchs aber auch der Widerstand dagegen. Viele Nordstaatler lehnten sie aus wirtschaftlichen Gründen ab, so etwa die bäuerlichen Anhänger der Free Soil Party, die sich von Seiten der südstaatlichen Pflanzer einem unfairen Wettbewerb um Land und billige Arbeitskraft ausgesetzt sahen. Ähnlich argumentierte der südstaatliche Autor Hinton Rowan Helper in seinem Bestseller The Impending Crisis of the South (Die drohende Krise des Südens), in dem er die Sklaverei als Hemmnis für die ökonomische Entwicklung darstellte. Zudem entstanden seit den 1830er Jahren im Norden publizistisch einflussreiche Vereinigungen von Abolitionisten, die die Sklaverei grundsätzlich ablehnten. Die einen – wie etwa der Journalist William Lloyd Garrison – forderten aus religiös-moralischen, die anderen – wie der entflohene Sklave Frederick Douglass – aus prinzipiellen Erwägungen heraus die Abschaffung der peculiar institution (der „besonderen Einrichtung“), wie die Sklaverei in der US-Verfassung verbrämend genannt wurde. Sie unterstützten die Bildung von Anti-Sklaverei-Wahlblöcken, die seit den 1840er Jahren immer mehr abolitionistisch gesinnte Politiker nach Washington brachten. Abgeordnete wie John Quincy Adams, Thaddeus Stevens oder Charles Sumner widersetzten sich Regelungen, die bis dahin verhindert hatten, dass das Sklaverei-Thema im Kongress auch nur erörtert wurde und setzten dieses endgültig auf die politische Agenda. Ihnen traten Südstaaten-Politiker wie der ehemalige US-Vizepräsident und Senator von South Carolina, John C. Calhoun, entgegen. Er sah in der Sklaverei ein „positives Gut“, da die „Negerrasse“ von Natur aus zum Dienen bestimmt sei und es den Afroamerikanern in Gefangenschaft besser gehe als in Freiheit. Den gewaltlosen Aktionen der Abolitionisten schlug im Süden – und nicht nur dort – verstärkt Hass und Gewalt entgegen. In Lincolns Heimatstaat Illinois ermordeten 1837 fanatische Sklavereibefürworter den abolitionistischen Prediger Elijah P. Lovejoy. Er war der erste weiße Amerikaner, der wegen des Streits um die Sklavenfrage getötet wurde.
Freie und Sklavenstaaten waren zunehmend darauf bedacht, gegenüber der jeweils anderen Seite im Senat nicht in die Minderheit zu geraten. Dieses Problem stellte sich jedes Mal neu, wenn ein weiterer Staat in die Union aufgenommen werden sollte. Eine erste Zuspitzung des Konflikts konnte 1820 durch den Missouri-Kompromiss entschärft werden. Er sah vor, dass die Sklaverei nördlich der Mason-Dixon-Linie, die auf etwa 36° 30′ nördlicher Breite verlief, in allen neuen Staaten mit Ausnahme Missouris verboten sein solle. Dennoch wurde die Präsidentschaftswahl von 1844 von der Frage beherrscht, ob die wenige Jahre zuvor von Mexiko unabhängig gewordene Republik Texas als Sklavenstaat annektiert werden solle oder nicht. Die Annexion führte zum Mexikanisch-Amerikanischen Krieg, der 1848 mit weiteren, großen Landgewinnen der USA südlich der Mason-Dixon-Linie endete. Dadurch drohte sich das politische Gleichgewicht erneut zugunsten des Südens zu verschieben. Das sogenannte Wilmot Proviso, ein Antrag im Kongress, nach dem die Sklaverei in den eroberten Gebieten verboten werden sollte, erlangte nie Gesetzeskraft. Mit dem Kompromiss von 1850 aber gelang es dem Kongress ein letztes Mal, die Gegensätze zwischen den Staaten auszugleichen: Einerseits bestimmte er, dass Kalifornien der Union als sklavenfreier Staat beitreten sollte, andererseits verabschiedete er den Fugitive Slave Act. Wegen dieses Gesetzes, das sklavenfreie Staaten verpflichtete, entflohene Sklaven auszuliefern, spaltete sich jedoch die Partei der Whigs, der Lincoln angehörte. Am 30. Mai 1854 verabschiedete der Kongress auf Antrag des demokratischen Senators Stephen A. Douglas, später mehrfach direkter Gegenkandidat Lincolns, den Kansas-Nebraska Act. Dieses Gesetz stellte es den beiden Territorien – obwohl nördlich der Mason-Dixon-Linie gelegen – frei, in ihren künftigen Staatsverfassungen selbst festzulegen, ob sie die Sklaverei zuließen oder nicht. Daraufhin brach in Bleeding Kansas, dem blutenden Kansas, ein „Bürgerkrieg vor dem Bürgerkrieg“ aus. Darin bekämpften sich Sklavereibefürworter und Anhänger der Free-Soil-Bewegung, die für das Prinzip der freien Arbeit auf freiem Land eintraten. Das innenpolitische Klima in den USA verschärfte sich nach der Verabschiedung des Gesetzes in einem Maße, das ausgleichende Debatten und Kompromisse kaum noch zuließ. Auf beiden Seiten nahmen irrationale Ängste zu und stießen Verschwörungstheorien zunehmend auf Akzeptanz. Der einflussreiche Senator John C. Calhoun hatte bereits vor 1850 die Ansicht verbreitet, die Befreiung der Sklaven werde zum Rassenkrieg und zur Vernichtung der Union führen. Er und andere Apologeten der Sklaverei sahen in ihr nicht länger ein unvermeidliches Übel, sondern eine für Herren wie Sklaven positive Einrichtung, die es unbedingt zu schützen gelte. George Fitzhugh, ein in den 1850er Jahren vielbeachteter und auch von Lincoln gelesener Autor, ging sogar noch weiter. Er forderte, dass außer den schwarzen auch die weißen Arbeiter versklavt werden sollten. Viele Demokraten argumentierten in Wahlkämpfen unverhohlen rassistisch, versuchten ihre Gegner als „schwarze Republikaner“ zu verunglimpfen und setzten die Befreiung der Afroamerikaner mit „Rassenmischung“ und „freier Liebe“ gleich. Diesem Argument begegnete Lincoln mit der Aussage: „Ich kann nicht nachvollziehen, warum ich, weil ich keine Negerin als Sklavin haben will, sie unbedingt als Ehefrau wollen sollte.“ Weiter vertieft wurden die Gegensätze zwischen Nord und Süd 1857 durch das Urteil des Obersten Gerichtshofs im Fall Dred Scott v. Sandford. In der Urteilsbegründung stellte Chief Justice Roger B. Taney fest, dass Afroamerikanern grundsätzlich keine Bürgerrechte in den USA zustünden. Auch Sklaven, die in den freien Staaten und Territorien des Nordens lebten, würden dadurch nicht frei. Das Gericht stärkte damit die Rechte der Sklavenhalter auf ihr „Eigentum“, indem es das Recht des Kongresses bestritt, die Sklaverei in irgendeinem Staat oder Territorium zu verbieten. Sowohl mit dem Kansas-Nebraska-Gesetz als auch mit dem Urteil zu Ungunsten des Sklaven Dred Scott wurde der Missouri-Kompromiss faktisch aufgehoben. Dies löste im Norden eine Welle der Empörung aus. Eine letzte, entscheidende Verschärfung erfuhr der Konflikt am 16. Oktober 1859 durch den Überfall auf Harpers Ferry. Eine Gruppe militanter Abolitionisten unter Führung von John Brown versuchte, ein Waffenarsenal zu überfallen, um Sklaven auszurüsten und einen Aufstand im Süden zu initiieren. Der schlecht geplante Aufstand scheiterte von Beginn an. Browns Truppe wurde von virginischen Milizsoldaten, die der spätere Konföderiertengeneral Robert E. Lee anführte, aufgerieben und er selbst noch im Dezember desselben Jahres hingerichtet. Im Süden als Terrorist verschrien, im Norden von vielen als Märtyrer und Freiheitsheld verehrt, galt Brown nach einem Vers von Herman Melville als „Meteor des Krieges“, der nur 18 Monate nach der Aktion von Harpers Ferry ausbrach. Eine ihrer ungewollten Folgen war, dass Virginia seine Miliztruppe zu einer professionellen Armee ausbaute und dass die Präsidentschaftswahl von 1860 ganz im Zeichen der Sklavenfrage stand. Ein Kompromiss zwischen Gegnern und Befürwortern der Sklaverei schien kaum noch möglich. Gemäßigte und radikale Sklavereigegner schlossen sich enger zusammen, während die Demokratische Partei zerbrach, wie zuvor schon die der Whigs.
Lincolns Partei hatte bereits nach dem Kompromiss von 1850 erste Zerfallserscheinungen gezeigt. Vollends brach sie wegen des Streits um den Kansas-Nebraska-Act von 1854 auseinander. In diesem Jahr schlossen sich die meisten Whigs mit gemäßigten Sklavereigegnern aus den Reihen der Demokraten zur Republikanischen Partei zusammen. Verstärkt wurden sie durch Abolitionisten und Free Soiler. Sie alle sahen in den sklavereifreundlichen Regierungen der 1850er Jahre bereits die Verwirklichung der so genannten slave power, einer von ihnen befürchteten Tyrannei der Sklavenhalter-Aristokratie, über die gesamten Vereinigten Staaten. Mit der Verabschiedung des Kansas-Nebraska Acts schienen slave power bzw. slavocracy endgültig in die Offensive zu gehen. Dies bewog Abraham Lincoln, in die Politik zurückzukehren. Am 22. Februar 1856 gründeten er und 24 weitere Gegner des Kansas-Nebraska-Gesetzes auch in Illinois einen Ableger der Republikanischen Partei. Zu dieser Zeit war er kein bedingungsloser Gegner der Sklaverei. Er verabscheute sie zwar moralisch, vertrat gegenüber den Südstaaten damals aber einen streng am geltenden Recht und Gesetz orientierten Standpunkt. So war er der Ansicht, dass die Gründerväter der Vereinigten Staaten die Sklaverei grundsätzlich als Übel angesehen, sie aber aus pragmatischen Gründen weiterhin in jenen Staaten geduldet hätten, in denen sie zur Zeit der Unabhängigkeitserklärung von 1776 und zum Zeitpunkt der Verabschiedung der US-Verfassung von 1787 bereits bestand. Eine Ausdehnung der Sklaverei auf weitere Staaten und Territorien widerspreche aber dem Geist der Verfassung und den freiheitlichen Prinzipien der Amerikanischen Revolution. Bei einer Rede in Springfield sprach er sich im Oktober 1854 dafür aus, mit den Abolitionisten zusammenzuarbeiten, wenn es um die Wiederherstellung des Missouri-Kompromisses ging, aber sich gegen sie zu stellen, wenn sie den Fugitive Slave Act abschaffen wollten. Er nahm damit eine Haltung zwischen radikalen Abolitionisten und Free Soilern ein, was ihn für breite Wählergruppen interessant machte. Im Jahr 1855 scheiterte sein erster Versuch, einen Sitz im Senat zu erlangen. Drei Jahre später unternahm er einen zweiten Anlauf. Sein Gegenkandidat war Senator Stephen A. Douglas, der Führer der Demokraten auf Unionsebene. Zum Auftakt des Wahlkampfs brachte Lincoln in einer berühmt gewordenen House-Divided-Rede, die er am 16. Juni 1858 im Staatsparlament von Illinois hielt, die Sklavenfrage und ihre Auswirkungen auf die amerikanische Politik auf den Punkt: In derselben Rede verdächtigte Lincoln seinen Gegner Douglas, den obersten Bundesrichter Taney, Präsident James Buchanan und dessen Vorgänger Franklin Pierce, Teil einer Verschwörung zu sein, deren Ziel es sei, die Sklaverei auch in den bislang freien Bundesstaaten einzuführen. Einen Beleg für diesen Verdacht, den viele Nordstaatler teilten, gab es nicht. Aber indem Lincoln ihn in der Rede öffentlich geäußert und dabei festgestellt hatte, dass es keinen Kompromiss zwischen Sklaverei und Freiheit geben könne, erregte er landesweites Aufsehen als einer der entschiedensten Gegner der Sklaverei in den Reihen der Republikaner. Douglas, der als großer Redner bekannt war, erklärte sich mit einer Serie von sieben öffentlichen Rededuellen einverstanden, die er und Lincoln zwischen Juli und Oktober 1858 in verschiedenen Städten von Illinois austrugen. Die Lincoln-Douglas-Debatten sollten Geschichte machten, denn wegen ihrer grundsätzlichen Bedeutung und der rhetorischen Fähigkeiten der Kontrahenten wurden Mitschriften davon überall in den USA abgedruckt. Bei der Debatte, die am 27. August 1858 in Freeport im Norden von Illinois stattfand, gelang es Lincoln, seinen Gegner in eine Zwickmühle zu bringen. Douglas war der Initiator des Kansas-Nebraska-Acts gewesen, der dem Kongress in letzter Konsequenz das Recht absprach, die Sklaverei in einem US-Territorium zu verbieten. Lincoln fragte ihn daher, ob es zumindest der Bevölkerung eines Territoriums selbst auf gesetzlichem Wege möglich sei, die Sklaverei von dessen Gebiet auszuschließen, bevor es sich als Bundesstaat konstituiert habe. Antwortete Douglas darauf mit Nein, verärgerte er die in Illinois wichtige Wählergruppe der Free Soiler. Antwortete er mit Ja, würde er für die Südstaatler unwählbar. Douglas entschied sich für ein Ja, um die unmittelbar anstehende Wahl zu gewinnen, legte damit aber zugleich den entscheidenden Stolperstein, an dem seine Präsidentschaftskandidatur zwei Jahre später scheitern sollte. Im weiteren Verlauf des Senatswahlkampfs von 1858 passte auch Lincoln sein Auftreten den Ansichten des jeweiligen Publikums an. So betonte er im Norden von Illinois, in Chicago, dass alle Menschen gleich erschaffen seien, und wandte sich gegen Vorstellungen von ungleichen Rassen. Im Süden des Staates, in Charleston, erklärte er hingegen, dass er noch nie befürwortet habe, den Schwarzen die gleichen sozialen und politischen Rechte wie den Weißen zuzugestehen. Den reinen Abolitionismus befürwortete er nicht, zumal er die Abolitionisten für zu wenig kompromissbereit hielt. Zudem hätte eine solche Haltung damals politischen Selbstmord bedeutet. Am Ende erhielt Lincoln zwar 4.000 Stimmen mehr als Douglas, verlor die Senatswahl aber erneut. Nicht zuletzt durch die Rededuelle hatte er sich aber nun als gemäßigter Gegner der Sklaverei im ganzen Land einen Namen gemacht und galt als möglicher Kandidat der Republikaner für die nächsten Präsidentschaftswahlen.
: Abraham Lincoln. Die Aufnahme entstand am 27. Februar 1860, kurz vor seiner Rede vor der Cooper Union. Lincoln hatte bis 1860 nie ein hohes Staatsamt bekleidet. Seine Erfahrungen in der Bundeshauptstadt hatte er in den wenigen Jahren als Kongressabgeordneter gemacht. Er unternahm 1859 Vortragsreisen durch die Nordstaaten, um sich der Bevölkerung und seinen Parteifreunden vorzustellen und weiter für seinen gemäßigten Standpunkt zu werben. Zu seiner wachsenden Bekanntheit trugen insbesondere seine Rede vor der Cooper Union am 27. Februar 1860 und das dort von ihm gemachte Foto bei. Trotzdem galt er noch zu Beginn des Nominierungsparteitags der Republikaner, der im Mai 1860 in Chicago stattfand, als Außenseiter im Rennen um die Präsidentschaftskandidatur. Hoher Favorit war der Senator und frühere Gouverneur von New York William H. Seward. Auch Salmon P. Chase aus Ohio und Edward Bates aus Missouri galten als aussichtsreiche Kandidaten. Auf dem Nominierungsparteitag in Chicago konnte Lincoln sich uneingeschränkt nur auf die Delegation seines Heimatstaats Illinois verlassen. Deren Mitglieder überzeugten aber zahlreiche Delegierte anderer Staaten davon, für Lincoln als Kompromisskandidaten zu stimmen, falls sich ihr erster Favorit nicht durchsetzen ließe. Da sich die Vertreter der als radikal geltenden Sklavereigegner Seward und Chase und die eher konservativen Gruppierungen um Bates bei den Abstimmungen gegenseitig blockierten, bestimmten die Republikaner am 18. Mai 1860 schließlich Abraham Lincoln zu ihrem Spitzenkandidaten für den Kampf ums Weiße Haus. Lincoln nahm seine Gegner später alle in sein Kabinett auf. Damit zwang er die Führer der innerparteilichen Gruppierungen, zusammen statt gegeneinander zu arbeiten. Während des Wahlkampfs kam Lincoln seine große rhetorische Begabung zustatten. Er galt als einer der größten Redner seiner Zeit und viele der von ihm geprägten Aussprüche und Aphorismen gehören in den USA bis heute zum allgemeinen Bildungsgut. Er konnte komplizierte Fragen mit einfachen Worten 'auf den Punkt bringen'. Sätze wie „Nichts ist geregelt, was nicht gerecht geregelt ist“, „Die Wahlversprechen von heute sind die Steuern von morgen“ oder „Wer anderen die Freiheit verweigert, verdient sie nicht für sich selbst“ überzeugten viele Wähler. Das Wahlkampflied, das sein Programm prägnant zusammenfasste, war der noch heute populäre Song Lincoln and Liberty. Die Präsidentschaftswahl fand am 6. November 1860 statt. Eine Grundlage für seinen Sieg hatte Lincoln schon zwei Jahre zuvor in den Debatten mit Stephen A. Douglas gelegt. Er hatte damals seinen Gegner, der die Präsidentschaftskandidatur der Demokraten anstrebte, zu Äußerungen über die Sklaverei gedrängt, die ihn für die Demokraten des Südens unwählbar machten. Wie die Whigs sechs Jahre zuvor, so hatte sich nun auch die Demokratische Partei gespalten. Abraham Lincoln by Alexander Helser, 1860-crop.jpg|Abraham Lincoln,Republikaner Stephen A Douglas - headshot.jpg|Stephen A. Douglas,Nord-Demokraten John C Breckinridge-04775-restored.jpg|John C. Breckinridge,Süd-Demokraten JBell.jpg|John Bell,Constitutional Union Die Nord-Demokraten nominierten Douglas, die Süd-Demokraten den eindeutigen Sklavereibefürworter John C. Breckinridge aus Kentucky, zu diesem Zeitpunkt noch amtierender Vizepräsident. Beide zusammen gewannen 2,2 Millionen Wähler, John Bell aus Tennessee, der für die von den Whigs abgespaltene Constitutional Union Party antrat, weitere 0,6 Millionen; Lincoln aber wurde mit fast 1,9 Millionen Stimmen der stärkste Einzelkandidat. Er siegte in keinem einzigen der Wahlbezirke des Südens – in den meisten stand er nicht einmal auf dem Stimmzettel –, erhielt aber fast alle Wahlmännerstimmen des Nordens (180) und damit eine klare Mehrheit: Mit 40 % der Wählerstimmen gewannen er und sein Vizepräsidentschaftskandidat Hannibal Hamlin 59 % aller Wahlmänner. Am 6. November 1860 wurde Abraham Lincoln gewählt; am 4. März 1861 sollte er den Amtseid ablegen. In diesen vier Monaten wurden Tatsachen geschaffen, die Lincolns gesamte Regierungszeit bestimmten.
Während seiner gesamten Amtszeit als US-Präsident sah sich Abraham Lincoln gezwungen, einen Bürgerkrieg zur Wiederherstellung der Union zu führen. Dabei stand er im Wesentlichen vor vier großen Aufgaben: Er musste den Krieg militärisch gewinnen, bei der Bevölkerung des Nordens die Kampfbereitschaft aufrechterhalten, die Einmischung europäischer Mächte zugunsten der Konföderierten verhindern und schließlich die Abschaffung der Sklaverei betreiben, um die Ursache des Konflikts ein für alle Mal zu beseitigen.
Die Wahl Abraham Lincolns war nicht die Ursache, aber der Anlass der Sezession. Die Idee, sich von der Union zu lösen, war erstmals während der so genannten Nullifikationskrise von 1832/33 in South Carolina aufgetaucht. Befürworter dieser Idee wie John C. Calhoun fanden bis in die 1850er Jahre aber nur vereinzelt Zustimmung. In den 1850er Jahren gewannen die Befürworter einer Sezession immer mehr Zulauf, insbesondere nach John Browns Überfall auf Harpers Ferry Ende 1859. Die im Norden geübte Kritik an der Sklaverei wurde von vielen tonangebenden Südstaatlern als Bedrohung der eigenen Lebensart und Kultur betrachtet und jeder Versuch, sie zu beschränken, als Eingriff in die Rechte der Einzelstaaten und in das Eigentumsrecht ihrer Bürger. Die Verfechter der Sezession machten keinen Unterschied zwischen der kompromissbereiten Haltung Lincolns und den Zielen der Abolitionisten. Die Aussicht, Lincoln ins Weiße Haus einziehen zu sehen, gab den Extremisten im Süden den letzten entscheidenden Auftrieb. Noch bevor der neue US-Präsident sein Amt antreten konnte, gab South Carolina am 20. Dezember 1860 als erster Staat seinen Austritt aus der Union bekannt. Innerhalb weniger Wochen folgten alle Staaten des tiefen Südens: Mississippi, Florida, Alabama, Georgia, Louisiana und am 2. März 1861 Texas. In Montgomery, der Hauptstadt Alabamas, hatte sich am 4. Februar 1861 ein Provisorischer Kongress aus Vertretern der bis dahin ausgetretenen Staaten konstituiert. Dieser wählte am 9. Februar 1861 den Senator von Mississippi und früheren Kriegsminister Jefferson Davis, der wie Lincoln aus Kentucky stammte, zum provisorischen Präsidenten der Konföderierten Staaten von Amerika. Der scheidende US-Präsident James Buchanan bestritt den Einzelstaaten das Recht, die Union zu verlassen; er tat in seinen letzten Wochen im Amt aber nichts, um die Sezession zu verhindern. In der Rede zu seiner Amtseinführung am 4. März 1861 schlug Lincoln gegenüber dem Süden versöhnliche Töne an. Er versprach, nicht als erster zu Gewaltmaßnahmen zu greifen, machte aber zugleich deutlich, dass sein Amtseid ihn verpflichte, einer Spaltung der Union auf jeden Fall entgegenzutreten: Alle Hoffnungen auf eine Verhandlungslösung zerschlugen sich am 12. April 1861. An diesem Tag begannen konföderierte Truppen mit der Beschießung des von unionstreuen Einheiten gehaltenen Forts Sumter, das in der Hafeneinfahrt von Charleston lag, der ehemaligen Hauptstadt von South Carolina. Der Süden, der die Garnison von Fort Sumter als Besatzungstruppe betrachtete, hatte also trotz des angebotenen Gewaltverzichts zu den Waffen gegriffen – und obwohl Lincolns Regierung bis dahin keine Verfassung irgendeines Einzelstaats verletzt hatte und dies erklärtermaßen auch nicht plante. Dieser Umstand und der erzwungene Abzug der Garnison von Fort Sumter am 14. April erzeugten nun auch im Norden eine Kriegsstimmung. Die Öffentlichkeit verlangte energische Schritte gegen die Rebellen. Wie es so weit kommen konnte, erklärte Lincoln vier Jahre später in der Rede zu seiner zweiten Amtseinführung so: Der Beginn der Kampfhandlungen bewog Virginia und drei weitere Staaten des oberen Südens – North Carolina, Tennessee und Arkansas – die Union nun ebenfalls zu verlassen. Die Konföderierten verlegten daraufhin ihre Hauptstadt nach Richmond, Virginia. Von diesem Staat wiederum trennten sich die westlichen Landesteile ab, die in der Union bleiben wollten. Sie bildeten später den neuen Bundesstaat West Virginia. Um die Hauptstadt Washington halten zu können, war es für den Norden von entscheidender Bedeutung, die sklavenhaltenden Grenzstaaten Delaware, Maryland, Kentucky und Missouri zum Verbleib in der Union zu bewegen. Zu diesem Problem ist der Ausspruch Lincolns überliefert: „In diesem Krieg hoffe ich Gott auf meiner Seite zu haben. Kentucky aber muss ich auf meiner Seite haben.“ Alle vier Staaten blieben schließlich loyal – teils freiwillig, teils unter militärischem Druck.
(links), dem Chef des Sicherheitsdienstes, und General John Alexander McClernand (rechts) bei einem Truppenbesuch kurz nach der Schlacht von Antietam am 17. September 1862 Die US-Armee zählte zu Kriegsbeginn nur etwas mehr als 16.000 Soldaten, die zudem überwiegend in den Indianergebieten des Westens stationiert waren. Am 15. April, einen Tag nach dem Fall von Fort Sumter, berief Lincoln daher 75.000 auf 90 Tage verpflichtete Milizsoldaten ein, um der Rebellion, wie die Abspaltung der Südstaaten im Norden genannt wurde, militärisch ein Ende zu bereiten. Als weitere Sofortmaßnahme verfügte er eine Seeblockade aller konföderierten Häfen und vergrößerte die US-Streitkräfte bis zum Frühsommer durch weitere Anwerbungen auf rund 174.000 Soldaten und Matrosen. Da der Kongress erst im Juli wieder tagen sollte, geschahen diese Truppenaushebungen ohne dessen Ermächtigung. Dasselbe traf auf die Einschränkung einiger Grundrechte, etwa der Pressefreiheit oder des Habeas-Corpus-Gesetzes, zu. So ließ Lincoln Personen, die der Spionage für die Südstaaten verdächtigt wurden, ohne gesetzliche Grundlage verhaften. All dies brachte ihm bei Sympathisanten des Südens den Ruf eines Diktators ein, woran einige von ihnen bis heute festhalten. Als im Juli 1861 die Vertreter der in der Union verbliebenen Staaten zum Kongress zusammentraten, stimmten sie jedoch allen Notstandsmaßnahmen des Präsidenten nachträglich zu. Aus ihrer Sicht verfuhr Lincoln mit den Unterstützern der Konföderierten nicht anders, als es mit Angehörigen einer fremden, mit den USA im Krieg befindlichen Macht üblich war – und genau dies beanspruchte die Konföderation ja zu sein. Diese Maßnahmen Lincolns reichten jedoch nicht aus. Die erste Niederlage der Unionstruppen in der Schlacht am Bull Run am 21. Juli 1861 machte deutlich, dass der Konflikt militärisch nicht schnell zu lösen war. Die Union musste sich auf einen langwierigen Eroberungskrieg einstellen. Dies war mit einer kleinen Berufsarmee und einer dreimonatigen Dienstpflicht nicht zu erreichen. Auch die Verlängerung auf neun Monate reichte nicht aus. Schließlich führte Lincolns Regierung erstmals in der Geschichte der Vereinigten Staaten die allgemeine Wehrpflicht ein, eine Maßnahme, die Anfang Juli 1863 zu bürgerkriegsähnlichen Unruhen in New York führte, den sogenannten Einberufungskrawallen. In der Stadt gab es zeitweilig sogar Bestrebungen, sich ebenfalls von der Union loszusagen und einen souveränen Staat zu bilden. Ein weiteres Problem stellten betrügerische Heereslieferanten dar, die die Unionsarmeen oft mit mangelhaftem oder völlig untauglichem Material belieferten. Daher verabschiedete der Kongress auf Lincolns Initiative am 2. März 1863 den False Claims Act, der bis heute als Lincoln Law bekannt ist. Das Gesetz ermutigte Whistleblower und erwies sich als wirksames Instrument, um Betrug zu Lasten der Allgemeinheit zu unterbinden. Lincoln, der zwischen seiner Funktion als Kompaniechef im Indianerkrieg und der des Oberbefehlshabers der US-Streitkräfte nie mehr einen soldatischen Rang bekleidet hatte, wurde durch ein autodidaktisches Studium zum Experten für Militärfragen. Der Bürgerkrieg zog sich auch deshalb in die Länge, weil er lange Zeit keinen geeigneten Oberbefehlshaber für die Potomac-Armee fand, die die Hauptlast der Kämpfe im Grenzgebiet von Virginia, zwischen Washington, D.C. und Richmond, zu tragen hatte. General George B. McClellan erwies sich zwar als hervorragender Organisator, aber als zögerlicher Heerführer. Er vergab – etwa im Halbinsel-Feldzug vom Frühjahr 1862 – gleich mehrere Chancen, dem Krieg durch schon greifbare Siege ein frühes Ende zu bereiten. Andere Befehlshaber wie Ambrose Burnside und Joseph Hooker erlitten katastrophale Niederlagen gegen die zahlenmäßig unterlegene Nord-Virginia-Armee des konföderierten Generals Robert E. Lee. Erst mit den Generälen Ulysses S. Grant und William Tecumseh Sherman, die auf dem westlichen Kriegsschauplatz erfolgreich waren, fand er zwei geeignete Oberbefehlshaber. Grant und seinen Truppen gelang es im Norden, Sherman im Westen und Süden, die Konföderierten in langen, blutigen Kämpfen niederzuringen.
Am 22. August 1862 schrieb Lincoln in einem offenen Brief an den bekannten Abolitionisten Horace Greeley, den Herausgeber der New York Tribune: In der Tat ging es im Bürgerkrieg vordergründig um den nationalen Zusammenhalt der Vereinigten Staaten. Die Frage, an der sich der Kampf entzündet hatte, lautete: Hat ein einzelner Bundesstaat der USA das Recht, jederzeit aus der gemeinsamen Union auszutreten? Die Konföderierten bejahten dies, mit dem Argument, man sei dem Bund schließlich freiwillig beigetreten. Die Abspaltung, die sie vielfach als „Zweite Amerikanische Revolution“ bezeichneten, stand in ihren Augen in der Tradition von 1776. Sie kämpften also nach eigenem Selbstverständnis für die Rechte der Einzelstaaten. Der Norden wies dagegen darauf hin, dass keines der Einzelstaatenrechte bis dahin verletzt worden und dass nach der Unabhängigkeitserklärung von 1776 eine Revolution nur nach fortgesetzten schweren Rechtsverletzungen gerechtfertigt sei. Den tieferen Grund des Konflikts aber berührte Abraham Lincoln in der Gettysburg Address von 1863. In dieser Rede, seiner berühmtesten, sagte er, der Krieg werde um die Frage geführt, ob ein Staat, der sich auf Demokratie und individuelle Freiheit gründe, überhaupt auf Dauer bestehen könne. Diese Frage stellte sich mit umso größerer Berechtigung in einer Zeit, als eine „Regierung des Volkes, durch das Volk und für das Volk“ – wie Lincoln es in der Rede formulierte – international noch die große Ausnahme darstellte. Lincoln gab damit seiner Überzeugung Ausdruck, dass eine Demokratie zerbrechen müsse, wenn eine Minderheit (wie die Südstaatler) eine demokratische Entscheidung der Mehrheit (wie Lincolns Wahl zum Präsidenten) jederzeit verwerfen oder sogar mit Gewalt beantworten dürfe. Hinter der Frage der Einzelstaatenrechte stand aber immer unübersehbar die Sklavenfrage. An ihr – und nur an ihr – hatte sich der Streit um diese Rechte überhaupt erst entzündet. Ohne sie hätte sich das Problem der Einzelstaatenrechte nie in dieser Schärfe gestellt. So erwähnt beispielsweise die Erklärung zum Sezessionsbeschluss des Staates Texas vom 2. Februar 1861 den Dissens in der Frage der Sklaverei 21-mal, die Frage der Einzelstaatenrechte aber nur sechsmal. Alexander H. Stephens, der Vizepräsident der Konföderation, erklärte in einer viel beachteten Rede vom 21. März 1861, der Bund der Südstaaten beruhe „… auf der großen Wahrheit, dass der Neger dem weißen Mann nicht gleichgestellt ist; dass sein untergeordnetes Verhältnis als Sklave gegenüber der überlegenen Rasse seine natürliche und normale Stellung ist.“ Lincoln verneinte aus wahltaktischen Gründen lange, dass die Abschaffung der Sklaverei zu seinen Kriegszielen gehörte. Denn zu Beginn des Konfliktes bildeten die Abolitionisten auch im Norden noch immer eine Minderheit und kaum jemand wäre bereit gewesen, für die Befreiung der Sklaven in den Kampf zu ziehen. Doch ebendiese hatte Lincoln bereits in die Wege geleitet, als er den zitierten Brief an Greeley schrieb.
Über Lincolns Haltung zur Sklavenbefreiung bemerkte der afroamerikanische Schriftsteller und Abolitionist Frederick Douglass 1876: In der Tat war Lincoln nie radikaler Abolitionist und wurde es auch im Krieg nicht. In dem berühmten Brief an Greeley unterschied er zwischen seinem persönlichen Wunsch, nach dem alle Menschen frei sein sollten, und seiner Pflicht als Amtsträger, nach Recht und Gesetz zu handeln. Laut Gesetz aber war die Sklaverei im Süden erlaubt. Nach Lincolns Vorstellung sollte sie in einem allmählichen Prozess abgeschafft und die Sklavenhalter für den Verlust ihres „Besitzes“ entschädigt werden. Diesen Standpunkt vertrat er noch bis in die Anfangsphase des Bürgerkriegs hinein. So widerrief er beispielsweise die Anordnungen des Generalmajors John C. Frémont, der die Sklaven von Plantagenbesitzern, die gegen die Union kämpften, für frei erklärt hatte. Auf gar keinen Fall war Lincoln vor 1861 bereit, die Sklavenfrage durch einen Krieg zu entscheiden. Indem sie aber von sich aus zur Gewalt gegriffen hatten, waren die Südstaaten nach Lincolns Auffassung selbst vom Weg des Rechtes und der Verfassung abgekommen. Je länger der Krieg dauerte, je mehr Opfer er forderte und je mehr Widerhall die Proteste der Abolitionisten fanden, desto stärker wurde Lincolns Überzeugung, dass die Sklaverei als Quelle allen Übels endgültig abgeschafft werden müsse. Dazu kam, dass er die Sklavenbefreiung mehr und mehr als Mittel begriff, den Süden wirtschaftlich und militärisch zu treffen. Kongress und Senat hatten bereits 1861 und 1862 sogenannte Confiscation Acts verabschiedet, durch die unter anderem die Sklaven konföderierter Soldaten für frei erklärt wurden. Dies sollte das Militär der Südstaaten schwächen. Am 22. Juli 1862 informierte Lincoln sein Kabinett über die geplante Proklamation zur Sklavenbefreiung. Da auch sie als Kriegsmaßnahme gedacht war, gab Außenminister Seward zu bedenken, dass die Erklärung nach der Reihe schwerer Niederlagen, die die Union bis dahin erlitten hatte, als Zeichen der Schwäche missdeutet werden könne. Daher gab Lincoln die Proklamation erst im September bekannt, nach dem Unionssieg in der Schlacht am Antietam. Am 1. Januar 1863 trat die Emanzipationsproklamation schließlich in Kraft. Ihr entscheidender Passus besagte: Die Proklamation galt also vorerst nur für die Gebiete der Konföderierten, um die loyal gebliebenen Sklavenstaaten nicht zu verprellen. Aber die Befreiung der Sklaven war nun ein offizielles Kriegsziel der Union. Dessen moralisches Gewicht machte es England und Frankreich, die aus wirtschaftlichen und machtpolitischen Gründen die Sache der Konföderation unterstützten, unmöglich, aktiv auf deren Seite in den Krieg einzugreifen. Vollständig abgeschafft wurde die Sklaverei 1865.
Als Befürworter der Free-Soil-Bewegung unterzeichnete Lincoln 1862 den Homestead Act, der 1863 in Kraft trat. Dieses Gesetz erlaubte es jedem Erwachsenen, sich auf unbesiedeltem Land niederzulassen und sich ein 160 Acre (etwa 64 ha) großes Areal anzueignen. Nach fünfjähriger Bewirtschaftung – oder bei Zahlung von 200 US-Dollar (: ca. US-Dollar) bereits nach einem halben Jahr – wurde er automatisch zum Eigentümer. Einerseits schuf dieses Gesetz, das bereits bestehende einzelstaatliche Regelungen ergänzte und vereinheitlichte, Rechtssicherheit für die Siedler. Andererseits ermöglichte es die Enteignung der Indianergebiete, indem es unterstellte, diese würden nicht bewirtschaftet. Vor allem nomadisch lebende Gruppen wurden nun verstärkt in Reservate abgedrängt. Das Heimstätten-Gesetz leistete dem Betrug Vorschub und führte zu zahllosen Konflikten zwischen Indianern und Siedlern, in denen die Gerichte meist zugunsten der letzteren entschieden. Im Sommer 1862, noch vor Inkrafttreten des Homestead Act und dreißig Jahre nach seiner Teilnahme am Krieg gegen die Sauk, sah sich Lincoln erneut einem Konflikt mit Indianern gegenüber. Nachdem vertraglich zugesicherte, staatliche Geldzahlungen an die Santee-Sioux in Minnesota ausgeblieben waren, gingen hungernde Mitglieder des Stammes gewaltsam gegen die örtliche Indianerbehörde und weiße Siedler vor. Kriegsminister Stanton beauftragte im September Generalmajor John Pope mit der Niederschlagung des Sioux-Aufstands. Pope, der für die kurz zuvor erlittene Niederlage der Unionstruppen in der 2. Schlacht am Bull Run verantwortlich gemacht wurde, hatte sich für den Einsatz freiwillig gemeldet, um seiner Absetzung als Befehlshaber der Virginia-Armee zuvorzukommen. In einem Befehl an den Kommandeur der Expedition, Oberst H. H. Sibley, schrieb er: „Es ist meine Absicht, die Sioux vollständig auszurotten. […] Sie müssen behandelt werden wie Wahnsinnige oder wilde Tiere und auf keinen Fall wie Menschen, mit denen man Verträge oder Kompromisse schließen kann.“ Nach der Niederschlagung des Aufstands wurden mehrere Hundert Sioux vor Militärgerichte gestellt und in Verfahren, die im Schnitt 10 bis 15 Minuten dauerten, zum Tode verurteilt. Pope wollte schließlich 303 Verurteilte hinrichten lassen, doch Lincolns Regierung fürchtete den ungünstigen Eindruck einer solchen Massenexekution auf die europäischen Regierungen, deren Einmischung in den Sezessionskrieg sie fürchtete. Andererseits forderten zahlreiche Siedler in Minnesota die Hinrichtung. 200 von ihnen griffen sogar das Gefangenenlager in Mankato an. Dennoch reduzierten Anwälte im Auftrag Lincolns die Zahl der Todesurteile drastisch. So wurden schließlich „nur“ 38 Männer gehängt, einer davon, Chaska, trotz seiner Begnadigung. Dies war die größte Massenhinrichtung in der amerikanischen Geschichte. Im Gegenzug sagte Lincoln, der sich massiven politischen Drucks zu erwehren hatte, die spätere Vertreibung der Indianer aus dem Bundesstaat zu sowie zwei Millionen Dollar (: ca. US-Dollar) Schadensersatz. Lincoln begründete die Hinrichtung damit, dass er nicht durch zu große Gnade einen weiteren Aufstand provozieren, aber auch nicht grausam sein wollte. In Minnesota wurde die hohe Anzahl der Begnadigungen eher schlecht aufgenommen: Bei der Präsidentschaftswahl 1864 gewann Lincoln zwar eine Mehrheit im Staat, doch fiel diese deutlich geringer aus als 1860. Darauf angesprochen, dass eine härtere Gangart dies hätte verhindern können, sagte Lincoln: „Ich konnte es mir nicht erlauben, Männer für Stimmen aufzuhängen.“ In Lincolns Amtszeit fiel auch das Sand-Creek-Massaker im Osten des damaligen Territoriums Colorado. Dabei töteten Soldaten unter dem Kommando von Oberst John Chivington am 29. November 1864 273 friedliche Cheyenne und Arapaho. Wesentlich beigetragen zur indianerfeindlichen Stimmung in dem Territorium hatte dessen Gouverneur John Evans, ein Mitbegründer der Republikanischen Partei und persönlicher Freund Lincolns. Evans, der Chivington für seine Tat ausgezeichnet und die wahren Umstände des Massakers verschleiert hatte, sah sich bald massiver Kritik ausgesetzt. Lincoln, der Evans eingesetzt hatte, stärkte ihm noch bis Anfang 1865 den Rücken, erst sein Nachfolger als Präsident, Andrew Johnson, enthob den Gouverneur im Sommer 1865 seines Amtes.
Die Konföderierten hatten im Sommer und Herbst 1863 bei Gettysburg, Vicksburg und Chattanooga schwere Niederlagen erlitten. Nach diesen Erfolgen der Union war endgültig klar, dass die Konföderierten den Krieg nicht aus eigener Kraft würden gewinnen können. Ihre einzige Chance bestand darin, den Krieg so lange und für den Norden so verlustreich weiterzuführen, dass Abraham Lincoln die Präsidentschaftswahlen von 1864 verlieren und durch einen neuen, verhandlungsbereiten Präsidenten ersetzt würde. Diese Chance war durchaus real. Der unerwartet lange und blutige Stellungskrieg, den General Grant seit dem Frühjahr 1864 im Norden Virginias führte, kostete die Regierung Lincoln weitgehend das Vertrauen der Bevölkerung. Der Präsident war im Sommer des Wahljahrs so unpopulär, dass er selbst mit einer Niederlage rechnete. In einem Memorandum vom 23. August 1864 schrieb er: „Die Wiederwahl dieser Regierung erscheint heute, wie seit einigen Tagen, als überaus unwahrscheinlich.“ Sein Gegenkandidat von den Demokraten war sein früherer Oberbefehlshaber McClellan, der grundsätzlich zu einem Verhandlungsfrieden mit dem Süden und zur Anerkennung seiner Unabhängigkeit bereit war. Erst in den letzten Wochen vor der Wahl wendete sich das Blatt, als die Ergebnisse des für den Norden äußerst erfolgreichen Atlanta-Feldzuges bekannt wurden: Die Truppen General Shermans hatten am 2. September 1864 Atlanta erobert, einen der wichtigsten Industriestandorte und Verkehrsknotenpunkte Georgias und des ganzen von der Konföderation noch gehaltenen Territoriums. Zudem besiegte Generalmajor Philip Sheridan am 19. Oktober im Shenandoahtal ein konföderiertes Korps, das zeitweilig sogar Washington bedroht hatte. Das Kriegsende schien jetzt nur noch eine Frage der Zeit zu sein. Die Republikaner setzten im Wahlkampf auf den von Lincoln geprägten Slogan „Mitten im Fluss soll man nicht die Pferde wechseln“ und bezeichneten die Positionen der Demokraten als landesverräterisch. Als Kandidat für die Vizepräsidentschaft ersetzte Lincoln den bisherigen Amtsinhaber, den weitgehend einflusslosen Nordstaatler Hannibal Hamlin, durch Andrew Johnson. Dieser gehörte der Demokratischen Partei an, stammte aus dem Konföderiertenstaat North Carolina und war 1857 von Tennessee in den Senat entsandt worden, hatte sich aber für die Union ausgesprochen. Seine Kandidatur sollte den Südstaatlern die Bereitschaft des Nordens signalisieren, sie nach dem Krieg gleichberechtigt in die wiederhergestellte Union zu integrieren. Gemeinsam mit Johnson kandidierte Lincoln im Rahmen der National Union Party, einer Wahlplattform aus Republikanern und einem Teil der Demokraten. Am 8. November hielten die USA als erstes demokratisches Land mitten in einem Krieg eine Wahl ab. Lincoln erzielte gegen den früheren Oberbefehlshaber des Unionsheeres George B. McClellan einen Erdrutschsieg: Er erhielt 55 Prozent der Wähler- und 212 von 233 Wahlmännerstimmen. Als erster Präsident seit Andrew Jackson, 32 Jahre zuvor, war er für eine zweite Amtszeit bestätigt worden. Seine Wähler entstammten vor allem der Bauern- und Arbeiterschaft sowie den städtischen Mittelschichten. Ihre geografischen Hochburgen waren Neuengland und die Staaten mit einem starken Anteil deutscher Einwanderer wie Wisconsin oder Illinois. Für den Präsidenten war es besonders bedeutsam, dass auch die Soldaten der Unionsarmee zu mehr als zwei Dritteln für ihn gestimmt hatten, obwohl sie sich von einem Sieg McClellans ein rascheres Ende der Kampfhandlungen erhoffen konnten. Vor der Wahl hatte Lincoln geäußert, es sei ihm lieber, mit der Mehrheit der Soldatenstimmen besiegt als ohne diese Mehrheit Präsident zu werden. In der Zeit bis zu seinem zweiten Amtsantritt setzte sich Lincoln energisch für die Verabschiedung des 13. Zusatzartikels zur US-Verfassung ein, der die Sklaverei auf dem Territorium der USA ein für alle Mal verbieten sollte. Nach dem Senat konnte er – nach einem vergeblichen ersten Anlauf – am 31. Januar 1865 auch die nötige Zweidrittelmehrheit des Repräsentantenhauses zur Zustimmung bewegen. Um dem Sklavereiverbot endgültig Verfassungsrang zu verleihen, musste es jetzt nur noch von den Einzelstaaten ratifiziert werden. Ein weiteres, drängendes Problem war die Wiedereingliederung der Südstaaten in die Union. Am 4. März 1865 – anlässlich seiner zweiten Vereidigung als Präsident – versprach Lincoln, „Groll gegen niemanden“ und „Nächstenliebe gegen alle“ walten zu lassen. Er fasste bereits den Wiederaufbau des Südens und die Nachkriegsordnung ins Auge und hatte vor, den Südstaatlern milde Friedensbedingungen zu stellen. Die Rückkehr in die Union sollte ihnen so leicht wie möglich fallen. Gegen Widerstände aus der eigenen Partei setzte Lincoln den Grundsatz durch, dass ein abtrünniger Staat wieder gleichberechtigt in die Union aufgenommen werden sollte, sobald ein Zehntel seiner Bürger ihr den Treueid geleistet hätten.
des Attentats (ca. 1865); von links: Henry Rathbone, Clara Harris, Mary Todd Lincoln, Abraham Lincoln und John Wilkes Booth Der Krieg ging nun einem raschen Ende entgegen. Am 3. April eroberten Grants Truppen die Konföderiertenhauptstadt Richmond. Lincoln besichtigte zwei Tage später das Amtszimmer seines Kontrahenten Jefferson Davis. Am 9. April 1865 kapitulierten die Reste von Lees Armee vor General Grant bei Appomattox Court House, Virginia. Die konföderierten Truppen unter General Joseph E. Johnston ergaben sich am 26. April General Sherman bei Durham, North Carolina. Den endgültigen Sieg hat Abraham Lincoln jedoch nicht mehr erlebt: Am Abend des 14. April, des Karfreitags 1865, besuchte er mit seiner Frau Mary und einem befreundeten Ehepaar eine Komödie im Ford’s Theatre in Washington, D.C. Während der Vorstellung verschaffte sich der Schauspieler John Wilkes Booth, ein fanatischer Sympathisant der Südstaaten, Zutritt zur Loge des Präsidenten und schoss ihm aus nächster Distanz mit einer Deringer-Vorderladerpistole von hinten in den Kopf. Ärzte aus dem Publikum waren sofort zur Stelle, aber die Kugel ließ sich nicht entfernen. Da der Präsident nicht transportfähig war, wurde er in das Petersen House gebracht, ein Privathaus direkt gegenüber dem Theater. Dort starb Lincoln am folgenden Tag, dem 15. April, um 7:22 Uhr morgens, ohne das Bewusstsein noch einmal wiedererlangt zu haben. Andrew Johnson, seit März Lincolns Vizepräsident, legte noch am selben Tag den Amtseid als sein Nachfolger ab. Das Attentat war Teil einer größeren Verschwörung: Eine Gruppe von Südstaaten-Anhängern um Booth hatte geplant, neben Lincoln weitere Regierungsmitglieder zu ermorden. So verletzte Lewis Powell bei einem Mordanschlag Außenminister Seward schwer, ebenso dessen Sohn und weitere Mitglieder seines Haushalts. Der deutschstämmige George Atzerodt, der auf Vizepräsident Andrew Johnson angesetzt war, schreckte im letzten Moment vor dem Mord zurück. Booth, der sich nach dem Mord beim Sprung aus der Präsidentenloge das Bein verletzt hatte, gelang mit Hilfe eines weiteren Komplizen, David Herold, die Flucht nach Virginia. Dort wurde er am 26. April auf einer abgelegenen Farm gestellt und bei einem Schusswechsel getötet. Ein Militärgericht verurteilte Ende Juni Powell, Atzerodt, Herold und Booths Zimmerwirtin Mary Surratt, die der Mitwisserschaft verdächtigt wurde, zum Tode. Sie wurden am 7. Juli 1865 im heutigen Fort Lesley J. McNair in Washington durch Hängen hingerichtet. Lincolns Sarg wurde mit einem Sonderzug auf etwa demselben Weg nach Springfield überführt, auf dem der neugewählte Präsident 1860 nach Washington gereist war. In allen größeren Städten wie New York und Chicago fanden Trauerprozessionen und -gottesdienste mit dem aufgebahrten Leichnam statt. Am 5. Mai 1865 wurde Abraham Lincoln auf dem Friedhof Oak Ridge Cemetery in seiner Heimatstadt Springfield beigesetzt. Am 23. Juni kapitulierten bei Fort Towson im Indianerterritorium die letzten Truppen der Konföderation. Lincolns Vermächtnis, der 13. Verfassungszusatz, trat nach der Ratifizierung durch die in der Verfassung vorgesehene Mindestanzahl von Dreiviertel der im damaligen Kongress vertretenen Bundesstaaten am 18. Dezember 1865 in Kraft.
; rechts: Abraham Lincoln geschaffene Statue des Präsidenten im Lincoln Memorial in Washington, D.C. Als der Dichter Walt Whitman von Lincolns Tod erfuhr, widmete er ihm das Gedicht O Captain! My Captain! Es spricht von einem Kapitän, der sein Schiff durch große Gefahren sicher in den Hafen steuert, das Ziel aber selbst nicht lebend erreicht. Später verglich Whitman den Präsidenten, der an einem Karfreitag tödlich verwundet worden war, mit Jesus Christus. Dies sind nur zwei von vielen Beispielen für die bis zur Verklärung reichende Verehrung, die Abraham Lincoln bereits unmittelbar nach seiner Ermordung zuteilwurde. Mehr als die nüchterne Beurteilung seiner Präsidentschaft trugen dazu die Art seines Todes und der Vergleich mit den eher glanzlosen Regierungszeiten seiner ersten Amtsnachfolger bei. Zunächst nur in den Nordstaaten, mit wachsendem zeitlichem Abstand zum Bürgerkrieg aber in den ganzen USA, setzte sich das Bild von Lincoln als einem der bedeutendsten Präsidenten der US-Geschichte durch. Während die weißen Amerikaner in ihm den Bewahrer der Union sahen, betrachteten ihn die Afroamerikaner vor allem als den Sklavenbefreier. Auch ihr Bild von Lincoln war von religiöser Metaphorik geprägt. Schon bei seinem Besuch in Richmond kurz vor Kriegsende wurde Lincoln von den Schwarzen als „Vater Abraham“ begrüßt. Später verglichen sie ihn mit Moses, der die Israeliten ins Gelobte Land geführt hatte, ohne dass es ihm vergönnt war, dieses selbst zu betreten. Auch eher zurückhaltende Beobachter wie Frederick Douglass, der Lincoln während seiner Präsidentschaft unablässig wegen seiner zögerlichen Haltung in der Sklavenfrage kritisiert hatte, äußerten sich im Rückblick voller Respekt: Heute wird der Mitbegründer der Republikanischen Partei von Angehörigen aller ethnischen Gruppen verehrt, von Konservativen und Liberalen ebenso wie von Linken. In Umfragen unter Historikern und der US-Bevölkerung wird er gemeinsam mit George Washington und Franklin D. Roosevelt stets als einer der drei besten US-Präsidenten bewertet. Die Freiwilligenverbände aus den USA, die im Spanischen Bürgerkrieg auf Seiten der Republik gegen die Putschisten unter General Franco kämpften, nannten sich Lincoln-Bataillon. Eine Oppositionsgruppe innerhalb der Republikanischen Partei rief 2019 das gegen die Politik Donald Trumps gerichtete Lincoln Project ins Leben. Insgesamt 17 Countys sowie zahlreiche Städte und Dörfer in den USA tragen den Namen des früheren Präsidenten, von kleinen wie Fort Abraham Lincoln in North Dakota bis zu großen wie der Hauptstadt Nebraskas. Ebenso ein 1984 entdeckter Asteroid des inneren Hauptgürtels. Die US Navy taufte mehrere Schiffe auf seinen Namen, unter anderem den Flugzeugträger Abraham Lincoln und ein strategisches Atom-U-Boot. Die Automarke Lincoln wurde 1917 von deren Begründer Henry Leland nach ihm benannt, und seit 1954 ziert der Slogan „Land of Lincoln“ die Kfz-Kennzeichen von Illinois. Als Forschungsstätte wurde 1889 in Springfield die Illinois State Historical Library ins Leben gerufen, die – um ein Museum und weitere Einrichtungen erweitert – am 16. April 2005 als The Abraham Lincoln Presidential Library and Museum neu eröffnet wurde. Das Wohnhaus von Abraham Lincoln im historischen Zentrum Springfields steht unter der Obhut des U.S. National Park Service und ist heute ebenso ein Museum wie Lincolns Geburtsstätte in Kentucky, der Ort des Attentats – Ford’s Theatre – und das dem Theater gegenüberliegende Sterbehaus in Washington. Lincolns Bild ziert den 5-Dollar-Schein sowie die 1-Cent-Münze. In 10 US-Bundesstaaten wird Lincolns Geburtstag als offizieller Feiertag begangen. Zu seinen und George Washingtons Ehren wurde der nationale Feiertag „Presidents Day“ eingeführt. Und neben den Köpfen George Washingtons, Thomas Jeffersons und Theodore Roosevelts wurde auch der Lincolns in die Felsen von Mount Rushmore in South Dakota gemeißelt. Der Komponist Aaron Copland schrieb 1942 das Tongedicht Lincoln Portrait mit einem gesprochenen Begleittext zu Ehren des 16. US-Präsidenten. Bereits 1922 war am Ufer des Potomac in Washington das Lincoln Memorial eingeweiht worden. Der klassizistische Tempelbau und das Kapitol der Vereinigten Staaten markieren die beiden Enden der National Mall, der zentralen Achse der amerikanischen Hauptstadt. Die Gedenkstätte birgt eine Kolossalstatue Abraham Lincolns, die Darstellungen der Zeusstatue von Olympia nachempfunden ist. In ihre Südwand ist der Text der Gettysburg Address, in die Nordwand Lincolns zweite Amtsantrittsrede eingemeißelt. Seit ihrer Entstehung ist sie Schauplatz vieler großer Bürgerrechtsdemonstrationen gewesen. Martin Luther King hielt 1963 seine berühmte Rede I Have a Dream von den Stufen des Lincoln Memorials herab. In Lincolns 200. Geburtsjahr trat der erste afroamerikanische Präsident der USA sein Amt an. Barack Obama hatte seine Bewerbung als Präsidentschaftskandidat am 10. Februar 2007 vor dem alten Parlamentsgebäude in Springfield bekannt gegeben, in dem Lincoln 1858 seine bis heute nachwirkende House Divided Speech gehalten hatte. Sowohl bei seiner ersten als auch bei seiner zweiten Amtseinführung in den Jahren 2009 und 2013 legte der 44. Präsident der Vereinigten Staaten seinen Eid auf Lincolns Bibel ab.
* Collected Works of Abraham Lincoln. 8 Bände. Hg. von Roy Prentice Basler im Auftrag der Abraham Lincoln Association, Rutgers University Press, New Brunswick 1953 (Korrespondenz, Reden und andere Schriften), ISBN 978-0-8135-0172-7. * Speeches and Letters by Abraham Lincoln. Hg. von Merwin Roe, J. M. Dent, London 1909, 1936, 1949 (Auswahlband). * Lincoln letters. Bibliophile Society, Boston 1913 ().
* Erich Angermann: Abraham Lincoln und die Erneuerung der nationalen Identität der Vereinigten Staaten von Amerika (= Schriften des Historischen Kollegs. Vorträge. Band 7). Stiftung Historisches Kolleg, München 1984 (). * Michael Burlingame: Lincoln A Life Volume One and Two, Baltimore 2013, ISBN 978-1-4214-0973-3, ISBN 978-1-4214-1058-6 * David Herbert Donald: Lincoln. Simon & Schuster, New York 1995, ISBN 0-684-80846-3. * Henry Louis Gates, Jr., Donald Yacovone: Lincoln on Race & Slavery. Princeton University Press, Princeton 2009, ISBN 978-0-691-14234-0. * Ronald D. Gerste: Abraham Lincoln. Begründer des modernen Amerika. Verlag Friedrich Pustet, Regensburg 2008, ISBN 978-3-7917-2130-9. * Doris Kearns Goodwin: Team of Rivals. The Political Genius of Abraham Lincoln. Penguin Books, London 2013, ISBN 978-0-241-96608-2. * John Hay, John George Nicolay: Abraham Lincoln: A History (10 Bände). The Century Magazine, New York 1890. * Ibram X. Kendi: Gebrandmarkt. Die wahre Geschichte des Rassismus in Amerika. Verlag C.H.Beck, München 2017, ISBN 978-3-7425-0223-0. * Jürgen Kuczynski: Abraham Lincoln. Akademie Verlag, Berlin/Köln 1985, ISBN 3-7609-0971-X. * Gordon Leidner (Hrsg.): Abraham Lincoln: Quotes, Quips and Speeches. Sourcebooks Inc., Naperville (Illinois) 2009, ISBN 978-1-4022-6912-7 (). Deutsche Ausgabe: Gordon Leidner (Hrsg.): Abraham Lincoln: Vermächtnisse. Deutsche Übersetzung: Ursula Maria Ewald. Leonhard-Thurneysser-Verlag, Berlin & Basel 2015, ISBN 978-3-946194-00-2. * Pantagraph Printing & Stationery Co., Bloomington 1910. * James M. McPherson: Für die Freiheit sterben – Die Geschichte des amerikanischen Bürgerkriegs. List, München/Leipzig 1988, 1995, ISBN 3-471-78178-1. * James M. McPherson: Abraham Lincoln. Oxford University Press, New York 2009, ISBN 978-0-19-537452-0. * Jörg Nagler: Abraham Lincoln (1861–1865). Bewahrung der Republik und Wiedergeburt der amerikanischen Nation. In: Die amerikanischen Präsidenten. 41 historische Portraits von George Washington bis Bill Clinton. Hg. v. Jürgen Heideking und Christoph Mauch, C. H. Beck, München 1995, S. 176–193, 2005, ISBN 3-406-39804-9, ISBN 3-406-53147-4. * Jörg Nagler: Abraham Lincoln. Amerikas großer Präsident. Eine Biographie. C. H. Beck, München 2009, ISBN 978-3-406-58747-4. * David Allen Nichols: Lincoln and the Indians. Civil War Policy and Politics. University of Missouri Press 1978, Nachdruck 2000. * Stephen B. Oates: With Malice Toward None. A Life Of Abraham Lincoln. Harper & Raw, New York 1977, 1996, ISBN 0-06-013283-3. * Bill O’Reilly, Martin Dugard: Killing Lincoln. Henry Holt & Company, New York 2011, ISBN 978-0-8050-9307-0. * Philip Shaw Paludan: The Presidency of Abraham Lincoln. University Press of Kansas, Lawrence 1994, ISBN 0-7006-0671-8. * William Armstrong Percy: The Intimate World of Abraham Lincoln. Free Press, 2005 (gemeinschaftlich mit Lewis Gannett). * James G. Randall: Lincoln the President. 4 Bände. Dodd Mead, New York 1945 bis 1955 (vollendet durch Richard Current), University of Illinois Press, 2000. * Carl Sandburg: Abraham Lincoln: The Prairie Years. 2 Bände, Harcourt, Brace & Company, New York 1926. * Carl Sandburg: Abraham Lincoln: The War Years. 4 Bände, Harcourt, Brace & Company, New York 1939 (gewann den Pulitzer-Preis 1940). * Carl Sandburg: Abraham Lincoln. Das Leben eines Unsterblichen. Paul Zsolnay, Hamburg/Wien 1958, Heyne, München 1984, ISBN 3-453-55118-4. * Peter Schäfer, Ulrike Skorsetz: Die Präsidenten der USA in Lebensbildern. Von George Washington bis George W. Bush. Komet, Köln 2005, ISBN 3-89836-450-X. * Georg Schild: Abraham Lincoln. Eine politische Biographie. Ferdinand Schöningh, Paderborn, 2009, ISBN 978-3-506-76748-6. * James L. Swanson: Manhunt. The 12-Day Chase for Lincoln’s Killer. Harper Perennial, ISBN 978-0-06-051849-3.
Seit 1911 ist Abraham Lincoln in fast 350 Filmen und Fernsehsendungen von Schauspielern dargestellt worden, unter anderem von Walter Huston, Henry Fonda, Gregory Peck, Raymond Massey, Hal Holbrook, Sam Waterston, Lance Henriksen, Daniel Day-Lewis und – besonders häufig (zehn Mal) – von Frank McGlynn senior. Day-Lewis erhielt für seine Hauptrolle in Steven Spielbergs Film Lincoln einen Oscar. Die wichtigsten Spiel- und Dokumentarfilme mit und über Lincoln sind: * David Wark Griffith: Abraham Lincoln, 1930, Spielfilm * John Ford: Der junge Mr. Lincoln, 1939, Spielfilm * John Cromwell: Abe Lincoln in Illinois, 1940, Spielfilm * George Schaefer: Lincoln, 1974, Fernsehserie * Lamont Johnson: Lincoln, 1988, Miniserie * Jack Bender: Im Schatten des Todes (The Perfect Tribute) (1991), Fernsehfilm mit Jason Robards als Lincoln * Peter W. Kunhardt: Lincoln, 1992, Fernsehfilm * Ken Burns: The Civil War. Der Amerikanische Bürgerkrieg. WDR/CS Associates, 1996, Dokumentarserie * John Gray: Abraham Lincoln – Die Ermordung des Präsidenten (The Day Lincoln Was Shot), 1998, Fernsehfilm * Robert Redford: Die Lincoln Verschwörung, 2010, Spielfilm * Steven Spielberg: Lincoln, 2012, Spielfilm * Adrian Moat: Tom Hanks: Die Lincoln-Verschwörung (Killing Lincoln), 2013, Fernsehfilm, National Geographic Channel * Carl Franklin: Nach dem Attentat, 2024, Miniserie mit Hamish Linklater als Abraham Lincoln
* ], 14. April 1865, Originalbericht) * ] (englisch, Redakteur: Michael Burlingame) * Springfield, Illinois (englisch) * Washington, D.C. (englisch) * ] mit Reden und anderen Dokumenten aller amerikanischen Präsidenten (englisch) * ], 28. Juni 1999, 178 Minuten (englischsprachige Dokumentation und Diskussion mit dem Autor David E. Long und den Historikern Edna Greene Medford und Timothy Townsend sowie Führung durch die Lincoln Home National Historic Site)
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Altweibersommer
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Altweibersommer ist die Bezeichnung für eine meteorologische Singularität. Es handelt sich um eine Phase gleichmäßiger Witterung im Herbst, oft Ende September und Oktober, die durch ein stabiles Hochdruckgebiet und ein warmes Ausklingen des Sommers gekennzeichnet ist. Das kurzzeitig trockenere Wetter erlaubt eine gute Fernsicht, intensiviert den Laubfall und die Laubverfärbung.
Die Herkunft des Wortes ist nicht sicher, zumal neben dem Begriff Altweibersommer auch zahlreiche weitere wie Ähnlsummer, Frauensommer, Mädchensommer, Mettensommer, Mettkensommer, Metjensommer, Nachsommer, Witwensommer, Michaelssommer, Martinssommer, Allerheiligensommer und fliegender Sommer vorkommen, was die sprachgeschichtliche Deutung erschwert. Nach der einen Erklärung leitet sich der Name von Spinnfäden her, mit denen junge Baldachinspinnen im Herbst durch die Luft segeln (vgl. Spinnenflug). Der Flugfaden, den die Spinnen produzieren und auf dem sie durch die Luft schweben, erinnert die Menschen an das graue Haar alter Frauen. Mit „weiben“ wurde im Althochdeutschen das Knüpfen der Spinnweben bezeichnet. Nach der anderen Erklärung, in der von Kluge/Seebold die „vielleicht“ ursprüngliche, von Pfeifer hingegen „wahrscheinlicher“ eine sekundäre Bedeutung gesehen wird, liegt dem Wort das Motiv der zweiten Jugend bei Frauen, die als unzeitig und nur kurze Zeit dauernd angesehen wird, zugrunde. An diese letztere Deutung können das schweizerische Witwesömmerli und der bairische Ähnlsummer (‚Großvatersommer‘) angeschlossen werden, vielleicht liegt aber auch das Bild des alten, schwachen Sommers vor. Das Landgericht Darmstadt hat im Jahr 1989 festgestellt, dass die Verwendung des Ausdrucks Altweibersommer durch die Medien keinen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte von älteren Damen darstellt.
In den slawischen Sprachen sowie im Ungarischen und Estnischen nennt man diese Zeit ähnlich wie im Deutschen Altweibersommer (polnisch babie lato, tschechisch babí léto, sorbisch babylěćo, slowakisch babie leto, slowenisch babje poletje / leto, russisch babje leto, ukrainisch babyne lito, ungarisch vénasszonyok nyara, estnisch vananaistesuvi). In Nordamerika, insbesondere in den Neuenglandstaaten, wird diese Wetterlage Indian Summer (Québec: été indien) genannt – im Deutschen oft mit der herbstlichen Laubfärbung verwechselt. In Frankreich wurde der Begriff été indien 1975 durch ein gleichnamiges Lied von Joe Dassin popularisiert. Früher sprach man eher von été de la Saint-Denis (9. Oktober), été de la Saint-Géraud (13. Oktober) oder été de la Saint-Martin (11. November). Ähnlich spricht man in Finnland von Ruska-Aika (Zeit der Braunfärbung) und in Schweden vom brittsommar (Birgitta-Sommer, vor Ort 7. Oktober). In Skandinavien kommen Erscheinungen der aufkommenden Polarnacht hinzu. In der Übergangsphase von der Mitternachtssonne zur Polarnacht macht der Spätsommer mit seiner prachtvollen Laubfärbung Ausflüge in die Natur besonders attraktiv. Die Ruska-Saison ist für viele einheimische Naturfreunde der Höhepunkt des Jahres und Auslöser für einen intensiven Tourismus ins nördliche Lappland, den nördlichsten Teil Europas am Polarkreis. In Spanien ist die Zeit als St.-Michaels-Sommer (Veranillo de San Miguel) bekannt. Andere Mittelmeerländer kennen im November den St.-Martins-Sommer. In der Türkei wird die Wetterperiode als pastırma yazı („Pastırma-Sommer“) bezeichnet. Pastırma ist ein getrocknetes Rinderfilet, von würziger Paste umgeben, das im Spätsommer von türkischen Metzgern vorbereitet und traditionell unter dem Hausdach an der warmen Luft zum Trocknen aufgehängt wird. In Japan wird ein warmer später Sommer als „kleiner Frühling“ (koharu 小春) bezeichnet. Das darauf folgende Momijigari beschreibt die Sitte, bei angenehmem Herbstwetter Landschaften und Parks mit schöner herbstlicher Laubfärbung, insbesondere von Ahornbäumen und -wäldern, zu besuchen.
Im Volksglauben wurden die Spinnweben der Baldachinspinnen auch für Gespinste von Elfen, Zwergen oder der Nornen gehalten. Als Verursacherin galt aber auch die Jungfrau Maria, die zusammen mit 11.000 Jungfrauen das Land alljährlich um diese Zeit mit Seide überspinnen würde. Daher rühren auch Bezeichnungen dieser Spinnfäden wie Marienhaar, Mariengarn, Marienfaden, Marienseide, Herbstgarn, Sommerseide, Herbstfäden, Liebfrauenfäden, Unserer Lieben Frauen Gespinst, Mutter Gottes Gespinst. Im Volksglauben nahm man an, dass es Glück bringe, wenn sich die Fäden an der Kleidung des Menschen heften würden, und wer sie mit sich herumträgt, werde berühmt werden. Ebenso verheiße es eine baldige Hochzeit, wenn sich fliegende Spinnfäden im Haar eines jungen Mädchens verfangen. Der Altweibersommer hat in verschiedenen Bauernregeln seinen Niederschlag gefunden, die gutes Wetter verheißen und auf einen angenehmen Herbst schließen lassen. * 1. November: Ist’s zu Allerheiligen rein, tritt Altweibersommer ein. * 15. November: Der heilige Leopold ist oft noch dem Altweibersommer hold.
* Artur Lehmann: Altweibersommer. Die Wärmerückfälle des Herbstes in Mitteleuropa. Parey, Berlin 1911 (Zugleich: Berlin, Univ., Diss., 1911), auch in: Landwirtschaftliche Jahrbücher 41, 1911, , S. 57–129.
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Astana
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Astana [], deutsch auch [] (kasachisch und russisch ; ist auch das kasachische Wort für Hauptstadt) ist seit dem 10. Dezember 1997 die Hauptstadt Kasachstans. Sie befindet sich im nördlichen Teil des Landes inmitten der Kasachischen Steppe am Ufer des Flusses Ischim. Mit Einwohnern (Stand ) ist sie nach Almaty die zweitgrößte Stadt des Landes. Die Stadt wurde 1830 als russische Festung gegründet. In den 1950er Jahren wurde der Ort zum Zentrum der sowjetischen Neulandkampagne zur Gewinnung von landwirtschaftlichen Anbauflächen. Dies führte dazu, dass sich das Stadtbild veränderte und die Entwicklung der Stadt vorangetrieben wurde. Nach der Unabhängigkeit Kasachstans von der Sowjetunion wurde eine Verlegung der Hauptstadt beschlossen und die Stadt somit am 10. Dezember 1997 zur Planhauptstadt. Im Süden der Stadt entstand daraufhin ein modernes Regierungsviertel mit markanten Bauwerken wie dem Bajterek-Turm, dem Khan Shatyr oder der Pyramide des Friedens und der Eintracht.
Die Stadt hat in jüngster Vergangenheit mehrmals ihren Namen gewechselt. So hieß sie bis 1961 , von „weiße Grabstätte“, von 1961 bis 1991 , von „Neuland“, von 1992 bis 1998 Aqmola, ab dann , kasachisch für „Hauptstadt“. Von 2019 bis 2022 hieß die Stadt zu Ehren des langjährigen Präsidenten Kasachstans Nursultan Nasarbajew . Am 17. September 2022 unterzeichnete Kasachstans Präsident Toqajew ein verfassungsänderndes Dekret, mit dem die Rückbenennung in Astana vollzogen wurde (Details siehe Abschnitt „Geschichte“).
Der Ort liegt in einer großräumigen Steppenlandschaft im Übergangsbereich zwischen dem russisch geprägten Norden Kasachstans und dem extrem dünn besiedelten Landeszentrum am Fluss Ischim. Die älteren Stadtviertel liegen nördlich des Flusses, während die neuen Stadtviertel vor allem südlich des Ischim angelegt wurden.
Die Stadt kann geografisch in verschiedene Gebiete eingeteilt werden. Nördlich der Eisenbahn, welche den Norden der Stadt in ost-westlicher Richtung durchquert, befinden sich Industrie- und ärmere Wohnviertel. Zwischen der Eisenbahnlinie und dem Fluss Ischim befindet sich die Innenstadt, in der aktuell eine rege Bautätigkeit herrscht. Westlich und östlich davon schließen sich gehobenere Wohnviertel an. Südlich des Ischim befinden sich Parks und das neue Regierungsviertel. Hier sind ebenfalls viele große Bauprojekte im Entstehen, so zum Beispiel der Bau eines Diplomatenviertels, verschiedener Regierungsgebäude und einer repräsentativen Uferpromenade. Bis 2030 sollen diese Stadtteile vollendet sein. Astanas Chefplaner, Wladimir Laptew, will ein Berlin in eurasischer Version erbauen. Gelegentlich wird auch eine Parallele zu Ankara gezogen, welche nach Gründung der modernen Türkei Hauptstadt wurde. Eine reine Verwaltungs-Hauptstadt wie Brasília oder Canberra ist nicht das Ziel der Stadtplaner.
Astana gilt klimatisch nach Ulaanbaatar als die zweitkälteste Hauptstadt der Welt; sie wird vom Kontinentalklima geprägt. Die Winde aus Nordsibirien gelangen in den Wintermonaten aufgrund fehlender geografischer Barrieren nahezu ungebremst nach Nord- und Zentralkasachstan. Die winterliche Durchschnittstemperatur beträgt ca. −15 Grad Celsius mit vereinzelten Nachtfrösten bis −40 Grad Celsius. Das absolute Temperaturminimum liegt bei −51,6 Grad Celsius. Dagegen sind im Sommer Spitzentemperaturen von über 35 Grad Celsius zu verzeichnen.
Spuren skythischer Besiedlung finden sich im Grab des Sonnenherrschers (vor etwa 2500 Jahren). Die Stadt wurde 1830 als russische Festung Akmolinsk gegründet (von kasachisch Aqmola (Ақмола), ‚weißes Heiligtum‘, aber auch ‚weißes Grab‘ für einen nahe gelegenen Platz, an dem heller Kalkstein zutage tritt). Lange Zeit fungierte sie nur als Fort in der kasachischen Steppe. Die Bedeutung der Stadt wuchs Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts, als Akmolinsk ein Eisenbahnknotenpunkt an der Turksib wurde. Dies führte zur ersten wirtschaftlichen Blüte der Stadt, die bis zum Russischen Bürgerkrieg anhielt. Dieser betraf auch das Gebiet des heutigen Nordkasachstans und damit auch Akmolinsk. In Akmolinsk bestand das Kriegsgefangenenlager 330 für deutsche Kriegsgefangene des Zweiten Weltkriegs.
Als Nikita Chruschtschow in den 1950er Jahren ein Mammutprojekt startete, um die nordkasachische Steppe in eine zweite Kornkammer der Sowjetunion zu verwandeln, wurde die Stadt zur Hauptstadt dieser sogenannten Neuland-Region (Целинный край / Zelinny krai) und 1961 in Zelinograd umbenannt. Der hohe Anteil an russischer Bevölkerung in dieser Gegend, der zu ethnischen Spannungen geführt hat, lässt sich auf den Zuzug von Landarbeitern in dieser Zeit zurückführen. In der Umgebung der Stadt wurden daneben viele Russlanddeutsche angesiedelt, die vorher unter der Herrschaft Josef Stalins deportiert worden waren.
Nachdem Kasachstan mit dem Zerfall der Sowjetunion die Unabhängigkeit erlangt hatte, wurden die Stadt und ihre Region 1992 nach dem ursprünglichen Namen in Aqmola umbenannt und 1994 als zukünftige Hauptstadt nominiert. Nach der Verlegung der Hauptstadt von Almaty nach Aqmola am 10. Dezember 1997 wurde die Stadt am 6. Mai 1998 abermals umbenannt und erhielt den Namen Astana. Der Grund für die Verlegung der Hauptstadt bestand neben der hohen Erdbebengefahr in Almaty vor allem darin, dass die kasachische Regierung unter Nursultan Nasarbajew hoffte, durch diesen Schritt eventuellen separatistischen Tendenzen der mehrheitlich von Russen bewohnten Gebiete im Nordosten des Landes besser entgegentreten zu können. Des Weiteren wurden Astana die besten Entwicklungsmöglichkeiten – resultierend aus möglichen Bebauungsflächen und Verkehrsinfrastruktur – prognostiziert. Schließlich war der Umzug – was in Kasachstan eher hinter vorgehaltener Hand erwähnt wird – durch einen Interessen- und Machtausgleich zwischen den drei traditionellen kasachischen Stammesföderationen der Großen Horde im städtisch geprägten Süden – der der ehemalige Präsident Nasarbajew angehört –, der Mittleren Horde im zentralen und östlichen Kasachstan, in deren Gebiet Astana liegt, und der in der erdöl- und gasreichen Kaspischen Senke im Westen Kasachstans ansässigen Kleinen Horde bedingt. Seit Astana als Hauptstadt fungiert, erlebt die Stadt ein starkes Wirtschaftswachstum. Damit einhergehend sind ein starkes Bevölkerungswachstum und eine hohe Bautätigkeit. Am 23. März 2019 wurde die Stadt zu Ehren des langjährigen Präsidenten Kasachstans, Nursultan Nasarbajew, in Nur-Sultan umbenannt. Die Umbenennung erfolgte auf Vorschlag seines Nachfolgers Qassym-Schomart Toqajew. , der Ak-Orda-Präsidentenpalast, dahinter in der Ferne der Bajterek-Turm, rechts daneben weitere moderne Wolkenkratzer
Bürgermeister (Äkim) von Astana ist seit Dezember 2022 Schengis Qassymbek. Während sowjetischer Zeit stand der Stadtverwaltung der Vorsitzende des Exekutivausschusses vor. Nachfolgend die Bürgermeister der Stadt seit 1992: * Amanschol Bölekpajew (1992–1997) * Ädilbek Schaqsybekow (1997–2003) * Temirchan Dosmuchambetow (2003–2004) * Ömirsaq Schökejew (2004–2006) * Asqar Mamin (2006–2008) * Imanghali Tasmaghambetow (2008–2014) * Ädilbek Schaqsybekow (2014–2016) * Ässet Issekeschew (2016–2018) * Baqyt Sultanow (2018–2019) * Altai Kölginow (2019–2022) * Schengis Qassymbek (seit 2022)
Das aktuelle Wappen von Astana wurde vom kasachischen Präsidenten Nursultan Nasarbajew entworfen und am 5. Juni 2008 eingeführt. Die beiden zentralen Motive des Wappens sind Bäiterek () und Schangyraq (). Dabei ist Bajterek, Bezeichnung für den Baum des Lebens bei den Turkvölkern, die Personifizierung des Universums und Schangyrak, die Krone einer kasachischen Jurte, stellt den Übergangspunkt von der unendlichen Weite des Universums zum eigenen Haus dar. Am unteren Ende von Bäiterek findet sich eine stilisierte Darstellung des mythischen Vogels Simorgh mit ausgebreiteten Flügeln, für den in Kasachstan der Name Samruk verwendet wird. Das Wappen der Stadt ist in zwei Ringe aufgeteilt: Der äußere Ring steht für die Geschichte der Großen Steppe. Die rote Farbe geht auf die reinigende Kraft des Feuers zurück, das von den Türken als unverzichtbares Element angesehen wurde und mit Geburt, Wachstum und Entwicklung in Verbindung gebracht wurde. Die rote Grenze symbolisiert auch die feurigen Tore, die man durchquert, um den Geist zu reinigen und mit Kraft gefüllt zu werden. Der innere Ring in der Farbe Azurblau, die auch für die Flagge Kasachstans verwendet wird, steht für die Unabhängigkeit des modernen Kasachstan. An beiden Seiten der Inschrift des Stadtnamens befinden sich im roten Ring jeweils drei symmetrische Linien, die die Dachstangen (/uyq) des Schangyrak darstellen. Die Inschrift Астана (kasachisch und russisch für Astana) wurde durch Nur-Sultan (in lateinischer Schrift) ersetzt.
Unter den Museen der Stadt befindet sich das Museum des ersten Präsidenten der Republik Kasachstan mit einer Sammlung von Waffen, Orden und Auszeichnungen des Präsidenten Nursultan Nasarbajew. In verschiedenen Ausstellungen werden auch Exponate gezeigt, die Einblicke in die kasachische Kultur geben. In der Nähe des Flusses Ischim befindet sich das Freilichtmuseum Atameken. Auf gut zwei Hektar wurde hier ein Miniaturmodell Kasachstans und des Kaspischen Meeres geschaffen. Es werden Modelle kasachischer Sehenswürdigkeiten und einiger europäischer Bauwerke präsentiert. Das Kulturzentrum des Präsidenten besteht aus einem Museum, einer Bibliothek und einem Konzertsaal. Es werden neben den Themengebieten Archäologie, Kunst und Geschichte Kasachstans einige weitere wissenschaftlich-kulturelle Themen behandelt.
Alte Gebäude sucht man in Astana vergeblich. Die Stadt wird zum einen von Gebäuden der Sowjetzeit geprägt – hier herrscht der Baustil der 1960er und 1970er Jahre vor –, zum anderen von Stadtvierteln, die entweder in den letzten Jahren entstanden sind oder umgebaut wurden. Das betrifft die Viertel südlich des Ischim, die im Rahmen des Regierungsumzuges entstanden sind. Nahezu alle bedeutenden Bauwerke der Stadt entstanden erst, nachdem die Stadt zur Hauptstadt Kasachstans erklärt wurde. Die bekannten Bauwerke der Stadt befinden sich überwiegend im neuen Regierungsviertel der Stadt, das im Süden von Astana angelegt wurde. Im Zentrum des Regierungsviertels befindet sich der Nurschol-Boulevard, an dem zahlreiche Behörden, das kasachische Parlament und einige staatliche Unternehmen ihren Sitz haben. An ihm befindet sich auch der Bajterek-Turm, ein rund 100 Meter hoher Aussichtsturm in der Form eines mythologischen Lebensbaumes und Wahrzeichen der Stadt. An seinem westlichen Ende liegt das Khan Shatyr, eine Konstruktion in Form eines Zeltes. Darin befinden sich unter anderem ein Einkaufszentrum, ein Entertainmentcenter und ein Aquapark. Am östlichen Ende dieser Prachtstraße befindet sich am Flussufer der Ak-Orda-Palast, der Amtssitz des kasachischen Präsidenten. Der markante Bau, der mit italienischem Marmor verkleidet ist und eine Kuppel mit einer goldenen Antenne trägt, ist umgeben von einem groß angelegten Park. Direkt gegenüber, auf der anderen Seite des Ischim, befindet sich die Pyramide des Friedens und der Eintracht. Dieses pyramidenförmige Bauwerk, das vom britischen Architektenbüro Foster + Partners entworfen wurde, ist dauerhafter Tagungsort des Kongresses der Führer der Welt- und der traditionellen Religionen. Es ist konzipiert als Ort der für religiöse Verständigung, Abkehr von Gewalt und Förderung von Glaube und der Gleichheit der Menschen steht. Seit der Jahrtausendwende entstanden in Astana auch zunehmend Wolkenkratzer. Das älteste Hochhaus der Stadt ist der 2001 vollendete Astana Tower. Die meisten Hochhäuser wurden am Nurschol-Boulevard errichtet. Dort befindet sich das 175 Meter hohe Railways Building, Sitz der Eisenbahngesellschaft Qasaqstan Temir Scholy, und der Transport Tower. Direkt neben dem Railways Building befindet sich der Komplex der Emerald Towers, der aus zwei Wolkenkratzern besteht. Emerald Towers 1 ist mit einer Höhe von 210 Metern das derzeit höchste Gebäude in Kasachstan. Der Komplex Northern Lights besteht aus drei Hochhäusern, von denen das höchste Gebäude eine Höhe von 180 Metern misst. Bereits seit 2010 entsteht südlich des Bajterek-Turms der Abu Dhabi Plaza, der durch die Vereinigten Arabischen Emirate finanziert wird. Mit einer Höhe von 311 Metern wird das Bauwerk das höchste Gebäude in Zentralasien sein. Die Fertigstellung wurde mehrmals verschoben und ist für das Jahr 2021 geplant. Die neue russisch-orthodoxe Mariä-Entschlafens-Kathedrale wurde Anfang 2010 vom Patriarchen der russisch-orthodoxen Kirche Kyrill I. eingeweiht. Die Nur-Astana-Moschee war die größte Moschee Kasachstans, bis sie 2012 von der Hazrat-Sultan-Moschee abgelöst wurde. Außerdem befindet sich in Astana mit der Beit Rachel Synagoge die größte Synagoge Zentralasiens. 2022 wurde mit der Zentralmoschee eine neue Moschee eingeweiht, welche zu den größten der Welt gehört. Astana richtete 2017 die Weltausstellung Expo 2017 aus. 2024 wurde im Palast der Unabhängigkeit das SCO-Gipfeltreffen ausgerichtet.
* Astana Symphony Orchestra gegründet 1998 * Zentrale Konzerthalle Kasachstan * Astana Opera, erbaut von 2010 bis 2013
Zwei große Fußballvereine sind bzw. waren in Astana beheimatet. Der Fußballklub FK Astana-1964 spielte in der zweithöchsten Spielklasse des Landes und wurde 2014 aufgelöst. Seine Heimspiele trug er im Kaschymukan-Munaitpassow-Stadion aus. FK Astana wurde erst 2009 durch die Fusion zweier Teams gegründet und ist in der kasachischen Premjer-Liga vertreten. Die Fußball-Heimspiele werden in der 2009 eröffneten und 30.000 Zuschauer fassenden Astana Arena ausgetragen. Die Eishockeymannschaft Barys Astana ist eines der erfolgreichsten Teams Zentralasiens. Seit der Saison 2008/2009 nimmt sie am Spielbetrieb der Kontinentalen Hockey-Liga teil. Die Spielstätte der Mannschaft ist die 12.000 Zuschauer fassende Barys Arena. Das Radsportteam Astana, das an der UCI ProTour teilnimmt, hat seit 2009 seinen Standort in Astana. Die Basketballmannschaft BK Astana wurde 2011 neu gegründet und spielt neben der Kasachischen National League in der VTB-UL. Sie gewann 2012 die nationale Meisterschaft und den Pokal. Seit 2011 existiert auch ein Rally Team Astana, das bei der Dakar Rally 2012 in der Klasse der Trucks den dritten Platz belegte.
Astana lebt vor allem von seiner Hauptstadtfunktion und den damit zusammenhängenden Wirtschaftszweigen. Durch die rege Bautätigkeit hat der Bausektor eine wichtige Bedeutung in der Stadt. Ein weiterer wichtiger Industriezweig ist die Lederverarbeitung. Das Stadtgebiet stellt eine Sonderwirtschaftszone dar. Die Umgebung wird großräumig landwirtschaftlich genutzt. In der Stadt wurde 2017 das AIFC (Astana International Financial Centre) gegründet, wovon die Wertpapierbörse Astana International Exchange (AIX) einen teil darstellt.
Astana liegt in der Mitte Kasachstans und hat dadurch eine Sonderstellung als Verkehrsknotenpunkt.
Astana ist ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt im Eisenbahnverkehr sowohl in Nord-Süd- (von Petropawl nach Almaty und Taschkent) als auch in Ost-West-Richtung (von Moskau nach China). Der Bahnhof von Astana wird von der staatlichen kasachischen Eisenbahngesellschaft Kasachstan Temir Scholy betrieben und ist einer der größten Bahnhöfe Kasachstans. Es bestehen täglich Verbindungen in kasachische Großstädte. Zugverbindungen ins Ausland bestehen vor allem nach Russland, aber auch in zentralasiatische Staaten und nach China.
Parallel zu den Eisenbahnstrecken verlaufen Hauptstraßen. Aufgrund der enormen Ausdehnung des Landes besitzt das Straßennetz nur Bedeutung für den regionalen Verkehr. In den nächsten Jahren sind weitere Schnellstraßen bzw. Autobahnen geplant. Die bislang einzige winter- und wetterfeste Autobahn Kasachstans verbindet Astana mit Kökschetau (A12, Teil der Europastraße 125).
Der Flughafen war für einige Jahre ein wichtiges Drehkreuz für die Flüge der Lufthansa Cargo nach Asien. Von Deutschland aus fliegen Air Astana und Lufthansa von Frankfurt am Main non-stop nach Astana. Turkish Airlines fliegt von Istanbul nach Astana. Von der Ukraine aus fliegt Ukraine International Airlines non-stop nach Astana und Almaty. In den nächsten Jahren soll etwa 15 km westlich von Astana ein neuer internationaler Flughafen gebaut werden.
Dem öffentlichen Personennahverkehr dienen Omnibuslinien sowie eine große Zahl Marschrutki. Der Verkehr von Oberleitungsbussen musste 2008 aufgegeben werden, nachdem die Stromrechnungen nicht mehr beglichen werden konnten. Mit Inbetriebnahme der Stadtbahn Astana soll ein neues Verkehrssystem eingeführt werden. Nach Vollendung aller vier Bauabschnitte wird das Liniennetz aus vier Linien bestehen, die durch das gesamte Stadtgebiet verlaufen.
In Astana befinden sich vor allem die Konzernzentralen kasachischer Staatsunternehmen. Die meisten Unternehmen Kasachstans, die nicht in staatlichem Besitz sind, sind in der ehemaligen Hauptstadt Almaty ansässig. Das staatliche kasachische Mineralölunternehmen KazMunayGas hat seinen Hauptsitz in einem 18-stöckigen Gebäude im neuen Regierungsviertel der Stadt. Auch die beiden Tochterunternehmen KazTransOil und KazTransGas befinden sich in Astana. Neben Kasachstans größtem Transportunternehmen Kasachstan Temir Scholy, dessen Tochterunternehmen Kaztemirtrans und Kaztransservice hat auch die KazakhTelecom hier ihre Unternehmenszentrale. Das staatliche Medienunternehmen Nur Media befindet sich ebenfalls in Astana. Kasachstans größter Automobilhändler Astana Motors befindet sich in Astana. Das Bergbauunternehmen Eurasian Natural Resources hat in Astana seine neue kasachische Konzernzentrale eingerichtet. Als einziges kasachisches Kreditinstitut hat die Tsesnabank ihren Unternehmenssitz in der Hauptstadt.
Die Stadt ist Sitz mehrerer Hochschulen und Universitäten. Die älteste Universität ist die Kasachische Agrartechnische Universität. Die landwirtschaftliche Hochschule gehört zu den besten Hochschulen Kasachstans und verfügt über neun Fakultäten, an denen mehr als 10.000 Studenten eingeschrieben sind. Eine weitere bedeutende Universität ist die Eurasische Nationale Universität. Sie wurde 1996 durch die Zusammenlegung zweier Hochschulen gegründet. Die Medizinische Universität Astana wurde 1964 gegründet. Die KAZGUU Närikbajew-Universität ist eine private Universität, die 1994 gegründet wurde. Die Nasarbajew-Universität wurde 2010 etabliert. Sie ist eine Forschungsuniversität mit vorwiegend internationalem Personal. An der Universität sind rund 5000 Studenten eingeschrieben.
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Angela Merkel
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Angela Dorothea Merkel (* 17. Juli 1954 in Hamburg als Angela Dorothea Kasner) ist eine ehemalige deutsche Politikerin (CDU). Sie war von November 2005 bis Dezember 2021 Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland und die achte in dieses Amt gewählte Person. Sie war die erste Frau, die erste nach der Gründung der Bundesrepublik geborene und die einzige in der DDR sozialisierte Person in diesem Amt. Als promovierte Physikerin war sie am Zentralinstitut für Physikalische Chemie tätig, bis sie in der Wendezeit ab Dezember 1989 erstmals politisch in der Partei Demokratischer Aufbruch aktiv wurde, die sich Anfang Oktober 1990 der CDU anschloss. In der ersten und gleichzeitig letzten demokratisch gewählten Regierung der DDR übte sie das Amt der stellvertretenden Regierungssprecherin aus. Bei der Bundestagswahl 1990 errang sie erstmals ein Bundestagsmandat. Von 1991 bis 1994 war Merkel Bundesministerin für Frauen und Jugend im Kabinett Kohl IV und von 1994 bis 1998 Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit im Kabinett Kohl V. Von 1998 bis zu ihrer Wahl als CDU-Vorsitzende im Jahr 2000 amtierte sie als Generalsekretärin der CDU. Von April 2000 bis Dezember 2018 war sie Bundesvorsitzende der CDU. Nach dem knappen Sieg der Unionsparteien bei der vorgezogenen Bundestagswahl 2005 löste Merkel Gerhard Schröder (SPD) als Bundeskanzler ab. Als Regierungschefin führte sie zunächst bis 2009 eine große Koalition mit der SPD (Kabinett Merkel I). Nach der Bundestagswahl 2009 ging sie mit der FDP eine schwarz-gelbe Koalition ein (Kabinett Merkel II), der 2013 eine erneute große Koalition folgte, die auch nach der Bundestagswahl 2017 fortgesetzt wurde (Kabinett Merkel III und IV). Im Oktober 2018 kündigte sie an, zur Bundestagswahl 2021 nicht mehr zu kandidieren.
Noch 1954, einige Wochen nach der Geburt der Tochter, siedelte die Familie von Hamburg-Eppendorf in die DDR über. Für die Evangelische Kirche in Berlin-Brandenburg trat Horst Kasner im Dorf Quitzow (heute ein Ortsteil von Perleberg) eine Pfarrstelle an. 1957 wechselte Horst Kasner dauerhaft nach Templin in der Uckermark, um sich am Aufbau einer innerkirchlichen Weiterbildungsstelle zu beteiligen. Dort wuchs Angela Kasner im Haus Fichtengrund auf. Ihre Mutter war aufgrund des Pfarrberufs des Vaters im Schuldienst der DDR unerwünscht. Am 7. Juli 1957 wurde Angelas Bruder Marcus und am 19. August 1964 ihre Schwester Irene geboren. In Polen erregte 2013 die Entdeckung ihrer polnischen Wurzeln Aufmerksamkeit: Ihr Großvater, der Polizeibeamte Ludwig Kasner (1896–1959), hatte als Ludwig Kazmierczak als Pole im Deutschen Kaiserreich in Posen gelebt, im Ersten Weltkrieg erst für die deutsche Armee und dann als Angehöriger der polnischen Haller-Armee möglicherweise gegen die deutsche Armee an der Westfront gekämpft. Er siedelte später nach Berlin über.
1961 wurde Angela Kasner an der Polytechnischen Oberschule (POS) in Templin (heute Aktive Naturschule Templin) eingeschult. Sie zeigte überdurchschnittliche schulische Leistungen, in den Schulfächern Russisch und Mathematik war sie Klassenbeste. Sie gewann Russisch-Olympiaden bis hin zur DDR-Ebene – ihre Russischlehrerin bezeichnete sie als „hochbegabt“, „ehrgeizig“ und „schüchtern“ – und war Mitglied der Freien Deutschen Jugend (FDJ). Bei den Mitschülern war Kasner (Spitzname „Kasi“) „superbeliebt“ und „superschlau“, sie „[h]abe andere immer abschreiben lassen“. und erhielt die Lessing-Medaille. Kasner hatte sich bereits während ihrer Schulzeit für das Studium der Physik an der Karl-Marx-Universität (heute: „Universität Leipzig“) in Leipzig entschieden, das sie 1973 aufnahm. Um ihr Einkommen während ihres Studiums aufzubessern, arbeitete sie nach eigenen Angaben an zwei Abenden pro Woche in Discotheken nebenberuflich als „Bardame“. Sie gehörte nicht zu den opponierenden Kräften innerhalb der DDR, was ihre akademische Laufbahn verhindert hätte, berichtet aber, in diesen Jahren den Autor Reiner Kunze getroffen zu haben, den sie als ihren Lieblingsschriftsteller bezeichnet. 1977 heiratete sie den aus Cossengrün in Thüringen stammenden Physikstudenten Ulrich Merkel; die Ehe wurde 1982 geschieden. Angela Merkels Diplomarbeit vom Juni 1978 mit dem Titel Der Einfluss der räumlichen Korrelation auf die Reaktionsgeschwindigkeit bei bimolekularen Elementarreaktionen in dichten Medien, betreut von Reinhold Haberlandt, wurde mit „sehr gut“ bewertet. Die Arbeit war zugleich ein Beitrag zum Forschungsthema Statistische und Chemische Physik von Systemen der Isotopen- und Strahlenforschung im Bereich statistische und physikalische Chemie am Zentralinstitut für Isotopen- und Strahlenforschung der Akademie der Wissenschaften der DDR (AdW).
Nachdem 1978 eine Bewerbung von Merkel an der Technischen Hochschule Ilmenau gescheitert war, ging sie mit ihrem damaligen Mann nach Ost-Berlin. Hier nahm sie eine Stelle am Zentralinstitut für Physikalische Chemie (ZIPC) der Akademie der Wissenschaften der DDR in Berlin-Adlershof an. Am Zentralinstitut arbeiteten rund 650 Personen, davon etwa 350 Wissenschaftler. Angela Merkel arbeitete in der Abteilung Theoretische Chemie. Während der Arbeit an ihrer Dissertation nutzte sie die Gelegenheit, einige der Berechnungen bei der Tschechoslowakischen Akademie der Wissenschaften in Prag durchzuführen, da diese einen leistungsfähigen IBM-Großrechner besaß, den es in der DDR damals nicht gab. Am 8. Januar 1986 reichte sie ihre Dissertation mit dem Thema Untersuchung des Mechanismus von Zerfallsreaktionen mit einfachem Bindungsbruch und Berechnung ihrer Geschwindigkeitskonstanten auf der Grundlage quantenchemischer und statistischer Methoden ein. Die Arbeit wurde mit „sehr gut“ (magna cum laude) bewertet. Nach der Promotionsordnung musste dem Antrag auf Promotion der Nachweis beigefügt werden, dass die während des Studiums erworbenen Kenntnisse des Marxismus-Leninismus („ML“) wesentlich vertieft und erweitert worden waren. Merkel fertigte zum Nachweis eine schriftliche Arbeit mit dem Titel Was ist sozialistische Lebensweise? an, die mit „genügend“ (rite) bewertet wurde. Doktorvater war der Leiter der Abteilung Theoretische Chemie am ZIPC, Lutz Zülicke. Nach der Promotion zum Doktor der Naturwissenschaften (Dr. rer. nat.) wechselte Merkel innerhalb des Instituts in den Bereich Analytische Chemie, in dem Klaus Ulbricht ihr Abteilungsleiter wurde. In Bezug auf ihre Koautorenschaft bei wissenschaftlichen Publikationen hat Angela Merkel die Erdős-Zahl 5. Merkel war weder Mitglied der SED noch einer der Blockparteien; sie war nicht in der zivilen oder der kirchlichen Opposition aktiv. Während ihrer Tätigkeit für die Akademie der Wissenschaften engagierte sie sich in einer FDJ-Gruppe. Nach eigenen Angaben war Merkel dort als Kulturreferentin tätig. Zeitzeugen – die der Merkel-Biograf Gerd Langguth befragt hat – sprachen davon, sie sei für „Agitation und Propaganda“ zuständig gewesen.
Während ihres Physikstudiums in Leipzig lernte Angela Kasner im Jahr 1974 bei einem Jugendaustausch mit Physikstudenten in Moskau und Leningrad ihren ersten Ehemann, den aus Cossengrün stammenden Physikstudenten Ulrich Merkel, kennen. Am 3. September 1977 wurden die beiden in Templin kirchlich getraut. 1981 trennte sich das Paar und die kinderlose Ehe wurde 1982 in Ost-Berlin geschieden. Ulrich Merkel hat aus seiner zweiten Ehe einen Sohn. Im Jahr 1984 lernte Merkel an der Akademie der Wissenschaften der DDR in Berlin-Adlershof den Quantenchemiker Joachim Sauer kennen, den sie am 30. Dezember 1998 heiratete. Sie behielt den Nachnamen Merkel bei, da sie zu diesem Zeitpunkt bereits als Angela Merkel in der Öffentlichkeit bekannt war. Die Ehe ist kinderlos; Sauer brachte zwei Söhne aus erster Ehe (Adrian und Daniel Sauer) mit in die Partnerschaft. Das Ehepaar zog von der Luisenstraße, in unmittelbarer Sichtweite des Reichstagsgebäudes, in eine Wohnung Am Kupfergraben in der Nähe der Humboldt-Universität um, in der es weiterhin lebt.
Seit 1985 sind Angela Merkel und Joachim Sauer Eigentümer eines Wochenendhauses in Hohenwalde, einem Ortsteil von Milmersdorf in der Uckermark. Ihren Urlaub verbringt sie mit ihrem Mann seit Jahren an denselben Orten: zu Ostern auf der Insel Ischia im Golf von Neapel, im Sommer zum Wandern in Sulden im Vinschgau/Südtirol und im Winter zum Skilanglauf in Pontresina im Schweizer Engadin. Angela Merkel und ihr Mann besuchen gerne die Oper und nehmen regelmäßig an Premierenvorstellungen der Bayreuther Wagner-Festspiele teil.
Während der Wende in der DDR im Herbst 1989 zeichnete sich ab, dass im Osten Deutschlands neue, demokratische Parteistrukturen entstehen würden. Merkel wollte zunächst der SPD beitreten, hätte dafür jedoch vorher die Mitgliedschaft in einem Ortsverein beantragen müssen. Das sagte ihr nicht zu; sie begann deshalb im Dezember 1989 beim neu gegründeten Demokratischen Aufbruch (DA) zu arbeiten, zunächst im Dezember und Januar noch unentgeltlich als provisorische Systemadministratorin, ab 1. Februar 1990 dann hauptberuflich als Sachbearbeiterin in der persönlichen Arbeitsumgebung des Vorsitzenden Wolfgang Schnur in der Ost-Berliner Geschäftsstelle. Aus dieser Zeit ist auch ihre Aussage verbürgt, dass sie mit der CDU nichts zu tun haben wolle. Später folgten der Entwurf von Flugblättern, die Ernennung zur Pressesprecherin Mitte Januar 1990 durch ihren „Entdecker“ Schnur als Nachfolgerin von Christiane Ziller und die Mitgliedschaft im Vorstand des DA. Der Demokratische Aufbruch schwankte zunächst noch stark in den politischen Perspektiven und galt eine Zeitlang, wie die anderen Vereinigungen der Bürgerbewegung (Neues Forum, Demokratie Jetzt), prinzipiell als politisch linksorientiert. Bald brach sich aber eine politische Haltung Bahn, die den Sozialismus grundsätzlich ablehnte. Dies verstärkte sich, als Anfang 1990 konservative westdeutsche Politiker auf die erste demokratische Volkskammerwahl am 18. März 1990 hinarbeiteten und Volker Rühe als Generalsekretär der westdeutschen CDU am 5. Februar 1990 das Wahlbündnis Allianz für Deutschland begründete. Der Demokratische Aufbruch nahm darin als neu gegründete Bürgerbewegung eine Schlüsselstellung ein: Denn Helmut Kohl, damaliger Bundeskanzler und CDU-Vorsitzender, wollte nicht allein auf die Ost-CDU (die als Blockpartei vorbelastet war) oder die der CSU nahestehende Deutsche Soziale Union (DSU) setzen. Das Ansehen des DA wurde jedoch erheblich geschädigt, als wenige Tage vor der Volkskammerwahl bekannt wurde, dass Wolfgang Schnur von 1965 bis 1989 für das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) tätig gewesen war. Merkel leitete die Pressekonferenz, auf der der DA-Vorstand seine Betroffenheit darüber äußerte.
Die erste freie Volkskammerwahl am 18. März 1990 endete für Merkels Demokratischen Aufbruch (DA) mit einem 0,9-Prozent-Desaster. Dank der unerwarteten 41 Prozent für den Bündnispartner Ost-CDU wurde die gemeinsame Allianz für Deutschland jedoch faktischer Wahlsieger. Unter dem CDU-Spitzenkandidaten Lothar de Maizière entstand innerhalb der folgenden Wochen eine Koalition, bestehend aus der Allianz, den Sozialdemokraten und den Liberalen. Am 12. April 1990 wählten die Volkskammerabgeordneten dieser Koalitionspartner Lothar de Maizière zum neuen Ministerpräsidenten der DDR. In der Regierung de Maizières erhielt Rainer Eppelmann mit dem Ressort Abrüstung und Verteidigung für den DA ein Ministeramt. Im Einklang mit der Koalitionsarithmetik, die bei der Verteilung weiterer Posten zu beachten war, wurde Merkel in der ersten und gleichzeitig letzten, frei gewählten Regierung der DDR stellvertretende Regierungssprecherin.
Merkels Beitritt zur CDU erfolgte im Zuge der Fusion des DA an die CDU passiv, indem ihre Mitgliedschaft im DA automatisch in ein CDU-Parteibuch umgewandelt wurde.
Bei der ersten gesamtdeutschen Bundestagswahl am 2. Dezember 1990 gewann Merkel ihren Wahlkreis mit 48,5 Prozent der abgegebenen Erststimmen; bei den folgenden sieben Bundestagswahlen zog sie stets über ihren wiederum neuen Wahlkreis direkt in den Bundestag ein.Siehe die Mitgliederlisten des Deutschen Bundestages für die 19. Wahlperiode (ab 2017) (44,0 %), 18. Wahlperiode (ab 2013) (56,2 %), 17. Wahlperiode (ab 2009) (49,3 %), 16. Wahlperiode (ab 2005) (41,3 %), 15. Wahlperiode (ab 2002) (41,6 %), 14. Wahlperiode (ab 1998) (37,3 %), 13. Wahlperiode (ab 1994) (48,6 %), 12. Wahlperiode (ab 1990) (48,5 %). Mit der konstituierenden Sitzung am 20. Dezember 1990 wurde sie Abgeordnete des Deutschen Bundestages. ) beim Staatsakt für Detlev Rohwedder Der Wahlsieger Helmut Kohl, der sie im November 1990 nochmals zu einem Gespräch ins Kanzleramt nach Bonn eingeladen hatte, nominierte sie überraschend für ein Ministeramt in seinem Kabinett. Das alte Bundesministerium für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit wurde dreigeteilt – in das Bundesministerium für Gesundheit (Gerda Hasselfeldt), das Bundesministerium für Familie und Senioren (Hannelore Rönsch) und das Bundesministerium für Frauen und Jugend (Angela Merkel). Merkel erhielt ein kleines Restministerium mit wenig Kompetenzen. Sie wurde am 18. Januar 1991 als Ministerin vereidigt. Als parlamentarischen Staatssekretär wählte sie Peter Hintze; als beamteter Staatssekretär folgte später noch Willi Hausmann. Im Januar 1992 wurde Beate Baumann Merkels Büroleiterin und blieb es bis zum Ende des Jahres 2021. Merkel war aufgrund ihrer Vergangenheit als Bürgerin der DDR wenig vertraut mit den Gebräuchen in der Union. Ihr schneller Quereinstieg gründete sich ausschließlich auf die Gunst des Bundeskanzlers, was ihr von Journalisten den Spitznamen „Kohls Mädchen“ einbrachte, während ihre späteren Konkurrenten in Karrierenetzwerken wie dem Andenpakt zusammengeschlossen waren, gegen die sie zunächst keine eigene Hausmacht geltend machen konnte. Daher bemühte sie sich im November 1991 um den CDU-Landesvorsitz in Brandenburg, konnte sich jedoch nicht gegen Ulf Fink durchsetzen. Dies sollte die einzige Abstimmungsniederlage ihrer Karriere bleiben. Im Dezember 1991 wurde sie auf dem CDU-Bundesparteitag in Dresden als Nachfolgerin von Lothar de Maizière zur einzigen stellvertretenden Bundesvorsitzenden ihrer Partei gewählt; ab 1992 war sie eine von vier Stellvertretern Kohls. Von 1992 bis 1993 saß sie darüber hinaus dem Evangelischen Arbeitskreis (EAK) der Unionsparteien vor. Im Juni 1993 nahm sie die Chance wahr, ihre Macht in der Partei auszubauen, indem sie Günther Krause als CDU-Landesvorsitzende von Mecklenburg-Vorpommern nachfolgte. Nach dem politischen Rückzug von de Maizière und Krause besaß sie eine der wenigen unbelasteten Ostbiografien innerhalb der CDU.
Merkel erreichte bei der Bundestagswahl am 16. Oktober 1994 in ihrem Wahlkreis 48,6 Prozent der Erststimmen und wurde im Kabinett Kohl überraschend Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Ihr Amtsvorgänger war der auch außerhalb der Union anerkannte Klaus Töpfer. Dessen umweltpolitische Positionen und Forderungen stießen jedoch innerhalb des Wirtschaftsflügels der CDU und insbesondere beim Koalitionspartner FDP auf zunehmenden Widerstand. Die Vereidigung Merkels am 17. November 1994 und der Wechsel Töpfers an die Spitze des Bundesministeriums für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau können parteipolitisch als Töpfers Entmachtung betrachtet werden. Merkel entließ drei Monate nach Amtsantritt Töpfers langjährigen beamteten Staatssekretär Clemens Stroetmann und ersetzte ihn durch Erhard Jauck.
Die Bundestagswahl am 27. September 1998 endete für die Union und ihren Kanzlerkandidaten Kohl mit einem Debakel. CDU und CSU erzielten mit 35,2 Prozent das schlechteste Ergebnis seit 1949 – erstmals wurde eine amtierende Bundesregierung abgewählt. Merkels Erststimmenanteil sank um 11 Prozentpunkte auf 37,3 Prozent. Wolfgang Schäuble, der als Kohls möglicher Nachfolger galt, hatte vor der Wahl des Kandidaten kritisiert, dass Kohl erneut antrat, sich damit aber gegen Kohl nicht durchsetzen können. Auf dem CDU-Bundesparteitag in Bonn am 7. November 1998 wurde Schäuble zum neuen Bundesvorsitzenden gewählt und auf seinen Vorschlag Merkel zur Generalsekretärin der CDU. Sie erhielt damit eine der wenigen Positionen mit Gestaltungsmacht, die der langjährigen Regierungspartei CDU in der Opposition geblieben waren. Kohl wurde Ehrenvorsitzender der CDU mit Sitz im Präsidium und Bundesvorstand. Die CDU erreichte in den folgenden Monaten bei Landtagswahlen einige gute Ergebnisse und im Juni 1999 bei der Europawahl zusammen mit der CSU überragende 48,7 Prozent (1994: 38,8 Prozent). Hatte sich schon in der Ära Kohl die Tendenz gezeigt, dass die deutschen Wähler die auf Bundesebene in der Opposition befindlichen Parteien bei anderen Wahlen stärkten, wurde jetzt die neue Oppositionspartei CDU gestützt. Im November 1999 wurde die CDU-Spendenaffäre öffentlich. Helmut Kohl räumte in einem ZDF-Interview am 16. Dezember 1999 ein, während seiner Zeit als Bundeskanzler unter Bruch des Parteispendengesetzes Millionenbeträge entgegengenommen zu haben. Er weigerte sich aber, den oder die Geldgeber zu nennen, da er ihnen sein Ehrenwort gegeben habe. Merkel veröffentlichte am 22. Dezember 1999 einen Gastbeitrag in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, in dem sie Kohls Haltung kritisierte und die Partei zur Abnabelung aufforderte: Diese offene Kritik an Kohl, die bis dahin von der Parteiführung ungehört war, war nicht mit dem Parteivorsitzenden Schäuble abgesprochen, der Merkel daraufhin „eigentlich entlassen“ wollte; unter Funktionären wurde sie als „Vatermörderin“ und „Nestbeschmutzerin“ bezeichnet, erhielt aber auch viel Zuspruch für ihren riskanten Schritt, unter anderem von Christian Wulff. Da Schäuble ihr in der Sache Recht gab und Merkel, als unbelastet geltend, einen Neuanfang glaubwürdig vertreten konnte, beließ er sie im Amt.
Am 16. Februar 2000 erklärte Schäuble vor der CDU/CSU-Bundestagsfraktion seinen Rücktritt als Partei- und Fraktionsvorsitzender. In den darauffolgenden Wochen war die Partei führungslos, Angela Merkel befand sich als Generalsekretärin in einer Schlüsselposition. In dieser Zeit fanden neun sogenannte „Regionalkonferenzen“ statt. Sie waren ursprünglich angesetzt worden, um die CDU-Spendenaffäre mit der Parteibasis zu diskutieren und aufzuarbeiten. Auf diesen lokalen Parteiversammlungen formierte sich Unterstützung für Merkel als Schäuble-Nachfolgerin. Ihr später Quereinstieg kam ihr nun zugute: Sie galt in der Öffentlichkeit und bei der Basis als in der Parteispendenangelegenheit unbelastet. Frühzeitig sprach sich der niedersächsische Oppositionsführer Christian Wulff für Merkel aus. Volker Rühe, Friedrich Merz und Edmund Stoiber dagegen sollen ihrer Kandidatur kritisch gegenübergestanden haben. Am 10. April 2000 wurde Angela Merkel auf dem CDU-Bundesparteitag in Essen mit 897 von 935 gültigen Stimmen zur neuen CDU-Bundesvorsitzenden gewählt. Neuer CDU-Generalsekretär wurde, auf Merkels Vorschlag, Ruprecht Polenz. Den Vorsitz der CDU/CSU-Bundestagsfraktion übernahm Friedrich Merz. Das neue Führungstrio erlebte am 14. Juli eine erste politische Niederlage: Obwohl die rot-grüne Bundesregierung nicht über die notwendige Mehrheit im Bundesrat verfügte, war es ihr gelungen, in der Abstimmung über die geplante Steuerreform einige Bundesländer mit CDU-Regierungsbeteiligung auf ihre Seite zu ziehen. Bereits im November 2000 trennte sich Angela Merkel von Ruprecht Polenz. Als seinen Nachfolger wählte sie Laurenz Meyer, der wie Polenz Bundestagsabgeordneter aus Nordrhein-Westfalen war. Die Jahre 2000 und 2001 bescherten der CDU unter Merkel – auch als Folge der Spendenaffäre – keine großen Landtagswahlerfolge. Die rot-grüne Bundesregierung schien dagegen Tritt gefasst zu haben. Die Positionierung für die Bundestagswahl im September 2002 begann: Friedrich Merz hatte sich selbst bereits im Februar 2001 als Kandidat für das Amt des Bundeskanzlers ins Gespräch gebracht. Damit war die Diskussion um die Kandidatenfrage – in den Medien häufig als „K-Frage“ bezeichnet – eingeläutet. Angela Merkels Bereitschaft zur Kandidatur war bekannt. Sie verfügte in den Spitzen der Partei jedoch über wenig Rückhalt, da viele CDU-Ministerpräsidenten und Landesvorsitzende den bayerischen Ministerpräsidenten und CSU-Vorsitzenden Edmund Stoiber favorisierten. Im Dezember 2001 war auf dem Bundesparteitag in Dresden eine Entscheidung vermieden worden, diese sollte am 11. Januar 2002 auf einer Sitzung von CDU-Präsidium und Bundesvorstand in Magdeburg fallen. Merkel ging der unmittelbaren Konfrontation mit Stoiber jedoch aus dem Weg: Im Vorfeld hatte sie ihn zum „Wolfratshauser Frühstück“ zu Hause besucht, bei dem sie ihm ihren Verzicht zu seinen Gunsten mitteilte. Angela Merkels Rückzug diente dabei dem eigenen Machterhalt, eine deutliche Abstimmungsniederlage gegen Stoiber hätte als Misstrauensvotum gegen ihre Person aufgefasst werden und eine Diskussion um den Parteivorsitz aufkommen lassen können.
Die Bundestagswahl am 22. September 2002 endete mit einer knappen Wiederwahl der rot-grünen Regierungskoalition unter Gerhard Schröder und Joschka Fischer. Angela Merkel hatte die erfolglose Stoiber-Kandidatur loyal mitgetragen. Zu Schröders Wahlsieg hatte auch dessen schnelle Reaktion auf das Jahrhunderthochwasser beigetragen, als noch wichtiger wird indes seine ablehnende Haltung zum Irakkrieg betrachtet. Dem „Nein“ der amtierenden Bundesregierung stand ein Bekenntnis Merkels zu George W. Bushs Konfrontationskurs – von ihr damals als „Drohkulisse“ bezeichnet – gegenüber. Sie und Stoiber hielten an dem durch ihre Parteiprogramme vorgegebenen unbedingten Bekenntnis zu den USA fest und warfen der Regierung vor, für Irritation bei den Amerikanern zu sorgen und das historische Bündnis mit den „Befreiern“ vom Nationalsozialismus zu gefährden. Unmittelbar nach der verlorenen Bundestagswahl beanspruchte Angela Merkel den CDU/CSU-Fraktionsvorsitz im Bundestag, das bisherige Amt von Friedrich Merz; dies hatte sie unabhängig vom Wahlausgang geplant. Einer Regierung Stoibers wollte sie als Ministerin nicht angehören. In der nunmehr bestehenden Konstellation wollte sie der Regierung Schröder im Parlament als Oppositionsführerin gegenübertreten. Merz war zunächst nicht bereit, seine Position aufzugeben, und äußerte seinerseits Kritik an Merkel. Auf der entscheidenden CDU-Präsidiumssitzung gab das Votum Stoibers zugunsten Merkel den Ausschlag. Das Verhältnis zwischen Merkel und Merz galt bereits vorher als konfliktbelastete Konkurrenzkonstellation. Mit dem Erhalt des Vorsitzes der CDU/CSU-Bundestagsfraktion wurde Eva Christiansen Beraterin von Merkel. Sie gehörte trotz Unterbrechungen als Beraterin zu Merkels engsten Weggefährten. Bei der ersten Wiederwahl als Parteivorsitzende auf dem Bundesparteitag in Hannover am 11. November 2002 wurde Merkel mit 93,6 Prozent der Stimmen wiedergewählt.
Das Jahr 2003 brachte der CDU und ihrer Vorsitzenden Erfolge bei den Landtagswahlen in Hessen und Niedersachsen. Die stärker werdende Präsenz der CDU im Bundesrat ermöglichte Angela Merkel schließlich ein Mitregieren aus der Opposition heraus. Die CDU trug die Agenda 2010 der rot-grünen Bundesregierung mit und stimmte, nachdem sie im Vermittlungsausschuss noch weitergehende Forderungen durchgesetzt hatte, den Gesetzesänderungen in Bundestag und Bundesrat zu. So war sie vor allem bei der Formulierung der zum 1. Januar 2004 wirksam gewordenen Gesundheitsreform und des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt (Hartz IV) eingebunden. In der Hohmann-Affäre reagierte Merkel Anfang November 2003 auf die Äußerungen von Martin Hohmann zum „jüdischen Tätervolk“ zunächst mit der Aufforderung, dass Hohmann seine Position als Berichterstatter im Innenausschuss des Deutschen Bundestages aufgeben müsse. Merkel wurde dafür kritisiert, keinen Fraktionsausschluss des Abgeordneten voranzutreiben, während das Erreichen der notwendigen Zwei-Drittel-Mehrheit für Hohmanns Ausschluss in der eigenen Fraktion wiederum als unsicher galt. Eine Woche später leitete Merkel das Ausschlussverfahren gegen Hohmann ein.
Am 6. Februar 2004 trat der politisch angeschlagene Bundeskanzler Gerhard Schröder als SPD-Vorsitzender zurück, sein Nachfolger wurde Franz Müntefering. Im selben Monat gelang der CDU ein deutlicher Sieg bei der Wahl zur Hamburgischen Bürgerschaft. Angela Merkel bereiste im Februar drei Tage lang die Türkei. Dort setzte sie sich für das Modell der „privilegierten Partnerschaft“ ein, als Alternative zu der von der Bundesregierung angestrebten Vollmitgliedschaft in der Europäischen Union. In einer Rede vom 20. November 2004 äußerte sich Angela Merkel mit den Worten „Die multikulturelle Gesellschaft ist gescheitert“ zur innenpolitischen Lage Deutschlands im Hinblick auf die Integrationsproblematik der muslimischen (vorwiegend türkischen) Bevölkerung. Dabei brachte sie erneut den Begriff der deutschen Leitkultur in die Diskussion und kritisierte vor allem den aus ihrer Sicht mangelnden Integrationswillen der Muslime. Das Ende der Amtszeit von Bundespräsident Johannes Rau bedeutete die Neubesetzung des formal höchsten politischen Amtes in der Bundesrepublik Deutschland. Wolfgang Schäuble hatte sich früh als Kandidat ins Gespräch gebracht und konnte auf Unterstützung innerhalb von CDU und CSU hoffen. Innerparteiliche Gegenspieler Angela Merkels wie Roland Koch und Friedrich Merz favorisierten Schäuble, ebenso wie Edmund Stoiber (CSU). Horst Köhler galt als Merkels Kandidat und sein knapper Wahlerfolg in der Bundesversammlung am 23. Mai 2004 wurde allgemein als ein weiterer Ausbau ihrer Machtposition gewertet.
Die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen am 22. Mai 2005 brachte der SPD eine schwere Wahlniederlage, die eine Serie von Landtagswahlniederlagen der Jahre 2003 und 2004 fortsetzte. Als politisch-medialen Befreiungsschlag erklärten eine halbe Stunde nach Schließung der Wahllokale zuerst SPD-Parteichef Franz Müntefering und kurze Zeit darauf Bundeskanzler Gerhard Schröder, dass sie eine vorgezogene Neuwahl des Bundestages für den Herbst 2005 anstrebten. Am 30. Mai bestimmten die Parteipräsidien von CDU und CSU in einer gemeinsamen Sitzung Angela Merkel zur Kanzlerkandidatin der Unionsparteien. Ihre Rolle war unumstritten, die innerparteilichen Gegenspieler marginalisiert. Merkels Schattenkabinett wurde angesichts der angestrebten Koalition mit der FDP als Kompetenzteam vorgestellt. Insbesondere Paul Kirchhof und sein „Kirchhof-Modell“ (zur Besteuerung von Einkommen) sowie die CDU-Vorstellungen zur Krankenversicherung („Kopfpauschale“) galten später als „schwer vermittelbar“ und mitverantwortlich für ein unbefriedigendes Wahlergebnis. Bei der Bundestagswahl am 18. September 2005 erreichten CDU/CSU mit der Spitzenkandidatin Angela Merkel 35,2 Prozent (2002: 38,5) vor der SPD mit 34,2 Prozent. Ihren eigenen Wahlkreis 15 (Stralsund, Landkreis Nordvorpommern und Landkreis Rügen) gewann Angela Merkel mit 41,3 Prozent der Erststimmen. Damit blieb die Union deutlich hinter ihren Prognosen zurück und konnte ihr Wahlziel, eine Regierungsmehrheit für CDU/CSU und FDP, nicht erreichen. Im Gegenteil drohte sie ihren komfortablen Vorsprung analog zu 2002 an den erfahrenen Wahlkämpfer Schröder zu verlieren; die Hoffnung, dass Merkel das häufig gelobte Ergebnis des in Teilen Deutschlands 2002 eher als irritierend empfundenen Bayern Stoiber noch einmal verbessern könnte, hatte sich nicht erfüllt. Historisch handelte es sich bei dem CDU-Ergebnis um das schlechteste seit 1949, bei dem gesamten Unions-Ergebnis um das zweitschlechteste. Merkel konnte sich aber dennoch auf einen knappen Vorsprung von vier Sitzen und damit einen der engsten Wahlausgänge der bundesdeutschen Geschichte stützen, da auch die Sozialdemokraten deutliche Stimmeneinbußen hinnehmen mussten und es anders als in den Umfragen ersichtlich zu einem Kopf-an-Kopf-Rennen gekommen war, in dessen Zuge die bisherige Regierungskoalition aus SPD und Grünen ihre Parlamentsmehrheit verloren hatte.
In einer Fernsehdiskussion am Wahlabend, der sogenannten „Elefantenrunde“, beanspruchte Gerhard Schröder trotz der eingebüßten Mehrheit von Rot-Grün überraschend die Regierungsbildung für sich – in einer Form, die heftige Diskussionen auslöste und die er später selbst als „suboptimal“ bezeichnete. Die nächsten Tage waren im politischen Berlin von der Frage bestimmt, ob der SPD, als im Bundestag größter Einzelfraktion einer Partei, oder der CDU/CSU, als größter Fraktionsgemeinschaft, das Amt des Bundeskanzlers – in einer wie auch immer gearteten Koalitionsregierung – gebühre. Am 20. September wurde Angela Merkel von der erstmals nach der Wahl zusammengetretenen Unions-Bundestagsfraktion in geheimer Wahl mit 219 von 222 Stimmen zur Fraktionsvorsitzenden wiedergewählt. Nach dem enttäuschenden Bundestagswahlergebnis war dies ein wichtiges Vertrauensvotum und Rückhalt für bevorstehende Koalitionsgespräche. Die Öffentlichkeit erlebte in den 14 Tagen bis zu einer notwendigen Nachwahl im Wahlkreis 160 (Dresden I) Gespräche Angela Merkels und Edmund Stoibers mit Bündnis 90/Die Grünen zwecks Sondierung einer möglichen schwarz-gelb-grünen „Jamaika-Koalition“ zusammen mit der FDP. Erst nach der Entscheidung in Dresden begannen die Gespräche mit der SPD zur Bildung einer Großen Koalition. Am 10. Oktober veröffentlichten SPD, CDU und CSU eine gemeinsame Vereinbarung, die die geplante Wahl von Angela Merkel zur Bundeskanzlerin durch den 16. Deutschen Bundestag beinhaltete. Am 12. November stellte sie nach fünfwöchigen Verhandlungen der CDU/CSU mit der SPD den Koalitionsvertrag vor.
Noch vor Beginn der Legislaturperiode verzichtete Merkels langjähriger Konkurrent Edmund Stoiber überraschend auf das für ihn vorgesehene Amt des Wirtschaftsministers, nach eigenem Bekunden wegen Franz Münteferings Rückzug vom Parteivorsitz der SPD. In die Vertrauens- und Schlüsselstellung als Leiter des Bundeskanzleramtes berief Angela Merkel Thomas de Maizière, Cousin des letzten DDR-Ministerpräsidenten Lothar de Maizière.
Zu Beginn der Amtsperiode traten Merkel und ihr Kabinett weder außen- noch innenpolitisch in besonderem Maße in Erscheinung. Lediglich Merkels Minister sorgten für einige Schlagzeilen, die sich aber mehr auf Kompetenzfragen oder die langfristige Ausrichtung der Regierungsarbeit als auf konkrete Sachfragen bezogen. Ende März 2006 legte Merkel ein Acht-Punkte-Programm für die zweite „Etappe“ der Legislaturperiode vor. Darin wurden geplante Anstrengungen in den Bereichen Föderalismusreform, Bürokratieabbau, Forschung und Innovation, Energiepolitik, Haushalts- und Finanzpolitik, Familienpolitik, Arbeitsmarktpolitik und insbesondere Gesundheitsreform skizziert. im mecklenburgischen Seebad Heiligendamm Ungeachtet des Fehlens nötiger einschneidender Reformen stieß Merkels eher sachlicher Regierungsstil anfangs in der Bevölkerung, unter den Führungskräften der Wirtschaft und im Ausland überwiegend auf Zustimmung. Am 27. November 2006 wurde sie auf dem Bundesparteitag der CDU mit 93 Prozent der Stimmen erneut zur Bundesvorsitzenden der Partei gewählt. Merkel sorgte für einen kleineren außenpolitischen Eklat, als sie am 23. September 2007 den Dalai Lama Tendzin Gyatsho im Berliner Bundeskanzleramt empfing. Das Treffen mit dem geistlichen Oberhaupt der Tibeter war von ihr als „privater Gedankenaustausch“ mit einem religiösen Führer bezeichnet worden und sollte nicht als politische Stellungnahme zu den Autonomiebestrebungen Tibets verstanden werden. Trotzdem zeigte sich die Volksrepublik China verstimmt und sagte mit dem Hinweis auf „technische Probleme“ mehrere offizielle Termine auf ministerieller Ebene ab. Merkels außenpolitischer Berater Christoph Heusgen konnte die Wogen wieder glätten, indem er dem chinesischen Botschafter Ma Canrong versicherte, dass Deutschland seine China-Politik nicht ändern werde und die territoriale Integrität Chinas außer Frage stehe.
Vertreten durch Angela Merkel und den Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier hatte die Bundesrepublik Deutschland vom 1. Januar bis 30. Juni 2007 den Vorsitz im Rat der Europäischen Union inne. Der Vorsitz wurde turnusmäßig im Rahmen der Dreier-Präsidentschaft mit Portugal und Slowenien wahrgenommen. Als wesentliche Bestandteile der politischen Agenda nannte Merkel unter anderem den Europäischen Verfassungsvertrag, die „Klima- und Energiepolitik“, die „Vertiefung der transatlantischen Wirtschaftspartnerschaft“ und eine „Nachbarschaftspolitik für die Schwarzmeerregion und Zentralasien“. Auch setzte Merkel sich dafür ein, dass die EU den Bezug auf Gott und den christlichen Glauben in ihrer Verfassung festschreibt. Letztlich konnte sie sich mit dieser Forderung, die unter anderem auch aus Polen, Irland und Italien kam, aber nicht durchsetzen. Der Vertrag von Lissabon verweist lediglich auf das „kulturelle, religiöse und humanistische Erbe Europas“.
Im Herbst 2008 wurde – unter anderem durch die Insolvenz zahlreicher großer Finanzinstitute – das historische Ausmaß der 2007 einsetzenden Finanzkrise deutlich. Die IKB, einige deutsche Landesbanken und auch private Institute mussten Abschreibungen in erheblicher Höhe vornehmen. Der Deutsche Bundestag reagierte im August zunächst mit dem Risikobegrenzungsgesetz, die BaFin untersagte bestimmte Leerverkäufe. Am 8. Oktober 2008 gab die Regierung Merkel eine Garantieerklärung für die Spareinlagen in Deutschland ab. Diese Garantie galt für jedes Institut und für jeden Sparer eines Institutes, das Teil der deutschen Einlagensicherung ist. Zuvor hatte Merkel noch die irische Regierung wegen einer eigenen Staatsgarantie scharf kritisiert, die sich allerdings allein auf einheimische Banken bezog. Merkels Vorgehen wurde von anderen europäischen Finanzministern als nationaler Alleingang kritisiert, von der EU-Kommission jedoch als nicht wettbewerbsverzerrend und damit unproblematisch eingestuft. Dem angeschlagenen Autobauer Opel sagte Merkel Ende März 2009 ihre Unterstützung bei der Suche nach einem Investor zu und stellte staatliche Bürgschaften in Aussicht, lehnte es aber ab, Teile von Opel zu verstaatlichen. Beim geplanten Verkauf von Opel im Sommer 2009 plädierte Merkel für den Autozulieferer Magna als zukünftigen Eigentümer. Im April 2008 hatte Angela Merkel in ihrer Funktion als Kanzlerin den Bankier Josef Ackermann, damals Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bank, und 20 bis 30 weitere Personen zu seinem 60. Geburtstagsessen eingeladen und musste daraufhin – nach einem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg (OVG) aus dem Jahr 2012 – die Liste der geladenen Gäste veröffentlichen lassen. Es wurde unter anderem kritisiert, Merkel habe Politik und Lobby-Interessen miteinander vermischt.
Nach der Wahl Barack Obamas zum Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika gratulierte Merkel ihm zu seinem „historischen Sieg“. Bei ihren ersten Treffen betonten beide ihre gemeinsame Linie zum Beispiel in den Fragen der Erderwärmung oder der Atompolitik des Iran. Eine der wenigen Unstimmigkeiten betraf die Aufnahme von Häftlingen aus dem amerikanischen Gefangenenlager der Guantanamo Bay Naval Base. Obama drängte auf eine schnelle Entscheidung Merkels. Bei den Beratungen zum Beitritt weiterer Länder, wie der Balkanstaaten, zur EU stieß Merkels konservativer Kurs bei der Außenministerkonferenz in Frauenberg im März 2009 auf Kritik. Der Regierungspartner SPD warf ihr vor, dass ihr Programm im Widerspruch zum Europawahlprogramm der CDU stehe. Nach dem Amoklauf in Winnenden vom 11. März 2009 sprach sich die Bundeskanzlerin für stärkere Kontrollen von Waffenbesitzern aus. Außerdem müsse versucht werden, Waffen für Kinder und Jugendliche unzugänglich aufzubewahren.
Während des im Vorfeld zur Bundestagswahl im September 2009 geführten Wahlkampfes wurde Merkel in der Öffentlichkeit und auch von Teilen der CDU/CSU oft vorgeworfen, zu wenig Parteiprofil zu zeigen. Man kritisierte zum Beispiel, dass sie ihr Konzept zur Bekämpfung der Weltwirtschaftskrise nicht klar formulierte. Merkel selbst dementierte diese Vorwürfe. Die Oppositionsparteien übten außerdem Kritik am Verhalten Angela Merkels in der Frage eines Fernsehduells der Spitzenkandidaten aller Parteien. Nach dem Spitzenduell der Kanzlerkandidaten von SPD und CDU sagten beide, Merkel und Steinmeier, ihren Auftritt in einer solchen Runde ab. Im Wahlkampf forderte Merkel eine Senkung des Eingangssteuersatzes bei der Einkommensteuer in zwei Schritten und den vollen Erhalt des Ehegattensplittings. Die Bundeskanzlerin lehnte weiter einen flächendeckenden Mindestlohn ab und trat dafür ein, die Laufzeiten der Kernkraftwerke in Deutschland zu verlängern.
Am 27. September 2009 fand die Wahl zum 17. Deutschen Bundestag statt. Die Unionsparteien und die FDP erreichten dabei zusammen die notwendige Mehrheit für die von beiden Seiten angestrebte Bildung einer schwarz-gelben Koalition. Allerdings verloren beide Unionsparteien Stimmen und mussten ihr jeweils schlechtestes Ergebnis nach der ersten Bundestagswahl 1949 hinnehmen. Merkel selbst siegte im Wahlkreis 15 (Stralsund – Nordvorpommern – Rügen) mit 49,3 Prozent der Erststimmen und erreichte damit einen Zuwachs von 8 Prozentpunkten gegenüber der vorangegangenen Bundestagswahl. Nachdem die Koalitionsparteien einen Koalitionsvertrag unterzeichnet hatten, wurde Angela Merkel am 28. Oktober 2009 mit 323 von 612 abgegebenen Stimmen erneut zur Bundeskanzlerin gewählt; dies waren neun Stimmen weniger, als die Koalition aus CDU/CSU und FDP innehatte. Am 10. November 2009 gab Merkel ihre Regierungserklärung für die neue Legislaturperiode ab, in der sie die Überwindung der Folgen der Wirtschaftskrise in den Mittelpunkt stellte.
Die Koalition konnte zunächst nicht recht Fuß fassen, so dass der öffentliche Eindruck von der Regierungsarbeit zunehmend litt. Beispielsweise beschränkte sich die Koalition, die angetreten war, das Steuersystem zu vereinfachen, mit dem „Wachstumsbeschleunigungsgesetz“ zunächst auf leichte steuerliche Entlastungen in verschiedenen Bereichen und das Einführen einer „Hotelsteuer“ (die Mehrwertsteuer für Hotelübernachtungen wurde von 19 auf 7 Prozent gesenkt). Gerade im ersten Jahr fand die Koalition nicht zu einem harmonischen Handeln zusammen, was in wechselseitigen Beschimpfungen über die Presse gipfelte. Erst gegen Ende des Jahres 2010 wurde die Zusammenarbeit in der Regierung als gut rezipiert. Die Folgen der Wirtschafts- und Bankenkrise sowie die zunehmenden Probleme in der Eurozone nahmen einen breiten Raum im Handeln der Koalition ein. Im Mai 2010 beschlossen die Regierungs-Chefs der 17 Euro-Länder auf einem EU-Ratstreffen in großer Hast den ersten Euro-Rettungsschirm: Griechenland (ein Land mit etwa 10 Millionen Einwohnern) erhielt einen unbesicherten Kredit von 80 Milliarden Euro, um eine kurz bevorstehende Staatspleite abzuwenden. Der Bundestag segnete den deutschen Anteil im Währungsunion-Finanzstabilitätsgesetz ab. Mehrere massive Aufstockungen der deutschen Haftung für Schulden anderer Euro-Länder – ein Verstoß gegen die No-Bailout-Klausel – folgten (siehe Eurokrise, griechische Finanzkrise). Derweil sank die Arbeitslosenzahl im Herbst 2010 auf unter 3 Millionen. Im Zusammenhang mit der Eurokrise beschloss der Bundestag am 13. Juni 2013 ein Gesetz zur Etablierung eines einheitlichen Bankenaufsichtsmechanismus, welcher auch eine Rekapitalisierung von finanziell in Schwierigkeiten geratenen Banken mit Geldern aus dem Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) erlaubt, welcher bis dahin nur Hilfszahlungen an Staaten erlaubte.
Im Zuge einer Plagiatsaffäre um seine Doktorarbeit erklärte zu Guttenberg, bis dahin beliebtester Minister ihres Kabinetts, unter öffentlichem und politischem Druck am 1. März 2011 seinen Rücktritt von sämtlichen bundespolitischen Ämtern. Merkels Äußerung, sie habe Guttenberg „nicht als wissenschaftlichen Assistenten“ bestellt und seine Arbeit als Minister sei „hervorragend“, verstärkte den Unmut an Universitäten und bei Akademikern über den Umgang mit der Affäre, die diese Äußerung als Geringschätzung oder Relativierung von wissenschaftlichen Standards aufnahmen.
Am 28. Oktober 2010 verlängerte die Bundesregierung die Laufzeiten aller 17 damals aktiven deutschen Atomkraftwerke („Ausstieg aus dem Ausstieg“) und annullierte damit den sogenannten Atomkonsens (2000/2002) der rot-grünen Regierung Schröder. Die sieben vor 1980 in Betrieb gegangenen deutschen Atomkraftwerke erhielten Strommengen für zusätzliche acht Betriebsjahre, bei den übrigen zehn sollte sich die Laufzeit um 14 Jahre verlängern. Damit setzte die Union einen Punkt ihres Wahlprogrammes um. Wenige Tage nach dem Beginn der Nuklearkatastrophe von Fukushima in Japan vollzog Merkel im März 2011 jedoch eine völlige Abkehr von ihrer bisherigen Atom- bzw. Energiepolitik: Zunächst verkündete die Bundesregierung ein dreimonatiges Atom-Moratorium für die sieben ältesten deutschen Atomkraftwerke sowie für das Kernkraftwerk Krümmel; kurz darauf setzte sie zwei Expertenkommissionen ein, um ihren beschleunigten Atomausstieg zu rechtfertigen bzw. legitimieren. Diese Kehrtwende brachte Merkel viel innerparteiliche Kritik ein, vor allem aus dem konservativen Flügel der Union. Die Opposition sah in Merkels schnell eingesetztem Atom-Moratorium ein wahltaktisches Manöver, um die CDU für die nur wenig später stattgefundenen Landtagswahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt sowie den Kommunalwahlen in Hessen zu unterstützen. Am 6. Juni 2011 beschloss das Kabinett Merkel II das Aus für acht Kernkraftwerke und einen stufenweisen Atomausstieg bis 2022. Das einseitige Atom-Moratorium und die Rücknahme der Laufzeitverlängerung führte zu jahrelangen Rechtsstreitigkeiten der vier Versorgungsunternehmen (EnBW, E.ON/PreussenElektra, RWE und Vattenfall (Vattenfall gegen Bundesrepublik Deutschland)) mit der Bundesregierung, die schließlich 2021 mit einer Ausgleichszahlung in Höhe von etwa 2,43 Milliarden Euro für nicht konzernintern verstrombare Elektrizitätsmengen und entwertete Investitionen beendet wurden; der geordnete und von Bund und Versorgungsunternehmen beidseitig beschlossene Atomausstieg von 2000/2002 wäre dagegen ohne finanzielle Entschädigung gewesen, siehe Atomkonsens. Umweltschutzorganisationen und die oppositionellen Grünen, die zu dieser Zeit stark in der Wählergunst zulegten, dennoch nahm Angela Merkel mit dem Atomausstieg die Bundesregierung, wie die sie tragenden Parteien, aus der direkten Kritik und konnte auf eine breite Zustimmung aus der Bevölkerung bauen; durch das Besetzen des Kernthemas der Grünen konnte Merkel zudem deren Höhenflug in den Umfragen beenden. Im Mai 2012 erregte Merkel großes Aufsehen, als sie den Minister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Norbert Röttgen überraschend „entließ“. Ihre Entscheidung verkündete sie drei Tage nach Röttgens Landtagswahl-Niederlage als Spitzenkandidat der CDU-NRW gegen die amtierende Ministerpräsidentin Hannelore Kraft. Noch vor der Wahl hatte Merkel wiederholt Norbert Röttgen gelobt und ihr Verhältnis galt als sehr gut; Röttgen war der erste Minister, den Merkel „entließ“. Nachfolger wurde der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und enge Vertraute Merkels Peter Altmaier.
Im Mai 2011 gratulierte Merkel dem US-Präsidenten Obama öffentlich zur Tötung Osama bin Ladens durch eine amerikanische Spezialeinheit und bekundete ihre Freude über den Erfolg der „Operation Neptune Spear“. Innerparteilich, bei Kirchenvertretern und in der Presse geriet sie dafür unter Kritik. Nachdem im Zuge der Überwachungs- und Spionageaffäre 2013 Hinweise darüber bekannt geworden waren, dass das CDU-Mobiltelefon der Bundeskanzlerin über Jahre hinweg durch den US-Geheimdienst NSA abgehört worden sein könnte, forderte Merkel am 23. Oktober 2013 in einem persönlichen Telefonat mit US-Präsident Obama eine umfassende Aufklärung der Vorwürfe und eine Beantwortung einer bereits vor Monaten gestellten Anfrage der deutschen Bundesregierung. Eine Sprecherin des Nationalen Sicherheitsrates der Vereinigten Staaten erklärte hierzu, dass der Präsident der Kanzlerin versichert habe, „dass die Vereinigten Staaten ihre Kommunikation nicht überwachen und auch nicht überwachen werden.“ Die Sprecherin beantwortete dabei trotz gezielter Nachfrage aber nicht, ob dies auch für die Vergangenheit gilt. Laut dem Journalisten Sidney Blumenthal, der als Berater von US-Präsident Bill Clinton und der US-Außenministerin Hillary Clinton tätig war, überwachten die Vereinigten Staaten wiederholt Gespräche von Angela Merkel mit Finanzminister Wolfgang Schäuble und von Merkel und Schäuble mit Gerhard Schindler und Generalmajor Norbert Stier, Präsident und Vizepräsident des Bundesnachrichtendienstes. So wurde am 6. Mai 2012 eine von Schäuble angesetzte „sichere“ Telefonkonferenz mit Merkel zur Wahl François Hollandes zum französischen Präsidenten und zum Ergebnis der Landtagswahl in Schleswig-Holstein abgehört. In dem Gespräch schlug Schäuble unter anderem vor, vorgezogene Bundestagswahlen in Erwägung zu ziehen, um einem möglichen Linkstrend und somit einem drohenden Verlust der Regierungsmehrheit vorzubeugen. Schäuble berichtete zu Informationen des Bundesamtes für Verfassungsschutz über das Erstarken rechtsextremer Parteien in Frankreich und Griechenland sowie rechtsextremer paramilitärischer Gruppen in Schweden, Deutschland, Belgien und den Niederlanden, während sich Merkel besorgt über Beziehungen der CSU zu Rechtsextremisten in Deutschland und Österreich äußerte. Bei Gesprächen im Juli, August und September 2012 ging es um die Eurokrise und um anstehende Wahlen in den Niederlanden und Italien. Kurz vor Beginn des Brüsseler EU-Gipfels vom 24. bis 25. Oktober 2013, bei dem die verdichteten Hinweise auf eine Spionage der Vereinigten Staaten gegen befreundete europäische Länder ausführlich erörtert wurden, obwohl dieses Thema auf der Tagesordnung nicht angekündigt war, sagte Merkel: „Das Ausspähen unter Freunden, das geht gar nicht. Wir sind Verbündete, aber so ein Bündnis kann nur auf Vertrauen aufgebaut sein.“ Am selben Tag berichtete die New York Times, dass ein Auftrag zum Lauschangriff auf das Telefon Merkels in die Regierungszeit von US-Präsident George W. Bush zurückreiche und dass die US-Sicherheitsberaterin Susan E. Rice beteuert habe, der gegenwärtige US-Präsident Obama habe von dieser Sache nichts gewusst. Der Spiegel berichtete am 26. Oktober 2013, dass Merkels Mobiltelefon offenbar seit mehr als zehn Jahren überwacht werde und dass in der Botschaft der Vereinigten Staaten in Berlin Mitarbeiter der NSA und der CIA mittels moderner Hochleistungsantennen die Kommunikation im Regierungsviertel illegal abhören würden. Dabei seien nicht nur Verbindungsdaten der Gesprächspartner, sondern auch Inhalte von einzelnen Gesprächen aufgezeichnet worden. Am 27. Oktober 2013 wurde unter Berufung auf einen hohen NSA-Mitarbeiter berichtet, dass NSA-Chef Keith B. Alexander den US-Präsidenten 2010 persönlich über die Abhöraktion gegen Merkel informiert habe und dass nicht bloß ihr CDU-Mobiltelefon belauscht wurde, sondern auch ein angeblich abhörsicheres Handy der Bundeskanzlerin. Obama habe die Maßnahmen seinerzeit nicht nur weiterlaufen lassen, sondern auch darauf gedrängt, das neue Kanzler-Handy zu knacken. Am 30. Oktober 2013 berichtete die New York Times unter Berufung auf einen früheren Geheimdienstmitarbeiter, dass die NSA in Deutschland jede erreichbare Telefonnummer „aufsauge“; auch ranghohe Beamte und die Chefs der Oppositionsparteien seien Spionageziele. Für die Berichte der NSA hätten sich das Außenministerium, das Finanzministerium, andere Geheimdienste der Vereinigten Staaten sowie der Nationale Sicherheitsrat bei Präsident Obama interessiert. Obamas Sicherheitsberater hätten nach den ihnen regelmäßig vorgelegten Berichten kaum übersehen können, dass internationale Politiker wie Merkel ausgespäht würden. Der Start der Abhöraktion der Vereinigten Staaten gegen Deutschland sei 2002 erfolgt und habe sich vor allem gegen Bundeskanzler Gerhard Schröder gerichtet, weil dessen Ablehnung des Irakkrieges und dessen „Nähe“ zum russischen Präsidenten Putin bei den Vereinigten Staaten die Frage aufgeworfen habe, ob ihm noch getraut werden könne. Dass NSA-Chef Alexander mit Obama über eine Merkel betreffende Operation je gesprochen habe, wurde von der NSA allerdings umgehend dementiert. Gestützt auf US-Regierungskreise brachte das Wall Street Journal am 27. Oktober 2013 die Version, dass das NSA-Abhörprogramm gegen Merkel und die Spitzenpolitiker anderer Nationen gestoppt worden sei, als eine Überprüfung durch die US-Regierung dem US-Präsidenten im Sommer 2013 die Existenz dieser Geheimdienstoperationen offenbart habe. Mit dem Blick auf die Ausspähungen, die die Vereinigten Staaten offenbar auch gegen andere Nationen sowie gegen die Vereinten Nationen, die Europäische Union (EU), den Internationalen Währungsfonds und die Weltbank gerichtet hatten, ließen Dilma Rousseff, die Präsidentin Brasiliens, und Bundeskanzlerin Merkel eine Resolution der Vereinten Nationen vorbereiten, die den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte ergänzen soll und alle Staaten auffordert, Gesetzgebung und Praxis bei Überwachungsaktionen im Ausland auf den Prüfstand zu stellen. Der am 1. November 2013 beim UN-Menschenrechtsausschuss eingereichte, die USA konkret nicht nennende Textentwurf einer Resolution wurde nach mehrwöchiger Beratung auf Drängen der USA und anderer Staaten abgeschwächt und von der Vollversammlung der Vereinten Nationen am 26. November 2013 einstimmig beschlossen.
Nachdem die Koalitionsparteien einen Koalitionsvertrag unterzeichnet hatten, wurde Angela Merkel am 17. Dezember mit 462 von insgesamt 621 abgegebenen Stimmen erneut zur Bundeskanzlerin gewählt; dies sind 42 Stimmen weniger, als die Koalition aus CDU/CSU und SPD innehatte.
Am 20. November 2016 gab Merkel bekannt, bei der Bundestagswahl 2017 für eine vierte Amtszeit als Bundeskanzlerin kandidieren zu wollen. Am 6. Dezember 2016 wurde sie auf dem CDU-Bundesparteitag in Essen mit 89,5 Prozent der knapp 1000 Delegiertenstimmen als Parteivorsitzende wiedergewählt. Die CDU/CSU erlitt starke Verluste und erzielte ihr schlechtestes Ergebnis seit der Bundestagswahl 1949. Merkel selbst erhielt im Wahlkreis 15 (Vorpommern-Rügen – Vorpommern-Greifswald I) 44,0 Prozent der Erststimmen, nach 56,2 Prozent bei der Bundestagswahl 2013. Nach der Bundestagswahl 2017 gab die SPD bekannt, sie stehe nicht für eine große Koalition zur Verfügung. Eine Jamaika-Koalition aus CDU/CSU, FDP und Grünen galt als einziges realistisches Bündnis mit Mehrheit. Mehr als vier Wochen lang gab es Sondierungsgespräche zwischen den Parteien, die in der Nacht des 19. November vom FDP-Vorsitzenden Christian Lindner für gescheitert erklärt wurden. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier führte daraufhin intensive Gespräche mit den Parteispitzen und erinnerte die gewählten Bundestagsabgeordneten nachdrücklich an die Verpflichtung zum Gemeinwohl und zur Regierungsbildung. Das Verfahren zur Wahl des Bundeskanzlers (und ggfs. folgende Neuwahlen) kann nach GG nur mit einem Vorschlag des Bundespräsidenten begonnen werden. Eine schwarz-rot-grüne Koalition (Kenia-Koalition) wurde zwischenzeitlich ins Gespräch gebracht. Angela Merkel und die Führungsspitze der SPD bevorzugten seit November 2017 alternativ eine große Koalition (GroKo) mit einem erneuerten Koalitionsvertrag wie in der vorherigen Legislaturperiode als Königsweg, nicht jedoch Jusos sowie Teile der SPD-Basis. Am 12. Januar 2018 beendeten CDU, CSU und SPD ihre Sondierungsgespräche und legten ein 28-seitiges Papier vor. Auf einem Sonderparteitag der SPD in Bonn stimmten am 21. Januar 2018 56,4 Prozent der Delegierten für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit der Union. Am 7. Februar 2018 einigten Union und SPD sich auf einen Koalitionsvertrag. Am 26. Februar 2018 stimmte ein CDU-Parteitag für eine Neuauflage der Großen Koalition. Am 4. März 2018 wurde bekanntgegeben, dass 66 % der teilnehmenden SPD-Mitglieder bei einem Mitgliedervotum für den Koalitionsvertrag gestimmt hatten. Angela Merkel wurde am 14. März 2018 mit 364 Ja-Stimmen (355 waren mindestens erforderlich) im ersten Wahlgang erneut zur Bundeskanzlerin gewählt und anschließend vom Bundespräsidenten vereidigt. Sie erhielt damit 35 Stimmen weniger als CDU/CSU und SPD im Bundestag hatten. Nach großen Verlusten der Unionsparteien bei den Landtagswahlen in Bayern und in Hessen gab Merkel am 29. Oktober 2018 in einer CDU-Präsidiumssitzung bekannt, nicht mehr für das Amt der CDU-Vorsitzenden zu kandidieren und nach Ende der Legislaturperiode im Jahr 2021 das Amt der Bundeskanzlerin nicht erneut anzustreben. Um Merkels Nachfolge als CDU-Parteivorsitzende kandidierten die CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer, der ehemalige Bundestagsfraktionsvorsitzende Friedrich Merz und Bundesgesundheitsminister Jens Spahn. Am 7. Dezember 2018 wählten die Delegierten Kramp-Karrenbauer im zweiten Wahlgang zur neuen CDU-Vorsitzenden.
Am 6. Februar 2020 äußerte Merkel sich bei einem Staatsbesuch über das Ergebnis der Ministerpräsidentenwahl in Thüringen und forderte dazu auf, es rückgängig zu machen. Dies wurde auch durch kanzleramtliche Kanäle verbreitet. Darin erkannte das Bundesverfassungsgericht (Az. 2 BvE 4/20 u. a.) im Juni 2022 eine Verletzung des Rechts der AfD auf Chancengleichheit der Parteien aus Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG.
Während der Deutschen EU-Ratspräsidentschaft vom 1. Juli bis zum 31. Dezember 2020 verhandelte Merkel über das Milliarden-Euro-Aufbauprogramm aufgrund der Corona-Krise und den Haushalt der EU-Staaten.
Vom Moment des Zusammentretens des 20. Deutschen Bundestags zur Konstituierung am 26. Oktober 2021 bis zur Wahl ihres Nachfolgers Olaf Scholz zum Bundeskanzler am 8. Dezember 2021 übte Angela Merkel das Amt der Bundeskanzlerin auf Ersuchen des Bundespräsidenten weiter geschäftsführend aus. Für den neuen 20. Deutschen Bundestag hatte sie jedoch nicht mehr kandidiert. Somit standen ihr die mit dem Bundestagsmandat verbundenen Rechte trotz Sitzungsteilnahme schon während ihrer Amtszeit nicht mehr zu. Nachdem sie ihren Bundestagswahlkreis Vorpommern-Rügen – Vorpommern-Greifswald I seit seiner Existenz 1990 immer direkt mit großer oder absoluter Mehrheit gewonnen hatte, ging dieser jetzt erstmals an die SPD. Zusammen mit der Kanzlerschaft beendete Angela Merkel ihre gesamte politische Karriere. Sie war als Bundeskanzlerin 5860 Tage im Amt: Zehn Tage weniger als die Rekord-Amtszeit von 5870 Tagen des Bundeskanzlers Helmut Kohl. Zur Verabschiedung aus dem Amt fand im Bendlerblock ein Großer Zapfenstreich der Bundeswehr statt.
Im Januar 2022 lehnte sie ein Angebot von UN-Generalsekretär António Guterres ab, in einem hochrangig besetzten Beratergremium zu globalen öffentlichen Gütern mitzuarbeiten. Im selben Monat lehnte sie einen Ehrenvorsitz der CDU mit der Begründung ab, dass dieser aus der Zeit gefallen sei. Am 13. Februar 2022 nahm Merkel als Mitglied der 17. Bundesversammlung für das Land Mecklenburg-Vorpommern an der Wahl des deutschen Bundespräsidenten 2022 teil. Umstritten war ihre Auszeichnung mit dem Großkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland in besonderer Ausführung, das vor ihr nur Konrad Adenauer und Helmut Kohl bekommen hatten, durch Bundespräsident Steinmeier am 17. April 2023. Im Dezember 2023 schied sie aus der Konrad-Adenauer-Stiftung aus, da sie ihre Mitgliedschaft nicht weiter verlängerte. Zusammen mit ihrer langjährigen Büroleiterin Beate Baumann schrieb Merkel an ihrer Biografie. Das Buch mit dem Titel Freiheit. Erinnerungen 1954–2021 wurde am 26. November 2024 in Deutschland im Verlag Kiepenheuer & Witsch veröffentlicht, in mehr als 30 Ländern sollen Übersetzungen erscheinen. Dafür erhielt Merkel, die bei den Verhandlungen mit Verlagen auf eine Literaturagentur verzichtete, laut FAZ einen Vorschuss in zweistelliger Millionenhöhe. Kritiker monierten, dass Merkels Biografie wenig bis keine Selbstkritik enthalte. Mit Presseerklärung vom 30. Januar 2025 kritisierte Merkel den CDU-Kanzlerkandidaten Merz dafür, dass am 29. Januar 2025 „sehenden Auges erstmalig bei einer Abstimmung im Deutschen Bundestag eine Mehrheit mit den Stimmen der AfD“ ermöglicht hat. Sie zitierte die Rede von Merz am 13. November 2024 im Deutschen Bundestag, in der er noch zugesagt hatte, keine Entscheidungen auf die Tagesordnung zu setzen, bei denen eine Mehrheit nur mit Hilfe der AfD zustande komme.
Im April 1995 war Merkel als deutsche Umweltministerin Gastgeberin der ersten UN-Klimakonferenz (COP-1) in Berlin. Mit dem Berliner Mandat kam es zu einem Abschluss, der einen Einstieg in die internationale Reduzierung von Treibhausgasen bilden sollte. 1997 bei den nachfolgenden Verhandlungen zum Kyoto-Protokoll setzte sich Merkel für vergleichsweise hohe Reduktionsziele ein. Eine Initiative zur Eindämmung des Sommersmogs in Deutschland scheiterte im Mai 1995 innerhalb des Kabinetts und wurde später nur in sehr abgeschwächter Form umgesetzt. Bis zum AKW-Unglück von Fukushima 2011 befürwortete Merkel die zivile Nutzung der Kernenergie. Als Umweltministerin war sie für die Abwicklung von Atommülltransporten zuständig. Im Mai 1998 wurden Überschreitungen der Grenzwerte bei Castor-Transporten nach Frankreich bekannt. Vertreter der Opposition forderten daraufhin Merkels Rücktritt wegen Verletzung der ministeriellen Aufsichtspflicht. Sie verwies darauf, dass wichtige Kompetenzen und Verantwortlichkeiten auch bei den Bundesländern und der Atomwirtschaft lagen. Ebenfalls in ihre Amtszeit fällt das Kreislaufwirtschaftsgesetz zur Vermeidung und Verwertung von Abfällen. 1997 befürwortete sie öffentlich eine jährlich steigende Abgabe auf Energieträger wie Öl, Gas und Strom (Ökosteuer). In den Jahren 2006/07 erwarb sich Merkel den Ruf, eine „Klimakanzlerin“ zu sein: sie engagierte sich für Klimaziele auf europäischer und internationaler Ebene. Später sank der Stellenwert der Klimapolitik wieder. So nahm sie etwa beim UN-Klimagipfel in New York im September 2014 nicht mehr teil und besuchte stattdessen eine Tagung des Bundesverbands der Deutschen Industrie. 2015 äußerte sie, klimapolitische Initiativen seien noch nicht konkret geplant. Der Klimaforscher Mojib Latif äußerte im Juli 2018, Merkel sei aufgrund des kaum vorhandenen Klimaschutzes in Deutschland sowie mehrfacher Interventionen für die Autoindustrie „nie wirklich eine Klimakanzlerin“ gewesen.
Bei einem Besuch des türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoğlu im Berliner Kanzleramt sagte sie im Januar 2015: „Der frühere Bundespräsident Christian Wulff hat gesagt: Der Islam gehört zu Deutschland. Und das ist so. Dieser Meinung bin ich auch.“ Anlässlich des islamischen Fastenmonats Ramadan im Jahr 2015 hat Angela Merkel zu gegenseitiger Wertschätzung der Religionen aufgerufen. Bei einem Empfang in Berlin bekräftigte sie zudem: „Es ist offenkundig, dass der Islam inzwischen unzweifelhaft zu Deutschland gehört.“ Vor Vertretern verschiedener Glaubensrichtungen verwies sie auf die weltweiten Gewalttaten im Namen einer Religion – „zu oft leider im Namen des Islams“. Doch jede Ausgrenzung von Muslimen in Deutschland, jeder Generalverdacht verbiete sich, sagte Merkel. Die allermeisten Muslime seien rechtschaffene und verfassungstreue Bürger.
Nachdem der türkische Ministerpräsident Erdoğan bei einem Deutschland-Besuch im Februar 2008 die Türken in Deutschland vor einer Assimilation gewarnt hatte, kritisierte sie dessen „Integrationsverständnis“. 2010 erklärte sie auf dem Deutschlandtag der Jungen Union der „Ansatz für Multikulti“ sei gescheitert. Man müsse Migranten nicht nur fördern, sondern auch fordern. 2013 sprach sie sich gegen die doppelte Staatsbürgerschaft und gegen die Trennung von muslimischen Jungen und Mädchen im Sportunterricht aus. Letzteres sei das „völlig falsche integrationspolitische Signal“ und das Gegenteil von Integration. 2017 verteidigte Merkel die doppelte Staatsbürgerschaft auch gegen den Parteitags-Beschluss der CDU. In ihrer Parteitagsrede vom 6. Dezember 2016 befürwortete Merkel ein gesetzliches Vollverschleierungsverbot.
Auf dem Gebiet der inneren Sicherheit forderte Merkel 2015 die Vorratsdatenspeicherung, 2016 mehr Polizei und Videoüberwachung sowie die Überwachung der sozialen Medien und 2017 die automatische Gesichtserfassung auf Bahnhöfen. Allerdings wurde sie bei diesen Vorhaben überstimmt. In einem von der CSU in Auftrag gegebenen Gutachten vom Januar 2016 stellte der Jurist und ehemalige Bundesverfassungsrichter Udo Di Fabio die These auf, die Bundesregierung breche mit ihrer Weigerung, die Landesgrenzen umfassend zu kontrollieren, die Verfassung. Die Staatsgrenzen seien „die tragenden Wände der Demokratien“. Der wenngleich schwierigen Aufgabe, sie zu schützen, könne sich keine Regierung entziehen. Dieses Gutachten für die CSU wurde von anderen Verfassungsexperten als „juristisch dürftig“ kritisiert. Dabei wurde auch darauf hingewiesen, dass die CSU selbst das Gutachten als mangelhaft einschätzen dürfte und es daher nie für eine Klage verwenden würde, was auch nicht geschah. Aktive Verfassungsrichter teilen di Fabios Einschätzung ebenfalls nicht. Der Europäische Gerichtshof bestätigte die Rechtmäßigkeit des Handelns der Kanzlerin ausdrücklich. Dieses Urteil wurde letztlich auch von der CSU gelobt. Ende Juli 2016 machte Merkel den Vorschlag, eine Nationalgarde aus Reservisten mit militärischer oder polizeilicher Ausbildung zu gründen, um die Polizei bei der Inneren Sicherheit zu unterstützen. Am 19. August 2016 erklärte Angela Merkel: „Wir tun alles Menschenmögliche, um die Sicherheit zu gewährleisten. Und wo immer sich Lücken ergeben, müssen wir nachsteuern und uns neue Varianten der Sicherheit überlegen.“ In der Neujahrsansprache 2016/2017 erklärte Merkel unter Bezug auf den Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche und andere terroristische Vorfälle: Bei der Klausurtagung der CDU in Perl am 14. Januar 2017 erklärte Merkel: Sie kündigte Sicherheit durch einen an.
In Angela Merkels Amtszeit als Bundeskanzlerin fielen diverse rechtsradikal motivierte Anschläge und Mordtaten, darunter zwei Morde an Unternehmern mit Einwanderungsgeschichte im Jahr 2006, begangen durch den Nationalsozialistischen Untergrund (NSU), sowie auch die Aufdeckung der Gruppe im November 2011. Merkel warnte bei einer Gedenkfeier im Februar 2012 vor „Gleichgültigkeit und Unachtsamkeit gegenüber Intoleranz und Rassismus“. Ferner kam es 2019 zum Mordfall Walter Lübcke, dem ersten rechtsextrem motivierten Mord an einem Politiker in der Geschichte der Bundesrepublik, und zum Anschlag in Halle mit zwei Toten sowie 2020 zum Anschlag in Hanau mit neun Todesopfern. Nach der Tat in Hanau sagte Merkel in einer Ansprache, dass die Bundesregierung und alle staatlichen Institutionen für die Rechte und Würde eines jeden Menschen in unserem Land stünden. „Wir stellen uns denen, die versuchen, in Deutschland zu spalten, mit aller Kraft und Entschlossenheit entgegen“, sagte Merkel weiter.
Merkel versuchte sich Ende 2000 mit der Formulierung einer „Neuen Sozialen Marktwirtschaft“ zu profilieren. Der Titel greift den etablierten Begriff der Sozialen Marktwirtschaft auf. Unter den unscharfen Thesen, deren konkrete Umsetzung im Vagen bleibt, finden sich auch Positionen, die bereits im Schröder-Blair-Papier aus dem Jahr 1999 auftauchten. Eine CDU-Präsidiumskommission unter Merkels Vorsitz erarbeitete bis zum 27. August 2001 ein Diskussionspapier, das im Dezember 2001 auf dem Bundesparteitag der CDU in Dresden verabschiedet und somit Teil der CDU-Programmatik wurde. Auf dem Parteitag der CDU 2008 in Stuttgart prägte Merkel die Metapher der schwäbischen Hausfrau, welche eine am Ideal der Sparsamkeit orientierte Haushaltspolitik als vernünftig nahelegt. Von diesem Sprachbild ausgehende Vorstellungen beeinflussen bis heute in Politik und Öffentlichkeit vorherrschende Vorstellungen über die Führung von Staatshaushalten. Die Metapher der schwäbischen Hausfrau wird jedoch vielfach dafür kritisiert, dass ein Privathaushalt fundamental anders funktioniert als ein Staatshaushalt.
Als Bundesministerin für Frauen und Jugend sah sich Angela Merkel in den neuen Bundesländern mit einer dramatisch gesunkenen Frauenerwerbsquote und, damit einhergehend, einem Einbruch der Geburtenrate konfrontiert. Hinzu kam die unterschiedliche Rechtslage zum Schwangerschaftsabbruch in Ost und West, die laut Einigungsvertrag von einer späteren gemeinsamen Regelung abgelöst werden sollte. Einen politischen Schwerpunkt während ihrer Amtszeit bildete daher die Neuregelung des § 218 und die Einführung einer faktischen Fristenlösung mit Beratungspflicht im gesamten Bundesgebiet. Der Verbesserung der beruflichen Situation von Frauen sollte das Gleichberechtigungsgesetz (1993/94) dienen. Als im Rückblick größten Erfolg ihrer Amtszeit bewertet Merkel die von ihr betriebene Änderung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes. Diese Novellierung brachte den formellen Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz für Kinder ab drei Jahren. Zur Diskussion um die Beschneidung aus religiösen Gründen und den Schutz der Unversehrtheit von Kindern positionierte sich Merkel im Juli 2012: Merkel sprach sich gegen die steuerliche Gleichstellung von homosexuellen Paaren aus und erklärte, sie wolle die Privilegierung der Ehe erhalten. In diesem Zusammenhang stellte sich Merkel 2013 ausdrücklich gegen das gemeinsame Adoptionsrecht von gleichgeschlechtlichen Paaren. Diese Haltung begründete sie mit einem „schlechten Bauchgefühl“. Bis 2018 änderte sie ihre Meinung. Sie habe sich mit der Frage des Kindeswohls näher beschäftigt und befürworte seitdem das Adoptionsrecht auch für gleichgeschlechtliche Paare. Im Juni 2017 zeigte sie sich erstmals offen für eine Diskussion zur Eheöffnung, sprach von einer „Gewissensentscheidung“ und gab schließlich am 27. Juni 2017 den Weg frei für eine Abstimmung ohne Fraktionszwang im Bundestag. Sie selbst stimmte gegen die Eheöffnung.
Kurz vor der Bundestagswahl 2013 kam es zu einem öffentlichen Dissens zwischen Merkel und Horst Seehofer (CSU) zur Frage „PKW-Maut“. Während des Wahlkampfes betonte Merkel ihre ablehnende Haltung gegenüber der „PKW-Maut“. Sie bekräftigte im Kanzlerduell mit Peer Steinbrück ihr „Nein“ zu einer PKW-Maut mit den Worten: „Mit mir wird es keine Pkw-Maut geben“, allerdings setzte sich die CSU später im Koalitionsvertrag durch. Die PKW-Maut wurde schließlich 2019 durch den EuGH für nicht mit EU-Recht vereinbar erklärt.
, Michelle Obama sowie Joachim Sauer beim Staatsempfang in Baden-Baden (3. April 2009) Merkel ist Mitglied der Atlantik-Brücke, welche sich für intensive Beziehungen zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten einsetzt. Barack Obama bezeichnete Angela Merkel rückblickend gegen Ende seiner Präsidentschaft als seine außenpolitisch wichtigste Partnerin.
José Manuel Durão Barroso vor dem Brandenburger Tor (25. März 2007) Während eines EU-Gipfels in Brüssel am 7. November 2012 warb Bundeskanzlerin Angela Merkel für die Vereinigten Staaten von Europa: „Ich bin dafür, dass die Kommission eines Tages so etwas wie eine europäische Regierung ist“. 2005 äußerte Merkel – unter anderem bei einem Besuch in Istanbul –, sie favorisiere eine „privilegierte Partnerschaft“ mit der Türkei statt deren Vollmitgliedschaft in der EU. Davon abgesehen entwickelte Merkel nach dem Urteil des EU-Historikers Christoph Driessen keine Vorstellung davon, in welche Richtung sich die EU langfristig weiterentwickeln sollte. Ihre Bedeutung für die europäische Integration bestand demnach nicht in einem konzeptionellen Ausbau der Union, sondern in der pragmatischen Suche nach konkreten Lösungsansätzen. In diesem letzten Punkt sei sie als anerkannte Krisenmanagerin und Vermittlerin erfolgreich gewesen: „Wenn man die Person benennen müsste, die im 21. Jahrhundert am meisten dafür getan hat, die EU vor dem Auseinanderdriften zu bewahren, dann ist das die Vernunfteuropäerin Merkel.“
am 15. September 2010 Im Zuge der Weltfinanzkrise kam es zur Eurokrise, die Merkel mit ihrer Politik zu lösen versuchte. Sie bekräftigte immer wieder, dass der Euro eine starke Währung sei und suchte die Unterstützung von Frankreichs Präsidenten Hollande. Insbesondere bei den französischen Sozialisten war dies umstritten. So attackierte Frankreichs Industrieminister Arnaud Montebourg Merkel scharf und verglich sie mit Bismarck. Merkel trat für einen strikten Sparkurs ein, der von einigen Kritikern wie dem Internationalen Währungsfonds als wachstumshemmend und krisenverschärfend betrachtet wird. Im Februar 2010 schloss Merkel Finanzhilfen für Griechenland ausdrücklich aus, erteilte jedoch bereits zwei Monate später ihre Zustimmung für das erste deutsche Hilfspaket für Griechenland in Höhe von 17 Milliarden Euro. Ende 2012 sagte sie, dass sie sich einen weiteren Schuldenschnitt für Griechenland im Jahr 2014 vorstellen könne. Dieses Umschwenken ist damit zu erklären, dass Merkel in der Eurokrise zwei widerstreitende Interessen auszubalancieren versuchte: Sie wollte einerseits „den deutschen Steuerzahler schützen und andererseits die Eurozone zusammenhalten“. Selbst sagte sie zu EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso, sie müsse den Zeitpunkt abwarten, an dem es nicht mehr um die Zukunft Griechenlands gehe, sondern um die Zukunft des Euro. Dann erst sei es im deutschen Interesse, auch mit hohen Summen einzugreifen. Dementsprechend stimmte sie 2010 sowohl für die provisorische EFSF als auch 2012 für den ESM mit dem Ziel der Stabilisierung des Euros. Merkel lehnt nach eigenem Bekunden EU-Anleihen, die der gemeinschaftlichen Schuldenaufnahme in der EU oder dem Euro-Währungsraum dienen könnten, ab.
Auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos, 2013, begann Kanzlerin Merkel eine Serie von viel beachteten internationalen Stellungnahmen, die allesamt zum Inhalt hatten, dass Europa nur 7 % der Weltbevölkerung stellt und nur 25 % des weltweiten Bruttosozialprodukts erwirtschaftet, aber für fast 50 % der weltweiten Sozialleistungen aufkommt. Seit dieser Stellungnahme in Davos wurde dieses Argument ein wiederkehrender Bestandteil ihrer wichtigsten Reden. Der Economist sagte hierzu, ebenso wie Merkels Vision von vornherein als pragmatisch bezeichnet werden müsse, gelte Gleiches für ihren Plan zur Implementierung: Die Vision kann in drei Statistiken, einigen wenigen Karten und Fakten auf einer DIN-A-4-Seite zusammengefasst werden. Die Zahlen sind 7 %, 25 % und 50 %. Wenn Europa wettbewerbsfähig bleiben wolle, könne es sich schlicht nicht leisten, weiter so großzügig zu sein. Der Economist verglich damals Merkels Verwendung dieser Zahlen mit dem Verhalten der britischen Premierministerin Margaret Thatcher, die zu gegebener Zeit Passagen von Friedrich Hayeks Weg zur Knechtschaft aus ihrer Handtasche zog. In ähnlichem Sinn äußerte sich die Financial Times, die hervorhob, dass Merkel einen eindeutigen Bezug zwischen den Sozialleistungen und der mangelnden Wettbewerbsfähigkeit herstelle.] von der Corvinus-Universität Budapest kam hingegen in seiner Untersuchung zu dem Schluss, dass basierend auf den Daten über die globalen Sozialschutzausgaben in 169 Staaten der ILO in Genf sowie der Weltbank über das Bruttonationaleinkommen (GNI) gemessen in Kaufkraftparitäten für Merkels Aussage gar keine Grundlage bestehe. Nach Tausch würden die 27 der 28 EU-Staaten mit kompletten Daten nur 33 % der weltweiten Sozialausgaben tätigen, während die 13 Nicht-EU-Mitgliedsländer der OECD, unter ihnen die reichen angelsächsischen überseeischen Demokratien und Japan, 40 % der weltweiten Sozialschutzausgaben tätigen, die BRICS-Staaten 18 % und der Rest der 9 %. Irland, Ungarn, Luxemburg und Litauen brauchen nach dieser Studie weniger als 2 % ihres BIP, um 1 % der Bevölkerung aus der Armut zu heben, während in Deutschland mehr als 3 % des BIP verwendet werden, um 1 % der Bevölkerung aus der Armut zu heben, und in Griechenland mehr als 6 %. Statt europäische Sozialleistungen zu kürzen, sollte Deutschland sein eigenes Sozialsystem besser zur Armutsbekämpfung gestalten und ansonsten vom erfolgreichen De-facto-Keynesianismus in den überseeischen angelsächsischen Demokratien lernen. Vgl. Tausch, Arno, Wo Frau Kanzlerin Angela Merkel Irrt: Der Sozialschutz in Der Welt, Der Anteil Europas Und Die Beurteilung Seiner Effizienz (Where Chancellor Angela Merkel Got it Wrong: Social Protection in the World, Europe’s Share in it and the Assessment of its Efficiency) (September 4, 2015). Bei Social Science Research Network 4. September 2015, abgerufen am 1. November 2015.
In der Flüchtlingskrise 2015 fand Merkels Entscheidung vom 4. September 2015, in Absprache mit den Regierungschefs von Österreich und Ungarn den an der österreichisch-ungarischen Grenze und in Budapest festsitzenden Flüchtlingen vor allem aus Syrien und Afghanistan die Einreise nach Deutschland ohne Registrierung durch Ungarn zu gestatten, großes Echo in den Medien und der Öffentlichkeit innerhalb und außerhalb Deutschlands. Zugleich unterstrich Merkel die Bedeutung einer einheitlichen europäischen Flüchtlings- und Asylpolitik. Zu den erklärten Eckpunkten ihrer Asyl-Politik gehören eine hohe Priorität für die Integration von Anfang an, schnellere Asylverfahren mit beschleunigter Abschiebung von allein aus wirtschaftlicher Not kommenden Menschen, klare Regeln und keine Toleranz für Parallelgesellschaften sowie eine konsequente Verfolgung fremdenfeindlicher Angriffe. Sie äußerte: „Wenn Europa in der Flüchtlingsfrage versagt, dann ginge ein entscheidender Gründungsimpuls eines geeinten Europas verloren. Nämlich die enge Verbindung mit den universellen Menschenrechten, die Europa von Anfang an bestimmt hat und die auch weiter gelten muss.“ Zudem vertritt sie den Standpunkt, dass der aktuelle Zustrom der Migranten „mehr Chancen als Risiken“ für Deutschland biete, wenn die Integration gelinge. In einem Interview sagte sie am 11. September 2015 unter anderem: „Das Grundrecht auf Asyl für politisch Verfolgte kennt keine Obergrenze; das gilt auch für die Flüchtlinge, die aus der Hölle eines Bürgerkriegs zu uns kommen.“ Großes Medienecho fand ihr Satz: Angesichts der großen Anzahl von Flüchtlingen erreichte aber die Zustimmung der Bundesbürger für Merkel im Oktober 2015 einen Tiefpunkt. Mit der Arbeit der Bundeskanzlerin waren laut ARD-Deutschlandtrend nur noch 54 Prozent der Befragten zufrieden, das waren neun Prozent weniger als im Vormonat, zudem handelte es sich um den schlechtesten Wert seit Dezember 2011. In einer CDU/CSU-Fraktionssitzung, in der Merkel drei Stunden lang mit Kritik aus der Fraktion konfrontiert wurde, sagte sie: Am 13. Dezember 2015 formulierte in Karlsruhe ein Parteitag der CDU in einem Leitantrag einen Kompromiss, in dem einerseits Merkels Asylpolitik, insbesondere die konsequente Ablehnung von Obergrenzen, mit großer Mehrheit unterstützt wurde, andererseits das Ziel festgeschrieben wurde, „die Zahl der Flüchtlinge spürbar zu reduzieren“. Diese Formulierung fand am folgenden Tag in einer Gastrede auch die Billigung des Hauptbefürworters der „Kontingente“, des CSU-Parteivorsitzenden Horst Seehofer. Merkel bestätigte nochmals ihren Satz vom 31. August „Wir schaffen das“, der zum geflügelten Wort wurde, und ergänzte „Ich kann das sagen, weil es zur Identität unseres Landes gehört“. Am 16. Dezember unterstützte sie vor dem Bundestag in Berlin in einer Regierungserklärung zur Asylpolitik die Absicht der EU, ihre Außengrenzen, auch bei gegenteiliger Meinung der betroffenen Länder, verstärkt durch EU-eigene Organisationen wie Frontex zu schützen. Merkels Haltung rief wiederholte Kritik aus der eigenen Fraktion, besonders jedoch aus der CSU, hervor. Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer bezeichnete Merkels Nicht-Aktivität an den Grenzen als „Herrschaft des Unrechts“ und forderte mehrfach eine Obergrenze für Flüchtlinge. Der seinerzeitige Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, bezeichnete eine Obergrenze als rechtlich unzulässig. Außerdem wurde Merkels Flüchtlingspolitik von verschiedenen Intellektuellen wie beispielsweise dem Althistoriker Alexander Demandt, dem Philosophen Peter Sloterdijk oder der Schriftstellerin Monika Maron kritisiert. Der Historiker Jörg Baberowski bemängelte sowohl Merkels Flüchtlingspolitik als auch die Versuche, Kritiker in eine „dunkeldeutsche“ Ecke zu verbannen. Der Entwicklungsökonom Paul Collier sieht zum Beispiel eine Politik der offenen Grenzen grundsätzlich als ethisch verwerflich an, weil sie den Menschen eine Art russisches Roulette aufnötige: Sie kommen über das Mittelmeer und müssen hoffen, dass ihr Boot nicht untergehe, ehe sie von Hilfsschiffen aufgenommen werden. Andererseits lobten viele Intellektuelle Merkels Flüchtlingspolitik, etwa in einem offenen Brief an die WELT. Der Politikwissenschaftler Herfried Münkler konstatierte, Merkel habe durch die Aufnahme von Flüchtlingen „Europa gerettet“, da Druck von kleineren Staaten genommen worden sei. In der New York Times warnte Ross Douthat vor der demographischen Auswirkung angesichts einer millionenfachen Zuwanderung mehrheitlich junger Männer, warf Merkel eine „edelgesinnte Verrücktheit“ vor und forderte sie zum Rücktritt auf. Auf der anderen Seite wählte die Zeitschrift Time Merkel zur Person des Jahres 2015 für ihre Haltung in der Flüchtlingskrise sowie ihre Rolle in der Ukraine-Krise. Im Januar 2016 schränkte Merkel bei einer Landesvertreterversammlung der CDU in Neubrandenburg ein, dass sie von den meisten Flüchtlingen erwarte, dass diese „wenn wieder Frieden in Syrien ist, wenn der IS im Irak besiegt ist, sie mit dem Wissen, das sie bei uns erworben haben, wieder in ihre Heimat zurückkehren.“ Nur ein geringer Teil habe Anspruch auf klassisches Asyl, die meisten Flüchtlinge genössen nur einen zeitweiligen Schutz durch die Genfer Flüchtlingskonvention.
Im Vorfeld des Irakkriegs bekundete Angela Merkel ihre Sympathien für die Irakpolitik der USA und die „Koalition der Willigen“. Sie kritisierte als deutsche Oppositionsführerin vom Boden der USA aus die Außenpolitik der Bundesregierung, was ihr scharfen Widerspruch aus Berlin einbrachte. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Franz Müntefering beurteilte Merkels Äußerung als „Bückling gegenüber der US-Administration“. In einer Rede im Deutschen Bundestag am 19. März 2003 erklärte Merkel die Unterstützung der Union für das Ultimatum an Saddam Hussein als „letzte Chance des Friedens“ und forderte die Bundesregierung auf, dies ebenso zu tun, um „den Krieg im Irak wirklich zu verhindern“. Angela Merkels Grundhaltung zu militärischen Konfliktlösungen beschreibt sie in Veröffentlichungen aus dieser Zeit. Als „Ultima Ratio“ akzeptierte Merkel beispielsweise das NATO-Engagement im Kosovokrieg (1999) und stellt historische Vergleiche zur deutschen Geschichte an: Bezüglich des Abzugs der Atomwaffen in Deutschland besteht Merkel darauf, dass die Verhandlungen über den Abzug der Raketen gemeinsam mit den anderen NATO-Ländern und keinesfalls im Alleingang durchgeführt werden.
Merkel hat sich bisher zurückhaltend zu einer deutschen Beteiligung an einer Friedenstruppe der Vereinten Nationen im Südlibanon zur Befriedung des Israel-Libanon-Konflikts geäußert. Israels Premier Olmert plädierte für die Beteiligung deutscher Soldaten. „Ich habe Kanzlerin Angela Merkel mitgeteilt, dass wir absolut kein Problem haben mit deutschen Soldaten im Südlibanon“, sagte er der Süddeutschen Zeitung. Zurzeit gebe es keine Nation, die sich Israel gegenüber freundschaftlicher verhalte als Deutschland. Am 18. März 2008 hielt Merkel in Israel vor der Knesset eine Rede, die sie auf Hebräisch begann. Sie betonte die historische Verantwortung Deutschlands für Israel; die Sicherheit des jüdischen Staates sei Teil der deutschen Staatsräson und niemals verhandelbar. Merkel war die erste ausländische Regierungschefin, die von der Knesset zu einer Rede eingeladen worden war. Bei einem Telefonat mit dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu im Jahr 2011 sagte Merkel, ihr fehle „jegliches Verständnis“ für die Genehmigung eines Siedlungsausbaus in Ostjerusalem durch die israelische Regierung. Zum Bürgerkrieg in Syrien forderte Merkel im Dezember 2011 ein Urteil des UN-Sicherheitsrates gegen den syrischen Staatspräsidenten Baschar al-Assad und stellte sich auf die Seite der Opposition. Im TV-Duell erklärte sie jedoch, Deutschland werde sich nicht an einem Militärschlag gegen Syrien beteiligen. Merkel will eine gemeinsame Haltung mit der Europäischen Union finden.
in Paris am 19. März 2011 Im Vorfeld der militärischen Intervention in Libyen im Frühjahr 2011 zeigte sich Merkel überrascht darüber, „mit welcher Schnelligkeit bestimmte Fragen ins Auge gefasst werden“ und kritisierte, dass es eine „Reihe von französischen Aktivitäten“ gegeben habe, die „erst sehr kurzfristig“ bekannt geworden seien. Gaddafi führe ohne Zweifel Krieg gegen die eigene Bevölkerung. Man müsse aber „sehr aufpassen, dass wir nichts beginnen, was wir nicht zu Ende bringen können.“ Überrascht zeigte sie sich darüber, dass Frankreich den Nationalen Übergangsrat als libysche Regierung anerkannt hatte. Es handele sich dabei um keine Anerkennung im Sinne des Völkerrechts.
und der russische Präsident Wladimir Putin am 6. Juni 2014 in der Normandie (auf Einladung des französischen Präsidenten François Hollande) bei der Erinnerungsfeier des „D-days“ Merkel engagierte sich im Rahmen des sogenannten Normandie-Formats „Merkel-Hollande-Poroschenko-Putin“ mehrmals stundenlang bei der Konfliktlösung zwischen den ukrainischen und russischen Verbänden im Donbass, besonders beim Zustandekommen zweier Waffenstillstandsabkommen in der belarussischen Hauptstadt Minsk (siehe auch Minsk II). Dies war Teil einer ausgleichsorientierten Herangehensweise, die nach Beginn der Invasion der Ukraine von Andreas Heinemann-Grüder als gescheiterte „Beschwichtigungspolitik“ kritisiert wurde: Merkel habe sich trotz Kenntnis Putins bewusst gegen Waffenlieferungen an die Ukraine und ihre militärische Stärkung entschieden, da sie davon ausgegangen sei, dass Russland sowieso militärisch überlegen sei und nicht „provoziert“ werden dürfe, die Souveränität der Ukraine, über ihr eigenes Schicksal zu bestimmen, habe sie gering geachtet. Sie habe ohne strategische Weitsicht und Planung gehandelt. Andreas Rödder warf ihr vor, Putin unterschätzt und ihm gegenüber eine „Appeasement-Politik“ im Stile Neville Chamberlains betrieben zu haben. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj und der polnische Regierungschef Mateusz Morawiecki machten nach Invasionsbeginn 2022 Merkel schwere Vorwürfe, ihre Politik der Zugeständnisse gegenüber Russland hätte zu den Massakern von Butscha und der auf Rohstoffverkäufen basierenden Stärke Russlands geführt. Merkel nahm die in der Öffentlichkeit lautgewordene Kritik nicht an, das von ihr verhandelte Minsker Abkommen habe der Ukraine Zeit gegeben, militärisch stärker zu werden und ein Ende des Baus der Pipeline Nordstream II hätte „aus meiner Sicht das Klima mit Russland gefährlich verschlechtert“. Dazu sei Gas aus anderen Quellen deutlich teurer gewesen und sein Bezug hätte die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands gefährdet. Sie werde sich nicht für ihre diplomatischen Bemühungen entschuldigen, auch wenn diese fehlgeschlagen seien.
Nachdem auf den russischen Oppositionsführer Alexei Nawalny am 20. August 2020 ein Giftanschlag verübt worden war, forderte die von ihr geführte Bundesregierung eine Stellungnahme der russischen Regierung sowie Präsident Wladimir Putins. Die Sanktionen „gegen russische Beteiligte, die aufgrund ihrer offiziellen Funktion als verantwortlich für dieses Verbrechen und den Bruch internationaler Rechtsnormen gelten, sowie auf eine Einrichtung, die in das Nowitschok-Programm eingebunden ist“, erließ die EU auf Betreiben der Regierungen von Deutschland und Frankreich. Im Juni 2022, sechs Monate nach ihrem Abschied aus dem Kanzleramt, wies sie den Vorwurf zurück, eine Appeasement-Politik gegenüber Moskau betrieben zu haben. Sie nannte verschiedene Gründe, warum sie sich nicht für Fehler in der Russland-Politik zu entschuldigen habe. Diese Position bekräftigte sie bei verschiedenen Gelegenheiten, auch gegen Kritik aus ihrem ehemaligen politischen Umfeld. Bingener und Wehner urteilen in ihrem Buch Die Moskau-Connection, dass Merkel „keine grundsätzliche Sympathie“ für Putin gehabt habe. Aber sie habe ihn verstehen wollen und ihn oft getroffen, in der Hoffnung, Schlimmeres zu verhindern. Wegen ihrer Biografie habe sie eine emotionale Bindung zu Russland (nicht zu Putin). Vielleicht habe diese Emotionalität dafür gesorgt, dass sie als Kanzlerin nicht entschieden Härte in der Russlandpolitik gezeigt habe. Nach ihren eigenen Angaben reichten ihre Russischkenntnisse aus der DDR-Zeit nicht aus, um mit Putin politische Gespräche auf Russisch zu führen, sein Deutsch sei besser gewesen.
Bei einem Treffen mit dem italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi 2011 äußerte Merkel sich zur Lage in Belarus. Sie und Berlusconi seien sich einig, dass man angesichts der Ereignisse nach der Präsidentschaftswahl im Vorjahr leider über neuerliche Sanktionen gegen dieses Land nachdenken müsse. Sie sehe die Entwicklung dort mit großer Sorge, insbesondere den Umgang mit der Opposition. Nach der Präsidentschaftswahl 2020, die de facto eine Scheinwahl des herrschenden Alexander Lukaschenko war, empfing Merkel während der Proteste im Herbst 2020 die Oppositionsführerin Swjatlana Zichanouskaja. Wegen der von Lukaschenko im Jahr 2021 herbeigeführten Migrationskrise an der Grenze zwischen Belarus und der Europäischen Union nahm Merkel Kontakt mit diesem auf.
Merkel galt während ihrer Amtszeit als Bundeskanzlerin international als De-facto-Anführerin der Europäischen Union und als mächtigste Frau der Welt. In den Ranglisten des US-Wirtschaftsmagazins Forbes hat Merkel während ihrer Kanzlerschaft häufig hohe Positionen erreicht. In den Jahren 2006 bis 2009 und 2011 bis 2020 führte sie die Liste der 100 mächtigsten Frauen der Welt an. In die Forbes-Liste der mächtigsten Personen der Welt wurde Merkel insgesamt neun Mal aufgenommen (2009 bis 2016 und 2018). Im Jahr 2012 rangierte sie in jener Liste hinter Barack Obama auf Platz 2. Es ist der höchste Rang, den (mit Stand 2018) jemals eine Frau in dieser Liste erreicht hat. Für das US-Nachrichtenmagazin Time gehörte Merkel neun Mal zu den 100 Personen, die die Welt am meisten prägten, nämlich 2006, 2007, 2009, 2011, 2012, 2014, 2015, 2016 und 2020. Am 9. Dezember 2015 kürte sie Time zur Person of the Year, der ersten Deutschen mit dieser Würdigung seit Willy Brandt 1970. Auf dem Titelbild der Zeitschrift wurde sie als „Chancellor of the Free World“ (Kanzlerin der Freien Welt) bezeichnet.
Merkel wurde dafür kritisiert, ihre ostdeutsche Herkunft während ihrer Kanzlerschaft in den Hintergrund gestellt zu haben. Ihre Rede zum Tag der Deutschen Einheit 2021 wurde als erstes öffentliches Bekenntnis zu ihren Erfahrungen mit Diskriminierung als Ostdeutscher gedeutet.
Seit dem 8. Juni 2006 wendete sich Merkel als erstes Regierungsoberhaupt weltweit per Video-Podcast an die Öffentlichkeit. Sie nutzte dieses Medium wöchentlich (jeden Samstag), um Inhalt und Ziele der Regierungspolitik zu vermitteln. Auf diesem Weg hat sie sich auch verabschiedet. Zunächst produzierte der Merkel-Biograf Wolfgang Stock den Podcast für etwa 6500 Euro pro Episode. Nach Kritik am Stil der Videobotschaft schrieb man die Produktion neu aus. Den Zuschlag erhielt die Evisco AG aus München. Da Jürgen Hausmann, einer der Vorstände der Evisco AG, ein Schwiegersohn des damaligen bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber ist, wurden in den Medien Zweifel am ordnungsgemäßen Ablauf des Ausschreibungsverfahrens laut. Das ausschreibende Bundespresseamt wies die Vorwürfe zurück.
Unter den Bundeskanzlern war Merkel der erste, der Textnachrichten zur Kommunikation nutzte. Sie wurde deshalb auch als „SMS-Kanzlerin“ bezeichnet. Ein von Merkel zwischen 2003 und 2005 genutztes von der NSA abgehörtes Siemens S55 schenkte Merkel 2006 dem Bonner Haus der Geschichte. Ein vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik zugelassenes abhörsicheres Mobiltelefon wurde in der Öffentlichkeit häufig als Merkelphone bezeichnet.
Weltweite Beachtung erhielt im Sommer 2019 ein nach Expertenmeinung wohl gesundheitlich unbedenklicher orthostatischer Tremor, der bei Merkel innerhalb weniger Wochen im bewegungslosen Stehen während zweier Staatsempfänge und einer Ministerernennung auftrat. Die militärische Zeremonie der darauf folgenden Staatsempfänge absolvierte sie im Sitzen. Auf diesbezügliche Fragen antwortete Merkel, es gebe keinen Grund zur Sorge und die Öffentlichkeit dürfe davon ausgehen, dass sie stets der „Verantwortung“ ihres Amtes entsprechend handele und auf ihre „Gesundheit achte“.
In ihrer seit 2005 andauernden Kanzlerschaft wandte sich Angela Merkel außerhalb der Neujahrsansprachen einmal in einer Fernsehansprache („Rede an die Nation“) an die Öffentlichkeit. Anlass für diese Rede am 18. März 2020 war die COVID-19-Pandemie. Die Ansprache wurde von etwa 25 bis 30 Millionen Zuschauern verfolgt und als „historisch“ bezeichnet. Auch unter Merkels Vorgängern waren Fernsehansprachen selten; Gerhard Schröder etwa hielt nur zwei in sieben Jahren Amtszeit.
Seit Merkels Amtsantritt als Bundeskanzlerin wurde ihre Person verschiedentlich parodiert. Internationale Bekanntheit erlangte in diesem Zusammenhang Tracey Ullman mit ihren Sketchen in der US-amerikanischen Tracey Ullman’s Show. In Deutschland wurde Antonia von Romatowski als Merkel-Parodistin bekannt. Sie stellte sie ab 2014 beim Münchner Nockherberg-Singspiel dar, seit 2020 in der Serie Binge Reloaded. 2021 synchronisierte sie die Merkel-Puppe in der Serie Spitting Image.
, offizielles Kanzler-Porträtfoto 2010 Merkel ist für eine stereotype Geste bekannt, bei der sie ihre Hände mit den Innenflächen so vor dem Bauch hält, dass sich die Daumen und Zeigefinger an den Spitzen berühren. Dadurch bildet sich die Form einer Raute, die in der Presse oft als Merkel-Raute bezeichnet wird. Zur Bundestagswahl 2013 nutzte die CDU im Rahmen einer Personalisierungsstrategie die für die Kanzlerin typische Geste und bildete sie auf einem Riesenposter in Berlin ab. Berlins ehemaliger SPD-Landeschef Jan Stöß bezeichnete dies als Personenkult. Als Deutschlandkette wurde eine Halskette bekannt, die die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel am 1. September 2013 beim Fernsehduell anlässlich der Bundestagswahl 2013 trug. Merkozy (auch: Sarkel bzw. Sarkokel) ist ein von den Medien kreiertes Kofferwort aus den Nachnamen von Angela Merkel und dem französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy. Das Konzept wurde nach der Ablösung Sarkozys fortgesetzt, wobei Merkhollande (ab 2012, auch Merkollande) und Mercron (ab 2017) deutlich weniger genutzt wurden und werden. In den 2010er Jahren entstand das Verb „merkeln“ als Neologismus mit der Bedeutung in wichtigen Angelegenheiten nichts tun und keine klaren Aussagen treffen, kein Risiko eingehen. Das Frequentativum belegte 2015 den 2. Platz bei der Wahl zum Jugendwort des Jahres. Manche zogen eine Parallele zu Helmut Kohl. Während seiner Kanzlerschaft wurde ihm oft ein entsprechendes Verhalten nachgesagt. Das damalige Schlagwort war Aussitzen. Merkel-Kritiker verwendeten es im Bundestags-Wahlkampf 2017.
in Singen, darauf Barack Obamas Kopf mit Kopfhörern, darüber die Köpfe von Angela Merkel, Wladimir Putin und Kim Jong-un mit Mobiltelefonen (Anspielung auf die NSA-Affäre) Insbesondere in der zweiten Hälfte ihrer Kanzlerschaft wurde Angela Merkel mehrmals zur Hauptfigur in Theaterstücken, Romanen, Filmen und Werken der bildenden Kunst. * 2000: Im Schlüsselroman Roberts Reise basiert die Figur Renate auf Merkel, die mit dem Autor Michael Schindhelm in der Akademie der Wissenschaften in einem Büro arbeitete. * 2001: Der Schriftsteller Moritz von Uslar veröffentlicht die Erzählung Drei nach neun über einen gemeinsamen Auftritt mit Merkel bei der Talkshow 3 nach 9. * 2007: In der ersten Auflage der vom Schriftsteller Florian Havemann als Tatsachenroman bezeichneten Autobiografie Havemann kommen unter anderem Merkel und ihr Mann Joachim Sauer vor, die 2008 zusammen mit anderen Personen vor Gericht Streichungen erwirkten. Seither ist das Buch in einer geschwärzten Ausgabe verfügbar. * ab 2008: Der Bildhauer Peter Lenk stellt Merkel in verschiedenen Skulpturen im öffentlichen Raum satirisch dar (Ludwigs Erbe, 2008; Kampf um Europa, 2013; Paradiesschlange, 2015; The Cloud, 2015) * 2012: Für seine Installation „70 Merkels“ fertigte der deutsch-kanadische Maler Peter Wilde 70 Einzelporträts ein und desselben Fotos von Merkel an, wobei sich das Bildnis Merkels ausgehend von fotorealistischen Darstellungen durch zunehmende Abstraktion auflöst. * 2013: Im Film Der Minister über die Plagiatsaffäre Guttenberg spielt Katharina Thalbach die an Merkel angelehnte Figur „Angela Murkel“. * 2015: Die Tragödie Niobe. Raum im Ausnahmezustand von Boris Preckwitz; mit einer Übertragung des antiken Niobe-Mythos auf die Kanzlerschaft Merkels und ihre Krisenpolitik * 2017: Der Roman Die Kanzlerin. Eine Fiktion von Konstantin Richter enthält spekulative seelische und gesundheitliche Befunde über die Hauptfigur. * 2019: Das Elektro-Musical Merkel vom Theaterkollektiv Nineties in Utrecht * 2019: Das Drama Angela I. von Katja Hensel im Auftrag der bremer shakespeare company thematisiert den Abtritt der Kanzlerin und Machtstrukturen in Auflösung. * 2020: Der Film Die Getriebenen (ARD), nach dem Sachbuch Die Getriebenen: Merkel und die Flüchtlingspolitik von Robin Alexander über Merkels Rolle in der Flüchtlingskrise 2015. Merkel wird von Imogen Kogge dargestellt. * 2020: Der dystopische Film-Thriller Ökozid (ARD) von Andres Veiel, in dem Merkel als Zeugin zu einem Klimakrisen-Prozess einbestellt wird. Merkel wird von Martina Eitner-Acheampong dargestellt. * Herlinde Koelbl gehört zu den renommiertesten deutschen Fotografinnen der Gegenwart. Ihr umfassendes Werk zeichnet sich durch fotografische Langzeitprojekte aus. Eines davon waren ihre Bilderserien über Politikerinnen und Politiker (1999: Spuren der Macht). Das 2021 publizierte Buch über Merkel ist daraus entstanden. Es zeigt Portraits von Merkel aus 30 Jahren bis 2021. Beeindruckend zu sehen, wie sich die Lebensspuren, vielleicht auch durch die Spuren des Amtes, wie in einem Zeitraffer an Merkel zeigen. Auch der britische Guardian rezensierte es positiv. * 2021 stellte der Bildhauer Dirk Detlefsen im Museum Skurrileum in Stralsund die Skulptur Schutzmantelmadonna aus, die Merkel nackt zeigt. * 2021 stellte der Bildhauer Wilhelm Koch die Reiterstatue Angela Merkel (3D-Druck-Plastik aus Leichtbeton) in Etsdorf auf, die 2023 zusammenbrach. * In seinen Kriminalromanen Miss Merkel: Mord in der Uckermark (2021) und Miss Merkel – Mord auf dem Friedhof (2022) verwendet David Safier Merkels Namen in Anspielung auf Miss Marple. Der erste Roman wurde unter dem Titel Miss Merkel – Ein Uckermark-Krimi mit Katharina Thalbach verfilmt und am 21. März 2023 ausgestrahlt. * 2022: Die Figur Anne Rohde in Uwe Tellkamps Roman Der Schlaf in den Uhren wurde als Anspielung auf Merkel gedeutet. *2024 wurde über eine in Hamburg-Ottensen aufgestellte Skulptur einer nackten Frau berichtet, die 2012 Teil von Florian Lösches Bühnenbild für eine Inszenierung des Stücks Dantons Tod am Thalia-Theater von Jette Steckel war. Ein ihr nachträglich vom Käufer aufgesetzter Kopf hat Ähnlichkeiten mit Merkel.
* Großes Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland, erhalten 1996 * Großkreuz des Verdienstordens der Italienischen Republik, verliehen am 21. März 2006 * König-Abdulaziz-Orden, der höchste Orden Saudi-Arabiens für ausländische Regierungschefs, erhalten im Jahr 2007 * Großkreuz des norwegischen Verdienstordens, erhalten am 15. Oktober 2007 * Großkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland, erhalten von Bundespräsident Horst Köhler am 11. Januar 2008 * Großkreuz des Ordens El Sol del Perú, verliehen vom peruanischen Präsidenten Alan García am 17. Mai 2008 * Großkreuz des Ordens des Infanten Dom Henrique, verliehen vom portugiesischen Präsidenten Aníbal Cavaco Silva am 2. März 2009 * Orden „Stara Planina“, der höchste bulgarische Orden, erhalten am 11. Oktober 2010 * Presidential Medal of Freedom, die gleichrangig mit der Congressional Gold Medal höchste zivile Auszeichnung der Vereinigten Staaten von Amerika, erhalten von Präsident Barack Obama am 7. Juni 2011 * „Ehrenmedaille des Präsidenten“, höchste Auszeichnung Israels (2014), erhalten von Präsident Schimon Peres am 25. Februar 2014 * Großes Goldenes Ehrenzeichen am Bande für Verdienste um die Republik Österreich, verliehen am 27. August 2015 vom österreichischen Bundeskanzler Werner Faymann * Großkreuz des Ordens Vytautas des Großen, verliehen von der litauischen Staatspräsidentin Dalia Grybauskaitė, erhalten am 23. Juni 2017 * Orden des Marienland-Kreuzes I. Klasse, verliehen am 23. Februar 2021 von der estnischen Präsidentin Kersti Kaljulaid * Orden der Freiheit, verliehen am 22. August 2021 vom ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj * Orden für außergewöhnliche Verdienste um die Republik Slowenien, verliehen am 5. Oktober 2021 vom slowenischen Präsidenten Borut Pahor * Großkreuz des Leopoldsordens, verliehen am 15. Oktober 2021 vom König der Belgier Philippe * Großkreuz der Ehrenlegion, verliehen am 3. November 2021 vom französischen Präsidenten Emmanuel Macron * Großkreuz des Ordens vom Niederländischen Löwen, verliehen am 13. Juli 2022 vom niederländischen Premierminister Mark Rutte * Großkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland in besonderer Ausführung, verliehen am 17. April 2023 von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier * Staatspreis des Landes Nordrhein-Westfalen, verliehen am 16. Mai 2023 von Ministerpräsident Hendrik Wüst * Bayerischer Verdienstorden, verliehen am 21. Juni 2023 von Ministerpräsident Markus Söder * Verdienstorden des Landes Mecklenburg-Vorpommern (2025)
* Preis der Deutschen Gesellschaft e. V. für Verdienste um die deutsche und europäische Verständigung im Jahr 2005. * Leo-Baeck-Preis des Zentralrats der Juden in Deutschland im Jahr 2007 * World Statesman Award der Appeal of Conscience Foundation, verliehen im Jahr 2007 für ihr bisheriges Lebenswerk * Robert-Schuman-Medaille der EVP verliehen 2007 * Europe Award of Merit-Medaille der B’nai B’rith, erhalten am 11. März 2008 für ihr Engagement im Kampf gegen den Antisemitismus und Rassismus * Karlspreis, erhalten am 1. Mai 2008 „für ihre Verdienste um die Weiterentwicklung der Europäischen Union“. Die Laudatio hielt der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy. * Lucius-D.-Clay-Medaille 2009 * Eric-M.-Warburg-Preis der Atlantik-Brücke, verliehen am 25. Juni 2009 in der Library of Congress in Washington, D.C. * Deutscher Medienpreis 2009, ausgezeichnet am 9. Februar 2010 in Baden-Baden. Die Jury begründete ihre Entscheidung damit, dass im Mittelpunkt ihres politischen Denkens und Handelns stets der Mensch stehe. „Die Würde und die Rechte des Individuums leiten Angela Merkel bei ihren politischen Entscheidungen, die geprägt sind von Berechenbarkeit und Verlässlichkeit“. Weiter verfolge die Kanzlerin einen Kurs, „der die Partnerschaft in den Vordergrund stellt, ohne dass sie die manchmal notwendige Konfrontation scheut“. * Leo-Baeck-Medaille, erhalten am 21. September 2010 in New York für ihr Engagement für die Aussöhnung zwischen Juden und Deutschen * Europapreis der Coudenhove-Kalergi-Stiftung, erhalten 2010, für außerordentliche Verdienste im europäischen Einigungsprozess * Kaiser-Otto-Preis, erhalten am 24. August 2011 in Magdeburg für Verdienste um die europäische Vereinigung * Preis für Verständigung und Toleranz des Jüdischen Museums Berlin, erhalten am 24. Oktober 2011 in Berlin * Heinz-Galinski-Preis (28. November 2012) * Indira-Gandhi-Friedenspreis 2013 * Ehrenplakette des Bundes der Vertriebenen, 2014 * Abraham-Geiger-Preis, 2015 * Freedom Medal des Four Freedoms Awards, 2016 * Eugen-Bolz-Preis für das Jahr 2017 * Elie Wiesel Award für das Jahr 2017, ausgestellt vom United States Holocaust Memorial Museum * Lampe des Friedens vom Franziskaner-Konvent in Assisi für ihre Bemühungen um die Versöhnung und das friedliche Zusammenleben der Völker, erhalten am 12. Mai 2018 * Fulbright-Preis 2018 * Theodor-Herzl-Preis 2019 des Jüdischen Weltkongresses (WJC) * Buber-Rosenzweig-Medaille 2020 des Deutschen Koordinierungsrates der Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit für ihr entschiedenes Eintreten gegen antisemitische und rassistische Tendenzen in Politik, Gesellschaft und Kultur, * Henry-Kissinger-Preis 2020 der American Academy in Berlin „(…) für drei Jahrzehnte öffentlichen Dienstes und ihre prinzipientreue Politik zur Gestaltung einer zunehmend integrierten und widerstandsfähigen Europäischen Union“ * Auszeichnung „Rede des Jahres 2020“ der Eberhard Karls Universität Tübingen für die Fernsehansprache am 18. März 2020 anlässlich der COVID-19-Pandemie * Europäischer Bürgerrechtspreis der Sinti und Roma 2021 * Europapreis Karl V. 2021 * Johann-Peter-Frank-Medaille verliehen am 18. August 2021 vom Bundesverband der Ärztinnen und Ärzte des öffentlichen Gesundheitsdienstes * Walther-Rathenau-Preis 2021 * Nansen-Flüchtlingspreis des UNHCR 2022 * Félix-Houphouët-Boigny-Friedenspreis der UNESCO 2022
würde der Fakultät für Physik und Geowissenschaften der Universität Leipzig (3. Juni 2008) * Ehrendoktorwürde in Philosophie der Hebräischen Universität Jerusalem, verliehen im Jahr 2007 * Ehrendoktorwürde der Universität Leipzig, verliehen am 3. Juni 2008 durch die Fakultät für Physik und Geowissenschaften „für ihre Verdienste um das Fachgebiet Physik und seine Reputation bei ihrem Einsatz für den Schutz der Umwelt, der Demokratie und der Menschenrechte“. Die Laudatio hielt Javier Solana. * Ehrendoktorwürde der Technischen Universität Breslau, verliehen am 24. September 2008 für ihre Verdienste um die Annäherung zwischen Deutschland und Polen * Ehrendoktorwürde der New School, New York, verliehen am 19. Februar 2009 in Berlin. Die Laudatio hielt Fritz Stern. * Ehrendoktorwürde der Universität Bern, verliehen am 5. Dezember 2009 durch den Senat und die Universitätsleitung bei deren 175. Stiftungsfeier für ihren Einsatz für das öffentliche Wohl und den Klimaschutz sowie für ihre Verdienste um die europäische Integration, die Pflege des jüdisch-christlichen Dialogs und ihr Engagement für die Anliegen der Frauen * Ehrendoktorwürde der Universität Russe in Bulgarien, erhalten am 11. Oktober 2010 * Ehrendoktorwürde der Babeș-Bolyai-Universität, erhalten am 12. Oktober 2010 in Klausenburg/Cluj (Rumänien) für „ihre Verdienste um Europa und ihren Beitrag zur Lösung der Globalisierungs-Probleme“ * Ehrendoktorwürde der Ewha Frauenuniversität, erhalten am 11. November 2010 in Seoul * Ehrendoktorwürde der Universität Tel Aviv, verliehen am 1. Februar 2011 * Ehrendoktorwürde der Radboud-Universität Nijmegen, verliehen am 23. Mai 2013 * Ehrendoktorwürde der Comenius-Universität Bratislava, verliehen am 20. Oktober 2014 * Ehrendoktorwürde der Universität Szeged, verliehen am 2. Februar 2015 * Ehrendoktorwürde der Universität Nanjing, verliehen am 12. Juni 2016 * Ehrendoktorwürden der Katholischen Universität Löwen und der Universität Gent, verliehen am 12. Januar 2017 * Ehrendoktorwürde der Universität Haifa, verliehen am 4. Oktober 2018 * Ehrendoktorwürde der Universität Harvard, verliehen am 30. Mai 2019 durch die juristische Fakultät * Ehrendoktorwürde der Handelshochschule Leipzig, verliehen am 31. August 2019 * Ehrendoktorwürde der Johns Hopkins University, verliehen am 14. Juli 2021 * Ehrendoktorwürde der Technion Haifa, verliehen am 10. Oktober 2021 * Ehrendoktorwürde des Institut d’études politiques de Paris (Sciences Po), verliehen am 27. Juni 2023
* Am 16. Februar 2008 wurde sie zum Ehrenmitglied von Energie Cottbus ernannt. * Am 2. Juni 2011 wurde im Rahmen ihres Besuchs in Singapur eine Orchideen-Züchtung der Gattung Dendrobium auf den Namen „Dendrobium Angela Merkel“ getauft. * In der ersten Hälfte der 2010er Jahre kamen viele Menschen als Flüchtlinge nach Deutschland. In mehreren Fällen benannten Eltern aus Dankbarkeit für das Engagement Angela Merkels in der Flüchtlingssache ihr neugeborenes Kind nach Angela Merkel. In der Presse erwähnt ist ein syrisches Kind mit dem Vornamen Angela Merkel; ein weiteres syrisches Kind mit dem Namen Serbia Merkel Al-Mustafa; das als Christ Merkel benannte Kind einer Kamerunerin und die Tochter einer Ghanaerin Angela Merkel Adé. Nach Auskunft des namenskundlichen Instituts in Leipzig sei diese Form der Verehrung in vielen Kulturen üblich. * Ehrenbürgerin der Stadt Templin (seit 27. Juni 2018) * Im Oktober 2021 erklärte Xi Jinping als Staatsoberhaupt der Volksrepublik China Merkel zur Alten Freundin des chinesischen Volkes. Merkel bereiste China während ihrer Amtszeit zwölf Mal und besuchte bei jeder Chinareise zusätzlich eine andere Stadt. Xi Jinping würdigte dies und ihre Art der Diplomatie, die zu guten chinesisch-deutschen Beziehungen beigetragen habe, sowie ihre Kenntnis zu „manchen Realitäten in China“. * Zu ihrer Verabschiedung als Bundeskanzlerin erhielt Angela Merkel am 2. Dezember 2021 einen Großen Zapfenstreich in Gegenwart der Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer und des Generalinspekteurs der Bundeswehr Eberhard Zorn. Sie überraschte mit der Auswahl der drei Musikstücke, die sie sich wünschte: Du hast den Farbfilm vergessen, Für mich soll’s rote Rosen regnen und Großer Gott, wir loben dich. * Die CDU Mecklenburg-Vorpommern nominierte Merkel wenige Tage nach dem Ende ihrer Bundeskanzlerzeit als Wahlfrau zur Wahl des Bundespräsidenten 2022.
* Was also ist mein Land? (mit drei Reden: von 2008 in der Knesset, Jerusalem, und vom August 2015 mit dem oft zitierten Wir-schaffen-das-Satz und vom Oktober 2021 nach der Bundestagswahl.) 2022, Aufbau Verlag, Berlin. * mit Beate Baumann: (Memoiren)
* R. Der, A. Merkel, H.-J. Czerwon (1980): On the influence of spatial correlations on the rate of chemical reactions in dense gases. I. Quantum statistical theory. In: Chemical Physics 53, S. 427–435. * R. Der, R. Haberlandt, A. Merkel (1980): On the influence of spatial correlations on the rate of chemical reactions in dense systems. II. Numerical results. In: Chemical Physics 53, S. 437–442. * I. Böger, A. Merkel, J. Lachmann, H.-J. Spangenberg, T. Turanyi (1982): An Extended Kinetic Model and its Reduction by Sensitivity Analysis for the Methanol//Oxygen Gas-Phase Thermolysis. In: Acta Chimica Hungarica 129, S. 855–864. * A. Merkel, I. Böger, H. J. Spangenberg, L. Zülicke (1982): Berechnung von Hochdruck-Geschwindigkeitskonstanten für Zerfalls- und Rekombinationsreaktionen einfacher Kohlenwasserstoffmoleküle und -radikale. In: Zeitschrift für Physikalische Chemie 263, S. 449–460. * A. Merkel, L. Zülicke (1985): Berechnung von Geschwindigkeitskonstanten für den C-H-Bindungsbruch im Methylradikal. In: Zeitschrift für Physikalische Chemie 266, S. 353–361. * A. Merkel, L. Zülicke (1987): Nonempirical parameter estimate for the statistical adiabatic theory of unimolecular fragmentation carbon-hydrogen bond breaking in methyl. In: Molecular Physics 60, S. 1379–1393. * A. Merkel, Z. Havlas, R. Zahradnik (1988): Evaluation of the rate constant for the SN2 reaction fluoromethane + hydride: methane + fluoride in the gas phase. In: Journal of American Chemical Society 110, S. 8355–8359. * H. Mix, J. Sauer, K.-P. Schröder, A. Merkel (1988): Vibrational Properties of Surface Hydroxyls: Nonempirical Model Calculations Including Anharmonicities. In: Coll. Czechoslov. Chem. Commun. 53, S. 2191–2202. * F. Schneider, A. Merkel (1989): The lowest bound states of triplet BH2+ In: Chemical Physics Letters 161, S. 527–531. * L. Zülicke, A. Merkel (1990): Theoretical approach to reactions of polyatomic molecules. In: International Journal of Quantum Chemistry 36, S. 191–208.
* Kohls Mädchen, Kohls Erbin – Angela Merkels Weg zur Macht. Dokumentarfilm, 30 Min. Ein Film von Wolfgang Landgraeber, Wilfried Prill. Produktion: ARD. Deutschland 2000. * Angela Merkel – Die Unerwartete. Dokumentarfilm, 90 Min. Regie: Torsten Körner und Matthias Schmidt. Produktion: Broadview TV, MDR, in Zusammenarbeit mit arte. Deutschland 2016. * Mensch Merkel! – Widersprüche einer Kanzlerin. Dokumentarfilm, 45 Min. Ein Film von Bernd Reufels. Produktion: Kelvinfilm im Auftrag des ZDF. Deutschland 2019. * Stunden der Entscheidung – Angela Merkel und die Flüchtlinge. Dokudrama, 89 Min. Regie: Christian Twente. Produktion: AVE Publishing im Auftrag des ZDF. Deutschland 2019. * Angela Merkel – Frau Bundeskanzlerin. Dokumentation in 5 Teilen à 50 Min, Regie: Stefan Aust. Produktion: RTL/TV Now, Deutschland 2021. * Angela Merkel – Im Lauf der Zeit. Dokumentarfilm. Regie: Torsten Körner. 90 Minuten. Arte, MDR. Deutschland 2022.
(alphabetisch geordnet) * Robin Alexander: Die Getriebenen: Merkel und die Flüchtlingspolitik. Siedler, München 2017, ISBN 978-3-8275-0093-9. * Robin Alexander: Machtverfall. Merkels Ende und das Drama der deutschen Politik. Ein Report. 4. Auflage. Siedler, München 2021, ISBN 978-3-8275-0141-7. * Nikolaus Blome: Angela Merkel – Die Zauderkünstlerin. Pantheon. München 2013, ISBN 978-3-570-55201-8. * Ralph Bollmann: Angela Merkel. Die Kanzlerin und ihre Zeit. Biografie. 2. Auflage. C. H. Beck, München 2021, ISBN 978-3-406-74111-1 * Jacqueline Boysen: Angela Merkel. Eine Karriere. 2. Auflage. Ullstein, Berlin 2005, ISBN 978-3-548-36832-0. * Stephan Hebel: Merkel. Bilanz und Erbe einer Kanzlerschaft. Westend, Frankfurt am Main 2018, ISBN 978-3-86489-254-7. * Margaret Heckel: So regiert die Kanzlerin. Eine Reportage. Piper, München 2009, ISBN 978-3-492-05331-0. * Gertrud Höhler: Die Patin. Wie Angela Merkel Deutschland umbaut.Orell Füssli, Zürich 2012, ISBN 978-3-280-05480-2. * Ferdinand Knauß: Merkel am Ende: Warum die Methode Angela Merkels nicht mehr in unsere Zeit passt. FinanzBuch Verlag, München 2018, ISBN 978-3-95972-148-6. * Herlinde Koelbl: Angela Merkel – Portraits 1991 bis 2021, Taschen GmbH, Köln, ISBN 978-3-8365-8873-7. * Ewald König. Merkels Welt zur Wendezeit – Weitere deutsch-deutsche Notizen eines Wiener Korrespondenten. Mitteldeutscher Verlag, Halle (Saale) 2015, ISBN 978-3-95462-473-7. * Torsten Körner: Die Kanzlerin am Dönerstand. Miniaturen aus dem Leben von Angela Merkel. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2021, ISBN 978-3-462-00173-0. * Stefan Kornelius: Angela Merkel. Die Kanzlerin und ihre Welt. Hoffmann und Campe, Hamburg 2013, ISBN 978-3-455-50291-6. * Dirk Kurbjuweit: Angela Merkel. Die Kanzlerin für alle? Hanser, München 2009, ISBN 978-3-446-20743-1. * Günther Lachmann, Ralf Georg Reuth: Das erste Leben der Angela M. Piper, München 2013, ISBN 978-3-492-05581-9. * Gerd Langguth: Angela Merkel. Aufstieg zur Macht. Biografie. Aktualisierte und erweiterte Neuausgabe. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2007, ISBN 978-3-423-34414-2. * Kati Marton: The Chancellor: The Remarkable Odyssey of Angela Merkel. William Collins, London 2021, ISBN 978-0-00-849946-4. * Philip Plickert (Hrsg.): Merkel: Eine kritische Bilanz. FinanzBuch Verlag, München 2017, ISBN 978-3-95972-065-6. * Tomasz G. Pszczółkowski: Angela Merkel z perspektywy jej krytyków (Angela Merkel aus der Perspektive ihrer Kritiker). In: „Przegląd Dziennikarski“ 30.12.2024 (polnisch). * Volker Resing: Angela Merkel. Die Protestantin. Ein Porträt. Überarbeitete und ergänzte Neuausgabe. Benno, Leipzig 2015, ISBN 978-3-7462-4563-8. * Andreas Rinke: Das Merkel-Lexikon: Die Kanzlerin von A–Z. Dietrich zu Klampen, Springe 2016, ISBN 978-3-86674-540-7. * Hinrich Rohbohm: Merkels Maske. Kanzlerin einer anderen Republik. 2. Auflage. JF Edition, Berlin 2020, ISBN 978-3-929886-63-4. * Evelyn Roll: Das Mädchen und die Macht. Angela Merkels demokratischer Aufbruch. Rowohlt, Berlin 2001, ISBN 978-3-87134-429-9. * Josef Schlarmann: Angela Merkel aus der Nähe, Lau Verlag, Reinbek 2017, ISBN 978-3-95768-191-1. * Wolfgang Stock: Angela Merkel. Eine politische Biographie. Neuauflage. Olzog, München 2005, ISBN 978-3-7892-8168-6. * Ursula Weidenfeld: Die Kanzlerin: Porträt einer Epoche. rowohlt Berlin 2021, ISBN 978-3-7371-0123-3. * Heike Wolter, Julia Christof: Angela Merkel – Die erste Bundeskanzlerin edition riedenburg, Salzburg 2021, ISBN 978-3-99082-072-8.
* ] (Wayback Machine) * – aktuelle Internetseite der Bundeskanzlerin a. D. Angela Merkel
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Alicia Silverstone
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Alicia Silverstone [] (* 4. Oktober 1976 in San Francisco, Kalifornien) ist eine US-amerikanische Schauspielerin. Bekannt wurde sie in den 1990er Jahren durch den Film Clueless – Was sonst! und als Batgirl in Batman & Robin sowie durch ihre Auftritte in drei Musikvideos der Band Aerosmith.
Silverstone wurde als Tochter britischer Eltern, eines Immobilieninvestors und einer Flugbegleiterin, geboren. Sie hat zwei ältere Geschwister, eine Halbschwester aus der ersten Ehe ihres Vaters und einen Bruder. Alicia Silverstone kommt aus einer jüdischen Familie und bezeichnet sich selbst als jüdisch. Sie wuchs in San Francisco auf und besuchte die „Crocker Middle School“ und anschließend die „San Mateo High School“. Im Alter von sechs Jahren begann Silverstone zu modeln und trat in Werbespots auf, erstmals für Domino’s Pizza. Sie verbrachte ihre Sommerferien gern in England, wo sie eine wachsende Begeisterung für dortige Theateraufführungen entwickelte. Neben Ballettstunden belegte sie deswegen mit 13 Jahren auch Schauspielkurse.
Silverstones erste Rolle war 1992 ein Auftritt in der elften Episode der fünften Staffel der Fernsehserie Wunderbare Jahre als Jessica. Ihre erste Kinorolle hatte sie in dem Film Das Biest ein Jahr später. Um die Auflagen für Kinderarbeit zu umgehen, beantragte Silverstone mit 15 Jahren erfolgreich die rechtliche Selbstständigkeit. Für den Film wurde sie mit zwei MTV Movie Awards ausgezeichnet. Bei dieser Preisverleihung weckte sie die Aufmerksamkeit von Steven Tyler, dem Leadsänger der Rockband Aerosmith, was ihr Rollen in drei Videoclips der Band einbrachte – zu den Songs Cryin’, Amazing und Crazy. In letzterem Video spielte sie zusammen mit Liv Tyler, der Tochter des Sängers. Ihren schauspielerischen Durchbruch hatte Alicia Silverstone 1995 mit der Komödie Clueless – Was sonst!, in der sie zum typischen Beispiel des kalifornischen Teenagers wurde. Die Regisseurin Amy Heckerling besetzte Silverstone in der Hauptrolle, nachdem sie sie in den Aerosmith-Videos gesehen hatte. Clueless war sowohl bei Kritikern als auch beim Kinopublikum ein Erfolg. Silverstone konnte erneut zwei MTV Movie Awards gewinnen und schloss einen Vertrag für zehn Millionen Dollar mit Columbia TriStar über weitere Filme. Im selben Jahr war sie auch in der Romanverfilmung Innocent Babysitter zu sehen. 1997 spielte sie das Batgirl in der vierten Batman-Verfilmung Batman & Robin an der Seite von George Clooney. Der Film erhielt überwiegend schlechte Kritiken und Silverstone wurde mit dem Negativpreis Goldene Himbeere als schlechteste Nebendarstellerin prämiert. Des Weiteren war sie in einer Hauptrolle in der Komödie Ärger im Gepäck neben Benicio del Toro und Christopher Walken zu sehen. Erstmals war sie hier auch als Produzentin tätig. 1999 spielte sie an der Seite von Brendan Fraser die Hauptrolle in der romantischen Komödie Eve und der letzte Gentleman. Zu Beginn des neuen Jahrtausends zog sich Silverstone aus dem Mainstream-Kino zurück und stand überwiegend für Independent-Filme und Fernsehprojekte vor der Kamera. Außerdem spielte sie in einigen Theaterstücken. Im Jahr 2000 war sie in der Shakespeare-Adaption Verlorene Liebesmüh’ (von und mit Kenneth Branagh) zu sehen. In dem Film musste sie auch singen und tanzen. Ab 2001 lieh sie der Comicfigur Sharon Spitz in der Serie Braceface ihre Stimme und erhielt dafür 2002 eine Nominierung für den Fernsehpreis Emmy. 2002 gab sie ihr Broadway-Debüt als Elaine Robinson in dem Stück Die Reifeprüfung neben Kathleen Turner. Ein Jahr später spielte sie die Hauptrolle einer jungen Anwältin in der Serie Kate Fox & die Liebe. Die Serie erhielt gute Kritiken und Silverstone wurde für einen Golden Globe nominiert, trotzdem war sie kein Erfolg und wurde nach einer Staffel wieder eingestellt. 2004 war sie an der Seite von Sarah Michelle Gellar in der erfolgreichen Komödie Scooby Doo 2 zu sehen und spielte 2005 eine Friseurin in Beauty Shop, der Fortsetzung des Films Barbershop. 2006 war Silverstone als Jack Starbright in Stormbreaker neben Ewan McGregor und Mickey Rourke zu sehen. Der Film entstand nach dem Roman Das Geheimnis von Port West von Anthony Horowitz aus der Alex-Rider-Buchreihe. Ursprünglich sollten weitere Bücher dieser Reihe verfilmt werden, da der Film jedoch kein finanzieller Erfolg war, wurden keine Fortsetzungen produziert. 2008 hatte sie einen Cameo-Auftritt in der Komödie Tropic Thunder. Von 2009 bis 2010 stand sie für das Theaterstück Time Stands Still auf der Bühne. Das Stück sowie Silverstones Leistung wurden positiv aufgenommen. 2010 beendete sie ihre Mitarbeit an dem Stück, um sich wieder ihrer Filmkarriere zu widmen. Ihre Rolle der Mandy wurde mit Christina Ricci neu besetzt. 2010 spielte sie eine Lehrerin in der Teenagerkomödie Von der Kunst, sich durchzumogeln. Im selben Jahr drehte sie neben Sigourney Weaver den Vampirfilm Vamps – Dating mit Biss, welcher allerdings erst zwei Jahre später den Weg ins Kino fand. Für diesen Film stand sie nach Clueless zum zweiten Mal unter der Regie von Amy Heckerling vor der Kamera. Des Weiteren spielte sie neben Hugh Jackman und Jennifer Garner in dem Drama Alles in Butter, das ebenfalls 2012 in den amerikanischen Kinos veröffentlicht wurde. 2012 spielte Silverstone eine wiederkehrende Rolle in der Serie Suburgatory an der Seite ihres ehemaligen Clueless-Kollegen Jeremy Sisto. 2013 drehte sie den Serien-Piloten HR, indem sie die Leiterin einer Personalabteilung darstellt, die nach einer Kopfverletzung ihre Lebenseinstellung ändert. In Ass Backwards – Die Schönsten sind wir (2013) übernahm Silverstone die Rolle der ehemaligen Schönheitskönigin Laurel. Die Komödie wurde 2013 auf einigen Filmfestivals gezeigt und in Deutschland direkt auf DVD veröffentlicht. In der schwarzen Komödie Catfight spielte Silverstone 2016 an der Seite von Anne Heche und Sandra Oh eine der Hauptrollen. Der Film wurde nur in ausgewählten Kinos veröffentlicht, erhielt aber weitgehend positive Kritiken. 2017 übernahm sie die Rolle der Susan Heffley in der vierten Verfilmung der Gregs-Tagebuch-Buchreihe, die zuvor von Rachael Harris verkörpert wurde. Der Film, der unter dem Titel Gregs Tagebuch – Böse Falle! in Deutschland veröffentlicht wurde, wurde von der Kritik negativ bewertet und konnte nicht an die Erfolge der vorherigen Filme anknüpfen, stellte aber mit einem weltweiten Einspielergebnis von 40,1 Millionen US-Dollar Silverstones erfolgreichsten Film seit Beauty Shop (2005) dar. In dem Psychothriller The Killing of a Sacred Deer unter der Regie von Yorgos Lanthimos war Silverstone 2017 an der Seite von Colin Farrell und Nicole Kidman in einer Nebenrolle zu sehen. Der Film konkurrierte bei den 70. Filmfestspielen von Cannes um die Goldene Palme und war ein Arthouse-Erfolg. 2018 spielte sie die Tochter der von Diane Keaton dargestellten Figur in der Komödie Book Club – Das Beste kommt noch, die mit einem weltweiten Einspielergebnis von rund 104 Millionen Dollar, Silverstones größter Kassenerfolg seit Scooby Doo 2 (2004) wurde. Im gleichen Jahr spielte sie die Hauptrolle in der kurzlebigen Serie American Woman, die nach einer Staffel eingestellt wurde. 2019 spielte sie neben Riley Keough unter der Regie des österreichischen Regie-Duos Veronika Franz und Severin Fiala in dem Horrorthriller The Lodge. Von 2020 bis 2021 gehörte sie zur Stammbesetzung der Serie Der Babysitter-Club. Für ihre schauspielerische Leistung wurde sie für den Daytime Emmy Award und den Children’s and Family Emmy Award nominiert. In der von Netflix produzierten Komödie Senior Year (2022) spielte sie neben Rebel Wilson. 2025 spielte sie das zweite Mal unter der Regie von Giorgos Lanthimos in Bugonia neben Emma Stone und Jesse Plemons.
Seit Jahren ist Silverstone eines der prominenten Gesichter von PeTA-Kampagnen, die sich für Tierrechte und Veganismus einsetzen. So zeigte sie sich 2007 nackt in einem Werbespot und auf Plakaten der Tierschutzorganisation, und 2016 ließ sie sich für eine Kampagne gegen das Tragen von Wolle erneut nackt fotografieren. Silverstone ist seit 1998 Veganerin und wurde 2004 von PeTA zur Sexiest Female Vegetarian gekürt. 2009 erschien The Kind Diet, ihr Buch über vegane Ernährung, das als Meine Rezepte für eine bessere Welt auch auf Deutsch erschienen ist. Das Buch schaffte es auf Platz 1 der Bestsellerliste der New York Times. Dazu betreibt sie ein Weblog. 2014 erschien ihr zweites Buch, The Kind Mama, in dem sie für Attachment Parenting wirbt. Im Juni 2005 heiratete sie Christopher Jarecki, Sänger der Musikgruppe S.T.U.N. Das Paar lebte in Los Angeles und bekam im Mai 2011 einen Sohn, 2018 ließen sie sich scheiden.
* 2002: Die Reifeprüfung (The Graduate) * 2006: Boston Marriage * 2007: Speed the Plow * 2009–2010: Time Stands Still * 2012: The Performers * 2015: Of Good Stock
* 1993: Cryin' (Aerosmith) * 1993: Amazing (Aerosmith) * 1994: Crazy (Aerosmith) * 2009: Her Diamonds (Rob Thomas) * 2011: Fight for Your Right Revisited (Beastie Boys)
* 2009: The Kind Diet (Meine Rezepte für eine bessere Welt. Arkana Verlag, April 2011) * 2014: The Kind Mama
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Al-Bīrūnī
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Abu r-Raihan Muhammad b. Ahmad al-Bīrūnī (; persisch auch nur kurz , Abū Raiḥān Bīrūnī) – kurz (al-)Biruni (geboren am 4. September 973 in Kath, Choresmien (heute Usbekistan); gestorben am 9. Dezember 1048 in Ghazna (ghaznawidische Hauptstadt; heute Afghanistan)) war ein persischer (choresmischer) Universalgelehrter, Mathematiker, Kartograf, Astronom, Astrologe, Philosoph, Pharmakologe, Mineraloge, Forschungsreisender, Historiker und Übersetzer in Zentralasien.
Die ersten 20 Jahre lebte Abū r-Raiḥān Muḥammad ibn Aḥmad in Choresmien, wo er schon in jungen Jahren von dem Gelehrten Abu Nasr Mansur ausgebildet wurde. Als die von Kath aus herrschende Afrighiden-Dynastie, welcher al-Bīrūnī nahestand, 995 von den Mamuniden aus Gurgandsch gestürzt wurde, verließ er das Land und ging an den Hof des Samaniden Mansur II. nach Buchara. Hier wirkte zu dieser Zeit auch der vor allem als Mediziner und Philosoph bekannte Ibn Sina (Avicenna), mit dem al-Bīrūnī (nachdem er um 997 einen programmatischen Briefwechsel eingeleitet hatte) viele Jahre lang zusammenarbeitete und den er auch in seiner „Chronologie“ aus dem Jahr 1000 erwähnte. 998 zog er nach Tabaristan und lebte am Hof des Ziyariden Qabus (Qābūs ibn Wuschmagīr), bevor er in seine Heimat zurückkehrte, wo er sieben Jahre lang zum Gurgandschischen Gelehrtenkreis um Khwarazm-Schah Mamun II. gehörte. Offenbar hatte er zuvor mit den Mamuniden Frieden geschlossen und die Beobachtung einer Mondfinsternis am 24. Mai 997 in Kath zeigt, dass er Choresmien schon eher wieder besucht haben muss. Al-Bīrūnī hatte damals mit Abu'l-Wafa verabredet, dass dieser das Ereignis in Bagdad beobachtet; durch einen Vergleich der notierten Eintrittszeiten des Erdschattens konnten sie die Differenz in den geographischen Längen von Kath und Bagdad bestimmen. Al-Bīrūnī beschäftigte sich in dieser Zeit mit Astronomie, Geschichte und Kartografie.
Eine moderne Stadt im Bereich von al-Bīrūnīs Geburtsort wurde 1958 ihm zu Ehren in Beruniy umbenannt. Die Universität Schiraz benannte ihr astronomisches Observatorium Abu Reihan Observatorium. Die Internationale Astronomische Union (IAU) ehrte ihn durch die Benennung des Mondkraters Al-Biruni. Ferner ist er Namensgeber für die Insel Biruni Island in der Antarktis.
Al-Bīrūnī schrieb etwa 146 Bücher mit geschätzten 13.000 Seiten Umfang und tauschte sich mit Kollegen wie Avicenna (Ibn Sina) per Briefverkehr aus. Etwa ein Fünftel seines Werkes ist erhalten geblieben, darunter: * al-Qānūn al-Masʿūdī, ein Sultan Masud I. von Ghazni gewidmetes Handbuch der Astronomie * Kitāb al-tafhīm li- awāʾil ṣināʿat al-tanǧīm: „Buch der Unterweisung in die Anfänge der Kunst der Sterndeutung“ * Kitāb aṣ-Ṣaidala: Pharmakognosie, ein alphabetisches Verzeichnis von Heilpflanzen und Nahrungsmitteln * Kitāb al-Ǧamāhir fī maʿrifat al-ǧawāhir, ein Buch über Mineralien * Kitāb Taḥdīd nihāyat al-amkin li-taṣḥīḥ masāfāt al-masākin, ein Buch über Geodäsie * Kitāb fī taḥqīq mā li-l-Hind min maqūla maqbūla fī l-ʿaql au marḏūla, ein Buch zu indischen Anschauungen der Philosophie, Astronomie, Geodäsie, der Gesellschaftsform und vielfältigen weiteren Gebieten, welche im Rahmen einer umfangreichen Bildungsreise durch Lektüre und Gespräche mit Einheimischen durchleuchtet wurden. Es wurde 1958 in Hyderabad ediert und 1888 von Eduard Sachau unter dem Titel Alberuni's India ins Englische übersetzt. * Kitāb al-Āṯār al-bāqiya ʿan al-qurūn al-ḫāliya („Buch der Hinterlassenschaften früherer Jahrhunderte“), ein dem Ziyariden Qabus gewidmetes Geschichtswerk (entstanden um 1000). Das Buch wurde von Eduard Sachau 1876 unter dem Titel „Chronologie orientalischer Völker“ ediert und 1879 unter dem Titel The chronology of ancient nations ins Englische übersetzt ().
* Friedrun R. Hau: al-Bīrūnī, Abū Raiḥān. In: Werner E. Gerabek, Bernhard D. Haage, Gundolf Keil, Wolfgang Wegner (Hrsg.): Enzyklopädie Medizingeschichte. De Gruyter, Berlin / New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 184. * Muhammad Taqi ad-Din al-Hilali: Die Einleitung zu al-Bīrūnīs Steinbuch. Mit Erläuterungen übersetzt. Dissertation unter Aufsicht von Richard Hartmann und Hans Heinrich Schaeder. Mit einer Widmung an Herbert W. Duda. Harrassowitz, Leipzig 1941. (). * E.S. Kennedy: al-Bīrūnī. In: Lexikon des Mittelalters. Band 2, S. 226b–227a. * Wassilios Klein: Abu Rayhan al-Biruni und die Religionen. Eine interkulturelle Perspektive (= Interkulturelle Bibliothek. Band 119). Bautz, Nordhausen 2005, ISBN 3-88309-317-3. * Karl Schoy: Die trigonometrischen Lehren des persischen Astronomen Abu'l-Raiḥân Muḥ. Ibn Aḥmad al-Bîrûnî: dargestellt nach Al-qânûn al-masûdî. Nach dem Tode des Verfassers herausgegeben von Julius Ruska und Heinrich Wieleitner. Orient-Buchhandlung Lafaire, Hannover 1927. * Gotthard Strohmaier: Al-Bīrūnī. In den Gärten der Wissenschaft. Ausgewählte Texte aus den Werken des muslimischen Universalgelehrten, übersetzt und erläutert. 2. Auflage. Reclam, Leipzig 1991, ISBN 3-379-00262-3. * Gotthard Strohmaier: Al-Biruni – ein Gelehrter, den das Abendland übersah. In: Spektrum der Wissenschaft. Mai 2001 (). * Arslan Terzioglu, S. Kolta: Duftdrogen, Parfüme und Körperhygiene in al-Bīrūnī’s Werken. In: Beiträge zur Geschichte der Pharmazie. Band 27, 1975, S. 25–39 ().
* Jan Hogendij: (englisch) – Handschriften, kritische Editionen, Übersetzungen und Online-Versionen. * ]. 4/3, 1989, 274 ff. * (englisch), Buch über Mineralien, Online-Version. * Wolfgang Burgmer: ] ZeitZeichen vom 4. September 2023. (Podcast, verfügbar bis 4. September 2099.)
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Ankara
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Ankara [], früher Angora (antiker Name , ), ist seit 1923 die Hauptstadt der Türkei. Nachdem das Stadtgebiet die gesamte Fläche der Provinz Ankara umfasst, ist sie die flächenmäßig größte Hauptstadt der Welt. Die Stadt ist nach türkischem Recht als Großstadtgemeinde (Büyükşehir Belediyesi) verfasst und nach Fläche und Einwohnern mit der gleichnamigen Provinz identisch. Sie hatte 2024 etwa 5,8 Millionen Einwohner und ist damit nach Istanbul die zweitgrößte Stadt des Landes.
Die genaue etymologische Herkunft des Namens Ankara ist nicht bekannt. Pausanias berichtet, dass König Midas an der Stelle einen Anker gefunden und die Stadt dann dort deshalb als Ankyra (griechisch für Anker) gegründet habe. Stephanos von Byzanz behauptet, die Galater hätten im Kampf gegen die Ptolemäer aus Ägypten nach dem Sieg einen Anker als Kriegstrophäe mitgebracht und diese Bezeichnung bei der Gründung der Stadt im Stadtnamen verewigt. Es sind Münzprägungen mit Ankermotiv bekannt. Dagegen gibt es Hinweise, dass die Stadtbezeichnung schon seit den Phrygern oder gar den Hethitern in einer ähnlichen Form benutzt und später von den Griechen zu Ankyra umgewandelt wurde. In ähnlicher Weise wurde in der islamischen Zeit Ankaras die These aufgestellt, die damals Engürü genannte Stadtbezeichnung stamme von dem persischen Wort für Traube (engûr) ab, das sich auf die üppigen Weinanbaugebiete um Ankara beziehe. Ab dem 28. März 1930 wurde für den Namen der Hauptstadt auch im Verkehr mit Europäern anstelle der in der lateinischen Schrift bis dahin bei den Europäern üblichen – aus dem Neugriechischen stammenden – Namensform Angora die türkische Bezeichnung Ankara durchgesetzt. Ältere türkische Namensformen waren Engüriye, Engürü oder Engüri; frühere Namensformen waren griechisch Ankyra, lateinisch Ancyra und arabisch und oder , zu deutsch „Kettenfestung“.
In der Stadt vereinigen sich zwei kleine Bäche namens Hatip Çayı, auch Bent Deresi genannt, und Çubuk Çayı zum Ankara-Fluss (Ankara Çayı), der in der Stadt größtenteils überbaut und stark verschmutzt ist.
Ursprünglich eine blühende phrygische Siedlung an der persischen Königsstraße, wurde es in römischer Zeit Hauptstadt der römischen Provinz Galatien. Die keltischen Galater waren als Söldner im 3. vorchristlichen Jahrhundert nach Anatolien gekommen und entwickelten sich dort zunächst zur Landplage. Nachdem sie ab 268 v. Chr. im Inneren Kleinasiens angesiedelt worden waren, wurde Ancyra Zentrum des galatischen Stammes der Tektosagen. 189 v. Chr. wurde Ancyra von Gnaeus Manlius Vulso besetzt, blieb aber unter regionaler Herrschaft. Die Galater wurden erst 44 v. Chr. nach Caesars Ermordung durch König Deiotaros unter einer Herrschaft vereinigt, aber bereits 25 v. Chr. wurde Galatien römische Provinz und Ancyra deren Hauptstadt. Aus römischer Zeit erhalten geblieben ist der Augustustempel, an dessen Wänden sich eine als Monumentum Ancyranum berühmt gewordene Inschrift befindet, die römischen Bäder und die Juliansäule. Bei der Teilung des Römischen Reiches nach dem Tode des Kaisers Theodosius I. im Jahr 395 fiel die Stadt an das Oströmische Reich, das später Byzantinisches Reich genannt wurde, und gehörte bis 1073 zu diesem. 620 eroberten vorrückende Sassaniden die Stadt und hielten sie sieben Jahre. Die Byzantiner machten die Stadt von 717–775 zum militärischen Hauptquartier ihrer Verwaltungseinheit Bukellarion. Ankara wurde mehrmals von arabischen Truppen unter den abbasidischen Kalifen Hārūn ar-Raschīd (797) und al-Mu'tasim bi-'llāh (838) erobert und von den Byzantinern nach einigen Jahren wieder eingenommen. Die von den Byzantinern als häretische Gruppe bezeichneten Paulikianer konnten die Stadt kurz einnehmen (871), sie wurden wie die Truppen der Abbasiden (931) ebenfalls wieder zurückgeworfen. Aus der byzantinischen Zeit stammen die eindrucksvollen Befestigungsmauern der Zitadelle sowie die in den Augustustempel eingebaute Kirche, von der noch die Apsis und die kleine Krypta erhalten sind.
Nach dem Sieg Alp Arslans in der Schlacht bei Manzikert 1071 löste sich die byzantinische Reichsverwaltung in Anatolien vorübergehend vollständig auf. In den so entstandenen anarchischen Verhältnissen ließen sich türkische Stammesgruppen in Anatolien nieder, denen oftmals rivalisierende Adelsfraktionen in den byzantinischen Städten Kleinasiens die Tore öffneten, um die militärischen Fähigkeiten dieser Gruppen für eigene Zwecke zu nutzen. Im Zuge der Konsolidierung und Zentralisierung der Herrschaft dieser türkischen Gruppen unter einer seldschukischen Nebenlinie geriet Ankara unter die Herrschaft des Sultanats der Rum-Seldschuken. Nach dem Mongoleneinfall 1243 und dem Zusammenbrechen des seldschukischen Staates übernahmen kleine unabhängige Fürstentümer, die Beyliks, die Kontrolle über die westanatolischen Grenzgebiete (Uc), während Ostanatolien und das östliche Mittelanatolien unter die direkte Herrschaft der mongolischen Ilchane und später auch unter die Herrschaft türkischer Fürsten fielen. Hierbei lag Ankara im Grenzgebiet zwischen den Grenzfürstentümern der Uc, namentlich der Osmanen und der Karamanen und dem Herrschaftsbereich der Ilchane. In diesem Herrschaftsvakuum geriet Ankara wie vergleichbare Städte unter die Leitung der Ahi. Die Ahi waren als Ausläufer der Futuwwa-Bewegung gildenartige Bruderschaften der städtischen Bevölkerung, etwa der Handwerker, deren Führer in Abwesenheit anderer Herrschaftsinstanzen staatliche Aufgaben in Anspruch nahmen. 1356 eroberte Orhan I. Ankara und gliederte es ins Osmanische Reich ein, welches dessen Entwicklung fortan – mit der Ausnahme der Besatzung 1401–1402 durch Timur nach der Schlacht bei Ankara – bis zum Ersten Weltkrieg bestimmen werden sollte. Ankara war Hauptstadt eines Sandschak im Eyâlet Anadolu und wurde 1841 Verwaltungssitz des neu gebildeten gleichnamigen Eyalets (ab 1867 Vilâyet Ankara). Seit 1892 ist Ankara durch die Anatolische Eisenbahn mit Istanbul verbunden. Nach der Niederlage der Osmanen im Ersten Weltkrieg besetzten alliierte Streitkräfte die damalige Hauptstadt Istanbul. Auch Ankara wurde 1919 für eine kurze Zeit nach der osmanischen Kapitulationserklärung von alliierten Truppen unter der Führung Withalls besetzt und wieder geräumt. Im anatolischen Kernland formierte sich gegen die Besatzungsmächte Widerstand, und nach der Ankunft Mustafa Kemals in Ankara Ende 1919 wurde 1920 die Große Nationalversammlung der Türkei ausgerufen, da das osmanische Parlament in Istanbul unter dem Druck der britischen Besatzung stand und viele seiner Abgeordneten nach seiner Auflösung durch die Briten inhaftiert und nach Malta deportiert wurden. Als die griechischen Besatzungstruppen 1921 bis in die Gegend des heutigen Polatlı (etwa 60 km vor Ankara vordrangen) und der Artilleriebeschuss schon in Ankara zu hören war, gab es im Parlament Überlegungen nach Kayseri umzuziehen, wovon nach der erfolgreichen Schlacht am Sakarya abgesehen wurde.
Mit dem endgültigen Sieg der von Kemal Atatürk geführten Truppen im Türkischen Befreiungskrieg wurde Ankara wegen seiner Lage in Zentralanatolien und in bewusster Abgrenzung zur osmanischen Hauptstadt Istanbul im Vorfeld der Ausrufung der Republik am 13. Oktober 1923 zur Hauptstadt erklärt. Als repräsentative Hauptstadt der jungen Republik musste zunächst die Infrastruktur bereitgestellt werden. Die Stadt war durch einen Brand 1917 größtenteils zerstört worden, die Umgebung war versumpft (Malaria war ein großes Problem) und hinzu kam ein stetiger Zustrom von Menschen. In acht Jahren (1920–1928) vervierfachte sich die Bevölkerungszahl von ca. 25.000 auf 100.000 Zur Neukonzeption wurde größtenteils auf deutsche Architekten zurückgegriffen, so basierte die grundlegende Stadtplanung auf einem von Carl Christoph Lörcher für 1924–1925 entwickelten Plan, der aber im weiteren Verlauf aufgrund stärkeren Zuzugs neu bewertet und von dem ab 1929 im türkischen Dienst stehenden Hermann Jansen im sogenannten „Jansen-Plan“ neu konzipiert wurde. Clemens Holzmeister errichtete das Parlamentsgebäude, mehrere Ministerien und Gerichtsgebäude sowie eine Villa für Atatürk. , zu Deutsch Präsidentschaftskomplex genannt, ist der Amtssitz des Präsidenten der Türkei In den folgenden Jahrzehnten musste die Stadtverwaltung sich mit der Landflucht auseinandersetzen, die in Gecekondu-Vierteln sichtbar wurde. Spätestens seit den 1950er Jahren wurde immer stärker auf repräsentative Bauten verzichtet, das Stadtbild im Zentrum dominieren große funktionale Quaderbauten und Verkehrsstraßen. Die als „grüne Stadt inmitten der anatolischen Steppe“ geplante Hauptstadt verlor stark an städtischer Grünfläche. Mitte der 1980er Jahre versuchte die sogenannte TOKI türkeiweit das Wohn- und Platzproblem mit billigen Hochhaussiedlungen zu lösen, welche seitdem das Stadtbild Ankaras dominieren. Von 1994 bis 2017 war der islamisch-konservative Melih Gökçek der Oberbürgermeister. Im Jahre 2009 wurde die Stadt für ihre herausragenden Bemühungen um die europäische Integration mit dem Europapreis ausgezeichnet. 2014 wurde der neue Amtssitz des Präsidenten eingeweiht, der trotz gerichtlichem Baustopp auf der Grünfläche der Waldfarm Atatürks errichtet wurde und knapp eine halbe Milliarde Euro kostete. Am 10. Oktober 2015 kam es während einer Demonstration am Bahnhof der Stadt zu einem terroristischen Sprengstoffanschlag mit über 100 Toten. 2017 wurde Gökçek als Bürgermeister durch den ebenfalls der AKP angehörenden Mustafa Tuna abgelöst, der bei der Kommunalwahl 2019 jedoch knapp seinem Herausforderer Mansur Yavaş von der CHP unterlag.
Das Wappen der Stadt ist ein langjähriges Streitthema. Das jahrzehntelang akzeptierte Wappen oder Emblem war die als „hethitische Sonne“ bezeichnete scheibenförmige Standarte (Bronzestandarten von Alaca Höyük). Sie wurde 1995 von dem langjährigen Bürgermeister der Jahre 1994–2017 Melih Gökçek, ab 2002 Mitglied der islamisch-konservativen AKP, durch eine Abbildung der Kocatepe-Moschee, die mit ihrer klassischen Architektur anderen Moscheen der Türkei sehr ähnelt und 1987 fertiggestellt wurde, ersetzt. Verschiedene Gerichtsbeschlüsse bemängelten die fehlende repräsentative Symbolik und kritisierten Befugnisübertritte des Bürgermeisters. Dieser integrierte als Reaktion daraufhin den Atakule-Fernsehturm in das Wappen. Später schlug Gökcek zwei Katzenaugen der Katzenrasse Türkisch Angora als Wappen vor; der Vorschlag wurde aber aufgrund von Protesten zurückgezogen. Die Wappenfrage bleibt ein Streitthema.
Ankara ist nicht nur das Verwaltungszentrum der Türkei, sondern gilt neben Istanbul und Izmir auch als eines der größten Wirtschaftszentren des Landes. Von Bedeutung ist die Rüstungsindustrie, wie die TUSAS Turkish Aerospace Industries, die ASELSAN (Militärtechnik) oder die MKE Munitions- und Waffenindustrie, die Roketsan oder Havelsan. Des Weiteren existieren eine große MAN Autobusfabrik in der Nähe des Flughafens, ein Traktorenwerk, ein Baumaschinenhersteller (Hidromek), sowie Betriebe der Nahrungs- und Genussmittelindustrie, während die ehemals bedeutende Ziegen- und Wollhaarverarbeitung bedeutungslos geworden ist. Die Industriebetriebe konzentrieren sich größtenteils im Westen der Stadt. Das Einkaufs- und Handelszentrum der Stadt liegt größtenteils in Kızılay um den Kızılay-Platz. Ankara ist im Vergleich zu den anderen türkischen Städten wenig touristisch erschlossen. Dies wird zumeist mit dem vorherrschenden Image einer unbegrünten Beamtenstadt erklärt. Zu den meistbesuchten Orten zählt das Mausoleum des Staatsgründers Atatürk und das Museum für anatolischen Zivilisationen. Zumeist wird der Besuch im Rahmen einer größeren Tour, wie z. B. bei einer Reise nach Kappadokien organisiert. Für die religiösen inländischen Touristen ist die Hacı-Bayram-Moschee eine Pilgerstätte. Laut einer Studie aus dem Jahr 2014 erwirtschafte Ankara ein Bruttoinlandsprodukt von 104,86 Milliarden US-Dollar in Kaufkraftparität. In der Rangliste der wirtschaftsstärksten Metropolregionen weltweit belegte die Stadt damit den 129. Platz. Das BIP pro Kopf liegt bei 21.076 US-Dollar (KKP).
Ankara ist Sitz mehrerer Universitäten, u. a. der Universität Ankara, der Bilkent-Universität, der Gazi-Universität, der Technischen Universität des Nahen Ostens (ODTÜ), der Hacettepe-Universität, der Tobb-Universität für Wirtschaft und Hochtechnologie, der Ufuk-Universität, der Atılım-Universität, Çankaya-Universität und der Başkent-Universität.
Die Qualität der Straßen ist unterschiedlich. Die achtspurige Ringautobahn O-20 trägt zur Entlastung des städtischen Verkehrs bei. Wie in anderen Großstädten gibt es zahlreiche Taxis. Wie in den meisten türkischen Städten wird ein beträchtlicher Teil des öffentlichen Nahverkehrs von Dolmuş übernommen. Der öffentliche Nahverkehr wird weitgehend mit Bussen abgewickelt. Es gibt mehrere Busbahnhöfe, u. a. der Fernbusbahnhof Ankara Şehirlerarası Terminal İşletmesi. Die U-Bahn besteht 2017 aus fünf Linien: Ankaray (A1), M1, M2, M3 und M4. Eine weitere Linie ist in langfristiger Planung. Daneben gibt es einen S-Bahn-Verkehr (Banliyö Trenleri). Eine 3,2 Kilometer lange kuppelbare Umlaufseilbahn mit vier Stationen verbindet seit 2014 den Stadtteil Şentepe mit der Metrostation Yenimahalle. Die Stadtverwaltung hat sich entschieden, das System allen Nutzern kostenlos zur Verfügung zu stellen, somit sind auch keine Fahrscheine notwendig. Gebaut wurde die Seilbahn vom Südtiroler Unternehmen Leitner ropeways.
Ankara besitzt mehrere militärische (u. a. Güvercinlik Havalimanı, Etimesgut Havalimanı) und einen internationalen zivilen Flughafen, den Esenboğa Airport. Er liegt 28 km nordöstlich der Stadt und wurde zwischen 2004 und Ende 2006 grundlegend erneuert. Gleichzeitig wurde der Flughafen über eine Schnellstraße an die Ringautobahn angeschlossen.
Ankara wurde durch die Anatolische Eisenbahn Ende des 19. Jahrhunderts mit Istanbul und über einen Abzweig mit Izmir verbunden. Später wurden Strecken über Kayseri in den Osten des Landes, zur Bagdadbahn Richtung Adana und über Karabük an die Schwarzmeerküste gebaut. Die Hochgeschwindigkeitsstrecke Ankara–Istanbul wurde Januar 2009 in Betrieb genommen. Die Hochgeschwindigkeitsstrecke Ankara–Konya ist seit dem 30. August 2011 in Betrieb. Hochgeschwindigkeitsstrecken nach Sivas, Kars und Izmir sind geplant und sollen bis 2015 fertiggestellt werden. Das TCDD Açık Hava Buharlı Lokomotif Müzesi (Dampflok-Museum) beinhaltet verschiedene historische Zugmaschinen. Ankara ist Ausgangspunkt des Trans Asya Ekspresi nach Teheran im Iran.
Ankara hatte vor 1923 eine Bevölkerungszahl von ca. 25.000. Nachdem es den Status als Hauptstadt erhalten hatte, entwickelte es sich zu der Stadt mit der drittgrößten Bevölkerung nach Istanbul und Izmir und steht 2014 landesweit an zweiter Stelle. Es gehört zu den Städten mit dem stärksten Zuzug von Binnenmigranten. Die ganze Provinz zählt 5.045.085 Bewohner, Seit der letzten Verwaltungsreform 2014 umfasst die Großstadtgemeinde Ankara (Ankara Büyükşehir Belediyesi) das gesamte Gebiet der Provinz. Vor dieser Reform entfielen von den Einwohnern der Provinz 4.630.735 Bewohner auf die Großstadt Ankara. Auf Makroebene betrachtet sind in Ankara fast ein Drittel der Bewohner Zentralanatoliens (11.608.868) beheimatet. Im Zeitraum 1990–2000 wuchs die Stadtbevölkerung ausgehend von 2.583.963 um 21,48 %. Im Vergleich dazu betrugen die Wachstumsraten in Zentralanatolien in diesem Zeitraum 15,78 % und für die gesamte Türkei 18,28 %. Traditionell gab es früher in der Türkei kein modernes Einwohnermeldewesen. Personen waren beim lokalen nüfus dairesi (entspricht etwa sowohl dem Einwohnermeldeamt wie dem Standesamt in Deutschland) ihres Heimatorts erfasst, Aktualisieren aufgrund Wohnortswechsels wurden vermieden. In diesen Meldeverhältnissen spiegelte sich daher die örtliche Herkunft der Einwohner wider. So waren 2012 in Ankara 1.585.970 Bewohner beim Heimateinwohnermeldeamt Ankara gemeldet. Daneben gab es eine größere Gruppe von Einwohnern, die noch in den ursprünglichen Heimatprovinzen gemeldet waren. Die größte Einwanderung kam aus den Provinzen Çorum mit 378.451, gefolgt von Yozgat 332.198, Çankırı 236.406, 196.296 Kırşehir, 180.595 Kırıkkale und 151.386 Sivas, deshalb größtenteils aus Zentralanatolien. Von außerhalb Zentralanatoliens kamen 103.319 Zuzüglern aus Erzurum, gefolgt von 81.830 aus Kars und 82.305 aus Bolu. Die geringsten Zuzüge verzeichnete Ankara aus Kırklareli, Hakkari und Yalova.
Die Bewohner sind größtenteils muslimischen Glaubens. Die Stadt kam früh mit dem Christentum in Kontakt. Nach der nordgalatischen Hypothese hat der Apostel Paulus von Tarsus die Bewohner Ankaras im ersten Jahrhundert zum Übertritt zum Christentum aufgerufen (Brief des Paulus an die Galater). Mit den Byzantinern wandelte sich der römische Augustustempel zu einer bedeutenden Kirche der Stadt. 1520 betrug der Anteil der Nichtmuslime in der Stadt 10 % und erhöhte sich bis zum Jahr 1830 durch den Zuzug von zumeist Armeniern, vorwiegend Angehörigen der Armenisch-katholischen Kirche, auf 45 %. Im Zuge der ethnischen Spannungen im Vorfeld des Ersten Weltkrieges und der Deportation der Armenier während des Völkermords ist die christliche Gemeinde stark geschrumpft. Die Stadt besitzt einige modernere Kirchen (protestantisch, katholisch, orthodox). Auch eine 100 Mitglieder umfassende jüdische Gemeinde mit einer Synagoge, der Havra, existiert.
Ankara ist Geburtsort zahlreicher prominenter Persönlichkeiten. Siehe Liste von Söhnen und Töchtern der Stadt Ankara
Die verwinkelten, engen Gassen der Altstadt winden sich um einen steilen, von der Zitadelle gekrönten Felskegel. Südlich der Altstadt und des alten Stadtzentrums Ulus erstreckt sich die moderne Neustadt mit den neuen Zentren Kızılay und Kavaklıdere, deren Kennzeichen breite Boulevards, zahlreiche Regierungsgebäude und Botschaften sowie moderne Wohnviertel sind. Insbesondere im westlichen Teil der Stadt entstehen Neubausiedlungen, um dem wachsenden Bedarf an Wohnfläche zu entsprechen. Trotz dieser Anstrengungen gab es bis in die erste Dekade des 21. Jahrhunderts noch sehr viele Marginalsiedlungen (Gecekondu). Ein großer Teil dieser Gecekondus wurde seit der Jahrtausendwende flächendeckend abgerissen, neu beplant und durch weitläufige, moderne Hochhaussiedlungen ersetzt. Die heutigen Strukturen erhielt Ankara im Wesentlichen durch den deutschen Städtebauer Hermann Jansen, dessen Planungen Ende der 1920er Jahre umgesetzt wurden. Im Stadtteil Hamamönü in der Stadtgemeinde Altındağ wurden ab 2009 historische Häuser im Stil des 19. Jahrhunderts restauriert und beherbergen nun Cafés, Galerien und Souvenirläden. In den letzten 15 Jahren wurde die Braunkohle als Heizmittel weitgehend vom umweltfreundlicheren Erdgas ersetzt. Dennoch nimmt aufgrund des stetigen Bevölkerungswachstums die Luftverschmutzung in Ankara stark zu, die alten Busse, Autos und das Fehlen einer umweltfreundlicheren Alternative tragen wesentlich dazu bei.
In den ersten städtebaulichen Plänen der jungen Republik war Ankara als grüne Stadt inmitten der kargen anatolischen Steppe geplant. Der zweite Stadtplaner Jansen plante sie in groben Zügen als anatolische Gartenstadt, so wurden große Grüngürtel angelegt, welche die Stadt in funktionelle Einheiten teilten. Eine größere Grünfläche im Westen der Stadt bildet die Waldfarm Atatürks, ein landwirtschaftlicher und forstwirtschaftlicher Demonstrationsbetrieb des Gazi, der die Bevölkerung bis in die 80er mit Rohmilch, Milchprodukten und lokalem Bier versorgte. Für die Bewohner der Stadt wurden damals dreistöckige Häuser mit Hintergärten angelegt, die heute noch in der Siedlung Bahçelievler in einer kleinen Zahl übriggeblieben sind. Mit der einsetzenden Landflucht ab den 1950ern wurden die Grünflächen Baugrund für Plattenbauten. Ein bekannter zentraler Park ist der Gençlik Parkı, der in der Bauzeit 1938–1943 im Stadtteil Ulus fertiggestellt wurde. Er wurde als Erholungspark eröffnet und änderte seinen Charakter ab den 1950er Jahren stärker in Richtung Unterhaltungspark. Nach einer Grundsanierung 2006 ist er mit abendlichen Lichteffekten und Musikshows ein Ort für flanierende Familien. Zu den größten Parks der Stadt gehört der Altınpark (mit 50,8 ha) im Stadtteil Altındağ. Er wurde auf einem ehemaligen Golfplatz errichtet und 1991 fertiggestellt und bietet neben Erholung auch Möglichkeiten zur sportlichen Betätigung (wie Kartsport, Eisbahn). Hinzu kommen mehrere kleinere Parks, darunter der Kurtuluş Parkı, der Kuğulu Parkı, der Gökçek Parkı und der 50. Yıl Parkı. Der Wald der Technischen Universität im Süden der Stadt war eine größere halbwegs bewaldete Grünfläche, die jedoch zunehmend bebaut wird, was zu anhaltenden Protesten der Studenten führt.
Zu den landesweit bedeutendsten Friedhöfen gehört der Türkische Staatsfriedhof im Stadtteil Yenimahalle. Dieser beherbergt in seiner 536.000 m² großen Fläche 61 Gräber ranghoher Offiziere und Generäle des türkischen Befreiungskriegs, Gräber von drei Staatspräsidenten und einem Ministerpräsidenten. Für das relativ moderne Projekt (Bauzeit war 1981–1988) wurden die meisten Bestatteten dorthin umgebettet. Der ganze Friedhof ist mit Skulpturen durchzogen und beinhaltet ein Museum mit Habseligkeiten der Verstorbenen. Ein anderer Friedhof mit namhaften Bestatten ist der Städtische Friedhof Cebeci im Stadtteil Cebeci. Er wurde in der Republikzeit als moderner Friedhof durch den Architekten Martin Elsaesser geplant und ist im Sinne des Laizismus konfessionell gemischt. Durch Erweiterungen in der jüngeren Zeit hat er seine alte Struktur verloren. Er gilt mittlerweile als zweitgrößter Friedhof der Stadt. Der größte zivile Friedhof ist der Karşıyaka-Friedhof mit einer Fläche von 2,89 km².
Im Stadtteil Ulus, dem historischen Kern der Stadt, liegen die Caracalla-Thermen, eine römische Badeanlage aus dem 3./4. Jahrhundert. Von den Badegebäuden sind Grundmauern und die Ziegel der Hypokaust-Heizungsanlage erhalten. Auf dem Platz für sportliche Übungen, der Palästra, sind zahlreiche Stelen, Kapitelle und Inschriften aufgestellt, die auf dem Stadtgebiet gefunden wurden. Etwa 400 Meter östlich davon befindet sich die Ruine des Tempels der Roma und des Augustus, an dessen Wänden der zweisprachige griechisch/lateinische Rechenschaftsbericht des Kaisers Augustus angebracht ist. Nahe dabei steht die ebenfalls römische Juliansäule, deren genaue Herstellungszeit nicht bekannt ist.
Auf dem zentralen Hügel Anıttepe befindet sich die Ruhestätte des Staatsgründers Mustafa Kemal Atatürk. Nach seinem Tod 1938 wurde ein internationaler Architekturwettbewerb ausgerufen mit der Aufgabe ihm ein passendes Grabmal zu setzen. Der Entwurf fiel auf ein geradlinig rationales, schnörkelloses und monumental gehaltenes Mausoleum mit zentraler Lage und Blick auf die Stadt. Die Anlage ist dreiteilig: Über einen schmalen Gang (Löwenweg) gelangt man auf den zeremoniellen Platz, der 15.000 Menschen aufnehmen kann. Das Mausoleum umfasst Habseligkeiten des Feldherren und Staatsmannes und ein Museum über den Unabhängigkeitskrieg. Es ist ein landesweit bekanntes Nationaldenkmal, das jedes Jahr mehrere Millionen Besucher verzeichnet (2015: ca. 5 Millionen). Für ausländische Staatsgäste ist es ein protokollarischer Pflichtbesuch.
Ankara umfasst drei Parlamentsgebäude. Das erste historische Parlament am Ulus-Platz war ein jungtürkisches Clubhaus, das von der neu formierten Nationalbewegung 1920 als Parlament benutzt wurde. Hier wurde während des Unabhängigkeitskrieges der Krieg gegen die vorrückenden Griechen und die Haltung zur besetzten Istanbuler Regierung debattiert. Heute ist es ein Museum (Kurtuluş Savaşı Müzesi). Das zweite historische Parlamentsgebäude wurde aufgrund der engen Platzverhältnisse vom Architekten Vedat Tek entworfen und ist in direkter Nachbarschaft zum ersten Parlament. Es wurde von 1924 bis 1961 genutzt und ist heute ebenfalls ein Museum (Cumhuriyet Müzesi). Das dritte und im Dienst stehende Parlament wurde 1938 von dem Sieger des Architekturwettbewerbs Clemens Holzmeister entworfen und 1961 fertiggestellt.
Die Zitadelle von Ankara ist eine von den Hethitern errichtete, von den Galatern ausgebaute und schließlich bis zu den Osmanen weitergenutzte Befestigungsanlage inmitten der Altstadt Ankaras. Sie wird unterteilt in die äußere (Dışkale), innere Burganlage (İçkale) und die Burg an sich (Akkale).
Wahrzeichen und Blickfang der Stadt ist die Kocatepe-Moschee. Sie ist die größte der Stadt. Im Inneren der Moschee befinden sich Teehäuser, ein großer Supermarkt und ein Konferenzraum. Das Gotteshaus wurde erst 1987 fertiggestellt und ist ein Rückgriff auf die klassische osmanische Architektur Mimar Sinans. Die ebenfalls bekannte Maltepe-Moschee orientiert sich wie viele andere Moscheen an dem gleichen Stil. Eine tatsächlich von Mimar Sinan in Ankara erbaute historische Moschee aus dem 16. Jh. ist die Neue Moschee im Stadtteil Ulus. Als architektonische Neuheit gilt die 2008 fertiggestellte Doğramacızade-Ali-Sami-Paşa-Moschee, die der Gründervater vieler Institute İhsan Doğramacı zu Ehren seines Vaters erbauen ließ. Der als postmodern bezeichnete Architekturstil ist schlicht gehalten und die Moschee erlaubt konzeptionell bei speziellen Anlässen auch Nicht-Muslimen die Nutzung der Räume. Zu den ältesten Moscheen (13. Jh.) der Stadt gehört die Aslanhane-Moschee. Der Name „Aslanhane“ bedeutet „Löwenhalle“ und ist den Löwenreliefs an der Außenfassade geschuldet. Der Gebetsraum wird im typischen seldschukischen Stil von hölzernen Säulen gestützt. Die Hacı-Bayram-Moschee wurde nach dem Dichter und Gründer des Bairami-Sufiordens, Hacı Bayram-i Veli benannt, dessen Grabmal sich direkt im Hintergarten befindet. Sie wurde 1428 fertiggestellt und besitzt ein Minarett. Unmittelbar angrenzend an die Moschee steht die Ruine des Augustustempels. Die Moschee steht inmitten eines Viertels mit restaurierten bzw. im osmanischen Stil neu- oder wiedererrichteten Gebäuden. Der Weg zur Moschee ist gesäumt von Läden für religiöse Literatur und Devotionalien.
Eines der international bedeutendsten archäologischen Museen der Türkei ist das Museum für anatolische Zivilisationen, das als Schwerpunkt Exponate der Epochen bis zum Beginn des ersten vorchristlichen Jahrhunderts und dabei besonders der Hethiter ausstellt. Mit der jüngeren Geschichte der Republik beschäftigen sich die beiden ehemaligen Parlamente, die in Museen umgewandelt wurden. Auch das Museum im Anıtkabir behandelt das Thema und zeigt neben Habseligkeiten des Staatsgründers auch Schlachten audiovisuell auf Panoramaleinwänden. Es beherbergt zudem Nationalgemälde und Porträts des Staatsgründers und der beteiligten Generalität. Auf dem Namazgah Hügel liegen zwei im ersten nationalen Stil erbaute Museen. Das Ethnografische Museum Ankara ist ein 1930 erbautes Volkskundemuseum und stellt schwerpunktmäßig Exponate ab der seldschukischen Zeit aus: Koch-, Wohn- und Arbeitsumgebung und diverse Kunstformen der Nomaden und sesshaften Bewohner Anatoliens. Daneben liegt das Staatliche Kunst- und Skulpturenmuseum, welches als Zentrale der Türk Ocağı und Halkevleri genutzt wurde und heute als Kunstmuseum dient. Das 2006 eröffnete Çengelhan Rahmi M. Koç Museum befindet sich in der ehemaligen Çengelhan-Karawanserei und ist namentlich dem Sohn des türkischen Wirtschaftspionier Vehbi Koç gewidmet. Das Industriemuseum beinhaltet Maschinen und Gerätschaften aus dem Zeitalter der beginnenden Industrialisierung (Kommunikation, Navigation, Landwirtschaft). Daneben gibt es zwei Wissenschaftsmuseen in der Stadt, das Feza Gürsey Science Center in Altinpark und das Technologie- und Wissenschaftsmuseum der ODT-Universität (ODTÜ Bilim ve Teknoloji Müzesi).
Die Opera Sahnesi (Deutsch: Opernbühne) ist das größte der insgesamt drei Opernhäuser in Ankara. Es gehört zu den Türkischen Staatstheatern (Devlet Tiyatroları). * Ankara Opera Sahnesi („Opernbühne“, auch bekannt als Büyük Tiyatro) * Leyla Gencer Sahnesi Folgende Bühnen in Ankara gehören zu den Türkischen Staatstheatern: 125. Yıl Çayyolu Sahnesi, Büyük Tiyatro („Große Bühne“), Küçük Tiyatro („Kleine Bühne“), Şinasi Sahnesi, Akün Sahnesi, Altındağ Tiyatrosu, İrfan Şahinbaş Atölye Sahnesi, Oda Tiyatrosu (Oda Tiyatrosu), Mahir Canova Sahnesi, Muhsin Ertuğrul Sahnesi. Des Weiteren befinden sich in Ankara fünf klassische Orchester: * Präsidentielles Symphonieorchester, türkisch: Cumhurbaşkanlığı Senfoni Orkestrası (Abk. CSO), international auch Presidential Symphony Orchestra * Bilkent-Sinfonieorchester * Hacettepe Senfoni Orkestrası * Orkestra Akademik Başkent * Kammerorchester der Hauptstadt (Başkent Oda Orkestrası)
Äquivalent zu den in Westanatolien lokalisierten Zeybeks gibt es auch in Inneranatolien und besonders in Ankara die sogenannten Seymen. Diese waren zu seldschukischen Zeiten bewaffnete Sicherheitskräfte. Heute sind sie in Vereinen organisiert und führen bei besonderen Anlässen in traditioneller Tracht, mit Turban und Krummsäbel in kleinen Gruppen ihre charakteristischen Tänze vor. Anlässe sind nationale Feiertage. Ein wichtiger lokaler Feiertag – und besonders für die Seymen – ist die Ankunft Mustafa Kemals in Ankara am 27. Dezember 1919. An diesem Tag wurde Mustafa Kemal als Organisator des anatolischen Widerstands von einer großen Gruppen tanzender Seymen mit Zurna und Davul in Empfang genommen, welches bei diesem Fest folkloristisch nachgebildet wird.
Zur Saison 2012/2013 spielt ein Fußballverein in der Süper Lig, der höchsten türkischen Spielklasse: Gençlerbirliği SK. Der Verein spielt im Leichtathletikstadion Ankara 19 Mayıs, das 21.250 Zuschauern Platz bietet. Hinter den İstanbuler Vereinen sind Vereine aus Ankara (MKE Ankaragücü, Ankara Şekerspor), jedoch eher zweitrangig und somit international weitgehend unbekannt. Weitere Sportmöglichkeiten sind zum Beispiel Skifahren auf dem Elmadağ, dem Hausberg von Ankara, oder Schlittschuhlaufen im Eisstadion. Des Weiteren gibt es noch mit Türk Telekomspor einen Basketballerstligisten.
Aşgabat (Turkmenistan) * Astana (Kasachstan) * Peking (Volksrepublik China) * Bischkek (Kirgisistan) * Bukarest (Rumänien) * Islamabad (Pakistan) * Kuala Lumpur (Malaysia) * Santiago de Chile (Chile) * Sarajevo (Bosnien und Herzegowina) * Skopje (Nordmazedonien) * Mogadischu (Somalia) * Lefkoşa (Nordzypern) * Duschanbe (Tadschikistan) * Washington, D.C. (Vereinigte Staaten)
Atatürk TBMM'den çıkarken.jpg|Große Nationalversammlung der Türkei (1930) Turkey. Ankara. Palace of Atatürk 1935.jpg|Çankaya-Palast (1935) Ankara Arena 6.JPG|Ankara Arena Kızılay Square in Ankara, Turkey.JPG|Kızılay-Platz Dikmen Vadisi, Ankara 3.jpg|Dikmen Tal Park Yunus Emre Institut Ulus Ankara.JPG|Yunus-Emre-Institut
Ankara ist die Heimat der Türkisch Angora, einer Katzenrasse, die als älteste Langhaar-Rasse der Welt gilt. Die Angoraziege ist eine Rasse der Hausziege und zählt zu den Wollziegenrassen. Die reinweiße Ziege hat langes, seidiges und lockig herabhängendes Haar.
* Konstantin Mostras: Dictionaire géographique de l’Empire Ottoman. St.-Petersburg 1873, S. 32 () * Andreas Birken: Die Provinzen des Osmanischen Reiches. Reichert, Wiesbaden 1976, ISBN 3-920153-56-1. * ANḲARA. In: Encyclopaedia of Islam. 2. Auflage. Leiden 1986, ISBN 90-04-08114-3. * Clifford Edmund Bosworth: Historic Cities of the Islamic World. Brill, Leiden 2007, ISBN 978-90-04-15388-2. * Hakan Dağıstanlı: Architekturführer Ankara. DOM publishers, Berlin 2016, ISBN 978-3-86922-448-0. * Musa Kadıoğlu, Kutalmış Görkay, Stephen Mitchell: Roman Ancyra. Yapı Kredi Yayınları, Istanbul 2011, ISBN 978-975-08-2037-3. * Urs Peschlow: Ankara. Die bauarchäologischen Hinterlassenschaften aus römischer und byzantinischer Zeit. Mit einem Beitrag von Wolfram Brandes. Phoibos Verlag, Wien 2015, ISBN 978-3-85161-132-8.
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Atheismus
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Adjektiv in einer Handschrift des Briefes des Apostels Paulus an die Epheser (Papyrus 46 ) Atheismus (von ) bezeichnet die Abwesenheit oder Ablehnung des Glaubens an einen Gott oder Götter. Im Gegensatz dazu bezeichnen Deismus und Theismus ( „Gott“) den Glauben an Götter, wobei Monotheismus für den Glauben an einen Gott und Polytheismus für den Glauben an mehrere Götter steht. Zum Atheismus im weiteren Sinne zählen einige auch den Agnostizismus (agnostischer Atheismus), nach dem eine Existenz von Gott oder Göttern ungeklärt oder nicht klärbar ist. Im engeren Sinne bezeichnet der Atheismus die Überzeugung, dass es Gottheiten nicht gibt.
Die begriffliche Spannbreite von Atheismus umfasst einerseits die „weiten“ Begriffsbedeutungen, die ein Dasein ohne Glauben an Gott, entsprechende Lebensweisen und diesbezügliche Begründungen einschließen (auch als „Nichttheismus“ begriffen), und andererseits „enge“ oder „starke“ Bedeutungen, die in Hinsicht auf Götterbehauptungen verneinend, gegebenenfalls kämpferisch oder mit Gegenbeweisen vertreten werden (auch bezeichnet als „Antitheismus“). Im antiken Griechenland wurde der Atheismus-Begriff mit dem Alpha privativum gebildet (A-theismus), er hat verschiedene altgriechische Varianten (Substantiv: im Sinne von „Gottlosigkeit, Gottesleugnung, Unglaube“) und er war in Asebie-Prozessen (Apologie des Sokrates) ein hinreichender Anklagepunkt. Die latinisierte Form „Atheismus“ findet sich erstmals bei Cicero, seit Ende des 16. Jahrhunderts erscheint sie im deutschen Schrifttum (frühneuhochdeutsch Atheisterey) und sie gilt seit Beginn des 18. Jahrhunderts als eingedeutscht. In der Zeit der Aufklärung waren es zunächst Freidenker, Deisten, Pantheisten und Spinozisten, die von Philosophen und etablierten Kirchen als Atheisten bezeichnet und bezichtigt wurden. Ein Teil der Enzyklopädisten war dem Atheismus besonders verbunden. Als Kampfbegriff diente und dient (zumeist in den Südstaaten der USA) Atheist auch zur moralischen Diffamierung derjenigen, welche zwar den Theismus akzeptierten, aber in Einzelaspekten von der herrschenden Gotteslehre abwichen. Jedoch wird in der Regel als Atheist bezeichnet, wer es ausdrücklich verneint, an Gott oder Götter zu glauben. Agnostiker, die an keinen Gott glauben, werden vielfach zu den Atheisten im weiteren Sinne gezählt, obgleich nicht alle damit einverstanden sind. Agnostische Ansichten, nach welchen auch die Nichtexistenz Gottes nicht erkannt werden kann, sind hierbei nicht benannt. Der Agnostizismus vereint unterschiedliche Ansichten; daher ist die Zuordnung des Agnostizismus zum Atheismus umstritten (und umgekehrt). Umstritten ist auch die Zuordnung des Positivismus zum Atheismus. Der Philosoph Alfred Jules Ayer, Vertreter des logical positivism (Logischer Empirismus), betont, dass seine Position zu Sätzen wie „Gott existiert“ weder mit Atheismus noch mit Agnostizismus verwechselt werden sollte. Er halte solche Sätze für metaphysische Äußerungen, die weder wahr noch falsch seien. Charakteristisch für einen Atheisten sei hingegen die Ansicht, „dass es zumindest wahrscheinlich ist, dass es keinen Gott gibt“. Ob auch Positionen als „Atheismus“ bezeichnet werden sollen, die keine Gottheit annehmen, jedoch nicht auf Religionslosigkeit reduzierbar sind, wie etwa im Jainismus oder Konfuzianismus, ist in der Literatur umstritten. Teils wird vorgeschlagen, die explizite Ablehnung theistischer Positionen als „theoretischen“, und die Lebenspraxis (die sich vollzieht, „als ob“ ein Numinoses nicht existierte) als „praktischen Atheismus“ zu bezeichnen. Seit dem 19. Jahrhundert wird der Begriff „Atheismus“ in einem naturalistischen Sinne teilweise so eng geführt, dass er gegen alle supernaturalistischen Auffassungen gerichtet wird, die mit einem Glauben an übernatürliche Wesen, Kräfte oder Mächte göttlicher wie nichtgöttlicher Art verbunden sind (Animismus, Spiritismus, mono- und polytheistische Religionen). Dies wird zu Beginn des 21. Jahrhunderts oft als „Natural Atheism“ bzw. „Neuer Atheismus“ bezeichnet, wenn die Argumentation wissenschaftlich ausgewiesen ist (siehe Abschnitt Neuer Atheismus).
Umfragen zum Thema Atheismus werfen methodische Probleme auf, da es schwierig ist, eine einheitliche Abgrenzung zwischen Säkularisten, Humanisten, Nichttheisten, Agnostikern und spirituellen Personen vorzunehmen. Immer mehr verschwimmt die Grenze zwischen Gläubigen und Nichtgläubigen. : Atheism: Contemporary Rates and Patterns. In Michael Martin (Hrsg.): The Cambridge Companion to Atheism. Cambridge University Press, Cambridge 2007.). Bei China, Kuba und Nordkorea müssen die Zahlen angesichts der vergleichsweise schlechten Datenlage mit besonderer Skepsis betrachtet werden. von 2005 zur Aussage: „Es gibt keine Art von Gott oder spiritueller Kraft.“) Das The World Factbook der CIA schätzte im Jahre 2010: Atheisten 2,32 %, Nichtreligiöse 11,77 %, Christen 33,32 % (darunter 16,99 % römisch-katholisch), Muslime 21,01 %. In seiner „Bilanz des Unglaubens“ meint Georges Minois, es kursierten Unmengen an Zahlen, „die allesamt falsch sind“. Allenfalls könne man aus ihnen ersehen, dass mehr als ein Fünftel der Menschheit nicht mehr an einen Gott glaube. Minois präsentiert selbst Schätzungen für das Jahr 1993 – weltweit 1,2 Milliarden Agnostiker und Atheisten – sowie für das Jahr 2000 – etwa 1,1 Milliarden Agnostiker und 262 Millionen Atheisten, und zum Vergleich etwa 1,2 Milliarden Gläubige für den Islam und 1,1 Milliarden für die katholische Kirche. Laut dem Eurobarometer 2010 glaubten 20 % der Bürger der damals 27 EU-Staaten weder an Gott noch an eine spirituelle Kraft. Eine Mehrheit von 51 % glaubte an Gott und 26 % an „eine Art von spiritueller Kraft“; 3 % äußerten sich nicht. Zwischen den einzelnen Ländern gab es große Unterschiede; so war der Anteil der Gottesgläubigen in Malta mit 94 % und Rumänien mit 92 % am höchsten und mit 16 % in Tschechien und 18 % in Estland am geringsten. In Deutschland, Österreich und der Schweiz wurden je 44 % ermittelt. Die Anzahl der Einwohner, die angaben, weder an Gott, noch an eine spirituelle Kraft zu glauben, war im Jahr 2010 mit 40 % in Frankreich und 37 % in Tschechien am höchsten und betrug in Deutschland 27 %, in Österreich 12 % sowie 11 % in der Schweiz. Laut dem Eurobarometer 2005 glaubten mehr Frauen (58 %) an Gott als Männer (45 %); der Glaube an Gott korrelierte positiv mit dem Alter, politisch konservativer Einstellung und geringer Schulbildung. In den USA liegt die Zahl der Personen, die an Gott oder eine höhere Macht glauben, bei 91 %. Das Worldwide Independent Network und die Gallup International Association befragten im Zeitraum zwischen 2011 und 2012 fast 52.000 Personen aus 57 Ländern zu ihren religiösen Einstellungen. 13 % der befragten Personen bezeichneten sich als „überzeugte Atheisten“, 23 % nannten sich „nicht-religiös“ und 57 % gaben an, eine religiöse Person zu sein. Laut der Studie sind 15 % der Bevölkerung in Deutschland überzeugte Atheisten. China (47 %) und Japan (31 %) sind die Länder mit dem höchsten Anteil an überzeugten Atheisten. Zwischen 2005 und 2012 hat sich der Anteil religiöser Personen weltweit um 12 % (9 Prozentpunkte) verringert, während der Anteil von Atheisten um 75 % (3 Prozentpunkte) gestiegen ist. In manchen Ländern ist dieser Trend besonders ausgeprägt: In Vietnam, Irland und der Schweiz ging der Anteil der Personen, die sich selbst als religiös bezeichnen, zwischen 2005 und 2012 um 43, 32 und 30 % bzw. um 23, 22 und 21 Prozentpunkte zurück. Der Anteil an Atheisten ist nach Erhebungen in den USA bei Wissenschaftlern besonders hoch: Nur sieben Prozent der Mitglieder der amerikanischen Akademie der Wissenschaften glauben an die Existenz eines personalen Gottes. Eine Umfrage unter Mitgliedern der American Association for the Advancement of Science von 2009 ergab, dass 51 % der amerikanischen Wissenschaftler an Gott oder eine höhere Macht glauben, wesentlich weniger als in der Allgemeinbevölkerung. Der Anteil der atheistischen Wissenschaftler hat sich im Laufe des 20. Jahrhunderts nicht wesentlich verändert. So ergab eine Umfrage des Psychologen James H. Leuba im Jahr 1914, dass 42 % der amerikanischen Wissenschaftler an einen persönlichen Gott glaubten und ebenso viele nicht. Im Jahre 1996 wiederholte der Geschichtswissenschaftler Edward J. Larson die Umfrage von Leuba mit den gleichen Fragen und der gleichen Anzahl Personen und kam auf 40 % gläubige und 45 % atheistische Wissenschaftler. Eine im November 2013 veröffentlichte Metaanalyse von 63 Einzelstudien kam zu dem Ergebnis, dass Atheismus oder ein Nicht-Glauben an Gott signifikant (Korrelationskoeffizient: − 0,24) mit Intelligenz zusammenhängt (Intelligenz wurde in den meisten Studien erfasst durch den g-Faktor). Mehrere Forschungen ergaben einen positiven Zusammenhang zwischen Religiosität und Geburtenziffer. So hatten im Jahr 2002 in Deutschland Menschen, die sich selbst als nicht religiös bezeichneten, mit durchschnittlich 1,4 Kindern deutlich weniger Kinder als Menschen, die sich als religiös bezeichneten (durchschnittlich 1,9 Kinder). Das Institut der deutschen Wirtschaft kam bei einer Auswertung der weltweit erhobenen Daten des World Values Survey zu ähnlichen Ergebnissen.
Im Lauf der Geschichte kamen Atheisten vielfach mit politischen Autoritäten in Konflikt. Die Äußerung atheistischer Ansichten wurde noch im Jahre 2013 in zahlreichen Ländern mit Freiheitsentzug bestraft, in 13 Ländern sogar mit dem Tod. In der Neuzeit wurden gesellschaftliche Bereiche einschließlich der Politik, des Rechts und der Religionsausübung zunehmend autonom. Die Trennung von Kirche und Staat wurde mit Hilfe aufklärender Bewegungen verfassungsrechtlich verankert und dann durch staatskirchenrechtliche Bestimmungen ausgeformt. Diese Trennung wird als atheistisch bezeichnet (insbesondere im Laizismus). In Abgrenzung zu religiös-politischen oder auch staatsatheistischen Machthabern garantiert das rechtsstaatliche Prinzip eine weltanschauliche Neutralität in einer prozessual grundlegenden Weise. Rechtsstaatliche Verfassungsorgane sind in ihren Entscheidungen nicht nur von religiösen, sondern auch von sonstigen externen Einflüssen entsprechend entbunden und stattdessen vorrangig einer Verfassung verpflichtet, die in modernen Staaten auf Freiheitsklauseln basiert. Die entsprechend neutrale Rechtsbildung führte auch gegen politische Widerstände zu einer zunehmend rechtswirksamen Tolerierung atheistischer Positionen und Lebensgestaltungen in der modernen Welt. Heute enthalten die Verfassungen vieler demokratischer Staaten das Menschenrecht auf Religionsfreiheit und darin eingeschlossen das Recht, Atheist zu sein oder zu werden. Nicht in allen diesen Staaten gibt es eine strenge Trennung von Staat und Religion, zumal Religionen aus Kultur- und Selbstbestimmungsgründen unterschiedlich stark geschützt werden (beispielsweise durch ein Recht auf Religionsunterricht). Hinzu kommt der Gottesbezug in Verfassungen. So beginnt die Präambel des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland mit den Worten: „Im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen …“. Die Präambel der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft beginnt mit den Worten: „Im Namen Gottes des Allmächtigen!“ Im Jahre 1998 scheiterte bei einer Totalrevision der Verfassung ein Vorstoß, diese Präambel zu streichen. Einige heutige Strafgesetzbücher enthalten Regelungen, die die Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen als einen Straftatbestand ansehen. Atheistische Religions- oder Kirchenkritiker wurden infolgedessen in der Vergangenheit nach öffentlichen Äußerungen wiederholt strafrechtlich verfolgt. Die von staatlicher Seite als Fortschrittsdoktrin gelehrte, marxistisch grundierte atheistische Weltanschauung wird von Kritikern wie Herbert Schnädelbach als „konfessioneller Atheismus“ und „Staatsreligion“ oder „Staatsatheismus“ bezeichnet. In der Volksrepublik Albanien wurde 1967 (bis 1990) ein totales Religionsverbot ausgerufen, und das Land bezeichnete sich als „erster atheistischer Staat der Welt“. Im gesamten so genannten Ostblock wurde der Atheismus gefördert, während gelebte Religiosität zumindest argwöhnisch betrachtet wurde, oft auch mit Nachteilen verbunden war oder gar gezielt verfolgt wurde, wie etwa bei den Christenverfolgungen unter Stalin. NGOs zufolge werden auch heute noch religiöse Gruppen und Einzelpersonen in manchen sich selbst als „atheistisch“ verstehenden Staaten wie Nordkorea verfolgt und oftmals inhaftiert, gefoltert und getötet. Der Atheismus wird aktiv gefördert, beispielsweise im Humanismus, im Existentialismus und durch die Freidenkerbewegung. Zu großen Anteilen sind der Sozialismus, Kommunismus und Anarchismus atheistisch geprägte Weltanschauungen. In den beiden letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts, so Georges Minois in seiner Geschichte des Atheismus, habe der Eifer des antireligiösen Kampfes nachgelassen:
, der Astrophysiker Lawrence Krauss und die Wissenschaftsphilosophin Julia Galef im Jahr 2015 Eine Orientierung an naturwissenschaftlichen Erklärungsmodellen lässt für einige Wissenschaftler früh die „Gotteshypothese“ als methodisch unzulässig erscheinen, da sie keine wissenschaftlich beobachtbaren Konsequenzen habe, mithin auch keine wissenschaftlich beschreibbaren Phänomene erkläre. Eine derartige Ausklammerung Gottes aus wissenschaftlicher Forschung wird als methodischer oder methodologischer Atheismus bezeichnet. Er impliziert allerdings keinen theoretischen Atheismus, behauptet also nicht, dass Gott nicht existiert. Daher wird manchmal präziser von „methodischem Noninterventionismus“ gesprochen. Die Frage, ob wissenschaftliches Denken und die Annahme eines Gottes überhaupt dergestalt in Beziehung treten können, dass eine gegenseitige Bestätigung oder Widerlegung denkbar ist, wird unter Wissenschaftstheoretikern kontrovers beurteilt. Auch in populärwissenschaftlichen Schriften finden sich gegenteilige Annahmen. Einige, z. B. Stephen Jay Gould und John Polkinghorne, vertreten den Standpunkt, dass die Wissenschaft mit der Religion nicht in Konflikt stehe, da sich Erstere mit Empirie, Letztere hingegen mit Fragen letzter Begründung und mit moralischen Werten befasse. Andere, z. B. Richard Dawkins, Steven Weinberg und Norman Levitt, argumentieren, dass Theismus mit einer wissenschaftlichen Weltsicht grundsätzlich unvereinbar sei, da Wunder wie die Auferstehung Jesu Christi die Naturgesetze außer Kraft setzen müssten; die Wissenschaft führe demnach zwangsläufig zu Atheismus, Deismus oder Pantheismus. Bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts gab es noch mehrere wirkungsmächtige, intellektuell sogar hegemoniale „wissenschaftliche Weltanschauungen“, darunter den Marxismus in mehreren politischen Ausformungen, die Psychoanalyse oder den Neopositivismus, die erklärtermaßen atheistisch waren und den Religionen eine schädliche Wirkung zuschrieben.
Mit anderen vertrat Immanuel Kant die Auffassung, dass moralische Prinzipien auch ohne Rückgriff auf höhere Wesen in der menschlichen Vernunft oder in der Natur zu gründen seien. Recht und Moral gäben die Möglichkeit, Maximen von Freiheit und Handlungen unter allgemeinen (Vernunft-)Gesetzen bestehen zu lassen. Zumindest sollte hier ableitbar sein, dass die Beurteilungskriterien rational verhandelbar seien. Vor allem in kirchlichen Kreisen wird die Meinung vertreten, dass mit dem fehlenden Glauben an Gott die Verneinung moralischer Werte im Sinne eines Nihilismus einhergehe. So bezeichnet der evangelikale Religionswissenschaftler und Publizist Ravi Zacharias den Atheismus als „jeden Wertes beraubt“ und bestreitet, dass es fundierte moralische Prinzipien ohne Rückgriff auf höhere Wesen geben könne. Der katholische Staatsrechtler und vormalige Verfassungsrichter Ernst-Wolfgang Böckenförde wird mit der Formel zitiert: „Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann.“ Dieses sogenannte Böckenförde-Diktum wird teilweise so gedeutet, dass Demokratien auf religiöse Bindungen als Garanten gemeinsamer Grundwerte angewiesen seien. Gegen diese Deutung wendet sich Gerhard Czermak. Er meint, Böckenförde werde „gründlich missverstanden, wenn nicht instrumentalisiert“, sofern aus seinem Diktum abgeleitet werde,
Auch empirisch ist das Verhältnis von Religion und Moral nicht geklärt. Einige Untersuchungen legen nahe, dass persönliche Moral nicht von persönlicher Religiosität abhängig ist. So fanden z. B. Franzblau bei Atheisten größere Ehrlichkeit, und Ross bei Atheisten größere Hilfsbereitschaft gegenüber Armen. Gero von Randow entnimmt sozialpsychologischen Studien „eine auffallend geringe Kriminalität unter Nichtgläubigen. Das sollte umgekehrt auch nicht zu ihren Gunsten ins Feld geführt werden, denn sie sind tendenziell sozial besser gestellt und gebildeter als die Gläubigen, jedenfalls im Westen; wir haben es hier also nicht mit einem Religions-, sondern mit einem Klasseneffekt zu tun.“ Eine Trennung von Moral und Theismus stellt die Auffassung dar, die unter anderem John Leslie Mackie in seinem Buch Ethik und Richard Dawkins in seinem Buch Der Gotteswahn ausführen, nämlich dass Moral an den Prozess der biologischen Evolution gekoppelt und Ergebnis eines gesellschaftlich beeinflussten Entwicklungsprozesses sei. Hieraus könne folgen, dass die menschliche Moral auch dann Bestand habe, wenn Religionen in Verfall gerieten.
Laut einer empirischen Studie ist Atheismus (ebenso wie sich nicht einer Religionsgruppe zugehörig zu fühlen) mit der Vorstellung verbunden, dass das Leben dann sinnvoll ist, wenn man ihm selbst Sinn gibt. Dagegen unterscheiden sich Atheisten und Theisten nicht hinsichtlich ihrer Neigung zu Fatalismus oder Nihilismus.
Aus atheistischer Perspektive erscheint das Handeln aufgrund angeblich göttlicher Gebote fragwürdig, weil die Bewertung eines Verhaltens oder einer Handlung nicht von den Folgen für die Betroffenen abhängt, also auf die zwischenmenschliche Ebene zielt, sondern als ethisch wünschenswert hauptsächlich vermittels der extrinsischen Festsetzung eines transzendenten Wesens gilt. Ein Mord zum Beispiel wäre nach streng theistischer Auffassung nicht bereits wegen der Folgen für das Opfer eine schlechte, zu verurteilende Handlung, sondern auf der Grundlage göttlicher Gebote. „Es erscheint als höchst problematisch, etwas so Notwendiges wie die Moral auf die Basis von so Dubiosem – wie es der religiöse Glaube ist – stellen zu wollen. Wie sollte auf diese Weise eine wirkliche Orientierung und Lebenskunde möglich sein?“, schreibt Gerhard Streminger. Bereits Platon hatte in seinem frühen Dialog „Euthyphron“ mit dem sogenannten Euthyphron-Dilemma darauf hingewiesen, dass es generell unmöglich sei, das moralisch Gute im Rückgriff auf ein göttliches Prinzip zu begründen. Auch nach Kant kann die Verpflichtung eines Menschen zur Moralität prinzipiell nicht dadurch begründet werden, dass man auf die „Idee eines andern Wesens über ihm“, also auf einen Gott verweist. Dem Argument, ohne ein von einer göttlichen Instanz gegebenes, für jeden Menschen gleichermaßen verbindliches Gesetz sei es schwieriger, eine gemeinsame ethische Grundlage für eine Gesellschaft zu finden, halten manche Atheisten entgegen: Keine Religion könne überzeugend begründen, warum ihr Gesetz von einer göttlichen Instanz gegeben worden sein sollte und deshalb Allgemeinverbindlichkeit beanspruchen können sollte. Nicht einmal die Existenz irgendeiner göttlichen Instanz könne überzeugend begründet werden. So dürfe man davon ausgehen, dass die Gesetze der Religionen ebenso von Menschen gemacht seien wie alle anderen Gesetze und Verhaltensregeln: teilweise auf der Basis von Vernunft und Einsicht, teilweise auf der Basis der Interessen derjenigen, die über genug Macht verfügten, um ihre Vorstellungen durchzusetzen. Während einerseits Gesetze einer göttlichen Instanz als Hilfsmittel zur Stabilisierung des sozialen Miteinanders angesehen werden, vertreten manche Atheisten die Auffassung, dass der Anspruch der Religionen auf Allgemeinverbindlichkeit ihrer Gesetze es oftmals erschwert habe, eine gemeinsame ethische Grundlage für eine Gesellschaft zu finden. Nicht selten habe der Versuch, diese Allgemeinverbindlichkeit durchzusetzen, zu Verfolgungen, Vertreibungen oder gar Glaubenskriegen geführt. Umgekehrt wird auf Christenverfolgungen gemäß atheistischer Staatsdoktrin verwiesen. Atheisten halten eine religiöse Überzeugung für die Erarbeitung einer gemeinsamen (moralisch-)ethischen Grundlage vielfach eher für hinderlich: Viele Gläubige fühlten sich an göttliche Gesetze gebunden und seien vermutlich deshalb weniger bereit, ihre Vorstellungen in Zusammenarbeit mit anderen Menschen weiterzuentwickeln. „Prallen Anhänger religiös fundierter Ethiken aneinander, so sind Konflikte in vernünftiger Weise kaum zu lösen, da alle sich von Gott geleitet fühlen; alle glauben, dass die eigenen Gebote objektiv gegeben, eben gottgewollt seien“, schreibt Gerhard Streminger. Ein Problem mangelnder Bereitschaft zur Weiterentwicklung ethischer Vorstellungen kann aus atheistischer Sicht darin liegen, dass die Anpassung von Verhaltensregeln an neue gesellschaftliche Gegebenheiten verhindert wird. Für die ethische Beurteilung einer Scheidung zum Beispiel sei zu berücksichtigen, ob die Frau als Konsequenz daraus materieller Not und gesellschaftlicher Ächtung ausgesetzt wäre, oder ob sie materiell abgesichert und gesellschaftlich akzeptiert bliebe.
Während Glaubensvertreter den Atheisten vielfach die für ein funktionierendes gesellschaftliches Zusammenleben nötige ethische Fundierung absprechen, findet andererseits – hauptsächlich in der westlichen Welt – seit einigen Jahrzehnten eine lebhafte Auseinandersetzung darüber statt, ob nicht atheistischer Humanismus eine zeitgemäßere Grundlage für eine allgemeine Ethik bietet als die tradierten Religionen. Deutschsprachige Gruppierungen, Stiftungen und Dachverbände: * Atheistische Religionsgesellschaft in Österreich (ARG) * Dachverband freier Weltanschauungsgemeinschaften (DFW) * Giordano-Bruno-Stiftung (gbs) * Humanistischer Verband Deutschlands (HVD) * Humanistischer Verband Österreich (HVÖ) * Koordinierungsrat säkularer Organisationen (KORSO) * Richard Dawkins Foundation for Reason and Science Im Ausland tätige Gruppierungen, Stiftungen und Dachverbände: * Council for Secular Humanism (CSH) * Freedom From Religion Foundation (FFRF) * Humanists UK, vormals British Humanist Association (BHA) * National Secular Society (NSS) * Rationalist International * Richard Dawkins Foundation for Reason and Science (RDFRS oder RDF) * Unione degli Atei e degli Agnostici Razionalisti (UAAR) Internationale Bewegungen, Dachverbände und Komitees: * Atheist Alliance International (AAI) * Committee for Skeptical Inquiry (CSI) * Humanists International, von 1952 bis 2019 Internationale Humanistische und Ethische Union (Abkürzung: IHEU; engl. International Humanist and Ethical Union)
Die Frage, was an einer Haltung religiös sein könne, in der Gott offensichtlich keine Rolle spielt, behandelte Ronald Dworkin in seinen Vorlesungen zu Albert Einstein. Seine Antwort: „Religion ist etwas Tieferes als Gott.“ „Er verstand sich als religiöser Atheist, das heißt: Er glaubte zwar nicht an Gott, wohl aber an die sinnhafte Einheit des Kosmos und die Versöhnung von Glauben und Wissen.“ Während Theisten sie als von Gott geboten betrachten, argumentiert Dworkin, unsere ethischen Überzeugungen „könnten wir nicht haben, ohne zu denken, dass sie objektiv wahr sind“.
Einige Atheisten verstehen ihre Weltanschauung als religiöses Bekenntnis und streben auf dem Wege einer religionsrechtlichen Anerkennung als Religionsgemeinschaft eine Gleichberechtigung und staatliche Gleichbehandlung an. Eine deutschsprachige Gruppierung dieses Typs ist die Atheistische Religionsgesellschaft in Österreich. Am 30. Dezember 2019 brachte sie den Antrag auf Feststellung des Erwerbs der Rechtspersönlichkeit als staatlich eingetragene religiöse Bekenntnisgemeinschaft „Atheistische Religionsgesellschaft in Österreich“ beim Kultusamt im österreichischen Bundeskanzleramt ein.
Laut Eigendarstellung der freireligiösen Bewegung gibt es unter den Freireligiösen auch Atheisten oder atheistisch-religiöse Positionen.
Die Religionskritik der Bibel ist der Ausgangspunkt eines jüdischen und christlichen Atheismus. Das Judentum beschreibt Douglas Rushkoff, Professor für Kommunikationstheorie an der New York University, aufgrund der Bilderlosigkeit des biblischen Gottes als Ausweg aus der Religion (Nothing Sacred: The Truth about Judaism, 2004). In den 1960er Jahren bildete sich in den USA eine Gruppe von Theologen, welche unter dem Satz „Gott ist tot“ einen christlichen Atheismus proklamierte. Vertreter dieser Richtung sind der Theologe Thomas J. Altizer (The Gospel of Christian Atheism, 1966), William Hamilton (Radical Theology and the Death of God, 1966), Paul van Buren (The Secular Meaning of the Gospel, 1963) oder Gabriel Vahanian (The Death of God, 1961). Der „Tod Gottes“, also die vermeintliche Unmöglichkeit, in der modernen Welt rational an einen Gott zu glauben, sei, so beispielsweise J. Altizer, eine gute Nachricht, da sie den Menschen von einem transzendenten Tyrannen befreit habe. Die säkulare Botschaft der Evangelien beziehe sich gemäß Paul van Buren allein auf den „Befreier“ Jesus von Nazaret. Während der Glaube an einen (jenseitigen) Gott abgelehnt wird, steht bei den „christlichen Atheisten“ die ethisch-moralische Botschaft Jesu, die rein auf das Diesseits bezogen wird, im Mittelpunkt. In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg hat sich auch eine Verknüpfung von Atheismus und Christentum entwickelt, die sich explizit auf das Schweigen Gottes angesichts der Ermordung von Millionen von Juden durch deutsche Nationalsozialisten im Holocaust bezieht. Die deutsche Theologin Dorothee Sölle ist die bekannteste Vertreterin dieser Richtung. Beeinflusst wurden einige Theologen der „Gott-ist-tot-Theologie“ auch durch die religionsphilosophischen Gedanken Ernst Blochs im dritten Band seines Hauptwerkes Das Prinzip Hoffnung. 1968 hat Bloch Gedanken daraus zusammengefasst, präzisiert und erweitert in dem Buch Atheismus im Christentum, in dem sich der Satz findet: Dorothee Sölle, von Bloch beeinflusst, veröffentlichte ebenfalls 1968 ein Buch mit einem ganz ähnlichem Titel: Atheistisch an Gott glauben. Atheismus bedeutet bei Ernst Bloch wie auch bei Dorothee Sölle nicht den Verzicht auf Sinnhaftigkeit oder Transzendenz, sondern die Abkehr von einem allzu theistischen Gottesbild, der Vorstellung eines Gottes, der als allmächtiger, allwissender und allgegenwärtiger Gott Not und Leid bis hin zu Auschwitz zugelassen hat. In der Dekonstruktion und in der Nachfolge des Denkens von Emmanuel Levinas und Jacques Derrida fand sich ein weiterer Ansatz der Ausarbeitung eines christlichen Atheismus. Vertreter sind unter anderem Peter Rollins und Jean-Luc Nancy (Dekonstruktion des Christentums 2008). Kurzgefasst kann man darin die Vereinnahmung der Geste der Dekonstruktion sehen, in der der Sohn das Gesetz, die Arché des Vaters auflöst, indem er aber selbst vom Gesetz verurteilt wird. Damit werden messianische Ansätze des späten Derrida mit seinem Denken über die différance verbunden.
Der Buddhismus kennt keinen Glauben an einen Schöpfergott. Manche buddhistische Schulen nehmen aber in ihrer Kosmologie die Existenz zahlreicher anderer Ebenen der Wirklichkeit an, auf denen sowohl besser- als auch schlechtergestellte Wesen existieren, von denen die höheren Wesen den hinduistischen Göttern (Devas und Asuras) entsprechen. Diese Götter sind allerdings wie alle Wesen selbst im Existenzkreislauf, Samsara, gefangen; im Sinne der Wiedergeburtslehre kann jedes Wesen irgendwann auch als Deva geboren werden, wenn das entsprechende Karma (in diesem Fall überaus große Freigiebigkeit oder Samadhi-Erfahrungen) angesammelt wurde. Im Mahayana- oder nördlichen Buddhismus verehrt man darüber hinaus Wesen, die selbst Buddhas oder Bodhisattvas geworden sind. Durch den Respekt, den man diesen entgegenbringt, entsteht eine der notwendigen Grundlagen, selbst diesen Zustand zu erlangen. Daher werden im Buddhismus zahlreiche Statuen, Stupas und Tempel errichtet, die Objekte der Verehrung sind. Diese Wesen sind aber keine Götter, sondern Vorbilder. Im Theravada- oder südlichen Buddhismus ist das Ziel Arhatschaft, also Befreiung ohne Wiederkehr, sodass Arhats nur in der letzten Phase ihres letzten Lebens verehrt werden können. Daneben gibt es auch hier zahllose Stupas, Tempel, Buddhastatuen und Bildnisse früherer Arhats, zum Teil sogar von Bodhisattvas. Die Frage nach einem Schöpfergott wird als unfruchtbare metaphysische Spekulation zurückgewiesen und stattdessen die Ergründung der eigenen Erkenntnismöglichkeiten betont.
Der Atheismus wird gemäß islamischem Recht bekämpft. Der Koran nennt keine diesseitigen Strafen für den „Abfall vom Islam“, worunter auch die Zuwendung zum Atheismus fällt. Im islamischen Recht, der Scharia, ist diese jedoch auf Grundlage von Hadithen und Idschmāʿ mit der Todesstrafe zu ahnden. Im Sudan (StGB aus dem Jahre 1991, Art. 126), Republik Jemen, Iran, Saudi-Arabien, Katar, Pakistan, Afghanistan, Somalia und in Mauretanien (StGB aus dem Jahre 1984, Art. 306) kann Abfall vom Islam noch heute mit dem Tode bestraft werden. Auch in Ländern, die keine islamischen Gerichtshöfe mehr haben, deren staatliche Rechtsordnung sich aber weiterhin an der Scharia orientiert, kann der bekundete „Abfall vom islamischen Glauben“ zivilrechtliche (Erbrecht, Eherecht) und strafrechtliche Konsequenzen haben. Ungeachtet der religiösen Dominanz gab es in der muslimischen Geschichte stets atheistische Persönlichkeiten, darunter der arabische Dichter Abū l-ʿAlāʾ al-Maʿarrī sowie der persische Mathematiker und Dichter Omar Chayyām.
Im pantheistischen (griechisch: Allgottlehre) Gotteskonzept nimmt die Alleinheit des Universums die Schöpferrolle ein. Gott und Natur sind demnach gewissermaßen identisch. Da es im Pantheismus keinen persönlichen Gott gibt, wurde und wird der Pantheismus sowohl von Theisten als auch von Atheisten manchmal als ein hinter einer religiösen Sprache versteckter Atheismus betrachtet. Arthur Schopenhauer nannte den Pantheismus eine „Euphemie für Atheismus“. „Pantheismus ist nur ein höflicher Atheismus“, heißt es in einem Schopenhauer-Zitat von Ernst Haeckel. Der französische Philosoph Jean Guitton vertritt in seinem Werk die Überzeugung, dass er dem Atheismus die Verlegung des Gottesbegriffs in die Welt nachweisen könne und ordnet ihn daher generell dem Pantheismus zu. Der Pantheismus wird von seinen Anhängern als religionsphilosophische Lehre betrachtet und wurde in früheren Zeiten nicht dem Atheismus zugehörig betrachtet, was sich aber inzwischen geändert hat.
Atheismus ist „so alt wie das menschliche Denken, so alt wie der Glaube, und der Konflikt zwischen beiden ist ein ständiges Merkmal der abendländischen Zivilisation“, heißt es bei Georges Minois, der Atheismus sowohl ideen- als auch verhaltensgeschichtlich zu erfassen sucht. Für die frühen Hochkulturen ergibt sich allerdings die Schwierigkeit, dass etwa sakrale Gebäude und kultische Schriften zu den vorherrschenden Überlieferungszeugnissen immer schon gehörten, während die weniger auffälligen Zeugnisse von Skeptizismus, Nichtglauben und religiöser Gleichgültigkeit erst in jüngerer Zeit einer intensivierten Forschung unterzogen werden, die etwa auch den asiatischen Raum einschließt. Praktischer und theoretischer Atheismus hatten und haben aber je eigene und einander ergänzende Bedeutung: In Antike und Mittelalter waren sowohl das private als auch das öffentliche Leben in der Regel von religiösen Vorstellungen durchdrungen, wogegen Skepsis und Zweifel eher bei Minderheiten und in intellektuellen Kreisen anzutreffen waren. Während sich die kritischen Auseinandersetzungen innerhalb der römisch-katholischen Kirche im späten Mittelalter verstärkten und in der Reformation einen Höhepunkt fanden, erfuhr der Atheismus im Zeitalter der Aufklärung einen bedeutenden Aufschwung und durch die Französische Revolution eine starke gesellschaftliche Verbreitung. Dies führte zur Säkularisierung und vielfach zur Trennung von Kirche und Staat. Im 19. und 20. Jahrhundert wurden verschiedenste atheistische Positionen mit breitem theoretischem Fundament entwickelt, insbesondere im Marxismus, im Existentialismus und in der analytischen Philosophie. Zudem bestehen im philosophischen Materialismus und im philosophischen Naturalismus Verbindungslinien zum Atheismus.
Die frühesten belegbaren Formen des theoretischen Atheismus finden sich in den alten Hochkulturen Süd- und Vorderasiens. In Indien weisen einige der ältesten philosophischen Systeme atheistische Formen auf. Hierzu zählen der Jainismus, das Samkhya (beide entstanden etwa im 6. Jahrhundert v. Chr.) sowie das Vaisheshika und das Nyaya. Insbesondere die Tradition des Samkhya ist im indischen Denken bis heute lebendig geblieben (vergleiche Atheismus in Indien). Klar materialistisch-atheistisch war die indische Schule der Charvaka, die zweifelsfrei seit dem 6./7. Jahrhundert n. Chr. als feste Strömung belegbar ist und mindestens bis ins 16. Jahrhundert existierte. Sie berief sich auf die heute verlorenen „Barhaspati Sutras“. Nach Meinung vieler Indologen war es jedoch kein atheistisches Werk, sondern eine gegen etablierte Religionen skeptische, aber ethische Schrift. Einzelne Skeptiker sind vom 5. Jahrhundert v. Chr. bis zum 6. Jahrhundert n. Chr. überliefert. Der Buddhismus, der im 5. Jahrhundert v. Chr. in Indien entstand, und der Daoismus, der im 4. Jahrhundert v. Chr. in China entstand, kennen keine Schöpfergottheit. In Teilen der Fachliteratur wird der Zervanismus der antiken Perser mit dem übergeordneten unpersönlichen Prinzip des Zurvan („Zeit“ und Raum) als eine Form des Atheismus angesehen. Materialistisch und vorwiegend atheistisch war die spätestens seit dem 5. Jahrhundert n. Chr. existierende Strömung der „Zandiks“ oder „Dahri“. Ob die Hebräer einen theoretischen Atheismus kannten, ist umstritten. Jean Meslier sah in einigen Stellen des Alten Testaments Belege für die Existenz von Atheisten. So z. B. in Ps 10,3: Diese Interpretation wird von den meisten Exegeten jedoch nicht geteilt. Ihrer Meinung nach würden an den besagten Stellen stets nur bestimmte Eigenschaften Gottes geleugnet, nie aber seine Existenz.
, Kupferstich nach antiker Büste, 18. Jahrhundert Die fragmentarisch überlieferten ontologischen Systeme der Vorsokratiker erklären die Strukturen der Wirklichkeit nicht durch mythische oder ätiologische Erzählungen, sondern durch Zurückführung auf ein oder mehrere Prinzipien. Bei beispielsweise Demokrit oder Epikur kommen hierfür nur materielle Prinzipien in Betracht, so dass ein transzendenter, insbesondere geistiger Gott weder verwendet wird, noch Ort oder Funktion in diesen Systemen bekommen könnte. Andererseits ergeben sich bisweilen Konflikte mit etabliertem religiösem Kult und etablierter Rede über die Götter, weil ontologischen Prinzipien ähnliche oder dieselben Eigenschaften zugeschrieben werden wie den Göttern, etwa, über Naturprozesse zu regieren, ewig zu sein oder Prinzip für Leben und Denken zu sein. Die frühesten Formen einer Kritik der etablierten Gottesvorstellungen beziehen sich vor allem auf unangemessen menschliche Vorstellungsweisen (Anthropomorphismus). Göttern werden z. B. wankelmütige, jähzornige, eifersüchtige und egoistische Charakterzüge abgesprochen, wie sie in den Mythen Hesiods und Homers hervortreten. Beispiele hierfür sind Xenophanes, Heraklit und Protagoras. Xenophanes etwa erklärt die Göttervorstellungen und auch deren Verschiedenheit durch Projektion menschlicher Eigenschaften und formuliert polemisch: „Stumpfnasig, schwarz: so seh’n Äthiopiens Menschen die Götter Blauäugig aber und blond: so seh’n ihre Götter die Thraker Aber die Rinder und Rosse und Löwen, hätten sie Hände Hände wie Menschen, zum Zeichnen, zum Malen, ein Bildwerk zu formen, Dann würden Rosse die Götter gleich Rossen, die Rinder gleich Rindern Malen, und deren Gestalten, die Formen der göttlichen Körper, Nach ihrem Bilde erschaffen: ein jedes nach seinem.“
Ein Abrücken oder Infragestellen der in der Polis kultisch verehrten Götter seitens skeptischer Philosophen oder naturwissenschaftlich orientierter Denker konnte zu Anklagen und Verurteilungen führen. Gottlosigkeit und Frevel an Göttern wurden im alten Athen als Asebeia teilweise auch strafrechtlich verfolgt. Eine erste Welle bekannter Asebie-Prozesse, bei denen politische Motive mitgewirkt haben dürften, richtete sich gegen Vertraute und Freunde des Perikles, darunter Aspasia und Anaxagoras. Von einer geistesgeschichtlich bis heute nachhallenden Wirkung war der Prozess gegen Sokrates. Seine Glaubensskepsis ist im platonischen Dialog Phaidros zum Ausdruck gebracht: Es sei abwegig, etwas über die Mythen und die Götter zu sagen, da er noch nicht einmal die Zeit habe oder in der Lage sei, sich selbst zu erkennen. „Lächerlich also kommt es mir vor, solange ich hierin noch unwissend bin, an andere Dinge zu denken.“ Platon ist aber als Sokrates’ Schüler nicht nur die wichtigste Überlieferungsquelle für dessen Denken und Philosophieren, sondern Minois zufolge der Erstverantwortliche für die Verfemung des Atheismus in den nachfolgenden zwei Jahrtausenden. In seinem Spätwerk Nomoi (Gesetze) bezieht er eine pantheistische Position, die sich von einem strengen Naturalismus abgegrenzt, weil dieser die nichtmateriellen Wirkungskräfte verkenne: Im zehnten Buch der Nomoi geht es Platon darum zu beweisen, dass es Götter gibt, dass sie sich auch um die Kleinigkeiten des Lebens kümmern, ohne aber bestechlich zu sein, und im Weiteren darum zu begründen, dass Atheisten je nach Grad der Gottesleugnung und Heuchelei mit abgestuften Sanktionen bis zur Todesstrafe zu belegen seien. Da es in Platons Lehre außerhalb der materiellen Welt eine höherwertige Welt der Ideen, der Archetypen, der Seelen und des Göttlichen gibt, gelten Atheisten, so Minois, fortan als von niederem Denken beherrscht und unfähig, sich zur Kontemplation der Ideen zu erheben.
(341.v. Chr. – 270.v. Chr.) Während die Verehrung der anthropomorphen olympischen Götter auch im häuslichen Kult immer mehr an Bedeutung verlor, traten im Zuge des Zerfalls von Polis und herkömmlicher stadtstaatlicher Ordnung – auf dem Wege also zu den hellenistischen Großreichen und danach zum Römischen Reich – neben allerlei importierten Mysterienkulten und auswärtigen Gottheiten auch zunehmend vergöttlichte Herrscher, die auf diese Weise religiöse Bindungsbereitschaft zum eigenen Vorteil umlenkten. Weit entfernt von den alten Glaubensformen sind auch die an der Wende vom 4. zum 3. Jahrhundert v. Chr. entstehenden philosophischen Lehren des Epikureismus und der Stoa. Bei den Stoikern kommen pantheistische Vorstellungen zur Entfaltung, die das Göttliche mit der Allnatur verschmelzen und darin den Wirkungsort für die Menschen und für ihr ethisches Bezugssystem finden. Bei Epikur verschwinden die Götter in vom menschlichen Dasein gesonderten Welten und haben keinerlei Wirkungsmacht über die Menschen und ihr Treiben. Es handelt sich getreu dem rein materialistischen Weltbild Epikurs auch bei den Göttern um atomar konstituierte Wesen. Allerdings empfiehlt Epikur als der eigenen Seelenruhe dienlich, sich den staatlich vorgeschriebenen Kulten und religiösen Bräuchen flexibel anzupassen.
Mit der römischen Expansion verloren die überlieferten lateinischen Götter an Bindungskraft und Bedeutung. Die Eroberung Griechenlands und des östlichen Mittelmeerbeckens durch die Römer brachte mit auswärtigen Religionen und Gottheiten spiritualistische und materialistische Denkschulen zuhauf nach Rom, etwa Kybele, Isis, Osiris und Serapis, dazu astrologische und magische Vorstellungen sowie auch platonische, kynische und skeptische, epikureische und stoische Lehren. Der von Lukrez in Rom hymnisch verbreitete Epikureismus, in dessen Zentrum ein asketisch unterlegtes Lust- und Glücksstreben steht, stellt sich mit der vollständigen Abscheidung der Götter als eine im Grunde konsequent atheistische Morallehre dar. Die Stoa wiederum, die in den herrschenden Kreisen der römischen Gesellschaft häufig angenommen wurde, vermittelt einen nur vage-verschwommenen Gottesbegriff und trennt in dem anzustrebenden Ideal des stoischen Weisen kaum noch zwischen Mensch und Gott. Ciceros Untersuchung über die Natur der Götter (De natura deorum) mündete in Skepsis: „Bestimmt wird selbst diejenigen, die darüber etwas zu wissen glauben, die so große Uneinigkeit der gelehrtesten Männer in dieser wichtigen Frage zu gewissen Zweifeln zwingen.“ Eine – freilich weniger reflektierte – agnostische Grundstimmung scheint in der frühen Römischen Kaiserzeit (parallel zum Beginn des Frühchristentums) auch in Volkskreisen verbreitet gewesen zu sein; so legt der Schriftsteller Petronius in seinem satirischen Roman Satyricon (in der Szene des Gastmahls des Trimalchio) dem Protagonisten Ganymedes die Worte in den Mund: Der sich einstellenden Vielfalt weltanschaulich-religiöser Vorstellungen gegenüber stand die Bereitschaft, als Atheismus zu diskriminieren und zu kriminalisieren, was nicht zu den etablierten Staatskulten gehörte. Davon war in seinen Anfängen auch das Christentum betroffen. Denn dessen Anhänger lehnten es aus Glaubensgründen ab, an den religiösen Staatskulten teilzunehmen. In der Ablehnung insbesondere des Kaiserkults wurden sie nicht selten zu Märtyrern.
Ob es im Mittelalter Atheismus im Sinne einer Leugnung der Existenz eines Gottes gab, ist umstritten. Traditionell wird das „christliche Mittelalter“ als Zeitalter angesehen, in dem Europa komplett durch das Christentum bestimmt war, mit der Ausnahme kleiner jüdischer und muslimischer Minderheiten. Die oft dürftige und fast durchgängig christlich geprägte Quellenlage erschwert eine eindeutige Zuordnung einzelner Denker oder Personengruppen zum Atheismus. Der Theologe Walter R. Dietz schreibt, die Bezeichnung Atheismus sei im Mittelalter nur verwendet worden für Leugnungen des dreifaltigen Gottesgedankens, etwa durch den Islam. Nach dem evangelischen Theologen Jan Milič Lochman trat Atheismus im Sinne von Gottesleugnung oder Gottlosigkeit in Europa erst seit dem 16. und 17. Jahrhundert auf. Dem französischen Historiker Georges Minois zufolge gab es im Mittelalter durchaus Atheismus, und zwar sowohl in seiner praktischen, wie auch zumindest ansatzweise in seiner theoretischen Form. Der Glaube habe das Mittelalter zwar beherrscht, der Atheismus habe aber im Leben und Denken einer Minderheit überdauert.
Seit dem 13. Jahrhundert ist eine zunehmende Kritik christlich-katholischer Glaubensinhalte zu beobachten. Eine wesentliche Rolle scheint hierbei die Wiederentdeckung aristotelischer Lehren und deren Interpretation durch islamische Philosophen gespielt zu haben. Wirkungsmächtig waren insbesondere der Aristotelismus und der Averroismus. Bedeutend war, dass Aristoteles, obwohl er teilweise als „Heide“ bezeichnet wurde, doch als der Meister des logischen Denkens galt. Die aristotelische Philosophie widerspricht der christlichen Lehre insbesondere in zwei Punkten: Sie verneint die Schöpfung und die Unsterblichkeit der Seele. Daher wurde das Unterrichten seiner Physik und Metaphysik auch wiederholt durch päpstlichen Erlass untersagt. Dennoch erstritt sich Georges Minois zufolge die Vernunft vom 11. bis 13. Jahrhundert eine zunehmend größere Unabhängigkeit vom Glauben. Petrus Abaelardus forderte ein, dass der Glaube den Regeln der Vernunft nicht widersprechen dürfe. Boetius von Dacien trat für die strikte Trennung von rational erfassbarer Wahrheit und Glaubenswahrheiten ein. Siger von Brabant ging noch weiter und bestritt zahlreiche zentrale christliche Dogmen. Die christliche Autorität reagierte einerseits mit Zensur und Repression. Zudem gab es jedoch auch verstärkte Bemühungen, den Glauben durch Gottesbeweise zu untermauern. Wilhelm von Ockham erklärte alle Versuche, Glaubenssätze mit den Mitteln der Vernunft zu beweisen, für von vornherein zum Scheitern verurteilt.
Im 12. Jahrhundert provozierten die Goliarden in ihren Liedern mit zum Teil bewusst provokanten atheistischen Positionen wie „ich bin begieriger nach Wollust als nach dem ewigen Seelenheil“. Eine skeptische Haltung in Bezug auf viele Glaubenssätze nahmen auch die englischen Lollarden ein. Auch einige der so genannten „Blasphemiker“ könnten Atheisten gewesen sein. In dem mehreren Autoren zugeschriebenen Buch von den drei Betrügern sind Moses, Jesus Christus und Mohammed gemeint. Daneben lebten auch pantheistische Weltanschauungen in kleineren Glaubensgemeinschaften und unter Einzelpersonen fort. Sie sind zwar nicht dem Atheismus im engeren Sinne zuzuordnen, forderten aber wohl den christlichen Glauben heraus. Vertreter sind insbesondere die Pariser Theologen David von Dinant und Amalrich von Bena sowie die Brüder und Schwestern des freien Geistes. Im Volk ist die Existenz von Ungläubigen in zahlreichen Berichten von Wundern bezeugt. Zudem lassen sich im einfachen Bauernvolk materialistisch-atheistische Positionen nachweisen. So wurde unter anderem die Existenz einer unsterblichen Seele und die Wiederauferstehung Christi verneint. Ein Beispiel für diese Art des „volkstümlichen Materialismus“ ist in den Verhörprotokollen des italienischen Müllers Menocchio festgehalten. Gegen Ende des Mittelalters gibt es auch zunehmend Klagen christlicher Pfarreien über die schwache Präsenz der Gemeinde in der sonntäglichen Messe. Als mittelalterliche Bevölkerungsteile, die besonders vom Atheismus betroffen waren, werden Söldner und Exkommunizierte genannt. Die Zahl Letzterer ging allein in Frankreich zeitweise in die Zehntausende.
Die Reformation brachte keine Abkehr vom (christlichen) Glauben, sondern wertete den persönlichen Glauben im Sinne subjektiver Überzeugung sogar auf. Dennoch ist die Reformation ein wichtiger Wendepunkt nicht nur in der Geschichte der Religion, sondern auch in der des Atheismus. Durch die Reformation konnten sich mit den protestantischen Konfessionen erstmals Kirchen neben der katholischen etablieren, die zu stark waren, um dauerhaft gewaltsam unterdrückt werden zu können. Auf Dauer waren beide Seiten zur religiösen Toleranz gezwungen, später wurde diese auch auf zunächst nicht von dieser Toleranz eingeschlossene Gruppen, wie die Reformierten, erweitert. Diese Entwicklung hin zur Toleranz sollte später auch Atheisten zugutekommen. Durch die auf die Reformation folgenden Religionskriege diskreditierten sich die sich bekriegenden Kirchen in den Augen vieler selbst. Deutlich trat der Widerspruch zwischen öffentlich gepredigter christlicher Nächstenliebe und tatsächlichem Handeln der damaligen Kirchen beispielsweise in der offenkundigen Barbarei der Hugenottenkriege und des Dreißigjährigen Krieges zutage. Bedeutsam ist auch, dass die katholische Kirche ihr bis dahin beinahe unantastbares Deutungsmonopol für die traditionsgeprägte Auslegung der Bibel und damit beträchtlich an Autorität auch auf geistlichem Gebiet verlor. Politisch trug die Reformation entscheidend zur Emanzipation der Staaten aus der geistlichen Bindung an die Kirche bei, die sich nun vielfach, wie beispielsweise im Landesherrentum, im französischen Gallikanismus und der Reichskirche der Politik unterordnen musste. Diese Entstehung moderner Machtverhältnisse war eine zwingende Voraussetzung, um letztlich die Trennung von Kirche und Staat zu ermöglichen. Die dadurch garantierte Religionsfreiheit weitete sich, auch wenn der Weg dorthin keineswegs ohne Repressionen verlief, schließlich auch zur Respektierung des Rechts auf Glaubenslosigkeit aus. Dennoch blieb der Atheismus bis zum letzten Drittel des 19. Jahrhunderts ein Phänomen einer elitären Minderheit.
Das Zeitalter der Aufklärung brachte den ersten theoretisch ausformulierten Atheismus der Neuzeit mit sich. Dieser steht in engem Zusammenhang mit den Fortschritten der Naturwissenschaft. Bereits 1674 war der deutsche studierte Theologe Matthias Knutzen mit drei atheistischen Schriften an die Öffentlichkeit getreten, die ihn zum ersten namentlich bekannten Atheisten der Neuzeit machen. Ein Jahrzehnt darauf folgte der polnische Philosoph Kazimierz Łyszczyński in seinem – bis auf wenige Zitate verlorenen – Werk De non existentia Dei (dt. Über die Nichtexistenz Gottes), in dem er postulierte, Gott sei lediglich eine von Menschen erdachte Chimäre und Religion sei nur ein Mittel zur Unterdrückung der Bevölkerung. Trotz der zu jener Zeit im Königreich Polen geltenden Religionsfreiheit wurde Łyszczyński für sein Werk 1689 aus politischen Gründen zum Tode verurteilt und hingerichtet. Bis weit ins 18. Jahrhundert war der Vorwurf, ‚Atheist‘ zu sein, in der Regel eine gefährliche Fremdzuschreibung. In Preußen war es die aufklärerische Haltung Friedrichs des Großen (1740: „Jeder soll nach seiner Façon selig werden“), in anderen Ländern die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte in der Französischen Revolution (1789) und die amerikanische Bill of Rights (1789), die zu einer Akzeptanz diverser atheistischer Standpunkte führten. Der französische Philosoph und Aufklärer Julien Offray de La Mettrie konnte 1748 seine atheistische Philosophie nur außerhalb Frankreichs, im preußischen Exil, öffentlich vertreten. In deutscher Sprache waren, in kritischer Wendung gegen Hegel, die Ex-Theologen Bruno Bauer und Ludwig Feuerbach die ersten atheistischen Philosophen. Feuerbach kritisierte in seinem einflussreichen Werk Das Wesen des Christentums (1841) nicht nur das Christentum grundlegend, sondern darüber hinaus die Religion generell als Ergebnis psychologischer Projektionen („Der Mensch schuf Gott nach seinem Bilde“). Später konstatierte Friedrich Nietzsche: „Gott ist tot“ (1882) und „Atheismus […] versteht sich bei mir aus Instinkt“ (1888).
Das früheste Zeugnis eines dezidierten Atheismus in der Neuzeit findet sich im Theophrastus redivivus, der Schrift eines anonymen französischen Autors aus dem Jahr 1659. Die Existenz Gottes wird darin zwar bestritten, die gesellschaftliche Nützlichkeit der Religion hingegen behauptet. Als erster radikaler Atheist der Neuzeit gilt heute der französische Abbé Jean Meslier (1664–1729). In seinen zwischen 1719 und 1729 verfassten und erst später anonym veröffentlichten Pensées et sentiments stellte Meslier die Existenz von Göttern völlig in Abrede, welche für ihn bloße Hirngespinste sind. Im Gegensatz zum Theophrastus verbindet Meslier seinen Atheismus mit einem Antiklerikalismus: Er polemisiert gegen Kirche und Krone, die er als Ausbeuter und Unterdrücker der Armen ansieht. Meslier hat seine als Testament bekannt gewordene Schrift nur in drei handschriftlichen Exemplaren hinterlassen, die zunächst einige Jahrzehnte lang klandestin zirkulierten. Erst 1761 veröffentlichte Voltaire eine Version der Schrift, in der er alle atheistischen und materialistischen Passagen getilgt und nur Mesliers Christentumskritik und Antiklerikalismus erhalten hatte. Diese deistisch verfälschte Fassung blieb, zumal sie durch Neuauflagen und Aufnahme in Voltaires Œuvres weite Verbreitung fand, bis ins 20. Jahrhundert die allgemein bekannte; daran hat auch eine 1864 in Amsterdam erschienene vollständige Ausgabe nichts geändert. Erst 1972 haben Albert Soboul u. a. aufgrund der Originalmanuskripte eine nun maßgebliche Edition dieses ersten neuzeitlichen Werks des Atheismus geschaffen. als „Democritus ridens“, als lachender Demokrit, um 1750 Während Meslier somit lange Zeit als voltairianischer antiklerikaler Deist galt, war der erste öffentlich bekannt gewordene radikale Atheist der Aufklärung Julien Offray de La Mettrie (1709–1751). Sein philosophischer Erstling Histoire naturelle de l’âme (Naturgeschichte der Seele, 1745) wurde als materialistische und atheistische Schrift vom Pariser Henker verbrannt. La Mettrie floh nach Holland, wo er sein berühmtes Werk L’homme machine (Der Mensch als Maschine, 1748) publizierte, in dem es heißt, „dass die Welt niemals glücklich sein wird, solange sie nicht atheistisch ist.“ La Mettrie blieb nicht bei der Negation Gottes stehen, sondern skizzierte in seinem Discours sur le bonheur (Rede über das Glück, 1748) eine geradezu modern anmutende psycho(patho)logische Theorie des Religiösen. Er musste anschließend sogar aus den toleranten Niederlanden fliehen. Friedrich II. von Preußen bot ihm Asyl an und stellte ihn in Sanssouci als Vorleser ein. Er wurde auch in die Königlich Preußische Akademie der Wissenschaften zu Berlin aufgenommen. Eine frühe öffentliche Verneinung der Existenz eines Gottes findet sich auch in dem 1770 anonym erschienenen Werk Système de la nature des Baron d’Holbach (1723–1789), einem Grundwerk des Materialismus. Holbach sah in der Religion den größten Feind der natürlichen Moral und zog gegen ontologische und kosmologische Gottesbeweise zu Felde. Das Glück des Menschen hängt nach seiner Auffassung vielmehr am Atheismus. Die von ihm vertretene „Ethokratie“ beruht allerdings nicht auf der vorgängigen materialistischen Philosophie La Mettries, den er wegen seiner Moraltheorie sogar als „Wahnsinnigen“ bezeichnete. Denis Diderot (1713–1784), bekannt vor allem als Herausgeber der Encyclopédie, vertrat in seinen kirchen- und religionskritischen Werken Pensées philosophiques (1746) und dem Lettre sur les aveugles à l’usage de ceux qui voient (1749) zunächst eine deistische, später eine atheistische Position. Auch er war ein vehementer Gegner La Mettries, den er noch posthum als „Autor ohne Urteilskraft“ und wegen der „Verdorbenheit seines Herzens“ „aus der Schar der Philosophen“ ausschloss. Voltaire übte scharfe Kritik an Kirche und Klerus und griff in zahllosen Schriften und Briefen die christliche Religion teils mit scharfsinnigem Spott, teils mit feinsinniger Ironie an. Allerdings wollte er ausdrücklich nicht als Atheist bezeichnet werden (Réponse au Système de la nature, 1777). In dem Artikel Athéisme schrieb er unter anderem: Wenn sich Voltaire auch häufig zum englischen Deismus bekannte, wirkte er auf viele seiner Zeitgenossen durch seinen Stil und die Art, wie er seinen Deismus vortrug, durchaus wie ein Atheist. Die katholische Kirche bezichtigte ihn deswegen auch des Atheismus. Fritz Mauthner, Autor des vierbändigen Werks Der Atheismus und seine Geschichte im Abendlande, nannte Voltaire „den Feldherrn und Staatsmann der französischen und europäischen Freidenker.“
Gemäß Immanuel Kant gibt es keinen möglichen Beweis für oder gegen die Existenz eines höchsten Wesens, weder durch Anwendung der Vernunft noch durch Betrachtung der empirischen Natur. Wie Kant in der Transzendentalen Dialektik, dem zweiten Hauptteil der Transzendentalen Logik in Kritik der reinen Vernunft, zu zeigen versucht, scheitern alle Gottesbeweise daran, dass die in der menschlichen Vernunft vorhandene Vorstellung eine transzendentale Idee ist, d. h. die Vorstellung eines Gegenstands, der mit keiner möglichen menschlichen Erfahrung übereinstimmen kann. Er billigt transzendentalen Ideen jedoch eine regulative Funktion zu: Vereinfacht gesagt bedeutet dies: Alle Grenzen möglicher menschlicher Erfahrung überschreitenden Dinge (Gott, Unsterblichkeit, Unendlichkeit) sind nach Kant zwar nicht erkennbar, sie geben der Erfahrung aber eine gewisse, subjektive Einheit. Regulativ sind sie deswegen, weil sie dem Verstand eine Orientierung bieten, mit der dieser Erlebnisse und Eindrücke über den unmittelbaren Wahrnehmungsgehalt hinaus ordnen kann. Damit ist Kant in theoretischer Hinsicht ein Vertreter einer agnostizistischen Position. Die regulative Idee erhält jedoch in Kants Moralphilosophie eine neue Funktion. Beschäftigt sich Kant in der Kritik der reinen Vernunft mit der theoretischen Seite der Vernunft („Was kann ich wissen?“), so behandelt die Kritik der praktischen Vernunft deren praktische Seite („Was soll ich tun?“). Gott wird hier postuliert: Wenn die menschliche Vernunft in der Lage ist, sich selbst Ziele frei zu setzen, z. B. auch gegen die unmittelbar empfundenen empirischen Bedürfnisse, so setzt das voraus, dass jeder Mensch seine eigene Vernunft als verpflichtend erlebt (Kant nennt dies das ). Derjenige Anteil des menschlichen Willens, der vernunftgemäß und unabhängig von den empirischen Bedürfnissen seine Wahl trifft, kann nun nach Kant nichts anderes wollen, als einem moralischen Gesetz zu folgen. Das moralische Gesetz verpflichtet jeden Menschen zur Sittlichkeit, indem es ihn anhält, seinen Willen nach dem Kategorischen Imperativ zu gestalten. Für Kant besteht nun ein Problem darin, zu zeigen, ob und wieso die Befolgung des moralischen Gesetzes auch zu Glückseligkeit, also einem Zustand allgemeiner Zufriedenheit führt. Die Frage ist: Wenn ich sittlich handeln soll, ist dann auch sichergestellt, dass ich glücklich werde? Als Instanz, die sicherstellt, dass sittliches Verhalten auch zu Glückseligkeit führt, wird Gott eingeführt, die garantieren soll, dass die Welt im Ganzen einem gerechten Plan folgt. In der Nachfolge blieb Kants theistischer Skeptizismus oder partieller Agnostizismus weitgehend unbeachtet. Der Deutsche Idealismus (Fichte, Schelling, Hölderlin, Hegel) redete zwar von Gott als dem absoluten Weltgeist oder einem absoluten Ich, kümmerte sich hingegen wenig um die Antinomien der Vernunft. Aus heutiger Sicht wird Kants Postulat eines Gottes als Verbindungsglied zwischen Sittlichkeit und Glückseligkeit eher als Mangel seiner Theorie gesehen. Kants individualistischer Theorie fehlt schlicht der gesellschaftliche Horizont von Sittlichkeit. In seiner Rechtsphilosophie kommt Hegel hingegen ohne ein solches Ad-hoc-Postulat zur Begründung der Sittlichkeit aus. Stattdessen steht der absolute Weltgeist (= Gott) für Hegel theoretisch wie historisch am Anfang seines dialektischen Systems. Dabei macht Hegel sozusagen aus der antinomischen Misere der Dialektik eine neue Tugend, indem er das dialektische Prinzip der Selbstwidersprüchlichkeit zu einer eigenen Methode ausbaut.
auf dem Rechenberg in Nürnberg Ludwig Feuerbach vertrat in Das Wesen des Christentums von 1841 die folgenden Thesen: # Religion ist nicht nur eine historische oder transzendente Tatsache, sondern vor allem eine Leistung des menschlichen Bewusstseins, also der Einbildungskraft oder Phantasie. # Alle Religionen unterscheiden sich nur ihrer Form nach, haben aber eines gemeinsam: Sie spiegeln die unerfüllten Bedürfnisse der menschlichen Natur wider. Gott und alle religiösen Inhalte sind nichts anderes als psychologische Projektionen, die ihre materiellen Ursachen in der Natur des Menschen besitzen. Feuerbachs Ausgangspunkt zur Herleitung seiner Thesen war die Natur des Menschen. Wesentlich für Feuerbach war, dass Menschen Bedürfnisse und Wünsche besitzen und diese in bestimmter Hinsicht unerfüllt bleiben, weil der Mensch – so würden wir heute sagen – ein Mängelwesen ist. Das ist sein anthropologischer Kern, den Marx weitgehend übernimmt. Von Hegel übernahm Feuerbach die idealistische Auffassung, dass es das Bewusstsein und seine Leistungen seien, die seine Praxis bestimmen. Im Zentrum stand für Feuerbach dabei die menschliche Einbildungskraft. Es seien nun die unerfüllbaren und andauernd unerfüllten Bedürfnisse, die der Mensch mit Hilfe seiner Einbildungskraft in ein religiöses Reich projiziere. Die religiösen Gehalte verweisen nach Feuerbach auf die unerfüllten Bedürfnisse und damit auf die als unvollkommen erlebte Natur des Menschen. In seinem Hauptwerk versucht er, dies anhand der Begriffe Liebe, Endlichkeit, Sterblichkeit, Ungerechtigkeit zu zeigen: Die religiöse Vorstellung der Unsterblichkeit der Seele sei ein Reflex auf die unvollkommene Natur des Menschen als sterbliches Wesen, die der Allgüte Gottes ein Reflex auf die Unmöglichkeit, alle Menschen gleichermaßen zu lieben usw. Feuerbachs Theorie der Religionskritik wurde später und wird heute in Verbindung mit dem Begriff „religiöser Anthropomorphismus“ oder „Anthropozentrismus“ oder unter dem Schlagwort „Projektionstheorie“ diskutiert. Schlagwortartig mag man sie unter folgenden Mottos zusammenfassen: Die Erklärung der Religion hat also – nach Feuerbach – vom Menschen auszugehen, sie aus ihm herzuleiten und sie wieder auf ihn zu beziehen:
Marx’ Kritik an Feuerbach – „vergesellschaftete“ Religiosität Marx’ Religionskritik findet sich vor allem in zwei einschlägigen Werken/Texten: * Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie (1843/44) * Thesen über Feuerbach von 1845 (1888 von Engels in redigierter Fassung veröffentlicht) Marx übernimmt die Projektionstheorie Feuerbachs. Auch für ihn ist die Welt der Religion keine ontologische Kategorie, sondern gehört in den Bereich menschlicher Tätigkeiten. Auch für ihn reflektiert Religion ein Bedürfnis, und auch für ihn ist Religion die Widerspiegelung einer Wirklichkeit und nichts Transzendentes. Marx kritisiert jedoch einen wesentlichen Mangel an Feuerbachs Religionskritik: Feuerbach tue so, als ob jeder Mensch als Individuum oder als abstraktes Wesen seine Religion produziere, wohingegen der Mensch – so Marx – vor allem als konkret-praktisches und damit schon immer vergesellschaftetes (gesellschaftliches) Wesen zu begreifen sei: Und genau deswegen spiegele Religion auch nicht irgendwelche abstrakten, individuellen Bedürfnisse, sondern konkrete gesellschaftliche Bedürfnisse der Menschen wider. Neben dieser Theorie der vergesellschafteten Religiosität kritisiert Marx an Feuerbach, dass es mit der neuen anthropozentrischen Interpretation von Religion noch nicht getan sei: Marx’ Entfremdungstheorie als Religionskritik Nach Marx’ Ideologiekritik spiegeln sich in der Religion nicht nur unerfüllte abstrakte Bedürfnisse wider, sondern auch das konkrete, durch die gesamte menschliche Geschichte ziehende, gesellschaftliche Elend und Unrecht. Dies täten sie jedoch in verzerrter Form: Diese Verzerrung bestehe zum einen in einer Verkehrung oder Verdrehung wirklicher Verhältnisse und zum anderen in einer völligen Abstrahierung vom alltäglichen Lebensvollzug, die dazu führe, dass die Menschen sich in eine „Nebelregion“ flüchteten. So steht beispielsweise Gott als der Allgerechte, Allmächtige und Allgütige einer Welt ungleicher Verteilung von Macht, Gütern und Liebe gegenüber. Ausgangspunkt für Marx’ Kritik ist die Theorie der Selbstentfremdung: Als „Entfremdung“ bezeichnet man allgemein Prozess und Ergebnis des Verlusts des Einflusses und der Verfügungsgewalt des Menschen auf und über all jenes, was einst durch ihn selbst bewirkt und ihm damit in unmittelbarer Anschauung vertraut war, welches ihm aber schließlich als etwas Unabhängiges, Fremdes gegenübertritt. So besitzt ein von seiner Arbeit entfremdeter Lohnarbeiter – nach Marx – keinen Einfluss mehr auf das Arbeitsprodukt und den Arbeitsprozess, obwohl er sich andauernd darin befindet. Deswegen treten ihm der Arbeitsprozess wie das Arbeitsprodukt als etwas Fremdes gegenüber (siehe Marx: Frühschriften). In der religiösen Selbstentfremdung nun erlebe der Mensch seine Bedürfnisse einmal als erfüllbare und erfüllte Dinge, andererseits aber auch als prinzipiell oder manchmal unerfüllbar oder unerfüllt. Die Religion wird gegenüber dem Menschen nach und nach zu etwas Selbständigem, Unabhängigem und ihm Fremdem. Dies ist mit der religiösen Selbstentfremdung gemeint: In der Religion verselbstständigen sich die unerfüllten Bedürfnisse, indem Letztere ein Eigenleben führen.
Atheismus als Instinkt – „Gott ist eine faustgrobe Antwort“ Friedrich Nietzsche (1844–1900), Sohn eines evangelischen Pfarrers und christlich erzogen, nannte Gott „eine viel zu extreme Hypothese“. Die christliche Gottesvorstellung hielt er für widerlegt und überholt („Gott ist tot“). Daran, dass Nietzsche selbst an keinen metaphysischen Gott glaubte, besteht kaum ein Zweifel: Dies ist allerdings nicht der Schwerpunkt seiner Argumentation. Nietzsches Atheismus ist vielmehr Voraussetzung einer radikalen Kritik an der (christlichen) Moral. Er sah eine solche „Sklavenmoral“ als hinderlich für die Erhebung des Menschen zu neuer Größe an. Diese Kritik der christlichen Moral ist zwar charakterisiert von zahlreichen polemischen und invektiven Äußerungen Nietzsches („was war der grösste Einwand gegen das Dasein bisher? Gott […]“), zeigt sich aber vor allem in einer historisch-wissenschaftlichen (Zur Genealogie der Moral) und philosophischen Auseinandersetzung mit Begriff und Zweck von Moral (v. a. Morgenröte. Gedanken über die moralischen Vorurteile und Die fröhliche Wissenschaft). Für Nietzsches Atheismus ist kennzeichnend, dass er sich nicht generell gegen das Postulat höherer Werte stellt, sondern zunächst nur gegen jene der christlichen Moral, schließlich aber gegen die Werte jeder Moral, sofern sie die Instinktgewissheit und den biologisch angelegten „Willen zur Macht“ schwächen. Nietzsche wendet sich also gegen jede Moral, die zum Leben „Nein“ sagt. Das aber war seiner Ansicht nach bei den Morallehren aller bisherigen Philosophien und Religionen in mehr oder weniger großem Umfang der Fall – obwohl diese „Instrumente im Dienste des wachsenden Lebens“ sein sollten. ;Nein zum Ja-und-Amen-Sagen – „Umwertung aller Werte“ Nietzsche bezeichnete sich folglich als den „ersten Immoralisten“ und bezeichnet damit eine Haltung des bewussten Verzichts auf eine Rückbindung an eine metaphysische Ordnung und Wahrheit. In Also sprach Zarathustra versuchte er im bewussten Anklang an den Stil der Bibel, die „frohe Botschaft“ vom „Übermenschen“ (also einer Moral, die im Dienste des Lebens steht) zu konkretisieren. In Nietzsches Atheismus ist nicht bloß ein nihilistischer Trieb zur Entwertung der Kultur zu sehen, nach Nietzsches eigener Auffassung sogar gerade das Gegenteil. Nietzsche kritisiert zwar die Moral und versteckt seine Abneigung gegen die christlichen Ideale nicht, jedoch wollte er diese Abwertung in sein Programm der „Umwertung aller Werte“ einbinden, die letztlich dem Ziel dient, neue Werte zu schaffen. Der Typus Zarathustra sollte so etwas wie der erste Prophet dieser neuen „ja-sagenden Moral“ sein, die im Dienste des Lebens steht, anstatt es in seiner freien Entfaltung zu hindern. ;Nein zum Götterglauben – „Selbstbesinnung der Menschheit“ Nietzsches Atheismus ist also ein notwendiges Zwischenprodukt, das im Prozess der „Umwertung der Werte“ den Boden für eine „Selbstbesinnung der Menschheit“ bereiten soll, die letztlich in eine bejahende, lebensfrohe Moral mündet. Atheismus bedeutet hier die Ablehnung von metaphysischer Ordnung und die Verneinung des damit verbundenen Gottglaubens. Dabei gesteht Nietzsche einigen Arten des Götterglaubens – ohne sie für „wahr“ zu halten – durchaus eine nützliche oder ästhetisch ansprechende Funktion zu. In Der Antichrist beschreibt er etwa einen „gesunden“, schadlosen Götterglauben folgendermaßen: Folglich ist es auch schlüssig, warum Nietzsche dem (in seinem Sprachgebrauch „nihilistischen“) jüdisch-christlichen Gottesbegriff immer wieder den Begriff eines gewalttätigen dionysischen Gottes gegenüberstellt. Nicht der Gottesglaube selbst schadet, sondern der Glaube an einen jenseitigen, metaphysischen Gott. Nietzsches Angriffe gegen den verbreiteten Gottesbegriff sind also eingebunden in eine viel weiter reichende Kultur- und Religionskritik und gehen damit über einen bloßen Atheismus hinaus. Tatsächlich richtet sich Nietzsche an vielen Stellen auch gegen seiner Meinung nach zu simple oder inkonsequente Formen des Atheismus.
Sigmund Freud, der Begründer der Psychoanalyse, hat mehrmals in einer naturgeschichtlichen Deutung die Entstehung von Religionen (und vieler anderer Erscheinungen) als die Erfüllung unbewusster, auch unterdrückter Wünsche des Menschen zu erklären versucht. Als Grundlage dienten Freud die Ähnlichkeiten zwischen kultisch-religiösen Handlungen und den Handlungsabläufen neurotischer Besessenheit. In seinem Buch Totem und Tabu (1913) kommt er zu der Schlussfolgerung: seien eben die Religionsvorstellungen. Die Herleitungen, in denen sowohl die darwinsche „Urhorde“ als auch der Ödipuskomplex herangezogen werden, gelten als spekulativ. In einer verallgemeinerten Form, nämlich dass Religionen sehr wohl vorgeben, starke bewusste wie auch unbewusste Wünsche und Sehnsüchte der Menschen zu erfüllen, gilt Freuds These als unbestritten. Freuds einschlägige Monographie zum Thema ist Die Zukunft einer Illusion (1927). Nach Freud bieten die Eltern dem Kind unverzichtbaren Schutz und ein moralisches Gerüst für die Orientierung. Aus Sicht des Kindes sind die Eltern in der Lage, Übermenschliches zu leisten. Mit zunehmendem Alter des Kindes erkennt es, dass auch die Eltern nicht immer Schutz und Rat bieten können. So überträgt das Kind die den Eltern zugeschriebenen Fähigkeiten auf Gott. Anstatt also die Vorstellung aufzugeben, dass man immer geborgen und beraten ist in der Welt (Realitätsprinzip), wird weiterhin an der Illusion festgehalten. Gott ersetzt die Eltern in ihrer Funktion, Schutz und Moral zu bieten. Wenn Freuds Schlussfolgerungen auch nicht direkt den Theismus widerlegen, bieten sie doch gewisse Ansatzpunkte, religiöse Phänomene durch psychische Vorgänge zu erklären und die Notwendigkeit der Annahme übernatürlicher Kräfte zu verneinen.
Einen existenzialistischen Atheismus im eigentlichen Sinne gibt es nicht, da der Existenzialismus kein geschlossenes Lehrgebäude darstellt und unter diesem Begriff sehr disparate weltanschauliche, philosophische, ja auch theologische Konzepte versammelt werden. Sie reichen von Stirner über Schopenhauer, Kierkegaard, Heidegger, Camus bis Sartre und Jaspers. Nimmt man als Referenzpunkt den Existenzialismus sartrescher Prägung, so ergibt sich folgende atheistische Auffassung: Der wichtigste existenzialistische Grundsatz Sartres findet sich in seinem bekannten Satz wieder, wonach die (menschliche) Existenz der Essenz (dem Wesen) vorausgehe. Es gibt kein Wesen (hier sowohl personal als Gott verstanden als auch abstrakt als Natur des Menschen), wonach und wodurch der Mensch konzipiert wurde. Da der Mensch zu Beginn „Nichts“ ist und sich ständig selbst entwirft, bedeute Gott also jemand, der so etwas wie eine menschliche Natur konzipiert hat, eine Beschränkung dieses konstitutiven Selbstentwurfs. Stattdessen ist nach Auffassung der Existenzialisten der Mensch von Beginn an zur absoluten Freiheit verdammt. Für die Neoexistenzialisten der Sartre-Schule ist Gott zunächst also das, was die absolute Freiheit des Menschen beschränkt. „Wenn Gott nicht existierte, wäre alles erlaubt“, schrieb Dostojewski. Aus existenzialistischer Perspektive würde man hinzusetzen: „Und weil er nicht existiert, ist der Mensch zur Verantwortung verdammt.“ Wie ist das zu verstehen? Wenn Gott existierte, gäbe es etwas, was der menschlichen Existenz vorausginge, auf das er sich als Grund seines Handelns berufen könnte. Fällt dieser Grund weg, ist der Mensch absolut verlassen und muss die Gründe seines Handelns vollständig aus sich selbst schöpfen. Erst jetzt, wenn prinzipiell alles erlaubt ist, ist er nach neoexistenzialistischer Sichtweise als Individuum voll verantwortlich für sein Handeln. Für Neoexistenzialisten ermöglicht erst eine Welt (genauer: eine Existenz) ohne Gott die wahre Verantwortung des Menschen. Die neoexistenzialistische Auffassung (Sartre, Camus) übernimmt Heideggers Daseinsbegriff (Sein und Zeit) für die Existenz. Demnach seien drei Dinge für die menschliche Existenz charakteristisch: die Geworfenheit, der Entwurf und die Verfallenheit. Wesentlich für die atheistische Grundhaltung der Neoexistenzialisten ist die Geworfenheit: Der Mensch ist kein Abbild einer Idee oder eines Vorbilds oder Bauplans, sondern er wird als tabula rasa in die Welt geworfen. Im Atheismuskonzept des Neoexistenzialismus geht es nicht allein um die Zurückweisung eines personalen Gottes, dem die Menschen sich zu verantworten haben, sondern auch um alle Konzepte, die als Theorien der „Natur des Menschen“ auftreten: Sei es die Gesellschaft (der Mensch als soziales Wesen), sei es die Ökonomie (der homo oeconomicus) oder seien es anthropologische Konzepte (der Mensch als des Menschen Wolf, als Egoist) – alle werden sie vom Existenzialismus zurückgewiesen mit dem Verweis, sie leisteten nur die Ent-Verantwortung des Menschen, weil dieser damit auf ihm äußerliche, sachliche Zwänge hinweisen könne. Damit kann der existenzialistische Atheismus auch als Versuch verstanden werden, gegen die Zwänge moderner Gesellschaften aufzubegehren, was die Neoexistenzialisten, vor allem Sartre, im Verlauf der Studentenrevolten 1968 in Frankreich auch taten.
; Logisch-empiristische Metaphysikkritik In weiten Teilen der im 20. Jahrhundert entwickelten analytischen Philosophie wurden anfänglich Fragen nach der Existenz oder Nichtexistenz von Göttern sowie metaphysische Fragen als unsinnig, nicht behandelbar oder irrelevant angesehen. So wurde im Rahmen des Logischen Positivismus die Rede über Götter für sinnlos gehalten, weil Sätze, in denen diese Begriffe vorkommen, nicht wahrheitsfähig seien (d. h. überhaupt nicht wahr oder falsch sein können). Dabei wird jedoch nicht behauptet, dass es keine Götter gebe. Vielmehr wird der Satz „Es gibt keine Götter“ ebenfalls als inhaltsleer angesehen – wie überhaupt jeder Satz über Gott oder sonstige metaphysische Objekte „keinen Sinn“ habe, sondern ein „Scheinsatz“ sei (so etwa Rudolf Carnap). Nach Max Bense, im deutschen Sprachraum damals einer der profiliertesten Vertreter dieser Position, sage ein Satz wie „Gott ist transzendent“ lediglich „von einem unbestimmten Etwas (x) ein unbestimmtes Prädikat (ist pektabel)“ aus. ; Epistemologische Debatten Einige Erkenntnistheoretiker sehen bei Existenzfragen stets den in der Beweispflicht, der die Existenz einer Sache behauptet, hier also den Theisten. Solange dieser die Begründungspflicht nicht erbracht habe, sei es rational gerechtfertigt, von einer Nichtexistenz auszugehen, zumal die Erklärung der Welt keine Gotteshypothese erfordere. Siehe hierzu ein evidentes Beispiel von Richard Dawkins unter 3.5.4.2 Neuer Atheismus dieses Artikels (s. u.). ; Widersprüchlichkeit göttlicher Eigenschaften Seit den Anfängen systematisch-theologischer Debatten wird über die Vereinbarkeit göttlicher Eigenschaften wie Allmacht, Allgüte, Gerechtigkeit, Einfachheit, Unendlichkeit usf. gestritten. So auch in der jüngeren analytischen Theologie. Eine typische Beweisführung mit der intendierten Konsequenz der Nichtexistenz Gottes hat dabei die Form eines Widerspruchsbeweises ausgehend von der Existenzannahme und üblichen Eigenschaftsaussagen über Gott. Wenn die Gott zugeschriebenen Eigenschaften semantisch widersinnig oder logisch widersprüchlich sind (wie etwa im sog. Allmachtsparadoxon), dann könne es jenen Gott nicht geben. Zu den ideengeschichtlich ältesten Argumenten, welche die Nichtexistenz Gottes wegen Inkompatibilitäten angenommener göttlicher Eigenschaften einerseits und empirischen Befundes andererseits nahelegen, gehört die Argumentation, dass Gottes Allmacht und Allgüte nicht mit der apparenten Existenz vermeidbarer Übel kompatibel sei (siehe hierzu ausführlich den Hauptartikel Theodizee).
; Naturwissenschaftliche und neurophysiologische Argumente Atheismus auf der Basis empirischer Überlegungen: Der US-amerikanische Physiker Victor Stenger ist der Auffassung, dass für die Gotteshypothese nicht nur empirische Belege fehlen, sondern dass sich auch die oftmals Göttern zugeschriebenen Eigenschaften anhand naturwissenschaftlicher Erkenntnisse anfechten lassen. So seien die Schöpfung von Lebewesen durch die Evolutionstheorie, Körper-Seele-Dualismus und Unsterblichkeit durch Neurologie, die Wirkung von Gebeten durch Doppelblindstudien, die Schöpfung des Universums durch thermodynamische sowie quantenphysikalische Überlegungen und göttliche Offenbarungen durch die Geschichtswissenschaft widerlegt worden. Das Universum verhalte sich genau so, wie es in Abwesenheit eines Gottes zu erwarten sei.
Erstmals 2006 wurden einige Autoren, die in den vorangegangenen drei Jahren unter Berufung auf die Naturwissenschaften gegen theistische Glaubensformen argumentierten, als „Neue Atheisten“ bezeichnet. Zu ihnen zählen die US-Amerikaner Sam Harris, Daniel C. Dennett und der Brite Richard Dawkins. Weiterhin wurden Christopher Hitchens und Victor J. Stenger zu den neuen Atheisten gezählt. Ihre jeweiligen Bücher erzielten hohe Auflagen. Anschließend wurden auch der Franzose Michel Onfray, der Deutsche Michael Schmidt-Salomon und andere Autoren hinzugezählt, so dass die Bandbreite der so bezeichneten Position zugenommen hat. Richard Dawkins positioniert sich in der epistemologischen Debatte (3.5.3 Analytische Philosophie, s. o.) folgendermaßen, dass es irrig sei, dass etliche theistische Vertreter die Beweislast umkehren und von den Skeptikern einfordern, postulierte theologische Dogmen zu widerlegen, ohne selbst die Mühen zu unternehmen, diese zweifelsfrei zu untermauern. Hierzu bedient er sich des von Bertrand Russell ersonnenen Beispiels einer hypothetischen Teekanne, die zwischen Erde und Mars ihre elliptischen Bahnen ziehe und derart klein sei, dass sie von keinem existenten Teleskop erfasst werden könne. In jedem Falle liege die Beweislast stets beim Verfechter der Aussage, jedoch kehre sich diese in theologischen Aussagen fälschlicherweise um. Zu den Kritikern des „Neuen Atheismus“ zählen mehrere Theologen, auch moderate Atheisten und andere Autoren, wie etwa Alister McGrath, John Lennox, David Aikman, Tina Beattie, David Berlinski, James A. Beverley, Terry Eagleton und Kathleen Jones; in Deutschland z. B. der „fromme Atheist“ Herbert Schnädelbach (trotz seiner harschen Kritik am Christentum erfolgte seine ebenso starke Kritik an den „Neuen Atheisten“ bezüglich einer konfessionell-naturwissenschaftlichen Gläubigkeit) und der „alte Atheist“ Joachim Kahl (dieser also mit dem direkten Gegenbegriff: „Alter Atheismus“).
Es gibt verschiedene, sich teilweise überschneidende und widersprechende Einordnungen und Systematisierungen des Begriffs „Atheismus“. Beispielsweise unterscheidet das vatikanische Sekretariat für Nichtglaubende diejenigen, die * von der Existenz Gottes „nichts wissen“; * daran zweifeln (skeptischer Atheismus); * meinen, sie sei unserer Intelligenz unzugänglich (agnostischer Atheismus); * die Frage für sinnlos halten („semantischer oder neopositivistischer Atheismus“); * jede positive Offenbarung ablehnen (die „Ungläubigen“); * Gott aus dem menschlichen Tun ausschließen (spekulativ-praktischer Atheismus); * ihre Aufmerksamkeit ausschließlich auf ein Wertesystem konzentrieren, in dem Gott abwesend ist (praktischer Indifferentismus). Während in der deutschsprachigen Literatur eher von „engen“ und „weiten“ Begriffsbedeutungen die Rede ist, wird der Atheismus im angelsächsischen Raum oft mit den Begriffen strong (oder positive) und weak (oder negative) bezeichnet. Im Deutschen nimmt der Begriff „stark“ an Verbreitung zu (parallel zu „eng“). Auf Grundlage dieser polaren Unterscheidungen kann der Atheismus systematisch weiter geordnet oder typologisiert werden.
Eine verbreitete Kategorie ist der weite (implizite) Atheismus, dessen Vertreter aussagen: „Ich bin nicht überzeugt, dass es Götter gibt.“ # Pragmatische Ansätze eines weiten Atheismusbegriffs: Pragmatiker (Alltagsbegriff) resp. Pragmatisten (Philosophie) lassen Begriffe und Entitäten im Sinne Ockhams nur gelten, wenn sie praktischen Nutzen versprechen oder sich bereits in der Praxis bewährt haben. Es gibt entsprechend pragmatische Auffassungen, nach denen eine Erklärung und Beurteilung der Welt ohne Annahme von Göttern zufriedenstellend möglich sei. Die Existenz von Göttern wird demgemäß zwar nicht bestritten, ihre Annahme aber als uninteressant oder überflüssig abgelehnt. # Nominalistische Ansätze: Begriffsnominalisten vertreten die Auffassung, dass nur Einzeldingen Wirklichkeit und damit Existenz zukomme, während Gott als ein genereller Terminus nur Name (=Nomen) sei. Unter Maßgabe der Einfachheit der Erkenntnisse (Simplizitätskriterium), sei die Annahme von Gott oder Göttern als eigenständig und unabhängig existierenden Wesen überflüssig. # Atheistischer Agnostizismus: Dieser behauptet, dass Götter mit den Mitteln menschlicher Vernunft nicht erkennbar seien (intelligibler Agnostizismus), oder dass für die Annahme von Göttern nach wissenschaftlichen Gesichtspunkten die Beweise oder Belege fehlten (szientistischer Agnostizismus). Im intelligiblen Agnostizismus kann man wieder unterscheiden zwischen stark und weit: Der weite Agnostizismus behauptet nur, dass Götter möglicherweise nicht, oder noch nicht erkennbar seien, der starke hingegen, dass Götter mit den Mitteln der menschlichen Vernunft prinzipiell nicht erkennbar seien. # Szientistische und sprachlogische Ansätze eines weiten Atheismusbegriffs: Ein typisch wissenschaftlicher Ansatz hält die Rede über Götter für sinnlos, weil Sätze, in denen diese Begriffe vorkommen, nicht wahrheitsfähig seien (siehe oben). Der szientistische Atheismus behauptet jedoch nicht, dass es keine Götter gebe. Für ihn ist der Satz „Es gibt keine Götter“ genauso inhaltsleer wie „Es gibt keine Elfen“. # Postulatorische Ansätze eines weiten Atheismusbegriffs: Dieser meist von Wissenschaftlern vertretene Atheismus geht davon aus, zunächst einmal Götter aus dem System der Erkenntnisse herauszulassen, also keine Götter zu postulieren im Gegensatz zur Theologie. Theistische Annahmen könnten jedoch später an Grenzbereichen der Wissenschaft oder in unerforschten oder als unerforschbar angesehenen Teilen wieder zugelassen werden (Beispiel: Stephen Hawking Pre-Big-Bang God). Diese Spielart des Atheismus wird oft in Verbindung gebracht mit pragmatischen und nominalistischen Ansätzen. Bei Kant ist Gott nur eine regulative Idee der Vernunft. Spinoza definiert mit dem Ausspruch Deus sive Natura („Gott bzw. Natur“) Gott als ausschließlich in der Schöpfung als Ganzes wirkende Substanz.
Die Gegenkategorie zum weiten Atheismus ist der starke (positive, explizite) Atheismus mit der logischen Aussageform: „Ich bin überzeugt, dass es weder Gott noch Götter gibt“. Vertreter des starken Atheismus lehnen den Glauben an die Existenz von Gott oder Göttern ab, also Monotheismus wie Polytheismus gleichermaßen. Hierfür findet sich gelegentlich auch der Begriff Antitheismus. Starker Atheismus lehnt auch ähnliche Überzeugungssysteme wie beispielsweise den Glauben an übernatürliche Wesen, Wirkkräfte oder Mächte ab, ist also Gegner aller spirituellen, animistischen und magischen Lehren sowie eines jeglichen Mystizismus. # Ansatz aus dem Umfeld des metaphysischen Rationalismus: Es bestehen Annahmen, wonach nur das existieren könne, was durch menschliche Vernunft prinzipiell erkennbar sei. Weil Götter prinzipiell nicht erkennbar seien, könnten sie auch nicht existieren. Somit wird von Eigenschaften des menschlichen Verstands (ggf. bis in seine biologische Struktur reichend) eine Nichtexistenz von Gott oder Göttern abgeleitet. # Radikal-szientistische Ansätze: Während für normal-szientistische Atheisten nur die Rede über Götter unsinnig ist, darf für deren radikale Vertreter nur das als existierend angenommen werden, was nach intersubjektiv überprüfbaren Verfahren wissenschaftlich beweisbar ist. Da dies für Götter und andere transzendentale Ideen nicht gelte, können sie nach diesen Überzeugungen nicht existieren. # Theodizee-Ansätze: Hierbei wird behauptet, dass es aufgrund des Leidens und der Ungerechtigkeit auf der Welt keine(n) (allgütigen oder allmächtigen) Gott oder Götter geben könne. In seiner weniger radikalen Form kann der Theodizee-Atheismus auch als schwacher konditionaler Atheismus auftreten: „Wenn Gott existiert, dann kann er angesichts des Übels auf Erden nicht allmächtig oder nicht allgütig sein“. Die Existenz Gottes wird dabei zwar nicht bestritten, jedoch in seinen Eigenschaften begrenzt. Es ist dann eine theologische Frage, ob ein solches Wesen noch als Gott bezeichnet werden kann. # Logisch-metaphysische Ansätze eines starken Atheismusbegriffs: Hier bestehen teilweise Ähnlichkeiten zu Ansätzen des metaphysischen Rationalismus. Sie sind darauf beschränkt, dass sich alle Gottesbeweise in Widersprüche (Antinomien) verwickeln würden. Unter ihrer logisch-metaphysischen Prämisse, dass etwas Widersprüchliches nicht existieren könne, gelte dies auch für Götter im Sinne eigenständiger Wesen. Daneben gibt es auch noch Spielarten des Atheismus, die den eigenständigen ontologischen Status von Gott oder Göttern einschränken oder bestreiten. Im anthropozentrischen Ansatz (Ludwig Andreas Feuerbach etwa) ist Gott kein echtes übernatürliches Wesen, sondern ein Produkt menschlicher Einbildungskraft.
Mit Agnostizismus kann die These einer Falschheit von sowohl Theismus wie Atheismus oder nur eine Unentscheidbarkeit einhergehen. Wenn mit Atheismus die Festlegung auf die Nichtexistenz Gottes gemeint ist („starke“ Bedeutung), dann bieten agnostizistische Positionen epistemische Argumente gegen theistische und „stark“ atheistische Positionen. Eine Form von Argumentation versucht zu zeigen, dass keine hinreichenden Rechtfertigungen für eine theoretische Verpflichtung auf Position oder Negation der Existenz Gottes bestünden, so dass eine diesbezügliche Urteilsenthaltung rationaler erscheine. Derartige Positionen sind insbesondere dann naheliegend, wenn „Gott“ verstanden wird als Eigenname, der auf ein etwaiges metaphysisches übernatürliches Objekt referiert, und empiristische oder verifikationistische Voraussetzungen vertreten werden. Dann wäre eine Aussage sinnlos, wenn deren Wahrheit nicht empirisch überprüfbar ist. Folglich wären die Aussagen „Gott existiert nicht“ und „Gott existiert“ nur unverständliche Lautkombinationen mit „… existiert (nicht)“.
Jede Argumentation für theistische Positionen ist per se eine Argumentation gegen atheistische Positionen. Die meisten der bis heute diskutierten Typen von Argumenten haben Vorläufer bereits in der vorchristlichen Antike. Dazu zählen Versuche, die Existenz eines oder des Gottes zu beweisen, indem unterschiedliche Typen von Verursachungsketten auf eine Erstursache zurückgeführt werden. Dieser Typ von Argumenten begegnet in expliziter Form zuerst bei Aristoteles. Einer von vielen, welche diesen Argumenttyp wiederholen, ist Thomas von Aquin. Davon unterscheidbar sind Argumente, die ohne Bezugnahme auf Erfahrungstatsachen auskommen und z. B. bei einer Analyse des Seinsbegriffs (Avicenna u. a.) ansetzen oder bei einer Analyse der Implikate eines Begriffs Gottes als „dasjenige, worüber hinaus Größeres nicht gedacht werden kann“ (Anselm von Canterbury). Beide Argumenttypen sind unpopulärer geworden, spätestens seit Immanuel Kants Einwänden gegen die Möglichkeit, neue Wahrheiten über die Welt ohne Bezug auf Erfahrung zu gewinnen und über Gegenstände unabhängig davon zu reden, gemäß welcher Voraussetzungen diese uns erkennbar sind. Eine Argumentation zugunsten des Gottesglaubens, die sich auf erwünschte moralische oder gesellschaftliche Konsequenzen oder Funktionen bezieht, erscheint den meisten gegenwärtigen systematischen Theologen wenig plausibel. Eine derartige Argumentation findet sich auch in der vorchristlichen Antike, oftmals gepaart mit einer Polemik gegenüber Atheisten aufgrund der These, Atheismus führe notwendig und faktisch zu unmoralischem Verhalten. Platon etwa teilt in seinen Nomoi Atheisten in unterschiedliche Gruppen ein, die allesamt zu bestrafen seien; während für einige eine Gefängnisstrafe hinreiche, erfordere es bei anderen durchaus ein oder zwei Tode. Platon gilt, wie vielen vor und nach ihm, der Mensch kraft seiner Vernunft als göttlich und kraft seines Bezugs auf einen Gott als menschlich. Francis Bacon beschuldigt den Atheismus, „den Menschen zum Tier herabzuwürdigen, da er mit keiner höheren Natur mehr verbunden sei“. Professor Joseph Ratzinger (der später Papst Benedikt XVI. wurde) hob im Hinblick auf die Gefahr des „Unwesens“ der Religion auch eine positive reinigende Funktion des Atheismus hervor:
* Diskriminierung von Atheisten (weltweit) * Antireligiöses Abc * Atheismusstreit (im Herzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach 1798–1799)
Mit Nachschlagewerken: * Stephen Bullivant, Michael Ruse: The Oxford Handbook of Atheism. Oxford University Press, Oxford 2013, ISBN 978-0-19-964465-0 (). * Paul Edwards: Atheism und Atheismusstreit. In: Derselbe (Hrsg.): Encyclopedia of Philosophy. Band 1, MacMillan, New York 1967, S. 174–192 sowie der Eintrag Atheism in der 2. Auflage von 2005, S. 356–377. * Michael Martin (Hrsg.): The Cambridge Companion to Atheism. Cambridge University Press, Cambridge 2007, ISBN 978-0-521-60367-6. * Wolfgang Müller-Lauter u. a.: Atheismus. In: Theologische Realenzyklopädie. Band 4, 1993, S. 349–436. * Richter, Susan (Hg.): Verfolgter Unglaube. Atheismus und gesellschaftliche Exklusion in historischer Perspektive, Frankfurt a. M./ New York 2018, ISBN 978-3-593-39060-4. * Hans-Walter Schütte: Atheismus. In: Joachim Ritter, Karlfried Gründer, Gottfried Gabriel (Hrsg.): Historisches Wörterbuch der Philosophie (HWPh). Band 1, Schwabe, Basel 1971, ISBN 3-7965-0692-5, S. 595–599. * Max Seckler u. a.: Atheismus. In: Lexikon für Theologie und Kirche (LThK), dritte Aufl., Band 1, 1993, S. 1132–1142.
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(Siehe auch Literatur in den Artikeln Religionskritik und Kirchenkritik.) * Karen Armstrong: A History of God. Vintage, London 1999, ISBN 0-09-927367-5. * Thomas Bénatouïl, Jean-Baptiste Gourinat, Michel Narcy (Hrsg.): L'athéisme antique. (= Philosophie antique. Problèmes, renaissances, usages, 18). Presses Universitaires du Septentrion, Villeneuve-d'Ascq 2018. * David Berman: A History of Atheism in Britain: from Hobbes to Russell, London: Routledge 1990, ISBN 0-415-04727-7. * Jan N. Bremmer: Literacy and the Origins and Limitations of Greek Atheism. In: Studies in Honour of H. L. W. Nelson. Utrecht 1982, S. 43–55. * Norbert Brox: Zum Vorwurf des Atheismus gegen die Alte Kirche. In: Trierer Theologische Zeitschrift 75 (1966), S. 274–282. * Michael J. Buckley: Denying and Disclosing God: The Ambiguous Progress of Modern Atheism, New Haven: Yale University Press 2004, ISBN 0-300-09384-5. * Peter Dinzelbacher: Unglaube im Zeitalter des Glaubens. 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(Siehe auch oben die Bibliographie in: Richard Faber & Susanne Lanwerd, 2006.) * Karl Baier, Sigrid Mühlberger, Hans Schelkshorn, Augustinus Karl Wucherer-Huldenfeld (Hrsg.): Atheismus heute? Ein Weltphänomen im Wandel. Leipzig 2001. * Christel Gärtner, Detlef Pollack, Monika Wohlrab-Sahr (Hrsg.): Atheismus und religiöse Indifferenz. Opladen 2003. * Thomas Schmidt, Monika Wohlrab-Sahr: Still the Most Areligious Part of the World: Developments in the Religious Field in Eastern Germany since 1990. In: International Journal of Practical Theology. 7 (2003), S. 86–100. * Monika Wohlrab-Sahr, Uta Karstein, Christine Schaumburg: „Ich würd' mir das offenlassen“. Agnostische Spiritualität als Annäherung an die „große Transzendenz“ eines Lebens nach dem Tode. In: Zeitschrift für Religionswissenschaft. Marburg 13 (2005), S. 153–173.
(Siehe auch Literatur im Artikel Gottesbeweis zu klassischen und jüngeren Versuchen sowie zu Einwänden gegen diese.) * Hans-Jürgen Balmes, Jörg Bong, Alexander Roesler, Oliver Vogel, Isabel Kupski (Hrsg.): Neue Rundschau 2007/2: Atheismus. Fischer, Frankfurt am Main, 8. Juni 2007, ISBN 978-3-10-809069-2 (Aufsatzsammlung mit Beiträgen von Taha Muhammed Ali, Hans Blumenberg, Gudrun Boch, Sarah Shun-lien Bynum, Jorie Graham, Werner Hamacher, Felicitas Hope, Alberto Manguel, Willem Jan Otten, Herbert Schnädelbach, Arnold Stadler, Thomas P. Weber und Slavoj Žižek). * Tim Crane: The Meaning of Belief – Religion from an Atheist’s Point of View. Harvard University Press, Cambridge, Mass 2017, ISBN 978-0-674-08883-2. * Lutz Danneberg, Sandra Pott, Jörg Schönert, Friedrich Vollhardt (Hrsg.): Zwischen christlicher Apologetik und methodologischem Atheismus. Wissenschaftsprozesse im Zeitraum von 1500 bis 1800 (= Säkularisierung in den Wissenschaften seit der Frühen Neuzeit. Band 2). de Gruyter, Berlin/New York 2002, ISBN 3-11-017510-X (). * Anders Bjørn Drachmann: Atheism in Pagan Antiquity. Gyldendal, London u. a. 1922; Nachdruck: Kessinger Publishing, Whitefish 2005, ISBN 0-7661-9086-2 (geht auch kurz auf Mittelalter und Moderne ein; in archive.org). * Theodore M. Drange: Nonbelief and Evil. Two Arguments for the Nonexistence of God. Prometheus Books 1998, ISBN 1-57392-228-5. * Jack David Eller: Natural Atheism. AAP, Cranford, New Jersey 2004, ISBN 1-57884-920-9. * Nicholas Everitt: The Non-Existence of God. Routledge, London 2004. * Antony Flew: Atheistic Humanism. 1993, ISBN 0-87975-847-3. * Antony Flew, William Lane Craig: Does God Exist: The Craig-Flew Debate. 2003, ISBN 0-7546-3190-7. * Antony Flew: God and Philosophy. 2005 (jüngster von mehreren Nachdrucken). * Antony Flew, Roy Abraham Varghese: There is a God. How the World’s Most Notorious Atheist Changed His Mind. 2007, ISBN 978-0-06-133529-7. * John Niemeyer Findlay: Can God’s Existence be Disproved? In: Antony Flew, Alasdair MacIntyre (Hrsg.): 1955, New Essays in Philosophical Theology. S. C. M. Press, London 1955. * R. Gale: On the Nature and Existence of God. Cambridge University Press, Cambridge 1991. * Norbert Hoerster: Die Frage nach Gott. Beck, München 2005, ISBN 3-406-52805-8. * Robin LePoidevin: Arguing for Atheism. An Introduction to the Philosophy of Religion. London 1996. * Hermann Lübbe, Hans-Martin Sass (Hrsg.): Atheismus in der Diskussion. Kaiser, München 1975, ISBN 3-459-01037-1 (Überblick zur damaligen Debattenlandschaft im deutschen Sprachraum). * John Leslie Mackie: Das Wunder des Theismus. Argumente für und gegen die Existenz Gottes. Reclam, Stuttgart 1985, ISBN 3-15-008075-4. * Michael Martin: Atheism. A Philosophical Justification. Temple University Press 1992, ISBN 0-87722-943-0. * Michael Martin, Rickie Monnier (Hrsg.): The Improbability of God. Prometheus Books, Amherst 2006. * Ernest Nagel: A Defense of Atheism. In: J. E. Fairchild (Hrsg.): Basic Beliefs. New York 1959. * Kai Nielsen: In Defense of Atheism. In: H. Kiefer, M. Munitz (Hrsg.): Perspectives in Education, Religion, and the Arts. Albany 1970. * Graham Oppy: Arguing about Gods. Cambridge University Press, Cambridge 2006. * H. Philipse: The Irrationality of Religion. A Plea for Atheism. In: Berit Brogaard, Barry Smith (Hrsg.): Rationality and Irrationality. Rationalität und Irrationalität. Proceedings of the 23rd International Wittgenstein-Symposium, Akten des 23. Internationalen Wittgenstein-Symposiums, Kirchberg am Wechsel 2000 (= Schriftenreihe der Wittgenstein-Gesellschaft. Band 29). Wien 2001, ISBN 3-209-03648-9. * Richard Robinson: An Atheist’s Values. Oxford University Press, Oxford 1964. * J. J. C. Smart, John Haldane: Atheism and Theism. 2. Auflage. Blackwell, Oxford 2003. * Quentin Smith, William Lane Craig: Theism, Atheism and Big Bang Cosmology. Oxford University Press, Oxford 1993. * Magnus Striet (Hrsg.): Wiederkehr des Atheismus. Fluch oder Segen für die Theologie? Herder, Freiburg im Breisgau/Basel/Wien 2008, ISBN 978-3-451-29821-9. * Richard Swinburne: Die Existenz Gottes. Reclam, Stuttgart 1987, ISBN 3-15-028434-1.
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* , The PhilPapers Foundation, Aufsatzsammlung (englisch). * Mechthild Klein: ]. 23. Juni 2021 („Mehr als ein Drittel der Deutschen gehört keiner Religionsgemeinschaft an, der Anteil wird größer. Aber nicht alle von ihnen sind Atheisten“). * 2. August 2017 (englisch). * Ohne Datum (englisch).
Die hier genannten „agnostischen Ansichten“ markieren verschiedene epistemologische, die Wahrscheinlichkeitsformulierung verschiedene empirische und die ‚gibt-keinen‘-Formulierung metaphysische Positionen (letztere im Sinne eines logisch oder ontologisch notwendigen Ausschlusses göttlicher Existenzen in allen möglichen Welten). Siehe als detaillierte Standardzusammenfassungen insbesondere das HWPh, die REP und das international umfangreichste Werk von F. Mauthner, Der Atheismus und seine Geschichte im Abendland. 4 Bde. 1920–1923, bei dem der Agnostizismus wie auch in weiteren Standardwerken atheistisch ausgelegt ist (l.c.). Das HWPh, Art. „Agnostizismus“ (Bd. 1, 1971), zitiert Mauthner nach dem Wörterbuch der Philosophie (1923, 1, 20), wonach der Agnostiker so bestimmt sei: „die Vermeidung des «unschicklichen», aber zutreffenden Wortes «Atheist»“. J. Stenzel hält die für den Agnostizismus schulbildende Protagoras-Formulierung, wonach von Göttern nichts erkennbar und nicht erforschbar sei (Kritias, fr. 25) für „atheistisch“ (Metaphysik des Altertums. In: Handbuch der Philosophie, München 1934), während andere Werke eine klare Trennung zum Agnostizismus markieren (z. B. The Oxford Companion to Philosophy, Oxford/New York 1995, S. 63; vergleiche auch The Encyclopedia of Philosophy, 1967, S. 182, mittels eines engem Atheismusbegriffs). Die Ausprägungen atheistischer Überzeugungen sind vielfältig, eine klare Abgrenzung zum Agnostizismus ist nicht immer möglich. Nur im Falle von agnostischen Ansichten, die „Gott“ definitiv außen vor lassen oder in irgendeiner Weise ablehnen, ist eine damit verbundene Überschneidung mit dem Atheismus begrifflich fassbar als „agnostischer Atheismus“ (anders gewichtet: als „atheistischer Agnostizismus“). Vergleiche etwa Simon Blackburn: The Oxford Dictionary of Philosophy. OUP, Oxford 1996: Während „there is none“ eine Frage nach „Gott“ verneinen kann, steht diesbezüglich das hier verwendete ‚lack‘ ähnlich wie „Dasein ohne“ stellvertretend entweder für unreflektierte Indifferenz (Abwesenheit, Desinteresse, Fehlen, Gleichgültigkeit, Ignoranz, Unglauben, Unkenntnis und Unwissen) oder aber für philosophisch-reflektierte Indifferenz (Abstandsnahme, Infragestellen, Kritik, Nichtwissen, Positionierung, Skepsis, Urteilsenthaltung, Verzicht oder anders begründete Abgrenzung). Vergleiche Hans-Walter Schütte, Art. Atheismus (in: Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. 1, S. 595–599, mit Zitat von J. G. Walch, Historische und theologische Einleitung in die vornehmsten Religions-Streitigkeiten, 1728, S. 673 f.): Zunächst sei ‚Atheismus‘ durch seine „innewohnende Unbestimmtheit“ ein Ablehnungsbegriff gewesen. „Die Einteilung des Begriffs leitende Vorstellung beruht auf der Annahme, daß A[theismus] Gottlosigkeit bedeute, also die «verkehrte Beschaffenheit des Gemüths, wodurch der Mensch sich zu überreden bemühet ist, es sey kein Gott», bezeichne.“ Zur Bestimmung von ‚Atheismus‘ nennt Schütte neben Unbestimmtheit, Ablehnung und Gemütsbeschaffenheit weitere atheistische „Kräfte“ die den „Theismus erschüttern“, so etwa die Gleichsetzung des Atheismus mit Spinozismus (Ph. J. Spener), das „Recht des Zweifels“ (in Anlehnung an P. Bayle), die Möglichkeit eines Staats von Atheisten (in Anlehnung an F. M. Voltaire), die Gleichsetzung des Atheismus mit Pantheismus (J. G. Fichte) und mit Deismus (I. Kant). Schütte zitiert G. W. F. Hegel, nach dem Atheismus zum einen die Theologie ist, die einen inhaltsvollen Gott annehme. Zum anderen sei „[d]as Resultat der pietistischen Theologie, die versucht, Gott auf «das Gebiet der zufälligen Subjectivität, das des Gefühls anzuweisen»“, ebenfalls Atheismus. Schütte resümiert: „Die gegenwärtige Situation hinsichtlich des Problems des A[theismus] ist dadurch gekennzeichnet, daß die im Laufe der letzten vier Jahrhunderte geltend gemachten Motive in einem schwer auflösbaren Miteinander weiterleben“ Michael Martin: General Introduction. In: Ders. (Hrsg.): The Cambridge Companion to Atheism, l.c., S. 1–7, S. 1. Antony Flew, Michael Martin, und William L. Rowe bezeichnen die Ablehnung als „positive“ oder „strong“ und die neutrale Position als „weak“ atheism (A. Flew, „The Presumption of Atheism“, in: The Presumption of Atheism and other Philosophical Essays on God, Freedom, and Immortality. Barnes and Noble, New York 1976, S. 14 ff.; M. Martin, „The Cambridge Companion to Atheism“, Cambridge University Press 2006; W. L. Rowe: Atheism. In: Routledge Encyclopedia of Philosophy. Juni 1998, S. 530–534). Vergleiche Karl Hoheisel: Art. Atheismus, I. Religionswissenschaftlich. In: Lexikon für Theologie und Kirche (LThK), dritte Aufl., Bd. 1, 1993, S. 1132. Vergleiche H.-W. Schütte, Atheismus-Art. (in: HWPh, Bd. 1, S. 595–599): Bei J. F. Buddeus ist der „praktische Atheismus“ mit „der Überzeugung verbunden, daß der Gottesgedanke ein sicheres Besitztum der menschlichen Vernunft sei und daß die menschliche Gesellschaft durch A[theismus] im Sinne dieses [göttlichen] Beginns in ihren Grundlagen angefochten werde.“ Schütte zitiert L. Feuerbach, für den der „praktische Atheismus“ unter Berufung auf M. Luther eine Aneignung der Religionsgehalte sei und der „Selbstentfaltung des der menschlichen Natur innewohnenden Inhalts“ diene; ferner F. Nietzsche, für den der „Sieg des A[theismus] die Menschheit“ vom Schuldgefühl gegen ihren Anfang löse und der Atheismus „Bedingung für die Entstehung eines neuen Menschen“ ist. Vergleiche auch H. Schnädelbach (Religion in der modernen Welt, 2009, S. 123): Er argumentiert (sich selbst als Atheist bezeichnend), dass das, was Feuerbach mit „praktische Atheismus“ gemeint habe, so praktisch geworden sei, „dass >Atheismus
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Anna Seghers
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Anna Seghers (* 19. November 1900 in Mainz; † 1. Juni 1983 in Ost-Berlin; gebürtig Annette „Netti“ Reiling, verheiratet als Netty Radványi) war eine deutsche Schriftstellerin und von 1952 bis 1978 Präsidentin des Schriftstellerverbandes der DDR.
Anna Seghers war das einzige Kind des Mainzer Kunst- und Antiquitätenhändlers Isidor Reiling und seiner Frau Hedwig (geb. Fuld). Ihr Großvater mütterlicherseits war der Frankfurter Rechtsanwalt Salomon Fuld. Der Vater war Mitglied und anteiliger Bauträger der 1879 eingeweihten neuorthodoxen Synagoge in der Flachsmarktstraße. Sie besuchte ab 1907 eine Privatschule, dann ab 1910 die Höhere Mädchenschule in Mainz, das heutige Frauenlob-Gymnasium. Im Ersten Weltkrieg leistete sie Kriegshilfsdienste. 1920 absolvierte sie das Abitur. Anschließend studierte sie in Köln und Heidelberg Geschichte, Kunstgeschichte und Sinologie. 1924 promovierte sie an der Universität Heidelberg mit einer Dissertation über Jude und Judentum im Werk Rembrandts.
1925 heiratete sie den aus einer jüdischen Familie stammenden ungarischen Soziologen László Radványi, der sich später Johann-Lorenz Schmidt nannte. Mit ihm hatte sie zwei Kinder. Das Ehepaar zog nach Berlin, wo es von 1925 bis 1933 im Bezirk Wilmersdorf wohnte. 1926 wurde der Sohn Peter geboren, der später Pierre Radványi hieß. In der Weihnachtsbeilage 1924 der Frankfurter Zeitung hatte die junge Autorin ihre erste Erzählung Die Toten auf der Insel Djal mit Antje Seghers signiert. Die Erzählung Grubetsch erschien 1927 unter dem Künstlernamen Seghers (ohne Vornamen), worauf Kritiker einen Mann als Autor vermuteten. Das Pseudonym entlieh sie dem von ihr geschätzten niederländischen Radierer und Maler Hercules Seghers (der Name wurde auch Segers geschrieben). 1928 wurde ihre Tochter Ruth († 2010) geboren. In diesem Jahr erschien auch Seghers’ erstes Buch Aufstand der Fischer von St. Barbara unter dem Pseudonym Anna Seghers. Für ihr Erstlingswerk erhielt sie auf Vorschlag von Hans Henny Jahnn noch im selben Jahr den Kleist-Preis. Ebenfalls 1928 trat sie der KPD bei und im folgenden Jahr war sie Gründungsmitglied des Bundes proletarisch-revolutionärer Schriftsteller. 1930 reiste sie erstmals in die Sowjetunion. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten wurde Anna Seghers kurzzeitig von der Gestapo verhaftet; ihre Bücher wurden in Deutschland verboten und verbrannt. Wenig später konnte sie in die Schweiz fliehen, von wo aus sie sich nach Paris begab.
Im Exil arbeitete sie an Zeitschriften deutscher Emigranten mit, unter anderem als Mitglied der Redaktion der Neuen Deutschen Blätter. 1935 war sie eine der Gründerinnen des Schutzverbandes Deutscher Schriftsteller in Paris. Nach dem Beginn des Zweiten Weltkriegs und dem Einmarsch deutscher Truppen in Paris wurde Seghers’ Mann in Südfrankreich im Lager Le Vernet interniert. Anna Seghers gelang mit ihren Kindern die Flucht aus dem besetzten Paris in den von Philippe Pétain regierten Teil Südfrankreichs. Dort bemühte sie sich in Marseille um die Freilassung ihres Mannes sowie um Möglichkeiten zur Ausreise. Erfolg hatten ihre Bemühungen schließlich beim von Gilberto Bosques geleiteten mexikanischen Generalkonsulat, wo Flüchtlingen großzügig Einreisegenehmigungen ausgestellt wurden. Diese Zeit bildete den Hintergrund des Romans Transit (erschienen 1944). Im März 1941 gelang es Seghers, mit ihrer Familie von Marseille nach Martinique auszureisen. Sie gehörte zu den Hunderten von Geflüchteten, die vom Emergency Rescue Committee an Bord eines umgebauten Frachters in Sicherheit gebracht wurden. An Bord der „Capitaine Paul-Lemerle“ befanden sich auch André Breton und seine Frau Jacqueline Lamba, Wifredo Lam, Victor Serge, Claude Lévi-Strauss und Germaine Krull. Über New York und Veracruz wanderte Seghers schließlich nach Mexiko-Stadt aus. Ihr Mann fand dort Anstellung, erst an der Arbeiter-Universität, später auch an der Nationaluniversität. Anna Seghers gründete den antifaschistischen Heinrich-Heine-Klub, dessen Präsidentin sie wurde. Gemeinsam mit Ludwig Renn rief sie die Bewegung Freies Deutschland ins Leben und gab deren gleichnamige Zeitschrift heraus, in der unter anderem ihr Text Ein Mensch wird Nazi (1943) erschien. 1942 erschien ihr Roman Das siebte Kreuz – in einer englischen Ausgabe in den USA und auf Deutsch in Mexiko im Exil-Verlag El libro libre (Das freie Buch). Im Juni 1943 erlitt Anna Seghers bei einem Verkehrsunfall schwere Verletzungen, die einen langen Krankenhausaufenthalt notwendig machten. 1944 verfilmte Fred Zinnemann Das siebte Kreuz – der Erfolg von Buch und Film machten Anna Seghers weltberühmt; nach ihrem Tod machte Hans Werner Henze diesen Roman 1996 in einer Nachdichtung von Hans-Ulrich Treichel zur Grundlage seiner 9. Sinfonie.
1947 verließ Seghers Mexiko und kehrte nach Berlin zurück, wo sie anfangs als Mitglied der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands in West-Berlin lebte. Auf dem Ersten Deutschen Schriftstellerkongress im Oktober 1947 hielt sie eine viel beachtete Rede über das Exil und den Freiheitsbegriff. In diesem Jahr wurde ihr der Georg-Büchner-Preis verliehen. 1950 zog sie nach Ost-Berlin und wurde zum Mitglied des Weltfriedensrates und zum Gründungsmitglied der Deutschen Akademie der Künste berufen. Im Jahr 1951 erhielt sie den Nationalpreis der DDR und unternahm eine Reise in die Volksrepublik China. 1952 wurde sie Präsidentin des Schriftstellerverbandes der DDR und blieb es bis 1978. 1955 zogen Anna Seghers und ihr Mann in die Volkswohlstraße 81 (seit 1984 Anna-Seghers-Straße) in Berlin-Adlershof, wo sie bis zu ihrem Tod wohnten. Seit dem Ende des 20. Jahrhunderts befindet sich in der Wohnung das Anna-Seghers-Museum zu Leben und Werk der Autorin. Als 1957 Walter Janka, dem Leiter des Aufbau-Verlages, der ihre Bücher verlegte, wegen angeblicher „konterrevolutionärer Verschwörung“ der Prozess gemacht wurde, nahm Anna Seghers dazu nicht öffentlich Stellung. Beim Ausschluss von Heiner Müller aus dem Schriftstellerverband im Jahre 1961 stimmte sie dagegen. 1975 wurden ihr der Kulturpreis des Weltfriedensrates sowie die Ehrenbürgerschaft von (Ost-)Berlin verliehen. 1978 trat sie als Präsidentin des Schriftstellerverbandes zurück und wurde dessen Ehrenpräsidentin. Im selben Jahr starb ihr Mann. Im Jahre 1979 schwieg Anna Seghers zu den Ausschlüssen von neun kritischen Autoren aus dem Schriftstellerverband. 1981 wurde ihr die Ehrenbürgerwürde ihrer Geburtsstadt Mainz verliehen. Sie starb am 1. Juni 1983 und wurde, nach einem Staatsakt in der Akademie der Künste der DDR, auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof in Berlin beigesetzt.
* Walter Arnold: Anna Seghers (1952, Porträtbüste, Bronze) * Sabine Grzimek: Anna Seghers (1968/1969, Guss 1986, Porträtbüste, Bronze; Kunstarchiv Beeskow) * Doris Kahane: Anna Seghers (1968, Lithografie)
Die frühen Werke Anna Seghers’ können der Neuen Sachlichkeit zugeordnet werden. In der Exilliteratur spielte sie nicht nur als Organisatorin eine wichtige Rolle, sondern schrieb mit Transit und Das siebte Kreuz auch zwei der literarisch bedeutendsten Romane dieser Zeit. Ihre späteren, in der DDR erschienenen Romane sind dem Sozialistischen Realismus verpflichtet. * Werkausgabe. Hrsg. von Helen Fehervary, Bernhard Spies, Carsten Jakobi. Aufbau Verlag, Berlin 2000ff. [Kritisch ediert und kommentiert. Geplant: 24 Bände]. * Buchausgabe: Reclam Verlag, Leipzig 1980, DNB . * Neuausgabe: Aufbau Taschenbuch, Berlin 2018, ISBN 978-3-7466-3477-7 * Enthält u. a.: Grubetsch, Die Ziegler und Bauern von Hruschowo.Neuausgabe: Georg Olms Verlag, Hildesheim 2008, ISBN 978-3-487-13617-2. * Werkausgabe: Aufbau Verlag, Berlin 2022, ISBN 978-3-351-03456-6 * Werkausgabe: Aufbau Verlag, Berlin 2021, ISBN 978-3-351-03452-8 * Neuausgabe: marsyas verlag, Wien 2024, ISBN 978-3-903469-07-5. * Werkausgabe: Aufbau Verlag, Berlin 2024, ISBN 978-3-351-03453-5. * Neuausgabe: Aufbau Taschenbuch, Berlin 2018, ISBN 978-3-7466-3469-2. * Deutschsprachige Erstausgabe: Curt Weller & Co., Konstanz 1948Neuausgabe: Aufbau Taschenbuch, Berlin 2020, ISBN 978-3-7466-3787-7 * Enthält auch: Post ins Gelobte Land, Das Ende und Die SaboteureNeuausgabe: Aufbau Taschenbuch, Berlin 2018, ISBN 978-3-7466-3470-8. * Werkausgabe: Aufbau Verlag, Berlin 2024, ISBN 978-3-351-03453-5. * Enthält auch: Wiedereinführung der Sklaverei in Guadeloupe. * Enthält u. a.: Der Führerschein, Die Stoppuhr, Das Viereck. * Werkausgabe: Aufbau Verlag, Berlin 2003, ISBN 978-3-351-03457-3. ** Teil 1: Die Tendenz in der reinen Kunst. 1970, DNB (344 S.). ** Teil 2: Erlebnis und Gestaltung. 1971, DNB (271 S.). ** Teil 3: Für den Frieden der Welt, 1971, DNB (343 S.). ** Teil 4: Ergänzungsband, 1979, DNB (281 S.). * Neuausgabe: Faber & Faber, Leipzig 2001, ISBN 978-3-932545-70-2. * Enthält: Sagen von Unirdischen, Der Treffpunkt, Die Reisebegegnung
* Neuausgabe: Aufbau Taschenbuch, Berlin 2000, ISBN 3-7466-5178-6 * Enthält: Die Legende von der Reue des Bischofs Jehan d’Aigremont von St. Anne in Rouen. Manuskript von 1924.
* Der Aufstand der Fischer (Regie: Erwin Piscator, 1934 UdSSR) * Das siebte Kreuz (Regie: Fred Zinnemann, 1944 USA) * Die Toten bleiben jung (Regie: Joachim Kunert, 1968) * Das Duell (Regie: Joachim Kunert, 1969) * Aus unserer Zeit (Episode 2, 1970) * Die große Reise der Agathe Schweigert (Regie: Joachim Kunert, 1972) * Das Schilfrohr (Regie: Joachim Kunert, 1974) * Das Licht auf dem Galgen (Regie: Helmut Nitzschke, 1976) * Die Tochter der Delegierten (Regie: Wojciech Fiwek, 1977) * Das Obdach (Regie: Ursula Schmenger, Hannes Wlasinger, 1981) * Der Mann und sein Name (Regie: Vera Loebner, 1983) * Die Überfahrt (Regie: Fritz Bornemann, 1984) * Das wirkliche Blau (Regie: Christa Mühl, 1986) * Der Aufstand der Fischer von St. Barbara (Regie: Thomas Langhoff, 1988) * Der gerechte Richter (Regie: Torsten C. Fischer, 2000) * Transit (Regie: Christian Petzold, 2018)
* Jans muss sterben. Mit Hannelore Hoger. Der Audio Verlag, 2000, ISBN 3-89813-119-X. * Der Ausflug der toten Mädchen. Autorenlesung. Der Audio Verlag, 2008, ISBN 978-3-89813-751-5. * Aufstand der Fischer von St. Barbara. Komplettlesung mit Ulrike Krumbiegel. Der Audio Verlag, 2008, ISBN 978-3-89813-755-3. * Das siebte Kreuz. Ungekürzte Lesung mit Martin Wuttke. Der Audio Verlag, 2015, ISBN 978-3-86231-588-8.
* 1950: Der Prozess der Jeanne d’Arc zu Rouen 1431 – Regie: Herwart Grosse (Deutschlandsender) * 1955: Das siebte Kreuz – Regie:Hedda Zinner (Rundfunk der DDR) * Transit. Mit Peter Lieck, Christoph Lindert, Heta Mantscheff, Karl Michael Vogler, Heidy Forster, Alexander Costa, Drew Lucas, Anneliese Meier, Eduard Linkers, Daniel Hauptmann, Marlies Compere, Hannes Seebauer. Der Audio Verlag, 2007, ISBN 978-3-89813-683-9.
1960 an Anna Seghers, hier mit Rektor Schröder und Otto Nagel (r.) * 1928: Kleist-Preis * 1947: Georg-Büchner-Preis * 1951: Stalin-Friedenspreis * 1951: Nationalpreis der DDR (weitere 1959, 1971) * 1954: Vaterländischer Verdienstorden in Silber * 1958: Deutsche Friedensmedaille * 1959: Verleihung der Ehrendoktorwürde Dr. phil. h. c. der Universität Jena * 1960: Vaterländischer Verdienstorden in Gold * 1961: Johannes-R.-Becher-Medaille des Kulturbundes * 1965: Karl-Marx-Orden (weitere 1969, 1974) * 1970: Orden des Roten Banners der Arbeit * 1970: Stern der Völkerfreundschaft * 1975: Großer Stern der Völkerfreundschaft * 1975: Kulturpreis des Weltfriedensrates * 1975: Ehrenbürgerwürde von Berlin, Hauptstadt der DDR * 1978: Ehrenpräsidentin des Schriftstellerverbandes * 1980: Ernennung zum Helden der Arbeit * 1981: Ehrenbürgerwürde von Mainz * 1981: das Röhrenwerk Neuhaus am Rennweg (RWN) wird am 01.07. umbenannt in VEB Mikroelektronik „Anna Seghers“ (existiert bis 1990)
* In der Nähe ihrer letzten Wohnung – dem Anna-Seghers-Museum in Berlin-Adlershof – befindet sich die Anna-Seghers-Schule. * In Berlin-Neu-Hohenschönhausen gibt es die Anna-Seghers-Bibliothek. * Die öffentliche Bibliothek in Mainz wurde nach Anna Seghers benannt; der Platz davor ebenfalls. * In ihrer Geburtsstadt trägt die Integrierte Gesamtschule (IGS) Anna Seghers Mainz seit 2005 ihren Namen. * In mehreren deutschen Städten sind Straßen nach ihr benannt.
* Cay Rademacher,"Das Buch Ihres Lebens",in: Mare, Nummer 170, Juni 2025, S. 98–102
* Wissenschaftliche Biographie der Univ. Potsdam * Anna Seghers: (PDF; 65 kB) * Chronik der kulturellen und politischen Veranstaltungen im mexikanischen Exil, organisiert von verschiedenen Organisationen 1937–1949. (Seghers: 47 Listungen) * ]. Abgerufen am 30. Oktober 2019.
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Atmosphäre (Astronomie)
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Die Atmosphäre [] (von , ‚Dunst‘, ‚Hauch‘ und ) ist die gas förmige Hülle um größere Himmelskörper – insbesondere um Sterne und Planeten. Sie besteht meistens aus einem Gemisch von Gasen, die vom Schwerefeld des Himmelskörpers festgehalten werden können. Die Atmosphäre ist an der Oberfläche am dichtesten und geht in großen Höhen fließend in den interplanetaren Raum über. Sie bestimmt im Falle ihrer Existenz wesentlich das Erscheinungsbild eines Himmelskörpers. Die heißen Atmosphären von Sternen reichen tief in den Raum hinein. Bei Gasplaneten sind sie wesentlich kühler und von tieferen Schichten des Himmelskörpers nicht scharf getrennt. Bei großen Gesteinsplaneten und beim Saturnmond Titan ist die Atmosphäre eine (nach der Erde benannte) Erdsphäre und liegt über der Pedosphäre (betretbarer Boden) und der darunter befindlichen Lithosphäre.
Bei der Ausbildung einer Planetenatmosphäre spielen mehrere Faktoren eine Rolle: # vor allem die Masse des Himmelskörpers # und sein Radius (woraus sich die mittlere Dichte ergibt), # ferner seine Oberflächentemperatur (wegen der Gasgesetze) # und die molare Masse der einzelnen Gasteilchen. Planetenmasse und -radius bestimmen das Schwerefeld an der Oberfläche. Dieses muss ausreichend stark sein, damit die in der Regel aus Ausgasungen hervorgehenden Gasteilchen an den Himmelskörper gebunden bleiben und sich nicht in den Weltraum verflüchtigen können.
Entsprechend der kinetischen Gastheorie bewegen sich die Teilchen ungeordnet und dabei umso schneller, je höher die Temperatur des Gases ist und je leichter sie sind. Wenn die Anziehungskraft zu gering ist, verliert der Himmelskörper langfristig die schnellen (spezifisch leichten) Teile seiner Gashülle. Die Planetologie spricht dabei von positiver Teilchenbilanz, wenn die Ausgasung des Gesteins mehr ausmacht als durch die Überwindung der Gravitation verloren geht. Ist diese Bilanz auch für schwerere Gase negativ, kann sich keine Atmosphäre ausbilden. Daher spielt neben der Größe des Himmelskörpers seine Oberflächentemperatur (die nicht zu hoch sein darf) eine wesentliche Rolle. Auch die Art der ausgebildeten Gase ist wichtig, da ein Planet bzw. großer Mond eine Atmosphäre aus Wasserstoff oder Helium viel schwerer halten kann als eine Hülle aus Sauerstoff, Stickstoff oder Kohlendioxid. Dies liegt daran, dass sich leichte Gasteilchen bei gleicher Temperatur wesentlich schneller bewegen als schwerere. Atmosphären, die Elemente wie Wasserstoff in größerem Umfang enthalten, finden sich daher vor allem bei sehr massereichen Gasriesen wie Jupiter oder Saturn, die eine sehr starke Gravitation besitzen. Letztlich ist nur eine kleine Minderheit der Himmelskörper in der Lage, eine Atmosphäre zu bilden und langfristig an sich zu binden. So besitzt zum Beispiel der Erdmond keine dauerhafte Atmosphäre, sondern nur kurzfristige, bodennahe Gase.
Vergleicht man die Himmelskörper unseres Sonnensystems und die Sterne miteinander, so zeigt sich der Einfluss der bei der Ausbildung einer Atmosphäre relevanten Faktoren und offenbart recht unterschiedliche Atmosphären.
Die Sonne bzw. die verschiedenen Sterne haben weitreichende Atmosphären, die mit der Photosphäre, Chromosphäre und Übergangsregion beginnen und mit Korona, Sonnenwind und Heliosphäre im weitestgehenden Sinne tief im interplanetaren Raum an der Heliopause enden. Die Atmosphäre der Sonne besteht weitgehend aus Wasserstoff (ca. 73 %) und Helium (ca. 25 %), die in Form ionisierten Plasmas (Sonnenwind und Sonnensturm) die Atmosphären der restlichen Himmelskörper im System beeinflussen.
Die Atmosphärenzusammensetzung der Gasriesen wie Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun basiert ähnlich wie die der Sterne im Wesentlichen auf den Stoffen Wasserstoff und Helium. Ihr Kern ist jedoch kalt und der Strahlungsdruck wie bei den Sternen fehlt. * Jupiter und Saturn bestehen dabei im Inneren aus flüssigem Wasserstoff mit einem Kern aus metallenem Wasserstoff. * Uranus und Neptun hingegen haben einen eisigen Mantel und Kern aus Wasser bzw. Eis, Ammoniak, Methan und Gestein.
* Die Erdatmosphäre besteht aus einem Stickstoff-Sauerstoff-Gemisch. Sie ist in der Lage, schwere Elemente wie Argon (Ar) in der Atmosphäre zu halten, leichte Elemente und Moleküle wie Wasserstoff (H2) oder Helium (He) verlor sie jedoch im Laufe ihrer Entwicklung. * Die Atmosphäre der Venus besteht hauptsächlich aus CO2, ist aber ansonsten der Atmosphäre der Erde am ähnlichsten. Vor mehreren Milliarden Jahren verdampften wahrscheinlich die Ozeane der Venus unter zunehmender Hitze, was eine Wasserdampf-Rückkopplung antrieb, wonach der Wasserstoff aus der Atmosphäre in den Weltraum entwich und durch CO2 ersetzt wurde. * Der Mars hat ebenso wie die Venus eine CO<sub>2</sub>-Atmosphäre. Der größte Teil der Atmosphäre des Mars wurde wahrscheinlich im Laufe der Zeit vom Sonnenwind regelrecht abgetragen und in den Weltraum mitgerissen. * Der Merkur hat keine Atmosphäre im herkömmlichen Sinn, sondern vergleichbar mit der Erdatmosphäre nur eine Exosphäre. Die hohen Anteile von Wasserstoff und Helium stammen wahrscheinlich vom Sonnenwind.
* Neben manchen Planeten hat auch der große Saturnmond Titan eine dichte Atmosphäre, die zum größten Teil aus Stickstoff besteht. * Die Jupitermonde Europa und Ganymed besitzen eine kleine Sauerstoff-Atmosphäre, die sie durch ihre Gravitation halten können, jedoch nicht biologischer Herkunft ist. * Der Jupitermond Kallisto hat eine dünne Kohlenstoffdioxid-Atmosphäre. * Der Jupitermond Io besitzt eine dünne Schwefeldioxid-Atmosphäre. * Der Neptunmond Triton besitzt eine dünne Stickstoff-Methan-Atmosphäre * Der Saturnmond Rhea besitzt eine dünne Atmosphäre aus Sauerstoff und Kohlendioxid * Die anderen Satelliten des Sonnensystems sowie der Erdmond haben wie der Planet Merkur nur eine Exosphäre. * Pluto besitzt eine dünne Stickstoff-Methan-Atmosphäre
Auch bei Planeten anderer Sternsysteme – den Extrasolaren Planeten – konnte mit verschiedenen Methoden das Vorhandensein von Atmosphären nachgewiesen werden, bisher jedoch nur im Radius von ca. 300 Lichtjahren um unser Sonnensystem herum. Das Wissen um die Eigenschaften dieser Atmosphären ist momentan sehr lückenhaft und unsystematisch. Dies beruht darauf, dass moderne astronomische Instrumente noch nicht auf diesen Zweig der Wissenschaft ausgelegt sind. Dies wird sich in der künftigen Generation von Instrumenten ändern, wie z. B. dem Weltraumteleskop JWST und dem Bodenteleskop E-ELT, deren Design gezielt in diese Richtung entwickelt wurde. Trotzdem können die oben erwähnten Methoden zur Entdeckung von Planeten auch in glücklichen Fällen zur Bestimmung der atmosphärischen Eigenschaften mancher Planeten herangezogen werden. Da die Atmosphären von Hot-Jupiter-Exoplaneten am leichtesten aufzuspüren und charakterisieren sind, konnte ein erster systematischer Vergleich ihrer Bewölkungseigenschaften durchgeführt werden. Gefunden wurde eine Antikorrelation von Bewölkung und spektralen Signaturen von Wasser in diesen Atmosphären. Dies würde bedeuten, dass Wasser generell in diesen Planeten bei ihrer Entstehung gebunden wird, was eines der ersten allgemeinen Ergebnisse über exoplanetare Atmosphären überhaupt darstellt.
Eine Übersicht der Himmelskörper des Sonnensystems hinsichtlich ihres atmosphärischen Drucks an der Oberfläche und ihrer chemischen Zusammensetzung in Volumenprozent. Gelistet sind die Hauptbestandteile einer Atmosphäre und das Wasservorkommen.
Der Druckverlauf einer Atmosphäre, im Fall der Erdatmosphäre des Luftdrucks, ist in den unteren Bereichen durch die hydrostatische Gleichung bestimmt, die bei im Vergleich zum Planetenradius dünnen Atmosphären wie folgt geschrieben werden: :{\mathrm{d}p \over \mathrm{d}h} = - g \rho (h) Die Einflussgrößen sind der Druck p, die Höhe h, die Schwerebeschleunigung g und die Dichte ρ. Im Falle konstanter Temperatur reduziert sich die Gleichung zur barometrischen Höhenformel. Im äußeren Bereich ist diese Beschreibung jedoch nicht mehr gültig, da sich die Bestandteile aufgrund der geringen Dichte auf Keplerbahnen oder den Magnetfeldlinien bewegen und sich gegenseitig kaum noch beeinflussen. Zur technischen Modellierung wird die Internationale Standardatmosphäre (ISA) verwendet, welche eine reine idealisierte Betrachtung über den gesamten Planeten darstellt. Die ISA beschreibt den Temperaturverlauf nach den polytropen Zustandsgleichungen. Dazu wird die Atmosphäre in Troposphäre und obere und untere Stratosphäre unterteilt. In der unteren Stratosphäre (11–20 km Höhe) findet überwiegend der internationale Flugverkehr statt. Überschallflüge hingegen in der oberen Stratosphäre.
In der Regel ist eine Atmosphäre keine homogene Gashülle, sondern aufgrund zahlreicher innerer und äußerer Einflüsse in mehrere, mehr oder weniger klar gegeneinander abgegrenzte, Schichten einzuteilen, die vor allem durch die Temperaturabhängigkeit chemischer Prozesse in der Atmosphäre und die Strahlungsdurchlässigkeit abhängig von der Höhe entstehen. Im Wesentlichen kann man folgende Schichten nach dem Temperaturverlauf unterscheiden: * An der Planetenoberfläche beginnt in der Regel die Troposphäre, in der Konvektionsströmungen vorherrschen. Sie wird begrenzt durch die Tropopause. * Darüber liegt die Stratosphäre, in der die Strahlung beim Energietransport dominiert. Sie wird begrenzt durch die Stratopause. * In der Mesosphäre wird, vor allem durch Kohlenstoffdioxid, Energie abgestrahlt, so dass in dieser Schicht eine starke Abkühlung erfolgt. Sie wird begrenzt durch die Mesopause. * In der Thermosphäre und der Ionosphäre werden die meisten Moleküle durch absorbierte Sonnenstrahlung dissoziiert und sogar ionisiert. Dabei wird die Temperatur deutlich erhöht. * Die äußerste Schicht ist die Exosphäre, aus der die vorwiegend atomaren beziehungsweise ionisierten Bestandteile aus dem Schwerefeld des Planeten entweichen können. Sie wird bei Vorhandensein eines Magnetfeldes durch die Magnetopause begrenzt. Diese Gliederung gibt nur eine grobe Einteilung wieder, und nicht jede Schicht ist bei allen Atmosphären nachweisbar. So besitzt die Venus zum Beispiel keine Stratosphäre, kleinere Planeten und Monde besitzen nur eine Exosphäre, zum Beispiel der Merkur. Für Entstehung und Ausprägung der Dämmerungsfarben ist der vertikale Aufbau der Atmosphäre maßgeblich. Es ist auch möglich, die Atmosphäre nicht nach dem Temperaturverlauf, sondern nach anderen Gesichtspunkten zu gliedern, wie: * dem radio-physikalischen Zustand der Atmosphäre (Ionosphäre, Magnetosphäre, Plasmasphäre) * nach physiko-chemischen Prozessen (Ozonschicht) * der Lebenszone (Biosphäre) * der Durchmischung (Homosphäre, Homopause, Heterosphäre) * dem aerodynamischen Zustand (Prandtl-Schicht, Ekman-Schicht, beide als Peplosphäre, freie Atmosphäre)
* Walter Steiner: Europa in der Urzeit. Die erdgeschichtliche Entwicklung unseres Kontinents von der Urzeit bis heute. Mosaik Verlag, München 1993, ISBN 3-576-10276-0. * John S. Lewis et al.: Planets and their atmospheres – origin and evolution. Acad. Press, Orlando 1984, ISBN 0-12-446580-3. * Richard P. Wayne: Chemistry of atmospheres – an introduction to the chemistry of the atmospheres of earth, the planets, and their satellites. Oxford University Press, Oxford 2000, ISBN 0-19-850376-8.
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Arvo Pärt
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Arvo Pärt (Aussprache: [ˈɑrvo ˈpært]; * 11. September 1935 in Paide, Estland) ist ein estnischer Komponist, der als Vertreter der Neuen Einfachheit als einer der bedeutendsten lebenden Komponisten Neuer Musik gilt und der weltweit meistgespielte Komponist Neuer Musik ist. Er hat neben der estnischen auch die österreichische Staatsbürgerschaft. Von 1981 bis 2008 lebte er in Berlin.
Arvo Pärt wurde in Paide im Kreis Järva in Estland geboren und wuchs bei seiner Mutter und seinem Stiefvater in Rakvere in Nordestland auf. Er begann, mit den oberen und unteren Tönen des Klaviers der Familie zu experimentieren, da der mittlere Tastaturbereich beschädigt war. Im Alter von sieben Jahren begann Arvo Pärts musikalische Erziehung, mit vierzehn Jahren schrieb er erste eigene Kompositionen. 1954 begann er ein Musikstudium, arbeitete als Tonmeister beim Estnischen Hörfunk und studierte in Tallinn von 1958 bis 1963 Komposition bei Veljo Tormis und Heino Eller. Sein neoklassisches Frühwerk wurde von der Musik Schostakowitschs, Prokofjews und Bartóks beeinflusst. Anschließend experimentierte Pärt mit Schönbergs Zwölftontechnik und dem musikalischen Serialismus. Seine Musik erregte den Unwillen der sowjetischen Kulturfunktionäre wegen der als nicht systemkonform angesehenen modernen Komponierweise und ihres religiösen Gehalts. Seine Komposition Nekrolog, das erste estnische Werk in Zwölftontechnik, wurde 1960 von Tichon Chrennikow wegen ihres Serialismus offiziell missbilligt. Pärt suchte nach einem neuen künstlerischen Ausdrucksweg und fand ihn ab 1962 als Student am Moskauer Konservatorium in der sogenannten Collage-Technik, in der er (wie in seiner Komposition Credo) Klangmaterial aus den Werken anderer Komponisten entlehnt, vor allem von Johann Sebastian Bach. Die Collage-Technik erwies sich für Pärt jedoch als Sackgasse: Er hatte das Gefühl, „es [ergebe] keinen Sinn mehr, Musik zu schreiben, wenn man fast nur mehr zitiert“. 1972 trat Pärt der russisch-orthodoxen Kirche bei. In einer langen schöpferischen Pause (1968–1976), in der die 3. Sinfonie (1971) das einzige autorisierte Werk ist, befasste er sich vor allem mit der Gregorianik (Gregorianischer Gesang), der Schule von Notre Dame und der Musik der Renaissance (klassische Vokalpolyphonie). Als Pärt 1976 das Klavierstück Für Alina präsentierte, hatte er in der langen Abgeschiedenheit seinen persönlichen Stil entwickelt, in dem die persönliche Gefühlswelt zugunsten einer dem Asketischen entsprungenen Balance zurücktritt. Diese neue Sprache, die für diese Epoche seines Lebenswerk bestimmend ist, nannte er Tintinnabuli-Stil. Tintinnabulum (lateinisch) bedeutet Glöckchenspiel. Gemeint ist das „Klingeln“ des Dreiklangs, dessen drei Töne das ganze Stück über mittönen. Das Ziel dieses Stils ist eine Reduktion des Klangmaterials auf das absolut Wesentliche. Kompositionstechnisch bestehen Pärts Tintinnabuli-Werke aus zwei Stimmen: Eine Stimme besteht aus einem Dur- oder Moll-Dreiklang, die zweite ist die Melodiestimme, die nicht zwingend in derselben Tonart steht wie die erste. Beide Stimmen sind durch strenge Regeln miteinander verknüpft. Der kleinste musikalische Baustein ist der Zweiklang, weshalb auch die Melodiestimme aus zwei Stimmen besteht. Die daraus entstehenden Gebilde entbehren trotz der Einfachheit des Materials und des Ziels der Reduktion auf das Wesentliche nicht der Komplexität. Mit Hilfe alter Techniken wie des Proportionskanons entwickelt er Formen, die durch ihre Regelmäßigkeit große Ruhe ausstrahlen. Statische Dreiklänge repräsentieren die Ewigkeit, dynamische Melodien die Vergänglichkeit der Zeit. Im Jahr 1980 emigrierte Arvo Pärt auf Druck der sowjetischen Regierung mit seiner Familie nach Wien, wo er die österreichische Staatsbürgerschaft erhielt. 1981 kam er als Stipendiat des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) mit seiner Familie nach Berlin-Lankwitz. Nach dem Zerfall der Sowjetunion und der Unabhängigkeit Estlands verbrachte er Teile des Jahres in seinem estnischen Landhaus. 2008 kehrte er nach Estland zurück. Pärt erfreut sich einer für einen zeitgenössischen Komponisten ungewöhnlich großen Beliebtheit. Auf Einladung von Walter Fink war er 2005 der 15. Komponist im jährlichen Komponistenporträt des Rheingau Musik Festival. Das Festival Torino Settembre Musica ehrte Pärt anlässlich der Olympischen Winterspiele von Turin mit der Auftragskomposition La Sindone (Das Grabtuch), einer Orchesterkomposition auf das Turiner Grabtuch, die am 15. Februar 2006 im Dom von Turin uraufgeführt wurde. Deren deutsche Erstaufführung durch die Symphoniker Hamburg fand am 24. Februar 2007 in der Hamburger Laeiszhalle in Anwesenheit Pärts statt. Die Aufführung seiner Werke in der Konzertsaison 2006/2007 widmete Arvo Pärt der am 7. Oktober 2006 ermordeten Journalistin Anna Politkowskaja. Am 13. Oktober 2018 wurde das von Nieto Sobejano Arquitectos geplante Arvo Pärt Centre in Laulasmaa (Estland) eröffnet.
* 1990: Der Asteroid (4087) Pärt wird nach Arvo Pärt benannt. * 1996: Aufnahme in die American Academy of Arts and Letters * 1998: Ehrendoktorwürde der Universität Tartu * 2001: Assoziiertes Mitglied der Académie royale des Sciences, des Lettres et des Beaux-Arts de Belgique * 2003: Contemporary Music Award der Classical BRIT Awards * 2005: Preis der Europäischen Kirchenmusik * 2006: Orden des Staatswappens * 2007: Internationaler Brückepreis * 2007: Ehrendoktorwürde der Katholischen Theologischen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg * 2008: Léonie-Sonning-Musikpreis * 2008: Österreichisches Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst I. Klasse * 2011: Ritter (Chevalier) der Ehrenlegion * 2011: Ernennung zum Mitglied des Päpstlichen Rates für die Kultur * 2013: Ernennung zum Archon des Ökumenischen Patriarchates von Konstantinopel * 2014: Ernennung zum Ehrenmitglied der International Society for Contemporary Music ISCM * 2014: Praemium Imperiale der japanischen Kaiserfamilie * 2015: Österreichisches Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst * 2016: Ehrendoktorwürde der Universität Oxford * 2017: Joseph-Ratzinger-Preis * 2018: Gloria-Artis-Medaille für kulturelle Verdienste * 2019: Deutscher Musikautorenpreis in der Kategorie Chormusik * 2020: BBVA Foundation Frontiers of Knowledge Awards in der Kategorie Musik/Oper * 2021: Großes Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland * 2023: Polar Music Prize
Arvo Pärt strebt in seiner fast ausschließlich religiös motivierten Musik nach einem Ideal der Einfachheit, das die spirituelle Botschaft unterstützt. Pärt erklärt seine Musik so: Ein typisches Beispiel für seinen Stil ist seine Johannespassion, für die er wie für viele seiner Werke
* 1956–1957: Vier leichte Tanzstücke. (Musik für Kindertheater) für Klavier * 1958/1959: 2 Sonatinen. op. 1 für Klavier * 1959: Partita. op. 2 für Klavier * 1959/2003: Kantate Meie aed (Unser Garten)/Our Garden. op. 3 für Kinderchor und Orchester * 1956–1964: 5 laulu lastele (5 Kinderlieder). Für Kinderchor und Klavier * 1960: Nekrolog. Für Orchester * 1963: Perpetuum mobile. op. 10 Für Orchester * 1964: Sinfonie Nr. 1 op. 9 Polyphonic * 1964: Collage über B-A-C-H. Für Streicher, Oboe, Cembalo und Klavier * 1964: Diagramme. op. 11. Für Klavier * 1964: Quintettino. Für Flöte, Oboe, Klarinette, Fagott und Horn * 1963: Solfeggio. Für gemischten Chor a cappella bzw. für Streichquartett * 1964/1994: Concerto Piccolo über B-A-C-H. Für Trompete, Streichorchester, Cembalo und Klavier * 1966: Pro et contra. Konzert für Violoncello und Orchester * 1966: Sinfonie Nr. 2 * 1968: Credo. Für Klavier, gemischten Chor und Orchester * 1971: Sinfonie Nr. 3 * 1976: Für Alina. Für Klavier * 1976: Trivium. Für Orgel * 1976/1995/2008: Pari Intervallo. Für Orgel/für Klarinette, Posaune und Streichorchester/für zwei Klaviere oder Klavier 4hdg. * 1976/1984/1996: An den Wassern zu Babel saßen wir und weinten. Für Singstimmen oder gemischten Chor und Orgel/für Posaune und Kammerorchester/für Singstimmen und Instrumentalensemble * 1976/2001: Wenn Bach Bienen gezüchtet hätte. Für Klavier, Bläserquintett, Streichorchester und Schlagzeug * 1977/1986: Arbos. Für Blockflöten und Triangel ad lib./für acht Blechbläser und Schlagzeug * 1977/1980/1982/2007: Fratres. (verschiedene Besetzungen) * 1977/2009: Summa. Für Chor oder Solisten a cappella/für Saxophonquartett * 1977: Tabula rasa. Konzert für zwei Violinen (bzw. Violine und Viola), präpariertes Klavier und Streichorchester * 1977: Variationen zur Gesundung von Arinuschka. Für Klavier * 1977/1980: Cantus in Memoriam Benjamin Britten. Für eine Glocke und Streichorchester * 1977/1990: Sarah was Ninety Years Old. Für 3 Singstimmen, Schlagzeug und Orgel * 1977/1996: Cantate Domino canticum novum. Für gemischten Chor oder Solisten und Orgel * 1977/1996: Missa Syllabica. Für vierstimmig gemischten Chor a cappella bzw. mit Orgel * 1978: Spiegel im Spiegel. Für Violine und Klavier (bzw. für andere Streich- oder Blasinstrumente solo mit Klavier) * 1979: Filmmusik zu Testflug zum Saturn (Test pilota Pirxa) mit Eugeniusz Rudnik (Polen / Sowjetunion (ESSR und RSFSR), Regie: Marek Piestra, Drehbuch nach Stanisław Lem) * 1980/2008: De profundis. Für Männerchor, Schlagzeug ad lib. und Orgel/für Männerchor und Kammerorchester * 1980: Annum per annum. Für Orgel * 1982: Johannes-Passion (Passio Domini nostri Jesu Christi secundum Joannem). Für Soli, gemischten Chor, Instrumentalquartett und Orgel * 1984–1986/1992: Te Deum. Für 3 Chöre, präpariertes Klavier, Streichorchester und Tonband * 1984: Es sang vor langen Jahren. Für Alt oder Countertenor, Violine und Viola * 1984/1997: Zwei slawische Psalmen. Für gemischten Chor oder Solisten a cappella * 1984/2001: Wallfahrtslied/Pilgrims’ song. Für Tenor oder Bariton und Streichquartett/für Männerchor und Streichorchester * 1984/2004: Hymn to a Great City. Für zwei Klaviere * 1985/1991/1995: Psalom. Für Streichquartett/für Streichorchester * 1985/2008/2020: Stabat mater. Für Sopran, Countertenor, Tenor, Violine, Viola und Violoncello/für dreistimmig gemischten Chor und Streichorchester * 1988/1990: Festina Lente. Für Kammerensemble/für Streichorchester und Harfe ad lib. * 1988/1991: Sieben Magnificat-Antiphonen. Für gemischten Chor a cappella (gewidmet dem RIAS Kammerchor zum 40. Bestehen) * 1989: Magnificat. Für gemischten Chor a cappella (Christian Grube und dem Staats- und Domchor Berlin gewidmet) * 1989/1992: Miserere. Für Soli, gemischten Chor, Ensemble und Orgel * 1989: Nýnje k wam pribjegáju (revidiert 1997 zur Ode IX, aus dem Kanon Pokajanen) * 1989: Mein Weg hat Gipfel und Wellentäler. Für Orgel * 1994/2000: Mein Weg. Für 14 Streicher und Schlagzeug * 1990/2002: Berliner Messe. (1990–1992, revidiert 1997) Für vierstimmig gemischten Chor oder Solisten und Orgel * 1990/2001: The Beatitudes/Beatitudines. Für vierstimmig gemischten Chor und Orgel * 1990: Bogoróditse Djévo. Für gemischten Chor a cappella * 1990: Statuit ei Dominus. Für zwei gemischte Chöre und zwei Orgeln * 1990/1996: Beatus Petronius. Für 2 vierstimmig gemischte Chöre und zwei Orgeln * 1990/1991: Summa. Für Violine, zwei Violen und Orgel/für Streichquartett/für Streichorchester * 1991: Silouans Song. Für Streichorchester * 1992: And One of the Pharisees (Und einer der Pharisäer). Für drei Singstimmen oder dreistimmigen Chor a cappella * 1992/1994: Trisagion. Für Streichorchester * 1992/2005: Mozart-Adagio. Für Violine, Violoncello und Klavier (nach KV 189e) * 1994/1996: Litany. Für Soli, gemischten Chor und Orchester * 1994/1997: Ode VII (Memento). Für vierstimmig gemischten Chor a cappella * 1995/1999: Darf ich…. Für Violine solo, Röhrenglocke ad lib. und Streicher * 1996: I am the True Vine. Für gemischten Chor a cappella * 1996–1998: Dopo la vittoria. Piccola cantata. Für gemischten Chor a cappella * 1997: The Woman With the Alabaster Box. Für gemischten Chor a cappella * 1997: Tribute to Caesar. Für gemischten Chor a cappella * 1997: Kanon pokajanen. Für gemischten Chor a cappella * 1997: Oden I, III, IV, V, VI, VIII aus Kanon pokajanen. Für gemischten Chor a cappella * 1997: Gebet nach dem Kanon. Für gemischten Chor a cappella * 1998: Triodion. Für gemischten Chor a cappella * 1998: Zwei Beter. Für Frauenchor a cappella * 1998/2002: Como anhiela la cerva/Como cierva sedienta. Für Sopran oder Frauenchor und Orchester * 1999–2000: Orient & Occident. Für Streichorchester * 1999/2002: Cantique des degrés. Für vierstimmig gemischten Chor und Orchester * 2000: Littlemore Tractus. Für gemischten Chor und Orgel * 2000: My Heart is in the Highlands. (Nach einem Gedicht von Robert Burns) Für Countertenor oder Alt und Orgel * 2000: Which was the Son of…. Für vierstimmig gemischten Chor a cappella * 2000/2002: Cecilia, Vergine Romana. Für vierstimmig gemischten Chor und Orchester * 2001: Nunc dimittis. Für vierstimmig gemischten Chor a cappella * 2001–2002: Salve Regina. Für vierstimmig gemischten Chor und Orgel * 2002/2006: 2 Wiegenlieder. Für Singstimme bzw. zwei Frauenstimmen und Klavier/für Frauenchor oder zwei Frauenstimmen und Streichorchester * 2002: Peace upon you, Jerusalem (Friede mit dir, Jerusalem). Für Frauenchor a cappella * 2002: Lamentate. Für Klavier und Orchester, (inspiriert durch die Skulptur Marsyas von Anish Kapoor) * 2003: In principio. Für gemischten Chor und Orchester * 2003: Most Holy Mother of God. Für vier Singstimmen a cappella * 2003/2007: Passacaglia. Für Violine und Klavier/für eine od. zwei Violinen, Vibraphon ad lib. und Streichorchester * 2004/2005/2008: L’Abbé Agathon. Für Sopran und acht Violoncelli/für Sopran, vier Violen und vier Violoncelli/für Sopran, Alt, Frauenchor und Streichorchester * 2004: Anthem of St John the Baptist. Für vierstimmig gemischten Chor und Orgel * 2004/2006/2007/2009: Da pacem Domine. Für Singstimmen a cappella; für Chor und Streichorchester; für Streichquartett bzw. -orchester; für vierstimmig gemischten Chor und Streichorchester/für Blockflötenquartett/für Saxophonquartett * 2005: Vater unser. Für Knabensopran (oder Countertenor) und Klavier (2013 Fassung für Countertenor und Streicher) * 2005: La Sindone. Für Orchester * 2005: Von Angesicht zu Angesicht. Für Sopran, Bariton, Klarinette, Viola und Kontrabass * 2006: Estländler. Für Flöte * 2006: Für Anna Maria. Für Klavier * 2006: Für Lennart in memoriam. Für Streichorchester * 2006/2009 Veni Creator. Für gemischten Chor oder Solisten und Orgel/für vierstimmig gemischten Chor und Streichorchester * 2007: The Deer’s Cry. Für vierstimmig gemischten Chor a cappella * 2007: Morning Star. Für vierstimmig gemischten Chor a cappella * 2007: Scala cromatica. (Trio piccolo) Für Violine, Violoncello und Klavier * 2007: Sei gelobt, du Baum. Für Bariton, Violine, Quinterne und Kontrabass * 2007–2008: These Words. Für Streichorchester und Schlagzeug * 2008: Sinfonie Nr. 4 Los Angeles. Für Streichorchester, Harfe, Pauken und Schlagzeug (gewidmet Michael Chodorkowski) * 2008: O-Antiphonen. Für acht Violoncelli * 2008: Alleluja-Tropus. Für Vokalensemble (oder Kammerchor) und acht Violoncelli ad lib. * 2009: Adams Lament. Für vierstimmig gemischten Chor und Streichorchester * 2009: Silhouette (Hommage à Gustave Eiffel). Für Streichorchester und Schlagzeug * 2009: Missa brevis. Für zwölf Violoncelli * 2010: Alleluja-Tropus. Für vierstimmig gemischten Chor und Streichorchester * 2010: In spe. Für Bläserquintett und Streichorchester * 2010: Ukuaru valss. Für Klavier * 2014: Swansong. Für Orchester * 2016: The Deer’s Cry. Für Chor und Streicher und Bläser
* Leopold Brauneiss: Arvo Pärt’s Tintinnabuli Style: Contemporary Music Toward a New Middle Ages. In: Postmodern Medievalisms. Hrsg. Richard Utz und Jesse G. Swan. Cambridge: Brewer, 2004. S. 27–34. * Hermann Conen (Hrsg.): Arvo Pärt – Die Musik des Tintinnabuli-Stils. Dohr, Köln 2006, ISBN 3-936655-33-2. * Martin Elste: An Interview with Arvo Pärt, in: Fanfare 11 (1987/88) No. 4 (März/April 1988), S. 337–341. * Constantin Gröhn: Dieter Schnebel und Arvo Pärt – Komponisten als „Theologen“. Lit, Berlin 2006, ISBN 3-8258-9599-8. * Paul Hillier: Arvo Pärt. Oxford University Press, Oxford 1997, ISBN 0-19-816616-8. * Oliver Kautny (Hrsg.): Arvo Pärt – Rezeption und Wirkung seiner Musik. epOs-Music, Osnabrück 2001, ISBN 978-3-923486-31-1. * Oliver Kautny: Arvo Pärt zwischen Ost und West – Rezeptionsgeschichte. Metzler, Stuttgart 2002, ISBN 3-476-45306-5. * Beate Kowalski, Michaela Christine Hastetter: Die Johannespassion von Arvo Pärt. Verlag Katholisches Bibelwerk (KBW), Stuttgart 2015, ISBN 978-3-460-08603-6.
* Dorian Supin: Arvo Pärt: And Then Came the Evening and the Morning (Alternativtitel: Who Is Arvo Pärt? – A Journey Into the Mind of a Composer, Originaltitel: Siis sai õhtu ja sai hommik), Dokumentarfilm. Eine Co-Produktion von Eesti Telefilm, Yleisradio und Monarda Arts, 1990.
2018 erschien eine Graphic Novel des estnischen Grafikers und Karikaturisten Joonas Sildre, die 2021 auf Deutsch erschienen ist: * Zwischen zwei Tönen. Aus dem Leben des Arvo Pärt. Eine Graphic Novel. Aus dem Estnischen von Maximilian Murmann. Berlin & Dresden: Voland & Quist 2021. 222 S.
* Christian Kosfeld: ] ZeitZeichen vom 11. September 2015 (Podcast, 14:39 min).
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Afghanistan
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* Amir al-Mu'minin Hibatullah Achundsada (Oberhaupt der Taliban) * 17 Milliarden USD (133.) * 92 Milliarden USD (102.)
Afghanistan (paschtunisch und ; paschtunisch: Da Afġānistān Islāmī Dschomhoriyat, persisch Dschomhuri-ye Eslāmi-ye Afghānestān) ist ein Binnenstaat an der Schnittstelle von Südasien, Zentralasien und Vorderasien, der an Iran, Turkmenistan, Usbekistan, Tadschikistan, die Volksrepublik China und Pakistan grenzt. Drei Viertel des Landes bestehen aus schwer zugänglichen Gebirgsregionen. Nach dem Einmarsch der Sowjetunion 1979 unterstützten und finanzierten die Vereinigten Staaten, Saudi-Arabien und Pakistan Mudschaheddin gegen die von der Sowjetunion gestützte Regierung. Nach dem Abzug der Sowjets und dem Untergang der Sowjetunion besiegten die Mudschaheddin 1992 diese Regierung. Die Aufteilung der Machtbereiche scheiterte jedoch an Rivalitäten; die fundamentalistisch islamisch ausgerichteten Taliban-Milizen kamen 1997 an die Macht und setzten eine radikale Interpretation des Islam und insbesondere der Scharia mit aller Härte durch. Nach den Terroranschlägen am 11. September 2001 in den Vereinigten Staaten wurde das Taliban-Regime, das Mitgliedern von Terrororganisationen Unterschlupf gewährt hatte, im maßgeblich von den Vereinigten Staaten geführten Krieg gegen den Terror gestürzt. Seither bestimmte dieser auch in Afghanistan geführte Krieg lange das Geschehen. Das Land konstituierte sich während der internationalen Stabilisierungsmission (ISAF) durch die Verfassung von 2004 als demokratische Islamische Republik, wurde aber zeit ihres Bestehens autoritär regiert. Nach dem Abzug der internationalen Truppen Ende August 2021 erlangten die Taliban schnell wieder die Kontrolle über das Land und proklamierten erneut das Islamische Emirat Afghanistan. Seither regieren die Taliban wieder totalitär und verüben Menschenrechtsverletzungen. Unter ihrem Regime kommt es zu willkürlichen Festnahmen, Folter und extralegalen Tötungen. Frauen werden unterdrückt, und Meinungsfreiheit ist praktisch inexistent. Im weltweiten Demokratieindex belegt Afghanistan seit 2021 jährlich mit Abstand den letzten Platz. Das Land ist von den mehr als vier Jahrzehnten Bürgerkrieg geprägt. Die humanitäre Lage in Afghanistan gilt als katastrophal. Die große Mehrheit in Afghanistan lebt in existentieller Armut und leidet unter Hunger.
Afghanistan ist ein Binnenstaat mit strategischer Bedeutung in der Region. Das Land ist größtenteils Gebirgsland. Weniger als 10 Prozent der Landesfläche liegen unterhalb von . Das zentrale Bergland besteht aus mehreren Gebirgszügen, deren höchster der Koh-e Baba (bis ) ist. Der Hindukusch (bis ) liegt im Nordosten, der Safed Koh (bis ) im Osten an der Grenze zu Pakistan. An dieser 2643 Kilometer langen Demarkationslinie befindet sich die Durand-Linie. Im Südwesten befindet sich eine abflusslose Ebene mit dem Hilmendsee an der Grenze zu Iran. Sein wichtigster Zufluss ist der Hilmend, der im Osten des Landes nahe der Hauptstadt Kabul entspringt. Afghanistan ist vor allem ein Gebirgsland im östlichen Iranischen Hochland. Nur im Norden liegen Ebenen am Amudarja und im Südwesten kleinere wüstenartige Becken. Der Nordosten wird vom Hindukusch durchzogen. Zwischen dem Becken von Kabul und dem nördlichen Landesteil besteht seit 1964 eine winterfeste Straßenverbindung über den Gebirgskamm mit einem fast 3 km langen Tunnel (Salangpass-Straße). Durch den Wachankorridor im Pamirgebirge besitzt Afghanistan auch mit der Volksrepublik China eine gemeinsame Grenze. Der südliche Hindukusch fällt steil in die Landschaft Nuristan ab, die teilweise noch von Nadelwäldern bedeckt ist. Die Landschaften zwischen der Hauptstadt Kabul und dem Chaiber-Pass an der Grenze zu Pakistan sind der politische und wirtschaftliche Kernraum des Landes. Siedlungskern im westlichen Afghanistan ist die Stadt Herat. Das südliche und südwestliche Afghanistan besteht aus Wüsten und Halbwüsten. Es wird nur vom Hilmend durchflossen, der der längste afghanische Fluss ist. Der Hilmend endet in den Salzseen von Sistan an der Grenze zu Iran. Östlich des Hilmend liegt die Wüste Rigestan („Sandland“) und westlich des Hilmend die vorwiegend aus Schotter und Lehmflächen bestehende Dascht-e Margo. Im nordöstlichen Hindukusch-Gebirgszug und in Teilen der Provinz Badachschan bebt häufig die Erde. Solche Erdbeben verursachen Erdrutsche und im Winter Schneelawinen. In einem starken Erdbeben am 30. Mai 1998 im Gebiet der Provinz Badachschan starben ungefähr 6000 Menschen. Auch im März 2002 starben dort tausende Menschen. 2012 zerstörte ein Erdbeben über 2000 Häuser; elf Menschen starben. In Afghanistan gibt es Kohle, Kupfer, Eisenerz, Lithium, Uran, Metalle der Seltenen Erden, Chromit, Gold, Zink, Talk, Baryt, Schwefel, Blei, Marmor, Schmuckstein, Erdgas, Erdöl und weitere Rohstoffe. 2010 schätzten die US-amerikanische und die afghanische Regierung den Wert der bis 2007 gefundenen, aber noch ungenutzten Mineralvorkommen auf einen Wert zwischen 900 und 3000 Milliarden US-Dollar. Der höchste Punkt des Landes ist der Gipfel des hohen Noshak im Hindukusch. Der tiefstgelegene Punkt () liegt in der Flussebene des Amudarja an der Grenze zu Turkmenistan. Die Band-e-Amir-Seen bei Bamiyan zählen zu den in der westlichen Welt bekanntesten Sehenswürdigkeiten. Sie sind seit 2009 als erster Nationalpark in Afghanistan ausgewiesen.
In Afghanistan herrscht ein kontinentales Klima mit heißen trockenen Sommern (nur im äußersten Südosten bringt der Monsun Regen) und sehr kalten Wintern. Die winterlichen Westwinde bringen meist mäßige Niederschläge. Im Winter sind wegen der großen Höhe des Landes vor allem im Norden gelegentlich auch Schneefälle bis in die Täler möglich. Klimatisch gehört der Süden des Landes bereits zu den wärmeren Subtropen, in denen der Anbau von Dattelpalmen möglich ist, während der Norden eher zur gemäßigten Zone gehört. Im Jahr 2000 hatte die Hälfte der Bevölkerung unter einer der häufig auftretenden schweren Dürren zu leiden. Solche Dürren könnten sich in Zukunft häufen; die Globale Erwärmung könnte dazu führen, dass vor allem im Winter und Frühjahr weniger Niederschläge fallen (→ arideres Klima). Für den vom Monsun betroffenen Süd-Osten steht hingegen zu erwarten, dass die Niederschlagsmengen im Sommer stärker variieren; durch die zusätzliche Erwärmung der Atmosphäre wird auch das indische Monsunsystem labiler. Besonders die Landwirtschaft (in der viele Afghanen arbeiten) könnte negativ betroffen werden. In den diese Orte umgebenden Gebirgen und Hochgebirgen ist es kälter; die Lufttemperatur sinkt gemäß der Höhenformel um typisch 0,65 °C pro 100 m Höhe.
Mit bis zu 5000 vermuteten höheren Pflanzenarten weist Afghanistan eine angesichts der Trockenheit recht hohe Artenzahl aus (zum Vergleich: für die etwa halb so große Bundesrepublik Deutschland werden um die 4000 Pflanzenarten geschätzt). Mit einem Anteil endemischer Arten von rund 30 % ist die afghanische Flora sehr reich an Pflanzen, die sonst nirgends auf der Welt vorkommen. Weite Teile des Landes sind durch menschlichen Einfluss umgestaltet, jahrtausendelange Überweidung, Entwaldung und landwirtschaftliche Nutzung haben trotz der Größe des Landes dazu geführt, dass nur sehr wenige, insbesondere abgelegene Regionen, noch eine natürliche Vegetation aufweisen. Eine kontinuierliche floristische Erforschung Afghanistans begann erst Mitte des 20. Jahrhunderts, auch sie ist durch die politische Situation des Staates erschwert.
Afghanistan weist eine große Habitatdiversität mit sehr unterschiedlichen ökologischen Bedingungen auf. Der Etablierung eines systematischen Naturschutzes steht die seit Jahrzehnten instabile politische Situation des Landes entgegen, erst 2009 wurde mit den Band-e-Amir-Seen bei Bamiyan der erste Nationalpark in Afghanistan ausgewiesen. Er besteht aus sechs spektakulären türkisfarbenen Seen, die durch natürliche Travertindämme getrennt sind.
Im Jahr 2023 lebten 27 Prozent der Einwohner Afghanistans in Städten. 5 Prozent leben als Nomaden. Die größten Städte waren im Jahr 2019: * Kabul (4,273 Mill. Einwohner) * Herat (556.200 Ew.) * Kandahar (506.800 Ew.) * Masar-e Scharif (469.200 Ew.) * Dschalalabad (263.300 Ew.) * Kundus (183.300 Ew.)
Afghanistan hatte 2022 41,1 Millionen Einwohner. Das jährliche Bevölkerungswachstum betrug +2,5 %. Zum Bevölkerungswachstum trug ein Geburtenüberschuss (Geburtenziffer: 35,1 pro 1000 Einwohner vs. Sterbeziffer: 6,9 pro 1000 Einwohner) bei. Afghanistan hatte damals eine der jüngsten und am schnellsten wachsenden Bevölkerungen weltweit, die Bevölkerungszahl hatte sich bis 2022 trotz mehrerer Kriege von 13,4 Millionen Menschen im Jahr 1980 verdreifacht. Die Anzahl der Geburten pro Frau lag 2022 statistisch bei 4,5. Außerhalb Afrikas ist Afghanistan das Land mit der höchsten Fruchtbarkeitsrate der Welt. Die meisten Frauen haben keinen Zugang zu Verhütungsmitteln und werden oft sehr jung schwanger. Der Median des Alters der Bevölkerung lag im Jahr 2021 bei 16,7 Jahren. Im Jahr 2022 waren 43,1 Prozent der Bevölkerung unter 15 Jahre, während der Anteil der über 64-Jährigen 2,4 Prozent der Bevölkerung betrug. 2050 soll Afghanistan gemäß einer Schätzung 61 Millionen Einwohner haben, was die begrenzten Ressourcen des Landes stark belasten würde.
Die Bevölkerung des Landes fühlt sich einer Vielzahl ethnischer Gruppen und Stämme zugehörig; aus historischen Gründen sehen sich die Paschtunen, die größte Ethnie Afghanistans, oft als staatstragendes Volk. In vielen Gegenden leben mehrere Volksgruppen miteinander; die Zugehörigkeit zu einer der Gruppen ist statistisch nicht erfasst und kann nur geschätzt werden. Die Zuordnung des Einzelnen zu einer bestimmten ethnischen Gruppe ist zudem nicht immer eindeutig, da sich Selbstidentifikation und Fremdzuschreibung häufig unterscheiden. Die im Folgenden angegebenen Werte basieren auf der Bevölkerungszahl des Jahres 2009. * Die Paschtunen, historisch als „Afghanen“ bezeichnet, sind die Begründer und Namensgeber des Landes. Sie machen etwa 42–60 % der Bevölkerung aus. Die zahlenmäßig größten Untergruppen sind die Durrani (Süden und Westen) und die Ghilzai (Osten). Den Paschtunen zugeordnet sind auch mehrere Nomadenstämme, allen voran die Kutschi mit rund 5 Millionen Menschen. * Tadschiken sind mit etwa 20–27 % Die Tadschiken sind keine von der persischstämmigen Bevölkerung der Nachbarstaaten abgegrenzte Ethnie; im Westen des Landes bilden sie die direkte Fortsetzung der persischsprachigen Bevölkerung Irans, im Norden die der persischsprachigen Bevölkerung Zentralasiens, die ebenfalls als Tadschiken bezeichnet wird (vgl. Tadschikistan). * Hazara, ebenfalls persischsprachig, jedoch größtenteils schiitischen Glaubens und mongolischer Abstammung, stellen etwa 9 der Bevölkerung dar. Aufgrund ihrer ethnischen und religiösen Zugehörigkeit wurden sie in Afghanistan diskriminiert, verfolgt und zuweilen gezielt getötet. * Die Usbeken, eines der vielen Turkvölker Zentralasiens, stellen etwa 6–9 % der Bevölkerung Afghanistans. * Daneben gibt es mehrere kleine Gruppen: die Aimaken (0,5–4 %), Turkmenen (1,9–3 %), Belutschen (0,9–2 %), Nuristani und zahlreiche weitere Ethnien (ca. 3,9 %). Nach 1992 prägten ethnische Konflikte die Auseinandersetzungen zwischen den Mudschaheddin. Die traditionellen Herrscher Afghanistans waren die Paschtunen, sie bilden auch die große Mehrheit der Taliban-Bewegung. Der Sturz des Taliban-Regimes im Jahr 2001 gab einer Allianz aus Tadschiken, Hazara und Usbeken die Gelegenheit, ein Abkommen über die Aufteilung der Macht durchzusetzen. Die Paschtunen sahen sich in der Folge Vergeltungsangriffen ausgesetzt. Unter den Taliban war es darüber hinaus zu Auseinandersetzungen zwischen Sunniten und Schiiten gekommen. Im Jahre 2017 waren 0,4 % der Bevölkerung im Ausland geboren.
Unter Amanullah Khan gab es 1923 den Vorschlag einer neuen Verfassung, die Wahlrechte für Frauen enthielt. Nadir Schah und Zahir Schah strichen die frauenfreundlichen Maßnahmen, und Frauen wurde das Wahlrecht verweigert. In der Verfassung von 1963, die 1964 in Kraft trat, erhielten Frauen das aktive und passive Wahlrecht. Doch es war auf Frauen beschränkt, die lesen und schreiben konnten. Diese Beschränkung wurde später gestrichen. Vor allem in Städten und größeren Orten gehen Frauen meist nur mit Ganzschleier (Burka) aus dem Haus. Allerdings wurde die Burka nur in größeren Städten üblich. Auf dem Land war die Burka nicht üblich, da sie etwa bei der Feldarbeit hinderlich ist. Nur in der kurzen Phase der kommunistischen Regierung 1978 und während deren Unterstützung durch sowjetische Truppen seit 1979 erhielten Frauen teilweise formale Selbstständigkeit, Freiheit und Schulbildung. Die Taliban verpflichteten Mitte der 1990er Jahre alle Frauen zum Tragen einer Burka. Bei den Tadschiken und den anderen Volksgruppen war diese Tradition bis dahin nicht weit verbreitet. Die Burka-Pflicht wurde 2001 offiziell wieder aufgehoben, die Burka bleibt jedoch weiterhin die gewöhnliche Kleidung für die meisten Frauen. Nur wenige Frauen wagen es, sich ohne männliche Begleitung in der Öffentlichkeit zu bewegen. Übergriffe gegen Frauen sind in Kabul und anderen größeren Städten nicht selten. Unter den Taliban war Frauen die Berufstätigkeit verboten, auch den Mädchen war es untersagt, eine Schule zu besuchen. Da es durch den Krieg allein in Kabul etwa 30.000 Witwen gab, waren diese völlig auf sich allein gestellt. Vielen blieb nichts anderes übrig, als zu betteln. Der eheliche Beischlaf ist seit 2009 in Artikel 132 des Gesetzes zur Regelung des Familienlebens verpflichtend. Dort steht: „Die Frau ist verpflichtet, den sexuellen Bedürfnissen ihres Mannes jederzeit nachzukommen.“ Nach Artikel 133 können Ehemänner ihre Frauen von unnötiger Beschäftigung abhalten. Auch wenn Frauen das Haus verlassen wollen, müssen sie zuerst die Erlaubnis des Ehemanns einholen. Im August 2020 bekundete Präsident Aschraf Ghani die Absicht, vor den geplanten Friedensgesprächen mit den Taliban einen Hohen Rat für Frauen zu schaffen, mit 26 Vertretern gesellschaftlicher Gruppen, die sich für Frauenrechte einsetzen, darunter Menschenrechtler, Aktivistinnen, Politiker und Beamte. Hunderte Frauen forderten unterdessen die Taliban in einem offenen Brief auf, ihre Rechte zu respektieren. Im März 2021 verbot das afghanische Erziehungsministerium allen Mädchen über zwölf Jahren, in Anwesenheit von Männern zu singen. Mit der Machtergreifung der Taliban im Jahr 2021 wurden die wenigen Frauenrechte, die bis dahin während des Krieges in Afghanistan implementiert worden waren, wieder abgeschafft. So schlossen die Taliban die Schulen für Mädchen ab 13 Jahren. Seit November 2022 ist Frauen in der Hauptstadt Kabul der Aufenthalt in öffentlichen Parks, Fitnessstudios und Freizeitparks auf Weisung der Taliban verboten. Einen Monat später erließen die Taliban ein Hochschulbildungsverbot gegen Frauen bzw. schlossen diese von Hochschulen aus. 2024 wurde die Ausbildung von Frauen zu Hebammen verboten, eine der letzten Ausbildungsmöglichkeiten, die ihnen bis dahin verblieben war. 2025 wurden von Frauen verfasste Bücher, auch solche zu naturwissenschaftlichen Themen, aus den Universitätsbibliotheken entfernt.
Seit Sommer 2024 müssen Männer einen Bart und mindestens knielange Hosen tragen. Solche Vorgaben machten die Taliban auch schon zwischen 1996 und 2001.
Ab 1980 waren mehr als 6 Millionen Afghanen in die benachbarte Islamische Republik Pakistan und in die Islamische Republik Iran geflohen. Viele kamen zwar zurück, doch durch die Kämpfe im Jahr 2001 entstand eine neue Flüchtlingswelle; Hunderttausende wurden innerhalb des Landes vertrieben. Rund 580.000 Menschen kehrten von Januar bis September 2018 auch aufgrund der wirtschaftlichen Lage aus Iran nach Afghanistan zurück. Infolge der Machtübernahme der Taliban im Jahr 2021 und dem damit verbundenem Anstieg der Armut nahmen die Flüchtlingszahlen wieder zu. Ende 2023 verzeichnete Afghanistan laut dem Internal Displacement Monitoring Centre (IDMC) mit 1,5 Millionen die meisten durch Naturkatastrophen intern Vertriebenen weltweit. Die Anzahl der durch Gewalt und Konflikte im Land Vertriebenen lag bei 4,2 Millionen.
Stand 2021 gab es rund 120.000 minderjährige Vollwaisen. Etwa 20.000 von ihnen waren in staatlichen oder privaten Einrichtungen in Obhut.
Paschto, die Sprache der größten Ethnie Afghanistan, der Paschtunen, ist per königlichem Dekret seit 1936 Amtssprache Andere Schätzungen aus Kriegszeiten gehen von rund 35 bis 38 % aus, was die Anzahl der Paschtunen im Land deutlich unterschreitet und ein Zeichen dafür sein kann, dass diese, gerade in Großstädten wie Kabul oder Herat, ihre Muttersprache nicht sprachen. Traditionell wird die Nationalhymne Afghanistans in Paschto gesungen. Auch militärische Titel sind der paschtunischen Sprache entliehen.
Dari () ist die offizielle in Afghanistan gebräuchliche Bezeichnung für die persische Sprache. Der Begriff ist von Fārsī-ye Darbārī, „Persisch des königlichen Hofes“ () abgeleitet. Etwa 32,1 % der Bevölkerung des Landes sprechen Dari als Muttersprache (Stand: 2023), insbesondere von den Tadschiken und Hazara, aber auch von Teilen der paschtunischen Bevölkerung, den Aimaken, Qizilbasch etc. Persisch war seit dem Mittelalter die dominierende Verwaltungs- und Kultursprache der Region bis hin nach Nordindien. Die persische Schriftsprache diente seit der Staatsgründung Afghanistans als Amts- und Verwaltungssprache. Das Persisch Irans unterscheidet sich dabei von Dari hauptsächlich in der Phonetik, der Akzentuierung und Silbenstruktur. Das Dari der Bewohner der Hauptstadt Kabul prägt nicht nur die Regierungs- und Wirtschaftssprache Afghanistans, sondern dient auch jenen Volksgruppen, deren Muttersprache weder Paschto noch Dari ist, als Lingua franca. Bis in die 1960er Jahre war der Titel des in afghanischen Schulen gebräuchlichen Lesebuchs Qerahate Farsi (Persisches Lesebuch). 1964 benannte das zuständige Ministerium es in Qerahate Farsi e Dari und schließlich in Qerahate Dari um. Während die Bevölkerung die Landessprache häufig noch Farsi nennt, verwenden die staatlichen Institutionen und Medien die Bezeichnung Dari. Johann Friedrich Kleuker verwendete 1776/77 erstmals im deutschen Sprachraum die Bezeichnung Deri für das Persische, das sich seit der Sassanidenzeit als Hofsprache aller Länder des iranischen Hochlandes entwickelt hatte. 1818 verwendete Joseph von Hammer-Purgstall dieselbe Bezeichnung bei seiner Übersetzung des Diwans des Dichters Hafis. Die Bezeichnung Dari kam im 9./10. Jahrhundert am Hof der Samaniden in Mittelasien auf, die das Persische zur Hofsprache erhoben hatten. Das afghanische Persisch oder Dari ist eng verwandt mit dem Tadschikischen, und die größte persischsprachige Bevölkerungsgruppe in Afghanistan sind Tadschiken. Dennoch ist die Sprachbezeichnung Tadschikisch nur für das Persische Tadschikistans und einiger anderer Gebiete der ehemaligen Sowjetunion üblich, in denen tadschikische Minderheiten leben. Tadschikisch wird meist in kyrillischer Schrift geschrieben, während Dari ebenso wie Persisch in persisch-arabischer Schrift geschrieben wird.
Daneben sind fünf Minderheitensprachen seit 1980 in jenen Regionen als Nationalsprachen anerkannt, in denen diese von der Mehrheit gesprochen werden; die Wichtigste ist Usbekisch. Auch Turkmenisch, Belutschisch, Paschai und Nuristani (Kati) haben unter der Regierung Hamid Karzais eine Aufwertung erfahren.
Englisch war bereits zu Zeiten Britisch-Indiens die Handels- und Geschäftssprache in Afghanistan. Auch nach der Unabhängigkeit vom Vereinigten Königreich im Jahr 1919 wurde in Afghanistan Englisch als internationales Kommunikationsmittel gelernt. Die afghanische Verfassung ist auch in englischer Sprache verfügbar. Auch auf Plakaten, in der Werbung und der offiziellen Beschilderung wird es verwendet. Es gab Bestrebungen, Englisch zur dritten Amtssprache Afghanistans zu erheben.
Die Muttersprache der Hindu- und Sikh-Minderheit in Afghanistan ist Urdu. Die große Beliebtheit von indischen und pakistanischen Filmen führte dazu, dass auch in anderen Bevölkerungsteilen Urdukenntnisse vorkommen. Urdu wird von einigen afghanischen Dichtern als Literatursprache verwendet und zudem in manchen afghanischen Schulen als Fremdsprache unterrichtet.
Über 99,9 % der Bevölkerung sind Muslime, davon etwa vier Fünftel meist hanafitische Sunniten und ein Fünftel imamitische Schiiten. Der Islam ist in Afghanistan über die Jahrhunderte von den Afghanen sehr konservativ ausgelegt worden, wobei das Stammesrecht der Paschtunen eine Rolle spielte. Jedoch wird der Islam je nach ethnischer Gruppe, Region und Bildungsstand unterschiedlich verstanden und interpretiert. Eine wichtige Rolle spielen bis heute die vorislamischen Bräuche der Bevölkerung, wie zum Beispiel das Feiern des Neujahrs (persisch Nouruz) nach dem iranischen Kalender oder die Verwendung von segenbringenden Weihrauch (persisch Espand), beides auf zoroastrische bzw. altiranische Gebräuche zurückgehend. Die Lage der christlichen Minderheit in Afghanistan hatte sich Anfang Juni 2010 zugespitzt, nachdem der private Fernsehsender „Noorin TV“ und andere Kanäle einen Film über die Taufe von Konvertiten ausgestrahlt und ihre Gesichter gezeigt hatten. Danach riefen afghanische Regierungsvertreter dazu auf, Islam-„Abtrünnige“ mit dem Tode zu bestrafen. Staatspräsident Hamid Karzai wies Regierung und Staatsschutz an, dafür zu sorgen, dass es keine weiteren Übertritte gebe. Der stellvertretende Parlamentspräsident Abdul Satter Chowasi (Kabul) forderte die öffentliche Hinrichtung von Personen, die vom Islam zum Christentum übertreten. Ein Abgeordneter erklärte, die Ermordung von Christen, die zuvor Muslime waren, sei kein Verbrechen. Seither sind zahlreiche christliche Familien untergetaucht oder ins Ausland geflohen. Humanitäre Hilfswerke werden einer strengen staatlichen Kontrolle unterzogen. Zwei, die den Begriff „Kirche“ im Namen tragen, mussten ihre Aktivitäten einstellen – die Norwegische Kirchenhilfe und die US-amerikanische Organisation World Church Services (Kirchliche Weltdienste). Daneben gibt es noch höchstens 15.000 Hindus und einige wenige hundert Sikhs. Zebulon Simentov war der letzte bucharische Jude, der im Jahr 2021 Afghanistan verließ. Über die Zahl der Christen ist wenig bekannt.
Lesefähigkeit der erwachsenen Bevölkerung Afghanistans 1980–2015 Hatten die Taliban im März 2022 angekündigt, Mädchen den Besuch von weiterführenden Schulen (Sekundarstufe I und II) zu erlauben, änderten die Taliban noch im selben Monat ihre Bildungspolitik und schlossen die Mädchenschulen für alle Kinder ab 13 Jahren. Unterricht für die Mädchen ab jener Altersgruppe findet daher, wenn überhaupt, nur durch Ehrenamtliche im Geheimen statt.
Afghanistan hat eine der höchsten Mutter-Kind-Sterblichkeitsraten der Welt. Nur bei 19 Prozent der Geburten steht medizinisches Fachpersonal zur Verfügung. Jährlich sterben etwa 24.000 Frauen vor, während oder direkt nach einer Entbindung. Laut Weltbank konnte die Kindersterblichkeit stark gesenkt werden. Die Sterblichkeit bei unter 5-Jährigen betrug 2022 57,7 pro 1000 Lebendgeburten. 1980 betrug sie noch 244 pro 1000 Lebendgeburten. Im Jahr 2019 waren 26 % der Bevölkerung unterernährt. Im Jahr 2001 betrug die Rate noch 48 %. Die Lebenserwartung der Einwohner Afghanistans ab der Geburt lag 2022 bei 62,9 Jahren (Frauen: 66,2, Männer: 59,8).
Afghanistan bedeutet wörtlich „Land der Afghanen“. Die persische Endung -stan geht auf den indoiranischen Ausdruck für „Platz“ oder „Ort, an dem man steht“ zurück. Ein Afghane ist hierbei nicht im modernen Sinne als Staatsbürger Afghanistans zu verstehen, sondern als Angehöriger des Volkes und der Stämme der Paschtunen, die im persischen Sprachraum länderübergreifend als Afghanen und auf dem Indischen Subkontinent als Pathanen bezeichnet werden. Heute hingegen ist in der Verfassung Afghanistans ausdrücklich geregelt, dass alle Staatsbürger Afghanistans unabhängig von ihrer Ethnizität als Afghanen verstanden werden. 1801 wurde der Name Afghanistan im anglo-persischen Friedensvertrag im Zusammenhang mit den paschtunischen Siedlungsgebieten zum ersten Mal offiziell erwähnt, nachdem er bereits in den tschagataischsprachigen Memoiren Baburs aus dem 16. Jahrhundert, in einem regional begrenzten Sinne und auf die paschtunischen Stämme südlich von Kabul bezogen, erwähnt worden war. Erst 1919, mit der vollen Unabhängigkeit Afghanistans vom Britischen Weltreich, wurde der Name offiziell anerkannt und 1936, mit der ersten Verfassung des Landes, etabliert. Eine andere Bezeichnung für den Großteil des Gebietes ist Kabulistan oder Königreich von Kabul, die im 19. Jahrhundert vom schottischen Geschichtsschreiber Mountstuart Elphinstone als Landesbezeichnung bevorzugt verwendet wurde. Der wohl bekannteste historische Name dieser Region ist Chorasan, der über viele Jahrhunderte hinweg für die islamische und persische Blütezeit stand. Noch zu Elphinstones Zeit war die Bezeichnung Chorasan für den afghanischen Staat unter Einheimischen gängig. So erwähnte er, dass er bei seinem ersten Besuch in dem Land, das für die Außenwelt als Afghanistan bekannt war, von den Einheimischen in Chorasan willkommen geheißen wurde.
In der Antike gehörte das Gebiet des heutigen Afghanistan, das dem Osten des antiken „Aryānām Xšaθra“ entspricht, zum Perserreich. Später entstand in Baktrien ein Griechisch-Baktrisches Königreich, das von den Nachfolgern Alexanders des Großen regiert wurde. Das Gebiet wurde seit dem 2. Jahrhundert v. Chr. von verschiedenen Gruppen beherrscht und gehörte großenteils zum Parther- und Sassanidenreich. In der Spätantike siedelten dort die sogenannten iranischen Hunnen, bevor deren letztes Herrschaftsgebilde, das Hephthalitenreich, von Sassaniden und Göktürken vernichtet wurde. Nach dem Fall der persischen Sassaniden im Zuge der Invasion der muslimischen Araber (siehe Islamische Expansion) und dem langsamen Zerfall des Kalifats der Abbasiden, dominierten dort iranische Dynastien, die dem Kalifat höchstens nominell unterstanden. Der Islam setzte sich dennoch in dieser Region verhältnismäßig langsam gegen den Widerstand der Turk-Schahi und der Hindu-Shahi durch. Erst gegen Ende des 10. Jahrhunderts, mit der Eroberung der Region durch türkische Nomaden und Militärsklaven (unter anderem die Ghaznawiden und Seldschuken), sollen nach einer islamischen Chronik die meisten Einwohner im Raum Ghor (zwischen Herat und Kabul) Muslime gewesen sein. In dieser Zeit, unter den Ghaznawiden und Ghuriden, war das heutige Afghanistan das Kernland mächtiger Großreiche. Im 15. Jahrhundert machten die Timuriden Herat zu ihrer Hauptstadt. Vom 16. bis zum 18. Jahrhundert stand die Region im Mittelpunkt der Konflikte zwischen den persischen Safawiden im Westen, dem indischen Mogulreich im Südosten und den usbekischen Schaibaniden im Norden.
Die Geschichte des modernen Afghanistan ist unzertrennlich mit der nationalen Geschichte der Paschtunen verbunden. Unzählige paschtunische Aufstände gegen die jeweiligen Herrscher (persische Safawiden und indische Mogulen) führten schließlich mit dem Aufstand des Stammes Ghilzai (1719) zum Sturz der Safawiden in Persien (1722). Dieser Sieg der Paschtunen hielt aber nicht lange an. Nur sieben Jahre später wurden sie von Nader Schah besiegt und zurück nach Kandahar verdrängt. Durch die folgenden Eroberungen Nader Schahs (1736–1747) erlangte das persische Reich vorübergehend wieder die Gewalt über die Region, die heute Afghanistan heißt. Nach dessen Ermordung übernahm der Stamm der Durranis, die mit Nader Schah gegen die Ghilzai verbündet waren und unter seinem Befehl kämpften, selbständig die Macht.
Der Paschtune Ahmad Schah Durrani begründete im Jahr 1747 nach dem Tod Nader Schah Afschars, im Osten seines Reiches, ein selbstständiges, paschtunisches Königreich, das als Vorgänger des modernen Staates Afghanistan betrachtet werden kann. Damit gilt er allgemein als der Begründer Afghanistans. Das von Ahmed Schah Durrani gegründete Reich zerbrach später an inneren Streitigkeiten und Einmischungen von außen. Wenig später geriet Afghanistan in den Einflussbereich der expandierenden Briten. Der Name „Afghanistan“ wurde erst im 19. Jahrhundert eingeführt und erst 1919 als Staatsname etabliert.
In Afghanistan kollidierten russische und britische Kolonialinteressen (The Great Game). Seit der Aufstellung der Kaiserlich Russischen Marine durch Zar Peter den Großen war es Ziel russischer Expansionspolitik, zum Indischen Ozean vorzustoßen und dort einen eisfreien Hafen zu bauen. Um Russland zuvorzukommen, sollte Afghanistan erobert und als Teil des Britischen Weltreichs an das spätere Britisch-Indien angegliedert werden. Dazu kämpfte 1839–1842 eine große anglo-indische Armee im ersten Anglo-Afghanischen Krieg gegen einen relativ schlecht ausgerüsteten afghanischen Widerstand. Die Briten konnten zwar das Land besetzen, jedoch nicht ihre Ziele durchsetzen. 1842 wurde ein Waffenstillstand vereinbart, bei dem die Briten sich bereit erklärten, ihre Truppen zurückzuziehen. Diese wurden jedoch kurz darauf am Chaiber-Pass angegriffen und alle Soldaten, darunter 690 britische und 2840 indische, aber auch 12.000 Zivilisten getötet. Als Reaktion auf diese Niederlage wurde eine Strafexpedition unter Generalmajor George Pollock entsandt, die am 15. September 1842 Kabul einnahm. Schon am 11. Oktober 1842 zogen sich die britischen Truppen aus Kabul und in der Folge aus Afghanistan vollständig zurück. Dieser Krieg hatte zur Folge, dass die britische Kolonialverwaltung lange Zeit keine direkten weiteren Aktionen in Afghanistan unternahm und erschwerte ihre politisch-wirtschaftlichen Bestrebungen wie die Kontrolle der Handelswege in Zentralasien und den von dort versuchten Angriff auf die chinesische Qing-Dynastie. Die Katastrophe in Afghanistan erregte auch viele Inder, da die britisch-indische Armee zu einem großen Teil aus Belutschen bestand. Angetrieben durch die vorangegangene Demütigung erklärte 1878 die britische Regierung erneut den Krieg gegen Afghanistan. Trotz kleiner militärischer Erfolge der Afghanen im zweiten Anglo-Afghanischen Krieg, wie bei der Schlacht von Maiwand 1880, wurde der Widerstand von den Briten niedergeschlagen, die Hauptstadt Kabul aus Rache niedergebrannt und eine Marionette als König installiert. Gleichzeitig übernahmen die Briten für die folgenden 40 Jahre die afghanische Außenpolitik. Aufgrund vieler Aufstände in Afghanistan wurde 1893 das Land durch die Durand-Linie von den Briten geteilt und das südöstliche Gebiet (die heutigen pakistanischen Provinzen NWFP, FATA und ein kleiner Teil Belutschistans) der indischen Kronkolonie einverleibt. Um diese Linie kontrollieren zu können, wurde das aus Afridis, einem Paschtunenstamm, bestehende Regiment Khyber Rifles im Jahr 1880 aufgestellt, da sich nur Einheimische in diesem Gebiet ungehindert bewegen können. Das Regiment besteht auch heute noch als Bestandteil der Pakistanischen Armee.
Seit 1933 bestand mit Mohammed Zahir Schah (Mohammedzai) an der Spitze ein konstitutionelles Königreich. Zahir Schah läutete jedoch eine demokratische Wende in Afghanistan ein. Unter seiner Herrschaft wurden unter anderem Wahlen, ein Zwei-Kammern-Parlament, die Emanzipation der Frauen bis hin zum Frauenwahlrecht, eine Modernisierung der Infrastruktur und Pressefreiheit etabliert. Schahs fortschrittliche und westliche Politik war jedoch nicht unumstritten unter der afghanischen Bevölkerung. Seit 1946 ist Afghanistan Mitglied der Vereinten Nationen. 1973 stürzte der sich an die Sowjetunion anlehnende Mohammed Daoud Khan das Königshaus und rief die Republik aus. Nach Daouds Sturz 1978 in der Saurrevolution übernahm die von Nur Muhammad Taraki geführte, kommunistisch geprägte Demokratische Volkspartei Afghanistans die Macht in Kabul, rief die Demokratische Republik Afghanistan aus und versuchte mit sowjetischer Unterstützung eine gesellschaftliche Umgestaltung, zum Beispiel eine Alphabetisierung der Landbevölkerung. Diese Reformen untergruben die traditionelle Stammesordnung und provozierten Widerstand in ländlichen Gebieten. Gleichzeitig unterdrückte die Regierung die Opposition brutal mit Tausenden von politischen Hinrichtungen. Bis zu 27.000 wurden im Pul-e-Charkhi-Gefängnis hingerichtet. Diese stieß in einigen Regionen auf militärischen Widerstand, der unter anderem von den USA und Pakistan unterstützt wurde. Mit dem Einmarsch sowjetischer Truppen im Dezember 1979 entwickelte sich der Bürgerkrieg zu einem zehnjährigen Stellvertreterkrieg (→ Sowjetischer Einmarsch in Afghanistan) zwischen sowjetischer Besatzungsmacht und den von den Vereinigten Staaten, Saudi-Arabien und Pakistan unterstützten islamischen Guerillas (Mudschahedin), siehe dazu Operation Cyclone. 1989 erfolgte der Abzug der sowjetischen Truppen. Nach unterschiedlichen Schätzungen wurden in dem Krieg unter anderem 600 Tausend bis 2 Millionen Zivilisten getötet. Die sowjetisch gestützte Regierung unter Präsident Mohammed Nadschibullāh konnte sich nach dem sowjetischen Abzug noch bis zur Einnahme Kabuls 1992 durch die Mudschahedin halten. Im April 1992 wurde der Islamische Staat Afghanistan durch die Peschawar-Abkommen gegründet. Neuer Präsident wurde Burhānuddin Rabbāni. Die Vereinten Nationen präsentierten einen Übergangsplan, jedoch kam es bereits vor Ort zu zahlreichen Kämpfen verschiedener konkurrierender Mudschahedin in wechselnden Allianzen unter den neuen Warlords. Die Mudschahedin verweigerten dem zurückgetretenen Präsidenten Nadschibullāh den Gang ins Exil, der daraufhin in ein UN-Gebäude floh. Zwei wichtige, jeweils vom pakistanischen Geheimdienst ISI trainierte, konkurrierende Warlords waren dabei Gulbuddin Hekmatyār und Ahmad Schah Massoud, der unter Rabbāni Verteidigungsminister wurde. Ebenso führte der zu den Mudschahedin kurz vor dem Ende der Regierung Nadschibullāh übergelaufene General Abdul Raschid Dostum Truppen an. beschossen Kabul. Für die Kämpfe machten sich die verschiedenen Fraktionen gegenseitig verantwortlich. Es kam zu zahlreichen Menschenrechtsverbrechen bei diesen Machtkämpfen. Wie Human Rights Watch berichtete war es praktisch jederzeit möglich, in Kabul getötet zu werden, sowohl der Artilleriebeschuss von Hekmatyārs Truppen als auch der konkurrierender Mudschahedinfraktionen trafen viele zivile Einrichtungen. Es kam zudem von den verschiedenen Seiten der Mudschahedin – unter Hekmatyār, Massoud, Dostum als auch weiteren Fraktionen – zu zahlreichen Entführungen, Plünderungen, Vergewaltigungen und Morden. 1993 kam es im Kabuler Stadtteil Afschar etwa zu einem Massaker durch die Truppen unter den Warlords Sayyaf und Massoud, bei dem geschätzt etwa 750 Menschen, hauptsächlich Angehörige der schiitischen Minderheit der Hazara, getötet oder verschleppt wurden. Bereits bis 1993 flohen mehr als eine halbe Million Menschen aus Kabul. Nach Verhandlungen wurde im Juni 1993 Hekmatyār zum afghanischen Premierminister ernannt. Der Frieden hielt jedoch nicht und es kam 1994 und 1995 wieder zu Kämpfen zwischen den konkurrierenden Milizen. Die Kämpfe hörten erst mit dem Einmarsch der Taliban auf, der wiederum von vielen Menschenrechtsverstößen begleitet wurde. Der Süden Afghanistans war überwiegend weder unter der Kontrolle der Zentralregierung noch unter der Kontrolle der Milizen vom Norden. Lokale Milizen- oder Stammesführer beherrschten den Süden. 1994 traten die fundamentalistischen Taliban in der südlichen Stadt Kandahar erstmals in Erscheinung. Die Taliban-Bewegung bestand aus Personen, die früher als Mudschahedin kämpften, und rekrutierte sich weiter aus religiösen Schulen für afghanische Flüchtlinge in Pakistan. In den Schulen wurde auch den Dschihad glorifizierendes Propagandamaterial, das von den USA hergestellt wurde, verwendet. Die Kämpfe zwischen den Milizen der Mudschahedin und die Hoffnung auf Frieden durch eine neue Ordnung gaben den Taliban Auftrieb. Ihr Anführer und späteres Staatsoberhaupt wurde Mohammed Omar. Im Laufe des Jahres 1994 übernahmen die Taliban die Macht in verschiedenen südlichen und westlichen Provinzen Afghanistans. Bis März 1995 hatten die Taliban sechs Provinzen eingenommen und Kabul erreicht. Anfang 1995 führten die Taliban Verhandlungen sowohl mit der Regierung Rabbānis als auch mit der schiitischen Miliz Hizb-i Wahdat, die jedoch nicht zu einem Frieden führten. Während die Taliban zunächst den Kampf um Kabul verloren, waren sie im Westen des Landes weiter auf dem Vormarsch. Dabei kam es zu einem vorübergehenden geheimen Bündnis zwischen den Taliban und dem Warlord Dostum (siehe Afghanischer Bürgerkrieg (1989–2001)). Mit logistischer Unterstützung des ISI und neuen Waffen und Fahrzeugen aus Pakistan und Saudi-Arabien reorganisierten die Taliban ihre Truppen nach einigen Niederlagen im Land und planten 1996 auch eine erneute Offensive gegen Kabul. Am 26. September 1996 befahl Verteidigungsminister Massoud einen Rückzug der Truppen in den Norden Afghanistans. Am 27. September 1996 marschierten die Taliban in Kabul ein und errichteten das Islamische Emirat Afghanistan, das lediglich von Pakistan, Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten anerkannt wurde. Der entmachtete Präsident Rabbāni, Massoud und Dostum, frühere Gegner, gründeten als Reaktion auf die Talibanoffensiven die Vereinte Front (bekannt als Nordallianz). Als mächtigster Mann im Bündnis galt Massoud, Bei der Offensive von 25.000 Taliban-Kämpfern gegen die nördliche Allianz waren geschätzt auch rund 10.000 islamistische Milizionäre aus arabischen Ländern, Pakistan und anderen asiatischen Ländern wie Usbekistan aktiv. Anfang 2001 wandte die Vereinte Front eine neue Strategie von lokalem militärischem Druck an. Massoud bereiste 2001 Russland und die EU, wo er sich zudem mit einem Abgesandten der CIA traf und um militärische Unterstützung bat. Massoud bekannte sich dort in seinen Reden zu einem moderaten islamischen Staat und warnte die Staaten vor al-Qaida. Die Tour war ein PR-Erfolg. Jedoch wurde er später 2001 durch einen Bombenanschlag getötet. Die Taliban setzten in den von ihnen kontrollierten Gebieten ihre politische und juristische Interpretation des Islam durch. Die Frauen lebten quasi unter Hausarrest. Im Verlaufe der Kämpfe radikalisierten sich die Taliban weiter und führten radikale gegen Nicht-Moslems gerichtete Maßnahmen durch. Am 10. März zerstörten sie trotz enormer Proteste auch in der islamischen Welt durch Sprengladungen und Artilleriebeschuss die Buddha-Statuen von Bamiyan. Nach einem Bericht der Vereinten Nationen begingen die Taliban systematische Massaker unter der Zivilbevölkerung, während sie versuchten, ihre Kontrolle im Westen und Norden Afghanistans zu konsolidieren. Dabei kam es etwa zu einem Massaker in Masar-e Scharif und den Dörfern Bedmushkin und Nayak. Sowohl die Taliban als auch die Nordallianz-Truppen nahmen unter anderem bei ihrem Beschuss Kabuls laut Amnesty und HRW keine Rücksicht auf Zivilisten. In den Jahren 1999 und 2000 kam es zudem zu einer schweren Dürre in Afghanistan, welche die Not im Land weiter verschärfte.
Am 9. September 2001 wurde Massoud ermordet. Zwei Tage danach wurden terroristische Anschläge in den Vereinigten Staaten verübt, die zum Tod von mindestens 2993 Menschen führten und als terroristischer Massenmord angesehen werden. Die Vereinigten Staaten identifizierten Mitglieder des Terrornetzwerks Al-Qaida, das seine Basis in dem Emirat der Taliban hatte und mit den Taliban verbündet war, als Täter der Terroranschläge des 11. Septembers 2001. Die Taliban verweigerten jedoch die Auslieferung der Verantwortlichen um Osama bin Laden, der sich zu den Attentaten bekannt hatte. Daraufhin begannen die Vereinigten Staaten im Oktober 2001 eine Invasion Afghanistans mit Hilfe eines Militärbündnisses unter ihrer Führung. Die US-Regierung unter Präsident George W. Bush nutzte als Legitimation dieser Invasion einen Entschluss des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen, der den USA das Recht zur Selbstverteidigung zusprach. Infolge dieser Invasion gelang es, die in den meisten Regionen Afghanistans herrschenden Taliban zügig von der Macht zu verdrängen, wobei die Vereinte Front den Großteil der Bodentruppen stellte. Im Dezember 2001 trafen sich Führer der Vereinten Front sowie afghanischer Exilgruppen auf der Afghanistan-Konferenz in Königswinter bei Bonn, auf der sie sich auf die sogenannte Bonner Vereinbarung einigten. Diese sah einen Stufenplan zur Demokratisierung des Landes sowie die Bildung einer provisorischen Regierung mit dem Durrani-paschtunischen Stammesführer Hamid Karzai als Vorsitzenden vor. Mitglieder der siegreichen Vereinten Front übernahmen Schlüsselpositionen in der neuen Regierung. Außerdem wurde um die Stationierung einer einem Mandat der Vereinten Nationen unterstellten internationalen Truppe ersucht, um die Sicherheit der provisorischen Regierung zu gewährleisten. Diese Aufgabe übernahm die internationale Afghanistan-Schutztruppe International Security Assistance Force (ISAF). Die Taliban zogen sich vorerst in schwer zugängliche Bergregionen zurück. Die provisorische Regierung wurde im Juni 2002 durch eine von einer landesweiten außerordentlichen Loja Dschirga bestimmten Übergangsregierung abgelöst, wiederum mit Karzai als Übergangspräsidenten an der Spitze. Ende 2003 wurde eine verfassungsgebende Loja Dschirga einberufen, welche die neue afghanische Verfassung im Januar 2004 ratifizierte. Die am 9. Oktober 2004 durchgeführte Präsidentschaftswahl bestätigte Karsai als Präsidenten. Die demokratische Legitimität der Wahl kann jedoch angezweifelt werden, da am Tag der Wahl alle 15 Gegenkandidaten geschlossen ihren Rückzug und Boykott aufgrund von Betrugsvorwürfen verkündeten. Den Abschluss des im Petersberger Abkommen vorgesehenen Demokratisierungsprozesses markierten die Parlamentswahlen im September 2005, aus denen sich das erste gewählte afghanische Parlament seit 1973 konstituierte. Allerdings dokumentierte die Wahlbeobachtungsmission der Europäischen Union auch bei dieser Wahl „Unregelmäßigkeiten und Betrugsvorwürfe, die einen Schatten auf die Integrität der Wahlen werfen“ sowie „signifikante Defizite“ bei der Stimmenauszählung. Die Wahlen sollten ursprünglich im Juni 2004 stattfinden, mussten aber aufgrund von Verzögerungen bei der Wahlregistrierung mehrmals verschoben werden. Viele Taliban flohen über die Durand-Linie nach Pakistan und formierten sich dort neu. 2003 traten sie erstmals wieder in Erscheinung. Ab Anfang 2006 verübten sie zusammen mit dem Haqqani-Netzwerk und der Hizb-i Islāmī von Gulbuddin Hekmatyār verstärkt Anschläge gegen afghanische Zivilisten und Soldaten der ISAF. Selbstmordattentate, die vorher in Afghanistan völlig unbekannt waren, und Bombenanschläge auf nichtmilitärische Ziele nahmen stark zu. Babak Chalatbari beschrieb in einem Artikel für die Bundeszentrale für politische Bildung die Motive des „Terrors der Taliban“ wie folgt: „Die terroristische Taktik hinter der massiven Einschüchterung zielt darauf ab, dass kaum noch jemand wagt, sich den Auffassungen der theologisch meist nicht sonderlich ausgebildeten Masterminds der Taliban zu widersetzen.“ Die Zahl der versuchten und ausgeführten Selbstmordanschläge nahmen von drei im Jahr 2003 auf 106 im Jahr 2006 stark zu, zu denen sich meist die Taliban – insbesondere das Haqqani-Netzwerk – bekannten. Im Süden und Osten von Afghanistan existierten Gebiete, die von ausländischen Hilfsorganisationen und auch ISAF-Truppen gemieden wurden. Pakistan spielt eine zentrale Rolle in Afghanistan. Eine Analyse der London School of Economics and Political Science aus dem Jahr 2010 führt aus, dass der pakistanische Geheimdienst (ISI) eine „offizielle Politik“ der Unterstützung der Taliban betreibe. Der ISI finanziere und bilde die Taliban aus. Dies passiere, obwohl Pakistan sich offiziell als Verbündeter der NATO ausgebe. Als Ergebnis hält die Analyse fest: „Pakistan scheint ein Doppelspiel erstaunlichen Ausmaßes zu spielen.“ Die Taliban und Gulbuddin Hekmatyārs Truppen richteten sich in Anschlägen gezielt gegen die afghanische Zivilbevölkerung. Im Jahr 2009 waren sie laut Angaben der Vereinten Nationen für über 76 % der Opfer unter afghanischen Zivilisten verantwortlich. Auch im Jahr 2010 waren die Taliban für über Dreiviertel der zivilen Todesopfer in Afghanistan verantwortlich. Zivilisten waren mehr als doppelt so häufig das Ziel tödlicher Anschläge der Taliban wie afghanische Regierungstruppen oder ISAF-Truppen. Religiöse Führer verurteilten die Anschläge der Taliban als Verstoß gegen die islamische Ethik. Menschenrechtsgruppen haben den Internationalen Gerichtshof in Den Haag dazu veranlasst, eine vorläufige Untersuchung gegen die Taliban auf Grund von Kriegsverbrechen vorzunehmen. In der Folgezeit kam es zu Spannungen zwischen Teilen der ehemaligen Vereinten Front und Hamid Karzai, nachdem dieser die Taliban als „Brüder“ bezeichnet hatte. Akteure um den ehemaligen Geheimdienstchef Amrullah Saleh und andere befürchteten, dass Karzai ein Abkommen mit den Taliban und Gulbuddin Hekmatyār schließen könne, das eine Rückkehr der Taliban abseits des demokratischen Prozesses ermögliche. Eine Abspaltung von Gulbuddin Hekmatyārs Partei Hizb-i Islāmī gab ab Herbst 2009 an, mit Karzai verbündet zu sein, und stellte mit Abdul Hadi Arghandiwal von 2010 bis 2017 den Wirtschaftsminister. Diese angeblichen Verbündeten Karzais ließen 2011 jedoch in öffentlichen Stellungnahmen keinen Zweifel an ihrer Loyalität gegenüber Hekmatyār. Der große Einfluss der Vereinten Front auf die Regierung wurde mit den Jahren reduziert. Bei der afghanischen Präsidentschaftswahl im August 2009 trat Abdullah Abdullah, ehemaliger Außenminister bis 2006 und einst einer der engsten Vertrauten Ahmad Schah Massouds, gegen Hamid Karzai an und galt als Mitfavorit. Karzai schien zunächst dennoch gewonnen zu haben. Bei der Stimmauszählung mehrten sich allerdings die Vorwürfe der internationalen Beobachter, dass massiver Wahlbetrug betrieben worden sei. Eine Beschwerdekommission ermittelte mehrere Wochen und gab Mitte Oktober bekannt, dass hunderttausende Stimmen ungültig seien. Damit verlor Amtsinhaber Karzai die absolute Mehrheit, und es wurde eine Stichwahl zwischen diesem und Abdullah am 7. November 2009 vereinbart. Ende Oktober 2009, knapp eine Woche vor der Wahl, drohte Abdullah laut Medienberichten, sich von der Stichwahl zurückzuziehen. Vorausgegangen waren gescheiterte Gespräche mit Karzai. Abdullah hatte unter anderem die Entlassung des Vorsitzenden der umstrittenen Wahlkommission (IEC) gefordert, um eine „freie und faire“ Stichwahl ermöglichen zu lassen. Sechs Tage vor der geplanten Stichwahl erklärte er seinen Boykott der Abstimmung. Als seine Anhänger auf die Straßen ziehen wollten, hielt Abdullah sie zurück, um die fragile Stabilität Afghanistans nicht zu gefährden. Nach der Tötung von Osama bin Laden durch US-Einsatzkräfte in der Operation Neptune Spear im Mai 2011 nahmen Anschläge auf prominente afghanische Politiker stark zu, so wurden unter anderem Expräsident Burhānuddin Rabbāni, Mohammed Daud Daud, Dschan Mohammed Chan und Präsident Karzais Halbbruder Ahmad Wali Karzai ermordet. Im Oktober 2011 begannen afghanische und NATO-Truppen eine Offensive gegen das Haqqani-Netzwerk im südöstlichen Grenzgebiet des Landes. 2014 wurde der erste demokratische Machtwechsel in Afghanistan durchgeführt, bei dem jedoch erneut massive Korruption und Fälschung vermutet wurde. Präsident Aschraf Ghani unterschrieb ein Abkommen mit der NATO, in dem die Nachfolgemission der ISAF, Resolute Support, legitimiert wurde. Diese begann am 1. Januar 2015 und unterstützte die afghanischen Sicherheitskräfte bis 2021 in der Ausbildung. Das Land wurde seit 2015 auch vom Islamischen Staat bedroht und weiterhin von Seiten der Taliban mit Gewalt überzogen. Im Februar 2020 unterzeichneten die Vereinigten Staaten und die Taliban ein Friedensabkommen. Die USA und die NATO verpflichteten sich dabei, ihre Streitkräfte innerhalb von 14 Monaten aus Afghanistan abzuziehen. Im Gegenzug garantierten die Taliban, innerhalb von zwei Wochen Friedensgespräche mit der afghanischen Regierung aufzunehmen und dem Terrorismus abzuschwören bzw. diesen in Afghanistan nicht zu dulden. Die afghanische Regierung hatte als Konfliktpartei das Abkommen nicht mitunterzeichnet. Da auch die Taliban keine Repräsentanten des Staates sind, handelte es sich bei dem Abkommen formal nicht um einen völkerrechtlichen Friedensvertrag. Tatsächlich begann die afghanische Regierung bis einschließlich Mai 2020 mit der Freilassung von über 1000 der 5000 gefangenen Taliban, während diese Miliz einige hundert Regierungstreue freiließ. Gleichzeitig wurden aber vor allem durch terroristische Anschläge in Afghanistan im Mai 2020 der Terror in Afghanistan fortgesetzt, so dass der afghanische Präsident Aschraf Ghani im selben Monat bekannt gab, die Taliban fortan wieder bekämpfen zu wollen. Innerhalb einer Woche im Juni, so vermeldete die afghanische Regierung, hätten die Taliban 222 Terrorattacken im Land verübt, wodurch 422 staatliche Sicherheitskräfte getötet oder verwundet worden seien.
Ende Juli 2021 endete der NATO-Einsatz; nur US-amerikanische und türkische Soldaten befanden sich zu diesem Zeitpunkt noch unter nationalem Kommando in Afghanistan. Die Bundeswehr hatte das Land bereits im Juni verlassen. Nach dem Rückzug der internationalen Truppen hatten die Taliban innerhalb kurzer Zeit die Kontrolle über große Teile des gesamten Landes übernommen, da die Regierungstruppen den Widerstand weitgehend aufgegeben hatten. Nachdem schließlich nur noch die Hauptstadt Kabul als einzige größere Stadt unter Kontrolle der Regierung gestanden hatte, kündigte am 15. August 2021 der zu diesem Zeitpunkt amtierende Innenminister Abdul Sattar Mirzakwal eine friedliche Übergabe Kabuls, und damit fast ganz Afghanistans, an die Taliban an. Präsident Ghani floh nach Tadschikistan und die Taliban verkündeten nach der Einnahme des Präsidentenpalastes und großer Teile Kabuls noch am selben Tag ihren Sieg. Ein kleines Gebiet, das Pandschschir-Tal, war teilweise noch unter Kontrolle von Resten der afghanischen Armee und Regierung (siehe Pandschschir-Widerstand). Am 6. September 2021 gaben die Taliban an, auch diesen Teil Afghanistans erobert zu haben. Medienberichten zufolge flohen daraufhin die Anführer des Widerstands, Vizepräsident Amrullah Saleh und Ahmad Massoud, nach Tadschikistan. Nach der Übernahme durch die Taliban verschlechterte sich die humanitäre Situation Afghanistans, als westliche Nationen aufhörten, humanitäre Hilfe zu leisten, und die Weltbank und der Internationale Währungsfonds auch ihre Zahlungen an Afghanistan einstellten. Im Oktober 2021 erklärten die Vereinten Nationen, dass mehr als die Hälfte der 39 Millionen Menschen in Afghanistan von akuter Nahrungsmittelknappheit betroffen seien. Führende Politiker der Welt haben Afghanistan humanitäre Hilfe in Höhe von 1,2 Milliarden US-Dollar zugesagt. Am 22. Dezember 2021 verabschiedete der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen einstimmig eine von den USA vorgeschlagene Resolution, um humanitäre Hilfe bei der Versorgung verzweifelter Afghanen zu unterstützen und gleichzeitig zu versuchen, Gelder aus den Händen der Taliban fernzuhalten. Nach Angaben der Welthungerhilfe sei die humanitäre Lage „katastrophal“. So sei ohne eine Verbesserung der Versorgungslage im Jahr 2022 mit einem Anstieg der Armutsrate auf 97 Prozent zu rechnen. In der weite Teile des Landes umfassenden Region Chorasan kommt es seit Abzug der internationalen Truppen zu vermehrten Scharmützeln von Taliban und dem Islamischen Staat – Provinz Khorasan (IS-PK), einem Ableger des dschihadistischen Islamischen Staats, dessen Erfolge auch als Gefahr für andere europäische und eurasische Staaten erachtet werden. Ende September 2025 wurde durch die Taliban-Regierung das Glasfasernetz und damit die Kommunikation mit dem und via Internet abgeschaltet.
Obwohl ganz Afghanistan de facto von den Taliban und dem von ihnen ausgerufenen, theokratischen Islamischen Emirat Afghanistan kontrolliert wird, erkennt nur Russland das Regime an. Im Gegensatz dazu erkennen die meisten Staaten und die Vereinten Nationen nach wie vor de jure die geflohene Exilregierung der bis 2021 herrschenden, demokratischen Islamischen Republik Afghanistan an, obwohl diese mittlerweile ihre Arbeit praktisch aufgegeben hat. Beide konkurrierende Regierungen werden daher im Folgenden dargestellt.
Nach der Machtübernahme der Taliban gaben diese am 7. September 2021 eine Übergangsregierung bekannt. Unter einem als Amir al-Mu’minin bezeichneten Staatsoberhaupt wurde ein Interims-Premierminister und zwei Stellvertreter ernannt. Insgesamt umfasst die Regierung 33 Mitglieder. Im September 2021 erklärten die Taliban, für die Zeit der Übergangsregierung auf die Verfassung des Königreichs Afghanistan aus der Amtszeit von König Sahir Schah zurückzugreifen. Jedoch wurde auch diese als inkompatibel mit der Scharia gewertet. Daher unterliegt die Regierung der Taliban derzeit keiner konstitutionellen Verfassung, jedoch wurde erklärt, dass diese zukünftig erstellt werden soll.
, Nationalhymne der Islamischen Republik Afghanistan Die Präsidialrepublik gab sich im Jahr 2004 eine Verfassung, laut der ein direkt gewählter Präsident für eine fünfjährige Amtszeit gewählt wurde. Weiterhin bestimmte sie eine aus zwei Kammern bestehende Legislative, wobei die Wolesi Dschirga nach dem System Nicht übertragbare Einzelstimmgebung mit maximal 250 Parlamentariern besetzt wird, während die Meschrano Dschirga mit lokalen Würdenträgern und Experten besetzt ist. Die letzten Wahlen für die Präsidentschaft fanden im Jahr 2019 statt, die letzten Parlamentswahlen im Jahr 2018.
Die Lage der Menschenrechte war bereits vor der Machtübernahme der Taliban schlecht. Amnesty International dokumentierte in zahlreichen Hafteinrichtungen in Afghanistan Folter und Misshandlungen. Journalisten wurden festgenommen, geschlagen oder getötet. Bei bestimmten Verbrechen konnte die Todesstrafe verhängt werden. Viele Kinder wurden in Afghanistan zwangsverheiratet. Häusliche Gewalt war weit verbreitet, zudem gab es Kindesmisshandlungen und sexuellen Missbrauch von Kindern etwa durch die Praktik von Bacha bazi. Durch die erneute Machtübernahme der Taliban im Jahr 2021 hat sich die Lage der Menschenrechte weiter verschlechtert. Mitte November 2022 forderte das Taliban-Oberhaupt Achundsada die Richter des Landes dazu auf, öffentliche Hinrichtungen, Steinigungen und Auspeitschungen sowie die Amputation von Gliedmaßen konsequent als Strafen auszusprechen. Etwa eine Woche später wurde erstmals öffentlich bestätigt, dass Peitschenhiebe als Strafe gerichtlich angeordnet und öffentlich durchgeführt werden. Internationale Aufmerksamkeit erhielt vor allem die fast vollständige Abschaffung der Gleichberechtigung der Frauen seit der Machtübernahme. Außerdem werden Unterstützungsangebote für Betroffene sexueller Gewalt abgebaut und Personen, die wegen Gewalt gegen Frauen und Mädchen inhaftiert waren, freigelassen – Gewaltopfer sind hingegen selbst von Inhaftierungen bedroht.
Ende des 19. Jahrhunderts erlitten die Hazara aufgrund ihrer ethnischen und religiösen Zugehörigkeit einen von dem paschtunischen Emir Abdur Rahman Khan zu verantwortenden Völkermord. Bis heute werden die Hazara in Afghanistan diskriminiert und verfolgt. Am 11. Februar 1993 richteten Regierungstruppen unter dem damaligen Präsidenten Rabbani, dem damaligen Verteidigungsminister Ahmad Schah Massoud und militärischen Anführer (der Gruppierung Ittihad) Sayyaf ein schweres Massaker gegen die schiitische und ethnische Minderheit der Hazara im Kabuler Stadtteil Afschar an und ermordeten bis zu 1000 Zivilisten. Dieses Massaker wird jedoch von vielen Tadschiken abgestritten und der ehemalige (ethnisch tadschikische) Verteidigungsminister stattdessen als Nationalheld gefeiert. Mit der Machtübernahme der Taliban im Jahr 2021 begann die Vertreibung der Hazara in Afghanistan erneut.
Zur Zeit der Demokratischen Republik Afghanistan von 1978 bis 1992 unterhielt das Land enge Beziehungen mit den Staaten des Ostblocks, einschließlich der Sowjetunion. Während der später folgenden Herrschaft der Taliban war das Land außenpolitisch nahezu komplett isoliert. Lediglich Pakistan, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate unterhielten in dieser Zeit offizielle Beziehungen zu dem Land. Seit dem Sturz des Regimes der Taliban 2001 bis zu ihrer erneuten Machtübernahme 2021 verfügte Afghanistan über eine enge Westanbindung. Mit den Staaten der Europäischen Union und den USA arbeitete das Land in politischer, militärischer und wirtschaftlicher Hinsicht eng zusammen. Afghanistan stand deshalb auf der Liste der Major non-NATO Ally der Vereinigten Staaten. Afghanistan erhofft sich dabei eine Verbesserung seiner Sicherheitslage und eine verbesserte ökonomische und soziale Lage aufgrund eines stärkeren wirtschaftlichen Austauschs. Aufgrund seiner Binnenlage im Herzen Asiens kann es sich nicht von den regionalen Ereignissen abkoppeln. Die Beziehungen zu den Nachbarstaaten sind deshalb von entscheidender Bedeutung für Afghanistan. Mit Pakistan führt Afghanistan komplizierte und gelegentlich belastete Beziehungen. Afghanistan wirft Pakistan weiterhin die Unterstützung der Afghanischen Taliban vor. Pakistan unterstützt seit dem Beginn der sowjetischen Invasion des Landes die Taliban massiv mit Waffen und finanziellen Mitteln, um mithilfe der Taliban Einfluss auf das politische Geschehen im Land zu gewinnen. Eine Strategie, die sich inzwischen in Form einer verstärkten Präsenz der Taliban in Pakistan selbst gerächt hat. Gleichzeitig gibt es starke kulturelle Gemeinsamkeiten zwischen beiden Nationen. So lebt die Volksgruppe der Paschtunen in beiden Ländern. Pakistan hat 1,3 Millionen Flüchtlinge aus Afghanistan aufgenommen. Um dem zu starken Einfluss Pakistans zu entkommen, versucht das Land die Beziehungen mit Pakistans regionalem Rivalen Indien zu intensivieren. Indien ist einer der wichtigsten Investoren (unter anderem im Rohstoffsektor) in Afghanistan und mit rund 2 Mrd. US-Dollar seit 2001 größter regionaler und fünftgrößter Geber von Entwicklungshilfe insgesamt. Zu Iran bestehen enge sprachliche und kulturelle Verbindungen. Belastet werden die Beziehungen zu Iran durch Konflikte um die Kontrolle von Wasserressourcen, dem Drogenschmuggel und afghanischen Flüchtlingen in Iran. Chinas wirtschaftlicher und politischer Einfluss in Afghanistan wuchs ebenfalls an. Beide Länder waren vor allem an einer Intensivierung der wirtschaftlichen Beziehungen interessiert. Chinesische Direktinvestitionen im Land kamen dabei vor allem dem Rohstoffabbau zugute. Wichtigster Partner in der sicherheits- und wirtschaftspolitischen Zusammenarbeit waren die USA. Die staatlichen und politischen Strukturen des Landes in der Zeit nach der Überwindung der Taliban-Herrschaft 2001 wurden zum größten Teil unter Anleitung und Aufsicht der Vereinigten Staaten konzipiert. Die USA waren der mit Abstand größte Geber von Entwicklungshilfe im Land. Zudem waren in Afghanistan weiterhin amerikanische Truppen stationiert. Im August 2017 wurde eine Aufstockung der amerikanischen Truppen in Afghanistan von 3.000 auf 14.000 Mann angekündigt. Nach der Machtübernahme der Taliban, wurde deren Regierung zunächst nicht international anerkannt. Bei den Vereinten Nationen wurde Taliban weiterhin von Diplomaten, die von der vorhergehenden Regierung eingesetzt wurden, vertreten. In der Folge konnten die Taliban in einigen Staaten wie Russland und China die Botschaften übernehmen. Auch erklärten sie im Juni 2024, dass die Botschaften in anderen Staaten, die weiterhin die Politik der Vorgängerregierung vertraten, irregulär seien.
Die deutsche Regierung gehörte zu den ersten Staaten, die die Regierung von Amanullah Khan und damit die Unabhängigkeit Afghanistans anerkannten. Zwischen deutschen Firmen und afghanischen Herrschern bestanden bereits seit 1898 Kontakte, diplomatische Beziehungen pflegten beide Länder jedoch erst ab 1922. 2017 lebten 252.000 Afghanen in Deutschland.
Afghanistan ist seit 1946 Mitglied der Vereinten Nationen. Es hat Beobachterstatus in der WTO und ist Vertragsstaat des ICC. Daneben ist es Mitglied der Organisation für Islamische Zusammenarbeit sowie Mitglied der Bewegung der Blockfreien Staaten. Seit 2007 ist Afghanistan zudem vollständiges Mitglied der SAARC (Südasiatische Vereinigung für regionale Kooperation). Nach der Machtübernahme der Taliban im August 2021 bemühten sich die neuen Machthaber darum, den noch von der Regierung unter Mohammad Ashraf Ghani entsandten UN-Botschafter Ghulam Isaczai durch einen eigenen Vertreter zu ersetzen. Nachdem dies vom Beglaubigungsausschuss der Generalversammlung der Vereinten Nationen im Dezember 2021 abgelehnt wurde, besteht die ungewöhnliche Situation, dass Afghanistan bei den Vereinten Nationen weiterhin durch Ghani vertreten wird, der auch für das Land spricht und an Abstimmungen teilnimmt, obwohl die De-facto-Regierung von Afghanistan ihn nicht als Vertreter anerkennt.
Afghanistan gliedert sich in 34 Provinzen (velayat), die wiederum in 329 Distrikte (woluswali) unterteilt sind. Den Provinzen steht jeweils ein Gouverneur (waali) vor, der von der Regierung in Kabul ernannt oder bestätigt wird.
Nach dem vorübergehenden Sturz der Taliban, die nach der Einnahme von Kabul im Jahr 2021 Afghanistan wieder übernahm, Die Afghanische Nationalarmee (ANA) verfügte im Januar 2011 über ca. 150.000 Mann und bis Oktober 2014 war eine Truppenstärke von etwa 260.000 Mann angestrebt. Da der Aufbau und Unterhalt einer einsatzfähigen Luftwaffe teuer war, übernahmen die Vereinigten Staaten die Sicherung des afghanischen Luftraums. Die Notwendigkeit einer afghanischen Luftwaffe wurde debattiert, aufgrund der geographischen Gegebenheiten galt diese aber als vorhanden. Die Kommandostruktur orientierte sich an der der Vereinigten Staaten. So sollte Afghanistan unter militärisch sinnvollen Regionalkommandos aufgeteilt werden, vergleichbar den US-Streitkräften. Vorrangiges Ziel blieb aber zunächst die Verbesserung von Ausbildung, Moral und Ausrüstung sowie die Bereinigung des Militärs von Spionen und Saboteuren. In Zusammenarbeit mit Deutschland und der EU bildeten die Vereinigten Staaten afghanische Polizisten aus. Der neu gegründete afghanische Geheimdienst, die Nationale Sicherheitsdirektion (NDS) unterstützte die afghanische Regierung durch Informationsgewinnung und -auswertung. In ihrer jungen Geschichte fiel die NDS international durch Einsperrungen von Journalisten und durch Tötung eines Politikers auf. Die NDS genoss in Afghanistan de facto Straffreiheit.
In den Jahren von 2014 bis 2019 sind nach Angaben der afghanischen Regierung 45.000 Soldaten der afghanischen Streitkräfte im Kampf gegen Gruppierungen wie den Taliban und den islamischen Staat gefallen. Im Sommer 2016 standen 36 von 400 Regionen oder bis zu einem Drittel Afghanistans nicht mehr unter Kontrolle der Regierung. Trotz Friedensverhandlungen zwischen der afghanischen Regierung und den Taliban im Jahr 2020 war das Land von Kampfhandlungen zwischen den Soldaten und Milizen dieser beiden Akteure überzogen. Laut dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes tragen organisierte Kriminalität und Stammeskonflikte zu einer komplexen Sicherheitslage in Afghanistan bei.
Afghanistan ist stark mit Landminen belastet. Nach Angaben des United Nations Mine Action Service (UNMAS) ist das Land auf 530 km² mit 10 Millionen Minen kontaminiert. Die Hauptstadt Kabul gilt als am stärksten von Landminen belastete Stadt der Welt. Die Minen stammen aus der Zeit der sowjetischen Besatzung von 1979 bis 1989 sowie von den Vereinigten Staaten, Großbritannien und Iran aus der Zeit des Bürgerkrieges. Die Taliban setzten pakistanische Landminen ein. Die Minen sind eine ständige Gefahr für die Zivilbevölkerung. Allein im Jahr 2002 zählte das Rote Kreuz 1286 Landminenopfer, wobei von einer hohen Dunkelziffer auszugehen ist. Afghanistan trat 2002 der Ottawa-Konvention zum Verbot von Landminen bei. Es besteht jedoch der Verdacht, dass die Taliban seitdem zur Bekämpfung der ausländischen Militärpräsenz weiterhin Minen eingesetzt haben.
Nach zwei Jahrzehnten Krieg war die Wirtschaft des Landes im Jahr 2001 weitgehend zerstört, ebenso ein Großteil der Viehbestände. Das Bruttoinlandsprodukt lag im Jahr 2016 bei geschätzten 18,8 Milliarden US-Dollar. Damit zählte Afghanistan zu den ärmsten Staaten weltweit. Bei der Entstehung des BIP war der Landwirtschaftssektor mit geschätzten 60 % beteiligt, die Industrie mit geschätzten 15 % und Dienstleistungen mit geschätzten 25 %. Bis zum Jahr 2017 sank der Anteil des Landwirtschaftssektors auf 23 %, die Anteile der Industrie und des Dienstleistungssektors stiegen dagegen auf 21 % und 52 %. Die Arbeitslosenquote lag im Jahr 2017 bei 23,9 %, dazu kommt Unterbeschäftigung, die weit verbreitet ist. 2017 arbeiteten 44,3 % aller Arbeitskräfte in der Landwirtschaft, 18,1 % in der Industrie und 37,6 % im Dienstleistungssektor. Die Gesamtzahl der Beschäftigten wird für 2017 auf 8,5 Millionen geschätzt; davon sind nur 17,3 % Frauen. Im Wirtschaftsjahr 2008/2009 lag das Wirtschaftswachstum bei 3,6 %. Der Grund für das niedrige Wachstum lag vor allem am fast vollständigen Ausfall der Getreideernte durch eine Dürre. 2009/2010 stieg das Wachstum auf 15 % an. 2016 wuchs die Wirtschaft nur um 2,4 %. Für die nächsten Jahre wird ein Wachstum von 3 bis 4 Prozent erwartet, was als nicht ausreichend für eine nachhaltige Senkung der Armut und hohen Arbeitslosigkeit bzw. Unterbeschäftigung gilt. Im Index für wirtschaftliche Freiheit belegt Afghanistan 2017 Platz 163 von 180 Ländern. Im Ease of Doing Business Index der Weltbank belegt Afghanistan 2018 Platz 183 von 190 Ländern. Das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen zählt das Land zu den Ländern mit geringer menschlicher Entwicklung. Trotz bestehender Probleme wie mangelhafte Infrastruktur, teils unsicherer Sicherheitslage und Korruption haben in den letzten Jahren große Investitionen in Afghanistan stattgefunden: Verschiedene staatliche Unternehmen wurden privatisiert, durch den Krieg zerstörte Industrie wurde wieder aufgebaut. Die im Jahr 2003 gegründete Afghanistan Investment Support Agency (kurz: AISA) registriert neue Unternehmen und betreut Investoren bei Problemen nach der Unternehmensgründung. Zu den wichtigsten Handelspartnern zählt neben Staaten der Region, vor allem Pakistan und Iran, auch die Europäische Union. Mit Stand 2021 beruhte rund ein Zehntel der afghanischen Wirtschaftsleistung auf der Gewinnung des Rauschmittels Opium.
Afghanistans Bevölkerung leidet, unter anderem aufgrund von Dürren, mindestens seit Ende der 2010er Jahre unter einer Hungersnot. Ende des Jahres 2021 lebten laut den Vereinten Nationen (UN) etwa die Hälfte der 38 Millionen Afghanen unterhalb der Armutsgrenze. Der prozentuale Anteil der Bevölkerung in Armut stieg im Jahr 2022 drastisch, laut UN-Prognosen auf bis zu 97 Prozent, an. 38 Prozent der Bevölkerung (23,34 Millionen Menschen) erhält Lebensmittelhilfen. Die Zahl der Menschen, die unter akuter Lebensmittelunsicherheit leiden, lag im Jahr 2021 bei 22,8 Millionen Menschen und im Jahr 2022 bei 19,7 Millionen. Laut einer Schätzung der UN leiden im Jahr 2022 höchstwahrscheinlich 1,1 Millionen Kinder unter fünf Jahren unter schwerster Unterernährung.
Obwohl nur etwa 6 % der Staatsfläche landwirtschaftlich nutzbar sind und diese Nutzung meist von künstlicher Bewässerung abhängt, sind 67 % der Bevölkerung in der Landwirtschaft tätig (Stand 2001). Weitreichende Waldrodungen, Überweidung der Böden und unkoordiniertes Abpumpen von Grundwasser während der Bürgerkriegsjahre bewirkten einen Rückgang der landwirtschaftlich nutzbaren Ressourcen des Landes. Dadurch ist die Versorgung des Landes empfindlicher gegenüber Dürren und anderen Naturkatastrophen geworden. So sind die Ernten regelmäßig durch Dürren bedroht, die in ihrer Häufigkeit und Intensität in den letzten drei Jahrzehnten zugenommen haben. Dabei trockneten in manchen Fällen bestimmte Flüsse und Seen völlig aus. Teile der Bevölkerung sind auf Nahrungsmittelhilfen angewiesen. Eine Reihe von Organisationen befassen sich daher mit der Erhebung, Überwachung und dem Entwickeln von Nutzungskonzepten der Wasserressourcen des Landes.
Die neue Talibanregierung verbot 2022, wirksam mit Ernte 2023 den Anbau von Schlafmohn, aus dem Opium gewonnen wird. Die Mohnanbaufläche ging von 233.000 Hektar (2022) auf 10.800 ha im Jahr 2023, also ein Zwanzigstel, zurück. Afghanistan ist auch größter Ertragsproduzent von Haschisch wie 2010 von der UNODC festgestellt wurde. Nach Angaben der UNODC-Studie werden in Afghanistan pro Hektar 145 Kilogramm Cannabisharz gewonnen. In Marokko, dem größten Cannabisanbauland der Welt, sind es zum Vergleich pro Hektar nur 40 Kilogramm. In der Provinz Nimrus wird Ephedrin, ein Vorstoff von Crystal Meth, hergestellt aus einer Meerträubel Art, einer heimischen Pflanze. Die Jahresproduktion wird auf 350.000 Kilogramm geschätzt. Zur Bekämpfung der Drogenkriminalität wird in Afghanistan seit dem Jahr 2002 die „Counter Narcotics Police of Afghanistan“ (CNPA) aufgebaut. Im Rahmen von Felderzerstörungen der afghanischen Drogenvernichtungseinheit (Afghan Eradiction Force) und der nationalen Polizei wird seit 2005 in zunehmendem Umfang der Opiumanbau bekämpft. Nachteil dieser von westlichen Geberländern geforderten Maßnahme ist, dass zahlreiche Bauern, deren Lebensgrundlage zerstört wurde, zu Anhängern lokaler Kriegsherren wurden, ein Grund für die Verschlechterung der Sicherheitslage seit dieser Zeit. Ein wirtschaftlich negativer Effekt ist, dass Marktverknappung der derzeitigen Überschussproduktion den Drogenhändlern in die Hände spielt, weil sie die Preise steigen lässt. 2003 betrug bei einer Ernte von 4000 Tonnen das von den Bauern erzielbare Bruttoeinkommen noch das 27fache des Weizenanbaus. Der erneute Anbau von Opium wird durch die Vernichtung von Feldern lukrativer, die politische Macht der Drogenbarone wird dagegen nicht angegriffen. Der überwiegende Anteil der Gewinne am Handel mit Opiaten wird im Ausland erzielt. im Frühjahr 2018 lag der Preis für Opium in Afghanistan bei etwa 60 bis 80 US-Dollar pro Kilogramm, der Preis für das hochwertigste Heroin bei 2.000 US-Dollar. In Iran verdreifacht sich der Heroinpreis auf 5.800 US-Dollar beinahe, in Istanbul steigt der Preis auf etwa 15.000 US-Dollar. In Deutschland ist das Heroin dann etwa 35.000 US-Dollar wert und in Großbritannien sogar 40.000 US-Dollar. In London lassen sich für das gestreckte Heroin bis zu 74.000 Dollar pro Kilogramm erzielen.
Die bedeutendsten Bodenschätze sind Eisen- und Kupfererze, Erdgas, Kohle, Schmucksteine (hauptsächlich Lapislazuli) und Erdöl. In den 1880ern führte der britische Geologe Karl Griesbach geologische Explorationen durch und dokumentierte reichhaltige Vorkommen an Mineralien. Insgesamt konnten in Afghanistan bisher rund 200 Mineralarten nachgewiesen werden, so unter anderem Lasurit als farbgebender Bestandteil von Lapislazuli sowie verschiedene Beryll-, Korund- und Turmalinvarietäten. Für die Minerale Afghanit (entdeckt in der Lapislazuli-Lagerstätte Ladjuar Medam nahe Sar-e-Sang) und Khanneshit (entdeckt im Khanneshin-Karbonatit-Komplex im Distrikt Reg, Helmand) ist Afghanistan zudem Typlokalität (erster Fundort) und für das erstgenannte Mineral Namensgeber. 1937 vergab Afghanistan eine Konzession zum Abbau der Mineral- und Ölvorkommen über einen Zeitraum von 75 Jahren an eine US-Firma. Diese verzichtete jedoch schon bald auf die Wahrnehmung der Konzession, weil die wirtschaftliche Verwertung eine Investition von mehreren hundert Millionen US-Dollar erfordert hätte. Ab den 1950ern investierte die Sowjetunion in Explorationen, die bis in die 1980er fortgeführt wurden. Die wichtigsten Funde waren die Kupfererz-Vorkommen bei Aynak, etwa 30 km südlich der Hauptstadt gelegen, die Eisenerz-Vorkommen in Hajigak im zentralafghanischen Bamiyan und die Gasfelder nahe Scheberghan. Die Sowjetunion stellte 1967 eine 101 km lange Gaspipeline nach Wachsch in der tadschikischen Sowjetrepublik fertig und von da an wurden etwa 90 Prozent der afghanischen Gasvorkommen in die Sowjetunion exportiert. 2007 nutzte der United States Geological Survey ein luftgestütztes Erkennungsverfahren, um weitere Mineralienvorkommen zu dokumentieren. Dabei wurden im Norden des Landes Lagerstätten entdeckt, die das 18fache der ursprünglich geschätzten Menge an Ölvorkommen und etwa das dreifache an Gasvorkommen enthalten. Der überwiegende Anteil der Entdeckungen geht jedoch auf Explorationen der Sowjetunion zurück. Zahlreiche der früher ausschließlich als Staatseigentum angesehenen Minen und Lagerstätten wurden inzwischen privatisiert, was die Beteiligung ausländischer Investoren erst ermöglicht. Bei Erhebungen des möglichen Abbaus vorhandener nicht-fossiler Bodenschätze wurden 20 Lagerstätten identifiziert, die das Potenzial für einen wirtschaftlichen Abbau besitzen sollen. Voraussetzung für einen Produktionsbeginn ist jedoch eine ausreichende Sicherheitslage, die vielerorts noch nicht gegeben ist. Das Projekt verzögerte sich jedoch aufgrund von Vertragsstreitigkeiten und der kritischen Sicherheitslage. Eine Konzession für den Abbau der Eisenerze bei Hajigak wurde an ein Konsortium von sieben indischen Firmen und ein kleinerer Teil an eine kanadische Firma vergeben. Seit 2009 unterstützen die USA Afghanistan beim Aufbau einer eigenen Rohstoffindustrie.
In Kabul sind einige Hotels und Gästehäuser für Ausländer geöffnet. Reisen außerhalb der Hauptstadt sind gefährlich. Viele Kulturschätze wie zum Beispiel die berühmten Buddha-Statuen von Bamiyan wurden zerstört oder geplündert. Afghanistan veröffentlicht keine offiziellen Zahlen zum Tourismus. In den 1960er und 1970er Jahren führte der sogenannte Hippie trail von Europa nach Südasien durch Afghanistan. Für Afghanistan existiert eine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes der Bundesrepublik Deutschland (Stand: 28. April 2016). Reisen gelten als gefährlich, und von ihnen wird dringend abgeraten, da eine Rettung (besonders aus den Provinzen) im Unglücksfall nur unter schwersten Bedingungen möglich ist und nicht garantiert werden kann.
2008 wurde das Mobile Payment mit M-Pesa von Afghanistans Telekomunternehmen Roshan und Vodafone eingeführt. Ab 2009 nutzte dann die Afghanische Nationalpolizei M-Pesa in einigen Landesteilen zur Bezahlung, wodurch nicht vorhandene Polizisten aufgespürt werden konnten und das übliche teilweise Einbehalten des Gehaltes durch die oberen Polizeiränge verhindert werden konnte.
Afghanistan gehört zu den weltweit korruptesten Ländern. Korruption ist in allen Teilen der Wirtschaft und des Staates verbreitet. Milliarden an Hilfsgeldern für den wirtschaftlichen Aufbau des Landes sind durch Korruption versickert.
In Afghanistan gibt es derzeit keine offizielle eigene Wertpapierbörse. Eine Zentralbank existiert jedoch mit der Da Afghanistan Bank.
2006 betrug der Anteil der Staatsausgaben (in % des BIP) folgender Bereiche:
Das Land hat eine kaum vorhandene Infrastruktur, die zudem in diversen Kriegen stark beschädigt wurde. Im Logistics Performance Index, der von der Weltbank erstellt wird, belegte Afghanistan den letzten Platz unter 160 Ländern. Bei der Qualität der vorhandenen Infrastruktur belegte das Land den drittletzten Platz unter allen untersuchten Staaten.
staut den Fluss Hilmend Afghanistan wird bereits seit Jahrzehnten als mögliches Transitland für fossile Brennstoffe in Betracht gezogen; dies aufgrund seiner Lage zwischen den turkmenischen Erdöl- und Erdgasfeldern des Kaspischen Meeres und dem Indischen Ozean. Der Baubeginn der seit längerem geplanten Turkmenistan-Afghanistan-Pakistan-Pipeline (kurz: TAP), die Pakistan und gegebenenfalls Indien mit turkmenischem Erdgas beliefern würde, hätte 2006 stattfinden sollen. Das Projekt wurde aber aufgrund der unsicheren Sicherheitslage und unklarer Finanzierung auf unbestimmte Zeit verschoben und kommt möglicherweise nicht mehr zustande. Der Bau der Pipeline würde tausende Arbeitsplätze schaffen und dem Staat jährlich etwa 100 bis 300 Millionen US-Dollar an Transitgebühren einbringen.
Nachdem die Taliban 2001 in Afghanistan von der Macht vertrieben worden waren, war die elektrische Infrastruktur in weiten Teilen des Landes zerstört: 2003 hatten nur 6–7 % der Bevölkerung Zugang zu elektrischem Strom, der jedoch nur etwa vier Stunden am Tag zur Verfügung stand. 30 % aller Stromanschlüsse des Landes befanden sich in Kabul; die damals vorhandenen 42 Kraftwerke leisteten nur 240 MW statt den nominellen 454 MW. Afghanistans Energienetz war in den folgenden Jahren in miteinander nicht verbundene Teilnetze getrennt. Im Norden gab es Teilnetze zwischen einzelnen Gebieten und den Nachbarländern: Bei Scheberghan (Erdgasförderung und Verstromung in einem 100 MW Kraftwerk), bei Masar-e Scharif und bei Kundus, im Osten gab es unverbundene Netze bei Kabul und Dschalalabad, im Westen bei Herat und im Süden ein Teilnetz zwischen Kandahar, Laschkar Gah, Musa Qala und der Kajakai-Talsperre. Nachdem in den ersten Jahren hauptsächlich lokale Wasserkraftwerke instand gesetzt worden waren, wie etwa das Sarobi Wasserkraftwerk nahe Kabul, entstand der Plan für ein überregionales Energiesystem, das innerhalb weniger Jahre aufgebaut werden könnte. 2009 erreichten die ersten 90 Megawatt (später dann bis zu 150 Megawatt) Kabul über eine 442 Kilometer lange Stromtrasse aus Usbekistan, wobei mehrere Städte in der Nähe der Hochspannungsleitung zu diesem Zeitpunkt ebenfalls angeschlossen wurden, zum Beispiel Pol-e Chomri, oder die demnächst angeschlossen werden. Auch die schnell wachsende Stadt Masar-e Scharif bekam über eine Abzweigung, zusätzlich zu einer schon bestehenden Verbindungen, aus Usbekistan Energie geliefert. In Afghanistan wird insbesondere der Wasserkraft viel Potential eingeräumt: Es ist geplant, unter anderem die Kajakai-Talsperre mit einem zusätzlichen Wasserkraftwerk Kajakai II auszubauen. Auch andere erneuerbare Energien wie Windenergie und Solarenergie, die, von dezentralen Inselanlagen abgesehen, bisher über keine nennenswerte Rolle spielen, verfügen über großes Potential. Gründe für ihren Ausbau sind u. a. geringere Abhängigkeit von Energieimporten aus den Nachbarstaaten mit schwankenden und unvorhersehbaren Lieferbedingungen, längere Reichweite heimischer Energieressourcen Kohle und Erdgas sowie Reduzierung von Dieselimporten, deren Kosten ansteigen sowie Umweltschäden verursachen. Als besonders erfolgversprechend gilt der Einsatz von Windkraft- und Photovoltaikanlagen in den Provinzen Herat und Balch, wo ohne größere Abregelung ein Wind- und Solarstromanteil von 65 bis 70 % erreicht werden könnte.
Der Grenzfluss Amudarja beziehungsweise dessen Quellfluss Pandsch stellt ein natürliches Hindernis für Überlandtransporte in die nördlich gelegenen Nachbarländer Usbekistan und Tadschikistan dar, da nur wenige Brücken über diese beiden Flüsse existieren. Es besteht teilweise eine hohe Minengefahr und viele Straßen sind je nach Jahreszeit oft stark unterspült. Um 2000 wurde die Straßenverkehrsordnung der DDR übernommen, weil viele afghanische Soldaten in der DDR ausgebildet worden waren.
In Afghanistan gibt es über 60 Flugplätze und Flughäfen, überwiegend handelt es sich um einfache Schotterpisten. Nur in einigen Städten sind größere Flughäfen vorhanden, diese werden auch beziehungsweise überwiegend von der U. S. Air Force militärisch genutzt. Der größte Flughafen des Landes ist der Flughafen Kabul. Über ein Dutzend Fluggesellschaften fliegen Ziele in Afghanistan an. Afghanische Fluggesellschaften sind Ariana Afghan Airlines, Kam Air und Pamir Airways.
Das afghanische „Schienennetz“ hatte Anfang 2024 eine Länge von 227 km. Es besteht aus vier Inselbetrieben, die von den Bahnnetzen benachbarter Länder als Stichstrecken über die Grenze gebaut wurden. Hinzu kommt die in einem kurzen Abschnitt grenzüberschreitende Bahnstrecke Peschawar–Landi Khana aus Pakistan, die aber stillgelegt ist. Eisenbahnbehörde des Landes und Keimzelle einer künftigen afghanischen Staatsbahn ist die Afghanistan Railway Authority. Sie verfolgt umfangreiche Pläne, ein mehr als 5000 km umfassendes nationales Eisenbahnnetz zu errichten. Angesichts der wirtschaftlichen und politischen Lage im Land erscheint das sehr optimistisch.
Es existieren vier Mobilfunknetze. Anfang 2008 gab es in Afghanistan 4,5 Millionen Mobilfunknutzer. Das Telekommunikationsnetz der Afghan Telecom versorgt alle 34 afghanischen Provinzhauptstädte sowie 254 Orte und Dörfer. Im Jahr 2020 nutzten 18,4 Prozent der Einwohner Afghanistans das Internet.
2011. Das Ali-Mausoleum in Masar-e Scharif ist die bedeutendste Wallfahrtsstätte Afghanistans. Die Region war etwa vom 2. bis etwa zum 10. Jahrhundert buddhistisch geprägt. Aus dieser Zeit sind zahlreiche Überreste buddhistischer Stätten erhalten. Der Islam, der das Gebiet im 7. Jahrhundert erreicht hatte, verbreitete sich zunächst eher langsam. Eine der größten Sehenswürdigkeiten waren die Buddha-Statuen von Bamiyan. Im Jahre 2001 wurden diese in eine Felswand eingearbeiteten Kunstwerke durch die Taliban zerstört. Die zahlreichen Überreste von Klöstern, ausgemalten Höhlen, Statuen und Festungsanlagen im Bamiyan-Tal stehen auf der Liste des UNESCO-Welterbes, wie auch das sich in der Provinz Ghor befindliche Minarett von Dschām mit den dortigen archäologischen Überresten. Die Taliban zerstörten und plünderten viele Kunstwerke (unter anderem Gemälde und Figuren aus buddhistischer Zeit), vor allem die, die Menschen darstellten. Mitarbeitern des örtlichen Institutes für Kunst gelang es, Kunstwerke vor den Taliban zu retten. Zu den kulinarischen Spezialitäten der afghanischen Küche zählen Khabilie Palau mit delikaten Gemüsesoßen, Borani-Badendschan und Aschak.
Die afghanische Literatur umfasst unter anderem die Literatur in Dari und Paschto, die von Autoren auf dem Gebiet des seit dem 18. Jahrhundert existierenden afghanischen Staats verfasst wurde. Dari sprechen als Muttersprache vor allem Tadschiken und Hazara, aber auch immer mehr Paschtunen. Die Verbreitung der paschtunischen Sprache, einer ostiranischen Sprache, die sich aber stark vom Dari unterscheidet, deckt sich nicht mit dem heutigen afghanischen Staatsgebiet; sie reicht bis nach Pakistan. Umgekehrt wird auch das in Pakistan verbreitete Urdu von einer Minderheit in Afghanistan gesprochen und von einigen Autoren als Literatursprache genutzt.
Das Paschto brachte eine nennenswerte, jedoch außerhalb des paschtunischen Sprachraums kaum beachtete bzw. wenig bekannte Literatur hervor. Die Anfänge der Paschto-Literatur gehen ins 17. Jahrhundert zurück und sind stark vom Persischen beeinflusst. Die Echtheit älterer Manuskripte aus der voriranischen Zeit, die möglicherweise von Mohammed Hotak erst 1728–1729 verfasst wurden, wird bezweifelt. Pīr Roschān (1525–1581/1585), ein Krieger, Dichter und Sufi-Meister aus dem Ormur-Stamm, entwickelte eine eigene Schrift, die die Lautstruktur des Paschto besser wiedergab als die arabische Schrift. Als bekannteste Dichter und Literaten des Paschto der klassischen Epoche gelten Khushal Khan Khattak (Hushal Han, 1613–1689), ein auf dem Gebiet des heutigen Pakistan geborener Stammesherrscher, Führer des Aufstands gegen die Mogulherrscher und Meister des landai, einer Form zweizeiliger paschtunischer Kurzgedichte, der gelegentlich auch in persischer Sprache dichtete, sowie der mystisch-erotische Dichter Abd ur-Rahman Mohmand (Rahman Baba, 1653–1709/1711) und der weltliche Liebeslyriker Abd ul-Hamid (* ~1732). Sie bedienten sich der Vorlagen und Formen der klassischen persischen Poesie, z. B. des Ghasel, deren Metrum der Paschto-Volksdichtung angepasst wurde. Rahman Babas Gedichte genossen bei den Paschtunen größte Verehrung. Nazo Tokhi („Nazo Ana“, „Großmutter Nazo“, ca. 1651–1717), eine Tochter des Häuptlings des Tokhi-Stammes, wurde als Kriegerin ebenso bekannt wie als Dichterin. Aber auch der erste König Afghanistans, Ahmad Schah Durrani (1724–1773), ging als großer Dichter in die Geschichte des Landes ein. Der Enkel Kushal Khans, Afzal Khan Khattak, kompilierte um 1708 mit dem Tarich-e morassa eine Geschichte Afghanistans aus verschiedenen Quellen. Daneben existiert die reiche Volksdichtung, die zuerst im 19. Jahrhundert (allerdings in der Gegend von Peschawar im heutigen Pakistan) von James Darmesteter dokumentiert wurde. Die afghanischen Barden waren jedoch meist keine Hofpoeten, sondern volksnahe Häuptlinge (so bis in die Neuzeit die des Kahttak-Clans in Pakistan) oder Derwische, die in Paschto dichteten. Der Abstand zwischen Volkssprache und literarischer Sprache ist gering. In Kabul wurde 1931 eine Paschtoakademie gegründet. Diese bemüht sich ebenso um die Pflege der paschtunischen Sprache wie ihr Gegenstück, die Pakhto Akedemi in Peschawar, dem literarischen Zentrum des Paschto im heutigen Pakistan. In den dreißiger Jahren setzten sich vor allem in den Feuilletons die westlichen Gattungen wie Novelle, Kurzgeschichte, Theaterstück und (Fortsetzungs-)Roman durch. Das war nicht einfach, da auch die Prosa in Paschto an das Ideal des persischen höfischen Stils gebunden war. Es kristallisierten sich zwei große Stoffgebiete heraus: historische Themen, die mit verklärendem Patriotismus behandelt wurden, und realistische Gegenwartskritik, wobei an den religiösen und gesellschaftspolitischen Grundregeln der islamischen Gesellschaft nicht gerüttelt wurde. Nach dem Zweiten Weltkrieg kam es zu einer Radikalisierung der Literatur. Federführend war die allerdings kurzlebige literarische Vereinigung Wesch zalmayan (Wache Jugend). Abdul Rauf Benawa (1913–1987) und Gul Pacha Ulfat (1909–1977) waren wichtige Autoren dieser Zeit. Beide verfassten u. a. Lehrgedichte. In Benawas Gedichtzyklus Preschana afka (Traurige Gedanken 1957) geht es um die Machtlosigkeit, Verlassenheit und Entrechtung der Menschen. Der Sozialaktivist Benawa thematisiert die Unterschiede zwischen Arm und Reich in seinem Land und die Willkürherrschaft von Beamten, der die Masse der Besitzlosen ausgesetzt ist, während Ulfat der Klage der Frauen über ihre gesellschaftliche Stellung eine Stimme verleiht. Allerdings verwendeten die jungen Radikalen Stereotype, die bis zur Karikatur verzerrt waren: der Dorfherr mit dickem Bauch und Gewehr, der Bauer barfuß unter der Peitsche des Feudalherrn, seine zwangsverheiratete Tochter, der im Ausland ausgebildete Arzt, der Mullah usw. Benawa musste emigrieren und starb 1987 im amerikanischen Exil. Auch Nur Muhammad Taraki (1917–1979), Übersetzer, Diplomat und zeitweise im Exil, veröffentlichte sozialkritische Kurzgeschichten, die nicht frei von Klischees waren. 1978 bis 1979 war er Ministerpräsident und wurde vermutlich ermordet. Der Verfasser patriotischer Gedichte, Schriftsteller und Psychologe Kabir Stori (1942–2006) studierte in Deutschland. Er wurde 1983 in Pakistan verhaftet und konnte nur wegen des erfolgreichen internationalen Drucks nach Deutschland emigrieren.
Ein Wegbereiter der Modernisierung nach der Unabhängigkeit 1919 war Mahmud Tarzi (1865/68?–1935), der die politischen Reformen unterstützte, die erste wichtige Zeitung Seraj ul akhbar (Leuchte der Nachrichten) herausgab und 1919 Außenminister wurde. Er übersetzte die schöngeistige Literatur aus europäischen Sprachen ins Dari und führte die moderne westliche Begrifflichkeit (Nation, Freiheit, Ausbeutung, Wissenschaft, Eisenbahn, Flugzeug, …) in die Paschtuliteratur ein, wo früher Begriffe wie Liebe, Blume, Nachtigall und die Traditionen der Stammesgesellschaft dominierten. Die Erzähltradition blieb lange Zeit lyrisch geprägt. Die ersten modernen Kurzgeschichten erschienen etwa 1933; die meisten Autoren waren zugleich Übersetzer und Journalisten. Der erste Roman Afghanistans wurde 1938 publiziert; sein Autor war Sayed Mohammed Ibrahim Alemschahi. Im gleichen Jahr erschienen weitere Romane und Fortsetzungsromane, so Chandschar (Dolch) von Dschalaluddin Choschnawa und Begom von Suleiman Ali-Dschaguri, die von der traditionellen Erzählkunst beeinflusst waren, aber traditionelle Zustände durchaus kritisierten. Berühmtester Dramatiker der 1940er Jahre war Aburraschid Latifi. Azizurrahman Fathi wurde bekannt durch zwei große sozialkritische Romane von 1949 (Sonnenaufgang) und 1952 (Unter der wilden Rose), durch die er neue Maßstäbe für die Langprosa setzte. Während der Talibanherrschaft gingen viele Intellektuelle ins Exil, und zwar aufgrund der Sprachverwandtschaft meist nach Iran, aber auch in die USA, so z. B. der Erzähler und Verfasser klassischer Gedichte Razeq Fani. Zu den Autoren, die ihre Arbeit im westlichen Exil fortsetzten, gehörten Spôjmaï Zariâb (* 1949), Tamim Ansary und der Friedenspädagoge Ahmad Jawed. Auch Marjam Mahbub publizierte in Kanada weitere Werke in Dari. Die Erfolg versprechende Lyrikerin Nadia Anjuman wurde 2005 im Alter von 25 Jahren von ihrem Ehemann erschlagen.
Rahbeen Khorshid und Mohammad Afsar Rahbin, der eigentlich Dari spricht, dichten (auch) in Urdu. Typisch für die Urdu-Literatur ist das Muschaira, das Dichter-Symposion, auf dem viele Poeten ihre Gedichte rezitieren.
Laut dem Bericht der Nichtregierungsorganisation Reporter ohne Grenzen ist die Situation der Pressefreiheit im Land „schwierig“. Die Pressefreiheit ist zwar von der Verfassung garantiert, wird jedoch in der Realität von lokalen Machthabern und unterschiedlichen politischen Gruppen nicht respektiert. In den von Taliban beherrschten Regionen des Landes gibt es keine Medienfreiheit. 1906 erschien die erste afghanische Tageszeitung in Dari, die bereits nach einer Ausgabe wieder verboten wurde. 1911 wurde sie von Mahmud Tarzi wieder ins Leben gerufen. Nach 1919 wurde das Presse- und Zeitungswesen sehr gefördert, bereits 1921 erschien die erste Frauenzeitschrift. Nach der Machtübernahme der Taliban 1996 gab es fünf Jahre lang keine Fernsehsender, heute sind es bereits 16 Sender, die hauptsächlich Filme und Serien aus dem Ausland wie Indien, Pakistan und Iran im Unterhaltungsprogramm ausstrahlen. Freizügige Kleidung in der Werbung oder in indischen Serien wird durch Bildfilter unkenntlich gemacht oder verschwommen gezeigt. Informationssendungen und Talkshows werden auch von Frauen moderiert.
Gesetzliche oder staatliche und landwirtschaftliche Feiertage und Feste wie Nouruz, Unabhängigkeitsfest sowie staatliche Gedenktage werden nach dem iranischen Sonnenkalender gefeiert. Religiöse Feste werden nach dem islamischen Mondkalender gefeiert. Der Kalender nach dem Sonnenjahr ist Staatskalender, auch wenn er im Laufe der Geschichte auf dem Boden des heutigen Landes, aber auch seit der Namensgebung „Afghanistan“ im 19. Jahrhundert wiederholt außer Kraft gesetzt worden ist. Zuletzt wurde der Solarkalender im Jahre 1996 von den Taliban für ungültig erklärt. Der islamische Lunarkalender war der Kalender des „Islamischen Emirats Afghanistan“. Seit der Loja Dschirga von 2004 ist der auf dem Sonnenjahr beruhende Kalender abermals in der Verfassung verankert. Demnach basiert der Kalenderanfang auf dem Zeitpunkt der Pilgerfahrt (Hidschra) des Propheten Mohammed. Die Arbeitsgrundlage des Staatswesens ist der auf jener Pilgerfahrt beruhende Sonnenkalender. 22 Sonnenjahre entsprechen 23 Mondjahren. Die zwölf Monatsnamen des Sonnenkalenders entsprechen in Afghanistan den Tierkreiszeichen.
bei der ICC World Cricket League Division One 2010 in Rotterdam Afghanistans Sportkultur wird vor allem von seinen zentral- und südasiatischen Nachbarländern beeinflusst. Wie in anderen Ländern Zentralasiens stellt das Reitspiel Buzkaschi den traditionellen Wettkampfsport Afghanistans dar, der vor allem bei Volksfesten ausgetragen wird. Basketball, Volleyball, Taekwondo und Gewichtheben genossen einige Zeit lang breite Popularität in Afghanistan. Fußball und allen voran Cricket genießen jedoch die größte Popularität unter den Mannschaftssportarten in Afghanistan. Cricket ist auch der einzige Sport, der von den Taliban geduldet wird und von der geografischen Lage Afghanistans nahe Pakistan und Indien profitiert, wo die Mannschaftssportart einen hohen Grad der Professionalisierung erreicht hat. Die afghanische Cricket-Nationalmannschaft wurde 2001 gegründet und zeigte seitdem einen konstanten Aufwärtstrend. Afghanistan nahm 2009 erstmals an der Qualifikation für die Cricket-Weltmeisterschaft 2011 teil und qualifizierte sich schließlich für die Turniere 2015, 2019 und 2023. Am 22. Juni 2017 wurde Afghanistan zusammen mit Irland der Teststatus zuerkannt, was zur Teilnahme an der angesehensten Stufe des Crickets berechtigt. Auch nach der erneuten Machtübernahme der Taliban im August 2021 trägt die Cricket-Nationalmannschaft weiterhin Trikots in den Farben der schwarz-rot-grünen Trikolore der Islamischen Republik Afghanistan, ebenso wird die frühere Nationalhymne Milli Tharana verwendet. Beim T20 World Cup 2024 erreichte das Team erstmals das Halbfinale bei einem internationalen Cricketturnier, unterlag jedoch Südafrika. Ihnen gelang auch die Qualifikation für die Champions Trophy 2025, in der sie jedoch in der Vorrunde ausschieden. Die afghanische Fußballnationalmannschaft wurde bereits 1933 gegründet und nimmt seit 1941 am internationalen Sportgeschehen teil. Zwischen 1984 und 2002 bestritt sie jedoch keine Spiele mehr; heute ist die Mannschaft wieder aktiv und absolviert Pflichtspiele, ihr gelang jedoch noch nicht die Qualifikation für eine Fußball-Weltmeisterschaft. 2013 gewann Afghanistan bei der Fußball-Südasienmeisterschaft seinen ersten internationalen Titel. Seit 2012 gibt es die erste Fußball-Profiliga Afghanistans, die Afghan Premier League. Am 4. November 2016 fand ein Marathonlauf in Bamiyan statt, an dem erstmals Sportlerinnen teilnahmen. Nach der Machtübernahme der Taliban haben diese den Druck erhöht, dass die Frauen im Land sich nicht an sportlichen Aktivitäten beteiligen sollen. Auf internationaler Ebene wurde Afghanistan jedoch von Sportlerinnen, die im Ausland leben, vertreten, so beispielsweise bei den Olympischen Spielen 2024.
* Florian Weigand: Waiting for Dignity: Legitimacy and Authority in Afghanistan. Columbia University Press, New York 2022, ISBN 978-0-231-20049-3.
* Eigene Beiträge und umfangreiche kommentierte Linkliste. * Thorsten Hölzer: ] (mit Überblicken zu Geschichte & Staat, Wirtschaft & Entwicklung, Gesellschaft und Alltag). * , Library of Congress (englisch)
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Atonale Musik
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Atonale Musik bezeichnet allgemein eine durch sogenannte Atonalität charakterisierte Musik, die auf der chromatischen Tonleiter gründet, deren Harmonik und Melodik nicht auf ein tonales Zentrum bzw. einen Grundton fixiert ist – im Gegensatz zur (Dur-Moll-)Tonalität oder Modalität. Der Begriff wurde anfänglich in polemischer Absicht von der konservativen Musikkritik auf die Kompositionen der Wiener Schule, insbesondere auf Arnold Schönbergs Drei Klavierstücke op. 11 (1909), angewandt und war ursprünglich mehr ein Schlagwort als ein musiktheoretischer Terminus. Sowohl Schönberg als auch Alban Berg lehnten diesen Begriff ab, weil sie ihn im Sinne von „ohne Töne“ (statt „ohne Tonart“) verstanden (u. a. in dem Radiodialog Was ist atonal? von 1930). Rückblickend betrachtet stellt der Paradigmenwechsel Tonalität/Atonalität um die Jahrhundertwende weniger eine „Revolution“ als vielmehr eine „Evolution“ dar, deren Grenzen durch den Zusatz „freie“ (Tonalität/Atonalität) auch in der (musik-)wissenschaftlichen Terminologie zunehmend verwischt werden. Obwohl sich bereits in Werken des 16. Jahrhunderts, insbesondere im „manieristischen“ italienischen Madrigal, stark chromatische Passagen finden, die in der Spätromantik wieder aufgegriffen wurden, kann von Atonalität erst ab dem frühen 20. Jahrhundert die Rede sein. Die frühe Atonalität der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts lässt sich in eine Phase der sogenannten freien Atonalität und ab 1923 in eine Phase der zwölftonigen, später auch seriellen Atonalität gliedern. Die Preisgabe der Tonalität ist eine der wenigen Konstanten der Neuen Musik und verbindendes Element verschiedener Stilrichtungen der Moderne. Damit hat die Atonalität zwar einerseits zur zunehmenden Komplexität (aus der Sicht ihrer Befürworter) oder zur zunehmenden Beliebigkeit (aus der Sicht ihrer Gegner) der zeitgenössischen Musik und dem damit verbundenen „Bruch mit dem Publikum“ beigetragen, andererseits verbietet sich aufgrund ihrer vielfältigen Erscheinungsformen ein ästhetisches Pauschalurteil (sei es positiv oder negativ).
Die Zwölftontechnik wurde nach dem Zweiten Weltkrieg zum Serialismus weiterentwickelt und dominierte die Avantgarde der ernsten Musik während der 1950er Jahre in Europa. Weitere wichtige Wegbereiter der atonalen Musik waren neben Alban Berg und Anton von Webern, die zusammen mit Schönberg unter die sogenannte Zweite Wiener Schule subsumiert werden, Ernst Krenek, Igor Strawinsky, Béla Bartók und viele andere mehr.
In seiner 1949 erschienenen Philosophie der neuen Musik plädiert Theodor W. Adorno für Schönbergs atonale Kompositionsweise und setzt diese dem als Rückfall in bereits veraltete Kompositionstechnik betrachteten neoklassizistischen Stil von Igor Strawinsky entgegen. Der Schritt zur Atonalität um 1910 durch Schönberg bedeutet für Adorno die Befreiung der Musik vom Zwang der Tonalität und damit die ungehinderte Entfaltung des musikalischen Ausdrucks qua freier Atonalität mit dem vollen Triebleben der Klänge. Dagegen wendet er sich in der gleichen Schrift dezidiert gegen die (später von Schönberg entwickelte) Zwölftontechnik, weil er hier die Gefahr eines mechanisch ablaufenden Komponierens sah. Dazu passt auch der Kommentar des alten Schönberg, als man ihm mitteilte, dass seine Kompositionsmethode sich über die Welt ausgebreitet habe: „Ja, aber machen sie auch Musik?“ Wie jede künstlerische Revolution (die sich aus späterer Sicht oft eher als Evolution, als Weiterentwicklung darstellt) wurden auch die Mittel der Atonalität von konservativen Geistern heftig attackiert. Der Dirigent Ernest Ansermet etwa hat in seinem Buch Die Grundlagen der Musik im menschlichen Bewusstsein von 1961 der atonalen Musik ihr Existenzrecht überhaupt abgesprochen, da in ihr eine sinnhafte musikalische Formensprache aufgegeben werde und durch den Wegfall einer sinnstiftenden Tonalität ein fundiertes ästhetisches Urteil durch den Hörer nicht möglich sei. Die Erzeugung eines psychischen Widerhalls im Hörer durch atonale Musik täusche Sinnhaftigkeit nur vor. (Carl Dahlhaus kritisierte in seinem Artikel Ansermets Polemik gegen Schönberg (Neue Zeitschrift für Musik, 1966) Ansermets Annahmen als unwissenschaftlich.) Die meisten Einwände basieren auf zwei Grundannahmen: * Tonalität sei eine Sprache oder zumindest die Grundlage einer Sprache und ihre Preisgabe käme der Sinnlosigkeit des Zusammenfügens von Wörtern (= Tönen) ohne Grammatik gleich. * Tonalität gründe in Prinzipien der Natur – insbesondere den Schwingungsverhältnissen der Naturtonreihe, die zu den Intervallordnungen des Quintenzirkels führten – und ein Verlassen dieser Basis würde die Werke zwangsläufig „widernatürlich“ werden lassen. Dagegen wurde ins Feld geführt, dass * Tonalität zwar Regeln gehorche, aber keineswegs Sprachcharakter habe. Insbesondere lasse sich über illustrative Effekte (z. B. wogende Sechzehntelketten = Wassersprudeln) oder literarisch eingeführte Tonsymbole (Kreuztonarten = Kreuzigung Christi) hinaus keine Bedeutungslehre erstellen; * die mitteleuropäischen Systeme der Musik aus jahrtausendealter Praxis entstandene menschliche Produkte seien und sich nur eingeschränkt auf naturwissenschaftliche Gesetzmäßigkeiten zurückführen ließen. So sind im System der temperierten Stimmungen, die meist vorausgesetzt werden, sobald neben Quint/Quart auch Terz und Sext als Konsonanzen anerkannt werden, im Prinzip außer den Oktaven keine Intervalle „rein“ gestimmt.
Auch im Bereich populärer Musik wird auf Atonalität Bezug genommen, wie zum Beispiel das Berlin Atonal Festival verdeutlicht, welches seit 2013 wieder stattfindet. Um 1960 wurden im Free Jazz atonale Strukturen erreicht. Maßgeblich sind hier vor allem freie Improvisationen (teilweise im Kollektiv) und eine sehr freie Formgestaltung. Zugleich werden rhythmische Grundmuster oftmals aufrechterhalten. Die Jazzforschung konnte zeigen, dass sich die improvisierenden Musiker häufig an modalen Skalen orientierten, also auch tonale Einflüsse in das Spiel integriert werden (Jost 1975). Gemeinsamkeiten mit und Differenzen zum Free Jazz und der postseriellen Musik analysiert Kumpf (1976). Ebenfalls existieren atonale Klangmuster nicht selten in der Filmmusik; hier besonders häufig im Sound Design.
(siehe auch: Neue Musik, Chromatik, Zwölftonmusik) * Herbert Eimert: Atonale Musiklehre. Breitkopf & Härtel, Leipzig 1924. * Josef Matthias Hauer: Tonale und atonale Instrumente. In: Musikblätter des Anbruch. Nr. 6, 1924, S. 246–248. * Theodor W. Adorno: Atonales Intermezzo? In: Musikblätter des Anbruch. Nr. 5, 1929, S. 187–193. * Alban Berg: Was ist atonal?. In: Dreiundzwanzig – eine Wiener Musikzeitschrift. Nr. 24/25, 1936 (als Radiodialog bereits am 23. April 1930 gesendet). * Theodor W. Adorno: Philosophie der neuen Musik. Mohr, Tübingen 1949. 2. Auflage: Europäische Verlagsanstalt, Frankfurt 1958. 3. Auflage: 1966. * Heinz-Klaus Metzger: Gescheiterte Begriffe in Theorie und Kritik der Musik. In: die Reihe. Nr. 5, 1959 (darunter auch „atonal“). * Friedrich Blume: Was ist Musik? In: Musikalische Zeitfragen. Nr. 5, 1960 (der Begriff aus reaktionärer Sicht, löste heftige Debatten aus). * Alan Forte: Context and Continuity in an Atonal Work. A Set-theoretic Approach. In: Perspectives of New Music. Nr. 1.2, 1963. * Ernst Krenek: Atonality Retroactive. In: Perspectives of New Music. Nr. 2.1, 1963. * Reinhold Brinkmann: Arnold Schönberg: Drei Klavierstücke op. 11. Studien zur frühen Atonalität bei Schönberg. Steiner, Wiesbaden 1969. * Elmar Budde: Anton Weberns Lieder op. 3. Untersuchungen zur frühen Atonalität bei Anton Webern. Steiner, Wiesbaden 1971. * Hartmuth Kinzler: Atonalität. In: Handwörterbuch der musikalischen Terminologie. 23. Lieferung. 1995. * Ludwig Finscher: Gesualdos „Atonalität“ und das Problem des musikalischen Manierismus. In: Archiv für Musikwissenschaft. 1972. * Werner Schmidt-Faber: Atonalität im Dritten Reich. In: Ulrich Dibelius (Hrsg.): Herausforderung Schönberg. Hanser, München 1974, S. 110–136. * Ekkehard Jost: Free Jazz. Stilkritische Untersuchungen zum Jazz der 60er Jahre. Schott, Mainz 1975. * Hans Kumpf: Postserielle Musik und Free Jazz: Wechselwirkungen und Parallelen. Berichte, Analysen, Werkstattgespräche. Döring, Herrenberg 1976. * Burkhardt Rukschcio, Roland Schachel: Adolf Loos. Leben und Werk. Residenz, Salzburg/Wien 1982 (Zur Beziehung Loos/Schönberg siehe die Seiten 101f, 162f und 181.) * Albrecht Dümling: „Gefährliche Zerstörer unseres rassemäßigen Instinkts.“ NS-Polemik gegen die Atonalität. In: Neue Zeitschrift für Musik. Nr. 1, 1995. * Benedikt Stegemann: Theorie der Tonalität. Wilhelmshaven 2013, ISBN 978-3-7959-0962-8.
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Akeleien
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Die Akeleien (Aquilegia) bilden eine Pflanzengattung in der Familie der Hahnenfußgewächse (Ranunculaceae). Die 70 bis 75 Arten sind hauptsächlich in den gemäßigten Gebieten der Nordhalbkugel verbreitet. Sorten einiger Aquilegia-Arten werden als Zierpflanzen verwendet.
Akelei-Arten sind mehrjährige (meist drei- bis fünfjährige) bis ausdauernde krautige Pflanzen. Das reich verzweigte Wurzelsystem bildet schlanke, leicht verholzende Rhizome mit bleibender Pfahlwurzel als Überdauerungsorgan. Mit der Zeit erweitert sich die Pflanze um die Hypokotyl-Region oberhalb des Wurzelhalses in Form einer verdickten Sprossbasis oder Kormus, der an oder unterhalb der Bodenoberfläche bleibt. Diese Struktur hilft der Sprossachse bei der Überwinterung. Mit beständigem Wachstum über mehrere Saisonen hinweg, bilden sich neben der primären Blattkrone Seitenknospen, die neue Wachstumsachsen formen. An einer Pflanze stehen mehrere aufrechte, meist verzweigte Stängel zusammen. Die Sämlinge besitzen zwei Keimblätter (Kotyledonen). Die Laubblätter stehen in grundständigen Blattrosetten zusammen. Zusätzlich sind etwas kleinere Blätter wechselständig und spiralig am Stängel verteilt. Diese können jedoch als Anpassung an trockenere Habitate oder Hochgebirgsstandorte auch ganz fehlen. Die Laubblätter sind in einen langen Blattstiel und eine Blattspreite gegliedert. Die ein- bis dreifach dreiteilig gefiederten Blattspreiten bestehen aus gelappten bis geteilten Fiederblättchen. Der Rand der Fiederblättchen ist gekerbt.
(Aquilegia vulgaris) Mit dem Übergang zum Blühen transformiert sich das apikale Meristem zu einem Blütenstand. Die Blüten stehen endständig, manchmal einzeln, aber meist in zwei bis zehn zymösen oder doldigen monochasialen oder dichasilen Blütenständen zusammen, mit laubblattähnlichen Hochblättern. Die zwittrigen, radiärsymmetrischen Blüten besitzen fünf Blattorgane und sind auch in fünfwirtligen Blüten geordnet. Im ersten Wirtel stehen die kronblattartigen Kelchblätter (Sepalen), die beim Anlocken von Bestäubern eine hervorstehende Funktion besitzen. Im zweiten Wirtel sind die durch einen rückwärts gerichteten Nektarsporn stark differenzierten Kronblätter (Petalen) angeordnet, die im Sporn Nektarien enthalten. Die Länge dieser Sporne variiert enorm von 9 bis 15 Zentimeter bei Aquilegia longissima und der spornlosen Aquilegia ecalcarata. Die Arten variieren aber auch in der Länge der Kronblattspreite und der Kurvatur des Sporns. Die Farben der Blütenhüllblätter reichen von weiß bis blau und gelb bis rot. Die fünf freien, kurz genagelten Kelchblätter sind ausgebreitet und 0,7 bis 5,1 Zentimeter lang. Die fünf mehr oder weniger aufrechten, freien Kronblätter sind mit weniger als 30 Millimeter meist kürzer als die Kelchblätter. Die vielen Staubblätter sind in zehn Orthostichen zu je vier bis neun Wirteln angeordnet. Die der ersten Blüte folgenden Blüten haben dabei jeweils allmählich abnehmende Zahlen von Staubblattwirteln. Am apikalen Ende jeder Orthostiche findet sich ein neuartiges Blütenorgan, die etwa sieben schuppenförmigen, häutigen Staminodien. Diese sterilen, abgeplatteten Organe finden sich in allen Blüten ungeachtet ihrer Staubblattzahl. Die Staminodien bestehen aus einem zentralen Filament mit seitlicher Lamina und sind typischerweise farblos. Die ökologische Funktion dieser Organe wird nach wie vor diskutiert, aber es ist offensichtlich, dass sie auch dann noch an der Blüte verbleiben, wenn die anderen Blütenorgane abgefallen sind; sie bleiben als umschließender Kranz am Fruchtblatt. Eine Hypothese ist, dass diese Organe mit Mischungen aus Verteidigungssubstanzen gegen Herbivoren ausgestattet sind, um im frühen Stadium der Fruchtbildung einen Schutz zu bieten. Alle Aquilegia-Arten mit Ausnahme von Aquilegia jonesii besitzen solche Staminodien. Es befinden sich vier bis sechs freie Fruchtblätter im Zentrum der Blüte. Der Griffel ist etwa halb so lang wie der Fruchtknoten. An den bei einer Länge von 3 bis 26 Millimeter schmalen, zylindrischen Balgfrüchten ist der Griffel deutlich erkennbar. Jede Balgfrucht enthält 10 bis 36 Samen. Die schwarzen, glatten Samen sind schmal und verkehrt-eiförmig.
Die Akeleien gehören zu den ursprünglichen Blütenpflanzen und haben daher einen relativ einfachen morphologischen Bauplan. Die ursprünglichen Aquilegia-Arten sind vor etwa 6,18 bis 6,51 Mio. Jahren aus einem zentralasiatischen Verbreitungszentrum hervorgegangen. Sie bilden sowohl insgesamt als auch in den einzelnen Verbreitungsschwerpunkten eine monophyletische Gruppe (Monophylie). Bei Aquilegia-Arten handelt es sich meist um Hemikryptophyten. Die Benetzbarkeit der Blattoberfläche ist gering. Wasser perlt in Tropfen ab, wie es auch bei Lotosblumen beobachtet werden kann, und nimmt dabei auf der Oberfläche anhaftende Schmutzpartikel mit (Lotuseffekt). Seit langer Zeit ist die Pflanzengattung Aquilegia für die Wissenschaft der Botanik wichtig. Die Gattung Aquilegia hat sich für das Verständnis evolutionsgeschichtlicher Abstammung von Blütenorganen und -morphologie in der Parallelentwicklung von Pflanzenarten und tierischen Bestäubern als eines der herausragenden Modelle herausgestellt. Dabei haben Aquilegia-Arten direktionale Anpassungen ihrer Nektarsporne an unterschiedliche Bestäuber wie Kolibri, Schwärmer und Hummeln vollzogen. Daher variieren die Längen der Nektarsporne zwischen 1 und 2 Millimeter sowie von 10 bis 12 Zentimeter, aber auch die Blütenfarben wie die -orientierung haben sich als direkt abhängig von bestäubenden Tieren herausgestellt (Hummelblüten sind blau-violett, Kolibriblüten rot, Schwärmerblüten weiß oder gelb). Sie haben sich dabei an eine Vielzahl unterschiedlicher Bestäuber angepasst: Schwebfliegen, Hummeln, Schwärmer und Kolibris. In Eurasien und Nordamerika haben sich die Aquilegia-Arten evolutionär jedoch in relativ kurzer Zeit spezifisch unterschiedlich entwickelt: Während sich in Eurasien Aquilegia-Unterarten durch adaptive Radiation an unterschiedliche Habitate (Wald, Grasland, alpine Standorte) weiterentwickelten, die Blütenmodifizierung aber relativ unbedeutend blieb, so fand in der neuen Welt die blütenmorphologische Anpassung an unterschiedliche Bestäuber statt. Daher haben sich die europäischen Aquilegia-Arten überwiegend allopatrisch durch reliktische Isolation gebildet (lokale Endemiten), die amerikanischen dagegen auch sympatrisch durch Barrieren im Bestäubungsmechanismus. So sind die Blüten der eurasischen Akeleien noch immer auf Hummeln fixiert, während die amerikanischen Arten größere Vielfalt entwickelten und neben Arten mit Hummelbestäubung auch Formen entwickelten, die ganz oder überwiegend auf Kolibri- (Aquilegia flavescens, Aquilegia skinneri, Aquilegia formosa, Aquilegia canadensis, Aquilegia elegantula) oder Schwärmer-Bestäubung angelegt sind. Aquilegia-Arten können sich durch das Fehlen von bestimmten fördernden Ausbreitungsmechanismen der kleinen Samen nicht über größere Distanzen ausbreiten. Sie treten dadurch auch oft nur lokal häufiger auf.
Die 70 bis 75 Aquilegia-Arten haben ihre Areale in den gemäßigten Gebieten der Nordhalbkugel (zirkumboreal): in Eurasien und Nordamerika. Dabei reicht das Gattungsareal nördlich in die boreale Zone und südlich bis in die Berge Nordmexikos und Nordafrikas. Verbreitungsschwerpunkt sind die zentralasiatischen Gebirge in Südsibirien mit etwa zehn Arten. Die Arten verteilen sich zu je ungefähr einem Drittel auf die Kontinente Nordamerika, Asien und Europa. Die Aquilegia-Arten besiedeln eine Vielzahl unterschiedlicher Habitate, von Oasen in Trockengebieten bis zu alpinen Grasländern, Felsheiden oder temperaten Wäldern, von der Meeresküste bis zu den Hängen des Himalaya, der Rocky Mountains oder der Alpen. Sie gedeihen von der Wüste (Aquilegia skinneri oder Aquilegia chrysanta) bis ins Hochgebirge (Aquilegia dinarica oder Aquilegia jonesii). Bestimmte Arten besiedeln als Generalisten eine Vielzahl von Habitaten; so findet sich Aquilegia vulgaris sowohl in Fels-, Wald und Grasvegetation. Spezialisten sind dann oft an felsige oder Gebirgsstandorte angepasst, was bei den europäischen Akeleien insbesondere auf einige der seltenen endemischen Arten Südeuropas und der Alpen zutrifft (beispielsweise Aquilegia alpina, Aquilegia dinarica, Aquilegia kitaibelii).
. Die Stamina ragen bei der Art 6 mm aus den Petalen hervor. Ob dieses Merkmal blütenbiologische Hintergründe hat, wurde bis heute nicht hinreichend untersucht. In Mitteleuropa kommen sechs Aquilegia-Arten vor. Sie werden aufgrund morphologischer Eigenschaften in die Gruppen des Vulgaris-Komplexes sowie des Alpina-Komplexes eingeteilt. Zudem ist die Blütenfarbe bei der Dunklen Akelei ein Purpur-violett, bei der Gewöhnlichen Akelei ein Blau-violett. In Südeuropa sind die Merkmalskomplexe jedoch auch über Merkmale der Blattsegmente eindeutiger: die Dunkle Akelei hat hier tief eingeschnittene Loben der Blattsegmente. Die zur Dunklen Akelei wahrscheinlich eng verwandte Angenehme Akelei (Aquilegia grata) hat die kürzesten Petalen aller europäische Akeleien. Mit 6 mm ragen bei der Angenehmen Akelei auch die Staubblätter weit aus den Petalen heraus. Gleichfalls ist die Schwarzviolette Akelei (Aquilegia atrata) mit den 5 mm aus den Petalen herausragenden Staubblättern und der sehr dunklen Blütenfarbe auffällig. Gut ansprechbar sind zudem die Alpen-Akelei (Aquilegia alpina) mit den besonderes großen blauen Blüten sowie die Kleinblütige Akelei (Aquilegia einseleana), die bereits zum alpinen Komplex der Akeleien zählt. Da Akeleien generell hohe Ansprüche an die Wasserversorgung haben, werden sie in subtropischen Lagen Südeuropas durch spezielle Gebirgssippen vertreten. Es sind die auf der Balkanhalbinsel wachsende Dinarische Akelei (Aquilegia dinarica), Aquilegia nikolicii, Aquilegia ottonis und die Kitaibel-Akelei (Aquilegia kitaibelliana), die in Kalkgebirgen oberhalb der Baumgrenze an feuchten Quellnischen oder an abschattigen Felsvorsprüngen wachsen. Sie bleiben aber in den Trockenklimaten rar und meist sehr örtlich vorkommend. Bis heute ist es nicht möglich, die über zwanzig europäischen Akeleien über genetische Sequenzen zu unterscheiden, zu den amerikanischen sowie den asiatischen Sippen wurden aber genetische Diskriminanten gefunden. Durch die enge Verwandtschaft aller Aquilegia-Arten blieben bei infraspezifischen Kreuzungen selbst die geographisch entferntesten Arten immer fertil. Damit besitzt die Gattung auch keine polyploiden Vertreter. Das heißt, alle Aquilegia-Arten und selbst infraspezifische Hybriden bleiben in ihrem Chromosomensatz immer diploid. Aufgrund dieser als „religiös“ beschriebenen Diploidie wurden auch alle Aquilegia-Taxa in Bezug zu einer Arten-Herde (engl. „Species Flock“) gesetzt. Es wurden beispielsweise 2n = meist 14, seltener 16, 18 oder 20 gefunden. (Aquilegia bertolonii) (Aquilegia canadensis) (Aquilegia chrysantha) (Aquilegia coerulea) (Aquilegia dinarica) (Aquilegia flabellata var. pumila) (Aquilegia fragrans) (Aquilegia pyrenaica) (Aquilegia sibirica)
Die Gattung Aquilegia wurde 1753 durch Carl von Linné in Species Plantarum, Tomus I, S. 533 aufgestellt. Der wissenschaftliche Gattungsname Aquilegia setzt sich aus zwei lateinischen Wortelementen zusammen: aqua für Wasser und legere für sammeln, also Wassersammler(in) und bezieht sich auf den in den Spornen angesammelten Nektar, mit dem bestäubende Insekten angelockt werden. Die Gattung Aquilegia gehört zur Subtribus Isopyrinae aus der Tribus Isopyreae in der Unterfamilie Isopyroideae innerhalb der Familie Ranunculaceae. In der Gattung Aquilegia gibt es etwa 70 bis 75 Arten: * Aquilegia afghanica : Sie kommt in Pakistan vor. * Alpen-Akelei (Aquilegia alpina ): Sie gedeiht in Europa in den Westalpen und im Apennin. * Aquilegia amurensis : Sie kommt in Sibirien und in Russlands Fernem Osten vor. * Schwarzviolette Akelei (Aquilegia atrata ), Syn.: Aquilegia vulgaris subsp. atrata ( & ): Sie gedeiht in Europa in den Westalpen und im Apennin. * Aquilegia atrovinosa : Sie kommt in Kasachstan und im nördlichen Teil des uigurischen autonomen Gebiet Xinjiang vor. * Gold-Akelei (Aquilegia aurea ): Sie kommt in Bulgarien und Nordmazedonien vor. * Aquilegia baluchistanica : Sie kommt in Pakistan vor. * Aquilegia barbaricina : Dieser Endemit kommt nur auf Sardinien vor. * Aquilegia barnebyi : Sie kommt in den US-Bundesstaaten Utah sowie Colorado in Höhenlagen von 1500 bis 2600 Metern vor. * Korsische Akelei (Aquilegia bernardii ): Dieser Endemit kommt nur auf Korsika vor. * Bertoloni-Akelei (Aquilegia bertolonii ): Sie kommt im südöstlichen Frankreich sowie nordwestlichen Italien vor. * Aquilegia borodinii : Sie kommt in Sibirien vor. * Aquilegia brachyceras ex : Sie kommt in Sibirien vor. * Aquilegia brevistyla : Sie kommt in Nordamerika in Kanada und in den nördlichen Vereinigten Staaten vor. * Japanische Akelei (Aquilegia buergeriana ): Sie kommt in Japan vor. * Rote Akelei (Aquilegia canadensis ): Sie ist in Nordamerika in Kanada und den USA verbreitet. * Aquilegia champagnatii : Sie kommt nur in Italien vor. * Aquilegia chaplinei ex : Sie kommt in Texas und in New Mexico vor. * Aquilegia chitralensis : Sie kommt in Pakistan vor. * Goldsporn-Akelei (Aquilegia chrysantha ): Sie ist von den USA bis ins nördliche Mexiko verbreitet. * Rocky-Mountains-Akelei (Aquilegia coerulea ): Sie gedeiht in den Rocky Mountains von den Vereinigten Staaten und von Mexiko. * Aquilegia colchica : Sie kommt nur in Georgien vor. * Aquilegia ×cultorum * Einöde-Akelei (Aquilegia desertorum (), ): Sie gedeiht in Höhenlagen von 2000 bis 2500 Metern in den US-Bundesstaaten Arizona, New Mexico sowie Utah. * Dinarische Akelei (Aquilegia dinarica ): Sie kommt auf der Balkanhalbinsel vor. * Aquilegia discolor : Dieser Endemit kommt nur im nördlichen Spanien vor. * Aquilegia dumeticola : Sie kommt in Italien und auf der Balkanhalbinsel vor, wird aber auch von manchen Autoren zur Gewöhnlichen Akelei (Aquilegia vulgaris) gerechnet. * Spornlose Akelei (Aquilegia ecalcarata ): Sie ist in China verbreitet. * Kleinblütige Akelei (Aquilegia einseleana ): Sie gedeiht in Europa in den Alpen. * Aquilegia elegantula : Sie ist von westlichen Vereinigten Staaten bis ins nördliche Mexiko in Höhenlagen von 1500 bis 3500 Metern verbreitet. * Aquilegia euchroma : Sie kommt in Afghanistan vor. * Serpentin-Akelei (Aquilegia eximia ex ): Sie kommt nur in Kalifornien vor. * Kurilen-Akelei (Aquilegia flabellata , Syn.: Aquilegia akitensis ), Heimat: Japan, Sachalin, Kurilen, mit den Varietäten: ** Aquilegia flabellata var. flabellata ** Zwerg-Akelei (Aquilegia flabellata var. pumila ) * Gelbliche Akelei (Aquilegia flavescens ), Heimat: westliches Kanada, westliche Vereinigte Staaten in Höhenlagen von 1300 bis 3500 Metern. * Schöne Akelei (Aquilegia formosa ex ), Heimat: Alaska, Kanada, USA. * Wohlriechende Akelei (Aquilegia fragrans ): Sie gedeiht in Höhenlagen von 2400 bis 3600 Metern im Himalaja (Pakistan sowie westliches Indien). * Drüsige Akelei (Aquilegia glandulosa ex ): Sie ist in Sibirien, Zentralasien, Mongolei sowie im chinesischen Xinjiang verbreitet. * Aquilegia gracillima : Sie kommt in Afghanistan vor. * Angenehme Akelei (Aquilegia grata ): Dieser Endemit kommt in Montenegro nur im Orjen vor. Nach Euro+Med kommt sie auch in Bosnien und Herzegowina sowie in Serbien vor. * Aquilegia ×helenae (= Aquilegia flabellata × Aquilegia coerulea) * Aquilegia hinckleyana : Sie kommt nur in Texas vor. * Aquilegia incurvata : Sie kommt in China in den Provinzen Gansu, Shaanxi und Sichuan vor. * Kalk-Akelei oder Jones-Akelei (Aquilegia jonesii ): Sie kommt in Alberta, Montana und Wyoming in Höhenlagen von 1800 bis 2400 Metern vor. * Aquilegia kareliniana ex : Sie kommt in Kasachstan, in Kirgisistan und in Indien in Uttar Pradesh vor. * Kitaibel-Akelei (Aquilegia kitaibelii ): Sie kommt in Kroatien sowie Bosnien und Herzegowina vor. * Aquilegia kurramensis : Sie kommt in Pakistan vor. * Aquilegia lactiflora & : Sie kommt in Kasachstan, Kirgisistan, Turkmenistan und in der chinesischen Provinz Xinjiang vor. * Wyoming-Akelei (Aquilegia laramiensis ): Sie gedeiht in Höhenlagen von 2000 bis 2500 Metern nur im US-Bundesstaat Wyoming. * Aquilegia litardierei : Dieser Endemit kommt nur auf Korsika vor. * Langsporn-Akelei (Aquilegia longissima ex ): Sie kommt in Arizona, Texas und im nordöstlichen Mexiko vor. * Aquilegia maimanica : Sie kommt in Afghanistan vor. * Aquilegia micrantha : Sie kommt in den US-Bundesstaaten Utah, Colorado sowie Arizona vor in Höhenlagen von 1000 bis 2500 Metern Meereshöhe vor. * Aquilegia microcentra : Sie kommt in Afghanistan vor. * Aquilegia moorcroftiana ex : Sie kommt in Afghanistan, in Indien, Nepal, in Pakistan und in Xizang vor. * Dunkle Akelei (Aquilegia nigricans , Syn.: Aquilegia vulgaris subsp. nigricans () ): Sie kommt in Europa hauptsächlich im Südosten vor. * Aquilegia nikolicii : Sie kommt in Serbien, Bosnien-Herzegowina sowie in Montenegro vor. * Schnee-Akelei (Aquilegia nivalis ex ): Sie kommt nur in Kaschmir vor. * Aquilegia nugorensis : Dieser Endemit kommt nur auf Sardinien vor. * Aquilegia nuragica : Dieser Endemit kommt nur auf Sardinien vor. * Kaukasische Akelei (Aquilegia olympica ), Heimat: Kaukasusraum, Transkaukasien, Türkei, nördlichen Iran * Aquilegia ottonis ex : Die drei Unterarten kommen in Europa im Apennin sowie auf der Balkanhalbinsel vor: ** Balkanische Akelei (Aquilegia ottonis subsp. amaliae ( ex ) ): Sie kommt in Albanien und in Griechenland vor. ** Aquilegia ottonis subsp. ottonis: Sie kommt in Griechenland vor. ** Aquilegia ottonis subsp. taygetea () : Sie kommt nur in Südgriechenland vor. * Aquilegia oxysepala , Heimat: Ostsibirien, Nordchina, Mandschurei, Korea, Japan * Aquilegia pancicii : Sie kommt nur in Serbien vor. * Aquilegia parviflora : Sie kommt im asiatischen Russland, in der Mongolei und in China vor. * Kalifornische Akelei (Aquilegia pubescens ): Sie gedeiht nur an Felsen in Höhenlagen von 3000 bis 4000 Metern in Kalifornien. * Aquilegia pubiflora ex : Sie kommt in Afghanistan, Pakistan, Indien und Nepal vor. * Pyrenäen-Akelei (Aquilegia pyrenaica ), Europa: Spanien und Frankreich, mit vier Unterarten: ** subsp. cazorlensis (Syn.: Aquilegia cazorlensis ): Dieser Endemit kommt im südöstlichen Spanien nur in der Provinz Jaén in der Sierra de Cazorla vor. ** subsp. discolor (Syn.: Aquilegia discolor ): Sie kommt in Spanien vor. ** subsp. guarensis (Syn.: Aquilegia aragonensis Willk., Aquilegia guarensis ): Dieser Endemit kommt im südöstlichen Spanien nur in der Sierra de Guara bei Huesca vor. ** subsp. pyrenaica: Sie kommt in Spanien und Frankreich vor. * Aquilegia rockii : Sie gedeiht in Mischwäldern und an Straßenrändern in Höhenlagen von 2500 bis 3500 Metern im südöstlichen Tibet und in den chinesischen Provinzen südwestliches Sichuan sowie nordöstliches Yunnan vor. * Niedrige Akelei (Aquilegia saximontana ): Sie gedeiht in Höhenlagen von 3300 bis 4400 Metern nur im US-Bundesstaat Colorado. * Felsen-Akelei (Aquilegia scopulorum ): Sie gedeiht in Höhenlagen von 2000 bis 3500 Metern in den US-Bundesstaaten Nevada sowie Utah und vielleicht auch in Wyoming. * Shockley-Akelei (Aquilegia shockleyi ): Sie gedeiht in Höhenlagen von 1200 bis 2700 Metern in den US-Bundesstaaten Kalifornien sowie Nevada. * Sibirische Akelei (Aquilegia sibirica ): Sie kommt in Kasachstan, Sibirien, in der Mongolei und im uigurischen autonomen Gebiet Xinjiang vor. * Aquilegia skinneri * Aquilegia ×stuartii (= Aquilegia glandulosa × Aquilegia olympica) * Wiesenrautenblättrige Akelei (Aquilegia thalictrifolia ): Sie kommt unter überhängenden Kalkfelsen auf feuchtem Kalkmulm zusammen mit anderen Endemiten in Norditalien (Gardaseegebiet, Vizentiner Alpen) vor. * Aquilegia transsilvanica : Sie kommt in Europa in den Karpaten, Rumänien und vielleicht in der Ukraine vor. * Aquilegia turczaninovii * Aquilegia tuvinica * Aquilegia vestinae : Sie wurde 2002 erstbeschrieben und kommt nur am Gardasee vor. * Grünblütige Akelei (Aquilegia viridiflora ): Es gibt mindestens zwei Varietäten: ** Aquilegia viridiflora var. atropurpurea (Syn.: Aquilegia atropurpurea ): Sie kommt in Sibirien, in der Mongolei, in der Inneren Mongolei und in den chinesischen Provinzen in Hebei, südliches Liaoning, östliches Qinghai, östliches Shandong sowie Shanxi vor. ** Aquilegia viridiflora var. viridiflora : Sie kommt Japan, Sibirien, in der Mongolei, in der Inneren Mongolei und in den chinesischen Provinzen Gansu, Hebei, Heilongjiang, Hubei, Jilin, Liaoning, Ningxia, Shaanxi, Shandong sowie Shanxi vor. * Aquilegia viscosa : Es gibt drei Unterarten in Spanien und Frankreich: ** Aquilegia viscosa subsp. hirsutissima () (Syn.: Aquilegia hirsutissima ): Sie kommt nur in Südfrankreich vor. ** Aquilegia viscosa subsp. montsicciana () : Sie kommt in Spanien vor. ** Aquilegia viscosa subsp. viscosa: Sie kommt nur in Südfrankreich vor. * Gewöhnliche Akelei (Aquilegia vulgaris ): Sie kommt in Europa, Makaronesien und Nordafrika vor. * Aquilegia yabeana (Syn.: Aquilegia oxysepala var. yabeana ): Sie gedeiht an Waldrändern und auf Grashängen in der Inneren Mongolei und in den chinesischen Provinzen Hebei, Henan, Hubei, westliches Liaoning, südliches Shaanxi sowie Shanxi. (als Aquilegia grata). Vormals wurde die abgebildete Art irrtümlich für Aquilegia grata gehalten. Sie wird als selbständige Art geführt. Das abgebildete Exemplar wurde im Royal Botanical Garden 1929 von William Bertram Turrill aus in Ex-Jugoslawien gesammelten Samen vermehrt.
Die Herleitung des deutschen Trivialnamens Akelei ist unklar. Aber vermutlich ist der deutsche Volksname Akelei aus dem lateinischen aquilegia (womit im Allgemeinen Aquilegia vulgaris , die Gemeine Akelei, gemeint war) entlehnt. In den althochdeutschen Glossen sind Formen wie agaleia oder ageleia (seit dem 10 Jh.) anzutreffen. Bei Hildegard von Bingen heißt die Pflanze acoleia, ackeleia, agleia, im Mittelniederdeutschen akuleye. In der Volkssprache ist das Wort vielfach umgewandelt worden, z. B. in Akelchen (Thüringen), Aggerlei, Aggerleine (Pfalz), Aglije (Luzern, Zürich), Hagleie (Schaffhausen), Hakeleden, Hakelehnen (Mecklenburg), Gakeilei (angelehnt an Gaggel 'Ei' in der Kindersprache (Niederhessen, rheinisch)) oder Klei(e) (Niederrheinisch). Viele Volksnamen nehmen Bezug auf die Form der nickenden Blüten, so Glocken, Glöckerl, Glöckchen, Blaue Glocken (verbreitet), Zigeunerglocken (Gailtal/Kärnten), Teufelglocken (Lenggries/Oberbayern), Kaiserglocken (Riesengebirge), Zuckerglocken (Thurgau), Glockenblume (weit verbreitet), Glockenstück (Schwäbische Alb) oder Glockenrosa (Anhalt). Andere die Blütenform betreffende Volksnamen sind Pausewängel (Sächs, Felsengebirge), Stellhäfele (eigentlich ein irdenes Kochgefäß mit Füßen) (Aachern/Baden), Kessel (Mittenwald/Oberbayern), Stanitzelblume (bayerische Stanizl 'Papiertüte') (Knittelfeld/Steiermark), Manselblume (schweiz. Manse 'Rockärmel mit Spitzen') (Aargau), Narrenkappen (z. B. Lörrach/Baden, Kt. St. Gallen), Kapuzinerchappe(n), - Hüetli (Kt. St. Gallen), Pfaffenkäpple (Achkarren/Baden), Plumphose (Kt. Schaffhausen), Schlotterhose (St. Gallen), Schwizerhose (Aargau), Hose(n)lätzli (Aargau), Frae(n)schüehli (Küsnacht/Schwyz), Fünf Vögerl zsam (Oststeiermark), Tauberln (Südmähren) oder Gugerschen (Schönhengstgau, Sudetenland). Bezüge auf die dunkle Blütenfarbe findet man in den Namen Tintenglocke (Thüringer Wald, Thurgau) und Truarbliemli (Trauerblümlein da auch auf ländlichen Friedhöfen gepflanzt) (Grindelwald/Bern). Außerdem wird die Akelei noch Kaiserblume (Albendorf/Riesengebirge), Hernblume (Eifel), Zaniggele, Zinäggele oder Süniggele (angelehnt an 'Sanikel') (Schaffhausen) genannt. Elfenschuh, Zigeunerglocken, Teufelsglocken, Kaiserglocken und Narrenkappen sind ebenfalls Volksnamen der Akelei. Einen weiteren Namen, Agelblume, verwendete die adelige Schwesternschaft von der Agelblume in Königsberg in Bayern, die bis zur Reformation bestand und in Königsberg ansässig war. Dabei stand die Akelei für die Bescheidenheit, an die sie die Schwestern von der Agelblume erinnern sollte.
Die Akelei ist wahrscheinlich seit dem späten Mittelalter eine Zierpflanze europäischer Gärten. Die Gemeine Akelei wurde im Mittelalter und der frühen Neuzeit in vielfältiger Form in der Medizin verwendet. Aufgrund der ihr zugeschriebenen Symbolik ist sie außerdem auf zahlreichen mittelalterlichen Tafelgemälden zu finden. Die Akelei war im Altertum der Fruchtbarkeitsgöttin Freya geweiht, später wurde sie dann der Jungfrau Maria zugeordnet. Seit dem Mittelalter wurden die Samen als Aphrodisiakum verwendet. Es hieß sogar, dass die aphrodisischen Kräfte der Akeleisamen schon bei bloßer Berührung übertragen werden konnten. Rätsch schrieb, dass wenn man die Samen zu einem feinen Pulver zerrieb, mit dem man sich die Handflächen bestrich und dann damit eine Frau berührte, diese sofort sexuell erregt wäre. In der Symbolik steht die Akelei einerseits für Demut ein, und sie symbolisiert den Heiligen Geist, Lebenskraft, Überwindung irdischer Begrenzung, umfassendes Heil, Triumph, Erlösung, Dreieinigkeit und den Lobpreis Gottes. Andererseits steht sie für die Sexualkraft des Mannes, für Verführung und Liebe. Sie wurde und wird immer noch als Grabpflanze eingesetzt.
Sorten einiger Aquilegia-Arten (beispielsweise Aquilegia alpina, Aquilegia atrata, Aquilegia caerulea, Aquilegia canadensis, Aquilegia chrysantha, Aquilegia elegantula, Aquilegia flabellata, Aquilegia formosa, Aquilegia longissima, Aquilegia saximontana, Aquilegia skinneri, Aquilegia viridiflora und Aquilegia vulgaris) und Hybriden (beispielsweise McKana-Hybriden) werden als Zierpflanzen verwendet. Sie werden je nach Art und Sorte sehr unterschiedlich als Beetpflanze, im Steingarten oder als Schnittblume genutzt.
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Aleister Crowley
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Aleister Crowley [] (* 12. Oktober 1875 als Edward Alexander Crowley in Leamington Spa; † 1. Dezember 1947 in Hastings, East Sussex) war ein britischer Okkultist, Schriftsteller und Bergsteiger. Crowley bezeichnete sich als das Große Tier 666. Von 1898 bis 1900 war er Mitglied im Hermetic Order of the Golden Dawn, im Anschluss gründete er eigene Gesellschaften, die zum Teil auf den Konzepten des Golden Dawn aufbauten. 1904 verfasste er das Buch Liber AL vel Legis („Buch des Gesetzes“). Crowleys Beschäftigung mit Sexualmagie brachte ihn in Kontakt mit dem Ordo Templi Orientis (O.T.O.). 1920 gründete er in Cefalù auf Sizilien die Abtei Thelema, die bis zu seiner Ausweisung aus Italien 1923 bestand. 1925 übernahm er de facto die Leitung des O.T.O. 1935 entwarf er das Thoth-Tarot. In den 1970er Jahren erlangten seine Schriften große postume Popularität, insbesondere das „Buch des Gesetzes“, das zur Leitschrift der neureligiösen Bewegung Thelema wurde.
Edward Alexander Crowley kam als Sohn von Edward Crowley (1829–1887) und Emily Bertha Crowley (geborene Bishop, 1848–1917) zur Welt. Seine jüngere Schwester Grace Mary Elizabeth Crowley wurde am 29. Februar 1880 geboren und starb wenige Stunden nach ihrer Geburt. Nach Crowleys eigenen Worten war sein Vater der „Sproß eines Stammes wohlhabender Quäker“. Die Brüder des Großvaters hatten eine industrielle Brauerei in Alton und betrieben unter anderem auch eine Kette mobiler Imbissstände mit Bierausschank namens Crowleys Alton Alehouse. Crowleys Vater hatte zwar eine Ausbildung als Ingenieur, übte diesen Beruf jedoch niemals aus, sondern führte das Leben eines Gentleman. Der Wohlstand der Familie stammte freilich letztlich aus dem Brauereigeschäft, auch als 1877 die Brauerei übernommen worden war und Crowleys Vater seine Anteile verkauft hatte, ein Umstand, den Crowley in seiner Autobiographie nicht erwähnt. Erwähnenswert findet er dagegen eine vermutete keltische Abstammung und Verbindung seiner Familie mit einer bretonischen Familie Quérouaille, die sich unter den Tudors in England niedergelassen hatten. Die Familie der Mutter war mittelständisch. Der Vater von Emily Bishop war ein erfolgreicher Milchfarmer, die Mutter stammte aus einer Familie von Uhrmachern. Sie selbst hatte als Erzieherin gearbeitet, als sie 1874 den wohlhabenden, fast doppelt so alten Edward Crowley heiratete. Ihr Bruder Tom Bond Bishop (1839–1920), der nach dem Tod von Crowleys Vater sein Vormund wurde, war Evangelist und wirkte als Laienprediger. Er gehörte zu den Gründungsmitgliedern der Civil Service Prayer Union und der Children's Special Service Mission. Außerdem gab er die Zeitschriften Our Own Magazine und Scripture Union heraus und verfasste ein Werk mit dem Titel Evolution Criticised. Der Großvater hatte die Gemeinschaft der Quäker verlassen und war anglikanisch geworden. Die Eltern kehrten der Staatskirche jedoch wieder den Rücken und schlossen sich den Plymouth-Brüdern an, einer um 1830 von John Nelson Darby gegründeten christlich-fundamentalistischen Gemeinschaft, welche sich strikt von der Staatskirche absetzte und jeden Verkehr mit deren Angehörigen mied, eine buchstäbliche Bibelauslegung pflegte und im Sinne des Prämillenarismus glaubte, der Beginn der Endzeit stehe unmittelbar bevor. Die stets von Laien abgehaltenen Gottesdienste fanden im privaten Kreis statt, also auch bei Crowleys. Nach seiner Konversion wurde auch Crowleys Vater ein solcher reisender Evangelist, der missionierend über Land zog, sämtliche Städte und Dörfer Südenglands besuchte und von Tür zu Tür Traktate verteilte.
In dieser durch äußerste Sittenstrenge gekennzeichneten Umgebung wuchs der kleine „Alick“ Crowley auf. Regelmäßig nahm er an Bibellesungen im Familienkreis und auch an den Missionsreisen seines Vaters teil und nahm dessen apokalyptisches Weltbild in sich auf, das ihn bis an sein Lebensende prägen sollte. Er hegte eine Vorliebe für die prophetischen Schriften des Alten und Neuen Testaments, insbesondere die Offenbarung des Johannes. In letzterer Schrift beeindruckten ihn vor allem das aus der Erde aufsteigende Tier mit zwei Hörnern, „das redete wie ein Drache“ , und „die Frau, bekleidet mit Purpur und Scharlach“ , am meisten – mythologische Gestalten, die später in seiner magischen Weltanschauung eine zentrale Rolle spielen sollten. 1887 starb Crowleys Vater an Zungenkrebs, für ihn empfand er wenig Liebe, sondern nur Respekt. Die Witwe zog mit ihrem Sohn nach London in die Nähe des Bruders Tom Bond Bishop, der Crowleys Vormund wurde. Mit Beginn der Pubertät begann Crowley sich gegen die strenge Religiosität seiner Familie aufzulehnen. Seine Mutter gab ihn 1888 als 13-Jährigen in das darbystische Internat School for the Sons of Brethren in Cambridge, wo er unter den gewalttätigen Erziehungsmethoden seiner Lehrer litt. Weil Crowley beschuldigt wurde, sich mit einem Schulkameraden homosexuell betätigt zu haben, wurde er von der Schule genommen. Anschließend besuchte er das Malvern College und die Tonbridge School, wo er gesundheitlich zusammenbrach. Auf Empfehlung der Ärzte erhielt er in den folgenden beiden Jahren Hausunterricht. Sein Hauslehrer Archibald Douglas, ein ehemaliger Missionar der Bible Society, machte Crowley, ohne Wissen der Familie, mit Tabak, Alkohol, Glücksspielen und Frauen vertraut. Eine Folge solcher frühen Exkursionen war eine Gonorrhoe, mit der er sich 1893 bei einer Prostituierten in Glasgow infizierte.
Im Oktober 1895 begann er ein Studium der Geisteswissenschaften am Trinity College der Universität Cambridge. Im 23. Lebensjahr hatte er seine erste homosexuelle Beziehung mit einem Kommilitonen. Er lernte den Bergsteiger Oscar Eckenstein kennen, unter dessen Einfluss er leidenschaftlicher Bergsteiger wurde. In dieser Zeit unternahm er jährlich eine Reise in die Alpen, in den Jahren 1894 bis 1895 erkletterte er u. a. im Alleingang den Eiger, den Mönch und die Jungfrau, was zu Anerkennung in der alpinen Bergsteigergemeinschaft führte. 1895 erschien seine erste Gedichtsammlung Aceldama. Crowley veröffentlichte auf eigene Kosten Bände mit eigener Lyrik, von denen einige günstige Pressekritiken erhielten. Seine Mutter bezeichnete ihn als Antichrist und beschimpfte ihn schon früh als „Beast“ („Bestie“), das heißt, sie verglich ihn mit dem großen Tier aus der Johannesapokalypse, dessen Zahl 666 ist, ein Titel, den er seinem Charakter entsprechend gerne für sich beanspruchte, da ihm der Satan-Teufel nicht unsympathisch war. In der Silvesternacht 1896 identifizierte sich Crowley in Stockholm so stark mit dieser Figur, dass er beschloss, sich der Magie zu widmen. Crowley komponierte in seiner Jugend Schachaufgaben und schrieb für die Eastbourne Gazette eine Schachkolumne. 1896 erbte Crowley mit 21 Jahren das ansehnliche Vermögen seines Vaters, das ihn wirtschaftlich von der Familie unabhängig machte und ihm ein Leben ohne feste Arbeit ermöglichte. Bereits 1914 hatte er das Erbe fast aufgebraucht. 1896 brach er sein Studium ohne Abschluss ab und begann sich fortan keltisierend Aleister zu nennen. Als er in einem Brief der Unzucht mit jungen Männern bezichtigt wurde, fahndete die Polizei europaweit nach ihm. Nachdem er das College ohne Abschluss verlassen hatte, beschäftigte er sich mit dem Satanismus. Als er das Buch der Schwarzen Magie (Book of Black Magic and of Pacts) von Arthur Edward Waite erworben hatte, begann er eine Korrespondenz mit dem Autor, der ihm als Lektüre Karl von Eckartshausens Werk Die Wolke über dem Heiligthum empfahl.
Im schweizerischen Zermatt traf Crowley 1898 den britischen Chemiker Julian L. Baker, der Mitglied im Hermetic Order of the Golden Dawn war. Nach einem Gespräch über Alchemie glaubte Crowley, er habe in ihm seinen herbeigesehnten „Meister“ getroffen, und teilte ihm mit, er sei auf der Suche nach der „Inneren Kirche“, über die er bei Karl von Eckartshausen gelesen hatte. Daraufhin vermittelte Baker den Kontakt zu dem Chemiker George Cecil Jones, der ihn am 18. November 1898 beim Hermetic Order of the Golden Dawn einführte. Crowley erhielt den Logennamen Perdurabo („Ich werde ausharren bis zum Ende“) und durchlief von Dezember bis Februar die ersten drei Grade des Golden Dawn. 1898 erschien White Stains, eine Sammlung erotischer Gedichte Crowleys. Crowley beschloss die Anweisungen im Buch der heiligen Magie des Abramelin zu befolgen, einem Zauberbuch, das der Leiter des Golden Dawn, Samuel Liddell MacGregor Mathers, kurz zuvor bearbeitet und veröffentlicht hatte. 1900 zog Bennett aus Gesundheitsgründen nach Ceylon, ebenso, um sich ganz dem Buddhismus zu widmen. Crowley siedelte in das Boleskine House am Loch Ness nach Schottland über und nannte sich fortan Laird of Boleskine. Da ihm die Londoner Mitglieder des Golden Dawn wegen seiner homosexuellen Liebschaften den Aufstieg zum fünften Grad, dem Adeptus Minor, verweigerten, besuchte Crowley im Januar 1900 MacGregor Mathers, den Gründer des Pariser Golden Dawn, der ihn schließlich in den fünften Grad einweihte. Der Ordenszweig in London erkannte diese Weihe nicht an, Mathers wurde aus dem Golden Dawn ausgeschlossen. Nach heftigen Auseinandersetzungen mit dem von ihm zunächst bewunderten Mathers verließ Crowley 1900 nach nur zwei Jahren den Golden Dawn.
Am 11. August 1903 traf Crowley die verwitwete Rose Edith Kelly, geschiedene Skerrit. Sie war eine Tochter von Frederick Festus Kelly, dem Vikar von Camberwell, und die Schwester seines engen Freundes, des Malers Gerald Festus Kelly (1879–1972) und späteren Präsidenten der Kunstakademie Royal Academy of Arts. Von ihrer Familie wurde sie bedrängt, wieder zu heiraten; eine Eheschließung war bereits avisiert. Crowley wollte Rose aus dieser Situation befreien und machte ihr bei ihrer ersten Begegnung einen Heiratsantrag. Die beiden heirateten spontan am nächsten Morgen. Die siebenmonatige Hochzeitsreise führte nach Paris, Neapel, Marseille, Kairo und Ceylon. Aus der Ehe gingen zwei Töchter hervor: 1904 Lilith, sie starb 1906 in Rangun an Typhus, und im Februar 1907 Lola Zaza. 1909 wurde die Ehe geschieden.
Während der Hochzeitsreise führte Crowley an drei Tagen beginnend am 16. März 1904 in Kairo eine Reihe von Evokationen der Sylphen durch, während Rose am 18. März in Trance ihren Gatten aufforderte einen Gott anzurufen, den sie später auf einer bemalten Holzstele im ehemaligen Boulak-Museum als Horus erkannte. Es handelte sich um die etwa 680/70 v. Chr. gefertigte Stele des Anchefenchons, die sich heute im Ägyptischen Nationalmuseum befindet. Das Bild stellt den Hohepriester Anchefenchons als Künder von Month dar, der vor dem auf einem Thron sitzenden Horus in der Gestalt des falkenköpfigen Re-Harachte steht. Die Stele trug die Nummer 666, was Crowley als Omen wertete, da er sich mit der Zahl 666, der Zahl des Tieres in der Offenbarung des Johannes, bereits früher identifiziert hatte. Rose teilte ihm mit, dass er gemäß ihren Anweisungen Horus invozieren solle. Diese Invokation führte Crowley am 19. und 20. März durch und empfing Informationen über die Natur eines Neuen Äons.
Anfang April 1904 übertrug Crowley die Inschrift der Stele des Anchefenchons, basierend auf einer französischen Übersetzung, ins Englische. Seine Frau, die ihm als Medium diente, soll ihm währenddessen mitgeteilt haben, dass sie nicht Horus oder Ra-Hoor-Khuit channele, sondern deren Botschafter Aiwass, eine übernatürliche Wesenheit. Am 7. April 1904 soll Crowley von seiner Frau befohlen worden sein, sich an den drei aufeinander folgenden Tagen jeweils um 12:00 Uhr in eine Wohnung nahe dem Museum zu einer Niederschrift einzufinden. Dort schrieb er nach eigenen Angaben nach Aiwass' Diktat das Buch Liber Legis (später Liber AL vel Legis, „Buch des Gesetzes“) nieder, das in Crowleys Lehren später eine zentrale Rolle spielte. Es wird darin der Beginn eines neuen Äons verkündet, in dem der Mensch sich der göttlichen Mächte in Gestalt der neuen Trinität der Götter Nuit, Hadit und Ra-Hoor-Khuit versichern und mit ihr verschmelzen könne, wodurch er selber göttlich werde. Die Handschrift mit dem Liber Legis ging für einige Jahre verloren. Erst 1909 fand Crowley sie wieder, was ihn in dem Glauben bestärkte, der Verkünder und Prophet einer neuen Weltreligion zu sein. Sein Gesetz von Thelema zu verbreiten, betrachtete er ab 1916 als seine Mission.
Die Offenbarungen des Buches Liber Legis bilden die Grundlage der thelemischen Ethik. Nach dem britischen Okkultisten Israel Regardie gibt es im Liber Al vel Legis keinen Platz für die Demokratie und keine Achtung für Durchschnittsmenschen. Die Demokratie wird als „ekelerregender Kult der Schwäche“ bewertet und ist in der von Thelema angestrebten Herrschaftsform nicht vorgesehen. Das Buch verdammt das Mitleid, hält Krieg für bewundernswert und enthält in seinen 220 Versen angeblich die Leitlinien für die Menschheitsevolution in den kommenden 2000 Jahren. „Mitleid ist das Laster der Könige: Tretet nieder die Jämmerlichen & die Schwachen: dies ist das Gesetz der Starken: dies ist unser Gesetz und die Freude der Welt“ – mit dieser und ähnlichen Passagen aus dem Liber Al vel Legis stellt sich Crowley in die Tradition Friedrich Nietzsches und seiner Verachtung des Mitleides. In seinem Herrenmenschentum nimmt Crowley nach Ansicht des Literaturwissenschaftlers Peter Paul Schnierer den Faschismus vorweg. Crowley beteuerte stets, in Wirklichkeit nicht der Urheber des Buchs zu sein und behauptete, dass die Botschaften des Liber Legis nicht unbedingt seine persönlichen Meinungen widerspiegelt. Sein Sekretär Israel Regardie zeigte demgegenüber auf, dass ungeachtet des behaupteten medialen Empfangs die im Buch zum Ausdruck gebrachten Darstellungen mit denjenigen Überzeugungen absolut konform gingen, die Crowley zeitlebens vertrat. In Crowleys späteren Deutungen des Liber Legis greift er in seinen Kommentaren die bürgerlichen Werte an, die er mit dem Christentum gleichsetzt, da diese der von ihm propagierten thelemischen Ethik und der sexuellen Freiheit entgegenstünden. Darin brachte er seine Verachtung der christlichen Auffassung der Sexualität, insbesondere der Ehe, zum Ausdruck. Crowley plädierte dafür, dass die „Schwachen“ von den „Starken“ zertreten werden müssten, was weniger eine ethische, als eine biologische Frage sei, weshalb der Kampf gegen das Christentum ohne Kompromisse radikal und erbarmungslos durchzuführen sei. Mitleid und die humanitäre Gesinnung, die Crowley als „die Syphilis des Geistes“ bezeichnete, seien radikal auszuschalten, wobei er ausdrücklich Friedrich Nietzsche zitiert. Der Religionswissenschaftler Kocku von Stuckrad sieht in der Konzeption des Liber Al bei allen heidnischen Elementen deutliche Spuren einer christlichen Semantik, nur setze Crowley vor die Ethik und die Eschatologie seines christlich-fundamentalistischen Elternhauses ein umgekehrtes Vorzeichen: Der ursprüngliche Inhalt bleibe aber erkennbar.
Mit dem Aufblühen des Tourismus reiste Crowley in jungen Jahren mit seinen Eltern nach Frankreich und in die Schweiz. Später machte er sich einen Namen als Bergsteiger. Nachdem man ihn aus dem Golden Dawn ausgeschlossen hatte, reiste er im Mai 1900 zum Bergsteigen nach Mexiko. In Mexiko-Stadt knüpfte er okkulte Kontakte. Oscar Eckenstein kam ihm nach und gemeinsam erklommen sie die höchsten Berge des Landes. Im gleichen Jahr besuchte Crowley Allen Bennett in Ceylon, um mit ihm die hinduistische und die buddhistische Tradition zu studieren sowie verschiedene Formen der Meditation und des Yoga zu üben. 1901/1902 reiste er nach Indien und ins Himalaya-Gebirge. Crowley galt zu seiner Zeit als einer der Pioniere im Bergsteigen. So war er mit Eckenstein der erste aus dem westlichen Raum, der 1902 eine Besteigung des K2 wagte, sowie Anführer eines Versuchs am 8.586 Meter hohen Kangchendzönga. Die letztgenannte Expedition war zwar ebenfalls erfolglos, erreichte aber den höchsten Punkt, den zu dieser Zeit jemals ein Mensch auf einem Berg erreicht hatte. Beide Gipfel wurden erst über 50 Jahre nach Crowleys Versuchen bestiegen. Crowley verfasste auch einen der ersten Boulderführer der Welt aus dem Jahr 1898 im Gästebuch des Wasdale Head Inn – dem Geburtsort des britischen Kletterns – zusammen mit einer Zeichnung von LA Legros. Der Leitfaden behandelte über ein Dutzend Einzelprobleme an Wasdales mittlerweile berühmtem „Y-förmigen Felsbrocken“ und beschrieb eine Reihe von Beseitigungsmöglichkeiten. Berühmtheit erlangte er auch durch Erstbegehungen auf Kletterrouten wie „Devil's Chimney“, „Etheldreda's Pinnacle“ und dem „Cuillin Crack“ an den Kreidefelsen von Beachy Head. Es dauerte fast ein Jahrhundert, bis die Route „Cuillin Crack“ wiederholt wurde.
in der Höhe dunkler als seine Körperhaut. 1901–1902 nahm er an einer britisch-österreichischen Expedition unter der Leitung von Oscar Eckenstein zur erfolglosen Erstbesteigung des K2 im Karakorum teil. Die sechs Bergsteiger mussten auf 6.700 Metern umkehren, rund 1.900 Meter unterhalb des Gipfels, was damals ein Rekord war. Crowley sagte 1929 über diese Expedition, dass es einen handfesten Streit um die Aufstiegsroute gegeben habe. Er wäre lieber über den Südostgrat aufgestiegen, was der Route der ersten erfolgreichen Besteigung 1954 entspricht, anstatt sich seinerzeit dem Nordostgrat zuzuwenden. 1914 wurde Crowley in Ardelot bei Boulogne von der französischen Polizei inhaftiert, weil man ihn mit dem steckbrieflich gesuchten Hochstapler Gerard Lee Bevan verwechselte, dem er in seiner Kostümierung (Kilt und schwarze Kraushaarperücke) zum Verwechseln ähnlich sah. Er erwirkte seine Freilassung, indem er die Beamten überzeugte, nicht der Betrüger, sondern der berühmte Bergsteiger Crowley zu sein. Dazu legte er als Beweis Guillarmods K2-Buch vor, in dem ein Bild von ihm abgedruckt war. Nach Europa zurückgekehrt, verbrachte er mehrere Monate in Paris, wo er im kosmopoliten Flair des Stadtviertels Montparnasse viele Künstler und Intellektuelle kennenlernte.
Nachdem er den Winter 1904 in St. Moritz verbracht hatte, schlug Guillarmod eine neue Expedition vor, um mit einer Seilschaft den dritthöchsten Berg der Welt zu bezwingen, den Kangchendzönga. Crowley willigte ein, bestand aber auf der Führerrolle. Dies veranlasste Oscar Eckenstein, aus dem Unternehmen auszusteigen. Stattdessen wurden die erfahrenen Alpinisten Alexis Pache und Charles Reymond und der bergsteigerische Laie Alcesti C. Rigo de Righi angeworben. Die fünf unterzeichneten einen Vertrag, in dem Crowley als der einzige oberste Richter in sämtlichen bergsteigerischen Fragen anzuerkennen sei, während die anderen seinen Anordnungen unbedingten Gehorsam zu leisten hätten. Am 8. August startete man mit 230 Trägern und sieben Tonnen Gepäck. Crowley schlug die Route über den Yalunggletscher ein, was Frank Smythe, der den Berg 1930 von Nordwesten anging, als sinnloses Unterfangen bezeichnete. Nach drei Tagen kam es zu handfesten Streitigkeiten zwischen Crowley, der mit allen zerstritten war, und Guillarmod, weil Crowley einen Teil der Träger vorsätzlich barfuß laufen ließ, sie mit Schlägen vorwärts trieb und der Rückweg nicht mit Markierungen versehen wurde. Am nächsten Tag desertierten drei Träger, wobei einer zu Tode stürzte. In der Nacht ergriffen weitere misshandelte Träger heimlich die Flucht. Am nächsten Morgen brachen Guillarmod und de Righi zu Crowleys Lager IV auf, um ihn wegen seines Versagens als Expeditionsleiter abzusetzen. Die Expedition endete 2.186 Meter unter dem Gipfel auf 6.400 Metern im Desaster, als Alexis Pache und drei Träger, deren Namen nicht überliefert sind, bei einem Lawinenunglück ums Leben kamen. Daraufhin desertierte Crowley und stieg alleine ab, ohne sich zu erkundigen, ob die verunglückten Kameraden geborgen werden konnten. Diese Vorfälle brachten ihn als Bergsteiger in Verruf. 1906 erschien im Alpin Journal ein Bericht über diesen Besteigungsversuch, in dem bemerkt wurde, dass, wenn es Crowleys Absicht gewesen sei, sich in den Augen aller Bergsteiger zu blamieren, ihm das nun voll und ganz gelungen sei. Angesichts des Prozesskostenrisikos verzichtete Guillarmod darauf, Crowley wegen Veruntreuung der von ihm zum größten Teil gestifteten Expeditionsgelder gerichtlich zu verfolgen. Nach dem Lawinenunglück am Kangchendzönga ging Crowley mit dem Maharadscha von Mohabanj in Orissa auf Großwildjagd. Im Anschluss reiste er mit seiner Frau und der einjährigen Tochter nach Birma. Von dort wurde die vier Monate währende Reise mit Ponys über Südchina nach Vietnam fortgesetzt. Während seiner Tour durch Südchina führte er das Ritual des Augoeides durch. Dieses Ritual wird genauso ausgeführt wie das Ritual des Abramelin, aber durch eine reine Visualisierung, so dass kein physischer Raum oder Gegenstand benötigt wird. Nach der Rückkehr nach England veröffentlichte er eine Sammlung seiner Jugendwerke in drei Bänden, meist Poesie (Collected Works, 1905–1907), eine Sammlung von Essays (Konx Om Pax. 1907) und eine wichtige Synthese seines system of correspondences (777. 1909), das er auf der Grundlage des Golden-Dawn-Systems entwickelt hatte. In dieser Periode lernte er den britischen Offizier John Frederick Charles Fuller (1878–1966) kennen, den er für seine Arbeit interessierte. Fuller schrieb daraufhin die erste kritische Arbeit über Crowley (The Star in the West, 1907) und half ihm 1909 seinen eigenen Orden, den Astrum Argenteum, aufzubauen.
1908 wurde Crowley von Hauptmann John Frederick Charles Fuller mit dem 25-jährigen Victor Benjamin Neuburg bekannt gemacht, der sich mit Spiritismus beschäftigte. Crowley gab Neuburg Unterricht in Magie und weihte ihn in homosexuelle Praktiken ein, die auch sadomasochistische Elemente umfassten. Im November und Dezember 1909 reisten beide durch Algerien und vollzogen dort die Henochischen Anrufungen John Dees. 1911 reisten sie ein zweites Mal in die Sahara.
1907 gründete Crowley nach dem Vorbild des Golden Dawn seine eigene Geheimgesellschaft Astrum Argenteum (A∴A∴), den „Orden des silbernen Sterns“ (auch: S∴S∴), in der die Selbsteinweihung und die Überwindung des Selbst gelehrt wurden, damit der Abyss überquert werden kann. Ab März 1909 gab er die Zeitschrift The Equinox heraus, von der zehn Bände jeweils zur Sommer- und Wintersonnenwende erschienen. The Equinox enthielt Aufsätze, Rituale, Gedichte, Erzählungen und Rezensionen. Im Frühjahr 1910 versuchte Mathers vergeblich, das Erscheinen von The Equinox gerichtlich untersagen zu lassen, um zu verhindern, dass auch Rituale des Golden Dawn veröffentlicht wurden. Der Prozess wurde international stark beachtet und verschaffte Crowley weltweit Beziehungen zu verschiedenen Esoterikern und Okkultisten. Zu dieser Prominenz trugen auch öffentlich durchgeführte Rituale wie die an den antiken Mysterien von Eleusis orientierten „Rites of Eleusis“ bei, mit denen er 1910 die Aufmerksamkeit der Londoner Öffentlichkeit auf sich zog. Im Lehrsystem des A∴A∴ ist das Liber AL vel Legis das Hauptlehrbuch. Die Gradeinteilung des A∴A∴ wurde von Crowley weitgehend vom Golden Dawn übernommen. Um 1910 wurden in der Presse Gerüchte über Crowleys Homosexualität und die angebliche Unmoral der Aktivitäten seines A∴A∴-Ordens verbreitet, was mehrere Mitglieder zum Austritt veranlasste. Diesen Gerüchten und Anschuldigungen, die ihren Höhepunkt nach dem Ersten Weltkrieg erreichten, blieb Crowley für den Rest seines Lebens ausgesetzt.
1912 veröffentlichte Crowley The Book of Lies. Das Buch thematisiert kabbalistisches Wissen, beschreibt magische Rituale und enthält Wortspiele und mehrdeutige Geschichten. Der Okkultist Theodor Reuß suchte Crowley deswegen auf und beschuldigte ihn, in dem Buch widerrechtlich ein geheimes Ritual seines eigenen Ordens preisgegeben zu haben, was Crowley bestritt. Reuß war beschäftigt, den irregulären Ordo Templi Orientis (O.T.O.) zu konstituieren, um sexualmagische Praktiken zu lehren. Er lud Crowley zur Mitarbeit ein und erlaubte ihm, eine eigene, englische Sektion des O.T.O. („Mysteria Mystica Maxima“) zu gründen, was Crowley in dem Glauben bestärkte, eine prophetische Rolle in Bezug auf Thelema zu spielen. Im März 1910 wurde Crowley in den achten Grad des O.T.O. in England eingeweiht, am 21. April 1912 wurde er X° des O.T.O. von England und Irland. Nachdem er 1912 in den ersten beiden Teilen seines Book Four seine Ansichten über Magie dargelegt hatte, begann er im Folgejahr mit den sexualmagischen Basistechniken zu experimentieren, die ihm von Reuß nahegebracht worden waren. In der Folgezeit überarbeitete Crowley das System des O.T.O., das bis dahin neun Grade umfasst hatte, und erweiterte es auf elf. In den Graden acht, neun und elf spielten von nun an sexualmagische Riten eine Rolle, die unter anderem Autoerotik und homosexuelle Akte umfassten. Im Januar und Februar 1914 führte Crowley mit seinem Liebhaber Neuburg in Paris erste sexualmagische Handlungen im neuen elften Grad durch. Dabei handelte es sich um Analverkehr, bei dem Merkur (alias Hermes und Thot) und Jupiter mit dem Ziel angerufen wurden, Weisheit und Inspiration zu erlangen und Geld „herbeizuzaubern“. Teile der Riten, die er später „The Paris Working“ nannte, hatten sadomasochistischen Charakter. Sie setzten Neuburg so zu, dass er seine Beziehung mit Crowley im Februar 1914 beendete. Eine Beschreibung der magischen Erfahrungen während der Anrufungen und Astralreisen in der algerischen Wüste erschien 1911 in The Equinox (I, 5) unter dem Titel The Vision and the Voice.
Beim Ausbruch des Ersten Weltkriegs hielt sich Crowley in der Schweiz auf. Er fuhr nach England zurück, nach eigenen Aussagen um den britischen Geheimdiensten seine Dienste anzubieten, die das Angebot jedoch ausschlugen. Im Oktober 1914 reiste Crowley in die Vereinigten Staaten. Ursprünglich hatte er nur einen zweiwöchigen Aufenthalt geplant, währenddessen er einem Sammler einen Teil seiner Buchbestände verkaufen wollte. Crowley verbrachte fünf Jahre in den USA in Armut. Er nahm eine Beziehung mit der Amerikanerin Jeanne Robert Foster auf, die ihm später einen Sohn gebar. Mit ihr reiste er zur Weltausstellung 1915 nach San Francisco. Am 19. Oktober trafen sie in Vancouver bei einem A∴A∴-Mitglied namens Achad ein und fuhren nach Point Loma, wo Crowley der Präsidentin der Theosophischen Gesellschaft in Amerika, Katherine Tingley, eine Allianz mit seinem A∴A∴-Orden vorschlagen wollte. Tingley verweigerte jedoch ein Zusammentreffen, worauf Crowley erbost nach New Orleans abreiste. Seine Freundin blieb zurück, weil sie seine favorisierte Sexualpraktik, den Analverkehr, nicht mehr ertrug.
Crowley publizierte während des Ersten Weltkriegs in New York anti-britische Kriegspropaganda. Diese Artikel veröffentlichte er in der deutschfreundlich eingestellten Propagandazeitung The Fatherland und in dem Magazin Vanity Fair. Im August 1917 übernahm er acht Monate lang die Leitung der Zeitung The International und nutzte die Gelegenheit, um in Artikeln, Gedichten und Erzählungen Werbung für seine auf dem Liber Legis beruhende Religion zu betreiben. Wegen seiner Propagandatätigkeit für das Deutsche Reich durchsuchte die Londoner Polizei im Frühjahr 1917 den Hauptsitz des O.T.O. in England. Auch wenn er nach dem Krieg erklärte, dies seien satirische Schriften gewesen, konnte dies seinen überwiegend schlechten Ruf in der Öffentlichkeit nicht verbessern. Laut dem Historiker Richard B. Spence beweisen Dokumente in den Archiven der amerikanischen Geheimdienste, dass Crowley an britischen Spionagetätigkeiten in den USA beteiligt war. Spence vermutet, Crowley habe mit einer Zelle des MI1c (Military Intelligence, Section 1c) kooperiert, der auch als SIS (Secret Intelligence Service) bekannt war und nach dem Krieg zum „MI6“ wurde.
Ab Frühjahr bis Sommer 1916 pflegte Crowley den Umgang mit dem indisch-britischen Kunsthistoriker Ananda Kentish Coomaraswamy. Er begann mit dessen zweiter Ehefrau, der englischen Sängerin Ratan Devi (eigentlich Alice Richardson), ein Verhältnis und vollzog mit ihr diverse sexualmagische Operationen, woraufhin sie schwanger wurde, das Kind allerdings verlor. In der Folge unterstellte Crowley Coomaraswamy, seine Frau mutwillig zu einer langen Schiffsreise gezwungen zu haben, um eine Fehlgeburt hervorzurufen, wobei er ihn mit rassistischem Unterton beleidigte. Im Sommer 1916 weihte sich Crowley in New Hampshire in den vorletzten Grad des Golden Dawn ein, den Grad des Magus. Dazu zelebrierte er im Juni 1916 ein schwarzmagisches Ritual, um die Überreste des vorangegangenen Äons zu beseitigen und dessen Sterbenden Gott zu bannen. Ab Juni 1917 übernahm Ann-Catherine Miller die Rolle der „scharlachroten Frau“ (Scarlet Woman), wie Crowley seine Partnerinnen bei sexualmagischen Praktiken nannte. Nachdem sie Alkoholprobleme bekommen hatte, folgte ihr Roddie Minor nach, die im Januar 1918 kabbalistische Informationen von den „Geheimen Meistern“ erhielt. Ihren Äußerungen entnahm Crowley die vermeintlich richtigen Schreibweisen und Zahlenwerte der Namen Therion (ThRIVN=666) und Baphomet. Durch Minors im Opiumrausch und exzessiven sexualmagischen Praktiken entstandene Visionen wandelte Crowley seinen Schutzengel Aiwass in OIVZ um, mit dem für die Thelemiten bedeutsamen Zahlenwert 93, demselben Zahlenwert wie Thelema (Wille) und Agape (Liebe). Im März 1918 wurde Miller zeitweise durch Marie Lavroff ersetzt, bis Leah Hirsig sie ablöste. Crowley hatte, vermutlich im Frühjahr 1918, die Schwestern Marian (Dockerill) und Leah Hirsig kennengelernt. Marian hatte bereits einschlägige Erfahrungen in einer Sekte gesammelt, die sie im Buch My Life in a Love Cult beschrieb. Leah blieb am längsten bei Crowley. 1918 traf Crowley in New York mit Harvey Spencer Lewis zusammen, dessen Geheimorden AMORC daraufhin Crowleys propagierte Devise „Do what you wilt shall be the whole of the Law.“ und „Love is the law, love under will“ bis in die 1950er Jahre als angeblich klassische Rosenkreuzergesetze verwendete. 1936 machte Crowley Anstalten, den AMORC zu übernehmen, was wegen Crowleys Konkurs jedoch scheiterte. Zurück in England verschrieb ihm sein Arzt wegen der Asthma-Anfälle ab 1919 Heroin.
Crowley und Hirsig beschlossen, ein europäisches Zentrum zu gründen, um von dort die Thelema-Lehre zu propagieren. Innerhalb der Abtei mussten sich die Männer die Köpfe bis auf eine Phalluslocke kahl scheren, denn die Stirnlocke galt als Symbol für die magische Kraft des Horus oder die Hörner des Pan. Die Frauen trugen hellblaue, purpurgesäumte, lose fließende Roben mit Kapuze und hatten sich die Haare rot oder golden zu färben, was als Symbol der „Frau in Scharlach“ galt. Das Lesen von Zeitungen war verboten. Jeder hatte ein magisches Tagebuch zu führen, das Crowley zur Kontrolle vorzulegen war. Nach dem Tod des Thelemiten Raoul Loveday in der Abtei wandte sich dessen Witwe Betty May an die britische Presse und verklagte Crowley. Loveday soll nach einem Ritual gestorben sein, bei dem er angeblich das Blut einer rituell geopferten Katze getrunken hatte. Crowley verlor den Prozess, was ihn ins gesellschaftliche Abseits brachte, zumal die Presse sich auf die Skandalgeschichte stürzte. Nach der Autobiographie der britischen Sängerin Betty May hatte Crowley keine Schuld an Lovedays Tod. Dieser soll aufgrund von Typhus gestorben sein, nachdem er aus einer verschmutzen Quelle Wasser getrunken hatte. Der seit Jahren heroin- und kokainsüchtige Crowley konsumierte täglich durchschnittlich drei Gran Heroin. Mehrere Entzugsversuche scheiterten. Deshalb verließ er 1922 vorübergehend die Abtei, um sich zum Zweck des Heroinentzugs nach Fontainebleau nahe Paris zu begeben. Die Entwöhnungskur scheiterte jedoch, so dass er bis zu seinem Tode heroinabhängig blieb. Um aus seiner Geldnot herauszukommen, schrieb er den vom Kommunenleben in Cefalù handelnden Roman The Diary of a Drug Fiend („Tagebuch eines Drogenabhängigen“), der 1922 erschien und von der Zeitung The Sunday Express als Aufruf zum hemmungslosen Drogenkonsum kritisiert wurde. Wegen zunehmender Presseangriffe schob Crowley die Veröffentlichung seiner Biographie bis 1929 auf. Im Oktober 1922 kehrte er nach Cefalù zurück und machte genau während der Tage einen Zwischenstopp in Rom, als die Faschisten in die Stadt einmarschierten. Nach einem Briefwechsel mit dem Kommissar von Cefalù befahl der italienische Diktator Benito Mussolini, Crowley zu observieren. Nach Hinweisen durch die Nachbarn wurde eine Hausdurchsuchung der Abtei Thelema vorgenommen. Der anschließende Durchsuchungsbericht mit seinen Schilderungen der im Haus vorgefundenen Malereien bildete die konkrete Grundlage für die Ausweisung Crowleys: Am 23. April 1923 wurde Crowley von der Regierung aus Italien ausgewiesen, nachdem Geheimbünde und oppositionelle Parteien für illegal erklärt worden waren. Crowley ging für kurze Zeit nach Tunesien und verfasste dort die kleine satirische Gedichtsammlung Songs for Italy gegen Mussolini und dessen Regime, die er auf eigene Kosten veröffentlichte.
1922 legte der gesundheitlich angeschlagene Reuß seine Ämter im O.T.O. nieder und bestimmte Crowley zu seinem Nachfolger, was auf massiven Widerstand seitens der deutschen Ordensmitglieder stieß. Als Reuß 1923 verstarb, übernahm Heinrich Tränker die Leitung des deutschen O.T.O.-Zweigs, da Crowleys Lehren in Deutschland keine allgemeine Zustimmung fanden. Im Sommer 1925 veranstaltete die Deutsche Rosenkreuzerbewegung, die den deutschen O.T.O. und die Pansophia umfasste, deshalb die Weida-Konferenz im thüringischen Weida, um einen neuen Leiter zu wählen. Dazu luden der Veranstalter Heinrich Tränker, Albin Grau, Karl Germer, Martha Küntzel und Gregor A. Gregorius auch Crowley, Hirsig und Normann Mudd ein, die aus Paris anreisten. Crowley war 1925 von seiner Rolle, der Retter der Menschheit und Verkünder einer neuen religiösen Botschaft zu sein, völlig überzeugt und verfolgte von Deutschland ausgehend den Plan, sich von okkulten Gruppen zum Weltlehrer oder Weltheiland ausrufen zu lassen, dessen Erscheinen insbesondere die Theosophische Gesellschaft seit Langem erwartete. Als Rechtfertigung behauptete er, dazu von einer unsichtbaren weißen Bruderschaft befugt worden zu sein. Die Konferenz führte zu einer Spaltung der Deutschen Rosenkreuzerbewegung in eine Fraktion, die Crowley als internationales Oberhaupt anerkannte, und eine opponierende Gruppe, die ihn ablehnte. So übernahm Crowley 1925 als „Bruder Baphomet“ de facto die O.T.O.-Ordensleitung, auch wenn er kein Ernennungsdekret hatte, und ließ sich dazu von den ihm geneigten Anwesenden eine Ermächtigung zum Weltlehrer unterschreiben. Martha Küntzel machte sich in der Folgezeit für ihn stark und Germer wurde einer seiner wichtigsten „Sponsoren“ und Unterstützer in finanzieller und organisatorischer Hinsicht. Tränker und Grau wurden von Crowleys antichristlicher Haltung abgestoßen und zogen ihre Unterstützung unmittelbar nach der Weida-Konferenz zurück. Auch Mudd (1927) und Hirsig (1928) widerriefen ihre Unterschrift später. Mit der Anerkennung Crowleys als ihr Oberhaupt erkannten die verschiedenen deutschen esoterischen Gruppierungen Crowleys im Wesentlichen auf dem Liber Legis beruhende Botschaft an. Crowley verkündete, dass derjenigen Nation die Weltherrschaft zufallen werde, die als erste sein Buch Liber Legis zu ihrem Staatsgrundsatz erklärt.
1924 zog Crowley nach Frankreich, wo er zunächst mit Frank Harris in Nizza zusammentraf, mit dem er unternehmerische Projekte avisierte. Dann schlug er sein Hauptquartier in Paris auf, wo er mit Unterbrechungen bis 1929 lebte. Im Frühjahr 1925 begann Crowley von Tunis aus mit seiner „World Teacher Campaign“ („Weltlehrer-Kampagne“). Damit trat er in Konkurrenz zur Theosophischen Gesellschaft, die zur gleichen Zeit unter Federführung von Annie Besant und Charles Webster Leadbeater versuchte, den jungen Inder Jiddu Krishnamurti als spirituellen Weltlehrer aufzubauen. Crowley startete seine Kampagne mithilfe kleiner Abhandlungen und Traktate, um Krishnamurti als denjenigen zu „entlarven“, den er für einen „falschen Messias“ hielt, und sich selbst als den wahren „Weltlehrer“ zu inszenieren. Trotz des europäischen Medienechos war der Kampagnenerfolg eher bescheiden. In dieser Zeit traf Crowley in dem Institut für die harmonische Entwicklung des Menschen bei Paris mit Georges I. Gurdjieff zusammen. Am 17. März 1929 wurde Crowley wegen Spionage aus Frankreich ausgewiesen, was ein breites Echo in der internationalen Presse erzeugte. Unter anderem wurde der Landesverweis durch Regardies besorgte Schwester initiiert, die den französischen Botschafter in Washington ersuchte, ihrem Bruder kein Visum zu erteilen. Da das Visum bereits erteilt war, veranlasste der Botschafter Untersuchungen in Paris, wo sich der Vorgang mit einer polizeilichen Anzeige De Vidal Hunts gegen Crowley kreuzte, der seit Dezember 1928 gegen ihn prozessierte. Im August 1929 heiratete Crowley in Leipzig die Nicaraguanerin Maria Theresa de Miramar, damit diese die britische Staatsbürgerschaft erhielt. Im selben Monat reisten beide zusammen mit Regardie nach England, wo sie sich in einem Landhaus in Kent niederließen.
Im Frühjahr 1930 reiste er mit seiner Frau nach Deutschland und plante, seine Bilder in einigen deutschen Städten auszustellen. Von September 1930 bis Mitte 1932 weilte er in Berlin, wo er mit Alfred Adler, Christopher Isherwood, Aldous Huxley und vor allem Gerald Hamilton verkehrte. Am 23. April 1930 traf er in der Berliner Wohnung von Henri Birven mit Arnold Krumm-Heller zusammen, der ihm schon 1928 in einem Brief zwecks Ausbreitung seiner Organisation angeboten hatte, seine Ideen in den spanischsprachigen Ländern Südamerikas publik zu machen. Eine engere Zusammenarbeit kam jedoch nicht zustande. In Berlin verliebte sich Crowley in die 19-jährige Künstlerin Hanni Jaeger. Er nahm sie mit nach England und ließ seine Ehefrau Maria Theresa in Deutschland zurück, Ende August 1930 verreiste er mit Jaeger nach Lissabon, wo er mit dem bekannten Dichter Fernando Pessoa zusammentraf. Nachdem sich Hanni von ihm getrennt hatte und nach Deutschland abgereist war, täuschte Crowley in der Nähe von Cascais, am Boca do Inferno unter Pessoas Mitwirkung eine Selbsttötung vor. Bei einem Spaziergang Unter den Linden lernte Crowley am 3. August 1931 die 36-jährige Bertha Busch kennen, mit der er eine Beziehung einging. Er zog mit ihr zusammen und weihte sie zur großen Hure des Tieres 666. Als Crowley sie bei einem Streit öffentlich misshandelte, eilte ihr ein SA-Trupp zu Hilfe und verprügelte Crowley.
1932 kehrte Crowley aus Deutschland nach England zurück, wo er bis zu seinem Tode blieb. Seine Gesundheit war durch den beständigen Drogenkonsum zerrüttet. Finanziell blieb er trotz seiner schriftstellerischen Betätigung auf die finanzielle Unterstützung seiner Schüler angewiesen. Dabei führte er ein reges gesellschaftliches Leben. 1934 verklagte er seine alte Freundin Nina Hamnett, die sich in ihren Memoiren unvorteilhaft über seine Abtei Thelema geäußert hatte. Das Gerichtsverfahren endete nach vier Tagen in einer Niederlage: Crowley wurde selbst zum Angeklagten, intime Einzelheiten über sein Privatleben wurden publik. Im Juli wurde er angeklagt, Briefe gestohlen und gehehlt zu haben, um sie im Prozess gegen Nina Hamnett zu verwenden. Er wurde zu zwei Jahren Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt. 1935 erklärte man ihn für bankrott. 1937 lernte er Frieda Harris kennen, mit ihr entwickelte er das Tarotblatt „Thoth-Tarot“: Dabei bezogen sie sich auf Arbeiten Éliphas Lévis, der eine Verbindung zwischen Tarot und dem Baum des Lebens der hermetischen Kabbala hergestellt hatte. Während des Zweiten Weltkrieges verfasste Crowley unter dem Titel Liber OZ die thelemische „Erklärung der Menschenrechte“, die heute von allen O.T.O.-Gruppen vertreten wird. In seinen letzten Jahren lebte er außerhalb Londons, um vor den deutschen Luftangriffen sicher zu sein. Crowley starb am 1. Dezember 1947 in Hastings (Sussex) in der Pension Netherwoods mit 72 Jahren an Herzmuskelschwäche.
In seinem magischen System verband Crowley östliche und westliche Einflüsse. Seine kabbalistischen und magischen Schriften sind eine Mischung aus jüdisch-christlicher Kabbala in der Tradition des Golden Dawn mit seinem Buch des Gesetzes. Das Buch des Gesetzes möchte alle Religionen hinter sich lassen. Er erfand zahlreiche „tantrische“ Rituale und nannte sich in Anlehnung an die biblische Apokalypse in der Offenbarung des Johannes: „The Great Beast 666“. Das Ziel seiner Magie bestand in der Weiterentwicklung des Individuums, wobei er die Ansicht vertrat, das Selbst bringe erst das wahre Wesen des Menschen hervor. Gemäß seiner Theorie ist jeder Mann und jede Frau ein Stern, deren Lebenssinn darin bestehe, den Abyssus zu überqueren. Einer der zentralen Sätze seiner religiösen Anschauungen ist der Sinnspruch: Dabei legte Crowley Wert darauf, dass der Mensch zuerst erforschen müsse, worin dieser eigene Wille bestehe, um gewollt handeln zu können. Der Satz besagt nicht, wie von seinen Gegnern oft unterstellt: „Tue, worauf immer du Lust hast, ist das ganze Gesetz.“ Crowley behauptete, auf Geheiß einer imaginierten höheren Intelligenz, der mentalen weißen Bruderschaft, zu handeln und war Versammlungen gegenüber nicht zugetan. Er empfand sich als geistigen Führer der Menschheit. Über seine magischen Fähigkeiten, mit denen er keine Wunder vollbringen, aber geistige Krisen verursachen könne, äußerte er sich zwiespältig: „Mag sein, dass ich ein schwarzer Magier bin, aber auf jeden Fall bin ich ein verdammt guter Magier.“ Crowleys Erscheinung sei ehrfurchtgebietend oder furchterregend gewesen: Er trug sonderbare Kleidung und Ringe, eine Glatze, habe ein fettes, feminines Gesicht und einen starren, kalten Blick gehabt und soll einen süßlich-ekelerregenden Geruch abgesondert haben, der von einer Sex-Appeal-Salbe herrührte, mit der er sich mit der Absicht einzureiben pflegte, seine Anziehungskraft auf Frauen zu steigern. Crowley pflegte zwei seiner Zähne spitz zu feilen und Frauen den „Schlangenkuss“ zu geben, indem er sie ins Handgelenk biss. Bei verschiedenen Gelegenheiten defäkierte er auf die Teppiche der Salons oder Treppenhäuser seiner Freunde. Crowley kreierte einige Wortneuschöpfungen, um sich von anderen esoterischen Lehren zu unterscheiden. Zum Beispiel grenzte er sich von der Bühnenmagie ab, indem er den esoterischen Bereich der Magie als Magick [], anstelle von Magic, bezeichnete. Seine Philosophie soll auf gnostische und tantrische Quellen zurückgegriffen haben, auch wenn Crowley über keinerlei vertiefte Kenntnisse des indischen Tantra verfügte.
Crowley propagierte die Selbsteinweihung durch „Unbekannte Obere“, die das Ich zerstören, und lehrte, dass „das Dasein reinstes Vergnügen sein müsse“. Charakteristisch für seine Philosophie ist, dass das Ich oder das Bewusstsein als hinderlich angesehen wird. So wurde in der Abtei Thelema eine Übung praktiziert, bei der es nur dem Abtei-Oberhaupt erlaubt war, das Wort „Ich“ zu gebrauchen, während alle anderen stattdessen „man“ sagen mussten. Wer diese Regel brach, musste sich mit einem Rasiermesser für jedes ausgesprochene „Ich“ in den Arm schneiden. Diese Übung sollte nach Crowleys Philosophie nicht zur Unterdrückung des Ich beitragen, sondern dessen spirituelle Entwicklung bewirken. Der amerikanische Religionswissenschaftler Hugh Urban vergleicht Crowley mit dem französischen Sexualphilosophen Georges Bataille: Beide hätten in der Sexualität das machtvollste Instrument gesehen, die Begrenzungen der Ratio des Menschen und seines Ichs zu durchbrechen. Indem das denkende Bewusstsein im Exzess des Orgasmus, des Schmerzes und des Drogenrauschs ausgeschaltet werde, habe Crowley die Möglichkeit gesehen, für einen Moment Anteil am kosmischen „universellen Bewusstsein“ zu nehmen.
Crowley galt Sexualität als die wirksamste magische Methode, wobei er im Orgasmus die Triebkraft zur Umsetzung seiner magischen Ziele sah. Sein Thelema, bei dem alles willenskontrolliert stattfindet, kann jedoch kaum als Tantrismus aufgefasst werden. Die Eichel des Penis entspricht bei Crowley der Form des Gehirns. Wie alle sexualmagischen Gnostiker (Sperma-Gnostiker) sah Crowley das Zentrum des menschlich/göttlichen Schicksals im Sperma, dessen Verzehr zu magischen Zwecken als Lehre des achten Grades in Crowleys O.T.O. verankert ist. In den fortgeschrittenen Einweihungsstufen des O.T.O hat der Adept, um Macht oder Zugang in höhere geistige Sphären zu erlangen, etwa auf das Sigel eines Dämonen zu masturbieren oder über das Bild eines Phallus zu meditieren; im neunten Grad muss er nach vollzogenem Koitus Sexualsekrete und das eigene Sperma aus der Vagina seiner Partnerin saugen, im Mund behalten und anschließend auf ein Sigel schmieren. Im stark homosexuell ausgerichteten elften Grad spielen statt der Vaginalflüssigkeit Blut und Exkremente, die beim Analverkehr hervorgebracht werden, eine zentrale Rolle. Als zentrale Figuren seiner Magick beschreibt Crowley neben dem „Master Therion“ bzw. dem „Tier 666“, mit dem er sich selbst bezeichnete, die „Frau in Scharlach“, eine Rolle, die mit wechselnden Personen besetzt wurde. Die kosmische Vereinigung der beiden wurde in obszöner Umdeutung von zu einem zentralen Element seiner Magie. In seinem 1929 erschienenen Buch Magick deutet er an, dass seine Details nur ausgewählten Adepten mündlich mitgeteilt würden, was die öffentliche Spekulation darüber anfeuerte. Stuckrad erkennt auch in diesen sexualmagischen Elementen Umdeutungen der christlich-prämillenaristischen Prägung aus Crowleys Kindheit. Während der sexualmagischen Handlungen wurde unter anderem auch Tierblut getrunken. Crowleys Adeptinnen Mary Butts und Cecil Mailand wurden in der Abtei unter anderem Zeuginnen einer sexualmagischen Schaustellung, bei der die „Scharlachfrau“ Leah Hirsig angeblich mit einem Ziegenbock kopulierte. Unmittelbar nach dem Akt schnitt Crowley dem Tier die Kehle durch, worauf das Blut über Hirsigs Rücken strömte. Seine jeweiligen Geliebten setzte er mit der Vagina gleich, deren restlicher Körper nur der Verzierung diente. Er selbst identifizierte sich mit dem Phallus. Es ist umstritten, ob die zu Crowleys Betätigungsschwerpunkt gehörenden und bis zuletzt praktizierten sexualmagischen Akte – religiös motiviert oder nicht – einem biografisch angelegten pathologischen Sadomasochismus zuzuschreiben sind. Ebenfalls umstritten ist, ob auch rituelle Gewalt gegen Kinder bei den Ritualen eine Rolle spielte: Nach Angaben des Beauftragten für Weltanschauungsfragen des evangelisch-lutherischen Kirchenkreises Göttingen/Hannover Ingolf Christiansen zählte auch sexueller Missbrauch von Kindern zu den von Crowley ausgeübten und empfohlenen sexualmagischen Praktiken. Als Beleg verweist er auf eine Stelle im dritten Teil von Crowleys Buch des Gesetzes, die die Opferung eines Kindes nahezulegen scheine: „Sacrifice cattle, little and big: after a child. But not now“. Diese Formulierung deutet Christiansen als Hinweis auf Menschenopfer. Nach anderer Ansicht ist damit männlicher Samen gemeint, der nicht zur Zeugung verwendet werde: Das Kind, das aus ihm hätte entstehen können, wird somit quasi geopfert. Der amerikanische Religionswissenschaftler Hugh Urban interpretiert Crowleys sexualmagisches System als Versuch einer radikalen Abgrenzung von der als repressiv wahrgenommenen viktorianischen Sexualethik seiner Zeit: Statt einer Sexualnorm, die heterosexuell, genital und auf die Zeugung von Kindern ausgerichtet war, habe Crowley nicht-reproduktive Praktiken wie Anal- und Oralverkehr, Homosexualität und Masturbation propagiert. Indem er das Prinzip der Überschreitung ins Extrem getrieben habe und buchstäblich jedes vorstellbare gesellschaftliche, moralische oder sexuelle Tabu gebrochen habe, habe er das Ziel einer radikalen, „übermenschlichen“ Freiheit und Selbstbestätigung bis hin zur Selbstvergöttlichung im Auge gehabt. Mit Blick auf das heute herrschende Ideal der Selbstverwirklichung sei Crowley „seiner Zeit voraus“ gewesen.
Sein ererbtes Privatvermögen nutzte Crowley unter anderem, um seine Gedichte in aufwändigen Ausgaben drucken zu lassen. Seine literarischen Arbeiten fanden allerdings bei der Kritik keinen nennenswerten Widerhall. 1928 wurden Israel Regardie und Gerald Joseph Yorke Crowleys Schüler. Yorke sammelte eine große Anzahl crowleyscher Erstausgaben, Handschriften und Dokumente und schenkte diese Sammlung später der Bibliothek Warburg, die sie bis heute verwahrt. 1929 fand er nach langer Suche in Percy Reginald Stephensen vom Kleinverlag Mandrake einen Verleger, der ihm vertraute. Stephensen schrieb eine Apologie über ihn und publizierte auf Crowleys Kosten verschiedene seiner Werke, darunter den Roman Moonchild, die ersten beiden Bände seiner Confessions und sein wichtigstes Werk Magick: In Theory and in Practice. Beinahe alle Veröffentlichungen Crowleys sind von einem ironischen Unterton durchzogen. Seine Aussagen sind entweder oft sadistisch oder schlichtweg lächerlich, etwa wenn er wirr zwecks Entlarvung von Jack the Ripper als viktorianische Verfasserin Helena Blavatsky angibt. Crowleys Ruf war so schlecht, dass es seinem Verleger schwerfiel, andere Autoren für seinen Verlag zu gewinnen. Einige Buchhändler weigerten sich, seine Bücher ins Sortiment aufzunehmen, weil sie Crowleys dämonisches Selbstporträt als Titelbild und der wie ein Penis und Hoden gestaltete Buchstabe „A“ seiner überdimensionalen Signatur abstieß.
Zahlreiche Schriften Crowleys erschienen pseudonym, teils, um Crowleys Autorschaft zu verschleiern, teils um in der von Crowley herausgegebenen Zeitschrift The Equinox die Zahl der beteiligten Autoren scheinbar zu vergrößern. Es sind mindestens 150 von Crowley verwendete Pseudonyme bekannt.
Ob Crowleys sexualmagisch aufgeladener Okkultismus als Satanismus bezeichnet werden kann, ist unter Wissenschaftlern umstritten. Crowley selbst lehnte die Bezeichnung für sich ab, da er Satan weder verehre noch das christliche Konzept seiner realen Existenz akzeptiere. Crowley wurde wegen seiner sexuellen Neigungen wiederholt als Satanist angeführt, während er selbst die Sache differenzierter sah. Er erkannte zwar die Polarität zwischen Gott und Teufel, sah sich aber außerstande, sie nur in eine Richtung aufzulösen, und kokettierte mit Klischees und Vorstellungen, die mit Satan und dem Antichrist assoziiert werden. Dazu kam die Selbststilisierung als „To Mega Therion“, „Das Große Tier 666“ aus der Johannesoffenbarung. Der Religionswissenschaftler Marco Pasi hält es für ein weit verbreites Missverständnis, Crowley in den Satanismus einzuordnen, da Satan als symbolische Figur in seinen Schriften nur eine untergeordnete Rolle spiele und es ihm auch nicht einfach nur um eine Umkehrung des Christentums gegangen sei. Nach dem Religionswissenschaftler Gerald Willms sind es vor allem die Weltanschauungsbeauftragten der Evangelischen Kirche Deutschlands, die Crowley als Prototyp eines Satanisten ansehen, wozu seine Selbststilisierung als Antichrist, seine Mitgliedschaft in verschiedenen Okkultorden und seine Ausschweifungen beitrugen. Auch nach Ansicht des Religionswissenschaftlers Kocku von Stuckrad wird der seines Erachtens irrige Vorwurf, Crowley hätte „'satanistische' Praktiken jenseits des Christentums“ ausgeübt, meist von christlich-theologischer Seite erhoben. Einzelne Stimmen wie der katholische Theologe Josef Dvorak und die Autoren des Internationalen Freimaurerlexikons sehen dagegen Crowley als Begründer des modernen Satanismus. Für den Sachbuchautor Karl R. H. Frick ist er dessen „Ahnherr“ und ein praktizierender Satanist. Der Kulturhistoriker Norbert Borrmann charakterisiert Crowley als bekannten Satanisten um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert. Der Literaturwissenschaftler Peter Paul Schnierer vergleicht Crowleys Lehren mit denen Anton LaVeys (1930–1997), des Begründers des modernen Satanismus. Beiden Satanismen sei gemeinsam, dass sie „banalisiertes Übermenschentum mit blasphemischer Inversion des Christentums verbinden“; dazu würden sie sich in ihren Schriften an nicht-satanistische, radikal individualistische Werke anlehnen. Nach Ansicht des Religionswissenschaftlers Joachim Schmidt ist Crowleys Mystik jedoch nicht als Satansmystik im Sinne einer Umkehrung der christlichen Mystik anzusehen. Da er auf östliche Formen der Mystik zurückgegriffen habe, habe er keine ungebrochene satanische Lehre entwickeln können. Crowleys Verhältnis zum Satanismus sei so kompliziert, dass eine definitive Stellungnahme unmöglich ist. Sein Versuch, den von ihm vertretenen radikalen Individualismus zum religiösen Prinzip zu erheben und das „Tue, was du willst“ als universelles Gesetz zu proklamieren, sei mit dem Satanismus durchaus vereinbar. Vieles von dem, was er schrieb und sagte, lasse sich zwar ohne weiteres als Satanismus deuten, doch Crowley habe stets eine eindeutige Stellungnahme vermieden.
Von verschiedenen Autoren ist eine Nähe von Crowleys Weltanschauung zum Nationalsozialismus vermutet worden. Nach Josef Dvorak war Crowley etwa selbst davon überzeugt, dass er mit Adolf Hitler vieles gemeinsam hatte und dieser ein Vollstrecker seiner „Force-and-fire“-Religion sei. Seine Überzeugungen notierte er zwischen 1942 und 1944 als Randbemerkungen in sein Exemplar der Gespräche mit Hitler, einer Geschichtsfälschung Hermann Rauschnings, in denen er auf die Entsprechungen zwischen Hitlers Ideen und Vorstellungen und seinen eigenen Glaubensbekenntnissen und rätselhaften Verkündigungen aus seinem Buch des Gesetzes (Liber Legis) hinwies. Dabei strich er die Textpassagen an, in denen Rauschning beschreibt, wie Hitler von einer „neuen Weltordnung“ oder dem Zusammenbruch des alten Wertesystems gesprochen haben soll. Die deutsche Crowley-Anhängerin Martha Küntzel war fest davon überzeugt, dass Hitler den Lehren Crowleys folgte, und wurde zu einer glühenden Nationalsozialistin. Derlei Spekulationen wurden in den Büchern des englischen Thriller-Autors Gerald Suster über „Nazi-Mysterien“ bis zu gegenwärtigen Okkultisten transportiert: Suster hält die beiden Weltkriege und die autoritären Regimes des 20. Jahrhunderts für Manifestationen des von Crowleys Schutzgeist Aiwass ausgerufenen Neuen Äons. In einem Brief vom 29. Oktober 1949 an Julius Evola vertrat René Guénon die Ansicht, Crowley habe mit seinem in Portugal vorgetäuschten Suizid insgeheim die Absicht verfolgt, im Anschluss die Rolle des „okkulten“ Beraters Hitlers spielen zu können. René Freund sieht zwar ebenfalls Parallelen in der Ablehnung von Moral, der Bejahung von Gewalt und dem absoluten Vorrang des Willens, die man in Äußerungen sowohl Crowleys als auch Hitlers finde. Gleichwohl dürfe man Crowley nicht für einen Ideenlieferanten Hitlers halten, und es sei auch verkehrt, seine Texte programmatisch zu verstehen. Die Nationalsozialisten sahen keine solche Nähe: Der O.T.O. wurde am 20. Juli 1937 per Runderlass Reinhard Heydrichs aufgelöst. Marco Pasi veröffentlichte Briefe Crowleys an Karl Germer. In einem davon schrieb Crowley 1938, „dass Hitler Sklaven züchten würde“ und „seine Welt auf eine falsche Einheit des Staates beruht“. In einem anderen Brief bezeichnete er Hitler „als einen mehr oder weniger inspirierten Irren, […] der es Zustande bringt Massenhysterie hervorzurufen“. Auch auf Martha Küntzel reagierte er, indem er ihr schrieb: „Allgemein stehen die Deutschen so tief unter den Juden, wie die Affen unter den Menschen“.
Crowley ist eine der wichtigsten und einflussreichsten Figuren in der Geschichte des englischen Okkultismus. Zeitgenössische neue religiöse Bewegungen werden stark von seinen magischen und neopaganen Ideen beeinflusst. Aufgrund seiner oft mehrdeutigen Sprache ist die Rezeption nicht einheitlich. Keine der sich auf ihn beziehenden Gruppen oder Personen kann eine höhere Autorität über das Werk Crowleys für sich beanspruchen als die anderen. Zu den Thelemiten werden neben den vormals von Crowley geleiteten Gruppen auch einige selbsternannte Nachfolger wie Michael D. Eschner und unabhängig entstandene Orden und ihre Ableger gezählt, die von Crowley lediglich beeinflusst wurden, wie etwa der Ordo Saturni, der sich vehement dagegen verwahrt, mit Satanismus in Verbindung gebracht zu werden.
Alle heute existierenden O.T.O.-Nachfolgeorganisationen orientieren sich ideologisch stark an Crowleys Schrifttum. Der amerikanische Caliphats-O.T.O., der sich die Rechte an Crowleys Thot-Tarot sicherte, ist die bedeutendste Gruppe. In Deutschland zählen zum Crowley beeinflussten Umfeld des O.T.O. auch die Gnostisch-Katholische Kirche („Ecclesia Gnostica Catholica“), die drei sogenannten Saturnlogen und zwei kleinere O.T.O.-Gruppen mit zirka hundert Mitgliedern. Eine in der Tradition Crowleys stehende deutsche Einzelgruppierung ist die 1982 gegründete Thelema Society, deren Gründer sich als Reinkarnation Crowleys ausgab. Von der von dem Philosophie-Dozenten Jean Brayton und seiner Frau Georgina gegründeten Solar Lodge des kalifornischen O.T.O. wurden in den höheren Graden ähnliche Rituale zelebriert wie in den 1920er Jahren in der Abtei Thelema auf Sizilien. Der kalifornische O.T.O. hat sich von Braytons Solar Lodge distanziert. 1975 erschien das Book of Perfection, in dem politische Konzepte des O.T.O. erwogen werden. Die Formulierungen basieren auf Crowleys thelemischer „Erklärung der Menschenrechte“, dem Liber OZ. Neben abschließenden Offenbarungen von Crowleys Schutzgeist Aiwass wird darin unter dem gemeinsamen Erkennungszeichen eines goldenen Pentagramms zum heiligen Krieg gegen die Christenheit aufgerufen. Der Sieg wurde für 1980 prophezeit und sollte zur Gründung eines von Initiierten geleiteten Ordensstaates mit einer Zweiklassengesellschaft führen. Mehrere in jüngerer Zeit entstandene Orden, wie der Orden von Thelema, Astrum Purpura und der Ordo Templi Baphometis, berufen sich auf Crowley.
Die neureligiöse Bewegung Wicca wurde vom Gedankengut Crowleys beeinflusst. Der Wicca-Gründer Gerald Brousseau Gardner war Mitglied im O.T.O. und Crowley erlaubte ihm, eine eigene O.T.O.-Loge zu gründen. 1943 wurde er von Gardner gegen Bezahlung beauftragt, für ihn ein Buch über magische Rituale zu schreiben. Crowley schrieb daraufhin das Buch der Schatten (The Book of Shadows). Es wurde der Grundstein der Wicca-Religion und enthielt deren liturgische Rituale und Texte. Viele Thelemiten wurden daraufhin zugleich Mitglieder in Wicca-Zirkeln.
Die explizit satanistischen Gemeinschaften wie die von Anton LaVey gegründete First Church of Satan und der Temple of Set erkennen Crowley als geistigen Wegbereiter des Satanismus und ihrer Lehrinhalte an, sehen jedoch sein Buch des Gesetzes (Liber Al vel Legis) nicht als verbindliche heilige Grundlage an. Das von Crowley ausgerufene neue Zeitalter, das Äon des Horus, erklären beide Gruppen für beendet. Laut der Church of Satan wurde es 1966 vom Äon of Satan abgelöst. Der Temple of Set spricht stattdessen vom beginnenden Äon des Seth. Aus dem von Crowley bis zu seinem Tod geleiteten O.T.O. entwickelten sich in den USA einige Ableger, die sich als satanistisch betrachten oder verstanden.
Durch den kulturellen Wandel in den 1960er Jahren wurden durch die 68er-Bewegung, die Beatniks und die Hippie-Bewegung psychedelische Drogen, freie Liebe und spirituelle Themen populär. In dieser Aufbruchsstimmung wurden die teilweise sexuell aufgeladenen magischen Werke Crowleys wiederentdeckt und in vielen Ländern neu verlegt, was in den 1970er Jahren zu seiner postumen Popularität beitrug. Sein Einfluss ist auch in der esoterischen und zum Teil in der New-Age-Bewegung erkennbar. Seine Lehre und die im Buch des Gesetzes dargelegte thelemische Philosophie verließ den engen Rahmen okkultistischer Gruppen, erreichte jedoch nie die von ihm erhoffte Verbreitung. Einige Künstler berufen sich auf Crowley, um damit dem Modetrend einer Minderheit zu folgen, zu provozieren oder aus spirituellen Gründen. 2002 erzielte Crowley in einer von der BBC durchgeführten Umfrage auf einer Liste der einflussreichsten Briten Platz 73.
pflegte lange Zeit ein großes Interesse an Aleister Crowley Die Beatles bildeten auf der Vorderseite des Covers ihrer LP Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band 1967 neben vielen Prominenten auch Aleister Crowley ab. Von Bands wie Black Sabbath oder Led Zeppelin ist bekannt, dass sich zumindest einige Mitglieder mit seinen Schriften beschäftigten. Der Gitarrist von Led Zeppelin, Jimmy Page, erwarb und restaurierte Crowleys Anwesen Boleskine in Schottland, in welchem Crowley zu Beginn des Jahrhunderts seine Beschwörungen ausführte. Page gilt als wichtigster Sammler von Crowley-Artefakten und eröffnete die okkultistische Buchhandlung „The Equinox“ in London. Bob Gulla zufolge habe Page während seiner Konzerte Crowley-Rituale zelebriert und viele Fachleute seien der Ansicht, die Musik von Led Zeppelin sei „gesättigt mit Crowleys satanischen Lehren“. Der Theologe Sebastian Berndt widerspricht dieser Einschätzung, begrenzt den Bezug auf das „eindeutig“ vorhandene Interesse Pages. Dabei sei nicht zu erschließen „[w]ie tief dieses Interesse ging“. Ozzy Osbourne veröffentlichte auf seinem ersten Soloalbum Blizzard of Ozz das Stück Mr. Crowley. Für Bands wie Iron Maiden, Venom, Reds, Witchfynde, Blood and Roses oder Killing Joke sind Bezugnahmen auf crowleyanisches Gedankengut ein provokantes Stilmittel. Weitere Crowley-Anleihen sind in der Metal-Szene zwar vielfach vorhanden, allerdings zumeist nur „oberflächlich“. Solche Anleihen, die über die Rezeption Crowleys hinaus spielerisch Satanismus und Okkultismus in unterschiedlichen Facetten aufgreifen werden von der Szene als Image, Ablehnung des Christentums sowie Ausdruck eines aufgeklärten Atheismus genutzt. Weniger bekannt sind sich aus Thelemiten zusammensetzende Bands wie Sol Invictus, Fire + Ice, Current 93 und Thelema. Der Musiker Graham Bond gab sich als außerehelicher Sohn Crowleys aus und ließ sich von dessen Werken zu seiner späteren Musik inspirieren.
Der US-amerikanische Underground-Filmemacher Kenneth Anger reiste nach Cefalù, um die erotisch-magischen Fresken Crowleys zu retten, und schöpfte viele Inspirationen für seine Filme aus dessen Werken. Insbesondere der 1954 fertiggestellte Film Inauguration of the Pleasure Dome, welcher zwölf Jahre später neu geschnitten wurde, gilt als filmische Umsetzung der Visionen Crowleys. In dem Film spielte Marjorie Cameron die Rollen der Scarlet Woman und der Kali; sie war mit Crowleys Schüler John W. Parsons bekannt, welchen sie nach dessen Babalon Working (ausgeführt 1947) kennenlernte. Angers Kurzfilm The Man We Want To Hang von 2002 besteht aus etlichen von Crowleys Gemälden. Ein Teil der Filmmusik zu Angers Film Lucifer Rising wurde von Jimmy Page komponiert, während die komplette musikalische Fassung von Bobby Beausoleil, einem Mitglied der berüchtigten „Family“-Kommune Charles Mansons, geschrieben wurde. 2008 entstand der Film Chemical Wedding nach einer Vorlage von Bruce Dickinson (Sänger von Iron Maiden) und Julian Doyle, in dem Simon Callow in einer Doppelrolle als Aleister Crowley und als Professor Oliver Haddo auftritt, in welchem sich Crowleys Geist durch einen Computerunfall manifestiert.
Crowleys großer Einfluss auf die Literatur wird häufig übersehen. Der Literaturwissenschaftler Uwe Schütte nennt Crowley im Zusammenhang mit seinen Kriminal- und Horrorgeschichten „einen entfernten Verwandten von H. P. Lovecraft“. Über die Geschichte The Testament of Magdalen Blair von 1913 befindet er etwa, „dass die Erzählung in jede einschlägige Anthologie gehört“. James Harvey veröffentlichte 1967 eine fiktionale Autobiographie Crowleys unter dem Titel Memoirs of Aleister Crowley, in der er ihn als eine Neuauflage des Marquis de Sade auftreten lässt. Ebenfalls taucht er in den Werken von H. R. Wakefield, M. R. James, Dion Fortune und Manly Wade Wellman auf. Der Schriftsteller William Somerset Maugham schildert in seinem 1908 erschienenen Roman The Magician (deutsche Übersetzung: Der Magier) einen Magier namens Oliver Haddo (ein Synonym für Crowley), welcher in einem Haus namens Skene (abgeleitet von Boleskine) wohnt. Diese Figur basiert auf Maughams Begegnungen mit Crowley in Paris. Das Buch diente 1926 dem Regisseur Rex Ingram als Vorlage für den Stummfilm Der Magier, in dem der Golem-Darsteller Paul Wegener als jungfrauenschlachtender Schwarzmagier auftritt. Der britische Schriftsteller Ian Fleming lehnte seine Schurken-Figur Le Chiffre als ersten perfiden Gegenspieler von James Bond im Roman Casino Royale an Crowley an. In der 1975 erschienenen Illuminatus!-Trilogie verarbeiteten die Autoren Robert Anton Wilson und Robert Shea satirisch Versatzstücke von Crowleys esoterischem Wirken. Wilson ließ Crowley selbst als eine der Hauptfiguren im Folgeroman Die Masken der Illuminaten auftreten. 2013 erschien der Roman (Gehorche mir und) Tu was du willst von Andreas Galk, in dem eine Sekte Jugendliche für ihre Zwecke zu rekrutieren versucht. Diese Sekte bezieht sich im Wesentlichen auf Crowleys Kernaussagen. Allerdings lässt Schriftsteller Andreas Galk die Person Crowley in seinem Roman unter dem Namen Aleister Carvey auftreten.
Die von Crowley verfassten esoterischen und literarischen Werke und deren Ausgaben sind zahlreich. Zu einer ausführlichen Aufstellung der als Monographien gedruckten Werke, des Inhalts des Equinox und des Systems der Libri siehe die Liste der Werke von Aleister Crowley. Untenstehend die Hauptwerke in alphabetischer Folge mit aktuellen deutschen Übersetzungen: * Book 4. Deutsch: Buch 4. Ed. Geheimes Wissen, Graz 2013, ISBN 978-3-902974-04-4. * The Book of Lies. Deutsch: Das Buch der Lügen, welches auch fälschlicherweise genannt wird Unterbrechungen … Stein der Weisen / Bohmeier, Bergen a.d. Dumme 1986, ISBN 3-89094-107-9. * The Book of Thoth. Deutsch: Das Buch Thoth. Eine kurze Abhandlung über den Tarot der Ägypter. Equinox Band III Nr. V. Übers. von Klaus Lemur-Esser. 6. Auflage. Urania, Sauerlach 1989, ISBN 3-908644-73-9. * The Confessions of Aleister Crowley. Deutsch: Confessions. Die Bekenntnisse des Aleister Crowley. Eine Autohagiographie. 2 Bände Stein der Weisen / Bohmeier, Bergen a.d. Dumme 1986, ISBN 978-3-89094-103-5 * Diary of a Drug Fiend. Deutsch: Tagebuch eines Narren. Übersetzt von Volker Grassmuck. Scopio, Radolfzell 2013, ISBN 978-3-937355-58-0. * Eight Lectures On Yoga. Deutsch: Über Yoga : 8 Vorlesungen. Übers. von Ralph Tegtmeier. Droemer Knaur, München 1989, ISBN 3-426-03969-9. * The Holy Books of Thelema. Deutsch: Die heiligen Bücher von Thelema. Stein d. Weisen, Verlag Kersken-Canbaz, Berlin 1983, ISBN 3-89094-012-9. * Liber 777. Deutsch: Liber 777 : die Zahlen des Meisters. Übers. von Tom Eichler. Phänomen, Lüchow 2001, ISBN 3-933321-39-5. * Liber AL vel Legis. Deutsch: Liber AL vel legis. Phänomen-Verlag, Hamburg 2012(?), ISBN 978-3-933321-48-0. * Magick in Theory and Practise. Deutsch: Magick in Theorie und Praxis. Übers. von Ralf Löffler. 3. Auflage. Phänomen-Verlag-Gitta-Peyn, Schnega 1996, ISBN 3-89499-008-2. * Magick Without Tears. Deutsch: Magie mit/ohne Tränen. Kersken-Canbaz, Bergen an der Dumme ca. 1993. Band 1: ISBN 3-89423-076-2. Band 2: ISBN 3-89423-077-0. * Moonchild. Deutsch: Moonchild. Übers. von Ralf Löffler. Phänomen-Verlag, Lüchow 1999, ISBN 3-933321-18-2. * The Vision & the Voice. Deutsch: Die Vision und die Stimme. Liber XXX aerum vel saeculi CCCCXVIII. Übers. und kommentiert von Marcus M. Jungkurth. Kersken-Canbaz, Bergen a.d. Dumme 1986, ISBN 3-89423-004-5.
* Phil Baker: City of the Beast. The London of Aleister Crowley. Strange Attractor Press London 2021, ISBN 978-1-913689-32-2 * Martin Booth: A magick life. The biography of Aleister Crowley. Hodder & Stoughton, London 2000, ISBN 0-340-71805-6. * Henrik Bogdan, Martin P. Starr (Hrsg.): Aleister Crowley and Western esotericism. Oxford University Press, Oxford 2012, ISBN 978-0-19-986307-5. Deutsche Ausgabe: Aleister Crowley und die westliche Esoterik. Ed. Roter Drache, Remda-Teichel 2014, ISBN 978-3-939459-78-1. * Marvin Chlada, Bernd Kalus: Aleister Crowley Superstar. Neosatanismus und Popkultur. In: Kritische Theorie in der Provinz. Hrsg. von Marvin Chlada und Jochen Zimmer. Trikont, Duisburg 2001, ISBN 3-88974-105-3, S. 73–78. * Tobias Churton: Aleister Crowley: The Biography. Watkins Books, London 2011, ISBN 978-1-78028-012-7. * Tobias Churton: Aleister Crowley: The Beast in Berlin: Art, Sex, and Magick in the Weimar Republic. Inner Traditions, Rochester 2014, ISBN 978-1-62055-256-8. * Richard Kaczynski: Perdurabo: The Life of Aleister Crowley. North Atlantic Books, Berkeley, California 2010, ISBN 978-1-55643-899-8. * Andreas Ludwig: Aleister Crowley's Scientific Illuminism. Magie und Mystik als angewandte Psychologie zur Transformation des Menschen. Tectum-Verlag, Marburg 2005, ISBN 3-8288-8869-0. * Alex Owen: The Sorcerer and His Apprentice: Aleister Crowley and the Magical Exploration of Edwardian Subjectivity. In: Journal of British Studies. 36 (1997), S. 99–133. * Marco Pasi: Aleister Crowley and the temptations of politics. Acumen, Durham 2014, ISBN 978-1-84465-695-0. Deutsche Übersetzung einer älteren Fassung: Aleister Crowley und die Versuchung der Politik. Ares-Verlag, Graz 2006, ISBN 3-902475-14-5 (zugleich Mailand, Univ. degli Studi, Diss. 1993/1994). * Richard B. Spence: Secret Agent 666: Aleister Crowley, British Intelligence and the Occult. Feral House, 2008, ISBN 978-1-932595-33-8. * Kocku von Stuckrad: Aleister Crowley, Thelema und die Religionsgeschichte des zwanzigsten Jahrhunderts. In: Brigitte Luchesi, Kocku von Stuckrad: Religion im kulturellen Diskurs: Festschrift für Hans G. Kippenberg zu seinem 65. Geburtstag. Walter de Gruyter, Berlin / New York 2004, S. 307–321. * Lawrence Sutin: Do What Thou Wilt: A Life of Aleister Crowley. St Martin’s Press, New York 2000, ISBN 0-312-25243-9. * Hugh Urban: Unleashing the Beast. Aleister Crowley, Tantra, and Sex Magic in Late Victorian England. In: Esoterica. 5 (2003), S. 138–192 (). ; Populäre und esoterische Autoren * Israel Regardie: The Eye in the Triangle. An interpretation of Aleister Crowley. Falcon Press, Las Vegas 1989, ISBN 0-941404-08-0. * John Symonds: Aleister Crowley, das Tier 666. Leben und Magick. Hugendubel/Sphinx, München 1996, ISBN 3-89631-153-0. Originalausgabe: The Great Beast. The life and magick of Aleister Crowley. Revised and updated and incorporating chapters from „The magick of Aleister Crowley“. Mayflower, St. Albans 1973, ISBN 0-583-12195-0. * Ralph Tegtmeier: Aleister Crowley. Die tausend Masken des Meisters. Edition Magus, Bad Münstereifel 1992, ISBN 3-924613-23-0. * Ruud Vermeer: Aleister Crowley. Eine illustrierte Biographie des bekanntesten und umstrittensten Magiers des 20. Jahrhunderts. Iris, Amsterdam 2005, ISBN 90-6361-041-6.
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Aikidō
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Aikidō [] ( oder ) ist eine betont defensive moderne japanische Kampfkunst. Sie wurde Anfang des 20. Jahrhunderts von Ueshiba Morihei als Synthese unterschiedlicher Budō-Disziplinen entwickelt, insbesondere aus dem Daitō-Ryū Aiki-Jūjutsu. Die Aikidō-Praktizierenden bezeichnet man als Aikidōka. Ziel des Aikidōs ist es, einem Angriff dadurch zu begegnen, dass man die Angriffskraft leitet (Abwehr) und es dem Gegner unmöglich macht, seinen Angriff fortzuführen (Absicherung). Dies geschieht insbesondere durch Wurf- (nage waza) und Haltetechniken (osae waza oder katame waza). Der friedlichen geistigen Haltung des Aikidō entsprechend geschieht dies ohne Absicht zum Gegenangriff, sondern vorwiegend durch die Einnahme einer günstigen Position und ständige Kontrolle des Kontakts mit dem Gegner. Zur Übung werden Angriffs- und Verteidigungsformen aus der Menge standardisierter Aikidō-Techniken vorher ausgewählt und, einer vorgegebenen Form folgend, ausgeführt. Mit zunehmendem Fortschritt der Ausbildung kommen auch die freieren Übungsformen Jiju-waza, Jiyu-waza und Randori vor. Es folgt damit dem japanischen Sprichwort: „Trete [sic!] durch die Form ein, und trete [sic!] aus der Form heraus.“
In den unterschiedlichen Entwicklungsphasen nannte Ueshiba Morihei seine Kampfkunst Aiki-Bujutsu und danach Aiki-Budō. Erst seit Februar 1942 nannte er sie, einem Vorschlag Hirai Minorus gegenüber dem Dai Nihon Butokukai folgend, auch offiziell Aikidō. Der Name Aikidō wird aus drei sinojapanischen Schriftzeichen geformt (合気道; Ai „Harmonie“, Ki „Lebensenergie“, Dō „Lebensweg“) und kann daher in etwa als Der Weg der Harmonie im Zusammenspiel mit Energie, Weg zur Harmonie der Kräfte oder Der Weg der Harmonie mit der Energie des Universums übersetzt werden. Diese Bezeichnung bezieht sich darauf, dass Aikidō-Techniken dahin zielen, Angriffe durch die Kontrolle ihrer Energie und nicht durch Abblocken derselben zu kontrollieren. Ein häufig genannter Vergleich lautet, dass die flexible Trauerweide einem Sturm durch Biegen widerstehen kann, während die viel stabilere Eiche bricht, wenn der Wind zu stark ist. Als Schriftzeichen für Ki kann man sowohl 気 als auch 氣 finden, wobei 気 die vereinfachte und aktuell verwendete japanische Form des ursprünglichen chinesischen Zeichens 氣 ist, das Ueshiba Morihei verwendete. Obwohl oft zu finden ist, dass (Ai) mit Liebe zu übersetzen sei, ist dies nicht korrekt. Das Missverständnis geht auf ein Zitat von Ueshiba Morihei zurück, dass er sich unter anderem deshalb entschlossen habe, seine Kampfkunst Aikido zu nennen, weil 合 genauso ausgesprochen wird wie 愛, was eben Liebe bedeutet. Während der Versuch einer wörtlichen Übersetzung von Aikido etwa das Prinzip ideal koordinierter Energie lautet, sind die in Aikidō vorkommenden Begriffe nicht zuletzt durch die Ausführungen von Ueshiba Morihei sehr stark mit Konnotationen belegt, was die vielen freien Übersetzungen erklärt. Der Ausdruck Aiki (合氣) wurde bereits in älteren japanischen Kampfkünsten benutzt, insbesondere im Daitō-Ryū Aiki-Jūjutsu (大東流合氣柔術), und hatte dort die Bedeutung der „angemessenen Kraft“ im Sinne eines Mitgehens mit dem Angreifer. Erst Ueshiba erweiterte die Deutung auf eine auch spirituelle Harmonie.
Ueshiba Morihei, Student verschiedener Schwert-, Lanzen- und waffenloser Kampfkünste, entwickelte als Schüler von Takeda Sōkaku mit seinem geistigen Mentor und Freund Deguchi Onisaburō durch Zusammenführung verschiedener traditioneller Kampfkünste Aikidō, den Weg der Harmonie. Er gründete in Tokio (Japan) das Honbu Dōjō (jap.: Haupt-Übungshalle), von dem sich Aikidō über die ganze Welt verbreitete. Im Jahre 1951 stellte Meister Mochizuki Minoru in Frankreich zum ersten Mal Aikido in einem europäischen Land vor. Im folgenden Jahr begann Meister Tadashi Abe von Marseille aus Aikido in Europa zu verbreiten. 1953 wurde Aikido auf Hawaii durch Tōhei Kōichi eingeführt. 1956 ging André Nocquet als erster Franzose nach Tokio, um im Aikikai Honbu Dōjō zu trainieren. 1961 kam Meister Masamichi Noro nach Paris, von wo aus er gemeinsam mit Nobuyoshi Tamura die Verbreitung in Europa vorantrieb. Beide waren Uchi-Deshi von Ueshiba Morihei. Hiroshi Tada verbreitete Aikido von Italien aus. Später kamen Masatomi Ikeda (Schweiz), Yasunari Kitaura (Spanien) und Kazuo Chiba (Vereinigtes Königreich) hinzu. In den sechziger Jahren zerstreuten sich Ueshibas Schüler der Nachkriegszeit über die ganze Welt. Ab 1965 wurde Aikido in Australien bekannt. Heute gibt es fast in allen Ländern der Welt Aikido-Dōjō. Um etwa 1960 gelangte die Kampfkunst nach Deutschland. Als wichtigste Einzelpersonen sind hier Katsuaki Asai, der 1965 23-jährig vom Aikikai als offizieller Vertreter nach Deutschland gesandt wurde, und Gerd Wischnewski zu nennen. Katsuaki Asai gründete den Aikikai Deutschland. Ende der 1960er Jahre wurde unter der Leitung von Rolf Brand im Deutschen Judobund die Sektion Aikido gegründet, aus der in den 1970er Jahren der Deutsche Aikido Bund hervorging. In Österreich wurde Aikido 1972 von Juo Iwamoto in Wien und 1976 von Junichi Yoshida in Graz bekannt gemacht. Aus den parallel organisierten Schulen ging 1978 der Österreichische Aikidoverband hervor. Die Internationale Aikido-Föderation (I.A.F.) wurde 1975 gegründet und umfasst sechs kontinentale Verbände und mehr als vierzig nationale Aikidō-Verbände. Daneben gibt es viele weitere Verbände und Dōjō innerhalb und außerhalb des Aikikai.
Aikidō gilt als friedfertige Kampfkunst. Der Aikidōka versucht in der Regel, den Angreifer nicht zu verletzen, sondern ihn in eine Situation zu führen, in der sich dieser beruhigen kann. Somit soll dem Angreifer die Chance gegeben werden, Einsicht zu erlangen und von einem weiteren Angriff abzusehen. Dennoch verfügt ein Aikidoka über Möglichkeiten, einen Angreifer erheblich zu schädigen oder ihn zu töten. Ueshiba Morihei formulierte dies wie folgt:
Die Strategie im Aikidō bezieht sich auf die Anwendung zielgerichteter geeigneter Prinzipien und Mittel aus dem Handlungsrepertoire der Kampfkunst Aikido; vergleiche Kampfkunst in Gegensatz zu Kampfsport. Daneben existieren andere Betrachtungsweisen des Aikidō, wie Sport, Energiearbeit, Körper & Gesundheit usw., welche ebenfalls mit Handlungen und Bewegungsfolgen im Aikidō in Zusammenhang gebracht werden können. Diese Betrachtungen werden hingegen nicht näher behandelt.
Strategische und taktische Überlegungen beinhalten immer auch moralisch-ethische Werte der kämpfenden Parteien. Die meisten gesellschaftlichen und moralischen Werte sind Veränderungen unterworfen. Der grundlegendste Wert ist dem Leben inhärent: Das Leben nicht zu zerstören und damit die Entwicklung eines Lebewesens zu beenden, sondern Leben zu erhalten und die Entwicklung aller Lebewesen hin zur Vollendung ihrer naturgegebenen Aufgabe zu fördern. Als Teilnehmer am Russisch-Japanischen Krieg erlebte der Begründer des Aikidō, Ueshiba Morihei, Kriegsgräuel, Tod und Vernichtung. Er erkannte die Sinnlosigkeit kriegerischen Tuns. Durch seine Freundschaft zu Onisaburō Deguchi, dem Mitbegründer der religiösen Ōmoto-kyō-Sekte, entwickelte sich Ueshiba persönlich in geistiger und ethischer Hinsicht nach den Prinzipien und der Lehre dieser Sekte. Basierend auf seiner persönlichen Entwicklung, definierte er die Strategie im Aikidō, dass diese immer und unter allen Umständen der Gewaltfreiheit untergeordnet sei.
Der Gedanke hinter jeder Auseinandersetzung ist die machtbezogene Überlegenheit über die Gegenpartei, bzw. die Angst vor Unterlegenheit. Eine Deeskalation hat zum Ziel, den Konflikt zu klären und konstruktiv zu lösen. Vielfach lassen sich Konflikte nicht deeskalieren, und es kommt unabwendbar, wegen fehlender funktionierender alternativer Mittel, zur Eskalation. Die japanische Kultur, Religion, wie auch die Kriegskunst auf dem Schlachtfeld, sind wesentlich auch von Erkenntnissen chinesischer Kulturgelehrter und Kriegsherren beeinflusst. In der Überlieferung wird der chinesische General Sunzi („Meister Sun“) aus seinen Schriften zitiert: „Der Sieg im Krieg liegt nicht im Vernichten des Feindes, sondern im Überwinden des Feindes ohne Kampf“. Wenn in einem Konflikt eine Deeskalation unmöglich geworden ist und andere Mittel zur Abwendung einer Auseinandersetzung ausgeschlossen sind, verbleiben im Ausschlussverfahren nur die Kapitulation oder der Schritt zum Angriff, falls genügend geeignete Mittel zur Verfügung stehen.
Der Zweikampf beginnt mit der Offensive des Gegners. Die Kernidee der Aikido-Kampfkunst besteht nun darin, dass diese Angriffsbewegung unmittelbar nach ihrem Beginn und noch vor ihrer vollständigen Ausführung vereitelt wird. Hierzu bewegt sich der Aikido-Praktikant aktiv und frühzeitig auf den Aggressor zu, um in dessen Handlungssphäre zu gelangen und so die Angriffsbewegung bereits im Ansatz effektiv stören zu können. Auf diese Weise nimmt der Verteidiger eine aktive Position ein, bestimmt das weitere Kampfgeschehen und erlangt die Überlegenheit, während der überraschte Angreifer nun gezwungen ist zu reagieren, wobei er sich in dieser Situation eher reflexiv als taktisch und überlegt verhalten wird, was einen weiteren Vorteil für den Aikidoka bedeutet. Alle Budōka bedienen sich in dieser Hinsicht ähnlicher Vorgehensweisen.
Das Streben im Kampf nach Überlegenheit über die Gegenpartei beinhaltet im Kern immer die Dualität von Sieg und Unterlegenheit. Die vermeintliche Lösung jedes Konflikts ergibt darum zwangsläufig die Einteilung in Sieger und Besiegte, egal ob gekämpft wurde oder ob eine Kapitulation erfolgte. Die machtbezogene Überlegenheit des Siegers bleibt erhalten. Die Unterlegenheit birgt in sich den Keim von Rache und Vergeltung. Wichtiges strategisches Element im Aikidō bildet die Auflösung der Verliererrolle der unterlegenen Partei sowie der Gewährleistung ihrer körperlichen Unversehrtheit. Ein Gedanke an Rache und Vergeltung wird dadurch hinfällig. Durch seine innere Einstellung und Bereitschaft, selbst einem Angreifer gegenüber Gnade walten zu lassen, löst der Aikidōka diese Dualität auf, damit eine Lösung des Konflikts möglich wird, bei welcher der Aggressor zur Erkenntnis gelangen kann, dass ihm das Geschenk des Überlebens zuteilgeworden ist und jeglicher Angriff nutzlos ist (vergleiche: Abschnitt Zen – die Natur aller Dinge).
Ueshiba Morihei studierte viele Kampfkünste (siehe: Ueshiba Morihei – Literatur). Moralische Betrachtungen im Aikidō sind wesentlich beeinflusst von der Ethik Onisaburō Deguchis und der religiösen Ōmoto-kyō-Sekte sowie der Loyalität und Hingabe der Samurai. Die Bewegungsabläufe im Aikidō stammen hingegen aus dem Schwertkampf, wie auch aus dessen strategischen und taktischen Verfahren. Einer der geachtetsten Lehrer der Schwertkünste im japanischen Mittelalter war Yagyū Munenori (1571–1646). Yagyū Munenori definierte das Ken-Tai: die Angriffs- und Lauerstellung. : bezeichnet den sofortigen und unmittelbaren Angriff, furchtlos und mit klarem Geist. : bezieht sich auf die Zurückhaltung, die Lauerstellung; nicht notwendigerweise zuerst zuzuschlagen, sondern den Angriff des Gegners abzuwarten. In einer Duellsituation den eigenen Körper in eine Ken-Stellung zu bringen hat zum Ziel, den Gegner zum ersten Streich zu verleiten. Dabei soll der eigene Geist furchtlos und klar in einer Tai-Stellung (Lauerstellung) verbleiben. Wenn sich nun beide Dinge – Ken und Tai – gleichzeitig ergeben und das Prinzip korrekt angewandt wird, wird der Kontrahent zum Angriff verleitet, wodurch er Lücken für Gegenmaßnahmen öffnet. Wird hingegen der Körper zusammen mit dem Geist in Ken-Stellung versetzt, ist auch der Geist mit dem Angriff, mit Zerstörung und Tod verbunden. Der Geist wird gebunden. Das strategische Vorteilsmoment der korrekten Umsetzung von Ken-Tai besteht nun im ungebundenen, unverhafteten Geist (Tai) und im Auslösen des Angriffs mittels Ken-Stellung (siehe Sunzi – Angriff ist die beste Verteidigung), was den vollumfänglichen Überblick und die volle Bewegungsfreiheit erhält und es erlaubt, als zweiter den Schwertstreich in die Öffnung der Deckung des Gegners zu führen. Yagyu Munenori definierte in seiner Lehre verschiedene Übungsformen zur Anwendung des Schwerts im Kampf. Diese können mit der erforderlichen Detailkenntnis als Ichi-no-tachi, Ni-no-tachi, San-no-tachi, Yon-no-tachi und Go-no-tachi identifiziert werden. Diese duellartigen Übungssequenzen sind noch immer in verschiedenen Aikido-Verbänden, u. a. Aikikai, Inhalt des Unterrichts im Aiki-Ken (Anwendung des Bokken im Aikido). Der didaktische Inhalt schult speziell das Ken-Tai; das bewusste Auslösen eines Angriffs mittels der eigenen Körperhaltung unter gleichzeitiger größtmöglicher Gelassenheit des Geistes. Dies führt zur Erkenntnis der Lücken in der Deckung des angreifenden Kontrahenten. Der Schluss jeder Duellsequenz besteht in einer Situation, in welcher der als zweiter den Streich führende und das Ken-Tai beherrschende Schwertkämpfer seinem Kontrahenten vor Augen führt, dass seine Angriffe wirkungslos sind und er lediglich ein Spielball seiner offensiven Einstellung und seiner Aggression ist. Ueshiba Morihei fügte diesen bewährten Schulungsformen aus der Überlieferung des Schwertkampfes aus persönlicher Überzeugung als sechste Übungssequenz jene des Ki-musubi-no-tachi den vorangehenden hinzu. Inhalt dieser Sequenz besteht, gleich der jenen, darin, den Opponenten durch Ken-Tai zum Angriff zu verleiten, diesem jedoch schlussendlich, statt mit einem angedeuteten endgültigen Streich den Tod vor Augen zu führen, mittels Ki-musubi (Verschmelzung des eigenen mit dem Ki des Kontrahenten) unmissverständlich zu verstehen zu geben, dass er keine weitere Angriffsbewegung mehr ausführen kann, ohne sich selbst zu töten. Dabei ist die Schlussposition diejenige einer an sich harmlos erscheinenden Blockade seiner schwertführenden Arme (technisch: Osae) und wird derart ausgeführt, dass jegliche weitere Angriffsbewegung des Opponenten diesen in eine instabile Körperhaltung brächte und er sich damit unweigerlich selbst töten würde.
Als Element aus den Betrachtungen der Welt des Zen-Buddhismus ist der Gedanke „Die Natur aller Dinge“ entlehnt. Will man die Natur aller Dinge erkennen, ist es erforderlich, auch allen Dingen ihre inhärente Natur zu belassen, diese nicht zu beeinflussen, noch sie zu versuchen zu verändern. Der Geist strebt darin eine Ebene der Gelassenheit und Harmonie mit allen Dingen an. In vielen Konflikten kann ein Angreifer nicht mehr friedfertig gestimmt werden. Sein Angriff lässt sich nicht aufhalten. Hat der Angriff begonnen, sollen Bewegungen des Angreifers frei bleiben und diese lediglich gelenkt, nicht jedoch verhindert oder geblockt werden. Verhindern bedeutet Konfrontation mit Gewalt und Kraft, wobei der Kräftigere obsiegt, der Schwächere unterliegt. Die Angriffsbewegung zu lenken bedeutet, ihr ihre Natur zu belassen und beim Kontrahenten lediglich aufmerksam (Tai-Geist) und gelassen die Deckung zu öffnen und geeignete Gegenmaßnahmen einzuleiten. Harmonisierung bedeutet eine Synchronisation mit der Angriffsbewegung. Aikidō wird aufgrund des Fehlens opponenter Einwirkung auf die Angriffsbewegung oftmals verglichen mit „Zen in Bewegung“. Jede Betrachtung und Einteilung in gut und schlecht ist mit Gefühlen verbunden. Ebenso leisten Angst, wie auch Aggression, einen Beitrag zu emotionaler Instabilität, was das Reaktionsvermögen negativ beeinflusst. Aggressionslosigkeit, Mut und natürlich die sichere Verfügbarkeit der erforderlichen technischen Fähigkeiten im Kampf hingegen leisten einen großen Beitrag zur emotionalen Stabilität, zu klarer Erkenntnis der allgemeinen und momentanen Situation und erhalten den erforderlichen Überblick und das Aktions- und Reaktionsvermögen – siehe: Ken-Tai. Mit dieser Sichtweise lässt sich die Dualität und die Einteilung in gut und schlecht auflösen. Damit entfällt ebenso eine emotionale Verhaftung mit der eigenen Angst und der Aggression dem Kontrahenten gegenüber. Das Aktions- und Reaktionsvermögen bleibt im Rahmen der eigenen Befähigung erhalten. Initiative durch Auslösen des Angriffs mittels Ken-Stellung dient der Wahl des Zeitpunkts und des Ortes und der ruhige Überblick über die Gesamtsituation durch geistige Gelassenheit und Aufrechterhaltung der Lauerstellung (Tai-Einstellung) sowie durch sofortiges Erkennen der Öffnungen der Deckung beim Kontrahenten (Ken-Tai) dienen dem taktischen Vorteil, wenn der Angriff beginnt. Das, wenn nötig, auch wiederholte Zulassen eines Angriffs und die Harmonisierung, Synchronisation mit und Lenkung der Angriffsbewegung und die Umsetzung durch das Ausüben der vollen Kontrolle über die Bewegungen des Angreifers, ohne primäres Interesse an dessen Schädigung und mit einer gütigen Geisteshaltung (Zen, Gnade), wirken deeskalierend, auch während die Auseinandersetzung ihren Fortgang nimmt. Das Verhindern des Gesichtsverlustes durch Applikation der Techniken in einer Weise, welche die körperliche Unversehrtheit und Integrität des Aggressors sicherstellt, ermöglicht schlussendlich die Erkenntnis beim Angreifer über die Nutzlosigkeit seines gewaltsamen Tuns und zeigt ihm die einzige erstrebenswerte Lösung des Konflikts: das sofortige Beenden der Auseinandersetzung und Einkehr geistigen Friedens.
Die Ausführung der Techniken im Aikido basieren auf Bewegungen des Schwert- und Stockkampfes. In ihrer Ursprünglichkeit lassen sich alle Techniken des Aikidō auf Schneide-, Blockade- und Hebelbewegung mit dem Schwert (Bokken), bzw. dem Stock (Jō) zurückführen. Ferner gilt als ausführendes Element bei der Anwendung die Widerstandslosigkeit einer Technik als erstrebenswert. Der Grund liegt darin, dass nur eine widerstandslos ausgeführte Aikido-Technik das größtmögliche Bewegungsmoment des Angreifers erhält, ohne konfrontativ und damit energieverzehrend zu wirken und dies dem Aikidōka (Aikidō-Ausübenden) ermöglicht, von sich aus nur lenkenden Einfluss ohne Gewaltanwendung auszuüben. Unterschiede bei der Ausführung in den verschiedenen Aikidō-Stilen, und selbst auf nationaler Ebene innerhalb eines Lehrstils, lassen sich darauf zurückführen, dass deren Lehrbeauftragte aus didaktischen Gründen oder aus Selbsterfahrung und eigenem Verständnis oftmals unterschiedliche Konzepte der Bewegungsabläufe eines Angreifers definierten: Beispielsweise kann ein Angreifer einen beliebigen Initialangriff ausführen, welcher von einem Aikidoka durch Ausweichen oder anderweitig neutralisiert wird. Ob der Angreifer nun kurze Zeit zuwartet, ob er überhaupt keine Bewegung ausführt, ob er seinen Angriff ganz abbricht oder seinen Angriff durch weitere Bewegungsfolgen wieder aufnimmt, hängt nicht vom Aikidōka ab, sondern vom Angreifer. Ausschließlich aufgrund dieser Taktiken appliziert der Aikidō-Ausübende weitere Gegenmaßnahmen. Im Folgenden seien unterschiedliche taktische Applikationen einer Technik erläutert: Ein Angriff erfolgt mit Chūdan-Tsuki – ein Stich mit einem Messer oder Boxhieb gegen die Körpermitte des Aikidōka. Dieser neutralisiert den Initialangriff durch eine Ausweichbewegung auf die äußere Seite des Arms des Angreifers und berührt diese nur leicht mit seiner dem Angreifer näher liegenden Hand. Diese Kontaktaufnahme dient der Positionsbestimmung und der taktilen Wahrnehmung der Folgebewegung des Angreifers. * Zieht der Angreifer seinen ausgestreckten Arm ruckartig zurück, hat der Aikidōka die Möglichkeit, Gegenmaßnahmen in Reaktion darauf einzuleiten. Hier sei angenommen, es erfolgt die Technik Kote Gaeshi mit Wirkung in der der Initialbewegung 180 Grad entgegengesetzten Richtung. * Zieht der Angreifer den Arm nicht zurück, sondern führt einen Folgeangriff mit derselben Hand (beispielsweise bei einem Messerangriff) aus, steht dem Aikidōka ebenfalls als Gegenmaßnahme die Technik Kote Gaeshi zur Verfügung – in diesem Fall als Reaktion in der Weiterführung der Angriffsbewegung und ausgeführt aus seiner weiterführenden Drehbewegung. * Zieht der Angreifer den Arm nicht zurück, sondern führt einen Folgeangriff mit seiner zweiten Hand aus (beispielsweise im Boxkampf), steht dem Aikidōka, neben vielen anderen Möglichkeiten, auch die Technik Kote Gaeshi als Maßnahme zur Verfügung; in diesem Fall ebenfalls reaktiv und aus seiner weiterführenden Drehbewegung. * Zieht der Angreifer den Arm nicht zurück, sondern bleibt beispielsweise aus Überraschung einen kurzen Moment stehen, kann der Aikidōka die Technik Kote Gaeshi auf die Hand, proaktiv in diese zeitliche Lücke hinein, ausführen mit Drehpunkt direkt auf der Faust des Angreifers. * Alternativ zur proaktiven Anwendung von Kote Gaeshi kann der Aikidō-Ausübende mit der Anwendung von Atemi-Waza (Schlag- bzw. Perkussionstechnik, wörtlich: Körpertreffer) den Kontrahenten dazu bringen, eine Abwehr- oder Folgebewegung auszuführen. Dabei liegt das Ziel von Atemi-Waza darin, den Kontrahenten lediglich zur reflexartigen Ausführung einer Bewegung zu verleiten, durch deren Weiterführung der Aikidōka wiederum eine zweckdienliche Technik ansetzen kann. Alle erwähnten Anwendungen dieser Technik sind in ihrem Wirkprinzip dieselben: Es erfolgt eine Handgelenkdrehung einwärts, was wuchtig ausgeführt den Angreifer zu einem Überschlag mit Drehpunkt auf der Höhe seines Unterarms verleitet (siehe: Kote gaeshi). Dieser Überschlag entsteht nicht primär darum, weil ein Hebel auf das Handgelenk wirkt, sondern er stellt einen Reflex des Angreifers dar, der damit eine Schädigung seines Handgelenks verhindern will. Der Überschlag entsteht somit vorteilhafterweise, bevor der Hebel seine Wirkung ins Handgelenk entfaltet. Diese potentielle Wirkung im Falle eines Zögerns kann nur taktil wahrgenommen werden. Für eine vom Verstand kontrollierte Erfassung treten die Gegenmaßnahmen viel zu schnell ein. Alle Anwendungen sind ohne eine körperliche Schädigung des Angreifers richtig und korrekt ausgeführt, weil sie die moralischen und strategischen Grundlagen des Aikidō berücksichtigen. Unterschiede liegen darin, dass im jeweiligen Aikidō-Verband seitens der technischen Lehrbeauftragten unterschiedliche didaktische Vorgehensweisen argumentiert und andere taktische Anwendungen favorisiert werden.
Zu den Techniken im Aikido soll Morihei Ueshiba gesagt haben, dass Techniken geboren würden, sobald man sich im Aikido bewege, insofern könnte man überhaupt keine Anzahl an möglichen Aikido-Techniken angeben. In den meisten Stilrichtungen werden als grundlegende Verteidigungsformen fünf Hebel- bzw. Haltetechniken und acht Wurftechniken geübt, mit denen auf 18 grundlegende Angriffsformen reagiert werden kann. Die Grundtechniken können jeweils in den Varianten ura (hinter uke bewegend) und omote (vor uke bewegend) ausgeführt werden sowie manche in einer uchi (innen) und soto (außen) Ausprägung. Diese Grundtechniken kommen wiederum entweder in Tachi-waza oder Hanmi-handachi-waza oder Suwari-waza zur Anwendung. Darüber hinaus kommen Übungsabläufe (Katas) mit Stock und Schwert vor. Im Aikidō soll das Kokyū (呼吸), die Atemkraft, der Muskelkraft des körperlich Stärkeren überlegen sein. Genauer bezeichnet ist Kokyū der Atem, Kokyū dōsa (呼吸動作) heißt Atemkraftbewegung aus dem Seiza, und Kokyū-Hō ist eine Übung zur Entwicklung der Atemkraft. Dabei ist mit Atemkraft nicht die Lungenleistung gemeint, sondern die Körperspannung (Tonus), welche in direkter Weise mit Hilfe der Atemkraft reguliert werden kann. Erstrebenswert ist ein mittleres Spannungsverhältnis zwischen hohem Tonus (Härte), welcher zur Lenkung der Bewegung beim Partner erforderlich ist, und geringem Tonus (Weichheit), welcher zur Wahrnehmung der Angriffsdynamik und zum strategischen Nachgeben verwandt wird. Beim Umsetzen der Techniken wird zum Lenken der Angriffsbewegung der taktilen Wahrnehmung hoher Stellenwert beigemessen. Dabei steht nicht primär die Muskelkraft im Vordergrund, sondern die Wahrnehmung der dynamischen Bewegungsrichtung des Angriffs. Aikido kann von Menschen jeder Größe und jeden Alters praktiziert werden, wobei die körperliche Beanspruchung nicht unterschätzt werden sollte. Da die meisten Techniken an den Gelenken angreifen, sind diese einer höheren Belastung ausgesetzt. Ein gutes Aufwärmen und Dehnen ist zwingend notwendig. Das für Europäer ungewohnte Üben auf den Knien belastet diese besonders. Doch der respektvolle Umgang mit dem Partner und die beim Üben festgelegten Rollen ermöglichen das Üben in jedem Alter und Leistungsstand. Aikido ist eine der schwerer erlernbaren Kampfkünste. Ein Schüler benötigt mehrere Jahre Übung, bis er in der Lage ist, sich wirksam zu verteidigen. Die Perfektionierung der Selbstverteidigung ist aber nicht das alleinige Ziel des Aikido-Trainings. Einige Aikidoka sehen in einer effizienten Verteidigung nur einen Nebeneffekt in der Entwicklung des Aiki. Daher lehnen die meisten Stilrichtungen Aikido als reine Technik zur Selbstverteidigung ab, glauben jedoch, dass Aikido geeignet ist, effektiv zur Verteidigung eingesetzt zu werden. Da Aikido die harmonische Auflösung einer Konfliktsituation anstrebt, kann einem Aikidoka der Kontrahent nicht egal sein, da seine Angriffsenergie für eine effektive Verteidigung intuitiv erkannt und umgeleitet werden muss. Da Ueshiba, der von den Aikidoka O-Sensei (翁先生, japanisch: Altehrwürdiger Lehrer, oft auch Großer Lehrer, 大先生) genannt wird, ein Experte in der Handhabung von Schwert (Katana), Speer und Stab/Stock (Bō/Jō) sowie auch im Jiu Jitsu und anderen Kampfkünsten war, beinhalten die Techniken des Aikido zahlreiche raumgreifende und fließende Bewegungen. Diese Bewegungen werden zum Teil auch mit den althergebrachten Namen aus diesen Kampfkünsten bezeichnet.
Ueshiba Morihei begann als Jugendlicher Ende des 19. Jahrhunderts mit dem Studium einzelner Budō-Disziplinen. Nachweislich studierte er Anfang des 20. Jahrhunderts Tenjin Shinyo ryu Jujutsu, Goto-ha Yagyu Shingan ryu Jujutsu, kurzzeitig Judo und vor allem ab 1915 Daitō-ryū Aiki-jūjutsu bei Takeda Sōkaku. 1919 kam er mit der neo-shintoistischen Bewegung Ōmoto-kyo in Berührung, deren Lehren seine Interpretation von Budō entscheidend mitbeeinflusst haben und daher für die Entstehung des Aikido als wesentlich anzusehen sind. Bis zu seinem Tode entwickelte Ueshiba sein Aikido weiter, wobei seine Kunst immer weicher und harmonischer wurde. Da er im Laufe seines Lebens viele Schüler hatte und diese ihn zu verschiedenen Zeitpunkten (Entwicklungsphasen des Aikido) verließen, entwickelten sich daraus unterschiedliche Interpretationen des Aikido von Ueshiba Morihei. Diese sind unter anderem Grund der verschiedenen Stile im Aikido. Es gibt Stilrichtungen, welche einem einzigen Lehrer folgen, und Stilrichtungen, welche mehr einem Verbund von Lehrern folgen. Die folgende Tabelle stellt bekannte Stile und ihre Begründer dar: Neben diesen Aikido-Stilen leiteten einige Schüler von Ueshiba Morihei aus dem Aikido neue Bewegungslehren ab, die teilweise den Bezug auf Aikido nicht mehr in der Bezeichnung benennen, wie beispielsweise das Kinomichi von Masamichi Noro, der jeden Kampfaspekt in der gemeinsamen Bewegung ablehnt.
Aikido wurde von dem Gründer Ueshiba Morihei nicht als Sport angesehen, sondern vielmehr als Misogi-Technik („mi“ frei übersetzt: Körper; „Misogi“ frei übersetzt: den Körper schälen, raspeln, schneiden). Wettkämpfe sind im Aikido nicht vorgesehen. Die Partner arbeiten zusammen, damit jeder einzelne seine Technik perfektionieren kann. Neue Graduierungen werden durch Vorführung diverser Techniken erreicht, ohne dass die Partner dabei als Gegner miteinander kämpfen. Die Übungseinheiten bestehen zum überwiegenden Teil aus Kata-Geiko: Die Rollen von Angreifer und Verteidiger sind festgelegt, so wie Angriff und Verteidigung meist vorgegeben werden. Erst als fortgeschrittener Aikidoka beginnt man, sich langsam von der Form zu lösen; zunächst sind, z. B. im freien Üben, Angriff und Verteidigung nicht mehr streng vorgeschrieben, später beginnt man, die Rollenaufteilung in Uke und Nage/Tori zu überwinden. Während in einigen Stilen nur im Zusammenhang mit Bokken oder Jō von Kata gesprochen wird, sind in den meisten Stilen des Aikido Kata mit Partnern, also Kata-Geiko die zentrale Übungsform. Der Aikidoka achtet darauf, in den eigenen Bewegungen frei zu werden und nicht mehr über jeden einzelnen Schritt nachzudenken. Die Bewegungsabläufe sollen sich im Unterbewusstsein festigen. Regelmäßiges Üben verbessert die Beweglichkeit und fördert durch komplexe Bewegungsabläufe Konzentration, Koordination, Grob- und Feinmotorik sowie das körperliche und geistige Wohlbefinden.
Als Kleidung wird beim Üben der Ende des 19. Jahrhunderts von Kanō Jigorō, dem Begründer des Jūdō, eingeführte Keikogi getragen. Aikidoka in Kyūgraden tragen in der Regel einen weißen Gürtel. Nur in einigen Stilrichtungen/Verbände erfolgt eine Unterscheidung der Graduierung durch Gürtelfarben angelehnt an das System anderer Kampfkünste. Die Graduierung von Mudansha ist somit nicht eindeutig anhand der Gürtelfarbe zu erkennen. Darüber hinaus können Aikidoka über dem Keikogi einen Hakama, eine Art Hosenrock, tragen. Die Farbe des Hakama ist dabei unerheblich, beim Aikido werden zumeist schwarze oder dunkelblaue Hakama getragen, lediglich weiße Hakama sind aufgrund japanischer Sitten nicht verbreitet. Bis zur Zeit des Zweiten Weltkriegs war es üblich, dass jeder Aikidoka von Anfang an einen Hakama trug. In vielen Dōjō und Stilrichtungen ist es heutzutage üblich, dass die Schüler bis zum Erreichen des ersten Dan oder zumindest bis zu einem der höheren Kyū ohne Hakama Aikido üben. Diese Praxis geht darauf zurück, dass in der Kriegszeit die Stoffe für viele Schüler Ueshiba Moriheis zu teuer waren und sie deshalb bei Ueshiba um Erlaubnis baten, ohne einen Hakama am Unterricht teilnehmen zu dürfen. Ein weiterer praktischer Grund für den Verzicht auf das Tragen eines Hakama in den Anfängergraden liegt in der Verschleierung der Standposition. Während in früheren Zeiten der Hakama zweckmäßigerweise im Zweikampf die Fuß- und Standposition eines Kontrahenten verdeckte, soll der Verzicht heutzutage dem Lehrer ermöglichen, die Standposition besonders der Schüler im Anfängergrad besser zu erkennen und zu korrigieren.
Aikidotraining findet größtenteils ohne Übungswaffen statt, doch die drei Waffen Bokutō, Jō und Tantō, üblicherweise hölzerne Trainingswaffen, spielen eine wichtige Rolle. Sie werden verwendet, da viele Bewegungen und Techniken im Aikido von Waffentechniken wie Schwert- oder Stocktechniken abgeleitet sind und dadurch die waffenlosen Bewegungsabläufe selbst besser verstanden und verinnerlicht werden können. Je nach Stilrichtung variiert die Bedeutung des Waffentrainings.
Im Dōjō sitzen die Schüler aufmerksam im Seiza auf den „niederen Sitzen“ („shimoza“), während sich der Lehrer (Sensei) auf dem mittig gegenüberliegenden Kamiza befindet. Die Schüler behalten diese Position bei, wenn der Sensei die Übungsformen präsentiert. In einigen Dōjō sitzen aus der Sicht des Sensei die Aikidoka mit dem niedrigeren Grad auf der rechten bzw. „niederen“ Seite („shimoseki“). Die Aikidoka mit dem höheren Grad befinden sich aus der Sicht des Sensei auf der linken bzw. „höheren“ Seite („jōseki“). Auf shimoseiki oder jōseki befinden sich zudem Sitze für Besucher. Im Dōjō wird Wert auf die Etikette („Reigi“) gelegt. Beim Betreten des Dojos erfolgt ein Ritsurei in Richtung des Kamiza. Beim Ritsurei handelt es sich um eine stehende Verbeugung im 30° Winkel, welche in Shizen Hontai (natürlicher Stand) ausgeführt wird. Zudem erfolgt beim Betreten der Matte ein Zarei. Dabei handelt es sich um eine 30°-Verbeugung im Seiza, bei der die Hände flach etwa 15 cm vor den Knien mit der Handfläche nach unten auf die Matte gelegt werden und die Fingerspitzen der linken und rechten Hand aufeinander zeigen. Das Gesäß bleibt dabei auf den Fersen. Nach dem Betreten der Matte werden von den Studenten leichte Dehnungs- und Aufwärmübungen durchgeführt. Begonnen wird die Lehrstunde mit einem Klatschen und dem Einnehmen der korrekten Sitzpositionen. Danach erfolgt eine Begrüßung des Sensei. Die Begrüßung wird dabei in manchen Dōjōs vom ranghöchsten Schüler mit den Worten „Sensei“ oder „sempei ni rei“ eingeleitet. Dabei erfolgt ein Ritsurei, sowie der gleichzeitigen Aussprache der traditionellen Begrüßung „O negai shimasu“ (お 願い します, wörtlich auf Deutsch: „Ich mache (shimasu) eine Bitte (O-negai)!“ – im Sinne einer Aufforderung, vom nun folgenden Unterricht zu profitieren). Manchmal wird dieses Ritual ergänzt mit einem Klatschen. Dabei werden die Sitzpositionen im Seiza eingenommen. Auf Aufforderung hin erfolgt eine Begrüßung des Sensei mit einem Zarei. Dieser erwidert ebenfalls mit einem Zarei. Nach den Begrüßungen kann eine kurze Meditation („Mokusō“) folgen, woraufhin der Unterricht beginnt. Danach üben meistens zwei Partner miteinander. Jede Übung wird mit der Begrüßung des Übungspartners in Form eines Ritsurei und „O negai shimasu“ eingeleitet. Im regelmäßigen Wechsel nimmt eine Person die Rolle des Angreifers (Uke) ein und die andere Person die Rolle des Angegriffenen bzw. Verteidigers (Nage oder Tori). Nage führt eine Technik gegenüber Uke aus. Nach meist zwei oder vier Wiederholungen der jeweiligen Technik tauschen die Partner ihre Rollen als Uke und Nage. Die Angriffe bestehen vorwiegend aus Schlägen, Halte- und Würgegriffen. Die Technik selbst ist zumeist in drei Teile gegliedert. Dem Aufnehmen bzw. Vorbeileiten der Angriffsenergie (siehe auch Tai no henkō), der Weiterführung der Energie bis zum Verlust des Gleichgewichts (des Uke) und der Abschlusstechnik, die aus einem Wurf – auch mit anschließender Haltetechnik – oder nur einer Haltetechnik bestehen kann. Dabei kann das Aufnehmen und Vorbeileiten des Angriffs auf mehrere Weisen erfolgen. Nage (der Verteidiger) kann durch eine Ausweichbewegung (Tai Sabaki – „bewegen in unterschiedliche Richtungen“) und einen anschließenden Schritt nahe zum Angreifer hin (omote oder ura – „eintreten in unterschiedliche Positionen zum Uke hin“) sich mit der Energie des Angriffs harmonisieren. Danach wird, durch die Weiterführung der Angriffsenergie in eine durch Nage bestimmte Richtung, das Gleichgewicht von Uke gestört. Oft finden auch angedeutete Stoß- und Schlagtechniken (atemi) zur Störung des Gleichgewichts Verwendung. Sobald Uke die eigene Kontrolle über seinen Körper verloren hat, ist es nicht mehr schwer, die Bewegung durch einen Wurf oder mit einem Haltegriff zu beenden. Es gibt auch Übungen, in denen Techniken gegen mehrere Partner gleichzeitig geübt werden (randori), und Übungen, bei denen die Technik frei gewählt werden kann (jiyuwaza). Beim Ende der Übung erfolgt eine Bedankung in Form eines stehenden Ritsurei mit den Worten „Domo Arigato Gozaimas“ oder „Arigato Gozaimashita“. Am Ende der Klasse nehmen alle Schüler die korrekten Sitzpositionen ein. Auf Aufforderung des Sensei erfolgt ein Ritsurei mit den Worten „Domo Arigato Gozaimas“ oder „Arigato Gozaimashita“ in Richtung des Kamiza, welcher vom Sensei erwidert wird. Der Sensei geht zum Rand der Matte und macht einen Ritsurei in Richtung des Kamiza. Danach sind die Studenten entlassen und können ihre Sitzpositionen nach einem optionalen Ritsurei verlassen.
Die Ideen und Prinzipien des Aikido übten und üben auch außerhalb des reinen Kampfsports großen Einfluss. So beispielsweise in der de-eskalierenden Konfliktforschung oder dem modernen Tanz (siehe Contact Improvisation, Akroyoga). Der Schweizer Musiker Nik Bärtsch ist der Auffassung, dass es bei Aikido und Musik um ähnliche Dinge geht, nämlich um "Präzision, Präsenz und gemeinsamen Energiefluss". Er betont, dass man beim Musizieren ähnlich wie beim Aikido mit dem Körper denken und die Energie und Präsenz auf den Moment fokussieren muss. So kann er im Ensemble präzise Klänge erzeugen und eine, dynamische Spannung in der Musik schaffen. Das im Aikido praktizierte konzentrierte "Horchen" geht über das bloße Hören hinaus und neben dem eigenen Körper und dem Opponenten nimmt mann auch die Umgebung mit allen Sinnen als Ganzes wahr. Auch die Atemkontrolle hilft dabei, die körperliche Bewegung besser zu spüren. So kann man musikalische Motive besser kreative aus dem Moment heraus entwickeln und mit den anderen Bandmitgliedern besser als Organismus zusammenarbeiten und zusammenkommen, wodurch wiederum die Musik resonanter und dynamischer wird. Er kombiniert auch Aikido mit Elementen der Bewegungslehre Feldenkrais, um Körperbewusstsein und geistige Präsenz zu stärken. Diese Ansätze und Zen-Meditation helfen ihm dabei, während der Performance voll im Hier und Jetzt zu sein und tiefer in die Musik und die Gesamtdramaturgie einzutauchen.
* Yagyū Munenori: Der Weg des Samurai. 5. Auflage. Pieper, 2008, ISBN 978-3-492-23631-7. * Thomas Preston: Samurai-Geist – Der Weg eines Kriegers in den japanischen Kampfkünsten. Kristkeitz, ISBN 3-921508-38-X.
* Heinz Patt: Aikido – Harmonie und Erfahrung (englisch) Gebundene Ausgabe, Hrsg.: Reuverton Editions Bonn 2007, ISBN 978-3-00-021624-4 * Taisen Deshimaru: Zen in den Kampfkünsten Japans. Knaur, München 1985, ISBN 3-426-04130-8 * Coralie Camili: Kampfkunst. Merve Verlag, Berlin 2021, ISBN 978-3-96273-046-8.
;Weiterführende Weblinks in englischer Sprache * Japanese Aikido master Ichiro Shishiya teaches us a lot of techniques of Aikido.
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Alexandria
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Alexandria oder Alexandrien (, nach Alexander dem Großen; ; koptisch: Ⲣⲁⲕⲟϯ Rakoti bzw. ⲁⲗⲉⲝⲁⲛⲇⲣⲓⲁ Aleksandria) ist mit über fünf Millionen Einwohnern (Stand 2023) und einer Ausdehnung von 32 Kilometern entlang der Mittelmeerküste nach Kairo die zweitgrößte Stadt Ägyptens und die größte ägyptische Stadt mit direktem Zugang zum Mittelmeer. Sie besitzt den größten Seehafen des Landes, an dem etwa 80 % des ägyptischen Außenhandels abgewickelt werden. Als bedeutender Industriestandort wird sie über Pipelines mit Erdöl und Erdgas aus Suez versorgt. Alexandria wurde 331 v. Chr. vom Makedonen Alexander dem Großen an der Stelle der altägyptischen Siedlung Rhakotis gegründet und unter Ptolemaios II. zwischen 285 und 247 v. Chr. fertiggestellt. Die Stadt, Residenz der Ptolemäer, entwickelte sich rasch zu einem der wichtigsten Zentren der hellenistischen Welt sowie später des römischen und frühbyzantinischen Ägypten. Sie war nach dem Ende der Ptolemäer Hauptstadt der römischen Provinz Aegyptus, in der Spätantike dann der Dioecesis Aegypti. Das antike Alexandria war vor allem für seinen Leuchtturm (Pharos), eines der sieben Weltwunder der Antike, und für seine Große Bibliothek bekannt. Bereits in der Antike war die Stadt eine Großstadt mit über 500.000 Einwohnern. Nach der Islamischen Eroberung Ägyptens 641 n. Chr. und mit der Gründung von Kairo verlor die Stadt ihre Bedeutung. Große Bereiche wurden überdies im 8. oder 9. Jahrhundert nach einem schweren Erdbeben dauerhaft überflutet. Anfang des 19. Jahrhunderts zu einem vom Hinterland abgeschnittenen Fischerdorf herabgesunken, gelang Alexandria dank dem Bau des Mahmudiyakanals und dem Aufblühen des lukrativen ägyptischen Baumwollhandels der Wieder-Aufstieg zu einem wichtigen internationalen Handelszentrum. Im Hafen von Alexandria finden seit 1994 unterwasserarchäologische Untersuchungen statt, durch die neue Erkenntnisse zur Vorgängersiedlung Rhakotis und zur ptolemäischen Epoche gewonnen werden konnten.
Alexandria liegt am westlichen Rand des Nildeltas auf einem schmalen Landstreifen entlang der hier von Südwesten nach Nordosten verlaufenden Küste des Mittelmeeres. Hinter dem Landstreifen erstreckt sich der lagunenartige Brackwassersee Mariut, dessen Fläche in den letzten 200 Jahren immer kleiner geworden ist. Ganz durch Landgewinnung in bewässertes Ackerland verwandelt wurde die Fläche der ehemaligen Fähre von Abukir (المعدية أبو قير – al-Maʿdīyat/al-Muʿaddiyat Abū Qīr), die sich zwischen dem Mariut-See, der Bucht von Abukir und dem Idku-See (بحيرة إدكو – Buhayra Idkū) befindet. Aus dem Nildelta schlängelt sich der unter den Ptolemäern angelegte Kanal von Alexandria ( خليج الإسكندرية – Chalīg al-Iskandariyya) zwischen den Seen hindurch bis nach Alexandria. Er dient der Süßwasserversorgung und der Binnenschifffahrt. Zwischen 1807 und 1820 wurde der Kanal wiederum erneuert und dabei der Abgang aus dem Nil um 20 Kilometer flussabwärts verlegt sowie bei Alexandria eine neue Verbindung zum Mittelmeer angelegt. Seitdem heißt er Mahmudiyakanal (قَنَال المحمودية – Qanāl al-Maḥmūdiyya). Die Altstadt al-Medina (المدينة) liegt auf der Landzunge, die sich entlang des um 300 v. Chr. gebauten Damms zur Insel Pharos gebildet hat, und damit nördlich der antiken Stadt. Nach Süden war diese Landzunge durch eine Festungsmauer gesichert. Südlich der Altstadt und der Hafenbecken, also auf dem Gelände des antiken Alexandria auf dem küstenparallelen Landstreifen, gab und gibt es eine (um 1800) von der Fläche her annähernd doppelt so große Vorstadt, die von weiteren Stadtmauern geschützt wurde. Heute hat sich aus dieser Vorstadt ein Siedlungsband von über 15 Kilometer Länge gebildet.
Die Luftfeuchtigkeit liegt bei 60 bis 70 Prozent. Vom Mittelmeer her kommend, wehen zumeist nördliche, gemäßigte, manchmal aber auch sehr heftige Winde. Im Frühjahr kann auch ein heißer, trockener Wüstenwind wehen, der Chamsin, der aus dem Süden dichte, gelbe Wolken aus Sand und Staub mitbringt.
Alexandria ist von allen Städten im Mittelmeerraum am stärksten vom steigenden Meeresspiegel betroffen. Erwartet wird ein Anstieg von 68 cm bis 2050. Laut einer Prognose der Vereinten Nationen wird – nach dem günstigsten Szenario – bis 2050 ein Drittel der Stadt unbewohnbar oder bereits unter Wasser sein, wodurch 1,5 der 6 Millionen Einwohner ihre Häuser verlassen müssen. Durch das Vorrücken des Meerwassers werden Gebäude einstürzen und Salzwasser in wertvolles Ackerland in der Nildelta-Region gespült. In Kombination mit der Absenkung von Erdboden und der Küstenerosion zeigen sich die Auswirkungen des steigenden Meeresspiegels bereits jetzt: In den letzten 20 Jahren hat die Stadt durchschnittlich 3,5 Meter pro Jahr ihrer Küste ans Meer verloren, und sie sinkt jährlich um 3 mm ab. Als Gebäude durch Überflutungen 2015 und 2020 instabil wurden, mussten hunderte von Menschen ihre Wohnungen verlassen.
Mit 5,36 Millionen Einwohnern (2023) in der eigentlichen Stadt ist Alexandria heute nach Kairo die zweitgrößte Stadt Nordafrikas, die Agglomeration der zweitgrößte Ballungsraum in Nordafrika und neuntgrößte in ganz Afrika. Für 2050 wird mit einer Bevölkerung von über 8,7 Millionen Menschen in der Agglomeration gerechnet.
Alexandria entstand nach Plänen des griechischen Architekten Deinokrates. Im Jahr 331 v. Chr. verließ Alexander die Stadt, zog mit seinem Heer nach Osten und sollte bis zu seinem Tod nicht mehr zurückkehren. Der Grieche Kleomenes von Naukratis übernahm kurzzeitig die Regierung und überwachte den Bau der Stadt. Ptolemaios I. (305–283 v. Chr.) ließ den Leichnam Alexanders nach Alexandria überführen und bestattete ihn in einem goldenen Sarg. Das Grab lag wahrscheinlich in dem königlichen Mausoleum der Stadt, das auf dem Gelände der heutigen Nebi-Daniel-Moschee vermutet wird. Erst unter Ptolemaios II., also zwischen 285 und 246 v. Chr., wurde Alexandria im geplanten Umfang fertiggestellt, doch schon zwischen 320 und 311 wurde es die Residenzstadt der ptolemäischen Könige und behielt diese Funktion bis zum Ende des Ptolemäerreichs. Die Polis Alexandria galt formal nicht als Teil Ägyptens, sondern wurde jahrhundertelang stets als „Alexandria bei Ägypten“ bezeichnet; erst in römischer Zeit änderte sich dies. In der Blütezeit von 300 v. Chr. bis 400 n. Chr. war Alexandria ein wirtschaftliches, geistiges und politisches Zentrum des östlichen Mittelmeerraumes, auch unter römischer Herrschaft. Berühmte Bauwerke wie der Leuchtturm von Pharos (Bauzeit ca. 299–279 v. Chr.), das Museion mit der großen (alexandrinischen) Bibliothek und zahlreiche Theater, Palastbauten und Tempel machten die Stadt im ganzen antiken Mittelmeerraum bekannt. Ein gleichzeitig mit der Stadt angelegter Kanal führte Süßwasser aus dem westlichsten Mündungsarm des Nils heran und speiste ein umfangreiches System von Zisternen. In guten Zeiten, d. h. wenn der Kanal funktionierte, unterschied sich die Funktion dieser Zisternen von der sonst üblichen; dienen Zisternen normalerweise als Sammelbehälter für Regenwasser, so dienten die Zisternen Alexandrias als Absetzbecken zur Klärung des natürlicherweise trüben Nilwassers. Diodor berichtet von 300.000 freien Einwohnern in späthellenistischer Zeit, wobei die Bevölkerung aus ganz unterschiedlichen ethnischen Gruppen bestand. Hinzu kamen zahlreiche Fremde. In der römischen Kaiserzeit war Alexandria nach Rom zeitweise die zweitgrößte Stadt des Imperiums. Die Bevölkerungszahl wird in seriösen Untersuchungen auf gut eine halbe Million Einwohner in der Spätantike geschätzt, einschließlich der Sklaven. Einige Schätzungen gehen sogar von einer Gesamtbevölkerung von 600.000 bis 750.000 Einwohnern aus. Die Stadtbefestigung wurde mehrmals erweitert, in der größten Ausdehnung grenzte die südliche Stadtgrenze an den Mareotis-See. Das antike Alexandria bestand aus mehreren Stadtteilen für bestimmte Bevölkerungsgruppen. Neben dem Wohnbezirk der Ägypter, Rhakotis genannt, und der griechischen Neapolis gab es auch ein Viertel der Juden. In Alexandria entstand seit dem 3. vorchristlichen Jahrhundert der größte Teil der als Septuaginta bekannten Übersetzung der Heiligen Schriften der Israeliten ins Griechische.
Im Jahre 30 v. Chr. wurde die Stadt von Octavian eingenommen, der sich in einem Bürgerkrieg im Römischen Reich durchgesetzt hatte und die Stadt – wie ganz Ägypten – dem Imperium Romanum einverleibte. Octavian verzichtete auf eine Plünderung der Stadt, ließ dafür aber zwei Drittel des Besitzes der Einwohner konfiszieren. Ägypten wurde kaiserliche Provinz und einem praefectus Aegypti unterstellt; Senatoren durften Alexandria fortan nur ausnahmsweise betreten. Daher blieb auch der städtischen Oberschicht der Aufstieg in den römischen Senat bis in die Zeit Caracallas verwehrt. Aber auch ein eigener Stadtrat wurde Alexandria verweigert. Alexandria wurde nicht selten von innerstädtischen Unruhen erschüttert. Einige Jahrzehnte nach der römischen Eroberung Alexandrias kam es dort im Jahr 38 n. Chr. zu einem Ausbruch von Gewalt zwischen Juden und Griechen. Danach erblühte die Stadt aber erneut. Im Vierkaiserjahr hielt sich Vespasian in der Stadt auf und inszenierte sich dabei als Wunderheiler. Um 116 leitete ein jüdischer Aufstand unter Kaiser Trajan einen zeitweiligen Niedergang ein. Durch die Unruhen wurde die Stadt schwer beschädigt, und der Handel kam zum Erliegen; die große jüdische Gemeinde in der Stadt ging unter. Trajans Nachfolger Hadrian leitete den Wiederaufbau ein, beschränkte sich aber auf drei Fünftel des alten Stadtgebiets. Septimius Severus reorganisierte die Verwaltung der Provinz und gestattete Alexandria endlich einen eigenen Stadtrat. Unter den Kaisern Decius und Valerian kam es erneut zu Konflikten: Es wird von zwei schweren Christenverfolgungen berichtet, aber auch innerhalb der Glaubensgruppen der römischen (polytheistischen) Religion kam es zu gewaltsamen Ausschreitungen. 365 wurde es durch einen Tsunami infolge des schweren Erdbebens vor Kreta verwüstet, der von dem römischen Historiker Ammianus Marcellinus beschrieben wurde.
Nach der Eroberung Ägyptens durch das persische Sassanidenreich im Jahr 619 konnte Ostrom/Byzanz das Land zwar 629 zurückgewinnen, aber 642 nahmen die Araber Alexandria im Zuge der islamischen Expansion ein. Eine erneute byzantinische Rückeroberung scheiterte 645/46 endgültig. In der Folgezeit verlor die Stadt ihre dominierende Stellung in Ägypten zwar an Kairo, blieb aber bedeutend. Innerhalb des Kalifenreiches erreichte Ägypten alsbald eine weitgehend unabhängige Stellung. Durch ein Erdbeben im Jahr 796 erlitt der Pharos-Leuchtturm ernsthafte Schäden. Der Papstsitz der Koptischen Kirche wurde 1047 von Alexandria nach Kairo verlegt, wiewohl sich die koptischen Päpste weiterhin als Patriarchen von Alexandria bezeichnen. Ein schweres Erdbeben in Unterägypten machte 1309 den Leuchtturm endgültig unbrauchbar. Aus seinen Steinen wurde ein Fort gebaut. Ein Reisebericht von Ibn Batuta (1304–1369) verweist auf eine damals kürzlich erfolgte Erneuerung des Kanals vom Nil. König Peter I. von Zypern initiierte (1362) und leitete einen Kreuzzug gegen Alexandria, bei dem die Stadt am 9. Oktober 1365 gestürmt und geplündert wurde. Als sich nach drei Tagen ein Heer von Bahri-Mameluken näherte, begaben sich die Kreuzfahrer mit ihrer Beute auf ihre Flotte und zogen ab. Die anarchischen Zustände im Mittelalter spiegeln sich im Wechsel der Dynastien wider, die zu jener Zeit die Sultane von Ägypten stellten. Dazu gehörten die Umayyaden, Abbasiden, Tuluniden, Ichschididen, Fatimiden, die 1171 durch Saladin gestürzt wurden, die Ayyubiden und ab der Mitte des 13. Jahrhunderts verschiedene Zweige der Mamluken. Gleichzeitig war Alexandria ein intellektuelles Zentrum für muslimische Gelehrte aus Ost und West. Der Gelehrte Abu Tahir al-Silafi verbrachte hier im 12. Jahrhundert den größten Teil seines Lebens. Der Wesir Ibn as-Sallar ließ um 1150 die erste Madrasa nach schafiitischem Recht errichten, die nach al-Salafi benannt wurde. Als nach dem Alhambra-Edikt von 1492 die Juden Spaniens ihre Heimat verlassen mussten, siedelte sich eine beachtliche Zahl dieser Sephardim in Alexandria an.
Piri-Reis-Karte von Alexandria, Ende des 17. Jahrhunderts, mit der Qāitbāy-Zitadelle im Vordergrund Die Mamluken behielten die innere Verwaltung Ägyptens auch nach der Eroberung durch die Osmanen 1517. Die Expansion des Osmanischen Reiches erschwerte aber den Handel Europas mit Indien und China und führte so zur Erkundung und Etablierung des Seewegs nach Indien (Goa portugiesische Kolonie seit 1510). Mit dem Wegfall des einträglichen Landtransports vom Mittelmeer zum Roten Meer schwand die Bedeutung des Hafens von Alexandria. Zudem verfiel Ägypten als osmanische Provinz unter Mamlukenherrschaft in allgemeine Stagnation. So wurde die einstige Metropole Alexandria zu einer unbedeutenden Kleinstadt. Napoleon Bonaparte landete 1798 während seiner ägyptischen Expedition bei Alexandria, eroberte die Stadt und schlug die Mameluken, verlor aber die Seeschlacht bei Abukir gegen die Briten, die 1801 Alexandria belagerten und eroberten. Nachdem so die Schwäche der Mameluken und des Osmanischen Reiches offenbar geworden war, ergriff Muhammad Ali Pascha, Befehlshaber der albanischen Garde des Osmanischen Reichs in Ägypten die Herrschaft über die Provinz, unter Beibehaltung der osmanischen Hoheit. Er nannte sich als erster Khedive und gilt als Schöpfer des modernen Ägypten. Er veranlasste die Wiederherstellung, teils auch Neutrassierung des Süßwasserkanals vom Nil, seither Mahmudiyakanal genannt. Unter seiner Regierung entstand am Hafen von Alexandria auch die erste moderne Werft Ägyptens. Die Schwäche des Osmanischen Reiches ließ die europäischen Kolonialmächte versuchen, Einfluss und Kontrolle über den wichtigsten Mittelmeerhafen Ägyptens zu gewinnen, sowohl mit friedlichen Mitteln als auch mit Gewalt. Abbas I., der Enkel und Nachfolger Muhammad Alis, beauftragte Robert Stephenson mit dem Bau einer Eisenbahn von Alexandria nach Kairo. Deren erster Abschnitt zwischen Alexandria und Kafr El-Zayat am Rosette-Arm des Nils wurde 1854 eröffnet. Britische Kaufleute erreichten den Bau der Straßenbahn von Alexandria, die 1863 in Betrieb ging. Beide Bahnen waren die ersten ihrer Art sowohl im Osmanischen Reich als auch in Afrika. Seit der Eröffnung des Suezkanals am 17. November 1869 lag Alexandria wieder an einer Hauptroute des Welthandels. Reuters eröffnete in den 1860er Jahren die erste ägyptische Agentur in Alexandria. 1875 die erste arabische Tageszeitung. 1892 gründete der syrische Christ Dschurdschī Zaidān mit christlichen und muslimischen Journalisten die Zeitschrift al-Hilāl. In den 1870er Jahren geriet die ägyptische Regierung in zunehmende Finanznot und damit Abhängigkeit von europäischen Mächten. 1875 folgte der Verkauf der ägyptischen Suezkanalaktien an Großbritannien. 1881 kam es dann zum Urabi-Aufstand gegen den neu eingesetzten Khediven Tawfiq und den europäischen Einfluss. Daraufhin schoss eine britische Mittelmeerflotte Alexandria am 11.–13. Juli 1882 in Trümmer, traf dabei allerdings überwiegend die von Europäern bewohnten Stadtviertel. Am 13. Juli landeten dann auch Truppen der Flotte in der Stadt, besiegten trotz Unterzahl die ägyptische Garnison und gewannen die Kontrolle. Nach der vollständigen Niederschlagung des Aufstandes mit etwa 300 Toten (darunter 250 Ägypter) war die ägyptische Regierung eine von Großbritannien kontrollierte Marionettenregierung. Wirtschaftlich ging es unter der britischen Kontrolle mit Alexandria bergauf. Die Industrialisierung und der verstärkte Handelsverkehr sorgten für Wohlstand und Bevölkerungswachstum.
In den 1920er Jahren wanderten Menschen unterschiedlichster Nationalitäten nach Alexandria ein, die noch von dem aus der Ottomanenzeit stammenden Kapitulationssystem, d. h. dem Recht auf doppelte Staatsbürgerschaft, profitierten, insbesondere Griechen und Italiener. Auch die jüdische Gemeinde, seit der Antike ansässig und zum Ende des 15. Jahrhunderts durch den Exodus aus Spanien verstärkt, erfuhr weiteren Zuzug. Die Sephardim trugen mit Banken- und Firmengründungen beträchtlich zum Finanz- und Wirtschaftsleben Alexandrias bei. Es entwickelte sich zunehmend eine „gesellschaftliche und wirtschaftliche Elitenbildung der jüdischen Alexandriner“. Im Zuge der allgemeinen Emanzipation der Kolonialvölker und als Reaktion auf die Gründung des Staates Israel entwickelte sich 1948 in Ägypten die Bewegung des Panarabismus, wodurch sich die Lebensbedingungen für die ethnischen Minderheiten in Ägypten verschlechterten. Die Einwohnerzahl Alexandrias nahm ab der Mitte des 20. Jahrhunderts rasant zu und stieg über vier Millionen, während 50.000 Juden im Rahmen der „Operation Kadesh“ im Oktober 1956 Alexandria für immer verließen. Gamal Abdel Nasser leitete seinen „sozialistischen Kurs“ mit Verstaatlichungen und Nationalismus-Erlassen ein, wodurch viele ihr Vermögen verloren und die Stadt Alexandria verarmte.
Heute gilt Alexandria neben Kairo als wichtigste Stadt Ägyptens, mit internationalem Flughafen und bedeutendem Seehafen.
Einst wurden die Straßen idealtypisch im rechtwinkligen System angelegt und von zwei 30 m breiten Hauptachsen durchquert. Ein Damm, der Heptastadion, verband die Insel Pharos mit dem Festland und bildete die Westgrenze des Haupthafens portus Magnus. Am Hafen befand sich das Stadtzentrum mit dem Königsviertel, den Palästen und öffentlichen Gebäuden. Die Ptolemäer erweiterten die Palastbauten um weitere herrschaftliche Gebäude und Parkanlagen. Im Hafenbecken lag die kleine Insel Antirhodos mit einem Palast. In der römischen Epoche wurden einige Theater gebaut, unter anderem das Timoneion, das ein Stück ins Meer hinaus gebaut wurde. Auf dem heutigen Raml-Platz stand das Kaisareion (lateinisch: Caesareum), ein Heiligtum für Julius Caesar, erbaut von Kleopatra. Dessen zwei Obelisken, die auf dem Vorplatz des Tempels standen, befinden sich heute in London und New York City. Der Leuchtturm von Pharos, eines der antiken Weltwunder, wurde auf einer kleinen Insel in der Einfahrt zum Großen Hafen (lat.: PORTVS MAGNVS) östlich von Pharos errichtet, am heutigen Standort der Qāitbāy-Zitadelle. Mit 122 m Höhe gilt er als technische Meisterleistung der Antike.
Die von Ptolemäus II. gegründete Große Bibliothek von Alexandria ist bis heute berühmt. Zusammen mit dem Museion machte sie die Stadt zum geistigen Zentrum der antiken Welt. Über eine Million Schriftrollen lagerten in den Bibliotheksräumen und bildeten den Kanon der damaligen Wissenschaften. Das benachbarte Museion (Tempel der Musen) war ein überregional bedeutendes Forum von Künstlern, Wissenschaftlern und Philosophen. Es war das Zentrum der Alexandrinischen Schule, wo beispielsweise Heron, Ptolemäus und Euklid lehrten und forschten. Nach ihr ist die Alexandrinische Epoche benannt. Im Jahr 391 wurden vom Patriarch Theophilos von Alexandria alle nichtchristlichen Tempel in Alexandria zerstört; vorausgegangen waren blutige Zusammenstöße zwischen Anhängern der traditionellen Kulte („Heiden“) und Christen, wohl bewusst angeheizt von Theophilos, bis hin dazu, dass schließlich Heiden, die sich im Serapisheiligtum verschanzt hatten, dort Christen kreuzigten. Um die Situation wieder zu beruhigen, vergab Kaiser Theodosius I. ihnen zwar diese Morde, ordnete aber gleichzeitig die Zerstörung des Tempels an. Die Zerstörung des weithin bekannten Serapisheiligtums, das die Tochterbibliothek beinhaltete, sollte eine deutliche Fanalwirkung für die „Heiden“ haben; ob dabei auch das Museion (der „Tempel der Musen“ und damit aller Wahrscheinlichkeit nach die Bibliothek) zu diesem Zeitpunkt zerstört wurde, ist unbekannt, es kann jedoch nicht wesentlich früher oder später geschehen sein. 642 brannte die Bibliothek, nachdem die Araber die Stadt von den Byzantinern (Oströmern) erobert hatten.
In der ereignisreichen Geschichte Alexandrias sind viele historische Bauwerke und Kunstschätze über die Jahrhunderte verloren gegangen. Das heutige Stadtbild wird von Gebäuden im Stil des Historismus, Stile Liberty und Eklektizismus aus dem 19. und 20. Jahrhundert bestimmt. Aus antiker Zeit sind ein römisches Theater und die Katakomben von Kom esch-Schuqafa erhalten. Wichtigstes Museum Alexandrias ist das Griechisch-Römische Museum über antike Architektur, Bildhauerei und Handwerkskunst. Im April 2002 wurde das Kulturzentrum Bibliotheca Alexandrina eröffnet. Unter der Schirmherrschaft der UNESCO gebaut, soll es an die ruhmreiche Vergangenheit der antiken Bibliothek anknüpfen. Das Areal beherbergt die Bibliothek, Museen und Galerien, mehrere Forschungsinstitute, ein Veranstaltungszentrum und ein Planetarium. Greeko-Roman museum.JPG|Griechisch-Römisches Museum واجهه مسرح سيد درويش بالأسكندرية.jpg|Theater Alexandria, Egypt (24446626448).jpg|Abu-l-Abbas-al-Mursi-Moschee AlexMarkCathedralFront.jpg|Koptisch-orthodoxe St.-Markus-Kathedrale Eliyahu-Hanavi-Synagogue.jpg|Eliyahu-Ha'Navi-Synagoge Aleksandria raamatukogu IMG 0119.JPG|Planetarium neben der Bibliothek
In Ost-Alexandria befindet sich die Qāitbāy-Zitadelle, eine der wenigen verbliebenen Zitadellen in der Stadt aus dem 15. Jahrhundert.
* Montaza Royal Gardens * Fantazy Land (geschlossen) * Mamoura Beach, Alexandria
In den zahlreichen Moscheen der Stadt, die teilweise auf antiken Ruinen stehen, sind historische Bauelemente wie römische Wandfliesen integriert worden. Der bedeutendste Sakralbau ist die Abu-l-Abbas-al-Mursi-Moschee. * Moscheen (Auswahl): ** El-Qayid-Ibrahim-Moschee ** Attarin-Moschee, gilt als einer ältesten Moscheen Alexandrias. Sie war ursprünglich eine Kirche des hl. Athanasius aus dem Jahr 370, die zur Moschee umgebaut wurde. * Kirchen (Auswahl): ** Römisch-katholische (lateinische) St.-Katharinen-Kathedrale ** Griechisch-orthodoxe Kathedrale Evangelismos ** Griechisch-orthodoxes Kloster St. Saba ** Koptisch-orthodoxe Kathedrale St. Mark ** Eliyahu-Hanavi-Synagoge, Nabi Daniel Straeet ** Synagoge Menasce, Mancheya Place Ahmed Orabi (ursprünglich Jardins Français). Die Synagoge wurde nach dem Bankier Bohor Levi de Menasce benannt, Gründer der Sociéte Anonyme des Immeubles d'Égypte und Bauherr der Passage Menasce. ** Synagoge Eliahou Hazan, Rue Belzoni 6. Die Synagoge wurde nach Bechor Eliahou Hazan benannt, der Oberrabbiner Alexandrias von 1888 bis 1908 war. Die Synagoge wurde 1937 eingeweiht und 1958 geschlossen. 1995 wurde die Synagoge abgebrochen. ** Synagoge Green, Moharrem bey * Deutsche Seemannsmission
* Katakomben von Kom esch-Schuqafa * Jüdischer Friedhof Jüdischer Friedhof, Alexandria, Ägypten.jpg Jüdischer Friedhof (2), Alexandria, Ägypten.jpg
* Einkaufsgalerie passage Menasce erbaut nach dem Vorbild der Galleria Vittorio Emanuele II (Antonio Lasciac 1883–1887). nach einem der Gründer der Sociéte Anonyme des Immeubles d'Égypte benannt, dem auch das Grundstück gehörte – dem Bankier Bohor Levi de Menasce. Der Bau wurde als das eleganteste Haus beschrieben, das allen Ansprüchen moderner Lebensart genügte („as most elegant and included all the desirables convenences of modern living“). Das große italienische Geschäftshaus („grand commercial Italian building“) in der ägyptischen Stadt wurde nach Entwürfen des italienischen Architekten Antonio Lasciac von 1883 bis 1887 im neubarocken Eklektizismus * Einkaufsgalerie Okalle Monferrato * Museum der Juwelen der königlichen Familie * Raʾs-at-Tīn-Palast * Palais d’Antoniadis * Goethe-Institut Alexandria, ehemalige Villa der jüdischen Familie des Max Rolo ( Immeuble Rolo, Max Edrei zusammen mit dem Bau-Ing. Ferdinand J.Debbane), in der Sharia Batalsa Nr. 10 (früher Rue des Ptolémées), 1926. * Bourse Toussoun, ehemaliger Sitz des Club Khédivial Alex 2015 00 (111).JPG 26 El Gorfa El Togaria Street.jpg Alex 2015 00 (23).JPG Wohngebäude im Nordwesten des Tahrir-Platzes, Alexandria, Ägypten.jpg Wohngebäude in der El Nabi Danial Street, Alexandria, Ägypten.jpg Oldest fish market gate.jpg|Altes Fischmarkttor.
* (Ahmed)-Orabi-Platz (Manscheya-Platz) * Saad-Zaghlul-Platz * Tahrir-Platz (früher Mohamed-Ali-Platz, ursprünglich Place des Consuls) * Ahmed-Zewail-Platz Midan MohamedAli Alexandria.jpg Alexandrie. Place des Consuls. (n.d.) - front - TIMEA.jpg Alexandrie la Bourse 1900.jpg Flickr - dlisbona - Cosmopolitan Alexandria - from the collection of Dr. Awad.jpg Alexandrie Rue Cherif Pacha.jpg The Rue Cherif Pasha, Alexandria (1906) - TIMEA.jpg Alexandria, Rue Cherif Pacha um 1903.jpg Flickr - dlisbona - 1927 photograph of Alexandria.jpg
Alexandria ist nach Kairo der zweitwichtigste Industriestandort Ägyptens. Bedeutende Industriezweige sind die Textil-, Kraftfahrzeug-, chemische, petrochemische und Nahrungsmittelindustrie. Über den Hafen Alexandrias werden drei Viertel des ägyptischen Exports abgewickelt. Darüber hinaus ist die Stadt ein wichtiges Seebad. Die Hochschulen von Alexandria sind die Alexandria-Universität, Senghor-Universität und die Arabische Akademie für Wissenschaft, Technologie und Seetransport.
Zwei Autobahnen verbinden die Stadt mit Kairo. Eisenbahnlinien führen nach Kairo, Marsa Matruh und Port Said. Alexandria verfügt über zwei Flughäfen: Der Flughafen Alexandria El Nouzha (ALY) ist seit Dezember 2011 wegen Renovierungsarbeiten geschlossen; der kleinere, aber modernere Flughafen Burg al-ʿArab (HBE) besteht im gleichnamigen westlichen Vorort für nationale und internationale Flüge und bedient jetzt den Großraum Alexandria. Von Alexandria führt eine rege genutzte Eisenbahnlinie via Tanta nach Kairo. Der öffentliche Personennahverkehr in Alexandria wird im Wesentlichen von Vorortbahnen und einem ausgedehnten Straßenbahnnetz getragen. Die Straßenbahnen werden von der Gesellschaft A.P.T.A. betrieben und unterteilen sich in ein innerstädtisches (City line) und ein Vorortverkehrsnetz (Ramleh line). Des Weiteren wird der Nahverkehr von dieselgetriebenen und CNG (Gas) Linienbussen, privaten Minibussen und Sammeltaxis bewältigt, die sich die Fahrstreifen mit dem Individualverkehr teilen.
* , Türkei, seit 1996. Zudem ist Alexandria als einzige außereuropäische Stadt Mitglied des Bundes der europäischen Napoleonstädte.
* Achilleus Tatios, griechischer Lyriker * Ailios Herodianos, griechischer Grammatiker * Flavius Anthemius Isidorus, römischer Konsul * Apollonios Dyskolos, griechischer Grammatiker * Appianus, römischer Historiker * Athanasius der Große, Bischof von Alexandria in Ägypten * Didymus der Blinde, antiker christlicher Schriftsteller * Dionysios Thrax, griechischer Grammatiker * Euklid, griechischer Mathematiker * Hephaistion von Theben, Astrologe * Heron von Alexandria, Mathematiker und Ingenieur * Hypatia, Philosophin * Katharina von Alexandrien, christliche Legendenfigur * Kleopatra VII., letzte ptolemäische Königin Ägyptens * Ktesibios, Techniker, Erfinder und Mathematiker * Kyrill von Alexandria, Patriarch von Alexandria (412–444) * Maria von Ägypten, Prostituierte, Einsiedlerin, Heilige († 430) * Origenes, Kirchenvater, christlicher Gelehrter und Theologe * Pappos, griechischer Mathematiker
* Nubar Pascha (1825–1899), Politiker und Philanthrop * Henry Siddons Mowbray (1858–1928), Maler * Konstantinos Kavafis (1863–1933), griechischer Dichter * Abbas II. (1874–1944), letzter Khedive (türkischer Vizekönig) von Ägypten * Filippo Tommaso Marinetti (1876–1944), italienischer Dichter * Adrian Daninos (1887–1976), griechisch-ägyptischer Ingenieur und Planer des Assuan-Staudamms * Georges Hanna Sabbagh (1887–1951), ägyptisch-französischer Maler * Giuseppe Ungaretti (1888–1970), italienischer Schriftsteller * Andreas Asimakopoulos (1889–?), griechischer Schwimmer und Wasserballspieler * Schafiq Gharbal (1894–1961), Historiker * Rudolf Heß (1894–1987), deutscher nationalsozialistischer Politiker * Nazli Sabri (1894–1978), ägyptische Königin * Joseph Misrahi (1895–1975), Fechter * Krikor Agathon (1900–1979), Sportschütze und Fechter * Hassan Fathy (1900–1989), Architekt * Jean de Menasce (1902–1973), Dominikaner, Priester und Orientalist * Dionysios Vasilopoulos (1902–1964), griechischer Schwimmer und Wasserballspieler * Georges Anawati (1905–1994), Dominikaner, Priester und Islamwissenschaftler * Georges Schehadé (1905–1989), libanesischer Dichter und Dramatiker * Harald Mors (1910–2001), deutscher Offizier * Eugénie Mousny (1911–2011), Schweizer Radiomoderatorin * Ibrahim Orabi (1911–1957), Ringer * Roberto Curcio (1912–1992), italienischer Moderner Fünfkämpfer * Ibram Lassaw (1913–2003), US-amerikanischer Bildhauer und Maler russischer Abstammung * Anwar Misbah (1913–1998), Gewichtheber * Johannes Eppler (1914–1999), deutscher Offizier im Dienst der Abwehr * André Hakim (1915–1980), ägyptisch-französisch-amerikanischer Filmproduzent * Wenzu Gabaretta (1917–2000), maltesischer Fußballspieler * Eric Hobsbawm (1917–2012), britischer Historiker * Ibrahim Shams (1917–2001), Gewichtheber * Anwar Abdel Aleem (1918–1996), Meeresbiologe * Gamal Abdel Nasser (1918–1970), Politiker, Gründer der Republik Ägypten * Fausia von Ägypten (1921–2013), persische Kaiserin * Fawzi El Fakharani (1921–2004), Archäologe * Mustafa bin Halim (1921–2021), Premierminister von Libyen * Abdel Rahman Hafez (1923–1984), Basketballspieler * Eli Cohen (1924–1965), israelischer Spion * Arturo Schwarz (1924–2021), italienischer Kunsthistoriker, Schriftsteller und Kurator * Youssef Chahine (1926–2008), Filmregisseur * Edwar al-Charrat (1926–2015), Schriftsteller und Übersetzer * Tewfik Saleh (1926–2013), Filmregisseur und Drehbuchautor * Abdel Aal Rashid (* 1927), Ringer * Abdellatif Abuhif (1929–2008), Freiwasserschwimmer * Alexandre Lagoya (1929–1999), französischer klassischer Gitarrist * Ebtehag Becheir (* 1930), deutsch-ägyptische Malerin * Osman El-Sayed (1930–2013), Ringer * Ahmed Morsi (* 1930), Maler und Dichter * Moshé Mizrahi (1931–2018), israelischer Filmregisseur und Drehbuchautor * Henri Boulad (1931–2023), Jesuit, Mystiker und Buchautor * Omar Sharif (1932–2015), Schauspieler * Ragai Youssef Farhat (* 1932), Turner * Youssef Dawood (1933–2012), Theater-, Filmschauspieler und Synchronsprecher * John Mark Jabalé (1933–2025), britischer Ordensgeistlicher, Bischof von Menevia * Kimon Lycos (1933–1995), australischer Philosoph und Philosophiehistoriker griechischer Herkunft * Georges Moustaki (1934–2013), französischer Sänger und Lyriker * Werschine Swasljan (* 1934), sowjetische bzw. armenische Ethnographin * David Stein (1935–1999), französischer Maler, Kunsthändler und -fälscher * Jeannette Pilou (1937–2020), italienische Opernsängerin * Michael Dames (* 1938), britischer Geograf, Archäologe und Landschaftsmythologe * Sherif Hassan (1939–2020), Phytomediziner des Biologischen Pflanzenschutzes * Haim Saban (* 1944), einer der reichsten Medienunternehmer der Welt * Demetrio Stratos (1945–1979), griechischer Dichter, Instrumentalist und Sänger * Demis Roussos (1946–2015), griechischer Sänger * Aly Abdel Aziz (* 1947), Squashspieler * Mohammed Awad (* 1949), Squashspieler * Ronny Abraham (* 1951), Richter am Internationalen Gerichtshof in Den Haag * André Aciman (* 1951), amerikanischer Schriftsteller * Generoso Pompa (* 1952), italienischer Maler * Bernard Dacorogna (* 1953), Schweizer Mathematiker und Professor * Grégoire Solotareff (* 1953), französischer Autor und Illustrator von Kinderbüchern * Dodi Al-Fayed (1955–1997), Millionärssohn * Gamal Awad (1955–2004), Squashspieler * Gabriel Aghion (* 1955), französischer Regisseur und Drehbuchautor * Mohamed Ali Rashwan (* 1956), Judoka * Abu Hamza al-Masri (* 1958), fundamentalistischer islamischer Prediger * Minouche Shafik (* 1962), Wirtschaftswissenschaftlerin * Khaled El-Sawi (* 1963), Schauspieler, Dramatiker und Film- sowie Theaterregisseur * Alain Attallah (* 1964), ägyptisch-griechischer Basketballspieler und -trainer * Usama al-Azhari (* 1976), ägyptischer Politiker und Islamgelehrter * Marwa El-Sherbini (1977–2009), Handballspielerin und Rassismusopfer in Deutschland * Ayten Amin (* 1978), Drehbuchautorin und Filmregisseurin * Karam Ibrahim (* 1979), Olympiasieger im Ringen * Ahmed Maher (* 1980), einer der Gründer der Jugendbewegung des 6. April und prominenter Teilnehmer der Revolution in Ägypten 2011 * Adolf El Assal (* 1981), luxemburgischer Filmemacher, Filmproduzent und Drehbuchautor ägyptischer Abstammung * Engy Kheirallah (* 1981), Squashspielerin * Tamer Bayoumi (* 1982), Taekwondoin * Amr Mansi (* 1982), Squashspieler * Hesham Mesbah (* 1982), Judoka * Amnah El Trabolsy (* 1985), Squashspielerin * Mohamed Fathalla Difallah (* 1987), Weitspringer * Raneem El Weleily (* 1989), Squashspielerin * Ali Gabr (* 1989), Fußballspieler * Alaaeldin Abouelkassem (* 1990), Fechter * Mohamed Elshorbagy (* 1991), Squashspieler * Heba El Torky (* 1991), Squashspielerin * Karim Abdel Gawad (* 1991), Squashspieler * Mohamed Elsherbini (* 1992), Squashspieler * Nouran El Torky (* 1992), Squashspielerin * Zahed Salem (* 1992), Squashspieler * Marwan Elshorbagy (* 1993), Squashspieler * Amr Warda (* 1993), Fußballspieler * Aya Majdi (* 1994), katarische Tischtennisspielerin * Nour El Sherbini (* 1995), Squashspielerin * Salma Hany (* 1996), Squashspielerin * Mariam Metwally (* 1996), Squashspielerin * Hana Ramadan (* 1997), Squashspielerin * Mohamed Ibrahim El-Sayed (* 1998), Ringer * Zeina Mickawy (* 1998), Squashspielerin * Shady El Nahas (* 1998), kanadischer Judoka * Habiba Mohamed (* 1999), Squashspieler * Rowan Elaraby (* 2000), Squashspielerin * Aly Abou Eleinen (* 2000), Squashspieler * Bassem Hemeida (* 2000), katarischer Leichtathlet * Nour Heikal (* 2003), Squashspielerin * Fayrouz Aboelkheir (* 2004), Squashspielerin * Malak Khafagy (* 2004), Squashspielerin * Menna Walid (* 2004), Squashspielerin * Zeina Zein (* 2004), Squashspielerin * Habiba Hani (* 2005), Squashspielerin * Mohamad Zakaria (* 2007), Squashspieler
* Hatto H. Schmitt: Alexandreia. In: Hatto H. Schmitt, Ernst Vogt (Hrsg.): Kleines Lexikon des Hellenismus. 2. Auflage. Harrassowitz, Wiesbaden 1993, ISBN 3-447-03278-2, S. 55 f. * Joachim Sartorius: Alexandria – Fata Morgana. Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart / München 2001, ISBN 3-421-05497-5. * Manfred Clauss: Alexandria. Schicksale einer antiken Weltstadt. Klett-Cotta, Stuttgart 2003, ISBN 3-608-94329-3. * Stefan Rebenich: Alexandria. Die Stadt (jenseits) der Bibliothek. In: Karl-Joachim Hölkeskamp, Elke Stein-Hölkeskamp (Hrsg.): Erinnerungsorte der Antike. Die griechische Welt. Beck, München 2010, ISBN 978-3-406-60496-6, S. 170–185. * Islam Issa: Alexandria: The city that changed the world. Pegasus Books, New York 2024, ISBN 978-1-63936-545-6.
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Anne Haigis
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Anne Haigis (* 9. Dezember 1955 in Rottweil) ist eine deutsche Musikerin und Sängerin.
Haigis veröffentlichte Anfang der 1980er-Jahre einige jazzorientierte Alben mit englischen Texten bei dem Musiklabel Mood Records. Anschließend hatte sie ihre kommerziell erfolgreichste Phase mit deutschsprachigen Songs, mit denen sie unter anderem in mehreren Fernsehshows auftrat. 1986 sang sie unentgeltlich beim Anti-WAAhnsinns-Festival gegen die geplante Wiederaufarbeitungsanlage Wackersdorf. In den 1990er-Jahren wandelte sie ihr Repertoire hin zu mehr englischsprachigen Liedern. Bei Auftritten in Los Angeles und Nashville stand sie an der Seite von Nils Lofgren und Melissa Etheridge auf der Bühne. Anne Haigis steht bei Westpark Music unter Vertrag. Sie lebt in Bonn.
* 1981: For Here Where the Life Is * 1982: Truth (mit Wolfgang Schmid) * 1985: Laß mich fallen wie Schnee * 1987: Geheime Zeichen * 1997: Dancing in the Fire * 2001: …in deutsch (Best-of-Album) * 2004: Das Beste in deutsch 2 * 2005: 8:00 pm – im duo live * 2007: Good Day for the Blues * 2015: 15 Companions
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Astrophysik
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Die Astrophysik befasst sich mit den physikalischen Grundlagen der Erforschung von Himmelserscheinungen und ist ein Teilgebiet der Astronomie. Als Erweiterung der klassischen Astronomie (vor allem aus Astrometrie und Himmelsmechanik bestehend) macht sie heute große Bereiche der astronomischen Forschung aus.
Viele Historiker datieren den Beginn der Verschmelzung von Astronomie und Physik auf den Anfang des 17. Jahrhunderts, genauer auf die Entdeckung der Keplerschen Gesetze. Einer der Ersten, der offensichtlich der Überzeugung war, dass Johannes Kepler der erste Astrophysiker gewesen sei, war sein langjähriger Lehrmeister und Freund Michael Mästlin. In einem Brief an Kepler schrieb er: „Ich denke man sollte physikalische Ursachen ausser Betracht lassen, und sollte versuchen astronomische Fragen nur nach dem astronomischen Verfahren mit Hilfe von astronomischen, nicht physikalischen, Ursachen und Hypothesen zu erklären. Das heißt, die Berechnungen verlangen eine astronomische Basis im Bereich der Geometrie und Arithmetik.“ Sowohl Kepler als auch Galileo Galilei haben sich intensiv mit den Arbeiten von William Gilbert, einem Arzt und Physiker im England des 17. Jahrhunderts befasst. Gilbert unterschied als Erster eindeutig zwischen Magnetismus und statischer Elektrizität, er untersuchte die elektrische Aufladung an vielen Substanzen und war überzeugt, dass die Erde insgesamt als ein einziger Magnet mit zwei Polen angesehen werden muss. Nach seiner Vorstellung war der Magnetismus die „Seele“ der Erde – woraus er eine ganze „magnetische Philosophie“ entwickelte. Von vielen Wissenschaftlern der damaligen Zeit wurden die Entdeckungen von Kepler, Galileo und Gilbert allerdings nicht ernst genommen. Dies führte zu einer Vernachlässigung ihrer Arbeiten und letztlich dazu, dass noch zwei weitere Jahrhunderte vergehen sollten, bis die alchemistischen Ansichten verlassen wurden. Die tatsächliche Geburtsstunde der Astrophysik wird heute von vielen Naturwissenschaftlern mit der Bestätigung des kopernikanischen Weltbilds durch Friedrich Wilhelm Bessel und Thomas James Henderson sowie Friedrich Georg Wilhelm Struve im Jahr 1838 mittels der ersten Messungen zu trigonometrischen Sternparallaxen angegeben. Die Sternphotometrie, also die Messung der scheinbaren Helligkeit der Sterne, und die beinahe parallel dazu entwickelte Spektrumanalyse durch Joseph von Fraunhofer, Gustav Robert Kirchhoff und Robert Wilhelm Bunsen bildeten ebenfalls einen Teil der Basis jener Wissenschaft, die heute als Astrophysik bekannt ist. Bereits 1814 entdeckte Fraunhofer dunkle Linien im Spektrum der Sonne, die Fraunhoferlinien, ohne allerdings ihren Ursprung erklären zu können.
Die Feststellungen von Kirchhoff und Bunsen führten schlussendlich zu einer sofortigen Anwendung der neu gewonnenen Technologien durch Astronomen in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Bereits 1863 wurden durch Angelo Secchi Studien basierend auf den Erkenntnissen von Kirchhoff und Bunsen veröffentlicht. Auch zwei heute sehr bekannte Astronomen nahmen sich deren Studien an und veröffentlichten in diesem Zeitraum bahnbrechende Arbeiten zur Thematik der Astrophysik: Lewis Morris Rutherfurd aus New York und William Huggins aus London. Bei einer Sonnenfinsternis in Indien am 18. August 1868 entdeckte Pierre Janssen in der Korona der Sonne mit Hilfe der chemischen Beobachtung durch Spektralanalyse ein (damals) noch nicht bekanntes Element: Helium. Viele bekannte Wissenschaftler setzten sich im Laufe der nächsten Jahre mit wesentlicher physikalischer Grundlagenforschung auseinander und leisteten somit interdisziplinäre Grundlagenforschung für die heute existierende Astrophysik. In seinem Buch Über die Erhaltung der Kraft (1847) formulierte Hermann von Helmholtz den Energieerhaltungssatz detaillierter als Julius Robert von Mayer es 1842 getan hatte und trug so wesentlich zur Anerkennung dieses zunächst sehr umstrittenen Prinzips bei. Damit erbrachte Helmholtz die Grundsätze für die Gravitationsenergie. Antoine Henri Becquerel, der Entdecker der Radioaktivität, legte 1896 den Grundstein für die Messung des Zerfalls von Isotopen. George Howard Darwin, Sohn von Charles Darwin, untersuchte ab 1882 den Effekt der Gezeiten auf das Sonnensystem mit mathematischen Methoden und wurde zu einem anerkannten Experten auf diesem Gebiet. John Joly schlug 1899 eine Methode vor, das Alter der Erde aus dem Natriumgehalt der Ozeane zu bestimmen, aus der Idee heraus, dass dessen Konzentration durch Erosion an Land stetig zunehmen würde. Er schätzte das Alter der Erde danach auf 80 bis 100 Millionen Jahre. 1903 schlug er eine bessere Methode vor, die Abschätzung des Erdzeitalters aus dem radioaktiven Zerfall von Radium (in einem Nature-Artikel). 1907 maß Bertram Boltwood das Alter von Gesteinen durch den radioaktiven Zerfall von Uran zu Blei (Uran-Blei-Datierung).
* Physikalische Kosmologie (Kosmogonie, Entstehungsgeschichte des Universums) * Entstehung und Evolution von Sternen * Astroteilchenphysik * Kosmochemie (chemische Evolution der Elemente) und Nukleosynthese * Gravitationsdynamik (Entstehung und Entwicklung von Galaxien) * Entstehung und Evolution von Planetensystemen (Exoplaneten, Planemos, Braune Zwerge)
Die Theoretische Astrophysik versucht, anhand von Modellen Himmelserscheinungen vorauszusagen oder nachzubilden. Viele astrophysikalische Prozesse lassen sich durch partielle Differentialgleichungen beschreiben, für die nur in Ausnahmesituationen eine exakte analytische Lösung gefunden werden kann. Eine weit verbreitete Methode in der Astrophysik sind daher numerische Berechnungen (Numerik) und Simulationen, die mit einem üblichen PC (2008) Tage bis Wochen dauern würden. In der Praxis wird daher oft auf Supercomputer oder Cluster zurückgegriffen. Die so gewonnenen Resultate vergleicht man mit Beobachtungen und überprüft, ob sie übereinstimmen. Die Theoretische Astrophysik beschäftigt sich unter anderem mit der Allgemeinen Relativitätstheorie, dem Sternaufbau, dem Strahlungstransport, und der Formation von Sternen und Magnetohydrodynamik.
, planetarischer Nebel Die wichtigste Methode ist dabei die Spektralanalyse der elektromagnetischen Strahlung, wobei sich der Beobachtungsbereich von langwelligen Radiowellen (Radioastronomie) bis zu kurzwelligen und damit hochenergetischen Gammastrahlen über etwa 20 Zehnerpotenzen erstreckt. Von der Erde aus können außer sichtbarem Licht die Frequenzbereiche von Radiowellen und einige Teile des Infrarotbereichs beobachtet werden. Der größte Teil des infraroten Lichts, ultraviolettes Licht, sowie Röntgenstrahlung und Gammastrahlung können nur von Satelliten aus beobachtet werden, da die Erdatmosphäre als Filter wirkt. Klassifiziert man Sterne nach Spektralklassen und Leuchtkraftklassen, können sie in ein Hertzsprung-Russell-Diagramm (HRD) eingetragen werden. Die Lage im HRD legt fast alle physikalischen Eigenschaften des Sterns fest. Zur Entfernungsbestimmung kann man das Farben-Helligkeits-Diagramm (FHD) benutzen. Daneben interessieren sich Astrophysiker auch für den kosmischen Strahlungshintergrund.
Lange Zeit kannte die Astrophysik so gut wie keine Laborexperimente. Die Entwicklung neuer, leistungsfähiger Teleskope ab der Jahrtausendwende führte aber letztlich zum Entstehen des Teilgebiets der Laborastrophysik. Diese erzeugt und untersucht bislang unbekannte Moleküle. Auf Grundlage der im Labor gewonnenen Spektrogramme und mithilfe großer Radioteleskope lassen sich diese Moleküle dann in interstellaren Gaswolken nachweisen. Dadurch wiederum lässt sich auf chemische Prozesse rückschließen, die dort etwa bei Sternengeburten stattfinden. Laborastrophysikalische Forschergruppen gibt es weltweit nur rund 20, in Deutschland an der Universität Kassel, der Friedrich-Schiller-Universität Jena und der Universität zu Köln. Des Weiteren gibt es Labore, die sich mit der Entstehung von Planeten befassen, wie die Universität Braunschweig und die Universität Duisburg-Essen. Neben Simulationen an Computern zur Kollision und Wachstum von Staubpartikeln werden hier auch einige Laborexperimente durchgeführt, die unter anderem dann auch in Schwerelosigkeit fortgeführt werden.
Die Astrophysik ist prinzipiell auf Beobachtungen und Messungen angewiesen, denn konstruierte Experimente sind wegen der Größe der Forschungsobjekte und der Nichtreproduzierbarkeit einmaliger kosmologischer Ereignisse (Urknall) ausgeschlossen. Viele dieser Messungen haben aufgrund ihrer Kleinheit (z. B. Objektgrößen oder Winkelabstände) einen großen relativen Fehler. Daraus indirekt bestimmte Größen (z. B. Sternmassen, -alter oder -entfernungen) sind dementsprechend mit hohen Ungenauigkeiten verbunden. Bei anderen Messungen, wie z. B. Spektroskopie der Sternatmosphären oder Radar-Messungen zum Mond oder im Vorbeiflug an Objekten, oder durch statistische Methoden (viele unabhängige Messungen) lassen sich jedoch auch hohe Genauigkeiten erreichen. Trotz dieser grundsätzlichen Verschiedenheit zu allen anderen physikalischen Teildisziplinen nutzen Astrophysiker Methoden und Gesetzmäßigkeiten aus anderen Gebieten der Physik, insbesondere aus der Kern- und Teilchenphysik (etwa Detektoren zur Messung bestimmter Teilchen bei bestimmten Energien) oder beginnen, die Nukleare Astrophysik zu entwickeln. In der Theoretischen Astrophysik hingegen ist die Anlehnung an die Plasmaphysik besonders eng, da sich viele astronomische Erscheinungen wie etwa Sternenatmosphären oder Materiewolken in guter Näherung als Plasmen beschreiben lassen. Die Astrophysik, insbesondere die Theoretische Astrophysik, greift auch oft auf Methoden der Statistischen Mechanik beziehungsweise der Thermodynamik zurück. Auch spielt die Quantenmechanik eine wichtige Rolle.
* Geschichte der Astronomie * Geschichte der Astronomie und Astrophysik in der Antarktis
* Arnold Hanslmeier: Einführung in Astronomie und Astrophysik. Spektrum, Akad. Verlag, Berlin 2007, ISBN 978-3-8274-1846-3. * Albrecht Unsöld, Bodo Baschek: Der neue Kosmos - Einführung in die Astronomie und Astrophysik. Springer, Berlin 2005, ISBN 3-540-42177-7. * Karl-Heinz Spatschek: Astrophysik - eine Einführung in Theorie und Grundlagen. Teubner, Stuttgart 2003, ISBN 3-519-00452-6. * Bradley W. Carroll, Dale A. Ostlie: An introduction to modern astrophysics. Pearson Addison-Wesley, San Francisco 2007, ISBN 978-0-8053-0402-2. * Hale Bradt: Astrophysics processes - the physics of astronomical processes. Cambridge Univ. Press, Cambridge 2008, ISBN 978-0-521-84656-1. * Donald H. Perkins: Particle astrophysics. Oxford Univ. Press, Oxford 2008, ISBN 978-0-19-954545-2. * Mario Livio: Astrophysics of life. Cambridge Univ. Press, Cambridge 2005, ISBN 0-521-82490-7. * Christiaan Sterken, John B. Hearnshaw: 100 years of observational astronomy and astrophysics - a collection of papers on the history of observational astrophysics. Univ. of Brussel, Brussel 1999, ISBN 90-805538-3-2.
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Arbeitskampf
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Arbeitskampf ist ein Sammelbegriff aus dem kollektiven Arbeitsrecht und bezeichnet die Ausübung kollektiven Drucks durch Streiks, Aussperrungen von Arbeitnehmer- oder Arbeitgeberseite oder Boykotte zur Regelung von Interessenkonflikten bei der Aushandlung von Löhnen und anderen Arbeitsbedingungen. Arbeitskampf ist nach Nipperdey „die von den Parteien des Arbeitslebens vorgenommene Störung des Arbeitsfriedens, um durch Druck ein bestimmtes Ziel oder Fernziel zu erreichen.“
Der erste dokumentarisch belegte Arbeitskampf in der Geschichte ereignete sich bereits vor über 3000 Jahren in den Totenstädten der Pharaonen als der Lohn nicht gezahlt wurde. Michael Kittner wird dazu wie folgt zitiert:Ihre Aktion hatte ganz und gar nichts mit ungeordneter Rebellion zu tun. Das hing offenkundig mit dem Bewusstsein zusammen, sich mit den Forderungen nach Lohn in einem Rahmen fundamentaler Legitimität zu bewegen.In den Zeiten der Zunftwirtschaft waren die Arbeitsverhältnisse durch Zunftordnungen geregelt. Im Spätmittelalter verbanden sich Gesellen und Knechte zu Gesellenschaften zusammen, um ihre Rechte geltend zu machen. Aus dieser Zeit ist der Beschluss der Breslauer Gürtler aus dem Jahr 1329 bekannt, die für ein Jahr bei keinem Breslauer Gürtlermeister Dienste erbringen wollten. Die Meister wiederum beschlossen, keinen der an dieser Diensteverweigerung Beteiligten wieder in ihre Dienste zu nehmen. Der schon zu seiner Zeit Aufsehen erregende Schlesische Weberaufstand von 1844 reiht sich in die sozialen Kämpfe seiner Zeit genauso ein wie die Maschinenstürmer mit ihrer speziellen Ausprägung des Luddismus in England. In der Folge wurde in Preußen durch die Allgemeine Gewerbeordnung von 1845 in § 182 "die Einstellung der Arbeit oder die Verhinderung derselben" unter Strafe bis zu einem Jahr gestellt. 1869 wurden durch § 152 der Gewerbeordnung des Norddeutschen Bundes alle Strafbestimmungen aufgehoben, die "Vereinigungen zum Behufe der Erlangung günstiger Lohn und Arbeitsbedingungen, insbesondere mittels Einstellung der Arbeit oder Entlassung der Arbeiter" verboten. Der 1. Mai 1886 begann in Chicago, Illinois, mit einer Versammlung, auf der der Journalist August Spies von der Chicagoer Arbeiter-Zeitung eine Rede hielt, ein von den Gewerkschaften organisierter Streik, der auf die Reduzierung der täglichen Arbeitszeit von zwölf auf acht Stunden zielte. Im Verlauf der mehrtägigen Auseinandersetzungen kommt es zum Haymarket Riot, bei dem mehrere Menschen sterben. Dieses Ereignis wird zum Bezugsdatum für den Tag der Arbeit.
Der Streik ist die wichtigste Form des Arbeitskampfes der Arbeitnehmer. Daneben hat Hans Matthöfer eine breite Skala von streikähnlichen Formen des verdeckten und offenen Arbeitskampfes beschrieben: u. a. Leistungszurückhaltung („Bremsen“), Bummelstreik, stiller Boykott, Käuferstreik, spontane Arbeitsniederlegung, Sitzstreik.
Gewerkschaften bestreiken in der Regel solche Betriebe, deren Beschäftigte in hohem Maße gewerkschaftlich organisiert sind, um zu verhindern, dass eine größere Zahl von Unorganisierten als Streikbrecher auftreten und die Produktion aufrechterhalten. Während eines Streiks muss der Arbeitgeber nach dem Grundsatz „ohne Arbeit kein Lohn“ keinen Lohn zahlen. Die Gewerkschaft zahlt ihren Mitgliedern daher Unterstützungsleistungen aus der Streikkasse. Der Staat hat im Arbeitskampf seine Neutralität zu wahren (siehe Tarifautonomie), er darf folglich an Streikende und Ausgesperrte kein Arbeitslosengeld zahlen, auch wenn diese keine Unterstützung durch die Gewerkschaft beziehen. Der Arbeitsvertrag wird für die Zeit des Arbeitskampfes nicht aufgehoben, sondern lediglich suspendiert, das heißt, es besteht für beide Parteien keine Leistungspflicht. Die Entscheidung eines Unternehmens, sich an einer Aussperrung seines Arbeitgeberverbandes zu beteiligen, hängt von seiner Verbandsloyalität ab, die dort ihre Grenze finden wird, wo die wirtschaftliche Existenz auf dem Spiel steht. Für die Gewerkschaft hängen die Erfolgsaussichten eines Arbeitskampfes wesentlich von der Auftragslage der Unternehmen, der Arbeitsmarktlage und der Kompromissbereitschaft auf der Arbeitgeberseite ab. Bei starker Produktionsauslastung und stabiler Nachfrage scheuen Unternehmen insbesondere längere Arbeitskämpfe. Je knapper qualifizierte Arbeit ist, desto besser stehen die Chancen für die Arbeitnehmerseite und umgekehrt.
Die Zulässigkeit des Arbeitskampfs regelt das Arbeitskampfrecht und ist national geregelt.
Weitere Möglichkeiten des Arbeitskampfs auf Seiten der Arbeitnehmer sind die Blockade nichtbestreikter Betriebe, Demonstrationen und der Aufruf an die Kunden des Betriebs, diesen zu boykottieren. Ist ein Streik nicht möglich oder strategisch inopportun, können Arbeitnehmer auch Dienst nach Vorschrift, den sog. „Bummelstreik“ ableisten. Auch Arbeitgeber haben erweiterte Kampfmittel zur Verfügung. Sie können einem Streik mit der Aussperrung begegnen, die nach deutschem Arbeitsrecht – wie der Streik – unter dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit steht, das heißt, ein begrenzter Streik darf nicht mit einer Totalaussperrung beantwortet werden. Als weiteres Kampfmittel verfügen Arbeitgeber über die Möglichkeit der sog. „kalten Aussperrung“. Sie können in der Konsequenz eines Streiks, der sie nicht unmittelbar betrifft, Arbeitnehmer mit der Begründung zeitweilig entlassen, dass ausbleibende Zulieferungen aus bestreikten Unternehmen die Produktion in ihren Betrieben stilllegen. Derart „kalt Ausgesperrte“ haben unter bestimmten Voraussetzungen einen Anspruch auf Kurzarbeitergeld.
* Streik: Zur Geschichte des Arbeitskampfes in Deutschland während der Industrialisierung. Hrsg., Klaus Tenfelde und Heinrich Volkmann, C.H.Beck, München 1981, ISBN 3 406 08130 4. * Peter Berg, Helmut Platow, Christian Schoof, Hermann Unterhinninghofen: Tarifvertrags- und Arbeitskampfrecht. Kompaktkommentar, Bund-Verlag, 3. Aufl. Frankfurt 2010, ISBN 978-3-7663-3996-6 * Michael Kittner: Arbeitskampf: Geschichte – Recht – Gegenwart. C. H. Beck, 1. Auflage, München 2005, ISBN 3-406-53580-1 * Hans Matthöfer: Streiks und streikähnliche Formen des Kampfes der Arbeitnehmer im Kapitalismus. In: Dieter Schneider (Hrsg.): Zur Theorie und Praxis des Streiks. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1971, S. 155–209. * Walther Müller-Jentsch: Streiks und Streikbewegungen in der Bundesrepublik 1950-1978. In: Joachim Bergmann (Hrsg.): Beiträge zur Soziologie der Gewerkschaften. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1979, ISBN 3518109057, S. 21–71. * Peter Renneberg: Handbuch Tarifpolitik und Arbeitskampf, VSA Verlag, Hamburg 2011. ISBN 978-3-89965-487-5. * Peter Renneberg: Die Arbeitskämpfe von morgen?, VSA – Verlag Hamburg 2005, ISBN 3-89965-127-8
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Asien
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Asien, Teil von Eurasien, ist mit rund 44,6 Millionen Quadratkilometern und etwa einem Drittel der gesamten Landmasse der nach Fläche und mit 4,75 Milliarden Menschen größte Erdteil. Der Fläche nach betrachtet gilt das auch dann, wenn man Amerika als Doppelkontinent betrachtet, welches auf gut 42,5 Millionen Quadratkilometer kommt. Es gibt 47 international anerkannte Staaten Asiens.
Das Wort „Asien“ geht über das lateinische Asia auf altgriechisch zurück. Die weitere Herkunft ist unklar. Angenommen wird meist eine Herkunft vom assyrischen . Der Name Asía würde demnach eine östliche Region benennen, die in der Richtung des Sonnenaufgangs liegt, und entspräche darin dem lateinischen Wort Orient oder dem deutschen „Morgenland“. In der griechischen Mythologie war Asia der Name einer Okeanide (oder auch Mutter einer solchen bei Hesiod), nach der die geographische Region benannt wurde. Die frühen Griechen nannten zunächst nur die Landmasse Kleinasiens Asien, woraus sich später auch der Name der römischen Provinz Asia ergab. Von Plinius dem Älteren (Naturalis historia, um 77 n. Chr.) wurde der Name dann auch auf den größeren Kontinent bezogen. Langfristig wurde so das alte Asia zu Asia minor.
Asien ist der größte Kontinent der Erde. Mit ca. 44,6 Millionen Quadratkilometer Fläche (ohne Russland 31,7 Millionen Quadratkilometer) umfasst er rund ein Drittel der gesamten Landmasse. Gemeinsam mit Europa wird Asien auch als Teil des Großkontinents Eurasien betrachtet. Die kontinentale Landmasse liegt ganz in der östlichen Hemisphäre und nördlich des Äquators mit Ausnahme der südöstlichsten Inseln im Malaiischen Archipel, die sich auf der Südhalbkugel der Erde befinden. Die Tschuktschen-Halbinsel in Ostsibirien liegt zwar östlich des 180. Längengrades, es gilt aber die östliche Zeit +12h.
Asien wird im Norden vom Arktischen Ozean, im Osten vom Pazifischen Ozean und im Süden vom Indischen Ozean begrenzt. Asien hat im Westen gegenüber Europa keine eindeutige geographische oder geologische Grenze. Die häufigste Definition der Grenze zu Europa von Nord nach Süd: das Ural-Gebirge, der Ural-Fluss, das Kaspische Meer, der Kaukasus bzw. die Manytschniederung, die Südküste des Schwarzen Meeres sowie der Bosporus, das Marmarameer und die Dardanellen. Von der Karasee bis zum Schwarzen Meer ist diese Grenze rund 2700 km lang. Mit Afrika ist Asien nördlich des Roten Meeres über die Halbinsel Sinai und die 120 Kilometer breite Landenge von Sues verbunden. Im Nordosten liegen die Festlandmassen von Asien und Nordamerika an der Beringstraße etwas mehr als 80 km voneinander entfernt. Im Südosten bildet der Malaiische Archipel die Verbindung zu Australien. Den südlichsten Punkt bildet die indonesische Insel Pamana. Der nördlichste Festlandspunkt Asiens und der Erde ist Kap Tscheljuskin auf der Taimyrhalbinsel (), der östlichste Punkt Kap Deschnjow auf der Tschuktschen-Halbinsel (). Von dort bis zum westlichsten Punkt Asiens, dem Kap Baba in Kleinasien (), sind es 8.223 km Luftlinie. Der südlichste Festlandspunkt des asiatischen Kontinents ist das Kap Tanjung Piai auf der Malaiischen Halbinsel ().
Zur regionalen Gliederung Asiens gibt es verschiedene Ansätze. Die folgende Unterteilung in Regionen wird neben anderen von der UN-Statistikbehörde UNSD verwendet. Diese Einteilung Asiens in Regionen durch die Vereinten Nationen geschieht ausschließlich aus statistischen Gründen und impliziert keine Annahme über politische oder sonstige Zugehörigkeiten der Länder und Gebiete. * Vorderasien (Westasien) In mancher Veröffentlichung werden diese Grenzen variiert, je nach Ziel, Thema und Hintergrund, für die eine Aufteilung verwendet wird. Früher war Afghanistan Zentralasien zugeordnet, jetzt zu Südasien. Darüber hinaus gibt es auch alternative bzw. zusätzliche Unterteilungen bzw. Überschneidungen, beispielsweise für Nordostasien.
Die wichtigsten Vegetationszonen oder Ökozonen (von Nord nach Süd): im Gebiet der Nenzen am Unterlauf des Jenissei * Baumlose Tundra nördlich des Polarkreises. Die wichtigsten Tiere für die nomadisch lebenden Bewohner wie diejenigen der Nenzen sind die Rentiere. * Wälder der gemäßigten Zone, darunter der boreale Nadelwald (Taiga) in Sibirien etwa zwischen Polarkreis und Verlauf der Transsibirischen Eisenbahn sowie Laubwälder etwa im Fernen Osten und im Gebiet des Kaspischen Meers. Die vielfältige Fauna hat (historische) Bedeutung für die Jagd, neben Ackerbau und der Viehzucht hat auch die Holznutzung Bedeutung. Hier leben z. B. die seltenen Amurtiger und Amurleoparden, dazu Hirsche, Wildschweine, Luchse und Bären. * Kontinentale Graslandschaften oder Steppen. Zu den Tierarten, die diese Steppen natürlicherweise bewohnen, zählen Wildpferde, Saiga-Antilopen, Mongoleigazellen, Wölfe und Ziesel. * Vegetationsarme, felsige Gebirgslandschaften und Wüstenlandschaften. Hochlandklima mit großen Tagestemperaturschwankungen und viel Sonnenschein. Die Gebirge werden von zahlreichen Gebirgsweidetieren wie Steinböcken, Goralen, Serauen und Wildschafen bevölkert. Der wichtigste Prädator der zentralasiatischen Gebirge ist der Schneeleopard. Die Wüstengebiete sind Heimat von Halbeseln, Wildkamelen, Geparden und Gazellen. * Tropische Savannengebiete und Trockenwälder, vorzugsweise auf dem Indischen Subkontinent, aber auch in Südostasien. Charakteristische Großtiere sind Löwen, Hirschziegenantilopen, Nilgauantilopen und verschiedene Hirsche. * Tropische Regenwälder. Nach der Rodung folgt als nächster Zerstörungsschritt häufig der Anbau von Monokulturen wie Palmöl-Plantagen, z. B. in Sabah (Malaysia) auf Borneo. * Tropische Monsungebiete wie das Mekongdelta: Hier dominieren der Reisanbau und als Nutztiere Geflügel und Schweine sowie der Fischfang.
Asien weist eine Reihe globaler geographischer Superlative auf: * das bevölkerungsreichste Land: Indien (bis etwa Anfang 2023 China) * den größten Anteil am weltweit flächenmäßig größten Land: Russland. Dieser Anteil Russlands selbst ist größer als das weltweit zweitgrößte Land Kanada. * die höchste und die zweithöchste Gebirgskette: Himalaya und Karakorum, beinhalten alle Berge mit über 8000 Meter Gipfelhöhe * den tiefsten und ältesten Binnensee: den Baikal * den größten Binnensee: das Kaspische Meer * das tiefstgelegene Gewässer: das Tote Meer Es ist der Erdteil mit der verschiedenartigsten Vegetation, wechselnd vom Permafrostboden Sibiriens bis hin zum Dschungel Südostasiens. Neben den Extremen Tundra, Wüste und tropischer Regenwald sind auch alle anderen auf der Erde vertretenen Vegetationszonen in Asien zu finden. Eine weitere Besonderheit sind die meisten interkontinentalen Staaten der Erde, mit sowohl asiatischen Landesteilen als auch Territorien in anderen Erdteilen. Dazu gehören Russland, Kasachstan, Indonesien, Japan, Ägypten und die Türkei.
Asien ist die Wiege zahlreicher Kulturen, beispielsweise in China, in Japan, in Indien, in Iran sowie Babylonien und Assyrien in Vorderasien. Alle sogenannten Weltreligionen sind in Asien entstanden. Asien und Europa verbindet eine lange Tradition an Kriegen (beispielsweise Alexander der Große, die Perserkriege, die Kreuzzüge, die Einfälle der Hunnen und der Türken) und an Entdeckungsreisen (beispielsweise Sven Hedin), aber auch viele wichtige Handelsverbindungen, wie zum Beispiel die Seidenstraße. Asien ist von jeher von Großreichen geprägt und nicht so zersplittert wie Europa. Die chinesische Kultur hat in der Welt, vor allem jedoch in Ostasien, ihre Spuren hinterlassen (Papier, Buchdruck, Kompass, Seide, Porzellan u. v. m.). Aus Indien hat sich der Buddhismus verbreitet. Nordasien (insbesondere Sibirien) blieb lange Zeit nahezu unbesiedelt, erst als sich das Russische Reich weiter ausdehnte, wurden dort größere Städte gegründet. Zentralasien war traditionell die Heimat von Steppenvölkern (Reitervölker) (beispielsweise den Mongolen), die in früheren Zeiten eine Bedrohung für Europa darstellten. Vorderasien ist seit dem 7. Jahrhundert vom Islam geprägt und hatte einen stark prägenden Einfluss auf Nordafrika.
In Asien leben rund 4,75 Milliarden Menschen, was etwa 60 % der Erdbevölkerung entspricht. In Indien und in der Volksrepublik China leben jeweils etwa 1,4 Milliarden Menschen. Während vor allem Russland und die Mongolei sehr dünn besiedelt sind, kämpfen andere Länder mit den Auswirkungen ihrer Bevölkerungsexplosion. Gesundheit und Lebenserwartung korrelieren mit dem Wohlstand der Nationen. Höherer Lebensstandard bedeutet auch mehr Ressourcen für die eigene wie für die Volksgesundheit. Die Bewohner von Macau, Singapur, Hongkong und Japan erreichen unter den Asiaten das höchste Durchschnittsalter. Saudi-Arabien, Vereinigte Arabische Emirate, Brunei, China, Malaysia, Thailand, Philippinen und Indonesien liegen mit der Lebenserwartung weltweit etwa im Mittel. Die kürzeste Lebenserwartung in Asien haben Menschen in Indien, Bangladesch, Myanmar, Kambodscha, Laos, Bhutan und Afghanistan. Malaria ist in Südasien und Südostasien verbreitet. Es gibt noch kein effektives Impfmittel gegen Malaria. Durch Insektensprays könnte die Verbreitung etwas eingedämmt werden, diese sind aber für große Teile der betroffenen Bevölkerung zu teuer. AIDS ist weit verbreitet. Besonders in Russland, Indien, Nepal, Myanmar, Thailand, Kambodscha, Vietnam und Malaysia tritt das HI-Virus vermehrt auf. Dagegen sind in Japan, der Mongolei, Sri Lanka, Bangladesch, Bhutan, Afghanistan, Turkmenistan und in Vorderasien nur relativ wenige Menschen an AIDS erkrankt. Diese Angaben sind aber mit Vorsicht zu betrachten, da die HIV-Infektionsrate als Durchschnittswert auf das ganze Land bezogen ist, aber vor allem in den Großstädten gehäuft auftritt.
In Asien werden viele hundert einzelne Sprachen gesprochen. Zu den bedeutenden Sprachfamilien und Sprachgruppen gehören (Auswahl): Siehe auch Abschnitt Sprachfamilien der Welt: Eurasien.
Nach der Einteilung in Nordasien (Russland), Westasien (W), Zentralasien (Z), Südasien (S), Südostasien (SO) und Ostasien (O) ergibt sich folgendes Bild: * In Asien gibt es nach Afrika die meisten Entwicklungsländer. Dazu gehören Vietnam (SO), Kambodscha (SO), Laos (SO), Myanmar (SO), Bangladesch (S), Bhutan (S), Nepal (S), Pakistan (S), Afghanistan (S), Tadschikistan (Z), Usbekistan (Z), Kirgisistan (Z), Georgien (W), Armenien (W), Aserbaidschan (W), Jemen (W), die Mongolei (O) sowie (noch) die Volksrepublik China (O) und Indien (S). * Zu den ins Industriezeitalter „eingekauften“ Ländern gehören die Erdöl fördernden Staaten Iran (W), Irak (W), Kuwait (W), Saudi-Arabien (W) und die Vereinigten Arabischen Emirate (W). * Als Industrienationen gelten Japan (O), Singapur (SO), die Republik China (Taiwan) (O), Südkorea (O), Israel (W), und die beiden zur Volksrepublik China (O) gehörenden Sonderverwaltungszonen Hongkong und Macau. Diese Länder zählen heute zu den weltweit führenden Ländern in Bereichen der Hochtechnologie. Auch Malaysia (SO) unternimmt erfolgreich Anstrengungen, an die Spitze aufzuschließen. * Das reichste Land der Welt, Katar (W), liegt in Asien.
Sowohl gemessen am Wechselkurs-basierten Bruttoinlandsprodukt als auch in Kaufkraftparität ist China die größte Volkswirtschaft Asiens und die zweitgrößte weltweit. In Asien folgen die Staaten Japan, Indien und Südkorea. Die Wirtschaft Japans war über Jahrzehnte die am stärksten wachsende Volkswirtschaft Asiens. Während Japans wirtschaftliche Lage sich seit den 1990er-Jahren verschlechterte, weisen China und Indien im selben Zeitraum ein, im globalen Vergleich, überdurchschnittliches Wirtschaftswachstum von mehr als 10 bzw. 7 Prozent pro Jahr auf. Japan hat aber die Rolle der führenden Wirtschaftsnation Asiens 2010 an China abgegeben. Dennoch ist es die führende Industrienation Asiens und (neben dem größtenteils zu Europa gezählten Russland) das einzige Land des Kontinents, das Mitglied der Gruppe der Acht führenden Industrieländer ist. Bezogen auf die Kaufkraftparität hat auch Indien heute (2015) ein größeres BIP als Japan.
, im Boom der Pantherstaaten rasch gewachsene Hauptstadt Thailands Nach dem Zweiten Weltkrieg, verstärkt ab den 1960er-Jahren, war das wirtschaftliche Wachstum zunächst auf die Länder und Gebiete entlang der Pazifikküste konzentriert, wovon vor allem Japan, Südkorea und Taiwan sowie die ehemaligen britischen Kolonien Hongkong und Singapur profitierten, die sich eng an die Wirtschaft der USA banden. In den 1980er-Jahren entwickelten sich mehrere Staaten in Ost- und Südostasien mit einem raschen Wirtschaftswachstum von Schwellenländern zu Industrieländern: die „Tigerstaaten“ Hongkong (damals noch eine Kronkolonie des Vereinigten Königreichs), Taiwan, Singapur und Südkorea. 1997/98 fand die rasante Hochkonjunktur in vielen dieser Länder mit der Asienkrise ihr Ende, die – von Thailand ausgehend – vor allem eine Finanz- und Währungskrise war. Seitdem wächst die Wirtschaft dieser Staaten zwar weiter, aber das sehr hohe Wachstum von bis zu zehn Prozent hat sich auf fünf bis sechs Prozent abgeschwächt.
Weite Teile Asiens sind nach wie vor landwirtschaftlich geprägt, wobei insbesondere Reisanbau und Fischerei von Bedeutung sind. Rohstoffarme Staaten oder durch Kriege und korrupte Regierungen zurückgeworfene Staaten wie Afghanistan, Bangladesch, Myanmar, Laos, Kambodscha, Vietnam sowie die ehemaligen Sowjetrepubliken in Zentralasien sind nach wie vor landwirtschaftlich entsprechend ihrer Topographie geprägt. Die meisten heutigen zentral- und nordasiatische Staaten waren bis zu deren Zerfall 1990/91 Teil der Sowjetunion und somit planwirtschaftlich organisiert. Die Wirtschaft dieser Länder ist großteils von Landwirtschaft und Schwerindustrie bestimmt. Rohstoffreichtum einiger Regionen wie etwa Erdöl und -gas im Gebiet des Kaspischen Meeres oder diejenigen in der Tundra von Sibirien gewinnen Bedeutung im sich weltweit verstärkenden Kampf um diese Ressourcen, wobei Fluch und Segen für die Bewohner häufig nahe beieinander liegen (Umweltverschmutzung, Korruption und Kriege).
In Südwestasien ist vor allem die Erdölförderung der bestimmende Wirtschaftszweig. Die weltweit größten bekannten Reserven befinden sich auf der arabischen Halbinsel und in den umliegenden Regionen am Persischen Golf, wobei das Königreich Saudi-Arabien über die umfangreichsten Ölfelder verfügt. Weitere bedeutende Förderländer sind Iran und der Irak. Die flächenmäßig kleinen Emirate Kuwait und Katar, die Vereinigten Arabischen Emirate und das Königreich Bahrain zählen durch den Verkauf von Erdöl bei zugleich relativ geringer Bevölkerungszahl zu den reichsten Staaten der Erde.
Mehrere Regionen Asiens, darunter Mesopotamien, das Tal des Indus (vgl. Indus-Kultur), Iran und China, gelten als „Wiegen der Zivilisation“. Mit der Entwicklung der Zivilisationen und der frühen Hochkulturen in diesen Gebieten ging auch die Entwicklung der Religionen einher. Alle im Allgemeinen als „Weltreligionen“ bezeichneten Religionen haben ihren Ursprung in Asien. Mit über 1 Milliarde Anhänger ist der Islam die größte Religion in Asien und umfasst mehr als ein Viertel aller Bewohner des Kontinents, Muslime stellen die Bevölkerungsmehrheit in mehr als der Hälfte aller Staaten Asiens.
Zu den frühesten Monumenten religiösen Empfindens der Menschheit zählt etwa die Anlage in Göbekli Tepe in der heutigen Türkei. Entstanden um etwa 9000 v. Chr., wobei die Ursprünge noch deutlich weiter zurück reichen dürften, als die neolithische Revolution und damit der Beginn von Ackerbau und Viehzucht noch bevorstand, gilt Göbekli Tepe als älteste bekannte Tempelanlage der Welt. Etwa aus derselben Zeit datieren Funde in Nevalı Çori am Euphrat in der heutigen türkischen Provinz Şanlıurfa, wo auch vergleichbare bildhauerische Werke, wie anthropomorphe Figuren und Tierdarstellungen, die auf eine religiöse Nutzung hindeuten, gefunden wurden. (akkadisch-babylonisch) In Mesopotamien (Zweistromland; vgl. „Fruchtbarer Halbmond“) entwickelte sich ab etwa dem vierten Jahrtausend v. Chr. die sumerische Religion. Sie ist eine der ältesten bekannten Religionen und hatte entscheidenden Einfluss auf sich später entwickelnde Glaubenssysteme der Kanaaniter (Vorläufer der Hebräer), Akkader, Babylonier, Assyrer, Hethiter, Hurriter, Ugariter und Aramäer. Neben einer Reihe von den Haupt- und Urgöttern verehrten die Sumerer, in einer Zeit als dort einige der ersten Städte wie Ur und Byblos entstanden (vgl. Liste historischer Stadtgründungen), Stadtgötter und verfügten damit bereits über ein Pantheon von Göttern. Das Gilgamesch-Epos, eines der frühesten schriftlichen Zeugnisse der Menschheit, hat seinen Ursprung in dieser Epoche und erzählt von den Begegnungen des Königs Gilgamesch mit den Göttern und seiner Suche nach Unsterblichkeit. Das Enūma eliš (niedergeschrieben ca. im 12. Jahrhundert v. Chr.) ist wiederum einer der ursprünglichsten Schöpfungs-Mythen. Sumerische Mythen, wie etwa die Erzählung von der Sintflut, fanden auch Eingang in die judäo-christlichen Traditionen. Vermutlich in Baktrien entstand zwischen 1800 v. Chr. und 700 v. Chr. der Zoroastrismus, eine der ältesten, wenn auch ursprünglich dualistischen, monotheistischen (Ahura Mazda) Religionen, die bis heute überdauert hat. Die Richter (ca. 1250 v. Chr.) und die Erzväter, die als früheste Überlieferungen der jüdischen Geschichte gelten, hatten ihren Ursprung in Mesopotamien, wo die Vorfahren der Hebräer als Nomadenvolk lebten. Abraham, der Stammvater Israels, soll selbst aus Ur gekommen sein. Tradiert ist die jüdische Religion in einer in der Tora festgehaltenen schriftlichen und einer mündlichen Lehre (Talmud u. a.). Mit Jesus von Nazaret (vgl. Jesus Christus) soll etwa 7 bis 4 v. Chr. in Palästina der selbst in der Tradition der jüdischen Religion stehende Begründer des Christentums geboren worden sein. Nach seinem Tod fand die Lehre seiner Jünger vorerst im Nahen Osten und, innerhalb des Römischen Reiches, in Südeuropa Verbreitung. In Asien entwickelten sich verschiedene Traditionen des christlichen Orients, von denen einige, wie etwa der Nestorianismus, bis weit nach Zentralasien und China vordrangen. Ausgehend vom byzantinischen Reich verbreiteten sich die altorientalischen Kirchen in Vorderasien und auch Indien sowie die heute noch in weiten Teilen Nordasiens vorherrschenden orthodoxen Kirchen. Die Geschichte des Islam begann im 6. Jahrhundert mit dem Wirken Mohammeds auf der arabischen Halbinsel. Gemäß der im Koran festgehaltenen Lehre des Islam gilt er als der letzte Prophet in der Geschichte der Menschheit und Vollender der biblischen Prophetie. In Asien fand der Islam im Zuge der islamischen Expansion Verbreitung in Vorderasien und in weiten Teilen Zentral- und Südasiens bis zum Malaiischen Archipel im Südosten.
eines Hindu-Tempels in Hampi (Indien) Der bis heute vor allem in Indien vorherrschende Hinduismus entstand gegen Ende der Indus-Kultur um ca. 2000 v. Chr. Die Lehren basieren auf den Veden, heiligen Schriften, deren älteste, die Rigveda, etwa 1200 bis 1000 v. Chr. zusammengestellt wurde. Der Hinduismus umfasst eine große Zahl teils sehr unterschiedlicher Glaubensschulen und Ansichten. Es gibt weder ein gemeinsames Glaubensbekenntnis noch Institutionen, die für alle Gläubigen gleichermaßen Autorität besitzen. Verbindende Merkmale sind die zentralen Gottheiten Brahma, Shiva und Vishnu (Trimurti) – die jedoch in den Lehrtraditionen wie Shivaismus, Vishnuismus oder Shaktismus sehr unterschiedlich betrachtet werden – und der Glaube an den sich ständig wiederholenden Kreislauf des Lebens (Samsara) und die Reinkarnation. Der Hinduismus hatte, wie die indische Philosophie, schon früh prägenden Einfluss auf jene Länder, die im Einflussbereich der indischen Kultur lagen, und fand Eingang in die Glaubenswelten Süd- und Südostasiens. An der Wende vom sechsten zum fünften vorchristlichen Jahrhundert lebte in Nordindien Siddhartha Gautama, der nach der Überlieferung im Alter von 35 Jahren Erleuchtung erlangte und somit zum Buddha („Erwachter“, „Erleuchteter“) wurde. Aus der vedischen Tradition kommend und diese hinter sich lassend, wurde er zum Begründer des Buddhismus. Etwa zeitgleich begründete Mahavira ebenfalls in Indien die Lehre des Jainismus. Der Buddhismus wurde vorerst auf dem indischen Subkontinent, auf Sri Lanka und in Zentralasien bekannt. Der südliche Buddhismus (Theravada) fand Verbreitung in den Ländern Südostasiens. Der nördliche Buddhismus (Mahayana) erreichte über die Seidenstraße Zentral- und Ostasien sowie von Nordindien die Länder der Himalayaregion, wo sich, in Wechselwirkung mit den bereits verbreiteten Glaubenssystemen wie etwa Bön, weitere Traditionen entwickelten; so beispielsweise Vajrayana (Tibet), Chan (China) bzw. Zen (Japan) und Amitabha-Buddhismus (Ostasien). -Symbol (auch „Yīn und Yáng“-Symbol) -Torii des Itsukushima-Schreins auf Miyajima In China hatten die Philosophen Laozi (auch Lao Tse, Lao-tzu; 6. Jahrhundert v. Chr., ob er tatsächlich existiert hat, ist nicht endgültig geklärt) und Konfuzius (auch Kong Tse, Kǒng Fū Zǐ; ca. 551 v. Chr. bis 479 v. Chr.) die Lehrtraditionen des Daoismus und des Konfuzianismus begründet, die bis heute prägenden Einfluss auf die Gedankenwelt und Gesellschaft Ostasiens besitzen und auch die Entwicklung des Buddhismus in diesen Regionen mitbeeinflussten (vgl. Buddhismus in China). Die Religion in Japan war schon früh durch den Synkretismus verschiedener Glaubenssysteme gekennzeichnet. Bis heute sind Shintō und Buddhismus (Zen, Amidismus), der Japan im 5. oder 6. Jahrhundert erreichte, die am weitesten verbreiteten Religionen. Inhalte der chinesischen Lehren Daoismus und Konfuzianismus wurden von Shintō und Buddhismus aufgenommen und integriert. Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs herrscht eine besonders hohe religiöse Toleranz in Japan, was zu einem starken Anwachsen neureligiöser Gruppen geführt hat. An der Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert stiftete Guru Nanak im Punjab, im Nordwesten Indiens, den Sikhismus. Oft als Abspaltung oder Reformbewegung des Hinduismus oder als Synkretismus aus Hinduismus und Islam bezeichnet, beschreiben Sikhs ihren Glauben als religionsübergreifenden Lebensweg, der sich nicht an dogmatischen Grenzen, sondern an gelebter Weisheit orientiert. Offiziell am 7. September 1926 im südlichen Vietnam gegründet, ist der Caodaismus (Đạo Cao Đài) heute nach Buddhismus und Katholizismus die drittgrößte Religion des Landes. Religionsstifter war Ngô Văn Chiêu, der die Lehren dieser Religion, die verschiedene Inhalte aus mehreren asiatischen Religionen und dem Christentum umfasst, durch spiritistische Sitzungen empfangen hatte. Im 20. Jahrhundert hatten so unterschiedliche Persönlichkeiten wie der Inder Mahatma Gandhi, mit seiner aus der indischen Philosophie abgeleiteten Lehre der Gewaltlosigkeit (Ahimsa), und der chinesische Revolutionär Mao Zedong, mit seinem auf dem Kommunismus basierenden Maoismus, entscheidenden Einfluss auf die Politik der beiden nach ihrer Bevölkerungszahl größten Länder der Erde und darüber hinaus.
wird politisch und kulturell Europa zugerechnet Als zwei weitere Staaten wurden seit 2008 Abchasien und Südossetien von Russland und vier nichtasiatischen Staaten anerkannt, von den übrigen Staaten jedoch weiterhin als Teil Georgiens betrachtet. Die türkisch besetzte Türkische Republik Nordzypern ist nur von der Türkei anerkannt. Das mit armenischer Hilfe von Aserbaidschan abgespaltene Bergkarabach wird zwar selbst von Armenien nicht anerkannt, jedoch von Abchasien und Südossetien. Auch die Autonome Region Kurdistan im Nordirak strebte ursprünglich die Unabhängigkeit an, hat sich jedoch in einem Grundlagenvertrag mit der Zentralregierung in Bagdad auf Autonomie innerhalb des Irak verständigt. Der aus den Palästinensischen Autonomiegebieten hervorgegangene Staat Palästina ist zwar Beobachterstaat in der UNO, jedoch kein UNO-Mitgliedsstaat. Bereits 1988 war die palästinensische Staatsgründung von über 100 Staaten (darunter DDR und Vatikan) anerkannt worden, zu denen Palästina diplomatische Beziehungen unterhält. International nicht anerkannt ist der Islamische Staat, der sich spätestens seit 2014 über weite Teile des Irak und Syriens erstreckt und die im 20. Jahrhundert entstandene staatliche Gliederung Westasiens in Frage stellt.
Die Arabische Liga wurde als Verbund arabischer Staaten am 22. März 1945 in Kairo gegründet, wo sie auch ihren Sitz hat. Sie besteht aus 22 Mitgliedsstaaten: 21 Nationalstaaten in Afrika und Asien sowie Palästina. Hauptziel der Arabischen Liga sind die Förderung der Beziehungen der Mitgliedsstaaten auf politischem, kulturellem, sozialem und wirtschaftlichem Gebiet. Die Unabhängigkeit und Souveränität der Mitgliedsstaaten und der arabischen Außeninteressen soll bewahrt und Streit innerhalb der Liga geschlichtet werden. Beschlüsse der Liga sind nur bindend für jene Staaten, die ihnen zugestimmt haben. Mitgliedsstaaten aus Asien sind: Bahrain, Irak, Jemen, Jordanien, Katar, Kuwait, Libanon, Oman, Palästina, Saudi-Arabien, Syrien und die Vereinigten Arabischen Emirate. Innerhalb der Liga bilden Saudi-Arabien, Kuwait, Bahrain, Katar, die VAE und Oman den Golf-Kooperationsrat. Im September 1960 gründeten Iran, der Irak, Kuwait, Saudi-Arabien und der südamerikanische Staat Venezuela in Bagdad die OPEC (Organisation Erdöl exportierender Länder), der später auch die Ölförderländer Katar (1961), Indonesien (1962) und die Vereinigten Arabischen Emirate (1967) beitraten. Die OPEC-Mitgliedsstaaten aus Asien, Afrika und Südamerika fördern zusammen etwa 40 % der weltweiten Erdölproduktion und verfügen über rund drei Viertel der weltweiten Erdölreserven. Ziele der OPEC sind eine gemeinsame Ölpolitik, um sich gegen einen Preisverfall abzusichern und zugleich die weltweite Ölversorgung sicherzustellen. Über die Festlegung von Förderquoten für die einzelnen OPEC-Mitglieder wird die Erdölproduktion geregelt. Neben der OPEC sind eine Reihe von Staaten auch in der OAPEC (Organisation der arabischen Erdöl exportierenden Staaten) vertreten, die 1968 von Kuwait, Libyen und Saudi-Arabien als Zusammenschluss politisch konservativer arabischer Länder Asiens und Nordafrikas und Gegenpol zur OPEC geschaffen wurde. Weitere Mitglieder aus Asien sind heute Bahrain, Irak, Katar, Syrien und die Vereinigten Arabischen Emirate. Die ASEAN (Verband Südostasiatischer Nationen) wurde am 8. August 1967 als politische, wirtschaftliche und kulturelle Vereinigung der südostasiatischen Staaten Thailand, Indonesien, Malaysia, Philippinen und Singapur gegründet. Ziel war und ist die Zusammenarbeit in der Förderung des wirtschaftlichen Aufschwungs, des sozialen Fortschritts und der politischen Stabilität in der Region. Gegründet in der Zeit des „Kalten Krieges“, war das Bündnis von Anfang an kapitalistisch-marktwirtschaftlich und auf die Zusammenarbeit mit den westlichen Industrienationen ausgerichtet und stand in Konkurrenz zur kommunistisch-planwirtschaftlichen Volksrepublik China. 1984 trat das Sultanat Brunei der ASEAN bei, 1995 Vietnam, 1997 Myanmar und Laos sowie 1999 Kambodscha. Papua-Neuguinea hat den Status eines Beobachters. Am 1. Januar 2003 wurde mit der Etablierung der ASEAN-Freihandelszone (AFTA) eine Freihandelszone geschaffen, der alle Mitgliedsstaaten der ASEAN angehören. Australien und Neuseeland stehen in Verhandlungen, um diesem Freihandelsabkommen beizutreten. ASEAN plus Drei bezeichnet die gemeinsame Konferenz der ASEAN-Staaten mit China, Japan und Südkorea. In Thailand wurde 2000 die Chiang-Mai-Initiative begründet, die eine enge Kooperation der ASEAN plus Drei-Länder im Finanzsektor festlegt. Iran, Pakistan und die Türkei gründeten 1985 die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit (ECO), aus der eine Freihandelszone entstehen sollte. Seit der Auflösung der Sowjetunion traten auch Afghanistan, Aserbaidschan, Kasachstan, Kirgisistan, Tadschikistan, Turkmenistan und Usbekistan dem Kooperationsbündnis bei. Internationale Bedeutung kommt ihm vor allem durch den Reichtum an Bodenschätzen in einigen Mitgliedsländern und durch die strategische Lage als Transitkorridor für diese Güter sowohl nach Europa wie auch nach China zu. Auf Initiative der USA, Japans und Australiens wurde 1989 die Asiatisch-Pazifische Wirtschaftsgemeinschaft (APEC) geschaffen, deren Ziel die Einrichtung einer alle Pazifik-Anrainerstaaten umfassenden Freihandelszone in zwei Schritten ist: Ab 2010 sollen die Freihandelsabkommen für die Industrienationen der Regionen gelten, ab 2020 auch für die Entwicklungsländer. Asiatische Mitglieder der APEC sind Brunei, die Volksrepublik China, Indonesien, Japan, Malaysia, Papua-Neuguinea, die Philippinen, Russland, Singapur, Südkorea, Taiwan, Thailand und Vietnam. Das Asien-Europa-Treffen (Asia-Europe Meeting: ASEM) dient der Beratung und multilateralen Gesprächen zwischen Europa und Asien über eine Zusammenarbeit in Wirtschaft, Politik, Bildung und Kultur. Der Vorschlag zu diesem Treffen kam vom damaligen Premierminister von Singapur Goh Chok Tong und wurde im März 1996 umgesetzt. Mitglieder aus Asien sind: Brunei, die Volksrepublik China, Indonesien, Japan, Kambodscha, Laos, Malaysia, Myanmar, Philippinen, Singapur, Südkorea, Thailand und Vietnam. 1997 wurde die Gruppe der acht Entwicklungsländer (D-8) gegründet, der neben Ägypten und Nigeria die asiatischen Staaten Bangladesch, Indonesien, Iran, Malaysia, Pakistan und die Türkei angehören. Ziel der D-8 ist es, ihre Stellung in der Weltwirtschaft zu verbessern, Handelsbeziehungen zu diversifizieren und neue Handelsbeziehungen zu schaffen, die Teilhabe bei Entscheidungen auf internationaler Ebene auszubauen und so für bessere Lebensbedingungen der Menschen in Entwicklungsländern zu sorgen. Die Shanghai Cooperation Organisation (SCO; auch: Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit, SOZ) ging 2001 aus der Shanghai-Five-Gruppe hervor, die in erster Linie der militärischen Zusammenarbeit der Mitgliedsländer und der Reduktion der Militärpräsenzen an den gemeinsamen Grenzen dienen sollte. Zu den ursprünglichen Mitgliedsstaaten Volksrepublik China, Russland, Kasachstan, Kirgisistan und Tadschikistan kam mit Gründung der SCO Usbekistan hinzu. Die Mongolei, Indien, Pakistan und Iran befinden sich im Beobachterstatus. Besonders Indien wird zu einer vollen Mitgliedschaft ermutigt. Neben der Verbesserung der politischen Stabilität in der Region, wozu auch ein Antiterrornetzwerk (Regional Antiterrorism Structure, RATS) eingerichtet wurde, werden langfristig eine gemeinsame Außenpolitik und die Schaffung einer Freihandelszone angestrebt. Im Vorfeld der fünften ministeriellen Konferenz der Welthandelsorganisation (WTO) in Cancún (Mexiko) wurde am 20. August 2003 die G20 (zeitweise auch G21, G22 oder G20+) als gemeinsame Plattform für Entwicklungs- und Schwellenländer und Gegengewicht zu den USA und der EU geschaffen. Neben Brasilien sind die Volksrepublik China und Indien darin die führenden Kräfte. Mitglieder sind auch Indonesien, Pakistan, die Philippinen und Thailand. Seit 2002 kooperieren 30 asiatische Staaten aus allen Regionen im Asian Cooperation Dialogue. Jährliche Treffen vor allem der Außen-, Finanz- und Wirtschaftsminister sollen zu einer verstärkten Zusammenarbeit beitragen. Weitere wichtige asiatische Organisationen sind: die Organisation der Islamischen Konferenz, die Asiatische Entwicklungsbank (Asia Development Bank, ADB) und die Asiatische Menschenrechtskommission.
* Asiatisches Fernstraßen-Projekt * Eurasisches Magazin – Netzzeitschrift mit Thema Europa und Asien. * Transnationale Umweltverschmutzung in Ostasien * Liste asiatischer Fernsehsender in Europa * Liste geographischer Rekorde nach Kontinent#Asien
* , ein Zusammenschluss asienbezogen arbeitender Nichtregierungsorganisationen bietet vielfältige Informationen zu verschiedenen Ländern und Regionen mit Schwerpunkt auf soziale Entwicklungen, Menschenrechte und Umwelt. * Jochen Buchsteiner: Diskussionspapier für den Salzburger Trilog 2006 zu den wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Folgen des „Pazifischen Jahrhunderts“. Bertelsmann Stiftung, Gütersloh 2006 (PDF; 912 kB). * (ein breit angelegtes Informationsforum über verschiedene asiatische Länder, das Essays, Photogalerien und Reiseberichte vereint) * (University of Texas, Austin)
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Arbeitsrecht (Deutschland)
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Das deutsche Arbeitsrecht ist ein Rechtsgebiet, das die Rechtsbeziehungen zwischen einzelnen Arbeitnehmern und Arbeitgebern (Individualarbeitsrecht) sowie zwischen den Koalitionen und Vertretungsorganen der Arbeitnehmer und dem Arbeitgeber (Kollektives Arbeitsrecht) regelt.
Die Arbeit ist bereits seit dem Altertum Gegenstand rechtlicher Regelungen. Im römischen Recht hatte der Dienstvertrag (locatio conductio operarum) jedoch aufgrund der weiter verbreiteten Sklaven arbeit nur eine untergeordnete Rolle. Im Deutschland des Mittelalters tragen Dienstverhältnisse oft personalrechtliche Züge. Obgleich es in bestimmten Gebieten bereits eine echte Kapitalisierung der Arbeit gibt, wird heute die Verbreitung der kapitalistischen Verdinglichung der Arbeit ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, als der Beginn der Arbeitsrechtsgeschichte angesehen. Die sozialen Missstände der Industrialisierung im 19. Jahrhundert waren Folge der Privatautonomie trotz Ungleichgewichtigkeit der Macht der Vertragspartner. Das erkennend entwickelte sich zum Beispiel der Jugendarbeitsschutz, das Verbot der Kinderarbeit und das Sozialversicherungsrecht, sowie die Abkehr vom Koalitionsverbot (1869). Dieser Entwicklung trug das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) von 1896 jedoch nicht Rechnung, der Dienstvertrag nach §§ 611 ff. BGB wird dort als normaler Austauschvertrag mit weitgehender Privatautonomie geregelt, der personenrechtliche Einschlag des Arbeitsverhältnisses wurde nicht anerkannt. Mit dem Stinnes-Legien-Abkommen wurden im November 1918 die Weichen für die weitere Entwicklung der Arbeitsverfassung gestellt. Um eine nach dem Rätesystem gegründete sozialistische Republik zu verhindern, waren die Unternehmer zur Anerkennung der Gewerkschaften bereit. § 1 des Abkommens regelte den Vorrang des Tarifvertrags vor dem einzelnen Arbeitsvertrag. s Dissertation bei der ILO im Jahr 1935 In der Zeit der Weimarer Republik entstanden weitere Arbeitsschutzgesetze und einige entscheidende Weiterentwicklungen des kollektiven Arbeitsrechts, wie die verfassungsmäßig garantierte Koalitionsfreiheit (Art. 159 Weimarer Verfassung). Um „die revolutionären Tendenzen der Rätebewegung aufzufangen“, wurde in die Verfassung ein Räteartikel (Art. 165) aufgenommen. Er sah „ein dreistufiges Rätesystem vor, dessen Basis die Betriebsräte bilden sollten. Dadurch war die Rätebewegung, die unter dem Schlagwort 'Alle Macht den Räten' die politische und wirtschaftliche Macht im Staat gefordert hatte, in eine wirtschaftliche Interessenvertretung umgewandelt und in die Wirtschaftsverfassung eingebaut worden. Da den Gewerkschaften aber die Kompetenz zur Vereinbarung der Lohn- und Arbeitsbedingungen verfassungsrechtlich garantiert wurde, waren die Arbeiterräte in einem Kernbereich des Arbeitsrechts an den Rand gedrängt. Von dem dreistufigen Rätesystem wurde außerdem nur die unterste Stufe durch das Betriebsrätegesetz vom 4. Februar 1920 verwirklicht.“ 1926 wurde die Arbeitsgerichtsbarkeit als neuer Instanzenzug eingerichtet (Arbeitsgerichtsgesetz). Während der Zeit des Nationalsozialismus (1933–1945) wurde das kollektive Arbeitsrecht wegen Unvereinbarkeit mit dem Führerprinzip abgeschafft, das Arbeitsvertrags- und Arbeitsschutzrecht jedoch weiter ausgebaut. 1934 wurde das von Hans Carl Nipperdey und Alfred Hueck verfasste „Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit“ in Kraft gesetzt. Es beseitigte die Reste des Weimarer Arbeitsrechts und verankerte das „Führerprinzip“ in den Betrieben, indem Arbeitnehmer als „Gefolgsleute“ bestimmt wurden. Nach 1945 wurden die Gewerkschaften wieder zugelassen. Das Kontrollratsgesetz Nr. 22 vom 10. April 1946, das als vorkonstitutionelles Recht in der Bundesrepublik auch nach deren Gründung in Kraft blieb, erlaubte die Bildung von Betriebsräten. Neben diesem Rahmengesetz wurden Landesgesetze erlassen, so dass aufgrund der Zersplitterung eine bundeseinheitliche Regelung notwendig wurde. „Der Kampf um die Ausgestaltung des Betriebsverfassungsgesetzes vom 11. Oktober 1952 wurde mit großer Erbitterung geführt, nachdem schon im Jahr vorher der Kampf um die Mitbestimmung in den Betrieben des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie beinahe zu einer Staatskrise geführt hätte.“ Die Gewerkschaften konnten sich mit ihren Vorstellungen für eine „Wirtschaftsdemokratie“ nicht durchsetzen. Vor allem als erster Präsident des Bundesarbeitsgerichts in Kassel von 1954 bis 1963 konnte Nipperdey seine Ideologie des Arbeitsverhältnisses als eines „personenrechtlichen Gemeinschaftsverhältnisses“ als „herrschende Meinung in Literatur und Rechtsprechung“ in die Nachkriegszeit übertragen. „Rechtsprechung“ hießen dabei die einschlägigen Urteile des BAG unter eben seiner Ägide. Und als „Literatur“ firmierten Lehrmeinungen, die von ihm selbst sowie seinen Mitarbeitern Hueck, Rolf Dietz und Arthur Nikisch vertreten wurden. Durch diese unabhängig von demokratischen Gesetzen im Wege der „Rechtsfortbildung“ und „Rechtsschöpfung“ durchgesetzten Auffassungen wurde der Umbau des Arbeitsverhältnisses von einem Austausch- zu einem „Gemeinschaftsverhältnis“ erreicht, das die Interessen des Arbeitnehmers unterordnet. Das drückt sich u. a. darin aus, dass – im Widerspruch zur allgemeineuropäischen Rechtsprechung – der politische Streik in der Bundesrepublik als verboten gilt, dass auch Whistleblowing strafbar ist, hingegen Verdachtskündigungen aufgrund gestörten „Vertrauens“ auf Arbeitgeberseite möglich sind. Im Mitbestimmungsgesetz von 1976 wurde die Mitbestimmung in Großbetrieben ausgebaut. In der DDR war das Arbeitsrecht u. a. in einem einheitlichen Arbeitsgesetzbuch geregelt.
Grundlegender Gedanke des Arbeitsrechts ist das strukturelle Ungleichgewicht zwischen Arbeitgeber und -nehmer, das sich politisch unterschiedlich formulieren lässt, aber in der Sache von der herrschenden Ansicht geteilt wird. Schon in der (marxistisch geprägten) Arbeiterbewegung war die gesellschaftliche Analyse vorherrschend, dass die Trennung zwischen Kapital und Arbeit ein Proletariat erzeugt, das nichts außer ihre eigene Arbeitskraft besitzt und sich infolgedessen auf dem Arbeitsmarkt verkaufen muss. Daraus folgt, dass zum einen die Person als Warenform erscheint und sich durch einen der Person anhaftenden Preis definiert und zum anderen Menschen zueinander in Konkurrenz treten und gegebenenfalls auch Arbeitsbedingungen eingehen, mit denen sie nicht einverstanden wären. Aber auch aus anderen politischen Strömungen ist die Überzeugung maßgeblich, dass der Arbeitgeber in einer besseren Verhandlungsposition steht: Dieser kann in der Regel zwischen mehreren Bewerbern aussuchen und ist nicht wie der Arbeitnehmer in höchstpersönlicher Weise auf das Arbeitsverhältnis angewiesen, da er etwaige Stellen mit anderen Arbeitskräften besetzen könnte. Das Arbeitsverhältnis ist damit von der höchstpersönlichen Erbringung von fremdbestimmter Arbeit geprägt, bei deren Ausführung der Arbeitnehmer stets dem Arbeitgeber weisungsgebunden bleibt. Zudem besteht in der Anbahnung des Arbeitsverhältnisses auch stets eine Informations- und Machtasymmetrie, die zu einer unterlegenen Verhandlungsposition des Bewerbers führt, da dieser potentiell in Verhandlungen für sich selbst ungünstigere Forderungen stellt, um für den Arbeitgeber attraktiver zu werden. So geht die Arbeitsrechtswissenschaft – unabhängig von der politischen Einbettung – stets vom dargestellten strukturellen Ungleichgewicht aus, das sich in den verschiedenen Normen des Individual- und Kollektivarbeitsrecht widerspiegelt. Arbeitsrecht ist damit in erster Linie Arbeitnehmerschutzrecht. Voraussetzung ist stets, dass ein Arbeitsverhältnis nach BGB vorliegt, damit die Person auch als Arbeitnehmer qualifiziert wird. Wenn ein Arbeitsverhältnis vorliegt, greifen von sich heraus die arbeitsrechtlichen Vorschriften, ohne dass es eines Nachweis des Ungleichgewichts im Einzelfall bedarf.
Trotz einiger Bemühungen und der Regelung im Einigungsvertrag (), ein Arbeitsgesetzbuch zu schaffen, gibt es bisher noch keine einheitliche Kodifikation des Arbeitsrechts. Regelungen finden sich daher zersplittert u. a. in folgenden Rechtsquellen: * Europarecht (meist als Richtlinien) ** Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland insb. Abs. 3, Koalitionsfreiheit ** Bürgerliches Gesetzbuch insbes. , Dienstvertrag ** Gesetz zur Regelung eines allgemeinen Mindestlohns – Mindestlohngesetz ** Arbeitnehmer-Entsendegesetz ** Kündigungsschutzgesetz ** Betriebsverfassungsgesetz und Personalvertretungsgesetze (PersVG – öffentlicher Dienst) ** Tarifvertragsgesetz ** Mitbestimmungsgesetze (Montan-MitbestG, MitbestG und DrittelbG) regeln die Beteiligung der Arbeitnehmer am Aufsichtsrat ** Altersteilzeitgesetz ** Gewerbeordnung insbes. ** Handelsgesetzbuch insb. (Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge) ** Teilzeit- und Befristungsgesetz ** Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG) ** Entgeltfortzahlungsgesetz ** Bundesurlaubsgesetz ** Arbeitszeitgesetz ** Arbeitnehmerüberlassungsgesetz ** Arbeitssicherstellungsgesetz ** Mutterschutzgesetz und Bundeselterngeldgesetz ** Pflegezeitgesetz und Familienpflegezeitgesetz ** Arbeitsplatzschutzgesetz ** Jugendarbeitsschutzgesetz und Kinderarbeitsschutzverordnung ** Berufsbildungsgesetz sowie Ausbildungsverordnungen der einzelnen Berufe ** Arbeitsschutzgesetz und Arbeitsstättenverordnung ** Gesetz über Betriebsärzte, Sicherheitsingenieure und andere Fachkräfte für Arbeitssicherheit () ** Berufskrankheiten-Verordnung ** Viertes Buch Sozialgesetzbuch insbes. Geringfügige Beschäftigung ** Neuntes Buch Sozialgesetzbuch, Schwerbehindertenrecht ** Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) ** Gesetz über Arbeitnehmererfindungen zusammen mit der Zweiten Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über Arbeitnehmererfindungen ** Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung () ** Arbeitsgerichtsgesetz ** Gesetz über die Statistik der Verdienste und Arbeitskosten (Verdienststatistikgesetz – VerdStatG) ** Strafgesetzbuch (Lohnwucher nach BAG, Urteil vom 24. März 2004 - 5 AZR 303/03) ** Verordnung über die Berechnung, Zahlung, Weiterleitung, Abrechnung und Prüfung des Gesamtsozialversicherungsbeitrages (Beitragsverfahrensverordnung – BVV) ** diverse Rechtsverordnungen über Mindestarbeitsbedingungen für einzelne Branchen * Tarifverträge für Branchen sowie Einzelunternehmen * Betriebsvereinbarungen und Dienstvereinbarungen (öffentlicher Dienst) * Einzelarbeitsverträge * nicht das so genannte Richterrecht, da dieses rechtlich nicht bindend und somit keine Rechtsquelle ist. Faktisch kommt dem Richterrecht aber eine große Bedeutung im Arbeitsrecht zu, speziell im gesetzlich völlig ungeregelten Arbeitskampfrecht. (Zur Rangordnung der unterschiedlichen Rechtsquellen vergleiche Günstigkeitsprinzip sowie Normenpyramide im Arbeitsrecht.)
Ausgangspunkt des Arbeitsrechts ist der Arbeitsvertrag, durch den das Arbeitsverhältnis überhaupt erst begründet wird. Der Arbeitsvertrag ist eingebettet in ein komplexes System arbeitsrechtlicher Regulierungen durch Betriebsvereinbarungen bzw. Dienstvereinbarung (im öffentlichen Dienst), Tarifverträge, nationale Gesetze und Verordnungen sowie durch supranationale EU-Richtlinien und EU-Verordnungen. Auch der Rechtsprechung durch die nationalen Gerichte und den Europäischen Gerichtshof (EuGH) kommt eingeschränkt eine rechtsetzende Funktion zu. Der Arbeitsvertrag ist nach deutschem Recht ein Vertrag zur Begründung eines privatrechtlichen Schuldverhältnisses über die entgeltliche und persönliche Erbringung einer Dienstleistung. Der Arbeitsvertrag wird in BGB geregelt und stellt eine Unterart des Dienstvertrages dar. Werden Arbeitsvertragsbedingungen für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert, unterliegen sie grundsätzlich auch dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen nach ff. BGB. Im Unterschied zum freien Dienstverhältnis ist das durch den Arbeitsvertrag begründete Arbeitsverhältnis von der persönlichen Abhängigkeit des Arbeitnehmers vom Arbeitgeber gekennzeichnet. Der Arbeitnehmer kann im Wesentlichen nicht selbst seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen. Er ist vielmehr in die Arbeitsorganisation des Arbeitgebers eingegliedert und unterliegt typischerweise den Weisungen des Arbeitgebers über Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit. In Einzelfällen können sich Abgrenzungsschwierigkeiten ergeben, wie z. B. beim Crowdwork. Sofern das Rechtsverhältnis als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren ist, kommen die o. g. arbeitnehmerschützenden Vorschriften zum Tragen, so etwa das Mindestlohngesetz (Deutschland) oder auch das Kündigungsschutzgesetz. Zudem kommen die sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften damit regelmäßig zur Anwendung, da diese einen „Beschäftigten“ nach SGB IV voraussetzen und dieser Begriff weitgehend deckungsgleich ist. Das bedeutet: Wird die Person als Arbeitnehmer qualifiziert, ist diese auch in den Trägern der Sozialversicherung versichert und es müssen entsprechende Sozialversicherungsbeiträge gezahlt werden. Damit werden Arbeitnehmer zusätzlich gegen Alter, Erwerbsunfähigkeit, Krankheit und Unfällen abgesichert. Die meisten Arbeitsverträge werden einseitig und für eine Vielzahl von Fällen vorformuliert, so dass diese der Kontrolle der Allgemeinen Geschäftsbedingungen nach ff. BGB unterliegen. Auch das ist Ausdruck des strukturellen Ungleichgewichts, da durch die einseitige Vertragsgestaltung eine Situation geschaffen wird, in der Arbeitnehmerinteressen oft nicht angemessen berücksichtigt werden. Die AGB-Kontrolle dient damit dem Arbeitnehmerschutz und soll diesen vor einseitigen Formulierungen schützen.
Unter dem kollektiven Arbeitsrecht versteht man das Recht der arbeitsrechtlichen Koalitionen (Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände), das Tarifvertrags recht, das Arbeitskampfrecht (Streiks und Aussperrungen) sowie das Mitbestimmungsrecht in Unternehmen und Betrieben. Das kollektive Arbeitsrecht geht von einem Dualismus von Gewerkschaften (Tarifrecht) und den Betriebsräten (Betriebsverfassungsrecht) aus: Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände schließen Tarifverträge ab, die kraft Tarifbindung oder einzelvertragliche Einbeziehung für alle Beteiligten gelten. Der Abschluss von Tarifverträgen ist durch die Tarifautonomie in Art. 9 Abs. 3 GG geschützt. Auf der Ebene des Betriebs handelt der Betriebsrat mit dem Arbeitgeber Betriebsvereinbarungen aus, die Geltung nur für die Arbeitnehmer im Betrieb haben. Inhalt und Umfang von Betriebsvereinbarungen werden durch die im BetrVG genannten Tatbestände der Mitbestimmung in sozialen, personellen und wirtschaftlichen Angelegenheiten bestimmt. Hier bestehen keine Mittel des Arbeitskampfes zur Durchsetzung eigener Interessen, da das Betriebsverfassungsrecht von einer grundsätzlichen vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ausgeht nach Abs. 1 BetrVG. Bei Meinungsverschiedenheiten kann eine Einigungsstelle eingerichtet werden, die durch eine neutrale Person geleitet wird. Der oben angesprochene Dualismus beinhaltet, dass grundsätzlich keine Maßnahmen des Arbeitskampfes durch die Betriebsparteien vorgenommen werden ( Abs. 1 BetrVG). Das führt dazu, dass Betriebsräte sich nicht an Streiks beteiligen sollen. Hintergrund ist, dass der Arbeitskampf spezifische Maßnahmen der Tarifvertragsparteien darstellen, die stets auf den Abschluss eines Tarifvertrags gerichtet sein müssen, da ansonsten der notwendige Bezug zur Tarif- und Koalitionsfreiheit in Art. 9 Abs. 3 GG fehlt. Insofern müssen Arbeitskämpfe immer einen Bezug auf Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen haben, die durch Tarifvertrag zumindest regelbar sein müssen. Allgemeine politische Streiks ohne einen solchen Bezug sind daher nach der herrschenden Ansicht rechtswidrig und nicht durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützt.
Das Tarifvertragsrecht ist im Tarifvertragsgesetz geregelt. Das Arbeitskampfrecht ist vorwiegend Richterrecht; eine gesetzliche Normierung ist bislang nicht erfolgt. Rechtliche Grundlage des Tarifvertragsrechts sind die Koalitionsfreiheit, Art. 9 Abs. 3 GG und die Tarifautonomie. Tarifverträge kommen rechtsgeschäftlich durch zwei übereinstimmende Willenserklärungen der Tarifvertragsparteien zustande. Allerdings gelten nach TVG Tarifnormen wie Rechtsnormen, also unmittelbar und zwingend für die Parteien im Geltungsbereich des Tarifvertrags. Darüber hinaus sind Abweichungen nur zu Gunsten des Arbeitnehmers zulässig; Tarifnormen können ferner nicht durch Verzicht, Verwirkung oder Ausschlussfristen ausgehöhlt werden und gelten nach Ablauf der Tarifvertrags weiter, bis eine neue Regelung besteht.
Zu unterscheiden ist die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in privaten Betrieben und die Mitbestimmung in Unternehmen. Ein Unternehmen ist ein Rechtsträger (Einzelperson, Gesellschaft, juristische Person), der einen oder mehrere Betriebe führen kann. Betriebe sind organisatorische Einheiten, mittels derer der Unternehmer einen Betriebszweck (z. B.: Produktion, Dienstleistung) zu erfüllen versucht.
Die Unternehmensmitbestimmung im Aufsichtsrat ist im Drittelbeteiligungsgesetz, im Mitbestimmungsgesetz und im Montan-Mitbestimmungsgesetz geregelt. Das Drittelbeteiligungsgesetz hat 2004 die Weitergeltung von Teilen des BetrVG von 1952 abgelöst, ohne inhaltliche Änderungen nach sich zu ziehen.
Die betriebliche Mitbestimmung der Arbeitnehmer in privaten Betrieben ist im Betriebsverfassungsgesetz und im Sprecherausschussgesetz geregelt. Sie wird durch Betriebsräte und für die leitenden Angestellten durch Sprecherausschüsse ausgeübt, die von den Arbeitnehmern in freier und geheimer Wahl bestimmt werden. Der Betriebsrat als solcher ist nicht rechts- und vermögensfähig, sondern ihm wird in den gesetzlich fixierten Tatbestände eine eingeschränkte Rechtsfähigkeit zugesprochen. Die fehlende Vermögensfähigkeit wird durch den Ausgleichsanspruch für laufende Kosten gegen den Arbeitgeber ausgeglichen ( Abs. 1 BetrVG). Betriebsräte dürfen daher grundsätzlich keine eigene Kasse führen. Der Betriebsrat wird nach außen durch dessen Vorsitzenden vertreten. Mittel zur Durchsetzung des Mitbestimmungsrechts ist in erster Linie die Betriebsvereinbarung, die zusammen mit dem Arbeitgeber geschlossen werden. Diese kommen rechtsgeschäftlich zustande und werden wie Verträge im Zweifel ausgelegt. Die Kompetenzen der Betriebsparteien und damit Inhalt und Umfang der Betriebsvereinbarungen werden durch im BetrVG genannten Tatbestände der Mitbestimmung geregelt. Ein Handeln des Betriebsrat außerhalb dieser Komptenzgrundlagen wäre damit ultra vires. Die Mitbestimmung besteht in sozialen, personellen und wirtschaftlichen Angelegenheiten. Für alle Tatbestände muss ein kollektiver Bezug als ungeschriebene Voraussetzung vorliegen, so dass die Maßnahme nicht auf das einzelne Arbeitsverhältnis gerichtet sein darf, sondern stets eine Vielzahl an Arbeitnehmer erreichen muss. Der Grad an Mitbestimmung des Betriebsrats ist in sozialen Angelegenheiten am höchsten, denn hier sind die beabsichtichtigten Maßnahmen des Arbeitgebers mitbestimmungspflichtig, also dürfen ohne Zustimmung des Betriebsrats nicht durchgeführt werden. Nach der Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung sind Maßnahmen ohne Zustimmung des Betriebsrats im Individualarbeitsverhältnis rechtswidrig und begründen kein Weisungsrecht des Arbeitgebers. In personellen Angelegenheiten ist die Mitbestimmung eingeschränkter, so dass bei personellen Einzelmaßnahmen (Einstellung, Versetzung, Ein- und Umgruppierung) der Betriebsrat in Betrieben mit mehr als 20 Arbeitnehmern nur in den gesetzlich genannten Fällen ( Abs. 2 BetrVG) die Zustimmung verweigern kann und der Arbeitgeber die Maßnahme dennoch vorläufig in dringenden Fällen durchführen kann. Bei allgemeinen personellen Planungen hat der Arbeitgeber den Betriebsrat lediglich zu unterrichten; bei Auswahlrichtlinien wird jedoch die Zustimmung des Betriebsrats benötigt, BetrVG. Bei beabsichtigten Kündigungen muss der Betriebsrat zwar angehört werden, allerdings hat der Widerspruch des Betriebsrats keine rechtliche Unwirksamkeit der Kündigung selbst zur Folge. Allerdings hat der Arbeitnehmer einen gesetzlichen Weiterbeschäftigungsanspruch, wenn die weiteren Voraussetzungen in Abs. 5 BetrVG vorliegen. In wirtschaftlichen Angelegenheiten ist die Mitbestimmung am geringsten: Hier wird ab einer Belegschaftsgröße von mehr als 100 wahlberechtigten Arbeitnehmern ein Wirtschaftsausschuss gebildet, der lediglich über wirtschaftliche Daten unterrichtet wird, aber nicht in die wirtschaftliche Führung des Betriebs selbst eingreift, so dass hier auch keine Mitbestimmungsrechte bestehen. Bei Betriebsänderungen (Schließungen, Verlegungen etc., BetrVG) muss ein Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat über die Durchführung und Gestaltung erzielt werden, wenn regelmäßig mehr als 20 Arbeitnehmer im Betrieb beschäftigt sind. Ebenso besteht eine Mitbestimmung mit Blick auf den Sozialplan, bei dem die wirtschaftliche Nachteile für die Arbeitnehmer gemildert oder ausgeglichen werden (oft durch Regelabfindungen). Die Mitbestimmung steht in einem Spannungsverhältnis zwischen der Eigentumsfreiheit und der Privatautonomie des Arbeitgebers einerseits und der Beteiligung und Mitbestimmung der Arbeitnehmer andererseits. Daher ist die Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten am größten, da hier der Zugriff auf die Person des Arbeitnehmers am intensivsten ist; die Mitbestimmung in personellen und wirtschaftlichen Angelegenheiten ist daher abgeschwächt, da diese prinzipiell die privatautonome Betätigung des Arbeitgebers beeinträchtigt. Vor allem sind wirtschaftliche Angelegenheiten mitbestimmungsfrei, da diese in erster Linie als Ausdruck der unternehmerischen Freiheit zu werten sind. In Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Dienstes sind Personalvertretungen zuständig, deren Arbeitsgrundlagen für die Bundesverwaltung im Bundespersonalvertretungsgesetz, ansonsten in Personalvertretungsgesetzen der 16 Bundesländer enthalten sind. In kirchlichen Tendenzbetrieben sind Mitarbeitervertretungen aufgrund kirchlichen Arbeitsrechtes tätig.
Im kollektiven Arbeitsrecht bestehen neben staatlichen Gesetzen Kollektivvereinbarungen als zwingende Rechtsgrundlagen für die erfassten Arbeitsverhältnisse. Das sind einmal branchen- oder unternehmensbezogen die Tarifverträge und betriebsbezogen die Betriebsvereinbarungen (bzw. im öffentlichen Dienst Dienstvereinbarungen).
* Gesetzliche Ausschlussfristen im Arbeitsrecht (Deutschland) * Privatautonome Ausschlussfristen im Arbeitsrecht (Deutschland)
* Bundesministerium für Arbeit und Soziales: Übersicht über das Arbeitsrecht / Arbeitsschutzrecht. Januar 2008, ISBN 978-3-8214-7281-2 (Buch mit CD). * Michael Kittner, Bertram Zwanziger, Olaf Deinert (Hrsg.): Arbeitsrecht. Handbuch für die Praxis. 6. Auflage, Bund-Verlag, Frankfurt am Main 2011, ISBN 978-3-7663-6085-4 (Buch mit CD). * Rolf Geffken: Umgang mit dem Arbeitsrecht : Handbuch für Beschäftigte : Neuauflage und Altauflage in einem: 40 Jahre Erfahrung mit dem Arbeitsrecht Cadenberg 2019, ISBN 978-3-924621-18-6
* Hans Brox, Bernd Rüthers, Martin Henssler: Arbeitsrecht. 18. Auflage, Kohlhammer Verlag, Stuttgart 2010, ISBN 978-3-17-021515-3. * Wolfgang Däubler: Arbeitsrecht – Ratgeber für Beruf, Praxis und Studium. 8. Aufl. 2010, Bund-Verlag, Frankfurt a. M., ISBN 978-3-7663-3991-1. * Wilhelm Dütz & Gregor Thüsing: Arbeitsrecht. 20. Auflage, Beck Juristischer Verlag, München 2015, ISBN 978-3-406-60559-8. * Monika Hausmann: Die Reaktion auf Willensmängel beim Arbeitsvertragsschluss. Herbert Utz Verlag, München 2008, ISBN 978-3-8316-0809-6. * Abbo Junker: Grundkurs Arbeitsrecht. 14. Auflage, Verlag C.H. Beck, München 2015, ISBN 978-3-406-61585-6. * Günter Marschollek: Arbeitsrecht. 18. Auflage, Alpmann Schmidt, Münster 2011, ISBN 978-3-86752-166-6. * Michael Wollenschläger: Arbeitsrecht. 3. Auflage, Heymanns, Köln 2010, ISBN 978-3-8006-4136-9.
* Küttner, Jürgen Röller (Hrsg.): Personalbuch 2010. Arbeitsrecht – Lohnsteuerrecht – Sozialversicherungsrecht (Kommentierung nach Stichworten), 17. Auflage, München 2010, Verlag C.H. Beck, ISBN 978-3-406-57813-7. * Wolfgang Däubler, Birger Bonin, Olaf Deinert: AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht (Kommentierung zu den §§ 305-310 BGB), 3. Auflage, München 2010, Verlag Franz Vahlen, ISBN 978-3-8006-3772-0.
* Arbeit und Arbeitsrecht (AuA), Zeitschrift für das Personal-Management, Huss-Medien GmbH, . * Arbeit und Recht (AuR), Deutsches und Europäisches Arbeitsrecht. Bund-Verlag, . * Arbeitsrechtliche Entscheidungen, Zeitschrift der Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht des Deutschen Anwaltvereins, * Fachanwalt Arbeitsrecht (FA), Zeitschrift für die beratende und die gerichtliche Praxis. Luchterhand, . * Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht (NZA). Verlag C.H. Beck, . * Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht - Rechtsprechungs-Report Arbeitsrecht (NZA-RR). Verlag C.H. Beck, . * Recht der Arbeit (RdA), Zeitschrift für die Wissenschaft und Praxis des gesamten Arbeitsrechts. Verlag C.H. Beck, . * Zeitschrift für Arbeitsrecht (ZFA). Carl Heymanns Verlag, .
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Aussperrung
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Als Aussperrung bezeichnet man die vorübergehende Freistellung von Arbeitnehmern von der Arbeitspflicht durch einen Arbeitgeber in einem Arbeitskampf ohne Fortzahlung des Arbeitslohnes. Sie ist eine erlaubte mögliche Antwort der Arbeitgeberseite auf einen Streik (Abwehraussperrung) und soll die Kosten des Streiks für die Gewerkschaften erhöhen, da diese mehr Streikgelder bezahlen müssen. Zwar gilt bereits für die Streikenden der Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“, so dass der Arbeitgeber diesen ohnehin kein Entgelt zahlen muss. Jedoch kann der Arbeitgeber mit der Aussperrung auch die Arbeitswilligen von der Arbeit ausschließen. Gewerkschaftsmitglieder würden in diesem Falle Unterstützung aus der Streikkasse erhalten. Nicht-Mitglieder stünden jedoch ohne finanzielle Absicherung da. Der Staat darf aufgrund der Tarifautonomie keine Leistungen zahlen, da dies gegen das Neutralitätsgebot verstoßen würde. In der Praxis hat die Aussperrung in Deutschland an Bedeutung verloren. Seit der Wiedervereinigung kam diese kaum zum Einsatz. Im Februar 2020 kam es z. B. zu Aussperrungen seitens der Gilde-Brauerei, die im Arbeitskampf mit der NGG Tarifverhandlungen verhindern wollte. Die hessische Verfassung bestimmt in Artikel 29 Absatz 5: „Die Aussperrung ist rechtswidrig.“ Dazu hat das Bundesarbeitsgericht 1988 entschieden, dass die Regelung zumindest insoweit nichtig sei, als es um suspendierende Aussperrungen geht. Deren Zulässigkeit sei dem Tarifvertragsgesetz zu entnehmen, das als Bundesrecht gemäß Artikel 31 des Grundgesetzes Vorrang genieße.
Der Ausdruck ist die Eindeutschung des englischen Begriffs „Lock-out“ (nach Merriam-Webster’s: erstes Auftreten 1854) und wie die Maßnahme selbst aus dem Vereinigten Königreich übernommen worden. Neben der Abwehraussperrung wird in der Literatur auch die Angriffsaussperrung beschrieben, in der die Arbeitgeberverbände versuchen, ihrerseits tarifvertragliche Änderungen zu bewirken. Entsprechend der Typisierung von Streiks können auch Aussperrungen in Sympathie-, Straf-, Generalaussperrung oder nach flächenmäßigem Umfang nach Einzel-, Verbands- oder Flächenaussperrung unterschieden werden. Eine weitere Unterscheidung ist die nach suspendierender oder lösender Aussperrung. Bei lösender Aussperrung erfolgt eine Entlassung der betreffenden Mitarbeiter, ohne dass am Ende des Arbeitskampfes das alte Arbeitsverhältnis wieder auflebt. Bei einer suspendierenden Aussperrung ruht das Arbeitsverhältnis nur und wird automatisch wieder aufgenommen. Es wird zwischen kalter und heißer Aussperrung unterschieden.
Die heiße Aussperrung ist im deutschen Recht eine Maßnahme des Arbeitgebers im Arbeitskampf. Sie bedeutet den vorübergehenden Ausschluss mehrerer Arbeitnehmer von Beschäftigung und Lohnzahlung, also eine Einstellung der Arbeit. Sie ist in der Praxis stets eine Reaktion (Abwehrmaßnahme) auf einen Streik. Die theoretisch denkbare Angriffsaussperrung kommt praktisch nicht vor. Die Zulässigkeit der Aussperrung ist in der rechtswissenschaftlichen und politischen Literatur umstritten, wird in der Rechtsprechung aber schon seit langem anerkannt. Dabei wird die Aussperrung grundsätzlich nur im Rahmen der Waffengleichheit (Kampfparität) gewährt.
Mit einer kalten Aussperrung wird eine Aussperrung bezeichnet, wenn ein Betrieb nicht produzieren kann, da er abhängig von einem anderen Betrieb ist, der sich in einem Zustand des Streiks und somit auch der heißen Aussperrung befindet. Dies wäre beispielsweise der Fall, wenn ein Automobilhersteller keine Autos produzieren kann, weil der Zulieferer keine Bauteile anliefert, und deshalb aussperrt. Eine angebliche Abhängigkeit vom Zulieferer liegt dabei vor, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmern anstelle einer kalten Aussperrung Beschäftigungen anweisen könnte, die auch ohne das besagte Bauteil des bestreikten Zulieferers durchführbar wären, dies aber wegen einer zu geringen erwartbaren Wertschöpfung unterlässt. Eine echte Abhängigkeit liegt vor, wenn ein Produkt ohne das Bauteil des Zulieferers nicht gefertigt werden kann und sich das halbfertige Produkt, ohne das besagte Bauteil, nicht auf Halde legen lässt und wenn es keine anderweitigen wertschöpfenden Beschäftigungsmöglichkeiten gibt.
Kalte Aussperrungen werden damit begründet, dass eine Weiterproduktion aufgrund der fehlenden Zulieferteile nicht möglich ist.
Unter Gewerkschaften ist eine verbreitete Meinung, dass kalte Aussperrungen nicht zwingend notwendig und nur willkürliche Kampfmittel sind, um Gewerkschaften zur Streikaufgabe zu zwingen („Kostenkeule“). Die Gewerkschaften sehen in kalten Aussperrungen ein Mittel der Arbeitgeber, die Kosten für einen Streik zu erhöhen. Bei einem Streik in einem kleinen Zulieferbetrieb, der für viele Betriebe produziert, führt eine „heiße“ Aussperrung dazu, dass in großem Maße Aussperrungen bei den nun nicht mehr belieferten Betrieben folgen. Damit werden auch diese kalt ausgesperrten Betriebe mit möglicherweise Hunderttausenden Arbeitnehmern in einen Arbeitskampf einbezogen. Ziel der Arbeitgeber sei es, so die Gewerkschaften, den Arbeitskampf schnell zu brechen, da nur für den Ursprungsbetrieb, der die heiße Aussperrung betreibt, Streikunterstützungen gezahlt werden. Die Beschäftigten, die von der kalten Aussperrung betroffen sind, erhalten keine finanzielle Unterstützung von der Gewerkschaft oder dem Arbeitsamt und üben damit Druck auch auf die Gewerkschaften aus. Nach einer Gesetzesänderung (§ 116 AFG) im Jahr 1986 wird kalt ausgesperrten Beschäftigten kein Kurzarbeitergeld mehr gezahlt.
Zunehmende Auslagerung von Teilaufgaben (Outsourcing) erhöhte in den 1970er und 1980er Jahren die Abhängigkeit der Unternehmen von ihren Lieferanten. Erklärte Strategie der Gewerkschaften Anfang der 1980er war daher, durch Schwerpunktstreiks in ausgewählten Zuliefererbetrieben ganze Industriezweige lahmzulegen und die eigene Streikkasse durch die geringe Zahl der Streikenden zu schonen. Die Arbeitgeber reagierten auf diese Strategie mit umfangreichen „kalten“ Aussperrungen der Betriebe, die mangels Vorprodukten nicht mehr arbeiten konnten. Die von diesen Aussperrungen betroffenen Mitarbeiter erhielten im Regelfall aufgrund des Arbeitsförderungsgesetzes während der Aussperrung Arbeitslosengeld. Damit war die Neutralität der Bundesanstalt für Arbeit nach Meinung der Regierung gefährdet. Aufgrund dessen wurde (gegen den Widerstand von SPD und Gewerkschaften) 1986 durch den Bundestag durch das „Gesetz zur Sicherung der Neutralität der Bundesanstalt für Arbeit bei Arbeitskämpfen“ der § 116 AFG neu gefasst. Seit dieser Gesetzesänderung ist eine Zahlung von Arbeitslosengeld an „kalt“ ausgesperrte Arbeitnehmer nur unter sehr erschwerten Bedingungen möglich. Das Bundesverfassungsgericht erklärte in einem Urteil vom 4. Juli 1995 diese Regelung für zulässig. Die Regelung des § 116 AFG wurde mit der Einordnung des Arbeitsförderungsrechts in das Sozialgesetzbuch zum 1. Januar 1998 in SGB III ohne inhaltliche Änderungen übernommen. Seit dem 1. April 2012 wird das Ruhen des Arbeitslosengeldes bei Arbeitskämpfen in SGB III geregelt. Die Vorschrift wurde lediglich zur sprachlichen Gleichbehandlung von Frauen und Männern angepasst.
Der Umfang und die Häufigkeit von Aussperrungen änderte sich je nach Epoche. Im deutschen Kaiserreich waren Aussperrungen ein vielfach angewendetes Mittel des Arbeitskampfes. Die im Vergleich zu späteren Jahren hohe absolute Zahl von Aussperrungen (und Streiks) erklärt sich daraus, dass zu dieser Zeit Arbeitskämpfe überwiegend auf Unternehmensebene geführt wurden. Entsprechend war die Zahl der Betroffenen je Aussperrung vergleichsweise gering. In der Weimarer Republik weiteten sich die Arbeitskämpfe auf Branchen und Regionen aus. Damit verbunden war ein starker Anstieg der Zahl der Betroffenen. Den Höhepunkt weist die Statistik im Jahr 1924 aus, in dem 976.936 Personen in 11.003 Betrieben von insgesamt 392 Aussperrungen betroffen waren und dadurch 22.775.774 Arbeitstage ausfielen. In der Bundesrepublik Deutschland findet das Instrument der Aussperrung nur noch vereinzelt Anwendung. Lediglich in den Arbeitskämpfen der Jahre 1963, 1971 und 1976 waren Arbeitnehmer in größerem Umfang von Aussperrungen betroffen. In der Zeit des Nationalsozialismus und in der Deutschen Demokratischen Republik waren Aussperrungen (und Streiks) verboten. Im Vergleich zu Streiks sind Aussperrungen wesentlich seltener, dauern aber länger und betreffen mehr Beschäftigte.
Bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts hinein spielten Aussperrungen keine große Rolle. Instrumente der Arbeitgeber in Arbeitskämpfen waren stattdessen Schwarze Listen, Streikfonds sowie die Entlassungen der Streikenden und Neueinstellungen. Ab den 1870er Jahren sind erste Aussperrungen überliefert. Voraussetzung war die Bildung von Arbeitgeberverbänden. Aussperrungen wurden vor allem bei prinzipiellen Fragen und der Forderung nach Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen vorgenommen. Eine erste große Aussperrung fand ab Februar 1873 statt. Im Tarifkonflikt in der Druckindustrie (die Setzer wurden nach der kalkulatorischen Länge des gesetzten Textes bezahlt. Strittig war die Kalkulation: Die Gewerkschaft forderte die Anwendung der realen Breite der Buchstaben, die Arbeitgeber wollten einheitlich die Breite des „n“ ansetzen) wurde der erste reichsweite allgemeinverbindliche Tarifvertrag erstreikt. In diesem Konflikt erfolgte die Aussperrung aller gewerkschaftlich organisierten Buchdruckergesellen. Dennoch gelang es den Gewerkschaften am 5. März 1873 den gewünschten Tarifvertrag zu erreichen. Die Maiaussperrungen waren eine mehrfach vorkommende Strafaussperrung im Zusammenhang mit dem Gedenktag des Ersten Mai: 8000 Hafenarbeiter, die Teilnehmer der Feier am 1. Mai 1890 waren, wurden durch eine Strafaussperrung vom 2. bis 11. Mai sanktioniert. Auch in den Folgejahren wurde gleichartig vorgegangen. So erhielten im Folgejahr 1891 Hamburger Kupferschmiede „die üblichen 6-8 Tage“. Nach dem Ende des Sozialistengesetzes 1890 stieg die Zahl der Streiks stark an. Entsprechend stieg auch die Zahl der Aussperrungen, diese waren aber weiter auf grundsätzliche Themen konzentriert und der Schwerpunkt lag darauf, gewerkschaftliche Organisation in den Betrieben zu vermeiden. Mit dem Jahr 1903 begann eine Welle von Aussperrungen, die 1905 einen Gipfel erreichte. Nachdem die Versuche, die Organisation der Gewerkschaften zu verhindern, wenig erfolgreich waren und die SPD Zuwächse erreichte, änderten die Arbeitgeber die Strategie: Kleinere Arbeitsniederlegungen wurden sofort mit Aussperrungen beantwortet, um die Gewerkschaften in die Knie zu zwingen. Die letzte große Aussperrung im Kaiserreich war der Tarifkonflikt im Bauarbeitergewerbe 1910.
* BAG vom 28. Januar 1955, AP Nr. 1 zu GG Arbeitskampf * BAG vom 21. April 1971, AP Nr. 43 zu Art. 9 GG Arbeitskampf * BAG vom 10. Juni 1980, AP Nr. 65 zu Art. 9 GG Arbeitskampf * BAG vom 26. April 1988, AP Nr. 84 zu Art. 9 GG Arbeitskampf * BAG vom 26. April 1988, AP Nr. 101 zu Art. 9 GG Arbeitskampf * BAG vom 7. Juni 1988, AP Nr. 107 zu Art. 9 GG Arbeitskampf * BVerfG vom 26. Juni 1991, AP Nr. 117 zu Art. 9 GG Arbeitskampf * BAG vom 11. August 1991, AP Nr. 124 zu Art. 9 GG Arbeitskampf * BAG vom 27. Juni 1995, DB 1996, 143 zu Art. 9 GG Arbeitskampf
* Michael Schneider: Aussperrung: Ihre Geschichte und Funktion vom Kaiserreich bis heute. 1980, ISBN 3-7663-0414-3 * Der Kampf um den Streikparagraphen 116 ... denn wir geben nicht auf, IG Metall, Frankfurt 1986, ISBN 3-922454-08-9 * Ulrich Zachert, Maria Metzke und Wolfgang Hamer: Die Aussperrung: zur rechtlichen Zulässigkeit und praktischen Durchsetzungsmöglichkeit eines Aussperrungsverbots, Bund-Verlag 1978, ISBN 9783766301901 * Ulrich Zachert: Demokratie ohne Streikrecht? – Der Paragraph 116 AFG vor dem Bundesverfassungsgericht, Gewerkschaftliche Monatshefte, 2/1995, S. 89–96
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Augustus
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)Sogenannter „Augustus Bevilacqua“, Münchner Glyptothek. Augustus (* 23. September 63 v. Chr. als Gaius Octavius in Rom; † 19. August 14 n. Chr. in Nola bei Neapel) war der erste römische Kaiser. Der Großneffe und Haupterbe Gaius Iulius Caesars gewann die Bürgerkriege, die auf dessen Ermordung im Jahr 44 v. Chr. folgten, und war von 31 v. Chr. bis zu seinem Tod faktisch Alleinherrscher des Römischen Reiches. Unter der Devise der vorgeblichen Wiederherstellung der Republik – restitutio rei publicae – betrieb er in Wirklichkeit deren dauerhafte Umwandlung in den quasi-monarchischen Prinzipat, der rund 300 Jahre lang bestand, bis zur Reichskrise des 3. Jahrhunderts. Damit setzte er dem Jahrhundert der Römischen Bürgerkriege ein Ende und begründete die Julisch-Claudische Kaiserdynastie. Seine Herrschaft, nach außen durch zahlreiche Expansionskriege geprägt, mündete im Inneren in eine lang anhaltende Konsolidierungs- und Friedensphase, die als Pax Augusta verklärt wurde.
mit der offiziellen Titulatur des Augustus Der Geburtsname des späteren Augustus lautete Gaius Octavius. Laut Sueton trug er ursprünglich das Cognomen Thurinus, das sonst nicht belegt ist. Cassius Dio nennt den Namen Kaipias als weiteres, jedoch wenig beachtetes Cognomen des Augustus. Nach der testamentarischen Adoption durch Caesar im Jahr 44 v. Chr. nahm er dessen Namen offiziell an: C. Iulius Caesar oder in vollständiger Form mit Filiation Gaius Iulius C. f. Caesar. Den Namenszusatz Octavianus, wie er nach einer Adoption eigentlich üblich gewesen wäre, hat er wohl selbst nie geführt, wenngleich andere, darunter Marcus Tullius Cicero, ihn so nannten. Auch die moderne geschichtswissenschaftliche Literatur verwendet für die Zeit seines Aufstiegs meist die Namen Octavian oder Oktavian, um ihn sowohl von Gaius Iulius Caesar als auch von seiner späteren Rolle als Augustus zu unterscheiden. Spätestens nach der offiziellen Apotheose Iulius Caesars im Jahr 42 v. Chr. lautete der neue Name seines Adoptivsohns Gaius Iulius Divi filius Caesar. Nach der Annahme des Titels Imperator als Vorname – vielleicht 38 v. Chr., spätestens 31 v. Chr. – verwendete er das ursprüngliche Cognomen Caesar an Stelle des Gentilnamens Iulius (Imperator Caesar Divi filius). Am 16. Januar 27 v. Chr. verlieh ihm der Senat den Ehrennamen Augustus (dt.: „der Erhabene“), so dass sich als vollständige Form Imperator Caesar Divi filius Augustus ergab. Der Name Augustus wurde wie der Name Caesar mit Beginn der Regierungszeit seines Nachfolgers Tiberius zum Bestandteil der römischen Kaisertitulatur. Die Bezeichnung Imperator dagegen wurde von den ersten Nachfolgern des Augustus noch nicht als Praenomen geführt. Zum Zeitpunkt seines Todes lauteten sein Name und seine vollständige Titulatur: Imperator Caesar Divi filius Augustus, Pontifex maximus, Co(n)s(ul) XIII, Imp(erator) XXI, Trib(uniciae) pot(estatis) XXXVII, P(ater) p(atriae) (zu deutsch etwa: „Imperator Caesar, Sohn des Vergöttlichten, der Erhabene, Höchster Oberpriester, 13 Mal Konsul, 21 Mal Imperator, 37 Mal Inhaber der tribunizischen Gewalt, Vater des Vaterlandes“). Nach seiner Konsekration im Jahr 14 n. Chr. wurde sein offizieller Name als Divus Augustus Divi filius weitergeführt.
Die Lebensgeschichte des Kaisers Augustus handelt von zwei scheinbar gegensätzlichen Persönlichkeiten: einerseits von einem jungen, ehrgeizigen, mitunter grausamen Politiker, der im Kampf um die Macht weder Gesetz noch Skrupel kannte, andererseits von dem Kaiser, der – einmal im Besitz dieser Macht – äußerst klugen Gebrauch von ihr machte und mit dem Prinzipat eine neue, dauerhafte Staatsordnung an die Stelle der in 100 Jahren Bürgerkrieg zerrütteten Republik setzte.
Der spätere Augustus und seine Schwester Octavia waren die Kinder des Gaius Octavius und seiner Frau Atia, einer Nichte Gaius Iulius Caesars. Über seinen Großvater Marcus Atius Balbus war Augustus mit Gnaeus Pompeius Magnus verwandt. Dessen Großvater, Gnaeus Pompeius, war zugleich Augustus’ Ururgroßvater. Die Familie der Octavier gehörte den Equites, dem römischen Ritterstand an. Sie war wohlhabend, aber wenig bedeutend. Als Erster seines Familienzweigs seit über 100 Jahren schlug Gaius Octavius den Cursus honorum ein, stieg in den Senat auf und gelangte 61 v. Chr. bis zur Praetur. Nach dem überraschenden Tod des Vaters im Jahr 59 oder 58 v. Chr. heiratete die Mutter Lucius Marcius Philippus, der 56 v. Chr. das Konsulat bekleidete. Der junge Gaius wurde seiner Großmutter Iulia, einer älteren Schwester Caesars, zur Erziehung übergeben. Auf ihrem Landgut in Velitrae wuchs er auf, bis sie im Jahr 51 v. Chr. starb. Laut Sueton hielt Gaius die Leichenrede für seine Großmutter. Den Rest seiner Kindheit verbrachte er im Haus seines Stiefvaters Philippus in Rom. Im Jahr 49 v. Chr. legte er die Männertoga (toga virilis) an. Da Caesar keinen gesetzlich anerkannten Sohn hatte, nahm er sich seines Großneffen an. So wurde Octavius dank Caesars Fürsprache 48 v. Chr. in das Kollegium der Pontifices aufgenommen. 47 v. Chr. wurde er für die Dauer des Latinerfestes, an dem sich die Konsuln und die übrigen Magistrate traditionsgemäß außerhalb Roms aufhielten, zum Praefectus urbi, das heißt zum stellvertretenden Oberhaupt der Republik, ernannt. Im Jahr 46 v. Chr. ließ Caesar ihn an seinem Triumphzug anlässlich des Sieges im Bürgerkrieg teilnehmen. Im Jahr darauf begleitete Gaius Octavius seinen Großonkel auf dessen Kriegszug gegen die Söhne des Pompeius nach Spanien, wo er Caesar angeblich durch seine Tapferkeit beeindruckte. Als Reiterführer (magister equitum) sollte er auch an dem geplanten Partherkrieg teilnehmen und war mit seinen Freunden Marcus Vipsanius Agrippa und Quintus Salvidienus Rufus Salvius bereits nach Apollonia im heutigen Albanien vorausgeschickt worden. Dort erreichte ihn im Frühjahr 44 v. Chr. die Nachricht von Caesars Ermordung. Während seiner Rückreise nach Rom erfuhr er, dass der Diktator ihn durch Testamentsverfügung adoptiert und zum Haupterben seines Privatvermögens eingesetzt hatte. Caesar hatte diese Verfügung nach der Ermordung seines zunächst als Erbe vorgesehenen Neffen Sextus Iulius Caesar getroffen, mit dem er, anders als mit Octavius, in männlicher Linie verwandt gewesen war.
, Nubien; heute London, Britisches Museum) Die testamentarische Adoption eines Erwachsenen war zwar ungewöhnlich, entsprach aber geltendem Recht. Daher nahm Gaius Octavius, sobald er zurück in Rom war, das Testament sowie alle damit verbundenen Verpflichtungen an und nannte sich fortan nach seinem Adoptivvater Gaius Iulius Caesar. Die moderne Geschichtsschreibung bezeichnet ihn von diesem Zeitpunkt an – wie schon einige Zeitgenossen – als Octavian. In dem Konflikt zwischen Caesars Anhängern – die sich um Marcus Antonius scharten – und den republikanisch gesinnten Caesarmördern um Gaius Cassius Longinus sowie Marcus und Decimus Iunius Brutus spielte er sehr schnell eine wichtige Rolle, da er von Caesars Veteranen, aber auch von den politischen Freunden des toten Diktators unterstützt wurde. Marcus Antonius beanspruchte als Unterfeldherr Caesars und dessen Mitkonsul für das Jahr 44 v. Chr. die Führung der caesarianischen Gefolgsleute für sich. So weigerte er sich zunächst, das Vermögen des Diktators an Octavian herauszugeben. Dieser zahlte dennoch die in Caesars Testament vorgesehenen Legate an dessen Veteranen und die Bevölkerung Roms aus. Dafür nutzte er die in Apollonia beschlagnahmte, für den Partherkrieg vorgesehene Kriegskasse, versteigerte aber auch eigene Güter. Dieses Vorgehen brachte ihm rasch eine große Zahl von Anhängern und damit auch politisches Gewicht ein. Der einflussreiche Senator und Konsular Marcus Tullius Cicero, der nicht zu den Verschwörern gehört hatte, aber mit der republikanischen Sache sympathisierte, unterstützte den scheinbar unerfahrenen jungen Mann, in der Hoffnung, ihn als politisches Gegengewicht zu Marcus Antonius aufbauen zu können. Octavian ging vordergründig darauf ein, verfolgte aber seine eigenen Pläne und stützte sich dabei auf eigene, erfahrene Ratgeber. Dazu gehörten persönliche Freunde wie der wohlhabende Gaius Maecenas, Marcus Vipsanius Agrippa und Quintus Salvidienus Rufus Salvius sowie sein Stiefvater Philippus. Als Lehrer und philosophische Berater zog Octavian Athenodoros von Tarsos und Areios von Alexandria zu Rate. Von besonderer Bedeutung war, dass Octavian sofort zwei der engsten Berater Caesars für sich gewinnen konnte: Gaius Oppius und Lucius Cornelius Balbus. Oppius hatte zuvor Caesars Korrespondenz verwaltet und seinem Nachrichtendienst vorgestanden; Balbus war Caesars Privatsekretär gewesen, hatte als „graue Eminenz“ hinter dem Diktator gegolten und während dessen häufiger Abwesenheit von Rom inoffiziell die Amtsgeschäfte geführt. Oppius und Balbus wurden zu wichtigen Vertrauensmännern Octavians, die starken Einfluss auf seine ersten Schritte als Caesars Erbe nahmen. So stand dem vermeintlich unerfahrenen Octavian vom Beginn seiner politischen Laufbahn an ein umfangreicher Beraterstab zur Verfügung, der ihn nachhaltig unterstützte.
Während Antonius Ende des Jahres 44 v. Chr. in Gallia cisalpina Decimus Iunius Brutus Albinus angriff, baute Octavian in Italien ein Heer aus Veteranen Caesars auf. Auf Drängen Ciceros, der den Kampf gegen Marcus Antonius forderte und dazu Octavians Truppen benötigte, legitimierte der Senat Anfang 43 v. Chr. dessen angemaßte militärische Befehlsgewalt. Darüber hinaus ernannte er den noch nicht 20-Jährigen zum Senator, verlieh ihm ein proprätorisches Kommando über seine Legionen sowie den Rang eines Konsularen und gestattete ihm die Übernahme aller Ämter zehn Jahre vor dem gesetzlich festgelegten Mindestalter. Octavian ging jetzt sogar ein Bündnis mit den Republikanern ein. Noch im selben Jahr besiegte er Antonius gemeinsam mit einem Senatsheer unter den Konsuln Aulus Hirtius und Gaius Vibius Pansa Caetronianus in der Schlacht von Forum Gallorum und einer weiteren Schlacht bei Mutina. Beide Oberhäupter der Republik kamen im Mutinensischen Krieg um, und Octavian verlangte nun eines der freigewordenen Konsulate für sich. Als der Senat dies verweigerte, marschierte Octavian mit seinen Truppen auf Rom und bemächtigte sich staatsstreichartig der Stadt. Am 19. August 43 v. Chr. erzwang er seine Wahl zum Konsul sowie die Ächtung der Caesarmörder. Mittlerweile hatte Antonius wieder mehr Legionen unter seinen Befehl gebracht als vor seiner Niederlage. Daher – und weil Octavian auf der politischen Bühne Roms nun als „Rächer“ seines Adoptivvaters auftrat – wechselte er die Seiten und ging ein Bündnis mit den Caesarianern ein: Zusammen mit Marcus Antonius und dem ehemaligen Reiterführer Caesars, Marcus Aemilius Lepidus, bildete er im Oktober 43 v. Chr. das so genannte zweite Triumvirat. Es beruhte, anders als das erste Triumvirat zwischen Caesar, Pompeius und Crassus nicht auf privaten politischen Absprachen, sondern wurde gesetzlich verankert. Zur Bekräftigung des Bündnisses heiratete Octavian Antonius’ Stieftochter Clodia.
der beiden Triumvirn Marcus Antonius (Vorderseite) und Octavian (Rückseite), 41 v. Chr. Die „Dreimännerherrschaft zur Ordnung des Staates“ (tresviri rei publicae constituendae), wie das Bündnis offiziell hieß, beruhte vor allem auf der militärischen Macht der Triumvirn, also auf ihrer Verfügungsgewalt über die römischen Legionen. Sie ließen sich von der Volksversammlung am 27. November 43 v. Chr. mittels der lex Titia weitgehende Machtbefugnisse auf fünf Jahre übertragen. Zwar erhielten sie quasi-diktatorische Vollmachten, die Bezeichnung Diktatur wurde aber vermieden, da Antonius dieses Amt nach Caesars Ermordung per Gesetz hatte abschaffen lassen. Wie zur Zeit Sullas wurden nun Proskriptionslisten veröffentlicht und alle, die darauf verzeichnet waren, für vogelfrei erklärt. Laut Sueton soll sich Octavian anfangs gegen die Proskriptionen gewehrt, sie dann aber unnachsichtiger durchgeführt haben als seine beiden Kollegen. Von den Proskriptionen waren 300 Senatoren und 2000 Ritter betroffen. Auf Antonius’ Betreiben fiel dem Massaker an den politischen Gegnern der Triumvirn auch Cicero zum Opfer. Die Proskriptionen erfüllten zwar nicht die finanziellen Erwartungen der Triumvirn, doch sie dezimierten die republikanische Führungsschicht im Senat von Rom, dessen Lücken die Machthaber mit loyalen Anhängern füllten. Ähnlich verfuhren sie mit den Magistraten anderer Städte. Diese und andere Maßnahmen verschoben die Gewichte innerhalb der römischen Führungsschicht entscheidend zu Ungunsten der republikanisch gesinnten Kräfte. Es waren diese Umwälzungen, die der Augustus-kritische Althistoriker Ronald Syme als „roman revolution“ bezeichnete. Im Jahr 42 v. Chr. gingen Antonius und Octavian nach Griechenland, wo die Caesarmörder Marcus Iunius Brutus und Gaius Cassius Longinus ihre Streitkräfte gesammelt hatten. Deren Niederlage in der Schlacht bei Philippi in Makedonien im Herbst besiegelte den Untergang der römischen Republik. Da der Sieg im Wesentlichen Antonius zu verdanken war, gewann seine Stimme innerhalb des Triumvirats weiter an Gewicht. Als die Triumvirn nach Philippi ihre Einflusssphären absteckten, erhielt Antonius zusätzlich zu Gallia Comata die Gallia Narbonensis und gab dafür die Gallia cisalpina auf, die fortan gemeinsam mit Italien verwaltet wurde. Ferner sollte er die Verhältnisse in den wohlhabenden Ostprovinzen ordnen. Lepidus wurden, nachdem er ursprünglich hätte ganz ausgeschaltet werden sollen, die beiden nordafrikanischen Provinzen zugesprochen – damals die Kornkammer Roms. Octavian erhielt die beiden spanischen Provinzen und die schwierige Aufgabe, die Veteranen in Italien anzusiedeln, das von den Triumvirn gemeinsam verwaltet wurde. Die Versorgung der so genannten Heeresklientel mit Landbesitz wurde seit der marianischen Heeresreform von jedem Feldherrn erwartet, der sich die politische Unterstützung seiner Veteranen sichern und das Vertrauen künftiger Legionäre erwerben wollte. Bei den Landverteilungen kam es zu brutalen Enteignungen und Vertreibungen nicht nur einzelner Landbesitzer, sondern ganzer Stadtbevölkerungen. Octavian war damals allgemein verhasst. Überdies kam es wegen der Landverteilung zu schweren Differenzen mit Antonius’ Ehefrau Fulvia und seinem Bruder Lucius Antonius, die Octavian aber im Perusinischen Krieg (41/40 v. Chr.) besiegte. Nach der Eroberung Perusias setzte eine Hinrichtungswelle ein, bei der auch der wichtige vormalige Verbündete Octavians, der Volkstribun des Jahres 44 v. Chr., Tiberius Cannutius, starb. Antonius landete daraufhin mit seinen Truppen in Italien. Die Legionen beider Triumvirn verweigerten aber den Kampf gegeneinander und zwangen sie zu einem erneuten Bündnis. Der Vertrag von Brundisium vom Herbst 40 v. Chr. sah unter anderem die Heirat zwischen Antonius und Octavia vor, der Schwester Octavians. Er selbst ging in jenem Jahr ein weiteres familiäres Zweckbündnis ein: Nach der Trennung von seiner ersten Frau – Clodia – heiratete er Scribonia, eine Verwandte von Pompeius’ Sohn Sextus. Ihre gemeinsame Tochter Iulia sollte sein einziges leibliches Kind bleiben. Aber noch vor Iulias Geburt verstieß er ihre Mutter wieder, um im Jahr 38 v. Chr. Livia Drusilla zu ehelichen. Der Skandal wurde noch dadurch vergrößert, dass er Livia in sein Haus aufnahm, noch bevor sie sich von ihrem bisherigen Mann, dem überzeugten Republikaner Tiberius Claudius Nero, hatte scheiden lassen können. Die Frau, die zu seiner engsten Ratgeberin wurde, brachte die beiden Söhne Tiberius und Drusus mit in die Ehe. Tiberius sollte der Nachfolger seines Stiefvaters als Kaiser werden.
im Sommer 39 v. Chr. Der letzte politische Gegner der Triumvirn, der noch über nennenswerte militärische Macht verfügte, war Sextus Pompeius mit seiner Flotte. Er kontrollierte unter anderem Sizilien und gefährdete die Kornzufuhr von dort nach Rom, was Octavians Autorität zusätzlich untergrub. Auf Druck des Senats schlossen Octavian und Antonius 39 v. Chr. mit Sextus Pompeius den Vertrag von Misenum, nach dem Sextus Sardinien, Korsika sowie Sizilien behalten durfte und von Antonius zusätzlich die Peloponnes erhalten sollte; ferner mussten die Triumvirn Sextus ein Konsulat für das Jahr 35 v. Chr. zusichern. Das Triumvirat wurde 37 v. Chr. im Vertrag von Tarent um weitere fünf Jahre verlängert. Da die Zugeständnisse im Vertrag von Misenum Octavians Macht erheblich einschränkten, setzte er bereits im folgenden Jahr alles daran, Pompeius’ Einfluss zurückzudrängen. Erst nach mehreren schweren Rückschlägen und Niederlagen gelang es seinem neuen Flottenführer Marcus Vipsanius Agrippa 36 v. Chr., Sextus Pompeius’ Streitmacht in der Seeschlacht von Naulochoi vor der Nordküste Siziliens zu vernichten. Kurz darauf entmachtete Octavian auch Lepidus, indem er dessen Truppen in Sizilien dazu brachte, zu ihm überzulaufen. Er beherrschte nun den gesamten Westen des Reichs und hatte die für die Getreideversorgung wichtigen Provinzen Sicilia und Africa unter seiner Kontrolle. Nach dem Sieg über Pompeius stellte die rasche Befriedung Italiens und die Veteranenversorgung die vordringliche Aufgabe dar. Italien hatte durch die fehlende Getreideversorgung während der Blockade des Pompeius schwer gelitten. Statt wie in den Jahren zuvor geschehen, Güter gewaltsam zu enteignen, wurden die 20.000 Mann, die Octavian nun aus seiner riesigen Armee entlassen konnte, mit Bauernstellen in Italien, Sizilien und Gallien abgefunden. 30.000 entlaufene Sklaven, die im Heer des Pompeius gedient hatten, wurden nach Rom geschickt, um ihren Herren übergeben zu werden. 6.000 herrenlose Sklaven wurden gekreuzigt.
Nachdem Octavian Pompeius und Lepidus ausgeschaltet hatte, stand ihm im Kampf um die Alleinherrschaft nur noch Antonius im Wege. Vom Frühjahr 35 bis 33 v. Chr. brachte er bei kleineren Feldzügen in Dalmatien ein schlagkräftiges Heer in Form. Unterdessen führte sein Rivale einen erfolglosen Krieg gegen das Partherreich, wobei die Parther bereits 40 v. Chr. unter dem Befehl des Quintus Labienus, eines Anhängers der republikanischen Sache, in Syrien eingedrungen waren. Zudem ging Antonius eine dauerhafte Beziehung mit Königin Kleopatra VII. von Ägypten ein, deretwegen er im Jahr 32 v. Chr. die in Rom äußerst populäre Octavia verstieß. Bereits 34 v. Chr. war er darangegangen, Teile des römischen Ostens an Kleopatra und ihre gemeinsamen Kinder zu verschenken, und hatte dadurch in Rom viel Rückhalt verloren. Octavian nutzte Antonius’ Verhalten propagandistisch geschickt aus. Um ihm auch noch seine letzten Anhänger abspenstig zu machen, schreckte er nicht einmal vor einem Sakrileg zurück: Er zwang die Vestalinnen zur Herausgabe des bei ihnen hinterlegten Testaments des Antonius und ließ es in Auszügen vor dem Senat und der Volksversammlung verlesen. Zuvor hatten zwei Zeugen der Testamentsausfertigung, die Senatoren Lucius Munatius Plancus und Marcus Titius, die im Herbst 32 v. Chr. von Antonius abgefallen waren, Octavian über den Inhalt des Dokuments informiert: Danach hatte Antonius Kleopatras Kinder als Erben römischer Gebiete eingesetzt, Caesarion als leiblichen Sohn Caesars anerkannt und bestimmt, dass er neben Kleopatra in Alexandria bestattet werden wolle. Als dies bekannt wurde, enthob der Senat Antonius aller Ämter. Da Octavian die ägyptische Königin als Urheberin von Antonius’ „romfeindlichem“ Verhalten darstellte, erklärte der Senat sie zur Staatsfeindin und Ägypten den Krieg. Mit diesem Schachzug war es Octavian gelungen, den Kampf gegen einen innenpolitischen Gegner in einen Krieg Roms gegen einen äußeren Feind umzumünzen. Wer Antonius von da an noch unterstützte, half damit auch diesem äußeren Feind und musste in den Augen traditionell denkender Römer als Verräter erscheinen. Octavians und Antonius’ triumvirale Befugnisse waren formell schon am 1. Januar 32 v. Chr. abgelaufen und ihre prokonsularischen Kompetenzen bestanden nur noch provisorisch. Daher benötigte Octavian zur Kriegführung die Verleihung einer neuen Amtsgewalt. Er ließ sich zum „Führer Italiens“ (dux Italiae) ausrufen, dem der gesamte Westen den Treueid leisten musste. Zudem übernahm er für das folgende Jahr erneut das Konsulat. Aus dieser rechtlich abgesicherten Position heraus eröffnete Octavian Anfang 31 v. Chr. den – offiziell gegen Kleopatra gerichteten – Ptolemäischen Krieg, indem er mit seinen Truppen nach Griechenland übersetzte, das zu Antonius’ Machtbereich gehörte. Am Ausgang des Ambrakischen Golfs in Epirus gelang es Agrippas Flotte und Octavians Heer, die See- und Landstreitkräfte des Antonius einzuschließen und vom Nachschub abzuschneiden. Die monatelange Blockade zeitigte verheerende Folgen für Antonius’ Armee, so dass er sich schließlich gezwungen sah, mit seinen Schiffen einen Durchbruchsversuch aus dem Golf in das offene Ionische Meer zu wagen. Dabei kam es am 2. September 31 v. Chr. zur alles entscheidenden Seeschlacht bei Actium, in der Antonius und Kleopatra den Streitkräften Octavians und Agrippas unterlagen. Diese nahmen im folgenden Jahr Alexandria ein, woraufhin Antonius und Kleopatra Selbstmord begingen. Ägypten verlor seine Selbstständigkeit und wurde als neue römische Provinz annektiert. Damit endeten der Krieg zweier Männer um die Macht in Rom und zugleich die 100 Jahre währende Epoche der römischen Bürgerkriege. Als Zeichen dafür, dass im ganzen Reich Frieden herrsche, wurden am 12. Januar 29 v. Chr. die Tore des Janustempels auf dem Forum Romanum geschlossen. Dies geschah laut Titus Livius erst zum dritten Mal seit der sagenhaften Gründung Roms 753 v. Chr. Die folgenden Jahre verbrachte Octavian damit, seine im Bürgerkrieg gewaltsam erworbene überragende Machtstellung schrittweise in eine für die Römer akzeptable, legale Form zu überführen. 28 v. Chr. hob er so demonstrativ alle seine „unrechtmäßigen“ Verfügungen aus der Zeit des Triumvirats auf.
Am 13. Januar des Jahres 27 v. Chr. begann im Senat von Rom ein mehrtägiger Staatsakt, der den Ausnahmezustand des Bürgerkriegs auch offiziell beendete. Formal wurde damit die alte Ordnung der Republik wiederhergestellt, tatsächlich aber eine völlig neue, monarchische Ordnung mit republikanischer Fassade geschaffen: das spätere römische Kaisertum in Gestalt des Prinzipats. Auf Vorschlag des Lucius Munatius Plancus verlieh der Senat Octavian am 16. Januar den neu geschaffenen Ehrennamen Augustus. In den Jahren nach Actium stand der Alleinherrscher vor drei großen Aufgaben: den Staat neu aufzubauen, das Reich nach innen und außen zu sichern und die Nachfolge zu regeln, um seinem Werk auch über seinen Tod hinaus Dauer zu verleihen. Da Augustus all das gelang, markiert der Staatsakt vom Januar 27 v. Chr. nicht nur den Beginn seiner 40-jährigen Regierungszeit als Princeps, sondern auch den einer ganz neuen Epoche der römischen Geschichte.
Als Octavian im Sommer 29 v. Chr. aus dem Osten nach Rom zurückgekehrt war und einen dreifachen Triumphzug abgehalten hatte, stand er vor dem gleichen Problem, an dem Caesar 15 Jahre zuvor gescheitert war: Eine Staatsordnung zu schaffen, die für das in mehr als 400 Jahren gewachsene, republikanische Rechtsverständnis der Römer akzeptabel war und zugleich der Tatsache gerecht wurde, dass sich die tatsächliche Macht seit 70 Jahren mehr und mehr verlagert hatte: weg vom Senat, den Konsuln und den anderen republikanischen Institutionen, hin zu den Befehlshabern der Legionen. Von Marius und Sulla bis zum ersten und zweiten Triumvirat hatten immer wieder militärische Machthaber eine außerordentliche politische Gewalt errungen. Die einfache Wiederherstellung der alten Adelsrepublik kam für ihn aus zwei Gründen nicht in Frage: Zum einen war die staatstragende Bevölkerungsschicht der Republik, der Senatsadel, durch die Bürgerkriege weitgehend vernichtet worden. Zum anderen erforderte die Ausdehnung des Reichs eine große Zahl von Legionen, deren Befehlshaber stets versucht sein konnten, die Macht auf ungesetzliche Weise an sich zu reißen. Da in der Republik die großen Adelsfamilien und politische Gruppierungen wie Optimaten und Popularen permanent um Macht und Einfluss kämpften, war dies in den Jahrzehnten des Bürgerkriegs – von Marius über Sulla bis zu Caesar – immer wieder geschehen.
Aus all dem folgte wiederum zweierlei: Octavian musste zum einen bestrebt sein, die außerordentliche politische Gewalt, die Militärdespoten wie er selbst immer wieder errungen hatten, in eine ordnungsgemäße umzuwandeln, sie also rechtlich in das bisherige Staatsgefüge zu integrieren. Zum anderen musste er das imperium, die militärische Befehlsgewalt über die Mehrzahl der Legionen, auf denen die politische Macht nun beruhte, in einer Hand zu vereinen suchen. Kurz: Er musste die Heeresklientel monopolisieren und eine dauerhafte Alleinherrschaft errichten. Sein Vorteil war, dass sich sein persönliches Machtstreben mit der Notwendigkeit und dem allgemeinen Bedürfnis traf, erneute Machtkämpfe und Bürgerkriege zu verhindern. Denn nach den Wirren der vorangegangenen Jahrzehnte waren auch viele traditionell eingestellte Römer, die jede Art von Alleinherrschaft stets abgelehnt hatten, notgedrungen bereit, die militärische und politische Macht in die Hand nur eines Mannes zu legen. Wie schon im Kampf gegen Antonius erwies sich Octavian auch bei dieser Aufgabe als Meister der politischen Propaganda. Dies geht aus seinem Tatenbericht (Res gestae divi Augusti) hervor, in dem er gegen Ende seines Lebens folgendes Bild von seiner Handlungsweise zeichnete: Die Realität hinter diesem Bild sah jedoch anders aus: Octavian war zwar so klug, nicht den allgemein verhassten Königstitel anzustreben, aber er ließ sich von den bestehenden republikanischen Amtsgewalten all jene übertragen, die ihm in ihrer Bündelung faktisch zu einer monarchischen, königsgleichen Stellung verhalfen. Da er aber die republikanische Ordnung formal wiederherstellte, konnte er sich gleichzeitig als Retter und Beschützer der Republik darstellen. Letztlich ging er einen Kompromiss mit der Senatsaristokratie ein, indem er ihre politische Macht zwar massiv beschnitt, sie aber nicht völlig von der Machtausübung ausschloss. Zudem fügte er ihr – anders als Sulla und Caesar – keine Demütigungen zu und erlaubte ihr so, ihre Würde und ihr Sozialprestige (dignitas) zu wahren. Daher ist umstritten, ob man den Prinzipat als reine Monarchie bezeichnen kann. Aloys Winterling etwa argumentiert dagegen, Egon Flaig dafür.
Gleich nach seiner Rückkehr aus dem Krieg gegen Antonius suchte Octavian die Unterstützung der alten Adelsgeschlechter und ging daran, das Ansehen der republikanischen Institutionen zu stärken. So ließ er aus dem Senat etwa 190 Mitglieder ausschließen, die offiziell als nicht standesgemäß galten. Gleichzeitig füllte er die gelichteten Reihen des Senatsadels wieder auf, indem er verdiente Personen und Anhänger in den Patrizierstand erhob. Er selbst nannte sich – betont bescheiden – princeps senatus, Erster des Senats, ein Titel, den es früher schon gegeben, der aber lediglich einen primus inter pares bezeichnet hatte, einen Ersten unter Gleichen. Daraus entwickelte sich die Bezeichnung Prinzipat für die augusteische Herrschaftsform, die so viel bedeutet wie „Herrschaft des ersten Bürgers“. Starke propagandistische Wirkung erzielte der Princeps damit, dass er Ende des Jahres 28 v. Chr. alle seine widerrechtlichen Anordnungen aus der Zeit des Triumvirats aufheben ließ. Ob Octavian Anfang 27 außer dem Konsulat weitere Vollmachten innehatte und worin diese gegebenenfalls bestanden, wird in der Forschung bereits seit Theodor Mommsen kontrovers diskutiert. Jedenfalls legte er am 13. Januar 27 v. Chr., am ersten Tag des Staatsakts, seine außerordentliche Allgewalt (potens rerum omnium) über die Provinzen und Legionen demonstrativ in die Hände des „gesäuberten“ Senats. Damit bildete dieser formal wieder das zentrale Herrschaftsorgan. Die Republik war äußerlich wiederhergestellt. Allgemein war von der res publica restituta die Rede. So weit stimmten die Tatsachen mit Augustus’ propagandistischer Version überein. Gleich in seiner nächsten Sitzung aber, nur vier Tage später, übertrug der Senat das militärische Kommando in der Hälfte der Provinzen offiziell an Octavian – und zwar in jener Hälfte, die an den Rändern des Imperiums lagen und in denen daher das Gros der Legionen stand. Vertreten wurde er dort durch Legaten. Der Beschluss wurde damit begründet, dass diese Gebiete besonders gefährdet seien, und dass Octavian nach ihrer Befriedung das Kommando dort niederlegen werde. Auf diese Weise erhielt er eine den Provinzstatthaltern übergeordnete Befehlsgewalt (imperium proconsulare) über den weitaus größten Teil der Armee. Octavian blieb also Militärmachthaber und alleiniger Patron der Heeresklientel, nun aber formal im Rahmen der Gesetze. Das Reich gliederte sich fortan de facto in kaiserliche und senatorische Provinzen. Ein weiteres republikanisches Element der neuen Staatsordnung war die Rückkehr zur jährlichen Neubesetzung der Magistrate. Eines der zwei Konsulate nahm der Princeps in den nächsten Jahren allerdings regelmäßig für sich in Anspruch. Dies änderte sich mit der Revision der Prinzipatsverfassung am 1. Juli 23 v. Chr. Bis auf zwei Jahre verzichtete Augustus von da an auf das Konsulat. Stattdessen ließ er sich auf Lebenszeit die tribunizische Gewalt (tribunicia potestas) übertragen, also nicht das Amt des Volkstribunen, sondern „nur“ dessen Amtsbefugnisse. Damit gewann er das Recht, den Senat und die Volksversammlungen einzuberufen, diesen Gesetze vorzuschlagen, sein Veto gegen Senats- und Volksbeschlüsse einzulegen und sogar den Konsuln Amtshandlungen zu verbieten. Um auch den Magistraten in Rom und Italien Anweisungen geben zu können, wurden der tribunicia potestas des Augustus alle konsularischen Sonderrechte hinzugefügt, die einem Volkstribunen eigentlich nicht zustanden. Damit wurde die tribunizische Gewalt zur Quelle der kaiserlichen Macht in Rom und Italien. Durch die Aufgabe des ständigen Konsulats verlor Augustus jedoch seine Weisungsbefugnis gegenüber den Prokonsuln des Senats und damit auch gegenüber den senatorischen Provinzen. Um diese wiederherzustellen, ließ er sich eine übergeordnete prokonsularische Gewalt (imperium proconsulare maius) übertragen. Außerdem ließ er im Jahr 23 das Volk eine lex de imperio (auch lex Augusti oder lex regia genannt) beschließen: Durch eine Generalklausel galt hinfort alles, was Augustus wünschte, als Gesetz. Dadurch hatte ihm das Volk, so die auch später nie bezweifelte Auslegung, das ihm zustehende imperium übertragen und ihn damit zu außerordentlicher gesetzesvertretender Normsetzung ermächtigt. Mit der Revision der Prinzipatsverfassung legte Augustus zwar formal das Konsulat nieder, behielt aber faktisch alle Befugnisse eines Konsuls. Durch seinen Verzicht auf das Konsulat hatte er jedoch bis auf die Purpurtoga und die Corona triumphalis alle äußeren Rangabzeichen verloren, die auf seine zentrale Stellung hindeuteten. Um auch dies auszugleichen, wurden dem Princeps 19 v. Chr. die konsularischen Ehrenrechte zuerkannt: So wurde er wieder ständig von zwölf Liktoren begleitet und durfte im Senat zwischen den beiden amtierenden Konsuln Platz nehmen. Augustus verzichtete also augenscheinlich auf die absolute Macht, indem er den Senatsadel daran teilhaben ließ, behielt aber in Wirklichkeit alle wichtigen Funktionen in Staat und Militär in seiner Hand.
Der Ehrenname Augustus, „der Erhabene“, den der Senat Octavian am letzten Tag des Staatsakts vom Januar 27 v. Chr. verlieh, erinnerte an das augurium, eine Kulthandlung zur Deutung des Willens der Götter, die der Sage nach schon Romulus vorgenommen hatte. Der Name setzte seinen Träger also mit dem legendären Gründer der Stadt Rom gleich und verlieh der obersten politischen Gewalt im Staat eine sakrale Aura, wie sie die Konsuln zu Zeiten der Republik nie besessen hatten. Mit dem neuen Titel verlieh der Senat dem Princeps auch einen Ehrenschild (clipeus virtutis), auf dem Tapferkeit, Milde, Gerechtigkeit sowie Pflichterfüllung gegenüber den Göttern und dem Vaterland als die Tugenden des Augustus gepriesen wurden. Eine weitere Ehrung war die erstmalige Feier der decennalia, des zehnjährigen Regierungsjubiläums des Princeps, im Jahr 17 v. Chr. Das Fest ging darauf zurück, dass Augustus die ihm übertragene Machtstellung formell nur für 10 Jahre akzeptiert hatte. In seinem Verlauf gab er wie schon 27 v. Chr. die Macht in die Hände des Senats zurück, der sie ihm umgehend erneut übertrug. Auch die decennalia dienten also dem Zweck, den Anschein einer fortbestehenden Senatsherrschaft zu erwecken und die tatsächlichen Machtverhältnisse in Rom zu verschleiern. Die sakrale Würde des Princeps wurde weiter gestärkt, als im Jahre 13 oder 12 v. Chr. Marcus Aemilius Lepidus starb. Augustus’ einstiger Kollege im Triumvirat hatte nach seiner Entmachtung lediglich das Amt des Pontifex maximus behalten dürfen. Nun übernahm Augustus auch dieses Amt; als oberster Priester des römischen Staatskultes konnte er nun auch alle Belange der religio Romana in seinem Sinne regeln. Im Jahr 8 v. Chr. beschloss der Senat, den Monat Sextilis in Augustus umzubenennen. Als Grund für die Wahl dieses Monats anstelle von Augustus’ Geburtsmonat September wurde angeführt, dass er im Sextilis erstmals Konsul geworden sei und drei Triumphe gefeiert habe. Außerdem markiere dieser Monat, in dem Ägypten erobert worden war, das Ende der Bürgerkriege. Der eigentliche Grund könnte aber gewesen sein, dass der heute August genannte Monat direkt auf den nach Caesar benannten Juli folgte. Am 5. Februar des Jahres 2 v. Chr. verlieh der Senat Augustus schließlich den Titel pater patriae („Vater des Vaterlandes“), auf den er besonders stolz war, denn er war mehr als eine bloße Ehrenbezeichnung. Vielmehr führte er jedermann vor Augen, dass dem Kaiser gegenüber allen Reichsangehörigen die gleiche Autorität zustand wie jedem römischen Familienoberhaupt, dem pater familias, über die Seinen.
Die Neuordnung des Staatswesens wurde von den Römern nicht widerspruchslos hingenommen. Insbesondere die patrizischen Familien des alten Senatsadels, die Augustus als Emporkömmling ansahen, konnten sich mit ihrer Entmachtung nur schwer abfinden. Einige Quellen berichten, dass Augustus sich in der Zeit nach seiner Rückkehr aus dem Osten nur mit einem Brustpanzer unter der Toga in den Senat wagte und Senatoren nur einzeln und nach eingehender Leibesvisitation empfing. Verschwörungen wie die des Fannius Caepio, die im Jahr 23 oder 22 v. Chr. aufgedeckt wurde, zeigen, dass Augustus’ Politik noch lange Zeit erheblichen Widerstand hervorrief. Da der Zeitpunkt der Verschwörung nicht genau datiert werden kann, ist bis heute ungeklärt, ob sie auslösender Faktor oder Folge der im Jahr 23 v. Chr. erfolgten Neujustierung der Prinzipatsordnung war. Dass das neue Herrschaftssystem schließlich doch akzeptiert wurde, lag sicher nur zum Teil daran, dass Augustus den republikanischen Institutionen und den althergebrachten Rechten und Sitten, dem mos maiorum, seinen Respekt erwies. Die Römer konnten sich zwar sagen, dass die alte Republik und ihre Institutionen der Form nach weiterhin bestanden, aber die politisch Interessierten dürften Augustus’ Propaganda durchschaut haben. Ausschlaggebend war am Ende die schlichte Tatsache, dass der Prinzipat funktionierte – im Gegensatz etwa zu den Ordnungsmodellen Sullas oder Caesars – und dass es zu Augustus keine realistische Alternative gab. Darüber hinaus war der Faktor Zeit entscheidend für den Erfolg der neuen Herrschaftsordnung: Augustus regierte nach der Erringung der Alleinherrschaft noch mehr als 40 Jahre, länger als jeder seiner Nachfolger. Die Römer gewöhnten sich in dieser langen Zeit an die Herrschaft des Ersten Bürgers. Als der Kaiser starb, waren kaum noch Römer am Leben, die die alte Republik noch bewusst erlebt hatten. So setzte mit der Errichtung des Prinzipats eine lange Periode des inneren Friedens und des Wohlstands ein. Augustus’ neue Ordnung sollte 300 Jahre – bis zur Herrschaft Diokletians – Bestand haben. Selbst der Geschichtsschreiber Tacitus, einer der schärfsten Kritiker des Prinzipats, erkannte in dieser Konsolidierungspolitik ein klares Verdienst des Augustus. Deren Mustergültigkeit zeigt sich im Begriff der „Augusteischen Schwelle“, mit dem die neuere Politikwissenschaft die gelungene Überführung eines wachsenden aber instabilen Imperiums in einen dauerhaft stabilen Zustand beschreibt. Hinsichtlich der Beurteilung durch antike Historiker ist jedoch zu berücksichtigen, dass unter Augustus die ersten Bücherverbrennungen stattfanden. Betroffen waren Geschichtswerke, die seine Herrschaft kritisch bewerteten. Selbst wenn einzelne Exemplare dieser Werke in Privatbeständen überlebten und später erneut Verbreitung fanden, war der Informationsfluss hierdurch schwer beeinträchtigt. Der spätere Kaiser Claudius soll zudem durch seine Mutter und seine Großmutter davon abgehalten worden sein, in seinem Geschichtswerk die Zeit nach Caesars Ermordung ausführlicher zu thematisieren.
Eine ebenso anspruchsvolle Aufgabe wie der Umbau der Staatsverfassung war die innere und äußere Stabilisierung des Reichs, seine wirtschaftliche Erholung, die Wiederherstellung von Recht und Ordnung in Rom und den Provinzen und die Sicherung der Grenzen. Die Voraussetzungen für einen allgemeinen Wirtschaftsaufschwung waren nach Actium besser denn je in den vorangegangenen Jahrzehnten. Augustus konnte mehr als ein Drittel der rund 70 Legionen entlassen, das heißt etwa 80.000 der 230.000 Mann, die 31 v. Chr. noch unter Waffen gestanden hatten. Ein solches Heer wäre für Friedenszeiten nicht nur zu groß und zu kostspielig gewesen; es hätte immer auch eine potenzielle Gefahr dargestellt, so viele Soldaten unter Waffen zu belassen. Anders als 12 Jahre zuvor musste er für die Abfindung der Veteranen nicht auf Konfiskationen zurückgreifen, sondern konnte die ungeheure Beute, die ihm mit dem ägyptischen Staatsschatz in die Hände gefallen war, für Landkäufe nutzen. So entstand in Italien und den Provinzen eine breite Schicht ihm ergebener Bauern. Auch seine Anhänger in Rom – etwa im neuen Senat – wurden mit Geld und Posten bedacht. So schuf Augustus selbst die neuen Gesellschaftsschichten, auf denen die Staatsordnung des Prinzipats ruhen sollte.
In die Provinzen, die bis dahin immer wieder von Kontributionen, Truppenaushebungen und durchziehenden Heeren heimgesucht worden waren, kehrte allmählich ein gewisser Wohlstand zurück, denn der Prinzipat stellte Rechtssicherheit her und verhinderte vor allem die bis dahin übliche Ausplünderung durch ehemalige Magistrate der Republik. Diese hatten sich in den Provinzen stets für die Kosten schadlos gehalten, die ihr politisches Engagement in Rom verursachte. Der Geschichtsschreiber Velleius Paterculus fasste die Wirksamkeit von Augustus’ Politik wenige Jahre nach dessen Tod folgendermaßen zusammen: „Die Äcker fanden wieder Pflege, die Heiligtümer wurden geehrt, die Menschen genossen Ruhe und Frieden und waren sicher im Besitz ihres Eigentums.“ Anfangs übernahm der Kaiser die Neuordnung der Provinzen noch selbst. Bereits im Sommer des Jahres 27 v. Chr. brach er zu einer mehrjährigen Inspektionsreise durch den Nordwesten des Reiches auf. Gallien war seit der Eroberung durch Caesar sich selbst überlassen geblieben. Nach der Ordnung der Verhältnisse dort eroberte Augustus diejenigen Gebiete im Norden der Iberischen Halbinsel, die bis dahin noch nicht zum Reich gehört hatten, und gliederte sie der Provinz Hispania Tarraconensis ein. In Tarraco trat er sein 8. und 9. Konsulat an. Auf der Rückreise nach Rom im Jahr 23 v. Chr. erkrankte Augustus schwer. Obwohl mit seinem baldigen Ableben gerechnet wurde, designierte Augustus keinen neuen Nachfolger. Agrippa und Marcellus galten als die aussichtsreichsten Kandidaten. Der Princeps überlebte schließlich, entschloss sich aber, seine Legionen künftig nicht mehr persönlich zu führen.
Zu einem Kennzeichen der Herrschaft des Augustus wurde auch seine Betonung althergebrachter Sitte und Moral. In den Jahren seines Aufstiegs hatte er selbst nicht eben ein Muster altrömischer Tugenden abgegeben. Einmal an der Macht, sah er in ihnen aber ein Mittel, diese Macht zu festigen und die Wunden der Kriegsjahre zu heilen. Der von ihm beklagte „Sittenverfall“, den er aufhalten wollte, war allerdings eher eine Folge der Bürgerkriege gewesen, nicht deren Ursache, wie Augustus, Horaz und viele andere in der Führungsschicht des Reiches dachten. Im Jahr 19 v. Chr. ließ sich der Princeps vom Senat die cura morum übertragen, die Sittenaufsicht. In den im Jahr darauf beschlossenen Leges Iuliae wurden beispielsweise die Strafvorschriften für Ehebruch, Unzucht und Kuppelei verschärft. Für alle Männer zwischen 25 und 60 und alle Frauen zwischen 20 und 50 Jahren wurde eine Pflicht zur Ehe eingeführt. Kinderreiche Familien erhielten Privilegien, Ehepaare mit weniger als drei Kindern mussten dagegen rechtliche Nachteile hinnehmen. Die lex Papia von 9 n. Chr. wiederum verbot bestimmte Ehen, etwa die von Prostituierten und die zwischen Senatoren und Freigelassenen. Die Gesetze stießen bei der Bevölkerung auf Ablehnung und Spott, zumal Augustus’ eigener laxer Umgang mit altrömischer Sitte und Moral allgemein bekannt war. Die erzwungene Scheidung seiner Frau Livia von ihrem früheren Mann und seine zweifelhafte Beziehung zu Terentia, der Frau seines Freundes Gaius Maecenas, waren dafür nur die hervorstechendsten Beispiele. Augustus selbst war von den Bestimmungen ausgenommen: , „der Prinzeps ist von den Gesetzen befreit“, wie es in einem Kommentar hieß. Ob diese Befreiung für alle oder nur für die Ehegesetze galt, ist umstritten. Gegen Theodor Mommsen, der letzteres annimmt, argumentiert Okko Behrends, dass dieselbe Formel später ohne Einschränkung in der lex de imperio Vespasiani gebraucht wurde. Dies deute darauf hin, dass bereits Augustus als legibus solutus galt. Würde und Autorität des Princeps erforderten jedoch, dass Augustus und seine Familie ein gutes Beispiel abgaben, auch wenn Anspruch und Wirklichkeit auseinanderklafften. Dies führte schließlich zum Zerwürfnis mit seiner Tochter Iulia, die sich den väterlichen Moralvorschriften nicht unterwerfen wollte. Im Jahr 2 v. Chr. ließ Augustus selbst sie vor dem Senat des Ehebruchs anklagen und auf die kleine Insel Pandateria verbannen. Neun Jahre später, 8 n. Chr., ereilte den Dichter Ovid, den Autor der Ars amatoria („Liebeskunst“), das gleiche Schicksal: Er wurde nach Tomis am Schwarzen Meer verbannt. Das propagandistische Bild vom Princeps als treusorgendem altrömischem Patron, der über das Wohl der Seinen wacht, fand sichtbaren Ausdruck in einem umfangreichen Bauprogramm in Rom (publica magnificentia). Dazu gehörten Zweckbauten wie Aquädukte und eine riesige Sonnenuhr (das Solarium Augusti), vor allem aber Repräsentationsbauten wie das Augustusforum, das Marcellustheater und zahlreiche Tempel, die dazu dienten, den Römern Macht und Autorität des Augustus vor Augen zu führen. Der Kaiser spricht in seinem Tatenbericht von 82 Tempeln, die er in einem Jahr habe instand setzen, Vergil in der Aeneis von 300 Tempeln, die er insgesamt habe bauen lassen.
Augustus’ Außenpolitik wurde lange als defensiv beurteilt. Historiker des 19. Jahrhunderts sahen in ihr nur eine Arrondierung und Sicherung der Reichsgrenzen. Zu dieser Sicht trug unter anderem die Tatsache bei, dass Augustus den Plan Caesars zu einem Feldzug gegen das Partherreich nicht wieder aufnahm. Eine militärische Machtdemonstration gegenüber dem Nachbarn im Südosten genügte, um den Partherkönig Phraates IV. im Jahr 20 v. Chr. zu einer vertraglichen Grenzregelung und zur Herausgabe der in der Schlacht bei Carrhae 53 v. Chr. erbeuteten, symbolträchtigen Legionsadler zu veranlassen. In Rom wurde als großer militärischer Sieg propagiert, was in Wirklichkeit eine friedliche Lösung darstellte. Die Eingliederung Ägyptens verlief weitgehend problemlos. Im Jahr 25 v. Chr. gewann Rom die neue Provinz Galatia in Kleinasien aufgrund einer testamentarischen Verfügung des letzten Galater-Königs Amyntas. Zudem geriet eine Reihe neuer Klientelstaaten wie Armenien, Kappadokien und Mauretanien in Abhängigkeit zu Rom. Dennoch ließ sich die These von der prinzipiell friedlichen, defensiven Außenpolitik nicht aufrechterhalten. Kein republikanischer Feldherr und kein Kaiser hat dem Römischen Reich so große Territorien einverleibt wie Augustus – und dies vor allem durch kriegerische Eroberungen. Pläne für eine Eroberung Arabiens scheiterten zwar schon im Ansatz, da der Feldzug des Aelius Gallus 25/24 v. Chr. erfolglos blieb. Im sechsjährigen Kantabrischen Krieg von 25 bis 19 v. Chr. eroberten Augustus’ Truppen jedoch die letzten nichtrömischen Gebiete im Norden der iberischen Halbinsel. Das Land der besiegten Kantabrer wurde als Teil der Provinz Hispania Tarraconensis dem Reich eingegliedert. Nachdem 17 v. Chr. bei den Säkularfeiern in Rom noch die Friedensordnung des Prinzipats gefeiert worden war, ging das Reich im darauffolgenden Jahr erneut zur Offensive über. Der Grund dafür ist bis heute ungeklärt. Womöglich fing als kleinere Grenzstreitigkeit mit germanischen Stämmen an, was mit ausgedehnten militärischen Operationen an den nordöstlichen Grenzen und der Eingliederung von nicht weniger als fünf neuen Provinzen endete. Von der Ostgrenze Galliens, den Alpen und dem dalmatinischen Küstengebirge wurde die Reichsgrenze bis zu Donau und Rhein, zeitweise sogar bis zur Elbe vorgeschoben. Südlich der Donau entstanden die neuen Provinzen Raetia – mit der 15 v. Chr. gegründeten und nach dem Princeps benannten Hauptstadt Augusta Vindelicum – Noricum, Pannonia, Illyricum und Moesia. Im Gegensatz zu diesen Erfolgen endeten die augusteischen Germanenkriege in einer Katastrophe. Der Versuch, die rechtsrheinische Germania magna zu erobern, war durch die Feldzüge von Augustus’ Stiefsohn Drusus von 12 bis 9 v. Chr. weit vorangetrieben und nach Drusus’ Tod durch seinen Bruder Tiberius fortgeführt. Nach der Niederschlagung des Germanenaufstands der Jahre 1 bis 5 n. Chr. schien die Eroberung abgeschlossen. Auch neuere archäologische Funde wie die einer römischen Siedlung bei Waldgirmes sprechen dafür, dass die Provinzialisierung Germaniens zwischen Rhein und Elbe zu Augustus’ Zeit bereits weit vorangeschritten war. Im Jahr 9 n. Chr. aber vernichtete ein von dem Cheruskerfürsten Arminius initiiertes Bündnis germanischer Stämme im „saltus Teutoburgiensis“ – wahrscheinlich die Region um Kalkriese bei Osnabrück – drei römische Legionen unter dem Befehl des Provinzstatthalters Publius Quinctilius Varus. Nach Bekanntwerden der Niederlage, einer der größten in der Geschichte des Römischen Reichs, soll der Kaiser Aufstände in Rom selbst befürchtet und eine Verstärkung der Stadtwachen veranlasst haben. Auch persönlich zeigte sich Augustus von der Nachricht schwer getroffen, zumal Varus als Ehemann seiner Großnichte Claudia Pulchra zum weiteren Familienkreis gehörte. Sueton überliefert Augustus Ausruf Quinctili Vare, legiones redde! („Quinctilius Varus, gib die Legionen zurück!“). Der Kaiser habe sich als Zeichen der Trauer monatelang Haupthaar und Bart wachsen lassen und den Jahrestag der Varusschlacht stets als Trauertag begangen. Die Ordnungszahlen der drei vernichteten Truppenteile, der XVII., XVIII. und XIX. Legion, wurden nie wieder vergeben. Erst nach Augustus’ Tod, in den Jahren 14 bis 16 n. Chr., unternahm Drusus’ Sohn Germanicus verlustreiche Rückeroberungsversuche. Schließlich aber zogen sich die Römer auf die Rhein-Donau-Linie zurück und errichteten den Limes als befestigte Grenze gegen Germanien.
(um 10 n. Chr.) zeigt Augustus als Jupiter, der im Kreise der Götter den siegreichen Tiberius empfängt (Kunsthistorisches Museum Wien) Obwohl Augustus in fast allen Quellen zu seinem Leben als gut aussehender Mann geschildert wird, war er seit seiner Kindheit von schwacher Konstitution. Er überlebte mehrere schwere Krankheiten wie die im Jahre 23 v. Chr. nur knapp und konnte nicht damit rechnen, das für die damalige Zeit sehr hohe Alter von fast 76 Jahren zu erreichen. Für sein Bestreben, der neu geschaffenen Herrschaftsordnung Dauer zu verleihen, stellte die Erbfolgeregelung daher eine zentrale Aufgabe dar. Während seine Frau Livia einen ihrer Söhne von Tiberius Claudius Nero auf dem Thron sehen wollte, verfolgte Augustus den Plan, die Nachfolge in der eigenen, julischen Familie zu sichern. Da der Kaiser keine Söhne hatte, zwang er seine Tochter Iulia, nacheinander mehrere Nachfolgekandidaten zu heiraten. Dies war im Jahr 25 v. Chr. zunächst Marcellus, der Sohn seiner Schwester Octavia und ihres ersten Mannes. Die Bevorzugung seines Neffen führte offenbar zeitweise zu Spannungen zwischen Augustus und seinem Feldherrn Agrippa, der sich selbst begründete Hoffnungen auf die Nachfolge machte. Doch Marcellus starb kaum 20-jährig Ende des Jahres 23 v. Chr. und Agrippa galt nun als aussichtsreicher Nachfolgekandidat. Augustus drängte den alten Freund im Jahr 21 v. Chr., sich von seiner Frau scheiden zu lassen und die 25 Jahre jüngere Iulia zu heiraten. Die beiden hatten zwei Töchter und drei Söhne, Gaius Caesar, Lucius Caesar und den nachgeborenen Agrippa Postumus. Spätestens seit Agrippas Tod 12 v. Chr. betrachtete Augustus die beiden älteren Enkel als seine bevorzugten Nachfolger. Aus diesem Grund hatte er sie schon zu Agrippas Lebzeiten als Söhne adoptiert. Beide Enkel waren aber 12 v. Chr. noch so jung, dass sie nach einem vorzeitigen Tod des Augustus nicht sofort die Nachfolge hätten antreten können. Bis sie als Nachfolgekandidaten alt genug sein würden und der römischen Öffentlichkeit vorgestellt werden konnten, benötigte der Princeps einen Stellvertreter. Dieser sollte Augustus bei den Regierungsgeschäften unterstützen und anstatt der zu jungen Enkel beerben. Diese Rolle, die einst Agrippa innegehabt hatte, sollte nun Tiberius ausfüllen. Augustus zwang ihn, sich von seiner Frau Vipsania, einer Tochter Agrippas, zu trennen, Iulia zu heiraten und sich zum Schutz der beiden jungen Prinzen zu verpflichten. Augustus scheint sich damals aber weder Tiberius noch dessen jüngeren Bruder Drusus, zu dem er ein besseres Verhältnis hatte, als Nachfolger gewünscht zu haben. Zudem kam Drusus bereits 9 v. Chr. auf einem Kriegszug in Germanien ums Leben. Augustus machte deutlich, dass Tiberius nur ein „Platzhalter“ für die beiden Enkel sein und nur für eine Übergangszeit als Nachfolgekandidat dienen solle. Dies führte zum Zerwürfnis mit dem Stiefsohn, der die erzwungene Ehe mit Iulia zudem als Qual empfand. Tiberius legte daher 5 v. Chr. alle Ämter nieder und ging als Privatmann nach Rhodos ins Exil. Zu einer Aussöhnung kam es erst, nachdem Iulia wegen ihres Lebenswandels und der möglichen Verwicklung in eine gegen ihren Vater gerichtete Verschwörung auf die Insel Pandateria verbannt worden war. Als Julias ältere Söhne Lucius und Gaius Caesar kurz hintereinander, 2 und 4 n. Chr., starben, war die Nachfolgefrage erneut völlig offen. Am 26. Juni des Jahres 4 traf Augustus daher eine neue Regelung: Er adoptierte seinen Stiefsohn Tiberius gemeinsam mit seinem letzten noch lebenden Enkel, dem 16-jährigen Agrippa Postumus. Tiberius wiederum musste Germanicus adoptieren, den Sohn seines verstorbenen Bruders Drusus und Großneffe des Augustus, denn er entstammte als Enkel der Octavia zugleich dem julischen und dem claudischen Familienzweig. Da Germanicus zu diesem Zeitpunkt aber noch zu jung war, um Augustus direkt nachzufolgen, wies der Princeps ihm die Rolle des Nachfolgers von Tiberius zu. Nach dieser familienpolitischen Weichenstellung bis in die dritte Generation übertrug Augustus Tiberius im selben Jahr die tribunizische Amtsgewalt (tribunicia potestas). Aber erst im Jahr vor seinem Tod, 13 n. Chr., verlieh Augustus ihm auch die prokonsularischen Befugnisse (imperium proconsulare maius) und designierte Tiberius damit öffentlich als einzig möglichen Nachfolger. Agrippa Postumus war bereits im Jahr 7 aus nie ganz geklärten Gründen auf die Insel Planasia bei Elba verbannt worden, wo er unmittelbar nach Augustus’ Tod ermordet wurde. Ob dies auf eine letztwillige Verfügung des Princeps zurückging oder, wie Tacitus meinte, auf einen Befehl des Tiberius, konnte nie geklärt werden. Auch Augustus’ Tochter Julia starb kurz nach ihm, angeblich an Hunger, da Tiberius sie vom Erbe ausgeschlossen und ihr jeglichen Unterhalt verweigert habe. In seinem umfangreichen Testament hatte Augustus sein gesamtes materielles Vermögen Tiberius und Livia vermacht. Darüber hinaus setzte er Legate für die Bürger Roms und die Prätorianer aus. Ferner regelte er sein Begräbnis und gab Anweisungen für Tiberius und den Staat.
Im Sommer des folgenden Jahres unternahm der Kaiser eine Reise, die ihn über Capri nach Benevent führen sollte. Er erkrankte bereits auf Capri an Diarrhoe, reiste aber noch weiter aufs Festland bei Neapel und ließ sich nach Nola bringen – angeblich in dasselbe Haus, in dem 71 Jahre zuvor sein Vater Gaius Octavius gestorben war. Dort verstarb der Kaiser in Gegenwart seiner Frau Livia und einer Reihe herbeigeeilter Würdenträger am 19. August des Jahres 14, am gleichen Tag, an dem er über 50 Jahre zuvor sein erstes Konsulat angetreten hatte. Laut Sueton soll der Mann, der in seinem Leben so viele Masken getragen hatte, sich mit einer Formel verabschiedet haben, die Komödianten am Ende eines Stückes sprachen: „Hat das Ganze Euch gefallen, nun so klatschet Beifall unserem Spiel, und entlasst uns alle mit Dank.“ Augustus’ Leiche wurde auf dem Marsfeld in Rom verbrannt und die Asche in dem prachtvollen Augustusmausoleum beigesetzt, das der Kaiser dort für sich und seine Familie hatte errichten lassen. Zudem wurde er – wie die meisten römischen Caesaren nach ihrem Tod – zum Staatsgott (divus) erklärt. Zwischen Kapitol und Palatin wurde ein Tempel des Divus Augustus geweiht. Der kultische Dienst dort oblag einem Kollegium von 21 Priestern, den Augustales, in das nur die höchsten Mitglieder des Senats und des Kaiserhauses berufen wurden.
(Rom, Vatikanische Museen) Schon Zeitgenossen des Augustus betrachteten ihre Gegenwart als „apollinische Ära“, geprägt von Apoll, dem Gott des Lichts, der Künste und der Musik, der Weisheit und der Weissagung. Der Kaiser ließ ihm Heiligtümer bei Actium und bei seinem eigenen Wohnhaus auf dem palatinischen Hügel in Rom errichten. Ein Beispiel dafür, welche Verehrung dem Princeps schon zu Lebzeiten zuteilwurde, ist ein Kultlied des Horaz (Übersetzung nach Werner Dahlheim): tutus bos etenim rura perambulat, nutrit rura Ceres almaque Faustitas, pacatum volitant per mare navitae; culpari metuit fides, […] quis Parthum paveat, quis gelidum Scythen, quis Germania quos horrida parturit fetus incolumi Caesare? quis ferae bellum curet Hiberiae? […] Nunmehr zieht seines Wegs sicher der Stier dahin, Ceres segnet die Flur wieder mit reicher Saat, Friedlich schaukelt das Schiff durch die versöhnte Flut Treu und Glauben sind neu erwacht (…) Wen erfüllt noch mit Angst Parther und Skythe jetzt? Wen Germaniens Brut, Söhne der rauen Luft Wen, da Caesar uns lebt, kümmert des Krieges Dräun Fern im wilden Iberien? (…) Vollends verklärt wurde die Regierungszeit des ersten Kaisers nach seinem Tod unter dem Begriff der Pax Augusta, des „augusteischen Friedens“. Im Vergleich zum vorangegangenen Jahrhundert und zur Herrschaft vieler Nachfolger des ersten Kaisers brachte die augusteische Ära – das Saeculum Augustum – Rom, Italien und den meisten Provinzen in der Tat eine lange währende Zeit von innerem Frieden, Stabilität, Sicherheit und Wohlstand. Nach den Verheerungen der Bürgerkriege blühte die Wirtschaft nun ebenso auf wie Kunst und Kultur. Die Zeit brachte Dichter wie Vergil, Horaz, Ovid und Properz, Historiker wie Titus Livius oder Architekten wie Vitruv hervor. Der Kaiser selbst versuchte sich als Tragödienautor, vernichtete aber sein Drama Ajax, dessen Unzulänglichkeit ihm bewusst war, mit dem Kommentar: Mein Ajax ist in den Schwamm gefallen. , dahinter die Portikus der Octavia und links der Circus Flaminius auf dem Marsfeld (Modell im Museo della Civiltà Romana, Rom) Rom wandelte sich, wie Augustus meinte, von einer Stadt aus Ziegeln zu einer Stadt aus Marmor. Beeindruckende architektonische Zeugnisse dieser Zeit haben sich bis heute erhalten, etwa das Marcellus-Theater, das von Agrippa erbaute und unter Kaiser Hadrian erneuerte Pantheon und nicht zuletzt Augustus’ Mausoleum und die Ara Pacis, der Friedensaltar aus dem Jahre 9 v. Chr., der auf einem Relief eine Prozession der kaiserlichen Familie zeigt. Das Bild, das der Kaiser mit solchen Bauten den Römern vermitteln wollte, kontrastierte aber spätestens seit dem Jahr 16 v. Chr. wieder mit den unablässigen Kriegen, die an den Grenzen geführt wurden. Das Reich expandierte unter Augustus in einem Maß wie nie zuvor und nie wieder danach. Neben dem reichen Ägypten und Galatia wurden ihm Provinzen an Rhein und Donau hinzugefügt, deren Eroberung nur mit der Galliens durch Caesar vergleichbar war. Von Krieg aber war im Inneren des Reichs und der Provinzen nach dem Jahr 31 v. Chr. nur noch wenig zu spüren. Frieden und Wohlstand nahmen deshalb auch schon die Zeitgenossen als prägendes Kennzeichen der Epoche wahr. Dies war der Grund, warum sie sich letztlich mit der Einführung der Monarchie und dem Ende der Republik abfanden, zumal der Versuch einer Rückkehr zu deren oligarchischer Ordnung neue Bürgerkriege hätte hervorrufen können. Und es war kein Zufall, dass die Anhänger eines neuen Glaubens später einen Zusammenhang herstellten zwischen der Herrschaft des vergöttlichten, als Retter und Friedensfürst gefeierten Augustus und der Geburt ihres Religionsstifters, den sie als Gottessohn, Heiland und Verkünder eines Reichs des Friedens verehrten.
Das Bild des Princeps hat sich in den 2000 Jahren seit seinem Tod immer wieder gewandelt. Mit seiner Person und seiner Politik hatten diese Veränderungen meist wenig bis gar nichts zu tun.
Augustus hatte alles dafür getan, der Nachwelt ein möglichst positives Bild von sich zu hinterlassen. Seine Selbstbiographie ging zwar verloren, aber sein „Tatenbericht“, die sogenannten Res gestae divi Augusti, vermitteln einen guten Eindruck davon, wie der Herrscher selbst gesehen werden wollte. Auch Nikolaos von Damaskus war in seiner nur fragmentarisch erhaltenen Biografie des Augustus darum bemüht, ihn nur im besten Licht darzustellen. Allerdings finden sich in der antiken Geschichtsschreibung auch Spuren einer anderen, kritischen Beurteilung. Der Geschichtsschreiber Tacitus etwa, ein erklärter Anhänger der früheren, republikanischen Verhältnisse, schrieb im frühen 2. Jahrhundert in seinem Werk Annalen über die Begründung des Principats: Nach einer kritischen Passage über die in seinen Augen übertriebenen postumen Ehrungen des Augustus schrieb Tacitus über den Princeps selbst: Bestimmte Schilderungen Tacitus’ sowie des im frühen 3. Jahrhundert schreibenden Senators Cassius Dio weisen einige Übereinstimmungen auf. Während aber Tacitus ein eher negatives Bild vom ersten Princeps zeichnete, da er den Untergang der Republik bedauerte und die Machtpolitik des Augustus als solche erkannte, war Dios Darstellung positiver. Da sein Werk neben den mit Tacitus übereinstimmenden Passagen zusätzliches Material bietet, ist man sich in der Forschung weitgehend einig, dass Dio nicht Tacitus, sondern dass beide eine heute verlorene, gemeinsame Quelle verwendet haben. Wie die meisten antiken Geschichtsschreiber benannte auch Tacitus nur selten seine Quellen. Aus der senatorischen Geschichtsschreibung sind jedoch mehrere Werke aus der Zeit vor ihm bekannt, darunter das des Aulus Cremutius Cordus, der Brutus und Cassius anscheinend recht positiv dargestellt hat. Auch Aufidius Bassus schilderte wenigstens teilweise die Herrschaft des Augustus; allerdings ist nicht bekannt, ab welchem Zeitpunkt seine Historien einsetzten. Wahrscheinlich schrieb auch Servilius Nonianus über die Herrschaft des Princeps. Sueton verarbeitete Material aus verlorenen Werken dieser Zeit in seinen Kaiserviten. Tacitus mag aber der erste Geschichtsschreiber gewesen sein, dessen Gesamturteil über Augustus negativ gefärbt war. Zweieinhalb Jahrhunderte nach Tacitus übernahm Kaiser Julian das zwiespältige Urteil der senatorischen Geschichtsschreibung über seinen Vorgänger. In seiner Satire Caesares („Die Kaiser“) beschrieb er Augustus wegen seiner Wechselhaftigkeit als Chamäleon. Trajan und Mark Aurel seien ihm daher als Charaktere vorzuziehen. Eine wesentliche Umdeutung erfuhren Augustus und seine Zeit nach der Christianisierung des Römischen Reichs. Seit Spätantike und Mittelalter haben Christen immer wieder versucht, die pax Augusta mit der pax Christiana gleichzusetzen, da Jesus von Nazaret im augusteischen Zeitalter geboren worden war. Im Spätmittelalter nutzten die römisch-deutschen Könige und Kaiser diesen Umstand auch politisch, um ihren Vorrang gegenüber dem Papsttum zu begründen. Während des Weihnachtsdienstes wurde indirekt hervorgehoben, dass es zur Zeit von Jesu Geburt bereits einen römischen Kaiser aber noch keinen Papst gegeben habe. Auch in der Neuzeit wollten Politiker aus jeweils unterschiedlichen Motiven heraus immer wieder Parallelen zwischen der eigenen und der Zeit des Augustus konstruieren. Während der Französischen Revolution wurde zum Beispiel die Errichtung des Direktoriums nach der Terrorherrschaft der Jakobiner im Jahr 1794 mit der Errichtung des Prinzipats verglichen. Im 20. Jahrhundert wiederum entfachten die italienischen Faschisten ein regelrechtes Augustusfieber. Auch in der Zeit des Nationalsozialismus versuchten zahlreiche Althistoriker, darunter Wilhelm Weber, die Herrschaftsweise des Augustus als Vorbild für die so genannte nationale Erneuerung Deutschlands durch das „Führerprinzip“ darzustellen.
Noch ganz anders hatte im 19. Jahrhundert der Althistoriker Theodor Mommsen geurteilt: Er hatte Augustus’ Prinzipatsordnung nicht als Allein-, sondern als Doppelherrschaft gedeutet, die sich Senat und Princeps geteilt hätten. Gegen dieses Bild wiederum wandte sich Ronald Syme, dessen 1939 erschienenes Werk The Roman Revolution vor allem aufgrund seines reichhaltigen Materials als Ausgangspunkt der modernen Augustus-Forschung gilt. Symes Darstellung war von der Ausbreitung faschistischer Bewegungen im Europa seiner Zeit geprägt. Er wollte in Augustus einen Diktator und in seinem Aufstieg Parallelen zu den Anfängen des Faschismus erkennen. Ähnlich sah dies auch Benito Mussolini selbst, auch wenn er Symes negative Bewertung nicht teilte. Nach Syme ist Augustus’ Regime aus einer Revolution hervorgegangen. Er selbst sei ein Parteimann gewesen, der gestützt auf Geld und Waffen die alte Führungsschicht beseitigt und durch eine neue ersetzt habe. Als kalkulierender Machtmensch habe er die alte, zerfallende Republik zu Grabe getragen, um unter einer scheinbar republikanischen Fassade eine Alleinherrschaft zu begründen. Der Historiker Jochen Bleicken urteilte zwar kritisch, aber nicht abwertend über den Princeps: In der antiken Geschichte gebe es nur Alexander und Caesar, deren Leistungen sich mit denen des Augustus vergleichen ließen. Dennoch könne man ihn nicht mit diesen „Großen“ gleichsetzen, die im Grunde nur zerstörend gewirkt hätten. Augustus hingegen sei vor allem der wegweisende „Baumeister des Römischen Kaiserreichs“ und „Erzieher“ der neuen Eliten des Prinzipats gewesen. Von einer Heuchelei des Augustus oder von einem Fassadencharakter seines Regimes könne keine Rede sein. Dietmar Kienast sah in Augustus gar den selbstlosesten Machthaber der gesamten Geschichte. Auch Klaus Bringmann (2007) zog in seiner Augustus-Biographie eine insgesamt positive Bilanz der Regierungszeit des ersten römischen Kaisers: Anders als Ronald Syme sieht er in dessen Leistungen den Beleg dafür, dass der Besitz der Macht für Augustus kein bloßer Selbstzweck war. Werner Dahlheim (2010) stellt den „mörderischen Winkelzüge[n] der ersten Jahre“ des jungen Octavian das positive Urteil über dessen zweite Lebenshälfte gegenüber. Ihm erscheint Augustus, gemessen an der Dauerhaftigkeit seiner staatsmännischen Leistung, als „großer Mann“. Aus Anlass des 2000. Todestages des Kaisers wurde in der Scuderie del Quirinale in Rom von Oktober 2013 bis Februar 2014 die Ausstellung „Augusto“ gezeigt. Aus dem gleichen Anlass organisierten Ernst Baltrusch und Christian Wendt an der FU Berlin eine Ringvorlesung mit 12 Beiträgen von Fachkolleginnen und -kollegen zu wichtigen Aspekten der Politik und Kultur der Epoche des ersten Princeps und ihrer Bedeutung für die Nachwelt, die 2016 in einem Sammelband publiziert wurden.
Augustus war Verfasser einer Vielzahl von Schriften unterschiedlicher Gattung und unterschiedlichen Inhalts. Annähernd vollständig erhalten sind davon nur die Res gestae divi Augusti, ein von Augustus selbst verfasster Tatenbericht, der an Bronzesäulen vor seinem Mausoleum angebracht war. Kopien wurden als Inschriften in mehreren Orten in Kleinasien gefunden, die vollständigste – mit einer griechischen Übersetzung – in einem Tempel in Ankara, nach der das Werk auch als Monumentum Ancyranum bezeichnet wird. Es gibt zahlreiche Ausgaben, unter anderem eine lateinisch-griechisch-deutsche Ausgabe mit Kommentar hrsg. von Ekkehard Weber, München u. Zürich 1975. . Die übrigen Werke sind nur als 'Fragmente', das heißt zumeist als Zitate oder Paraphrasen bei späteren Autoren überliefert. Zu nennen sind hier unter anderem: * De vita sua: eine Autobiografie, die in dreizehn Büchern die Zeit bis zum Cantabrischen Krieg behandelte, aber praktisch vollständig verloren ging. (Moderne „Rekonstruktionen“ von O. K. Gilliam, Philipp Vandenberg und Allan Massie gehören in das Genre des historischen Romans.) * Sicilia: verloren gegangenes Epos in Hexametern, nur von Sueton bezeugt. * Ajax: Tragödie, von Augustus selbst vernichtet. * Briefe; Reste von Privatbriefen des Augustus, etwa an Familienmitglieder, aber auch an Gaius Maecenas und die Dichter Vergil und Horaz, sind in recht großem Umfang als Zitate bei späteren Autoren (vor allem Sueton) überliefert. Amtsbriefe sind zum Teil auch in inschriftlicher Form erhalten. * Enrica Malcovati: Imperatoris Caesaris Augusti operum fragmenta. 5. Auflage. Paravia, Turin 1969 (kritische Ausgabe aller Fragmente von Schriften des Augustus sowie der Res gestae, in ihrer Gesamtheit bislang unüberholt) * John Scheid: Res gestae divi Augusti (= Collection Budé [série latine]. Bd. 386). Les Belles Lettres, Paris 2007, ISBN 978-2-251-01446-3 (derzeit maßgebliche Ausgabe des 'Tatenberichts' mit französischer Übersetzung) ** Rezension: Josiah Osgood, in: Bryn Mawr Classical Review, 2007.10.40 () * Klaus Bringmann, Dirk Wiegandt: Augustus. Schriften, Reden und Aussprüche (= Texte zur Forschung. Bd. 91). Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2008, ISBN 3-534-19028-9 (Studienausgabe auf Grundlage von Malcovati mit deutscher Übersetzung und historischem Kommentar) ** Rezension: Andreas Klingenberg, in: H-Soz-Kult, 19. Mai 2008 () * Henning Ohst: Die ‚Epistulae ad familiares‘ des Kaisers Augustus. Studien zur Textgeschichte in der Antike, Edition und Kommentar (= Untersuchungen zur antiken Literatur und Geschichte. Bd. 152). De Gruyter, Berlin/Boston 2023, ISBN 978-3-11-119151-5, S. 99–238 (kritische Ausgabe der Privatbrieffragmente mit Übersetzung und philologischem Kommentar; teilweise anders zusammengesetzt und angeordnet als in dem entsprechenden Abschnitt der Ausgabe Malcovatis)
* Appian, Römische Geschichte. Bd. 2: Bürgerkriege. Übersetzt von Otto Veh, 1988. ] * Cassius Dio, Römische Geschichte. Übersetzt von Otto Veh, Artemis-Verlag, Zürich 1985, () * Nikolaos von Damaskus, Das Leben des Augustus. Oft kritisierte Biografie, die nicht immer zuverlässig ist und nur in byzantinischen Exzerpten erhalten ist. Zweisprachige Übersetzung von Jürgen Malitz, Nikolaos von Damaskus. Das Leben des Kaisers Augustus, Darmstadt 2003. (PDF; 77 kB) * Sueton, Divus Augustus. Ausführlichste antike Biografie aus der Sammlung der Kaiserbiografien von Gaius Iulius Caesar bis Domitian. Zahlreiche Ausgaben, beispielsweise in Sämtliche erhaltene Werke, Essen 2004 (deutsche Übersetzung). ) * Tacitus, Annalen. Das Geschichtswerk setzt erst mit dem Tod des Augustus ein, enthält aber zahlreiche Rückblicke auf seine Herrschaft. Zahlreiche Ausgaben, beispielsweise lateinisch und deutsch hrsg. von Erich Heller, München u. Zürich 1982.
* Jochen Bleicken: Augustus. Eine Biographie. Alexander Fest, Berlin 1998, ISBN 3-8286-0027-1 (Neuauflage mit Nachwort von Uwe Walter, Rowohlt, Reinbek 2010, ISBN 978-3-499-62650-0). * Klaus Bringmann: Augustus (= Gestalten der Antike.). Primus, Darmstadt 2007, ISBN 978-3-89678-605-0. * Karl Christ: Geschichte der römischen Kaiserzeit. Von Augustus bis zu Konstantin. 4. durchgesehene und aktualisierte Auflage. C. H. Beck, München 2002, ISBN 3-406-36316-4, S. 47 ff. * Werner Dahlheim: Augustus. Aufrührer – Herrscher – Heiland. Eine Biographie. C. H. Beck, München 2010, ISBN 978-3-406-60593-2 (Rezension von Christoph Michels in H-Soz-Kult, 2010 ). * Werner Dahlheim: Augustus. In: Manfred Clauss (Hrsg.): Die römischen Kaiser. 55 historische Portraits von Caesar bis Iustinian. 4. aktualisierte Auflage. C. H. Beck, München 2010, ISBN 978-3-406-60911-4, S. 26–50 (Kurzbiografie). * Werner Eck: Augustus und seine Zeit. 6. überarbeitete Auflage. C. H. Beck, München 2014, ISBN 978-3-406-41884-6 (knappe Einführung). * Karl Galinsky: Augustus. Sein Leben als Kaiser. Aus dem Englischen von Cornelius Hartz. Philipp von Zabern, Mainz 2013, ISBN 978-3-8053-4677-1. * Dietmar Kienast: Augustus. Prinzeps und Monarch. 4., bibliographisch aktualisierte und um ein Vorwort ergänzte Auflage. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2009, ISBN 978-3-534-23023-5 (problemorientierte, aber schwer lesbare Darstellung mit umfassendem wissenschaftlichem Apparat). * Anne-Marie Lewis: Celestial inclinations. A life of Augustus. Oxford University Press, New York 2023, ISBN 978-0-19-759967-9. * Angela Pabst: Kaiser Augustus. Neugestalter Roms. Reclam, Stuttgart 2014, ISBN 978-3-15-010988-5. * Daniel Carlo Pangerl: Augustus. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon. Band 46, Bautz, Nordhausen 2023, ISBN 978-3-95948-590-6, Sp. 73–79. * Gilles Sauron: Auguste. L’emprise des signes (= Mondes anciens. Band 13). Les Belles Lettres, Paris 2025, ISBN 978-2-251-45705-5. * Pat Southern: Augustus. Magnus, Essen 2005, ISBN 3-88400-431-X. * Heinrich Schlange-Schöningen: Augustus. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2005, ISBN 3-534-16512-8 (knappe Darstellung).
* Ernst Baltrusch, Christian Wendt (Hrsg.): Der Erste. Augustus und der Beginn einer neuen Epoche, Zaberns Bildbände zur Archäologie. Sonderbände der Antiken Welt, Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2016, ISBN 978-3-8053-5033-4. * Jochen Bleicken: Verfassungs- und Sozialgeschichte des Römischen Kaiserreiches. 2 Bände, 3. bzw. 4. Auflage, Schöningh, Paderborn 1981, ISBN 3-8252-0838-9, ISBN 3-8252-0839-7. * Alan K. Bowman (Hrsg.): The Cambridge Ancient History. Vol. 10. The Augustan Empire. Cambridge University Press, Cambridge 1996, ISBN 0-521-26430-8 (detaillierte Gesamtdarstellung). * Klaus Bringmann, Thomas Schäfer: Augustus und die Begründung des römischen Kaisertums. Akademie-Verlag, Berlin 2002, ISBN 3-05-003054-2 (Studienbuch mit Quellenteil). * Maria H. Dettenhofer: Herrschaft und Widerstand im augusteischen Prinzipat. Die Konkurrenz zwischen res publica und domus Augusta (= Historia Einzelschriften. Band 140). Franz Steiner, Stuttgart 2000, ISBN 3-515-07639-5. * Jörg Fündling: Das Goldene Zeitalter. Wie Augustus Rom neu erfand. WBG, Darmstadt 2013, ISBN 978-3-86312-035-1. * Manuel Flecker, Stefan Krmnicek, Johannes Lipps, Richard Posamentir, Thomas Schäfer (Hrsg.): Augustus ist tot Lang lebe der Kaiser! Internationales Kolloquium anlässlich des 2000. Todesjahres des römischen Kaisers vom 20. 22. November 2014 in Tübingen (= Tübinger archäologische Forschungen. Bd. 24). Verlag Marie Leidorf, Rahden 2017, ISBN 978-3-89646-915-1. * Karl Galinsky (Hrsg.): The Cambridge Companion to the Age of Augustus. Cambridge University Press, Cambridge 2005, ISBN 0-521-00393-8 (Aufsatzsammlung). * Wolfgang Havener: Imperator Augustus. Die diskursive Konstituierung der militärischen „persona“ des ersten römischen „princeps“ (= Studies in ancient monarchies. Bd. 4). Steiner, Stuttgart 2016, ISBN 978-3-515-11220-8. * A. J. S. Spawforth: Greece and the Augustan Cultural Revolution. Cambridge University Press, Cambridge 2012. * Ronald Syme: Die römische Revolution. Machtkämpfe im antiken Rom. Grundlegend revidierte und erstmals vollständige Neuausgabe, herausgegeben von Christoph Selzer und Uwe Walter. Klett-Cotta, Stuttgart 2003, ISBN 3-608-94029-4 (klassische Darstellung, die zum Ausgangspunkt der modernen Augustus-Forschung geworden ist). * Paul Zanker: Augustus und die Macht der Bilder. 3. Auflage. Beck, München 1997, ISBN 3-406-34514-X (Gesamtdarstellung der propagandistischen und repräsentativen Politik des Augustus).
* Marco Besl: Augustus als Programm. Eine Rezeptionsgeschichte des ersten Princeps (14–500 n. Chr.) (= Historia Einzelschriften. Band 276). Franz Steiner, Stuttgart 2025, ISBN 978-3-515-13794-2. – Rezension von Penelope J. Goodman, sehepunkte 25 (2025), Nr. 9 * Penelope J. Goodman (Hrsg.): Afterlives of Augustus, AD 14–2014. Cambridge University Press, Cambridge 2018. * Ines Stahlmann: Imperator Caesar Augustus. Studien zur Geschichte des Principatsverständnisses in der deutschen Altertumswissenschaft bis 1945. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1988, ISBN 3-534-03890-8.
* Mary Beard: ], Januar 2014, zu den Augustus-Ausstellungen in Rom und Paris 2013–2014 * Vinzenz Völkel/Siegfried Höhne: ] Radiowissen. Ausstrahlung am 29. Juli 2019 (Podcast)
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Argumentum lege non distinguente
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Unter dem als argumentum lege non distinguente (übernommen aus dem Satz argumentum lege non distinguente nec nostrum est distinguere) bezeichneten Rechtsgedanken versteht man in der Rechtswissenschaft einen logischen Schluss bei der Auslegung von Gesetzen, der es im Wege der Analogie erlaubt, das betreffende Gesetz auch auf einen nicht ausdrücklich geregelten Sachverhalt anzuwenden. Voraussetzung ist, dass das auszulegende Gesetz nicht explizit oder nach seinem Grundgedanken zwischen beiden Sachverhalten unterscheidet. Aus einem Umkehrschluss (argumentum e contrario) ergibt sich dann ein Analogieverbot.
* Theo Mayer-Maly, Hans Carl Nipperdey: Risikoverteilung in mittelbar von rechtmäßigen Arbeitskämpfen betroffenen Betrieben. Mohr, Tübingen 1965, (Recht und Staat in Geschichte und Gegenwart 304/305), S. 26 * Carl Creifelds: Rechtswörterbuch. 21. Aufl. 2014. ISBN 978-3-406-63871-8
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Atlantischer Ozean
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Der Name geht auf den Begriff Atlantìs thálassa der altgriechischen Sprache zurück: .
Der Atlantik entstand im Mesozoikum durch die Teilung der erdgeschichtlichen Kontinente Laurasia im Norden und Gondwana im Süden. Heute trennt er Europa und Afrika vom amerikanischen Kontinent. Der Mittelatlantische Rücken überragt den Tiefseeboden um bis zu 3000 Meter und trennt die west- von der ostatlantischen Senke des Ozeans. Der Atlantische Ozean liegt fast ausschließlich auf der Westhalbkugel der Erde. Er ist umgeben von der Arktis bzw. dem Arktischen Ozean im Norden, Europa, Afrika und dem Indischen Ozean im Osten, der Antarktis bzw. dem Südlichen Ozean im Süden sowie Südamerika und Nordamerika im Westen. Der Atlantik kann entlang des Äquators in Nord- und Südatlantik unterteilt werden; gelegentlich wird er auch entlang der Wendekreise in Nord-, Zentral- und Südatlantik unterteilt.
Auf der Westfeste (Amerika) reicht der Atlantik mit seinem Amerikanischen Mittelmeer weit in den Kontinent hinein. Viele der Länder von Kanada im Norden über Panama in Mittelamerika bis Chile in Südamerika haben neben ihrem Atlantikzugang im Osten auch gleichzeitig einen Zugang zum Pazifischen Ozean im Westen.
Als erster Europäer, der den Atlantik überquerte, gilt Leif Eriksson, der um das Jahr 1000 von Grönland aus die Nordostküste Kanadas (Vinland) erreichte. Im 15. Jahrhundert begann die Europäische Expansion mit den Entdeckungsfahrten der Portugiesen nach Afrika und der Spanier nach Amerika. Bis ins 19. Jahrhundert wurde der atlantische Sklavenhandel betrieben. Erst nach Eröffnung des Sueskanals im November 1869 wurde es möglich, durch das Mittelmeer nach Persien, Indien oder Asien zu fahren. Bis dahin mussten die Schiffe das Kap der Guten Hoffnung umrunden. Der Atlantik ist nach wie vor der meistbefahrene Ozean.
Seit 1945 hat der Welthandel stark zugenommen; im Zuge der Globalisierung hat sich die Arbeitsteilung zwischen den Volkswirtschaften stark verändert. Große Teile des Welthandels erfolgen per Schiff (Handelsschifffahrt). Die durchschnittliche Größe der Handelsschiffe hat stark zugenommen; seit den 1960er Jahren hat der Container die Stückgutschiffe weitgehend entbehrlich und den Transport von Stückgut sehr viel effizienter und billiger gemacht (siehe auch Containerisierung, Containerschiff). Große Schiffe haben meist einen großen Tiefgang und brauchen Tiefwasserhäfen. Teile des Atlantiks gelten als überfischt.
Im 19. Jahrhundert war das British Empire die unangefochtene Seemacht. Von 1914 bis 1918, im ganzen Ersten Weltkrieg, praktizierte die Royal Navy eine Seeblockade des Deutschen Kaiserreichs; die Reichsregierung antwortete mit U-Boot-Angriffen.
Die Deutsche Atlantische Expedition erkundete den südlichen Teil des Atlantiks (und die Atmosphäre darüber) von Mitte 1925 bis Mitte 1927 mit dem Forschungsschiff Meteor. Es fuhr dreizehn Mal auf verschiedenen Breitengraden von Ost nach West und zurück und erstellte dabei per Echolot Tiefenprofile des Meeresbodens. Flugzeuge sammelten große Mengen Wetterdaten. Seit dem Aufkommen von Satelliten sind diese der Hauptlieferant von Daten für die Erforschung des Atlantiks.
Auf dem Boden des Atlantiks gibt es außer Tiefseebecken, Tiefseerinnen und Meerestiefs und einigen niedrigeren Schwellen als auffälligste Struktur den Mittelatlantischen Rücken. Das ist eine zerklüftete Erhebung auf einer divergierenden Plattengrenze, die den Atlantik etwa in der Mitte von Nord nach Süd durchzieht. Hier steigt beständig Lava auf, welche die zwei angrenzenden ozeanischen Platten auseinanderschiebt, dadurch den Atlantik verbreitert und die dahinter liegenden Kontinente immer weiter auseinandertreibt; der Ablauf ist durch Datierung der Gesteine auf dem Ozeanboden nachgewiesen, die je weiter entfernt vom Rücken desto älter sind. Zu den Tiefseerinnen und Meerestiefs gehört der Puerto-Rico-Graben mit dem 9219 m unter dem Meeresspiegel liegenden Milwaukeetief, der tiefsten Stelle des ganzen Atlantiks. In den Atlantischen Ozean fließen zahlreiche Flüsse: * von der Ostküste der Vereinigten Staaten bzw. Kanadas aus (siehe Nordamerikanische kontinentale Wasserscheide) * von Mittelamerika aus (Mexiko, Guatemala, Honduras, Nicaragua, Costa Rica, Panama) * von Südamerika aus (Kolumbien, Venezuela, Guayana, Suriname, Französisch-Guyana, Brasilien, Uruguay, Argentinien) * von der Westküste Afrikas (Westafrika, Zentralafrika, Namibia, Westküste Südafrikas) * von Europa aus (soweit sie nicht ins Mittelmeer, die Ostsee oder das Nordmeer fließen; siehe Europäische Hauptwasserscheide) Sie transportieren mit ihrem Wasser auch zahlreiche Schadstoffe und Nährstoffe in den Atlantik.
Der Atlantische Ozean hat im Durchschnitt einen Salzgehalt von etwa 3,54 %, während der Wert im Pazifik bei 3,45 % und im Indischen Ozean bei 3,48 % liegt. Im Randmeer Nordsee ist der Salzgehalt mit 3,2–3,5 % schon merklich niedriger. In der Nähe von Flussmündungen fällt er auf 1,5–2,5 % und erreicht in der Ostsee, die fast vollständig von Festland umgeben ist und nur geringen Wasseraustausch mit dem Atlantik hat, nur noch 0,2–2,0 %.
Einige der größten Inseln der Erde liegen im Atlantischen Ozean: Die Britischen Inseln, Grönland, Irland, Island und Neufundland. Archipele sind die Azoren, die Bahamas, die Bermudas, die Falklandinseln, die brasilianische Inselgruppe Fernando de Noronha, die Großen Antillen, die zur Kamerunlinie gehörige Inselgruppe um São Tomé und Príncipe, die Kanaren, die Kleinen Antillen, die unbewohnten Sankt-Peter-und-Sankt-Pauls-Felsen, die Scilly-Inseln und der Inselstaat Kap Verde. Isolierte Inseln sind Annobón, Ascension, Bioko, Bouvetinsel, Gough-Insel, Madeira, St. Helena, Trindade und Tristan da Cunha.
Auf dem Atlantik werden berühmte Regatten gesegelt: * Ozean-Wettfahrt Bermuda-Cuxhaven 1936 * Solitaire du Figaro * DaimlerChrysler North Atlantic Challenge * Kapstadt–Rio de Janeiro
* Holger Afflerbach: Das entfesselte Meer. Die Geschichte des Atlantik. Malik-Verlag, München 2001, ISBN 3-492-23989-7. * Manfred Leier: Weltatlas der Ozeane – mit den Tiefenkarten der Weltmeere. Frederking und Thaler, München 2001, ISBN 3-89405-441-7, S. 122–153. * Simon Winchester: Der Atlantik. Biographie eines Ozeans. Knaus, München 2012, ISBN 978-3-8135-0431-6 (Erstausgabe: New York, HarperCollins 2010).
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Arthur Schopenhauer
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Arthur Schopenhauer (* 22. Februar 1788 in Danzig; † 21. September 1860 in Frankfurt am Main) war ein deutscher Philosoph und Hochschullehrer. Schopenhauer entwarf eine Lehre, die gleichermaßen Erkenntnistheorie, Metaphysik, Ästhetik und Ethik umfasst. Er sah sich selbst als Schüler und Vollender Immanuel Kants, dessen Philosophie er als Vorbereitung seiner eigenen Lehre auffasste. Weitere Anregungen bezog er aus der Ideenlehre Platons und aus Vorstellungen indischer Philosophien. Innerhalb der Philosophie des 19. Jahrhunderts entwickelte er eine eigene Position des subjektiven Idealismus und vertrat als einer der ersten Philosophen im deutschsprachigen Raum die Überzeugung, dass der Welt ein irrationales Prinzip zugrunde liegt.
Die Vorfahren Arthur Schopenhauers stammten meist aus dem Danziger Werder zwischen Elbing und Danzig. Der Großvater Andreas Schopenhauer (1720–1793) war ein sehr vermögender Kaufmann in Danzig, dessen Frau Anna Renata Soersman Tochter eines niederländischen Kaufmanns. Der Großvater mütterlicherseits Christian Heinrich Trosiener (1730–1797) war ebenfalls Kaufmann in Danzig und Ratsherr aus dem mittleren Stand. Die Großmutter Elisabeth Lehmann war die Tochter eines Apothekers. Der Vater Heinrich Floris Schopenhauer (1747–1805) übernahm das Unternehmen und einen Teil der Güter des Großvaters. 1785 heiratete er die 18-jährige Johanna Trosiener (1766–1838). Diese Ehe war zwar standesmäßig eine gute Wahl für sie, dennoch verlief sie nicht besonders glücklich für beide. Am 22. Februar 1788 wurde Arthur in Danzig in der Heilige-Geist-Gasse 114 geboren. Seine Kindheit verbrachte er auch auf einem Hof der Familie in Oliva. 1793 zog der Vater mit der Familie nach Hamburg, als preußische Truppen infolge der zweiten polnischen Teilung die Übergabe der Stadt Danzig erzwangen. Er verließ damit seine Güter in der Stadt, denn sein republikanischer Freiheitssinn lehnte die preußische Herrschaft in der Freien Hansestadt Danzig ab. Die Familie ließ sich zunächst am Neuen Weg 76 in der Hamburger Altstadt nieder und zog 1797 in ein größeres Haus im Neuen Wandrahm 92, wo sich dann auch der Geschäftsbereich befand. Dort wurde 1797 Schopenhauers Schwester Adele Schopenhauer geboren.
Heinrich Schopenhauer hatte für seinen Sohn Arthur den in der Familie traditionellen Kaufmannsberuf vorgesehen und ihn deshalb in die dafür vorbereitende Hamburger Erziehungsanstalt unter der Leitung von Johann Heinrich Christian Runge geschickt. Seine damaligen Schulfreunde waren der spätere Ministerresident Carl Godeffroy und der spätere Weinhändler und Senator Georg Christian Lorenz Meyer. Arthur absolvierte schnell das in der Handelsschule Erlernbare und bat den Vater eindringlich, ein Gymnasium besuchen zu dürfen. Der Vater hielt dies jedoch für überflüssig und bot ihm stattdessen eine gemeinsame, längere Bildungsreise durch Europa an. Arthur willigte ein und bereiste, nachdem er mehrere Wochen zum Erlernen der englischen Sprache in Wimbledon verbracht hatte, von 1803 bis 1804 Holland, England, Frankreich, die Schweiz, Österreich, Schlesien und Preußen. Von September bis Dezember 1804 begann Schopenhauer auf Wunsch des Vaters eine Kaufmannslehre im Danziger Handelshaus von Jacob Kabrun, mit dem der Vater befreundet war. Dorthin begleitete ihn seine Mutter. 1805 kehrten sie nach Hamburg zurück und er setzte seine Kaufmannslehre im Unternehmen Jenisch fort. Am 20. April des Jahres wurde der Vater tot im Fleet hinter seinem Haus gefunden. Er litt unter Depressionen und war wahrscheinlich vom Dachspeicher gestürzt, vermutet wurde ein Suizid. Nach Auflösung des väterlichen Geschäfts und dem Verkauf des Wandrahms 92 wohnte die Familie vorübergehend von 1805 bis 1806 in einer Wohnung in den Kohlhöfen 29 nahe dem Großneumarkt. 1806 zog seine Mutter mit seiner jüngeren Schwester, der späteren Schriftstellerin Adele Schopenhauer, nach Weimar. Johanna Schopenhauer zählte zu den frühen Romanschriftstellerinnen und verfasste beispielsweise auch eine kunsthistorische Abhandlung zur Ölmalerei van Eycks. In Weimar sollte sie einen vielbeachteten Salon führen, in dem auch Goethe verkehrte. Arthur blieb allein in Hamburg zurück und war nun frei zu entscheiden, ob er pflichtgemäß seine Kaufmannslehre fortsetzen oder seiner Neigung zu einem geistigen Beruf nachgehen wolle.
Schopenhauer brach seine Lehre ab und wurde im Juni 1807 auf Ratschlag Carl Ludwig Fernows Schüler des Gymnasialdirektors Doering am Gymnasium Illustre in Gotha. Noch im selben Jahr übersiedelte er, wie zuvor seine Mutter und seine Schwester, nach Weimar, wo sein wichtigster Lehrer Franz Passow wurde. Der junge Schopenhauer pflegte Umgang mit dem Schriftsteller Johannes Daniel Falk und dem Dichter und Priester Zacharias Werner. Ein Jugendfreund war der spätere klassische Philologe Friedrich Gotthilf Osann (1794–1858). Im Jahre 1809 verliebte Schopenhauer sich unglücklich in die elf Jahre ältere 32-jährige Schauspielerin und Opernsängerin Karoline Jagemann, seinerzeit die Geliebte des Herzogs Carl August von Sachsen-Weimar-Eisenach. Für sie schrieb er sein einziges überliefertes Liebesgedicht. Volljährig geworden bekam Schopenhauer seinen Anteil am väterlichen Erbe ausgezahlt. Durch diesen erheblichen Geldbetrag wurde er vermögend und frei von finanziellen Sorgen. 1809 begann er an der Universität Göttingen ein Studium der Medizin, das er jedoch bald zugunsten der Philosophie aufgab. Den Doktortitel der Philosophie an der Universität Jena erhielt Schopenhauer am 2. Oktober 1813 (magna cum laude) für seine Schrift Ueber die vierfache Wurzel des Satzes vom zureichenden Grunde, welche er während seines Aufenthaltes im Gasthof „Zum Ritter“ in der Residenzstadt Rudolstadt im Sommer desselben Jahres vollendet hatte. Dem Prüfungsgremium saß der Dekan Heinrich Karl Eichstädt vor. Zu den ersten Lesern seines Werks gehörte der Dichter und Naturforscher Johann Wolfgang von Goethe. Goethe war bereits vorher über seinen Kontakt zur Mutter Schopenhauers, die in Weimar einen literarischen Salon unterhielt, auf ihn aufmerksam geworden. Häufigere Begegnungen mit Goethe folgten, der in dieser Zeit seine Farbenlehre ausformulierte. Diese, der newtonschen Lehre widersprechende Theorie fand in Schopenhauer einen ihrer wenigen Unterstützer. Als Schopenhauer begann, mit größerem Selbstbewusstsein eigene, abweichende Thesen zu vertreten, löste sich das enge Verhältnis allmählich. Gleichwohl hatte Schopenhauer zeitlebens große Bewunderung für Goethe. Durch Friedrich Majer wurde Schopenhauer mit der altindischen Philosophie des Brahmanismus bekannt gemacht. 1814 überwarf er sich mit seiner Mutter und ging nach Dresden, wo er in Literatenkreisen verkehrte und Studien in den reichen Sammlungen und Bibliotheken der Stadt trieb. 1815 veröffentlichte Schopenhauer eine eigene Farbenlehre mit dem Titel Ueber das Sehn und die Farben. Diese entstand in Korrespondenz mit Goethe und erschien 1816 im Druck.
Anschließend entwarf Schopenhauer sein Hauptwerk Die Welt als Wille und Vorstellung, das Anfang 1819 bei F. A. Brockhaus erschien und später noch erheblich erweitert werden sollte. Der Philosoph war schon zu diesem Zeitpunkt von der geistesgeschichtlichen Bedeutung seiner Arbeit überzeugt, obwohl sie zunächst rein wirtschaftlich kein Erfolg wurde. Die erste Auflage war erst nach dreißig Jahren vergriffen. Der Briefwechsel zwischen Schopenhauer und seinem Verleger ist ein aufschlussreiches Zeitdokument. Modern war an Schopenhauer seine Auffassung von der Philosophie als einer speziellen Art von Schriftstellerei. Sein langer Kampf gegen Setzfehler passte zu seiner väterlichen Prägung vom penibel kalkulierenden Kaufmann und zu dem Bewusstsein, eine bedeutende Schrift verfasst zu haben. Diese Penibilität und eine gewisse Rechthaberei äußerten sich u. a. darin, dass er in einem Anhang zu seinem Hauptwerk, in welchem er die Kant’sche Philosophie kritisierte, sehr detailliert alle Auflagen der Kant’schen Werke nach begrifflichen Abweichungen untersuchte. Dies geschah vor dem Hintergrund, dass nach seiner Auffassung die erste Auflage, nicht aber die späteren, mit seiner eigenen Philosophie verträglich sei. Schopenhauer verstand sich aber auch als Bewahrer der deutschen Sprache und verbot nicht nur zur Bewahrung der Schärfe philosophischer Formulierungen, sondern auch aus sprachlichen Gründen, sämtliche Änderungen seines Manuskripts, vor allem Anpassungen an den zeitgenössischen Sprachgebrauch. Dadurch verzögerte sich die Herausgabe, so dass es nicht pünktlich zur Leipziger Buchmesse im September 1818 erscheinen konnte. War er anfangs noch ganz geschmeidig und höflich („… Euer Wohlgeboren …“) mit Friedrich Arnold Brockhaus umgegangen, änderte sich dies schnell, nachdem der Kontrakt unterzeichnet war und erste Abweichungen auftauchten. Er sah sich als herausragenden, aber schlecht bezahlten Autor und beklagte sich: In einem anderen Brief an Brockhaus schreibt Schopenhauer: Brockhaus’ Erwiderung fiel scharf aus. Er sprach Schopenhauer ab, ein Ehrenmann zu sein, und weigerte sich, „etwaige Briefe“ seines Autors anzunehmen, Am gleichen Tag schrieb Brockhaus:
Im September 1818 trat der Privatgelehrte eine Reise nach Italien an, die ihn über Venedig, Rom, Neapel und Paestum nach Mailand führte. Dort erreichte ihn im Juni 1819 die Nachricht vom Zusammenbruch des Danziger Handelshauses A. L. Muhl & Co., bei dem er einen Teil seines Vermögens deponiert hatte. Er brach die Reise ab, um die Angelegenheit an Ort und Stelle zu regeln, wobei es erneut zu Spannungen zwischen ihm und seiner Mutter kam. Seine finanziell prekäre Situation veranlasste ihn, sich um eine Dozentur an der Universität Berlin zu bewerben. 1820 begann Schopenhauer die Lehrtätigkeit an der noch jungen Berliner Universität. Dabei kam es zu dem berühmten Streit mit Hegel. Schopenhauer setzte seine Vorlesungen zeitgleich mit denen Hegels an, hatte aber nur wenige Zuhörer, da die Studenten Hegels Vorlesung bevorzugten. Bald begann er, die Universitätsphilosophie zu verachten. Als das Handelshaus Muhl 1821 seine Forderungen beglich, verließ er die Universität und setzte seine Italienreise fort. Ab 1821 unterhielt er mehrere Jahre lang ein Verhältnis mit der damals 19-jährigen Opernsängerin Caroline Medon. Er misstraute jedoch ihrem Gesundheitszustand und ihren möglichen Absichten, so dass es nie zu einer Heirat kam. In dieser Zeit kam es auch zur Marqet-Affäre. Caroline Louise Marqet, eine 47-jährige Näherin, hatte Schopenhauer durch ihr lautes Gespräch mit zwei anderen Frauen im Vorzimmer seiner Wohnung derartig in Rage gebracht, dass er sie schließlich handgreiflich hinauswarf, wobei sie stürzte. Die derart Behandelte klagte daraufhin gegen Schopenhauer, weil sie von seiner rohen Behandlung ein andauerndes Zittern des Armes zurückbehalten habe. Sie bekam nach einem fünfjährigen Prozess durch alle Instanzen schließlich vor dem Kammergericht Recht und ihr wurde eine Vierteljahresrente von 15 Talern zugesprochen, bis das Zittern wieder verschwunden sei. Zum Urteilsspruch bemerkte Schopenhauer sarkastisch, dass „sie wohl so klug sein wird, das Zittern des Arms nicht einzustellen“. Er musste die Rente bis zu Marquets Tod 20 Jahre später zahlen, den er mit dem Satz kommentierte: „Obit anus, abit onus“ (Die Alte stirbt, die Last vergeht). Nach längeren, zum Teil krankheitsbedingten Aufenthalten in München, Bad Gastein und Dresden kehrte er erst im April 1825 nach Berlin zurück und unternahm einen erneuten Versuch, eine universitäre Laufbahn einzuschlagen. Außer einer ambivalenten Besprechung der Welt als Wille und Vorstellung durch Jean Paul fanden seine Ideen noch keine Resonanz. Während seiner Aufenthalte in Berlin von 1820 bis 1831 wohnte Schopenhauer nacheinander in der heutigen Dorotheenstraße 83 (damals Nr. 34), in der Kronenstraße 55, Niederlagstraße 4, in der Leipziger Straße 78, in der Dorotheenstraße 90 (damals Nr. 30) und zuletzt in der Behrenstraße 70 und 17 in Berlin-Mitte. Bei Ausbruch einer Choleraepidemie in Berlin floh Schopenhauer 1831 – anders als Hegel, der ihr vermutlich zum Opfer fiel – nach Frankfurt am Main, wo er den Winter verbrachte. Die immer noch mit ihm liierte Medon ging nicht mit ihm aus Berlin fort, da er verlangte, dass sie ihren außerehelichen, damals im neunten Lebensjahr stehenden Sohn Carl Ludwig Gustav Medon (1823–1905) zurücklassen solle; dies führte zum Bruch. Im Alter von 43 Jahren interessierte er sich nochmals für ein junges Mädchen, nämlich die 17-jährige Flora Weiss, die den wesentlich älteren Verehrer jedoch abwies. Nach einem Aufenthalt in Mannheim vom Juli 1832 bis Juni 1833 ließ er sich am 6. Juli 1833 endgültig in Frankfurt nieder.
Nach langem Schweigen meldete sich Schopenhauer 1836 mit seinem Werk Ueber den Willen in der Natur wieder zu Wort. 1837 griff er in die Gestaltung der Gesamtausgabe der Schriften Immanuel Kants ein, indem er erfolgreich für die Aufnahme der ersten Fassung der Kritik der reinen Vernunft anstatt der zweiten Fassung plädierte. 1838 starb Schopenhauers Mutter. Im folgenden Jahr krönte die Königlich Norwegische Societät der Wissenschaften seine Preisschrift Ueber die Freiheit des menschlichen Willens. 1841 erschien sie zusammen mit einer anderen, nicht gekrönten Preisschrift, Ueber das Fundament der Moral, unter dem zusammenfassenden Titel Die beiden Grundprobleme der Ethik. Als bedeutendster einer Reihe von „Aposteln und Evangelisten“ Schopenhauers war 1840 Julius Frauenstädt aufgetreten, weshalb Schopenhauer ihn „Erzevangelist“ nannte. Zuvor hatte schon Friedrich Dorguth (von Schopenhauer daher „Urevangelist“ genannt) auf Schopenhauer aufmerksam gemacht. 1843 nannte er in seiner Schrift Die falsche Wurzel des Idealrealismus den immer noch wenig bekannten Schopenhauer einen Denker von weltgeschichtlicher Bedeutung. Mit 55 Jahren bezog der Philosoph, der bis dahin meist zur Untermiete gewohnt hatte, am Mainufer, an der Schönen Aussicht 17, eine eigene Wohnung, die er 16 Jahre lang behielt. Als das Schopenhauerhaus aber ist die Nachbaradresse in die Geschichte eingegangen, das riesige Palais Schöne Aussicht 16, sein Sterbehaus. 1843 hatte Schopenhauer den zweiten Band seines Hauptwerkes vollendet und wandte sich erneut an den Verlag, der inzwischen von Heinrich Brockhaus geleitet wurde, mit der Bitte um Veröffentlichung. Nach einem Briefwechsel, der von gegenseitigem Respekt zeugt, erschien 1844 die ergänzte und überarbeitete 2. Auflage von Die Welt als Wille und Vorstellung. 1851 kamen die Parerga und Paralipomena (2 Bände) mit den Aphorismen zur Lebensweisheit heraus. Richard Wagner ließ dem von ihm verehrten Schopenhauer seine Dichtung Der Ring des Nibelungen überreichen. Julius Frauenstädts Brief über die Schopenhauer’sche Philosophie erschien. Eine Serie von Schopenhauer-Porträts von Jules Lunteschütz, Julius Hamel und anderen Künstlern entstand. Im Mai 1857 besuchte Friedrich Hebbel Schopenhauer. Im Sommer des Jahres 1859 rettete der häufig als Misanthrop bezeichnete Schopenhauer – er nannte seinen Hund immer dann „Mensch“, wenn er sich über ihn ärgerte – den neunjährigen Julius Frank vor dem Ertrinken. Die ihm erst spät angetragene Mitgliedschaft in der Königlichen Akademie der Wissenschaften in Berlin lehnte Schopenhauer ab. Am 9. September 1860 erkrankte er an einer Lungenentzündung. Nach bereits monatelangen „Atmungsbeschwerden mit starkem Herzklopfen im Gehen“ starb Schopenhauer daran schließlich am 21. September 1860 im Alter von 72 Jahren in der Schönen Aussicht 16 in Frankfurt am Main. Am 26. September wurde er, nachdem er testamentarisch verfügt hatte, dass sein Leichnam nach der Todesfeststellung sechs Tage ruhig und unangetastet im Bett belassen werden sollte, auf dem Frankfurter Hauptfriedhof beigesetzt. Erst nach seinem Tod wurde 1864 seine Schrift Eristische Dialektik (Technik des Diskutierens) veröffentlicht. Schopenhauer formuliert darin 38 rhetorische Kunstgriffe, die es ermöglichen sollen, aus Streitgesprächen als Sieger hervorzugehen, sogar wenn Tatsachen gegen die eingenommene Position sprächen. Die polemisch gegen den Diskussionsstil seiner Zeitgenossen gerichteten Kunstgriffe liefern Beispiele für rabulistische Argumentation und bieten Hinweise auf die durch sie verursachten Fehlschlüsse.
Unter dem Einfluss Platons und Kants vertrat Schopenhauer in seiner Erkenntnistheorie die Position des Idealismus, beschritt jedoch innerhalb dieser Grundauffassung einen eigenen, subjektivistischen Weg („subjektiver Idealismus“). Was Schopenhauer von den Solipsisten trennt, ist sein Beharren auf einem alles verbindenden und bedingenden Etwas. Dieses ist für Schopenhauer der blinde, zum Dasein drängende Wille, Sanskrit: Tat twam asi („Das bist du“ / „Dieses Lebende bist du“). Schopenhauer lehnte die Philosophie Hegels ab, die er selbst abwertend als „Hegelei“ und als „Scharlatanerei“ bezeichnete. Er verfasste drastische Polemiken gegen Hegel, Schelling, Fichte und den zunächst verehrten Schleiermacher.
Ähnlich wie George Berkeley vertritt Schopenhauer die Auffassung, dass sich die Frage nach einer von ihrer Wahrnehmung unabhängig gegebenen Außenwelt nicht stelle. Er argumentiert bezüglich der Existenz einer Außenwelt sowohl gegen den Dogmatismus, der seiner Darstellung nach in Realismus und Idealismus zerfalle, als auch gegen skeptizistische Argumente, da sich die Welt dem Subjekt gegenüber ohnehin nur als Vorstellung zeige – die jedoch nicht als Imagination zu verstehen sei – und die Wahrnehmung unseren einzigen Zugang zur objektiven Welt darstelle. Gegen den philosophischen Skeptizismus bringt er vor, jener bedürfe eher einer „Therapie“ oder „Kur“ als einer ernsthaften Diskussion. Nach Schopenhauers Konzeption ist uns als Subjekt die objektive Welt immer nur im Modus der Vorstellung gegeben, d. h., dass Objekte nur als eine Seite der vorstellenden Relation von Subjekt und Objekt ihre Existenz besitzen. Trotzdem kommt bei Schopenhauer der Welt eine Wirklichkeit zu, die über die reiner, imaginativer Vorstellung hinausgeht. Demnach wäre es falsch, die Welt lediglich als Imagination des menschlichen Bewusstseins zu verstehen. Wesentlich in der Terminologie Schopenhauers ist vielmehr die Unterscheidung zwischen der in Subjekt und Objekt zerfallenden Vorstellung einerseits und bloßer Imagination oder Fantasie, die damit nicht in Verbindung stehen, andererseits. Schopenhauer widersprach der Überzeugung Kants, dass das Ding an sich jenseits aller Erfahrung liege und deshalb nicht erkannt werden könne. Kants Ding an sich war für ihn zwar auch unerkennbar (wir sehen immer nur das, was wir mit unseren Sinnen wahrnehmen), jedoch nicht unerfahrbar. Durch eine Selbstbeobachtung unserer Person können wir uns dessen gewiss werden, was wir letzten Endes sind: Wir erfahren in uns den Willen. Er ist das Ding an sich und damit nicht nur die Triebfeder allen Handelns von Mensch und Tier, sondern auch die metaphysische Erklärung der Naturgesetze. Die Welt ist letztlich blinder, vernunftloser Wille (vgl. Triebtheorie). Schopenhauer ist somit der klassische Philosoph und Hauptvertreter des metaphysischen Voluntarismus. Doch die Welt ist nicht nur Wille, sondern erscheint auch als Vorstellung. Sie ist die durch Raum und Zeit sowie Kausalität, die den a priori gegebenen Erkenntnismodus von uns Verstandeswesen bilden, individuierte und verknüpfte Erscheinung des einen Willens. „Die Welt ist meine Vorstellung“ ist der erste Hauptsatz seiner Philosophie. Was uns als Welt erscheint, ist nur für uns, nicht an sich. Es gibt für Schopenhauer nichts Beobachtetes ohne Beobachter, kein Objekt ohne ein Subjekt. Die Welt, als Vorstellung betrachtet, zerfällt in Subjekte und Objekte, die sowohl untrennbar als auch radikal voneinander verschieden, jedoch letzten Endes beide nur Erscheinungen des Willens sind. Dieser ist nach Schopenhauer das Wesen der Welt, das sich, in Subjekt und Objekt erscheinend, gleichsam selbst betrachtet.
Der Vorstellungswelt liegt der Wille zugrunde, den Schopenhauer als grundlosen Drang versteht. Er stuft den Willen nach den Gegebenheiten seines Wirkens ab, spricht von Ursachen, wenn die Wirkung ihnen gemäß ist, wie beim elastischen Stoß, von Reizen, wenn die Wirkung ein Energiepotential entlädt, und von Motiven, wenn die Wirkung als Umsetzung bestimmter Absichten berechnet wurde. In diesen Formen also bestimmt der Wille alle Vorgänge der organischen und anorganischen Natur. Er objektiviert sich in der Erscheinungswelt als Wille zum Leben und zur Fortpflanzung. Diese Lehre vom „Primat des Willens“ bildet die zentrale Idee der Schopenhauerschen Philosophie, sie hatte weitreichenden Einfluss und begründet die Aktualität von Schopenhauers Werk. Willensfreiheit kennt Schopenhauer, der sich wiederholt, mit unterschiedlichem Resultat, mit Augustinus auseinandersetzte, nur gemäß seiner berühmt gewordenen These: „Der Mensch kann zwar tun, was er will, aber er kann nicht wollen, was er will.“ Jeglichem Handeln liegt immer und stets der Wille, das heißt das Wollen zu Grunde. In der streng kausal geordneten empirischen Welt, der Welt der Vorstellung, ist kein Platz für einen, ohne rein-empirische Ursache handelnden Menschen und zwar nicht nur in dem Sinne, dass dies unserer Denkweise widerspräche, sondern in dem tieferen Sinne, dass der Wille sich in allen seinen Teilen gemäß dem Gesetz der Kausalität manifestiert. Dennoch spricht Schopenhauer von einer intelligiblen Willensfreiheit: wenn das Subjekt den zugrunde liegenden Willen erkennt, kann es ihn in bestimmten Momenten der Kontemplation, beispielsweise durch Kunstgenuss, verneinen. Diese, beispielsweise im Zustand der ästhetischen Kontemplation erreichte Ansicht der Dinge ist nach Schopenhauers Lehre eine Ansicht der Dinge jenseits der vierfachen Wurzel des Satzes vom zureichenden Grunde (Sein, Raum, Kausalität, Zeit) und somit frei von den mit diesen einhergehenden Kausalbeziehungen.
Schopenhauer unterscheidet zwei intellektuelle Vermögen, den Verstand und die Vernunft. Der Verstand äußert sich in unmittelbaren Urteilen über das Angeschaute, beispielsweise zu erkennen, wie stark oder schnell jemand ist, welche Ursache ein Geräusch hat oder in welchem Winkel und mit welcher Kraft ein Speer geworfen werden muss, um sein Ziel zu treffen. Die Vernunft hingegen ist die Fähigkeit, begrifflich zu denken, also Anschauungen unter Begriffe zusammenzufassen, sich Begriffe vorzustellen, den Inhalt von Begriffen miteinander zu vergleichen usw. Diese Lehre vom Denken (Dianoiologie) unterscheidet Schopenhauer von der Lehre vom Sein (Ontologie). Während der Verstand allen Tieren gemein ist, ist die Vernunft das herausragende Merkmal des Menschen. Das menschliche Vernunftvermögen beschrieb Schopenhauer allerdings deutlich skeptischer als etwa Kant oder die reinen Idealisten.
Schopenhauer begründete ein System des empirischen und metaphysischen Pessimismus. Der blinde, vernunftlose Weltwille ist für ihn die absolute Urkraft und somit das Wesen der Welt. Die Vernunft ist nur Dienerin dieses irrationalen Weltwillens. Die Welt – als Erzeugnis dieses grundlosen Willens – ist durch und durch schlecht, etwas, das nicht sein sollte, eine Schuld. Eine schlechtere Welt kann es überhaupt nicht geben. Die Welt ist ein „Jammertal“, voller Leiden. Alles Glück ist Illusion, alle Lust nur negativ definiert als Fehlen von Leid. Der rastlos strebende Wille wird durch nichts endgültig befriedigt. Die Basis allen Wollens ist Bedürftigkeit, Mangel, also Schmerz. Das Leben „schwingt also, gleich einem Pendel, hin und her zwischen dem Schmerz und der Langeweile“. Mächtigster Ausdruck des Willens ist der nicht dauerhaft zu befriedigende Geschlechtstrieb. Im „Jammertal“ des Diesseits hält Schopenhauer den Tod für besser als das Leben. Es ist jedoch ein weit verbreiteter Irrtum, daraus eine Aufforderung zur Selbsttötung abzuleiten. Der Suizid stellt keine Lösung dar, weil der metaphysische Wille umgehend eine neue Form findet und so das Lebensrad aufs Neue in Gang bringt. Der Mensch ist jedoch als höchstes irdisches Wesen in der Lage, den Willen für sich zu negieren. Auch die Kunst (als die Produktion von Kunst oder die Perzeption von Kunst) und die Moral tragen dazu bei, das leidvolle Dasein zu überwinden und den (vom Willen befreiten) Zustand des Nirwanas zu erreichen – durch die Kunst punktuell, durch die Einstellung als Verneinung des Willens und Askese dauerhaft.
Die Kunst wirkt als zeitweiliges „Quietiv des Willens“. Diese Ästhetik erreicht in der Weltverneinung ihren Höhepunkt. Dem Menschen – als höchster Form des sich in der Erscheinungswelt objektivierenden Willens – ist die Möglichkeit gegeben, den Willen und das Leiden aufzuheben und so in einen Zustand des „Nichtseins“ (eine Art Nirwana) zu gelangen. Das „wahre Kunstwerk“ hilft ihm dabei, indem es das „innere Wesen“ einer Sache, seine Idee, bewusst macht und dem Betrachter auf diese Weise zu einer objektiven Sichtweise verhilft, die ihn aus seiner Subjektivität, seinem „Wollen“, emporhebt. Unter der Gewahrung einer Idee versteht Schopenhauer dabei die Antizipation eines Anschaulichen, seine Ahnung, welche durch das Kunstwerk gereizt wird. Die Musik nimmt eine besondere Stellung ein, da sie nach Schopenhauer ein objektives Abbild allen Wollens dieser Welt zu geben vermag, wobei der Tonlage die Schlüsselrolle für die Unterscheidung der unterschiedlichen Willensformen zukommt – je tiefer, desto näher an den Gesetzen der Materie, je höher, desto näher an den Beweggründen des Menschen:
Jeder Mensch gilt bei Schopenhauer als Objektivation des Willens. Der einzelne Mensch ist als Subjekt eine Individuation des Willens. Da der Wille bei Schopenhauer als allmächtig gilt, aus ihm alles hervorgeht, hält nun jedes Individuum sich als Individuation des Willens für den Angelpunkt nicht seiner, sondern der Welt überhaupt. Diese Sichtweise resultiert aus der falschen Identifikation der Vorstellungen als Tatsachen, wobei der Nicht-Künstler dabei nicht das „Ding an sich“ (den Willen) hinter den Vorstellungen erkennt und deshalb seine individuellen Vorstellungen als „Dinge an sich“ identifiziert. Im Gegenüber, im anderen Menschen, erkennt nun der Mensch (der individuierte Willen) denselben Willen. Der durch den Willen zur absoluten Bejahung des individuierten Willens strebende Mensch (Egoismus) erkennt nun in seinem Gegenüber, dass nur die absolute Verneinung des Willens des Gegenübers einer absoluten Bejahung des eigenen Willens entspricht. So bemerkt der vom blinden Willen getriebene Mensch, dass in allen anderen Lebewesen derselbe blinde Wille haust und sie ebenso leiden lässt wie ihn. Durch das Mitleid wird der Egoismus überwunden, der Mensch identifiziert sich mit dem Anderen durch die Einsicht in das Leiden der Welt. Nur dadurch kann der Wille, die treibende Kraft nach Schopenhauer, sich selbst am Leben erhalten. Hieraus folgt ein im Vergleich zu Kant radikal anderer „Imperativ“: Schopenhauer gilt als Begründer der Tierethik. Seine Ethik schließt den Schutz der Tiere ein: Da er die Welt als Manifestation eines metaphysischen Willens betrachtet, der Mensch und Tier verbinde, wisse er kein schöneres Gebet als das: „Mögen alle lebenden Wesen von Schmerzen frei bleiben.“ Dementsprechend mahnt er Respekt vor der Einzigartigkeit des Lebens an.
Im Zusammenhang mit der Revolution 1848 äußerte sich Schopenhauer zur Rolle des Staates: In der Natur herrsche Gewalt, auch zwischen den Menschen, was die „Masse“ in Vorteil bringe; aber da das Volk ein „ewig unmündiger Souverain“ sei, „unwissend, dumm und unrechtlich“, so müsse dessen „physische Gewalt der Intelligenz, der geistigen Überlegenheit“ unterworfen werden. Zweck des Staates sei es, dass „möglichst wenig Unrecht im Gemeinwesen“ herrsche, zugunsten des Gemeinwohls dürfe der Staat auch Unrechtes tun. Schopenhauer bevorzugte einen aufgeklärten monarchischen Absolutismus, weil sich nur so die Menschen zügeln und regieren ließen. Er sprach von einem „monarchischen Instinkt im Menschen“. Republiken hingegen seien
Arthur Schopenhauer war ein Einzelgänger. In Frankfurt war der Gelehrte nach Einschätzung von Chronisten ein „verkannter Niemand“. Er hielt sich zeitlebens einen Pudel, den er häufig mit „Atman“ ansprach, dem Sanskrit-Wort für Lebenshauch, Atem, in der Tradition der Upanishaden die Essenz des Selbst bzw. die Einzelseele als Teil des Brahman, der „Weltseele“. Wenn ein Hund starb, was etwa alle zehn Jahre vorkam, erwarb er jeweils einen ähnlich aussehenden Pudel. Schopenhauer war der philosophischen Auffassung, dass jeder Hund gleichzeitig jeden anderen Hund enthalte. „Des Pudels Kern“ (Goethe) ging also nie verloren. Für Menschen galt ihm sinngemäß das Gleiche. Wie er gestikulierend im Selbstgespräch mit seinem Pudel am Mainufer spazierte, hat unter anderem der Lokaldichter Friedrich Stoltze bespöttelt. Schopenhauers Tagesablauf war strukturiert: morgens die Arbeit am Schreibtisch, Flötespielen regelmäßig vor dem Mittagessen. Die Mahlzeiten soll Schopenhauer nach der Überlieferung seiner Biographen stets in Gasthäusern eingenommen haben, bevor er einen zweistündigen Spaziergang mit seinem Pudel machte. Über „die Frauen“ äußerte Schopenhauer sich häufig negativ: Schopenhauer zufolge äußert sich in dem über eine sexuelle Leidenschaft hinausgehenden Gefühl von Liebe zwischen Mann und Frau lediglich der innere und damit tatsächliche Wille des Lebens im Individuum: Das Heiraten verwarf er stets – wohl auch gegründet in verunsichernden Erfahrungen in seinem Elternhaus: Über den jüdischen Glauben äußerte sich Schopenhauer eher abschätzig, z. B. bezeichnete er ihn (in Die Welt als Wille und Vorstellung und Parerga und Paralipomena) als „roh“ und „barbarisch“. Er hielt ihn angesichts seiner eigenen pessimistischen Weltsicht für zu optimistisch und machte ihm eine angebliche Unempfindsamkeit gegenüber Tieren zum Vorwurf. Unabhängig davon hatte er im Alltag Kontakte zu einigen Juden. Generell unterstellt Schopenhauer den Gelehrten in der Zeit zwischen der Blüte des Hellenismus und dem Beginn seines eigenen Philosophierens, sich bei der Suche nach der Wahrheit auf Irrwege begeben zu haben und das so genannte „Ding an sich“ an einem falschen Ort – zum Beispiel im Transzendentalen – gesucht zu haben, und er selbst als Philosoph müsse nun gegen die seinerzeit hoch geachteten, aber im Lichte des Systems von Wille und Vorstellung als falsch entlarvten „Wahrheiten“ ankämpfen. Etabliert wurden diese „Fehlschlüsse“ zu einem erheblichen Teil von jüdischen Gelehrten der nach-hellenistischen Zeit. Da nach Rüdiger Safranski der Mensch Schopenhauer sehr wohl darunter litt, dass seine Wirkung sowohl im Berufs- wie im Privatleben ins Leere stieß, habe er seine fast lebenslange Außenseiterrolle durch Aspekte und gelegentliche Erweiterung seiner Philosophie zu belegen gewusst. Sein Ziel war es, in sich aufkommende gesellschaftsbezogene Wünsche mit Recht verneinen zu können. Andersdenkende Menschen habe er nicht zuletzt aus dem Wunsch nach Selbstschutz abgewertet und vor den Kopf gestoßen. büste nach einem Entwurf von Friedrich Schierholz in den Frankfurter Wallanlagen
Kaum ein deutscher Philosoph der Neuzeit hat sowohl breite Leserschichten als auch zahlreiche Berühmtheiten aus Kunst und Wissenschaft so unmittelbar erreicht wie Schopenhauer. Zu den Verehrern des Literaten und Philosophen Schopenhauer zählten u. a. Richard Wagner, Wilhelm Raabe, Wilhelm Busch, Thomas Hardy, Theodor Fontane, Friedrich Nietzsche, Henri Bergson, Max Klinger, Thomas Mann, Bruno Frank, Hermann Hesse, Albert Einstein, Kurt Tucholsky, Samuel Beckett, Hans Pfitzner, Thomas Bernhard, Stanisław Lem, Arno Schmidt, Giacomo Leopardi, Theodor Lipps, Johannes Volkelt, August Macke, der späte Friedrich Theodor Vischer, der frühe Wölfflin, Ludwig Wittgenstein, der späte Horkheimer, Jorge Luis Borges und Michel Houellebecq. Leo Tolstoi brachte Ende August 1869 einen regelrechten Schopenhauer-Panegyrikus zu Papier: Schopenhauers Einfluss auf die moderne deutsche Literatur ist kaum zu überschätzen. Das erweist sich nicht nur an den zahlreichen Anhängern unter den Literaten, sondern auch an seinem Beitrag zur Genieästhetik, besonders zur Kategorie des Dämonischen als Movens der Kunst, der Musikphilosophie mit einer Neubewertung der Musik im System der Künste sowie seiner Bestimmung der Ironie. Im Gegensatz zu Nietzsche beeinflusste seine Prosa kaum nachfolgende Dichter in ihrem Stil, obgleich er neben ihm zu den größten Stilisten deutscher Gelehrtenprosa zählen kann. Insbesondere wegen seiner besonderen Beziehung zur Ästhetik und Kunsttheorie beriefen sich viele Künstler und Schriftsteller auf die Lehre Schopenhauers.
Der Philosoph Eduard von Hartmann kritisierte Schopenhauers Lehre schon sehr früh in seiner Philosophie des Unbewussten (1869) und sah die darin geforderte „Verneinung der Welt“ als „feige persönliche Entsagung“. Friedrich Nietzsche stellte seine dritte Unzeitgemäße Betrachtung (1874) unter den Titel Schopenhauer als Erzieher: Später freilich verwarf Nietzsche Schopenhauers Philosophie und setzte dessen Pessimismus einen radikal-optimistischen Vitalismus entgegen. Dabei bleibt Schopenhauer offensichtlich eine Referenz. Goethe schrieb 1814 in Schopenhauers Stammbuch: „Willst du dich des Lebens freuen, so mußt der Welt du Wert verleihen.“ Ferdinand Tönnies’ Willenstheorie als Axiomatik der Soziologie in Gemeinschaft und Gesellschaft (1887) weist starke Einflüsse Schopenhauers auf. Max Scheler bezeichnete Schopenhauer im Jahr 1906 als Auslöser der Lebensphilosophie: „[Er ist] Vorgänger des Pragmatismus – nicht als Philosophie, sondern als Methodologie der Wissenschaft. […] insofern er den Intellekt als eine bloße Waffe des blinden Lebenswillens im Kampf ums Dasein ansieht […], ist er der Vorgänger Bergsons.“ Hermann Graf Keyserling spottete über das Artistentum Schopenhauers, dem es innerlich wie äußerlich stets um bloße Darstellung gegangen sei. Der Theosoph Johannes Maria Verweyen lehnte wiederum die negative Grundhaltung Schopenhauers ab: „[…] eine Vorherrschaft der Unlust und des Lebensschmerzes, denen gegenüber dann Lust und Glücksgefühl nicht so richtig aufzukommen vermögen“. Der Historiker Jacob Burckhardt begann seine Weltgeschichtliche Betrachtungen genannten Vorlesungen seit 1868 ganz im Sinne Schopenhauers mit einer Polemik gegen Hegels Lehre vom vernünftigen Weltgeist. Ludwig Wittgenstein weist einen deutlichen Einfluss Schopenhauers auf, da . Und: Max Horkheimers spätes Denken war stark von Schopenhauers Pessimismus beeinflusst: „Daß alles Leben der Macht gehorcht und aus dem Zauberkreis des Egoismus gerade noch die Hingabe an die Sache, die Identifikation mit dem, was nicht ich bin, herauszuführen und ins Nichts hineinzuführen scheint – und das ist ein Mythos –, hat Schopenhauer gesehen und war der Welt böse dafür.“ Arnold Gehlen ordnete Schopenhauers Mitleidsethik als „Teilwahrheit“ in den Rahmen seiner Konzeption einer „pluralistischen Ethik“ ein und wies in diesem Zusammenhang kritisch auf die isolierte Lebenssituation des Philosophen hin: Das Mitleidsmotiv sei „verständlich als Stimme eines Mannes, der familienlos, staatenlos und berufslos, als zugereister Frankfurter und Rentier Mühe gehabt hätte, andere Antriebe zu Verpflichtungen in sich zu finden“. Bertrand Russell bezeichnete Schopenhauers Philosophie als „von beträchtlicher Bedeutung“ dafür, dem Willen mehr Wert zu bemessen als der Erkenntnis. Die Lehre vom Primat des Willens sei „die größte Wandlung, die der Charakter der Philosophie in unserer Zeit durchgemacht hat. Sie wurde von Rosseau und Kant vorbereitet, mit aller Deutlichkeit aber zuerst von Schopenhauer verkündet.“ Karl Hillebrand bewunderte insbesondere Schopenhauers Sprache: „Die Proprietät der Ausdrücke, die Fülle der schönen Gleichnisse, die durchsichtige An- und Unterordnung der Gedanken, die Leichtigkeit und Korrektheit des Satzbaus, die Farbe und das Leben dieses Stils sind beinahe einzig in unserer Literatur.“ Arthur Schopenhauer beeinflusste mit seiner Ästhetischen Theorie maßgeblich die Künste von der Mitte des 19. bis zu Beginn des 21. Jahrhunderts, allen voran mit dem Einfluss auf Richard Wagner und dessen Komposition von Tristan und Isolde, über die Künstler der Romantik und des Symbolismus bis hin zu Filmen wie beispielsweise von Lars von Trier, dessen Werke wie Melancholia in erheblichem Masse auf Schopenhauers Auffassungen von Kunst und Metaphysik basieren. Die Rezeption und Verbreitung des Buddhismus in Deutschland lässt sich auch auf Schopenhauers Wirken zurückführen. Der Philosoph sah in dieser Religion einen Gegenentwurf zur abendländischen Metaphysik und deutete deren Erkenntnisstreben als Mittel, die geistige Isolierung des Individuums zu durchbrechen. Schopenhauer fand zahlreiche Verbindungen zwischen seiner eigenen Philosophie und der buddhistischen Lehre, etwa den Atheismus. Die Indien-Begeisterung vieler damaliger Intellektueller wie auch die ersten deutschen Übersetzungen asiatischer Texte wurden durch seine Schriften angeregt.
Die Psychoanalyse (bzw. Metapsychologie) Sigmund Freuds setzt unmittelbar bei Schopenhauers Lehre vom Willen und seiner Negierung an, indem sie die Schäden untersucht, die durch (willentliche oder unfreiwillige) Triebunterdrückung entstehen. Freuds Ansatz kann als Versuch der Re-Rationalisierung des menschlichen Lebens eingeordnet werden, da er eine Methode zur Analyse des Schopenhauerschen Begriffs des Willens erarbeitet, mit dem Ziel, diesen kontrollierbar zu machen. der Deutschen Bundespost zum 200. Geburtstag von Schopenhauer 1988 Daneben knüpfte Carl Gustav Jung, ein Hauptvertreter der Analytischen Psychologie, mit seinem Konzept des kollektiven Unbewussten an Schopenhauer an. Der Begründer der Individualpsychologie Alfred Adler deutete Schopenhauers Ansatz der Leidensüberwindung als fundamental positiven Aspekt in der menschlichen Entwicklung auf dem Weg von seiner Unmündigkeit bei der Geburt zur individuellen Vollkommenheit. Der bei Schopenhauer auf einen Weltwillen zielende Entwurf wird als schöpferisches Element in jedem Lebewesen interpretiert. Adler sah Schopenhauers Ansatz zur Verneinung des Lebens vorbereitet in einer feindlichen Beziehung zur Mutter.
1911 gründete Paul Deussen die Schopenhauer-Gesellschaft, wurde ihr erster Präsident und begann mit der Herausgabe einer (unvollendet gebliebenen) kritischen Schopenhauer-Ausgabe in 14 Bänden. Zum 150. Todestag am 21. September 2010 erschienen neben Monographien, Zitatsammlungen auch zahlreiche Würdigungen in der Presse. In dem letzten Wohnort in Frankfurt am Main an der Schönen Aussicht steht heute das „Schopenhauer-Hotel“.
* In Frankfurt am Main zeigte die Stadt- und Universitätsbibliothek ab 22. Oktober 2019 zu Schopenhauers Leben und Wirken die Ausstellung „Die Welt als Wille und Vorstellung“. * Ebenfalls in Frankfurt am Main war ab 30. Oktober 2019 bis 10. Oktober 2021 im Historischen Museum die Ausstellung „Schopenhauers Frankfurt“ zu sehen.
Maßgebliche Editionen wurden herausgegeben von Arthur Hübscher, Ludger Lütkehaus oder Wolfgang Freiherr von Löhneysen und die zehnbändige Zürcher Ausgabe von Angelika Hübscher. * Ueber die vierfache Wurzel des Satzes vom zureichenden Grunde. 1813 (Dissertation). Zweite, sehr verbesserte und beträchtlich vermehrte Auflage. 1847 (]). Dritte, verbesserte und vermehrte Auflage 1864 (). * Ueber das Sehn und die Farben. 1816 (]). * Die Welt als Wille und Vorstellung. Erster Band, 1819 ). Dritte, verbesserte und beträchtlich vermehrte Auflage 1859 (). * Theoria colorum. 1830. (Lateinische Fassung der überarbeiteten Farbenlehre.) * Ueber den Willen in der Natur. 1836. Zweite, verbesserte und vermehrte Auflage 1854. * Die beiden Grundprobleme der Ethik: Ueber die Freiheit des menschlichen Willens, Ueber das Fundament der Moral. 1841. Zweite, verbesserte und vermehrte Auflage 1860 (). * Die Welt als Wille und Vorstellung. Zweiter Band, 1844 * Parerga und Paralipomena, 1851. Zwei Bände, enthalten die Aphorismen zur Lebensweisheit, Über die Universitäts-Philosophie, Über Schriftstellerei und Stil u. a. () * Versuch ueber das Geistersehn und was damit zusammenhängt. 1851 . Darüber hinaus wurde Schopenhauers handschriftlicher Nachlass herausgegeben von Arthur Hübscher und Volker Spierling: * Arthur Hübscher (Hrsg.): Der handschriftliche Nachlaß in fünf Bänden. Vollständige Ausgabe in sechs Teilbänden. DTV, München 1985; unveränderter Nachdruck der historisch-kritischen Edition, Frankfurt am Main.: Waldemar Kramer 1966–1975. [Im Einzelnen: Frühe Manuskripte 1804–1811, Kritische Auseinandersetzungen 1809–1818, Berliner Manuskripte 1818–1830 (enthält die Eristische Dialektik), Die Manuskriptbücher der Jahre 1830–1852, Letzte Manuskripte/Gracians Handorakel (inkl. Über die, seit einigen Jahren, methodisch betriebene Verhunzung der deutschen Sprache), Randschriften zu Büchern]. * Volker Spierling (Hrsg. und Einleitung): Philosophische Vorlesungen. 4 Bände. Aus dem handschriftlichen Nachlaß. Piper, München 1987–1990. [Im Einzelnen: Theorie des gesammten Vorstellens, Denkens und Erkennens, Metaphysik der Natur, Metaphysik des Schönen, Metaphysik der Sitten.] * Ludger Lütkehaus (Hrsg.): Das Buch als Wille und Vorstellung. Arthur Schopenhauers Briefwechsel mit Friedrich Arnold Brockhaus. C. H. Beck, München 1996, ISBN 3-406-40956-3. * Ludger Lütkehaus (Hrsg. und Nachwort): Ich bin ein Mann, der Spaß versteht – Einsichten eines glücklichen Pessimisten. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2010, ISBN 978-3-423-13910-6. * Franco Volpi, Ernst Ziegler (Hrsg.): Senilia – Gedanken im Alter. C. H. Beck Verlag, München 2010, ISBN 978-3-406-59645-2. * Ernst Ziegler (Hrsg. und Vorwort): Über den Tod – Gedanken und Einsichten über letzte Dinge. C. H. Beck Verlag, München, 2010, ISBN 978-3-406-60567-3. * Ernst Ziegler (Hrsg.): Pandectae. Philosophische Notizen aus dem Nachlass. Beck, München 2016, ISBN 978-3-406-68369-5. * Ernst Ziegler (Hrsg.): Spicilegia. Philosophische Notizen aus dem Nachlass. Beck, München 2015, ISBN 978-3-406-67114-2. Seit 2017 wird die Berliner Vorlesung über Die gesamte Philosophie oder die Lehre vom Wesen der Welt und dem menschlichen Geiste von 1820/21 als Studienausgabe neu herausgegeben von Daniel Schubbe unter Mitarbeit von Judith Werntgen-Schmidt und Daniel Elon: * Teil 1: Theorie des Vorstellens, Denkens und Erkennens. Meiner, Hamburg 2022 (= PhB. 701). ISBN 978-3-7873-3176-5. * Teil 2: Metaphysik der Natur. Meiner, Hamburg 2019 (= PhB. 702). ISBN 978-3-7873-3177-2. * Teil 3: Metaphysik des Schönen. Meiner, Hamburg 2018 (= PhB. 703). ISBN 978-3-7873-3178-9. * Teil 4: Metaphysik der Sitten. Meiner, Hamburg 2017 (= PhB. 704). ISBN 978-3-7873-3179-6.
* Walter Abendroth: Arthur Schopenhauer in Selbstzeugnissen und Bilddokumenten. Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek bei Hamburg 1967, ISBN 3-499-50133-3. * Urs App: Schopenhauers Kompass. Die Geburt einer Philosophie. UniversityMedia, Rorschach/Kyoto 2011, ISBN 978-3-906000-02-2. * Sabine Appel: Arthur Schopenhauer, Leben und Philosophie. Artemis & Winkler, Düsseldorf 2007, ISBN 978-3-538-07241-1. * Dieter Birnbacher: Schopenhauer. Reclam, Grundwissen Philosophie, Stuttgart 2010, ISBN 978-3-15-020327-9. * Otto A. Böhmer: Schopenhauer oder die Erfindung der Altersweisheit. Beck, München 2010, ISBN 978-3-406-60095-1. * Alfred Estermann: Schopenhauers Kampf um sein Werk. Der Philosoph und seine Verleger. Insel, Frankfurt am Main 2005, ISBN 3-458-17252-1. * Margot Fleischer: Schopenhauer. Herder, Freiburg im Breisgau 2001, ISBN 3-451-04931-7. * Margot Fleischer: Schopenhauer als Kritiker der Kantischen Ethik. Königshausen & Neumann, Würzburg 2003, ISBN 3-8260-2470-2. * Adrian Gmelch: Die politische Philosophie Arthur Schopenhauers. Diplomica Verlag, Hamburg 2016, ISBN 978-3-95934-910-9. * Wilhelm Gwinner: Arthur Schopenhauer aus persönlichem Umgang dargestellt. 1. Auflage Brockhaus 1862, 2. Auflage. Verlag Waldemar Kramer, Frankfurt am Main 1987, ISBN 3-7829-0349-8 (Diese Biographie wurde kurz nach Schopenhauers Tod verfasst). * Rudolf Haym: Arthur Schopenhauer. Biographie. 1864 * Arthur Hübscher: Schopenhauer. Biographie eines Weltbildes. (= Reclams Universal-Bibliothek. 7716/17). Reclam, Stuttgart 1952, . * Arthur Hübscher: Denker gegen den Strom. Schopenhauer: Gestern – heute – morgen. Bouvier, Bonn 1973, ISBN 3-416-00950-9. * Arthur Hübscher: Arthur Schopenhauer, ein Lebensbild. 3. Auflage. Brockhaus, Mannheim 1988, ISBN 3-7653-0418-2. * Raphael von Koeber: Schopenhauers Erlösungslehre. Duncker, Berlin 1882. * Ferdinand Laban: Die Schopenhauer-Literatur. Versuch einer chronologischen Übersicht derselben. Reprint der Ausgabe von 1880. Franklin, New York 1970. * Ludger Lütkehaus (Hrsg.): Das Buch als Wille und Vorstellung. Arthur Schopenhauers Briefwechsel mit Friedrich Arnold Brockhaus. Beck, München 1996, ISBN 3-406-40956-3. * Ludger Lütkehaus: Nichts – Abschied vom Sein, Ende der Angst. Haffmans Verlag, Zürich 2003, ISBN 3-86150-544-4. * Barbara Neymeyr: Ästhetische Autonomie als Abnormität. Kritische Analysen zu Schopenhauers Ästhetik im Horizont seiner Willensmetaphysik. (=Quellen und Studien zur Philosophie. Bd. 42) Walter de Gruyter, Berlin/New York 1996, ISBN 3-11-015229-0. * Bryan Magee: The Philosophy of Schopenhauer. Oxford University Press, Oxford 1997, ISBN 0-19-823722-7. * Rüdiger Safranski: Schopenhauer und die wilden Jahre der Philosophie. Hanser, München 1987, ISBN 3-446-14490-0. * Alfred Schmidt: Schopenhauer und der Materialismus. In: Alfred Schmidt: Drei Studien über Materialismus. Schopenhauer. Horkheimer. Glücksproblem. Hanser, München/Wien 1977, ISBN 3-446-12460-8, S. 21–79. * Raymund Schmidt: Schopenhauer-Brevier. (= Sammlung Dieterich. Band 37). Dieterich’sche Verlagsbuchhandlung, Leipzig 1938. * Walther Schneider: Schopenhauer. Dausien, Hanau 1985, ISBN 3-7684-4552-6. * Daniel Schubbe, Matthias Koßler (Hrsg.): Schopenhauer-Handbuch: Leben – Werk – Wirkung. J.B. Metzler, Stuttgart 2014, ISBN 978-3-476-02444-2. * Georg Simmel: Schopenhauer und Nietzsche. Ein Vortragszyklus. Mit einem Nachwort von Klaus H. Fischer „Über Simmel, Schopenhauer und Nietzsche“. Wissenschaftlicher Verlag, Schutterwald (Baden) 2001, ISBN 3-928640-14-3. * Volker Spierling: Arthur Schopenhauer. Eine Einführung in Leben und Werk. Reclam, Leipzig 1998, ISBN 3-379-01626-8. * Volker Spierling: Kleines Schopenhauer-Lexikon. Reclam-Verlag, Ditzingen 2010, ISBN 978-3-15-020192-3. * Volker Spierling: Arthur Schopenhauer zur Einführung. 4., korrigierte Auflage. Junius, Hamburg 2015, ISBN 978-3-88506-631-6. * Robert Zimmer: Arthur Schopenhauer. Ein philosophischer Weltbürger. Biografie. dtv, München 2010, ISBN 978-3-423-24800-6. * Robert Zimmer: Schopenhauer und die Folgen. Die Person Schopenhauers und seine Bedeutung für Kunst und Philosophie der Moderne. J.B. Metzler, Stuttgart 2018, ISBN 978-3-476-04641-3. * Christoph Poschenrieder: Die Welt ist im Kopf. Diogenes, Zürich 2010, ISBN 978-3-257-06741-5 (Der Roman begleitet Schopenhauer auf einer Reise nach Italien). * Irvin D. Yalom: Die Schopenhauer-Kur. btb, München 2005, ISBN 3-442-75126-8 (Ein Roman, der Psychotherapie mit der Philosophie Schopenhauers verbindet). * Alain de Botton: Trost der Philosophie. Eine Gebrauchsanweisung. (Originalausgabe: The Consolations of Philosophy) S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main, 2001, ISBN 3-10-046317-X (Kapitel: Schopenhauer: Trost bei gebrochenem Herzen) * Christian Kortmann: Happy Hour Schopenhauer. Roman einer Bibliotherapie. Turia + Kant, Wien/Berlin 2022, ISBN 978-3-98514-030-5
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Architektur (Informatik)
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Architektur (von , ‚Ursprung‘, ‚Grundlage‘ und , ‚Handwerk‘ auch , ‚Haus‘, ‚Dach‘) bedeutet allgemein ‚Baukunst mit zweckbestimmter Gestaltung‘. Speziell in der Informatik bezieht sich „Architektur“ auf informationstechnische Systeme, ihre Zusammensetzung aus verschiedenen Komponenten und deren Zusammenwirken. Der Ausdruck wird in unterschiedlichen Bereichen und Zusammenhängen angewendet. Gemäß Nr. 6 des KONSENS-Gesetzes wird unter Architektur eine Beschreibung von IT-, Fach- und Betriebsarchitektur einschließlich der technischen Basis verstanden, auf der IT-Verfahren oder Software zur Umsetzung der festgelegten Anforderungen bereitgestellt werden müssen.
Im 20. Jahrhundert wurde die aus dem Bauwesen stammende Bezeichnung „Architektur“ verallgemeinert und auf andere geplante, komplexe Strukturen und deren Konzeption (Entwurf) übertragen. Die angewandte Informatik hat den übertragenen Architekturbegriff übernommen. Dies spiegelt wider, dass nach Anwenderanforderungen gearbeitet wird und das Zusammenspiel vieler unterschiedlicher Komponenten berücksichtigt werden muss.
Der Architekturbegriff findet dabei im Wesentlichen in folgenden unterschiedlichen Bereichen Anwendung: Der Architekturgedanke erfuhr insbesondere in der Informations- und Softwarearchitektur große Bedeutung, als 1987 durch Kent Beck und Ward Cunningham die Entwurfsmuster des Mathematikers und Architekturtheoretikers Christopher Alexander auf die Softwareerstellung übertragen wurden. Hierbei wurde die große Verwandtschaft deutlich, die das Verstehen in der Informatik mit dem von Architekten oder Stadtplanern aufweist: bestimmte Anforderungen führen zu einem zu erstellenden Funktionsumfang, der durch einzelne Komponenten realisiert werden muss. Ein Architekturmodell von Objekten insbesondere aus der Informatik, das als Vorlage für die Entwicklung und somit als Modellmuster dient oder zum Vergleich herangezogen wird, wird Referenzarchitektur genannt.
Die Informationsarchitektur befasst sich mit den für den Nutzer von Informationssystemen möglichen Interaktionen, der An- und Zuordnung und der Benennung der in dem System enthaltenen Informationseinheiten und Funktionen. Sie ist daher keine Architektur im Bereich Informatik.
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Aemilianus (Kaiser)
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des Aemilianus, auf dem der Kriegsgott Mars als Friedensstifter dargestellt wird. Marcus Aemilius Aemilianus (kurz Aemilian; * 207 oder 213 in Djerba; † 253) war im Jahr 253 römischer Kaiser.
Aemilianus wurde entweder 207 oder 213 im afrikanischen Djerba geboren; nach dem mittelbyzantinischen Historiker Johannes Zonaras war er ein Libyer. Seine Frau hieß Cornelia Supera, über eventuelle Kinder ist nichts bekannt. Aemilianus wurde um 252 als Statthalter in die Provinz Niedermösien entsandt, wo ihm im Frühjahr 253 ein Sieg über den Gotenkönig Kniva gelang. Kniva forderte von Aemilianus eine Erhöhung der jährlichen römischen Tributzahlungen, die er von Trebonianus Gallus 251 erzwungen hatte. Aemilianus jedoch weigerte sich, worauf Kniva sein Heer in Bewegung setzte. Aemilianus versprach seinen Soldaten die Gelder, die bisher die Goten erhalten hatten; seine Truppen überraschten die Goten und schlugen sie vernichtend. Dieser unerwartete Sieg begeisterte seine Soldaten so sehr, dass sie ihn sofort nach Ende der Schlacht (wohl im Juli 253) zum Kaiser ausriefen. Aemilianus marschierte nun mit seiner Armee gegen Rom, um sich die Kaiserwürde zu sichern. Kaiser Gallus und sein Sohn Gaius Vibius Volusianus zogen dem Usurpator auf der Via Flaminia entgegen, woraus man schließen kann, dass Aemilianus’ Truppen höchstwahrscheinlich nicht in der Überzahl waren. Aus den nachfolgenden Kämpfen bei Interamna, wo sich das Heer des Gallus auflöste, ging jedoch Aemilianus als Sieger hervor. Gallus und sein Sohn flohen und wurden darauf von ihren eigenen Soldaten ermordet. Aemilianus zog anschließend in Rom ein und ließ sich offiziell vom Senat bestätigen. Zonaras spricht davon, dass er dem Senat versprach, Thrakien zu sichern und gegen die Sassaniden im Osten zu ziehen. Aemilianus kam jedoch nicht mehr dazu, seine Pläne in die Tat umzusetzen, denn kurz vor seinem Tode hatte Gallus noch den Kommandeur der oberrheinischen Truppen, Valerian, zu Hilfe gerufen. Valerian war nach dem Tod des Gallus selbst zum Kaiser ausgerufen worden, was typisch war für die chaotischen Zustände im Zeitalter der Reichskrise des 3. Jahrhunderts. Nun spielte sich fast dasselbe Schauspiel wie drei Monate zuvor ab: Als Aemilianus’ Soldaten das gegnerische Heer sahen, ermordeten sie ihn und liefen zu Valerian über; vermutlich ereignete sich dies im September 253 im Raum Spoleto. Mehreren Quellen zufolge spielte dabei auch der Umstand eine Rolle, dass die Soldaten nicht von Aemilianus’ Führungsstärke überzeugt waren und glaubten, Valerian würde ein besserer Kaiser sein. Dieser konnte sich auch gegen Silbannacus durchsetzen, der wahrscheinlich nach dem Tod des Aemilianus kurzzeitig in Rom den Kaisertitel beanspruchte. Über die kurze Herrschaft des Aemilianus lässt sich kaum etwas mit Bestimmtheit sagen. Er soll maßvoll regiert und sich gut mit dem Senat verstanden haben. Schon die antiken Autoren sahen in ihm wenig mehr als ein kurzes Zwischenspiel in der wirren Zeit der Soldatenkaiser. Lakonisch meinte Eutropius: :Aemilianus entstammte einer völlig unbedeutenden Familie, seine Regierung war noch unbedeutender, und im dritten Monat wurde er erschlagen.
* David S. Potter: The Roman Empire at Bay. Routledge, London/New York 2004, ISBN 0-415-10057-7.
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Aurelian
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mit dem Abbild Kaiser Aurelians (271–272 n. Chr.) Lucius Domitius Aurelianus (kurz Aurelian; * 9. September 214 in Mösien oder Sirmium, Pannonien; † 275 bei Caenophrurium, in der Nähe von Byzanz) war römischer Kaiser in den Jahren 270 bis 275. Er konnte die Reichseinheit sowohl im Westen als auch Osten wiederherstellen und begann die nach ihm benannte Stadtmauer von Rom.
Aurelian wurde im Jahr 214 in Moesia oder Sirmium in der römischen Provinz Pannonia geboren, angeblich als Sohn eines Landpächters. Bereits früh schlug er eine militärische Laufbahn ein. Über seine Jugend ist äußerst wenig bekannt, da die in der Historia Augusta niedergeschriebenen Geschichten vermutlich nur Hoftratsch und Stereotype wiedergeben. Er war jedenfalls mit Ulpia Severina verheiratet und hatte mit ihr eine Tochter. Im Jahr 268 befehligte Aurelian die Reiterei in Oberitalien, als Aureolus in Mediolanum (Mailand) einen Aufstand gegen Kaiser Gallienus vom Zaun brach. Zusammen mit dem Oberbefehlshaber der illyrischen Legionen, Claudius Gothicus, schlug Aurelian die Revolte zwar rasch nieder, doch im Anschluss daran wandten auch sie sich offenbar gegen Gallienus und scheinen Mitwisser eines Attentats auf den Kaiser gewesen zu sein. Nach dessen Ermordung übernahm zunächst Claudius die Herrschaft im Reich und beförderte Aurelian zum Oberkommandierenden der Kavallerie. Als im Jahr 270 Claudius in einer Pandemie, möglicherweise der Cyprianischen Pest, verstarb, übernahm dessen jüngerer Bruder Quintillus den Thron. Aurelian, der sich selbst Hoffnungen auf die Kaiserwürde gemacht hatte, sammelte seine Truppen und marschierte von seinem momentanen Aufenthaltsort an der Donau auf Rom zu. Als Quintillus erkannte, dass er gegen Aurelian nicht die geringste Chance hatte, tötete er sich angeblich selbst.
Unmittelbar nach seinem Herrschaftsantritt sah sich Aurelian gezwungen, eine ganze Reihe von Konflikten aus der Herrschaftszeit des Gallienus und des Claudius weiterzuführen. Seit etwa dem Jahr 260 kontrollierte die Regierung nur noch Italien, Nordafrika und den Balkan sowie (zeitweilig) Teile Spaniens und Westkleinasiens, während sowohl die westlichen als auch die orientalischen Provinzen sich faktisch unabhängig gemacht hatten. Doch bevor sich Aurelian diesem Problem zuwenden konnte, musste der Kern seines Herrschaftsgebietes gegen Angreifer gesichert werden. Einen Krieg mit den Goten, die bereits sein Vorgänger entscheidend geschlagen hatte, konnte er relativ schnell zu Ende führen. Größere Gefahren drohten von den Kriegern der Juthungen, Markomannen und Vandalen, die ständig versuchten, über die Donau überzusetzen und teilweise sogar plündernd bis nach Italien gelangten. Mehrere solche Invasionen wurden von Aurelian abgefangen und zerschlagen. Die erste ernste Krise entstand, als erneut germanische Plünderer die Alpen überquerten und Italien verwüsteten. Aurelian blockierte die Alpenpässe und hoffte, die Angreifer so zur Aufgabe zwingen zu können. Doch er unterschätzte die Gegner, die seine Truppen in einen Hinterhalt lockten und in der Schlacht von Placentia (271) aufrieben. Die angespannte Situation in Rom entlud sich auf diese Niederlage hin offenbar in einem Aufstand der Münzpräger unter Führung des Felicissimus, die sich angeblich für die ständigen Korruptionsvorwürfe Aurelians rächen wollten. Die Revolte, deren genaue Hintergründe umstritten sind, erfuhr offenbar große Unterstützung auch seitens mancher Senatoren. Aurelian setzte das Militär ein. Schließlich wurde der Aufstand niedergeschlagen; spätere Geschichtsschreiber berichten von über 7000 Opfern auf beiden Seiten und davon, dass sich darunter auch Senatoren befunden hätten. Inzwischen änderte sich die Lage in Norditalien, weil sich die Angreifer wieder in kleine Gruppen zersplitterten, die plündernd Italien durchstreiften. Die Römer hatten jetzt keine Probleme mehr, diese Gruppen sukzessive auszulöschen. Aurelian gelangen so die Siege in den Schlachten von Fano und Pavia. Infolge der dramatischen Kämpfe entschied sich Aurelian, Rom mit einem mächtigen Schutzwall zur Abwehr eventueller feindlicher Angriffe zu versehen. Im Jahr 271 begannen die Arbeiten an der Aurelianischen Mauer, die sich noch bis in die Regierungszeit des Probus hinein erstreckten.
Ab dem Jahreswechsel 271/272 sah Aurelian sich zunehmend mit Gegenkaisern wie Septimius und Urbanus konfrontiert, deren Putschversuche jedoch nie von langer Dauer waren. Die größte Herausforderung stellte dagegen Zenobia dar, die Herrscherin über Palmyra, die gemeinsam mit ihrem Sohn Vaballathus die Mehrzahl der Ostprovinzen kontrollierte. Bevor sich Aurelian jedoch den Problemen im Osten zuwandte, musste er zunächst noch die untere Donaugrenze dauerhaft sichern. Im Frühjahr des Jahres 272 schlug er die Goten vernichtend (dabei kam auch deren König Cannabaudes ums Leben) und entschied sich danach, trotz des Sieges die zunehmend von feindlichen Stämmen infiltrierte Provinz Dacia endgültig zu räumen und aufzugeben, da ihre Verteidigung auf Dauer zu kostspielig war. Nun galt es, die kaiserliche Souveränität im Osten des Reiches wiederherzustellen. Das palmyrische Sonderreich der Zenobia erstreckte sich mittlerweile von Ägypten bis nach Kleinasien, wobei nicht ganz klar ist, ob Zenobia erst auf diese Gebiete ausgriff, nachdem ihr Aurelian den Krieg erklärt hatte. Entgegen allen Erwartungen verlief der Feldzug Aurelians jedenfalls erfolgreich. Schon bei ihrem Marsch durch Kleinasien stieß die kaiserliche Armee kaum auf Widerstand, Ägypten ergab sich bald darauf fast kampflos Aurelians Heerführer Probus, angeblich, ohne dass Opfer zu beklagen gewesen wären. Die entscheidenden Kampfhandlungen fanden bei Immae, Emesa und Palmyra statt, der Hauptstadt des Sonderreiches; sie alle konnten von Aurelian für sich entschieden werden. Noch während der Belagerung von Palmyra versuchte Zenobia, zu den persischen Sassaniden zu fliehen, wurde jedoch an der Grenze von römischen Truppen abgefangen. Palmyra ergab sich dem Sieger und wurde zunächst geschont. Doch nach Aurelians Abzug flackerten in den wiedereroberten Gebieten einige Aufstände auf; diesmal kannte Aurelian keine Gnade und schlug jede Art von Widerstand blutig nieder. Dabei wurde auch das blühende Palmyra gebrandschatzt und fast gänzlich dem Erdboden gleichgemacht. Seine große Zeit war damit vorbei. Nach seinem triumphalen Sieg im Osten ging Aurelian daran, auch die Verhältnisse im Westen zu ordnen und das dortige Gallisches Sonderreich (Imperium Galliarum) endlich wieder dem Römischen Reich einzugliedern. Dabei kam es zu einem für diese kriegerische Zeit ungewöhnlichen Vorfall: Als die gegnerischen Armeen bei Catalaunum aufeinandertrafen, verließ Tetricus, der regierende gallische Sonderkaiser, seine Truppen und lief, noch während die Schlacht andauerte, zu Aurelian über. Nach kurzer Gefangenschaft erhielt er eine hohe Stellung in der römischen Magistratur, und das Gebiet des Imperium Galliarum wurde im Herbst des Jahres 274 wieder dem Römischen Reich einverleibt.
Nun hatte Aurelian innerhalb von vier Jahren das unter Gallienus und Claudius noch massiv vom Zerfall bedrohte Römische Reich wieder geeint und gegen die ständigen Übergriffe der germanischen Stämme einigermaßen abgesichert. Im Folgenden musste er nun die innenpolitischen Probleme, vor allem die brachliegende Wirtschaft, ins Auge fassen. Als erste Maßnahme ließ er zwei hochwertige neue Münztypen einführen (einer davon wurde auch Aurelianus genannt), die den Zahlungsverkehr beleben und das Vertrauen der Bürger in den Geldwert wieder steigern sollten. Auf dem sogenannten Aurelianus erschien ab 274 das Kürzel XXI („21“), das möglicherweise den neuen Wechselkurs von einem Aurelianus zu 20 Sesterzen und damit die Aufwertung der Silbermünze sichtbar dokumentieren sollte. Nach Ansicht vieler Althistoriker hatte die Währungsreform Aurelians aber ganz im Gegenteil den Effekt, dass die Inflation erst recht zu galoppieren begann, da die Menschen dem neuen Geld nicht trauten. Zunächst aber profitierte Aurelian von den Geldern, die aus den wiedergewonnenen Provinzen in die Staatskasse flossen. Mit dieser Finanzkraft konnte es sich Aurelian leisten, einen heftigen Kampf gegen die allgegenwärtige Korruption zu beginnen. Unter anderem musste er – siehe oben – einen Aufstand der korrupten römischen Münzpräger, den Felicissimus begann, mit Waffengewalt niederschlagen. Im Bereich der Landwirtschaft und des Handels kam es, so die spätere Überlieferung, ebenfalls zu heilsamen Gesetzesneuerungen.
Auch in der Religion begünstigte Aurelian einschneidende Veränderungen: Um eine Glaubenseinheit innerhalb des Reichs zu fördern, unterstützte er die Ausbreitung des Sol-Invictus-Kults, als dessen Günstling er sich feiern ließ. Der Überlieferung nach soll Aurelian im Jahr 272 vor der Entscheidungsschlacht gegen Zenobia eine entsprechende Vision gehabt haben. Angeblich gab Aurelian daher zwei Jahre später die Errichtung eines großen Tempels für den Sonnengott Sol in Rom in Auftrag. Die alten römischen Götter verloren derweil wohl schleichend an Bedeutung, auch wenn dies anhand der Quellenlage schwer nachweisbar ist. Am 25. Dezember 274 feierten die Römer erstmals auf kaiserlichen Erlass reichsweit den Geburtstag des Sonnengottes, was den Grundstein für das spätere Weihnachtsfest gelegt haben könnte. Auf Münzen erschien zunehmend die Inschrift Sol Dominus Imperii Romani („Sol, Herrscher des Römischen Reiches“), wodurch Aurelian sich selber als oberster Stellvertreter des Sonnengottes auf Erden darstellte. Eusebius von Caesarea und Lactantius sagen Aurelian die Absicht zu einer Christenverfolgung nach; Beweise fehlen jedoch. Der Name des Kaisers ist eng verbunden mit dem Martyrium und Tod der heiligen Kolumba von Sens, die er der Legende zufolge habe enthaupten lassen.
Der Tod kam für Aurelian abrupt und unerwartet, als er inmitten seiner Planungen für einen Feldzug gegen die Sassaniden in der Nähe von Caenophrurium in Thrakien erstochen wurde. Als Hintermann für die Tat ist sein Privatsekretär Eros überliefert, der angeblich wegen der aurelianischen Korruptionsbekämpfung keinen anderen Ausweg mehr sah. Unter Kaiser Tacitus wurde Aurelian als divus vergöttlicht.
Während seiner kurzen Regentschaft vereinte Aurelian das seit dem Jahr 260 dreigeteilte Reich und war maßgeblich daran beteiligt, die Invasoren, welche Italien selbst bedrohten, wieder zurückzuschlagen. Sein Tod kam einer vollständigen Wiederherstellung der politischen Stabilität und der Einrichtung einer langlebigen Dynastie, welche die Ära der Soldatenkaiser beendet hätte, zuvor. Als verhängnisvoll wird allerdings in der modernen Forschung, wie erwähnt, seine Währungsreform gewertet, die die ökonomischen Probleme massiv verschärft habe. Ungeachtet dessen brachte Aurelian das Imperium durch eine sehr kritische Phase seiner Existenz und bewahrte das Reich vor einem Zusammenbruch, ausgelöst von inneren sowie äußeren Faktoren. Insbesondere Kaiser Probus (reg. 276–282) gelang auf dieser Grundlage eine weitere Konsolidierung. Doch erst die Herrschaft Diokletians, die im Jahr 284 begann, sollte die Stabilität fast vollkommen wiederherstellen und die Reichskrise des 3. Jahrhunderts beenden.
Die Stadt Aurelianum (Orléans) in der Provinz Gallia Lugdunensis wurde ihm zu Ehren benannt. Die heutige Namensform entspricht einer Lautverschiebung über die Jahrhunderte. Gioachino Rossini schuf 1813 die Oper Aureliano in Palmira.
* Eugen Cizek: L’empereur Aurélien et son temps. Les Belles lettres, Paris 1994, ISBN 2-251-38026-4. * Udo Hartmann: Claudius Gothicus und Aurelianus. In: Klaus-Peter Johne (Hrsg.): Die Zeit der Soldatenkaiser. Krise und Transformation des Römischen Reiches im 3. Jahrhundert n. Chr. Band 1, Akademie-Verlag, Berlin 2008, ISBN 978-3-05-004529-0, S. 297–323. * Merav Haklai-Rotenberg: Aurelian’s Monetary Reform. Between Debasement and Public Trust. In: Chiron, Bd. 41 (2011), S. 1–40, . * Peter Jacob: Aurelians Reformen in Politik und Rechtsentwicklung (= Osnabrücker Schriften zur Rechtsgeschichte. Band 9). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2004, ISBN 3-89971-148-3 (zugleich Dissertation, Universität Osnabrück 2003; ]-Sondersammelgebiete“). * Alaric Watson: Aurelian and the third century. Routledge, London 1999, ISBN 0-415-30187-4. * John F. White: The Roman Emperor Aurelian. Pen & Sword, Barnsley 2016, ISBN 978-1-4738-4569-5
* Maren Gottschalk: ] ZeitZeichen vom 9. September 2014. (Podcast)
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Allgemeine Psychologie
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Die Allgemeine Psychologie ist eine Teildisziplin der Psychologie. Die Bezeichnung „allgemein“ geht auf ihren universalistischen Ansatz zurück: Sie befasst sich mit den psychischen Funktionen, die allen Menschen gemein sind, im Gegensatz zu anderen Teilbereichen der Psychologie (wie z. B. der Persönlichkeitspsychologie). Einen bedeutsamen Teilbereich bildet die Kognitionspsychologie.
Insbesondere werden die folgenden Bereiche abgedeckt: * Wahrnehmung bzw. Wahrnehmungspsychologie * Bewusstsein und Aufmerksamkeit * Motivation bzw. Motivationspsychologie * Emotion bzw. Emotionspsychologie * Lernen bzw. Lernpsychologie und Konditionierung * Kategorisierung und Wissenserwerb * Gedächtnis und Wissensrepräsentation * Sprachproduktion und Sprachverstehen bzw. Sprachpsychologie * Denken bzw. Denkpsychologie * Problemlösen und Logisches Schließen Die Allgemeine Psychologie beschäftigt sich mit u. a. folgenden Fragestellungen: Welche grundlegenden und allgemein gültigen Aussagen lassen sich hinsichtlich des menschlichen Verhaltens und Erlebens machen? Welche Regelmäßigkeiten und Zusammenhänge lassen sich im Erleben und Verhalten der Menschen finden? In der deutschsprachigen Psychologie wurde zeitweise zwischen Allgemeine Psychologie I (Wahrnehmung, Gedächtnis, Denken) und Allgemeine Psychologie II (Lernen, Motivation, Emotion) unterschieden. Manchmal erfolgte auch eine umgekehrte Zuordnung und sachlich ist diese Abgrenzung durchaus nicht unproblematisch (etwa wegen des engen Zusammenhangs von Lernen und Gedächtnis oder von Lernen und Denken). Sie geht aber auf frühere in Deutschland verbreitete Prüfungsordnungen zurück, und diese Begriffe sind bei der Bezeichnung von Professuren und Vorlesungen teilweise weiterhin in Gebrauch. Die Forschung der Allgemeinen Psychologie beruht auf empirischen Beobachtungen, die vorzugsweise in kontrollierten Experimenten vorgenommen werden, weshalb sie auch im englischen Sprachraum als Experimental Psychology bezeichnet wird.
Die Allgemeine Psychologie ist ein Fachgebiet, dessen einzelne Themenbereiche jeweils eine lange und bedeutende Geschichte aufweisen. Insbesondere die Wahrnehmungspsychologie nahm im 19. und frühen 20. Jahrhundert eine zentrale Stellung ein. Wichtige Beiträge stammen von Wissenschaftlern wie Gustav Theodor Fechner, Georg Elias Müller sowie von Vertretern der Gestaltpsychologie, darunter Max Wertheimer und Wolfgang Metzger. Auch die Aktualgenese wurde im Rahmen der Ganzheitspsychologie durch Friedrich Sander intensiv untersucht. Ein weiteres Kernthema der Allgemeinen Psychologie ist das Lernen, das sowohl in der Reflexologie und im Behaviorismus (z. B. durch John B. Watson, Edward Tolman und B. F. Skinner) als auch in der Gestalt- und Feldtheorie (Wolfgang Köhler, Kurt Lewin) untersucht wurde. Das Gedächtnis wurde in der Psychologie durch Pionierarbeiten wie die Experimente von Hermann Ebbinghaus und Sigmund Freuds Gedächtnistheorien geprägt. In jüngerer Zeit sind insbesondere Fragen zum autobiografischen Gedächtnis in den Fokus gerückt. Edwin G. Borings Geschichte der experimentellen Psychologie (1950, ursprünglich 1929 veröffentlicht) stellt eine umfassende Dokumentation der historischen Entwicklung dar. Das Werk beleuchtet vor allem die Geschichte der Allgemeinen Psychologie und bleibt trotz einiger methodischer und historischer Ungenauigkeiten, insbesondere in der Darstellung der Arbeiten Wilhelm Wundts, eine wertvolle Informationsquelle.
* Jochen Müsseler, Martina Rieger (Hrsg.): Allgemeine Psychologie. 3., neu bearb. Aufl., Springer, Berlin Heidelberg 2017, ISBN 978-3-642-53897-1. * Stefan Pollman: Allgemeine Psychologie. Reinhardt & UTB, München [u. a.] 2020, ISBN 978-3-8463-8773-3. * Andrea Kiesel, Hans Spada (Hrsg.): Lehrbuch Allgemeine Psychologie. 4., vollst. überarb. und erw. Aufl., Hogrefe, 2018, ISBN 978-3-456-85606-3. * Miriam Spering, Thomas Schmidt: Allgemeine Psychologie kompakt. Beltz Psychologie Verlags Union, Weinheim 2009, ISBN 978-3-621-27752-5.
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Andrei Dmitrijewitsch Linde
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Andrei Dmitrijewitsch Linde (; * 2. März 1948 in Moskau) ist ein russischer Kosmologe und einer der Begründer der Inflationstheorie des Universums.
Linde kam als Sohn des Physikers Dmitri Pawlowitsch Linde und der Physikstudentin Irina Wjatscheslawowna Rakobolskaja zur Welt. Er studierte von 1966 bis 1971 Physik an der Lomonossow-Universität in Moskau. Danach arbeitete er am Lebedew-Institut, wo er sich 1975 habilitierte (russischer Doktortitel) und von 1975 bis 1985 auch Professor war. Er war dort ein Schüler von David Abramowitsch Kirschniz. Von 1989 bis 1990 arbeitete er am CERN, und seit 1990 ist er Professor für Physik an der Stanford University in Kalifornien. Dort arbeitet auch seine Ehefrau, die theoretische Physikerin Renata Kallosh. Das Ehepaar hat zwei Söhne, Dmitri und Alexander.
Er leistete in den 1970er Jahren Vorarbeiten zur Entwicklung der Inflationstheorie (im Westen von Alan Guth 1980 vorgeschlagen) und war einer der Theoretiker der anschließenden Verbesserungen der neuen Inflationstheorie, unabhängig von Paul Steinhardt und Andreas Albrecht (1981). Bald darauf entwickelte er die Hypothese der chaotischen Inflation, entwickelte die Theorie der ewigen Inflation (eternal inflation) von Alexander Vilenkin weiter und begründete die Theorie der Multiversen, wobei er dies auch im Rahmen der Stringtheorie behandelte.
Linde wurde 2001 mit der Oskar-Klein-Medaille für Physik der Universität Stockholm ausgezeichnet, 2002 erhielt er die Dirac-Medaille (ICTP) des ICTP und 2004 wurde ihm der Gruber-Preis für Kosmologie für die Entwicklung der Inflationstheorie verliehen. Seit 2008 ist er Mitglied der National Academy of Sciences, seit 2010 korrespondierendes Mitglied der Akademie der Wissenschaften in Hamburg und seit 2011 der American Academy of Arts and Sciences. 2012 erhielt er den Fundamental Physics Prize, 2014 den Kavli-Preis in Astrophysik. Er ist auswärtiges Mitglied der Norwegischen Akademie der Wissenschaften. 2024 erhielt Linde den Pomerantschuk-Preis.
* Inflation and Quantum Cosmology, Academic Press, Boston, 1990 * Particle Physics and Inflationary Cosmology, Harwood Academic Publishers, Chur, 1990
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Adolf Hitler
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Unterschrift (1944), vermutlich mit einem Unterschriftenautomaten erzeugt (vgl. Abschnitt Weiterer Kriegsverlauf) Adolf Hitler (* 20. April 1889 in Braunau am Inn, Österreich-Ungarn; † 30. April 1945 in Berlin) war ein deutscher Politiker österreichischer Herkunft und von 1933 bis zu seinem Tod Diktator des Deutschen Reichs. Ab 1921 war er Vorsitzender der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP), von 1933 bis 1945 deutscher Reichskanzler, ab 1934 auch Staatsoberhaupt und ab 1938 Oberbefehlshaber der deutschen Wehrmacht. Im November 1923 versuchte er mit einem Putsch von München aus die Weimarer Republik zu stürzen. Mit seiner Schrift Mein Kampf (1925/26) prägte er die antisemitische und rassistische, auf Eroberung von sogenanntem Lebensraum ausgerichtete Ideologie des Nationalsozialismus. Hitler wurde am 30. Januar 1933 von Reichspräsident Paul von Hindenburg zum deutschen Reichskanzler ernannt. Innerhalb weniger Monate beseitigte sein Regime mit Terror, Notverordnungen, dem Ermächtigungsgesetz, Gleichschaltungsgesetzen, Organisations- und Parteiverboten die Gewaltenteilung, die pluralistische Demokratie, den Föderalismus und den Rechtsstaat. Politische Gegner wurden in Konzentrationslagern inhaftiert, gefoltert und ermordet. 1934 ließ Hitler anlässlich des „Röhm-Putsches“ politische Gegner und potenzielle Rivalen in den eigenen Reihen ermorden. Hindenburgs Tod im August 1934 nutzte er, um das Amt des Reichspräsidenten mit dem des Reichskanzlers vereinen zu lassen, und regierte ab da als Führer und Reichskanzler. Die deutschen Juden wurden ab 1933 zunehmend ausgegrenzt und entrechtet, besonders durch die Nürnberger Gesetze vom 15. September 1935, die Novemberpogrome 1938 und die Arisierung von Unternehmen jüdischer Eigentümer sowie zahlreiche weitere Gesetze und Verordnungen, die ihnen schrittweise die Teilnahme am wirtschaftlichen, kulturellen und gesellschaftlichen Leben unmöglich machten und sie ihrer Vermögen und Erwerbsmöglichkeiten beraubten. Die Folgen der Weltwirtschaftskrise und die Massenarbeitslosigkeit ließ er mit einer enormen Ausweitung der Staatsverschuldung bekämpfen: mit Investitionsprogrammen und Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen wie dem Autobahnbau und mit der Aufrüstung der Wehrmacht über das System der Mefo-Wechsel. Zudem führte er einen paramilitärisch organisierten Reichsarbeitsdienst ein. Mit dem zunächst geheimen Aufbau (1934) der Reichsluftwaffe, der Wiedereinführung der Wehrpflicht, der Aufrüstung der Wehrmacht und der Rheinlandbesetzung brach Hitler den Versailler Vertrag. Die nationalsozialistische Propaganda stellte die Wirtschafts-, Sozial- und Außenpolitik als erfolgreich dar und steigerte so bis 1939 Hitlers Popularität. 1938 übernahm er die unmittelbare Befehlsgewalt über die Wehrmacht und setzte den „Anschluss“ Österreichs durch. Über das Münchner Abkommen vom 30. September 1938, das ihm die Angliederung des Sudetenlandes an das Deutsche Reich gestattete, setzte er sich mit der „Zerschlagung der Rest-Tschechei“ bereits am 15. März 1939 hinweg. Mit dem durch den Abschluss des sogenannten Hitler-Stalin-Pakts vom 23./24. August 1939 mit der Sowjetunion vorbereiteten Überfall auf Polen am 1. September 1939, der vertragsgemäß die Zerschlagung des polnischen Staates und die Aufteilung seines Territoriums unter den Vertragspartnern zum Ziel hatte und auf den bald die sowjetische Besetzung Ostpolens folgte, löste er den Zweiten Weltkrieg in Europa aus. Nach dem Sieg über Frankreich im Westfeldzug vom 10. Mai bis 25. Juni 1940 und dem Beginn der später gescheiterten Luftschlacht um England am 10. Juli 1940 teilte er am 31. Juli 1940 Vertretern des Oberkommandos der Wehrmacht seinen Entschluss mit, die Sowjetunion anzugreifen und gegen sie einen Vernichtungskrieg zur Eroberung von „Lebensraum im Osten“ zu führen. Den am 22. Juni 1941 begonnenen Krieg gegen die Sowjetunion ließ er unter dem Decknamen „Unternehmen Barbarossa“ vorbereiten und führen. Im Zweiten Weltkrieg verübten die Nationalsozialisten und ihre Helfer zahlreiche Massenverbrechen und Völkermorde. Bereits im Sommer 1939 erteilte Hitler die Weisung, die „Erwachseneneuthanasie“ vorzubereiten. Zwischen September 1939 und August 1941 wurden in der „Aktion T4“ über 70.000 psychisch kranke sowie geistig und körperlich behinderte Menschen, bis Kriegsende über 200.000 Menschen systematisch ermordet. Hitlers Antisemitismus und Rassismus gipfelte schließlich im Holocaust. In diesem wurden etwa 5,6 bis 6,3 Millionen Juden, im Porajmos bis zu 500.000 Sinti und Roma ermordet. Hitler autorisierte die wichtigsten Schritte des Judenmordes und ließ sich über den Verlauf informieren. Seine verbrecherische Politik führte zu vielen Millionen Kriegstoten und zur Zerstörung weiter Teile Deutschlands und Europas. Er beging am 30. April 1945 im Bunker der Reichskanzlei Suizid, acht Tage später folgte die bedingungslose Kapitulation der deutschen Wehrmacht.
Hitlers Familie stammte aus dem niederösterreichischen Waldviertel an der Grenze zu Böhmen. Seine Eltern waren der Zollbeamte Alois Hitler (1837–1903) und dessen dritte Ehefrau Klara Pölzl (1860–1907). Alois war unehelich geboren worden und trug bis zu seinem 39. Lebensjahr den Familiennamen seiner Mutter, nämlich Schicklgruber. Maria Anna Schicklgruber (1796–1847) hatte 1842 Johann Georg Hiedler (1792–1857) geheiratet. Hiedler gilt in der Forschung mitunter als Alois’ Vater, doch bekannte er sich zeitlebens nicht dazu. 1876 wurde er posthum als Alois’ Vater bestätigt und in der Schreibweise Hitler beurkundet. Manche Historiker halten indes Johann Georgs jüngeren Bruder Johann Nepomuk Hiedler (1807–1888), bei dem Alois Hitler als Ziehkind aufwuchs, für dessen leiblichen Vater. Davon abgesehen war Klara Pölzl die Enkelin Johann Nepomuk Hiedlers. Somit hatte Alois seine Halbnichte ersten oder zweiten Grades geheiratet. Adolf Hitler wurde am 20. April 1889 in Braunau am Inn geboren und zwei Tage später in der Braunauer Stadtpfarrkirche getauft. Seine älteren Geschwister Gustav (1885–1887) und Ida (1886–1888) waren vor seiner Geburt gestorben. Die drei jüngeren Geschwister waren Otto (*/† 1892, nur sechs Tage alt geworden), Edmund (1894–1900) und Paula Hitler (1896–1960). Ottos korrekte Lebensdaten wurden erst 2016 ermittelt. Hitlers zwei ältere Halbgeschwister Alois Hitler d. J. und Angela Hitler stammten aus der zweiten Ehe seines Vaters. Sie wuchsen nach dem Tod ihrer Mutter im Haushalt von Hitlers Eltern auf. Ab 1923 verschwieg Hitler manche Details seiner Herkunft. 1930 verbot er Alois Hitler junior und dessen Sohn William Patrick Hitler, sich in Medien als seine Verwandten vorzustellen, weil seine Gegner seine Herkunft nicht kennen durften. Er wollte das öffentliche Interesse an seiner Abstammung beenden. Beunruhigt wegen entsprechender Äußerungen seines Neffen, soll Hitler 1930 seinen Anwalt Hans Frank, später Generalgouverneur im besetzten Polen, damit beauftragt haben, eine jüdische Herkunft seines Vaters zu widerlegen. Nach dem Krieg stellte Frank die so genannte „Frankenberger-These“ auf, wonach Hitlers Großvater väterlicherseits Jude gewesen sein könne. Diese These wurde jedoch von allen maßgeblichen Hitlerbiografen verworfen und 1971 von Werner Maser widerlegt. Als ausländische Medien 1932/33 wiederholt behaupteten, der Führer der antisemitischen NSDAP habe jüdische Vorfahren aus dem Ghetto von Polná, ließ er zwei Ahnenforscher seinen Stammbaum untersuchen, der 1937 veröffentlicht wurde. Nach dem „Anschluss“ Österreichs 1938 erklärte Hitler die Heimatdörfer seines Vaters und seiner Großmutter im sog. Ahnengau, Döllersheim und Strones, zum militärischen Sperrgebiet. Bis 1942 ließ er dort einen großen Truppenübungsplatz anlegen, die etwa 7000 Einwohner umsiedeln und mehrere Gedenktafeln für seine Vorfahren entfernen. Auch das Ehrengrab seiner Großmutter wurde zerstört, während die Taufakten ihrer Familie erhalten blieben. Dem Journalisten Wolfgang Zdral zufolge wollte Hitler mit all diesen Maßnahmen Zweifel an seinem „Ariernachweis“ unterbinden und Inzest-Vorwürfen wegen der Blutsverwandtschaft seiner Eltern vorbeugen.
Wegen der Beförderung des Vaters zum Zollamts-Oberoffizial übersiedelte die Familie im Sommer 1892 in die deutsche Grenzstadt Passau. Im Frühjahr 1895 kehrte die Familie nach Österreich zurück und bezog das Rauschergut in Hafeld, sodass Hitler ab Mai die einklassige Volksschule in Fischlham besuchte. Mit dem Umzug nach Lambach im Juli 1897 absolvierte er die zweite und dritte Klasse und schließlich mit dem Umzug nach Leonding die vierte Klasse. Er galt als guter, aufgeweckter Schüler. Ab 1900 besuchte er die K. k. Staats-Realschule Linz, wo er zweimal wegen Verfehlung des Leistungszieles nicht in die nächstfolgende Klasse aufsteigen konnte. Den Religionsunterricht bei Franz Sales Schwarz verachtete er, nur der Geografie- und der Geschichtsunterricht bei Leopold Pötsch interessierten ihn. In Mein Kampf (1925) hob er den positiven Einfluss von Pötsch hervor. In seiner Realschulzeit las Hitler gern Bücher von Karl May, den er zeitlebens verehrte. Sein Vater hatte ihn für eine Beamtenlaufbahn bestimmt und reagierte auf seine Lernunwilligkeit mit häufigen und erfolglosen Prügelstrafen. Da der Vater am 3. Januar 1903 starb, erhielt Adolf einen männlichen Vormund, nämlich den Leondinger Gemeindevorstand Joseph Mayrhofer (Amtszeit: 1897–1906). Mit dessen Einverständnis schickte die Mutter Hitler im Jahr 1904 auf die Oberrealschule in Steyr. Nach erfolgreich bestandener Nachprüfung im Herbst 1905 hätte Hitler in die fünfte Klasse aufsteigen können, er entschied sich aber, die Schule abzubrechen. In Linz lernte Hitler durch Mitschüler, Lehrer und Zeitungen das Denken des radikalen Antisemiten und Gründers der Alldeutschen Vereinigung, Georg von Schönerer, kennen. Er besuchte erstmals Aufführungen von Opern Richard Wagners, darunter Rienzi. Dazu äußerte er später: „In jener Stunde begann es.“ Unter dem Eindruck der Hauptfigur soll er laut seinem damaligen Freund August Kubizek gesagt haben: „Ich will ein Volkstribun werden.“ In Mein Kampf stellte Hitler sein Schulverhalten als Lernstreik gegen den Vater dar und behauptete, ein schweres Lungenleiden habe seinen Schulabschluss vereitelt. Die Gewalttätigkeit des Vaters gilt als mögliche Wurzel für seine weitere Entwicklung. Nach dem Zeithistoriker Joachim Fest schwankte er schon in der Schulzeit zwischen intensiver Beschäftigung mit verschiedenen Projekten sowie Untätigkeit und zeigte ein Unvermögen zu regelmäßiger Arbeit.
Nach dem Tod seines Vaters bezog Hitler als Halbwaise ab 1903 eine anteilige Waisenrente; ab 1905 erhielt er Finanzhilfen von seiner Mutter und seiner Tante Johanna. Anfang 1907 wurde bei seiner Mutter Brustkrebs festgestellt. Der jüdische Hausarzt Eduard Bloch behandelte sie. Da sich ihr Zustand rapide verschlechterte, soll Hitler auf der Anwendung von schmerzhaften Iodoform-Kompressen bestanden haben, die letztlich ihren Tod beschleunigten. Seit 1906 wollte Hitler Kunstmaler werden und trug später diese Berufsbezeichnung. Er sah sich zeitlebens als verkannter Künstler. Im Oktober 1907 bewarb er sich erfolglos für ein Kunststudium an der Allgemeinen Malerschule der Wiener Kunstakademie. Er blieb zunächst in Wien, kehrte nach Linz zurück, als er am 24. Oktober erfuhr, dass seine Mutter nur noch wenige Wochen zu leben habe. Nach Aussage Blochs und Hitlers Schwester versorgte er den elterlichen Haushalt bis zum Tod der Mutter am 21. Dezember 1907 und sorgte für ihr Begräbnis zwei Tage darauf. Er bedankte sich dabei bei Bloch, schenkte ihm einige seiner Bilder und schützte ihn 1938 vor der Festnahme durch die Gestapo. Als vorgeblicher Kunststudent erhielt Hitler von Januar 1908 bis 1913 eine Waisenrente von 25 Kronen monatlich sowie das Erbe seiner Mutter von höchstens 1000 Kronen. Davon konnte er etwa ein Jahr in Wien leben. Sein Vormund Josef Mayrhofer drängte ihn mehrmals vergeblich, zugunsten seiner minderjährigen Schwester Paula auf seinen Rentenanteil zu verzichten und eine Lehre zu beginnen. Hitler weigerte sich und brach den Kontakt ab. Er verachtete einen „Brotberuf“ und wollte in Wien Künstler werden. Im Februar 1908 ließ er eine Einladung des renommierten Bühnenbildners Alfred Roller ungenutzt, der ihm eine Ausbildung angeboten hatte. Als ihm das Geld ausging, besorgte er sich im August von seiner Tante Johanna einen Kredit über 924 Kronen. Bei der zweiten Aufnahmeprüfung an der Kunstakademie im September wurde er nicht mehr zum Probezeichnen zugelassen. Er verschwieg seinen Verwandten diesen Misserfolg und seinen Wohnsitz, um seine Waisenrente weiter zu erhalten. Deshalb gab er sich bei Wohnungswechseln als „akademischer Maler“ oder „Schriftsteller“ aus. Ihm drohte die Einziehung zum Wehrdienst in der österreichischen Armee. Nach August Kubizek, der mit ihm 1908 ein Zimmer teilte, interessierte sich Hitler damals mehr für Wagner-Opern als für Politik. Nach seinem Auszug im November 1908 mietete er in kurzen Zeitabständen immer weiter von der Innenstadt entfernte Zimmer an, offenbar weil seine Geldnot wuchs. Im Herbst 1909 bezog er für drei Wochen ein Zimmer in der Sechshauser Straße 56 in Wien; danach war er drei Monate lang nicht behördlich angemeldet. Aus seiner Aussage in einer Strafanzeige ist ersichtlich, dass er ein Obdachlosenasyl in Meidling bewohnte. Anfang 1910 zog Hitler in das Männerwohnheim Meldemannstraße, ebenfalls ein Obdachlosenasyl. 1938 ließ er alle Akten über seine Aufenthaltsorte in Wien beschlagnahmen und gab ein Haus in einem gehobenen Wohnviertel als seine Studentenwohnung aus. e Hof-Operntheater in Wien, von Hitler aquarelliert, 1912 Ab 1910 verdiente Hitler Geld durch nachgezeichnete oder als Aquarelle kopierte Motive von Wiener Ansichtskarten. Diese verkaufte sein Mitbewohner Reinhold Hanisch bis Juli 1910 für ihn, danach der jüdische Mitbewohner Siegfried Löffner. Dieser zeigte Hanisch im August 1910 wegen der angeblichen Unterschlagung eines Hitlerbildes bei der Wiener Polizei an. Der Maler Karl Leidenroth zeigte Hitler, wahrscheinlich im Auftrag Hanischs, wegen des unberechtigten Führens des Titels eines „akademischen Malers“ anonym an und erreichte, dass die Polizei ihm das Führen dieses Titels untersagte. Daraufhin ließ Hitler seine Bilder von dem Männerheimbewohner Josef Neumann sowie den Händlern Jakob Altenberg und Samuel Morgenstern verkaufen. Alle drei waren jüdischer Herkunft. Der Mitbewohner im Männerwohnheim, Karl Honisch, schrieb später, Hitler sei damals „schmächtig, schlecht genährt, hohlwangig mit dunklen Haaren, die ihm ins Gesicht schlugen“, und „schäbig gekleidet“ gewesen, habe jeden Tag in derselben Ecke des Schreibzimmers gesessen und Bilder gezeichnet oder gemalt. In Wien las Hitler Zeitungen und Schriften von Alldeutschen, Deutschnationalen und Antisemiten, darunter eventuell die Schrift Der Unbesiegbare von Guido von List. Deren Wunschbild eines vom „Schicksal“ bestimmten, unfehlbaren germanischen Heldenfürsten, der die Germanen vor dem Untergang retten und zur Weltherrschaft führen werde, kann laut Brigitte Hamann Hitlers späteren Anspruch auf Auserwähltheit und Unfehlbarkeit mit erklären. Für Hitler damals zugänglich war auch die Zeitschrift Ostara, die der List-Schüler Jörg Lanz von Liebenfels herausgab, und die von Eduard Pichl verfasste Biografie Georg von Schönerers (1912). Dieser hatte seit 1882 die „Entjudung“ und „Rassentrennung“ per Gesetz gefordert, einen Arierparagraphen für seine Partei eingeführt, ein völkisch-rassistisches Deutschtum gegen den Multikulturalismus der Habsburger Monarchie und als Ersatzreligion für das katholische Christentum vertreten („Los von Rom!“). Hitler hörte Reden seines Anhängers, des Arbeiterführers Franz Stein, und seines Konkurrenten, des Reichsratsabgeordneten Karl Hermann Wolf. Beide bekämpften die „verjudete“ Sozialdemokratie, tschechische Nationalisten und Slawen. Stein strebte eine deutsche Volksgemeinschaft zur Überwindung des Klassenkampfes an; Wolf strebte ein Großösterreich an und gründete 1903 mit anderen die Deutsche Arbeiterpartei (Österreich-Ungarn). Hitler hörte und bewunderte auch den populären Wiener Bürgermeister Karl Lueger, der die Christlichsoziale Partei (Österreich) gegründet hatte, für Wiens „Germanisierung“ eintrat und als antisemitischer und antisozialdemokratischer „Volkstribun“ massenwirksame Reden hielt. Hitler diskutierte 1910 nach Aussagen seiner Mitbewohner im Männerwohnheim über politische Folgen von Luegers Tod, lehnte einen Parteieintritt ab und befürwortete eine neue, nationalistische Sammlungsbewegung. Wieweit diese Einflüsse ihn prägten, ist ungewiss. Laut Hans Mommsen herrschte damals Hitlers Hass auf die Sozialdemokraten, die Habsburgermonarchie und die Tschechen vor. Während bis Sommer 1919 einige wohlwollende Aussagen Hitlers über Juden überliefert sind, griff er ab Herbst 1919 auf antisemitische Klischees zurück, die er in Wien kennengelernt hatte; seit 1923 stellte er Schönerer, Wolf und Lueger als seine Vorbilder dar. Im Mai 1913 erhielt Hitler das Erbe des Vaters (etwa 820 Kronen), zog nach München und mietete in der Schleißheimer Straße 34 (Maxvorstadt) ein anfangs mit Rudolf Häusler geteiltes Zimmer. Ein Grund dafür war die Flucht vor der militärischen Dienstpflicht in Österreich. Um diese zu vertuschen, ließ er nach dem Anschluss Österreichs 1938 seine militärischen Dienstpapiere beschlagnahmen. In München las Hitler unter anderem Houston Stewart Chamberlains damals populäre Grundlagen des neunzehnten Jahrhunderts, malte weiterhin Bilder, meist nach Fotografien bekannter Gebäude, und verkaufte sie an eine Münchner Kunsthandlung. Er behauptete später, er habe sich nach einer „deutschen Stadt“ gesehnt und sich zum „Architektur-Maler“ ausbilden lassen wollen. Nachdem die Münchner Kriminalpolizei ihn am 18. Januar 1914 aufgegriffen und beim österreichischen Konsulat vorgeführt hatte, wurde er am 5. Februar 1914 in Salzburg gemustert, als waffenunfähig beurteilt und vom Wehrdienst zurückgestellt. Liebesbeziehungen Hitlers zwischen 1903 und 1914 sind unbekannt. Kubizek und Hanisch zufolge äußerte er sich in Wien verächtlich über weibliche Sexualität und floh vor Annäherungsversuchen von Frauen. 1906 verehrte er, ohne Kontaktaufnahme, die Linzer Schülerin Stefanie Isak. Später bezeichnete er eine Emilie, vielleicht Häuslers Schwester, als seine „erste Geliebte“. Auch diese Beziehung stuft Brigitte Hamann als Wunschdenken ein. Hitler soll schon 1908, wie die Alldeutschen, ein Verbot der Prostitution und sexuelle Enthaltsamkeit für junge Erwachsene gefordert und Letztere aus Angst vor einer Infektion mit Syphilis selbst praktiziert haben.
Wie viele andere begrüßte Adolf Hitler im August 1914 begeistert den Beginn des Ersten Weltkriegs. Nach eigener Darstellung hatte er die königliche Kanzlei Bayerns mit einem Immediatgesuch vom 3. August 1914 erfolgreich um die Erlaubnis ersucht, als Österreicher in die Bayerische Armee einzutreten. Am 16. August sei er als Kriegsfreiwilliger dort aufgenommen worden, am 8. Oktober sei er auf den König von Bayern vereidigt worden. Heute wird vermutet, dass Hitlers Staatsbürgerschaft für das bayerische Königreich im Trubel des Kriegsausbruches bei seiner Meldung keine Rolle spielte, zumal er nicht der einzige Österreicher im Regiment war. Möglicherweise wurde er gar nicht danach gefragt. Eine von ihm später behauptete, kurzfristig beantragte österreichische Sondergenehmigung gilt als Legende. Am 1. September 1914 wurde er der ersten Kompanie des Reserve-Infanterie-Regiments 16 zugeteilt. Hitler nahm Ende Oktober 1914 an der Ersten Flandernschlacht teil. Am 1. November 1914 wurde er zum Gefreiten befördert und am 2. Dezember 1914 mit dem Eisernen Kreuz II. Klasse ausgezeichnet, weil er am 15. November 1914 mit einem zweiten Meldegänger im Verlauf der Ersten Flandernschlacht nordwestlich von Messines das Leben des unter französischem Feuer stehenden Regimentskommandeurs Philipp Engelhardt geschützt und eventuell gerettet hatte. Ab dem 9. November 1914 bis zum Ende des Krieges diente Hitler als Ordonnanz und Meldegänger zwischen dem Regimentsstab und den Stäben der Bataillone mit 1,5 bis 5 Kilometer Abstand zur Hauptkampflinie, zunächst am Wytschaete-Bogen der Westfront. Entgegen seiner späteren Darstellung war er also kein besonders gefährdeter frontnaher Meldegänger eines Bataillons oder einer Kompanie und hatte weit bessere Überlebenschancen als diese. Vom März 1915 bis September 1916 wurde er im Sektor Aubers-Fromelles und in der Schlacht von Fromelles (19./20. Juli 1916) eingesetzt. In der Schlacht an der Somme wurde Hitler am 5. Oktober 1916 bei le Barqué (Ligny-Thilloy) durch einen Granatsplitter am linken Oberschenkel verwundet, was später zu zahlreichen Spekulationen über seine Monorchie führte. Er wurde bis zum 4. Dezember im Vereinslazarett Beelitz (Potsdam) gesund gepflegt und hielt sich danach zur Pflege in München auf. Später wollte er dort erstmals die schwindende Kriegsbegeisterung in Deutschland bemerkt haben. Am 5. März 1917 kehrte Hitler zu seiner inzwischen nach Vimy verlegten alten Einheit zurück. Im Frühjahr nahm er an der Schlacht von Arras, im Sommer an der Dritten Flandernschlacht, ab Ende März 1918 an der deutschen Frühjahrsoffensive und an der kriegsentscheidenden zweiten Schlacht an der Marne teil. Hitler bestritt später, das Eiserne Kreuz I. Klasse im Ersten Weltkrieg getragen zu haben, da es dem Juden Gutmann (Hitler: „ein Feigling sondersgleichen“) ebenfalls verliehen wurde. Am 21. August 1918 verließ Hitler das in schwere Kämpfe verwickelte Regiment zu einem einwöchigen Telefonistenkurs in Nürnberg, um daraufhin seinen regulären Heimaturlaub in Berlin anzutreten. Während er später immer wieder auf seine Eindrücke in Berlin zu sprechen kam, verschwieg er den vermutlich erstmaligen Besuch in der späteren Stadt der Reichsparteitage zeitlebens, was zu Spekulationen über Zusammenhänge mit dem aus Nürnberg stammenden Vorgesetzten Gutmann Anlass gab. Am 27. September kehrte er an die Westfront zurück, wo sein Regiment inzwischen von den Auflösungserscheinungen betroffen war, die mit dem Schwarzen Tag des Deutschen Heeres am 8. August an der gesamten Westfront begonnen hatten. Am Morgen des 14. Oktober 1918 geriet Hitler auf einem Meldegang bei Wervik in Flandern in einen Senfgasangriff, den er auch in Mein Kampf schilderte. Gelangte das Gift in die Augen, schwollen die Lider unter heftigen Schmerzen schnell an, was zur funktionellen Erblindung führte. Kamen keine Komplikationen hinzu, klangen die Symptome wie bei Hitler nach wenigen Wochen oft vollständig ab. Die derart Verwundeten galten als „leicht verwundet“. Mit dieser Einstufung wurde Hitler unter der Nummer 7361 mit der Diagnose „gasvergiftet“ am 21. Oktober in das Reservelazarett Pasewalk, ein Genesungsheim für Leichtverletzte, eingeliefert. Üblicherweise dauerte der Genesungsaufenthalt vier Wochen. Hitler ging am 19. November als „kriegsverwendungsfähig“ zum Ersatzbataillon des 2. Bayerischen Infanterieregiments nach München ab. Hitler erfuhr in Pasewalk am 10. November von der Novemberrevolution und den Waffenstillstandsverhandlungen von Compiègne, was er zutiefst empört aufnahm. Später (1924) bezeichnete er diese Ereignisse im Sinne der Dolchstoßlegende als „größte Schandtat des Jahrhunderts“, die ihn zu dem Entschluss veranlasst habe, Politiker zu werden. Letzteres gilt als unglaubwürdig, da Hitler damals nahezu mittel- und perspektivlos war, keine Kontakte zu Politikern hatte und den angeblichen Entschluss bis 1923 nie erwähnte. Hitler verhielt sich laut Zeitzeugen unterwürfig gegenüber Offizieren. „Den Vorgesetzten achten, niemandem widersprechen, blindlings sich fügen“, gab er 1924 vor Gericht als seine Maxime an. Er klagte nie über schlechte Behandlung als Soldat und sonderte sich damit von seinen Kameraden ab. Darum beschimpften sie ihn als „weißen Raben“, als jemanden, der sich für etwas Besonderes hielt oder eine von der Mehrheit abweichende Meinung vertrat. Nach ihren Aussagen rauchte und trank er nicht, redete nie über Freunde und Familie, war nicht an Bordellbesuchen interessiert und saß oft stundenlang lesend, nachdenkend oder malend in einer Ecke des Unterstands. Die Nationalsozialisten Fritz Wiedemann und Max Amann behaupteten nach 1933, Hitler habe eine militärische Beförderung abgelehnt, für die er als mehrfach Verwundeter sowie Träger des Eisernen Kreuzes erster Klasse in Frage gekommen wäre. Späteres Lob von Hitlers angeblicher Kameradschaft und Tapferkeit durch Kriegskameraden gilt als unglaubwürdig, da die NSDAP sie dafür mit Funktionärsposten und Geld belohnte. Nach seinen Feldpostbriefen missbilligte Hitler den spontanen Weihnachtsfrieden 1914. Am 5. Februar 1915 schilderte er die Kampfhandlungen detailliert und äußerte zum Schluss, er hoffe auf die endgültige Abrechnung mit den Feinden im Inneren. Deutsche Kriegsverbrechen wie Brandschatzung und Massenerschießungen zur Vergeltung angeblicher Sabotage, die 1914 im besetzten Belgien begangen worden waren, stellte Hitler im September 1941 nach Beginn des Russlandfeldzugs im Rückblick deutlich übertrieben dar und bezeichnete sie als vorbildliche Methode zur Partisanenbekämpfung im Osten. Sebastian Haffner nannte Hitlers Fronterfahrung sein „einziges Bildungserlebnis“. Ian Kershaw urteilte: „Der Krieg und die Folgen haben Hitler geschaffen.“ Da Hitler sich 1914 erstmals in seinem Leben ganz einer Sache hingegeben habe, dem Krieg, hätten sich seine schon mitgebrachten Vorurteile und Phobien in der Erbitterung über die Kriegsniederlage ab 1916 entscheidend verstärkt. Thomas Weber urteilt dagegen: „Hitlers Zukunft und seine politische Identität waren noch vollkommen offen und formbar, als er aus dem Krieg zurückkehrte.“
Am 21. November 1918 kehrte Hitler in die Oberwiesenfeldkaserne in München zurück. Er versuchte, der Demobilisierung des Deutschen Heeres zu entgehen, und blieb deshalb bis zum 31. März 1920 Soldat. In dieser Zeit formte er sein politisches Weltbild, entdeckte und erprobte sein demagogisches Redetalent. Vom 4. Dezember 1918 bis 25. Januar 1919 bewachte Hitler mit 15 weiteren Soldaten etwa 1000 französische und russische Kriegsgefangene in einem von Soldatenräten geleiteten Lager in Traunstein. Am 12. Februar wurde er nach München in die zweite Demobilmachungskompanie versetzt und ließ sich am 15. Februar zu einem der Vertrauensmänner seines Regiments wählen. Als solcher arbeitete er mit der Propagandaabteilung der neuen bayerischen Staatsregierung unter Kurt Eisner (USPD) zusammen und sollte seine Kameraden in Demokratie schulen. Am 16. Februar nahm er daher mit seinem Regiment an einer Demonstration des „Revolutionären Arbeiterrates“ in München teil. Historiker sind sich uneins darüber, ob Hitler am 26. Februar 1919 den Trauerzug für den fünf Tage zuvor ermordeten Eisner begleitete, wie ein unscharfes Foto belegen soll. Am 15. April ließ Hitler sich zum Ersatzbataillonsrat der Soldatenräte der Münchner Räterepublik wählen, die am 7. April ausgerufen worden war. Nach deren gewaltsamer Niederschlagung Anfang Mai 1919 denunzierte er andere Vertrauensleute aus dem Bataillonsrat vor einem Standgericht der Münchner Reichswehrverwaltung als „ärgste und radikalste Hetzer […] für die Räterepublik“, trug damit zu ihrer Verurteilung bei und erkaufte sich das Wohlwollen der neuen Machthaber. Später verschwieg er seine vorherige Zusammenarbeit mit den sozialistischen Soldatenräten. Diese wird meist als Opportunismus oder Beleg dafür gewertet, dass Hitler bis dahin kein ausgeprägter Antisemit gewesen sein könne. Anders als andere Angehörige seines Regiments schloss er sich keinem der gegen die Räterepublik aufgestellten Freikorps an. Im Mai 1919 traf Hitler erstmals Hauptmann Karl Mayr, den Leiter der „Aufklärungsabteilung“ im Reichswehrgruppenkommando 4. Dieser rekrutierte ihn eventuell kurz darauf als V-Mann. Auf Empfehlung seiner Vorgesetzten nahm er im Sommer 1919 an der Universität München zweimal an „antibolschewistischen Aufklärungskursen“ für „Propaganda bei der Truppe“ teil. So schulten ihn erstmals deutschnationale, alldeutsche und antisemitische Akademiker wie Karl Alexander von Müller, der Hitlers Talent als Redner entdeckte, und Gottfried Feder, der das Schlagwort von der „Brechung der Zinsknechtschaft“ geprägt hatte. Durch die Begegnung mit Feder, so schrieb Hitler während seiner Landsberger Festungshaft, habe er „den Weg zu einer der wesentlichen Voraussetzungen zur Gründung einer neuen Partei“ gefunden. Ab 22. Juli sollte Hitler mit einem 26-köpfigen „Aufklärungskommando“ der Münchner Garnison angeblich von Bolschewismus und Spartakismus „verseuchte“ Soldaten im Reichswehrlager Lechfeld propagandistisch umerziehen. Seine Reden weckten starke Emotionen, auch mit antisemitischen Äußerungen. Mayr stellte ihn im Frühjahr oder Herbst 1919 Ernst Röhm vor, dem Mitgründer der geheimen rechtsradikalen Offiziersverbindung „Eiserne Faust“. Mayrs V-Leute sollten neue politische Parteien und Gruppen in München überwachen. Dazu besuchte Hitler am 12. September 1919 erstmals eine Versammlung der Deutschen Arbeiterpartei (DAP). Dort widersprach er heftig der diskutierten Sezession Bayerns vom Reich. Der Parteivorsitzende Anton Drexler lud ihn wegen seiner Redegewandtheit zum Parteieintritt ein. Am 16. September verfasste er einen Brief an Adolf Gemlich, einen Teilnehmer der Lechfelder Kurse, der ihn um eine Stellungnahme zur Judenfrage gebeten hatte. Erst wenige Wochen zuvor hatte sich Hitler zum ersten Mal öffentlich antisemitisch geäußert. Vor 1919 gibt es, abgesehen von einem Feldpostbrief aus dem Jahr 1915, in dem er über Deutschlands „inneren Internationalismus“ schimpft, keine Belege für eine antisemitische Haltung Hitlers. Im Brief an Gemlich betonte Hitler, das Judentum sei eine Rasse, keine Religion. „Dem Juden“ seien „Religion, Sozialismus, Demokratie […] nur Mittel zum Zweck, Geld- und Herrschgier zu befriedigen. Sein Wirken wird in seinen Folgen zur Rassentuberkulose der Völker.“ Mehrfach kam Hitler auf die angebliche Geldgier und den „Tanz ums goldene Kalb“ der Juden zurück, durch die „alle jene Güter, die nach unserm inneren Gefühl nicht die höchsten und einzig erstrebenswerten auf dieser Erde sein sollen“ in Gefahr seien. Daher müsse der „Antisemitismus der Vernunft“ die „Vorrechte des Juden“ planmäßig und gesetzmäßig bekämpfen und beseitigen. „Sein letztes Ziel aber muss unverrückbar die Entfernung der Juden überhaupt sein. Zu beidem ist nur fähig eine Regierung nationaler Kraft […] nur durch rücksichtslosen Einsatz national gesinnter Führerpersönlichkeiten mit innerlichem Verantwortungsgefühl.“
Hitler trat der DAP im September 1919 bei. Entgegen seiner Behauptung in Mein Kampf war er nicht das siebte Mitglied der Partei, sondern des Arbeitsausschusses der Partei als Werbeobmann. In der ersten überlieferten Parteimitgliederliste vom 2. Februar 1920 trägt er die Nummer 555, was ihn jedoch nicht zum 555. Mitglied macht, denn die Liste beginnt mit der Nummer 501 und ist zudem alphabetisch geordnet. Was Hitler in Mein Kampf über die Umstände seines Parteieintritts berichtete, ist kritisch zu lesen. Möglicherweise trat er der DAP lediglich auf Geheiß Mayrs bei. In der Rückschau erhöhte Hitler seinen Anteil am Aufstieg der Partei auf Kosten aller anderen Beteiligten. Er sei einer Partei ohne Mitglieder und Organisation beigetreten, die sich in schäbigen Hinterzimmern getroffen habe, und erst er habe daraus kraft seines eigenen politischen Genies eine Massenbewegung zur Rettung Deutschlands geformt. Den Parteiführern Drexler und Karl Harrer sprach er die Inspiration ab. Während Hitler nach ersten erfolgreichen Reden auf Versammlungen in Bierkellern und Gasthäusern auf eine große Massenveranstaltung im Festsaal des Münchner Hofbräuhauses drängte, trat der skeptische Harrer von seinem Posten als „Reichsvorsitzender“ zurück. Hitler behauptete später, Harrer habe sich auf einen kleinen politischen Zirkel beschränken wollen und seine, Hitlers, weiter reichenden Pläne blockiert. Offenbar hatte Harrer aber Kontakte zur DNVP geknüpft, während Hitler keine Kooperation mit einem mächtigeren Partner wollte. Vor Hitlers Beitritt zur DAP hatte der antisemitische Schriftsteller Dietrich Eckart bei DAP-Versammlungen gesprochen und sich offenbar des Parteineulings angenommen. Eckart hatte sich in völkischen Kreisen bereits einen Namen gemacht und öffnete Hitler die Türen zur Münchner Gesellschaft. Wohlhabende Geschäftsleute wie der Verleger Julius Friedrich Lehmann, aber auch die Reichswehr in Person von Mayrs Büro und Franz Ritter von Epp finanzierten die klamme Partei. Eckarts Freund Gottfried Grandel sollte später für die Gelder bürgen, die zum Aufkauf des Völkischen Beobachters verwendet wurden. Eckart brachte Hitler mit vermögenden Bewunderern zusammen, die zu großzügigen und treuen Geldgebern für seinen Lebensunterhalt wurden, wie Helene Bechstein, Ehefrau des renommierten Berliner Klavierfabrikanten, oder dem Münchner Verlegerehepaar Hugo und Elsa Bruckmann. Als die DAP am 24. Februar 1920 zur NSDAP umbenannt wurde, trug Hitler das von ihm, Drexler und Feder verfasste 25-Punkte-Programm vor. Am 16. März 1920 stellte Eckart ihn in Berlin einigen Initiatoren des Kapp-Lüttwitz-Putsches vor, der am Folgetag zusammenbrach. Bei einem weiteren Berlinbesuch 1920 traf Hitler Heinrich Claß (Alldeutscher Verband), der ihn danach finanziell unterstützte und den Ausbau und die Entschuldung der Parteizeitung Völkischer Beobachter vorantrieb. Bei seiner Entlassung aus der Reichswehr (1. April 1920) konnte Hitler von seinen Redehonoraren leben. Er erreichte damals pro Auftritt 1200 bis 2500 Zuhörer und warb neue Mitglieder für die NSDAP an, mit welcher der Deutschvölkische Schutz- und Trutzbund (DVSTB) und die Deutschsozialistische Partei (DSP) damals noch stark konkurrierten. Er hielt Drexler von einer Vereinigung der NSDAP mit der DSP ab und setzte am 7./8. August in Salzburg ein Bündnis mit der österreichischen DNSAP durch, um den alldeutschen Anspruch seiner Partei zu unterstreichen. In seiner Grundsatzrede Warum sind wir Antisemiten? vom 13. August 1920 erklärte Hitler erstmals ausführlicher seine Ideologie: Alle Juden seien aufgrund ihres angeblich unveränderlichen Rassecharakters unfähig zu konstruktiver Arbeit. Sie seien wesenhaft Parasiten und täten alles zum Erlangen der Weltherrschaft, darunter (so behauptete er) Rassenmischung, Volksverdummung durch Kunst und Presse, Förderung des Klassenkampfes bis hin zum Mädchenhandel. Damit machte er den rassistischen Antisemitismus zum Hauptmerkmal des NSDAP-Programms. Mit einem langen Regenmantel über dem Anzug, einem „Gangsterhut“, einem auffällig sichtbaren Revolver und einer Hundepeitsche machte Hitler bei Münchner Empfängen auf sich aufmerksam. Anhänger beschrieben ihn als „grandiosen Volksredner“, der „äußerlich irgendwie zwischen Unteroffizier und Handlungsgehilfen, mit gezierter Unbeholfenheit und zugleich so viel Redegewalt […] vor einem Massenpublikum“ auftrat. Hitler wandelte die SA von einer „Saalschutztruppe“ in eine paramilitärische Schläger- und Einschüchterungstruppe der NSDAP um. Er entwarf Hakenkreuzfahnen und Standarten für Machtdemonstrationen der SA in Stadt und Land. Im Juni 1921 war er erneut in Berlin, um Geldmittel für seine Partei zu beschaffen. Die NSDAP München lud Otto Dickel, ein sozialreformerisches Parteimitglied aus Augsburg, als Ersatzredner ein und vermittelte ein Treffen am 10. Juli 1921 mit Nürnberger DSP-Abgesandten, um über eine Fusion zu verhandeln. Hitler, den vielleicht Hermann Esser informiert hatte, erschien. Als Eckart, Drexler und andere Dickels Vorschläge zu einer Programmreform begrüßten, verließ er wütend das Treffen. Am 11. Juli trat er aus der NSDAP aus, vielleicht weil er seine besondere Stellung in der Partei zu verlieren fürchtete. Am 14. Juli kritisierte er Dickel und dessen Ansichten in einer ausführlichen Erklärung scharf. Für seinen Wiedereintritt, den Dietrich Eckart vermittelte, forderte er diktatorische Machtbefugnisse in der NSDAP. Eine Mitgliederversammlung beschloss am 29. Juli 1921 eine Satzung mit dem geforderten „diktatorischen Prinzip“, übertrug Hitler die Parteileitung und schloss Drexler als „Ehrenvorsitzenden“ von den Entscheidungsprozessen aus. Hitlers Vertrauter Amann straffte und zentralisierte die Parteiorganisation. So setzte Hitler seinen Führungsanspruch durch und verhinderte eine Linkswende der Partei. Er war jetzt ein lokaler Parteiführer, den viele Nationalisten, Demokratiegegner und Militaristen unter Intellektuellen, in der Regierung und Verwaltung Bayerns unterstützten. Um seinen Einfluss auszudehnen, hielt er seit 1920 einige Reden vor dem Berliner Nationalklub von 1919 und in Österreich. Durch gezielte Angriffe auf politische Gegner wollte er öffentlich bekannter werden. Am 14. September 1921 störten er und seine Anhänger gewaltsam eine Veranstaltung des separatistischen Bayernbunds im Münchner Löwenbräukeller. Dabei wurde dessen Gründer Otto Ballerstedt verletzt, der ihn daraufhin anzeigte. Hitler wurde am 12. Januar 1922 wegen Landfriedensbruchs und Körperverletzung zu drei Monaten Haft verurteilt; zwei Monate waren bei guter Führung zur Bewährung ausgesetzt. Zwischen dem 24. Juni und dem 27. Juli 1922 verbüßte er seine Strafe in Stadelheim. Bei der Säuberungsaktion im Zuge des „Röhm-Putsches“ (1934) ließ Hitler Ballerstedt ermorden. Manche britische und US-amerikanische Presseartikel schätzten ihn damals als „potentiell gefährlich“, als Vertreter einer „Armee der Rache“ oder als „deutschen Mussolini“ ein. Als solchen ließ Hitler sich am 3. November 1922, drei Tage nach Mussolinis erfolgreichem Marsch auf Rom, von Hermann Esser in München ausrufen.
Während des Kapp-Putsches 1920 zwang die Reichswehrführung in Bayern die Koalitionsregierung Hoffmann zum Rücktritt. Die neue Regierung unter Gustav von Kahr schlug einen Rechtskurs ein, um aus Bayern die „Ordnungszelle“ des Reiches zu machen. Sie gewährte vielen militanten Rechtsextremen wie Hermann Ehrhardt Unterstützung und Unterschlupf. Sie organisierten sich nach der Auflösung der Freikorps im selben Jahr in bewaffneten „Einwohnerwehren“ und „vaterländischen Verbänden“, die den Sturz der Weimarer Republik anstrebten. Einige bejahten und verübten dazu politische Morde oder Fememorde. Bayern wurde infolge dieser Ereignisse zu einem Hort gegenrevolutionärer, antirepublikanischer Kräfte, die auf eine Beseitigung der parlamentarischen Demokratie drangen. Hitler und die NSDAP waren nur ein Teil dieser breiten, rechten Bewegung. Sie umfasste auch andere völkische Gruppierungen, die DNVP und Teile der Bayerischen Volkspartei (BVP) und fand starke, teils offene, teils verdeckte Unterstützung im Militär-, Polizei- und Justizapparat.
verfolgte im Krisenjahr 1923 eigene Putschpläne gegen die Regierung in Berlin Zum 17. März 1922 lud der christlich-konservative Bayerische Innenminister Franz Xaver Schweyer die Vorsitzenden der wichtigsten im Bayerischen Landtag vertretenen Parteien zu einer Besprechung, um die Abschiebung des als „staatenlos“ gemeldeten Hitlers aus Bayern zu erreichen. Die Vertreter der bürgerlichen Parteien stimmten Schweyers Vorschlag zu, lediglich der SPD-Fraktionschef Erhard Auer war dagegen. Die anderen Parteien gaben Auer nach und daher wurde Hitler nicht des Landes verwiesen. Nachdem die Alliierten 1921 die Auflösung der bayerischen Einwohnerwehren erzwungen hatten, betraute Kahr Otto Pittinger mit der geheimen Fortführung der „Wehrarbeit“. Im August 1922 planten Pittinger, der Münchner Polizeipräsident Ernst Pöhner und Ernst Röhm einen Putsch, ausgehend von einer geplanten Massenkundgebung der vaterländischen Verbände gegen das Republikschutzgesetz am 25. August. Diese wurde jedoch kurzfristig verboten, sodass sich nur einige Tausend Nationalsozialisten versammelten. Hitler, der den Putschplan kannte, soll darüber vor Wut geschäumt und angekündigt haben, beim nächsten Mal werde er handeln. Die radikalen Kräfte um Röhm und Ludendorff lehnten Pittingers monarchistisch-föderalistischen Kurs ab und widerstanden zunehmend seinen Versuchen zur Einigung der Wehrbewegung. Zwar schloss sich die NSDAP zunächst der am 9. November 1922 gegründeten „Vereinigung vaterländischer Verbände in Bayern“ an, nicht jedoch der Bund Oberland und der Bund Wiking. Im Februar 1923, während der Ruhrbesetzung, gründete sich auf Initiative Röhms die Arbeitsgemeinschaft der Vaterländischen Kampfverbände, der sich die NSDAP und SA anschlossen. In ihr übte Hitler maßgeblichen Einfluss aus und definierte als ihre Ziele: Nachdem mehrere völkische Politiker, darunter Hitler, wegen Verstößen gegen das Republikschutzgesetz gerichtliche Vorladungen erhielten, ließ er die bayerische Staatsregierung im April 1923 durch die Arbeitsgemeinschaft ultimativ auffordern, Haftbefehle gegen „vaterländisch gesinnte Männer Bayerns ein für allemal“ abzulehnen. Sein Einfluss stieg, als er die SA aus ihrer Verbindung mit Ehrhardts Organisation löste. Hitler forderte als Erster eine „nationale Maifeier“. Die traditionelle, behördlich genehmigte Demonstration der Linksparteien am Ersten Mai 1923 in München ließ sich jedoch nicht verhindern. Die Kampfverbände beschlossen daher, selbst gewaltsam gegen die Maifeier der Linken vorzugehen. Die 3.000 Bewaffneten, die sich dazu auf dem Oberwiesenfeld versammelt hatten, wurden dort jedoch von Reichswehrtruppen und Landespolizei umstellt und zur Aufgabe gezwungen. Dies schwächte Hitlers Autorität in der NSDAP, so dass er sich eine Weile aus der Öffentlichkeit zurückzog. Im Mai 1923 gründete er mit dem Münchner Stoßtrupp Adolf Hitler eine Garde von Leibwächtern und Schlägern, die aus engen Vertrauten bestand. Beim „Deutschen Tag“ am 1. und 2. September 1923 in Nürnberg vereinigten Hitler, Ludendorff und ihre Anhänger den Bund Oberland mit dem Bund Reichskriegsflagge unter Röhm und der SA zum Deutschen Kampfbund. Dieser forderte eine „nationale Revolution“, bei der es wegen der Erfahrung vom 1. Mai primär darum gehe, von den „polizeilichen Machtmittel[n] des Staates“ Besitz zu ergreifen. Am 25. September übernahm Hitler seine politische Führung. Bei einem durch Ulrich Wille junior vermittelten Aufenthalt in Zürich im August 1923 redete er vor geladenen Gästen „Zur Lage in Deutschland“ und erhielt Spenden zwischen 11.000 und 123.000 Franken, meist in bar und ohne Quittung. Ob die unbekannte Gesamtsumme die Putschvorbereitung der NSDAP ermöglichte, ist ungeklärt. Am 26. September ließ der neue Reichskanzler Gustav Stresemann (DVP) den wirtschaftlich ruinösen passiven Widerstand gegen die belgisch-französische Ruhrbesetzung abbrechen. Daraufhin rief die bayerische Regierung den Ausnahmezustand über Bayern nach Artikel 48 aus und übertrug die vollziehende Gewalt auf Gustav von Kahr als „Generalstaatskommissar“. Er sollte offiziell mit seinen „speziellen Beziehungen“ zu bayerischen rechtsradikalen Organisationen und seiner bekannten völkisch-antisemitischen Gesinnung „Dummheiten“ von „irgendeiner Seite“ vorbeugen. Als eine seiner ersten Maßnahmen ließ er ostjüdische Familien aus Bayern ausweisen und ihren Besitz konfiszieren. Ein Artikel mit dem Titel Die Diktatoren Stresemann – Seeckt im Völkischen Beobachter, der die Reichsregierung scharf angriff, ließ den Konflikt zwischen ihr und der Regierung Bayerns eskalieren. Reichswehrminister Otto Geßler, der nach der Verhängung des Ausnahmezustands über das ganze Reich am 27. September die vollziehende Gewalt innehatte, verbot daraufhin den Völkischen Beobachter. Kahr und der Kommandeur der Reichswehr in Bayern, Otto von Lossow, verweigerten diesen Befehl. Am 29. September erklärte Kahr, er werde das Republikschutzgesetz in Bayern nicht länger vollziehen. Hitler besuchte am 30. September erstmals die Villa Wahnfried. Der „Bayreuther Kreis“ um Cosima Wagner unterstützte seinen Putschplan und seinen Anspruch, der ersehnte nationale „Führer“ zu werden. Am 7. Oktober versuchte Hitler vergeblich, Lossow und Seißer zum Eintritt in seinen Kampfbund zu bewegen. Am 20. Oktober setzte Geßler Lossow ab. Kahr ernannte Lossow daraufhin demonstrativ zum „Landeskommandanten“ und ließ die in Bayern stationierte 7. Reichswehrdivision auf Bayern vereidigen. Dieser offene Verfassungsbruch war ein erster Schritt zur Lösung Bayerns vom Reich. Nach dem Austritt der SPD aus dem Kabinett Stresemann am 2. November 1923 forderte Reichspräsident Friedrich Ebert am 3. November analog zur Reichsexekution gegen das von Kommunisten mitregierte Sachsen, Reichswehrtruppen gegen Bayern einzusetzen. Der Chef der Heeresleitung, Hans von Seeckt, lehnte dies ab, da man nicht über ausreichende Kräfte verfüge und Reichswehr nicht gegen Reichswehr marschiere. Seeckt verurteilte zwar den Ungehorsam der bayerischen Reichswehrtruppen, ließ aber Kahr gegenüber durchblicken, dass er vor allem im Interesse der Einheit des Reiches an den verfassungsgemäßen Formen festgehalten habe. Zugleich warnte er Kahr und Lossow, sich nicht zu sehr an den völkischen und nationalen Extremisten zu orientieren. Auch das „bayerische Triumvirat“ Kahr, Lossow und Oberst Hans von Seißer, Chef der Bayerischen Landespolizei, erwog Putschpläne gegen Berlin. In Absprache mit Kontaktleuten in Norddeutschland hofften sie im Oktober 1923, die Reichsregierung durch militärischen Druck dazu zu bringen, ein „nationales Direktorium“ einzusetzen. Lossow sprach bei einem Treffen mit den Führern der paramilitärischen Verbände am 24. Oktober sogar von einem „Marsch auf Berlin“, spielte tatsächlich aber vor allem gegenüber dem Deutschen Kampfbund auf Zeit. Anfang November herrschte indes noch völlige Unklarheit über die etwaige Zusammensetzung des Direktoriums. Während Kahr als Reichspräsident im Gespräch war, wären Hitler und Ludendorff, die ein Direktorium unter ihrer Führung in München wollten, in keinem Fall daran beteiligt worden. Am 3. November stellte Seeckt freilich gegenüber Seißer fest, nichts gegen die rechtmäßige Regierung unternehmen zu wollen.
nahm am 9. November sozialistische Stadträte fest antisemitische Ansprachen auf dem Münchner Marienplatz Nach dem 3. November warnte Kahr alle Führer „vaterländischer Verbände“ vor eigenmächtigen Aktionen und lehnte ein Treffen mit Hitler ab. Dieser fürchtete Kahrs Einigung mit der Reichsregierung und verabredete daher am 7. November mit den anderen Kampfbundführern den baldigen Putsch. Am Abend des 8. November sprach Kahr im Münchner Bürgerbräukeller vor etwa 3000 Anhängern über die Notwendigkeit der Diktatur und des Sturzes der „marxistischen“ Reichsregierung. Hitler ließ das Gebäude von seinem Kampfbund umstellen, verschaffte sich mit Waffengewalt Zutritt, rief die „nationale Revolution“ aus und forderte Kahr, Seißer und Lossow unter vorgehaltener Waffe zu einer Unterredung in einem Nebenraum auf. Das „Triumvirat“ war zunächst unwillig die Aktion mitzutragen. Erst nachdem Hitler durch eine kurze Rede im Saal die Stimmung in seinem Sinne gedreht und der mittlerweile eingetroffene Ludendorff Lossow und Seißer überzeugt hatte, erklärte sich auch Kahr bereit, den Putschversuch zu unterstützen und einer „provisorischen deutschen Nationalregierung“ unter Hitlers Führung zuzustimmen. Dass diese Zustimmung allein unter Todesdrohung erpresst worden sei, war eine spätere Schutzbehauptung Kahrs, Lossows und Seißers. Joachim Fest erkennt mit Blick auf Hitlers Inszenierung des Putsches dessen „Neigung zur chargierenden Szene“: So fuhr Hitler im roten Mercedes zum Bürgerbräukeller, trug einen langen schwarzen Gehrock und hatte sich sein Eisernes Kreuz angeheftet. Während der Umstellung des Gebäudes positionierte er sich unter großer Anspannung an der Saaltür. Er hielt dabei ein Bierglas in der Hand erhoben und beim Auffahren eines schweren Maschinengewehrs neben ihm nahm er einen letzten dramatisierenden Schluck, warf das Glas mit einem Klirren zu Boden und stürmte dann an der Spitze seines Stoßtrupps mitten in den Saal. Um sich Gehör zu verschaffen, sprang er auf einen Tisch und feuerte mit seiner Pistole in die Decke. Als Hitler sich daraufhin den Weg zum Podium gebahnt hatte, um die „nationale Revolution“ auszurufen, bedrohte er zudem die Anwesenden damit, ein Maschinengewehr auf die Galerie zu stellen, sollte nicht sofort Ruhe einkehren. Im weiteren Verlauf des Abends ließ Hitler alle anwesenden Mitglieder der bayerischen Landesregierung festsetzen und ernannte Ludendorff zum Oberbefehlshaber der Reichswehr. Dieser ließ das Triumvirat gegen 22.30 Uhr frei, das seine anfängliche Zustimmung einige Stunden später widerrief, als klar wurde, dass die Aktion, deren Zielsetzung sie teilten, dilettantisch vorbereitet war und auf Widerstand stieß. Erst dann trafen sie Maßnahmen zur Niederschlagung des Putsches. SA und Bund Oberland nahmen zahlreiche wirkliche oder vermeintliche Münchner Juden, deren Namen und Adressen aus Telefonbüchern entnommen waren, als Geiseln fest. Obwohl der Münchner Kompaniechef Eduard Dietl, frühes DAP-Mitglied und Ausbilder der SA, und der Offiziersnachwuchs sich weigerten, gegen die Putschisten vorzugehen, gelang es den von Ernst Röhm geführten Kampfbundverbänden in der Nacht zum 9. November nicht, die meisten Münchner Kasernen, den Bahnhof und wichtige Regierungsgebäude zu besetzen. Seit den Ereignissen vom 1. Mai wusste Hitler, dass ein Putsch ohne Unterstützung von Reichswehr und Polizei aussichtslos war. Um sie und die Bevölkerung doch noch auf ihre Seite zu ziehen und den Umsturz in München zu erzwingen, beschlossen Hitler und Ludendorff, mit bis zu 4000 teilweise bewaffneten NSDAP-Anhängern vom Bürgerbräukeller durch die Innenstadt zum Sitz des Wehrkreiskommandos zu marschieren. Eine Einheit der Landespolizei unter Michael von Godin stoppte diesen Marsch nahe der Feldherrnhalle. In einem kurzen Feuergefecht starben 15 Putschisten und 4 Polizisten sowie ein Unbeteiligter. Eine tödliche Kugel traf den Finanzier der NSDAP, Max Erwin von Scheubner-Richter, der sich bei Hitler untergehakt hatte. Als er stürzte, zog er Hitler mit sich, der sich dabei die Schulter ausrenkte. Dennoch gelang es ihm zunächst, zu fliehen und sich im Haus Ernst Hanfstaengls am Staffelsee zu verstecken. Dort wurde er am 11. November verhaftet. Die schon in neun deutschen Ländern verbotene NSDAP wurde ebenfalls in Bayern und am 23. November reichsweit verboten. Ebert hatte Seeckt trotz dessen Befehlsverweigerung noch am 8. November 1923 den Oberbefehl über die Reichswehr übertragen, damit dieser die bayerische Reichswehr zum Vorgehen gegen die Putschisten bewegen konnte. So bewirkte Hitlers und Ludendorffs Alleingang ungewollt, dass die 7. Division den Zusammenhalt mit der übrigen Reichswehr wahrte, die republikfeindlichen Kräfte gespalten und die Putschpläne des bayerischen „Triumvirats“ durchkreuzt wurden. Hitler lernte daraus, dass er die Macht „nicht in totaler Konfrontation mit dem Staatsapparat, sondern nur im kalkulierten Zusammenspiel mit ihm“ erreichen konnte und dazu den „Schein der Legalität“ wahren musste. Der dilettantisch inszenierte, gescheiterte Putschversuch wurde ab 1933 zum Triumph umgedeutet und jährlich als heroische Tat mit dem Gedenken an die „Blutzeugen der Bewegung“ gefeiert.
Ab 26. Februar 1924 begann vor dem bayerischen Volksgericht, nicht vor dem zuständigen Reichsgericht in Leipzig, ein Prozess gegen zehn Putschteilnehmer. Die bayerische Staatsregierung, insbesondere Justizminister Franz Gürtner, der Hitler nach 1933 in gleicher Funktion auf Reichsebene diente, setzte alles daran, die Hintergründe des Putschversuchs zu verschleiern, vor allem die Verwicklung Kahrs, Lossows und Seißers. Weder ihre Verbindungen zu Hitler noch dessen Rolle am 1. Mai 1923 wurden als Gegenstand des Verfahrens zugelassen, sondern ausschließlich die Ereignisse des 8./9. November. Aber selbst die Geiselnahmen und die Tötung der vier Polizisten wurden nicht verhandelt. Mit dem Vorsitz wurde der deutschnational eingestellte Landgerichtsdirektor Georg Neithardt betraut, der Hitler und den übrigen Angeklagten mit äußerstem Wohlwollen begegnete. So ersetzte er ein erstes Verhörprotokoll Ludendorffs, aus dem dessen monatelange, aktive Putschvorbereitungen hervorgingen, durch ein zweites, in dem er behauptete, von dem Putschplan nichts gewusst zu haben. Indem Neithardt ihm Gelegenheit zu ausführlichen politisch-propagandistischen Statements gab, ermöglichte er es Hitler, sich von Beginn an als treibende Kraft des Putschversuchs darzustellen. Hitler bestritt allerdings den Vorwurf des Hochverrats und behauptete, die „Novemberverbrecher“ von 1918 seien die eigentlichen Verräter. Sein scheinbar mutiges Auftreten war die Folge eines Angebots von Neithardt: Dieser hatte Hitler ein mildes Urteil in Aussicht gestellt, falls er die Putschpläne der als Zeugen geladenen Kahr, Lossow und Seißer verschweige. Die „Justizkomödie“, wie Hitlers erster Biograf Konrad Heiden den Prozess nannte, endete am 1. April 1924 mit einem Freispruch für Ludendorff und milden Strafen gegen fünf Mitangeklagte wegen Beihilfe zum Hochverrat. Richter Neithardt hatte schon 1922 den ersten Prozess wegen Landfriedensbruchs gegen Hitler geführt und wusste daher, dass die damalige Haftstrafe noch zur Bewährung ausgesetzt war. Auch dass vier Beamte der Münchner Polizei von den Putschisten erschossen worden waren, wurde nicht zum Gegenstand der Verhandlungen gemacht. In einem Akt der Rechtsbeugung verurteilte er Hitler lediglich zur Mindeststrafe von fünf Jahren Festungshaft mit der Möglichkeit einer vorzeitigen Entlassung und einer Geldbuße von 200 Goldmark. Zudem verweigerte das Gericht seine nach dem Republikschutzgesetz zwingend vorgeschriebene Ausweisung als straffällig gewordener Ausländer, da er eine „ehrenhafte Gesinnung“ habe, deutsch denke und fühle, viereinhalb Jahre freiwillig im deutschen Heer Soldat gewesen und dabei verwundet worden sei. Sowohl die Möglichkeit der Strafaussetzung zur Bewährung als auch der Verzicht auf die Ausweisung widersprachen eindeutig den geltenden Gesetzen, die für vergleichbare Taten die Todesstrafe vorsahen. Hitler genoss während seiner Haft in einem separaten Trakt der Gefangenenanstalt Landsberg am Lech zahlreiche Privilegien; er hatte engen Kontakt mit Mitverurteilten und durfte mehr Besucher empfangen, als in der Strafvollzugspraxis bis dahin üblich war (unter Berücksichtigung der Mehrfachnennungen verzeichnet die Besucherliste Hitlers 330 Personen). Die meisten Besucher sprachen nur kurz mit Hitler. Längere Gespräche führte Hitler mit Edwin und Helene Bechstein, Ludendorff, Max Amann und Hermine Hoffmann. Mit politischen Gesinnungsfreunden durfte Hitler regelmäßig vertrauliche Gespräche führen. Besucher bezeichneten seinen Haftraum wegen der vielen Feinkostwaren als „Delikatessenladen“. Für seine „Hofhaltung“ ließ die Anstaltsleitung sogar zusätzliche Zellen herrichten. Hitler rechnete fest mit einer Entlassung nach einem halben Jahr zum 1. Oktober 1924. Dem widersprach die Staatsanwaltschaft München, da ein umfangreicher Briefschmuggel aufgedeckt worden war. Dennoch wurde Hitler auf Fürsprache des Leiters der Gefangenenanstalt wegen angeblich guter Führung nach weniger als neun Monaten Haft am 20. Dezember 1924 entlassen. Dass Landsberg Hitlers „Hochschule auf Staatskosten“ gewesen sei, gehört zur Legendenbildung um die Festungshaft, die nach 1933 einsetzte. Hitlers Haftstube wurde bis 1937 von 180.000 Personen besucht. Hitler selbst kehrte nur 1934, 1936 und 1938 jeweils unangemeldet in die Haftanstalt zurück. Bis zum Prozess hatte Hitler sich eher als „Trommler“ der völkischen Bewegung gesehen, der den Weg für einen anderen „Retter Deutschlands“ wie etwa Ludendorff frei machen sollte. Die Bühne, die das Gericht ihm bot, erlaubte es ihm nun, in eine neue, führende Rolle zu schlüpfen. Durch die Prozessberichte wurde er auch im Norden Deutschlands als radikalster „völkischer“ Politiker bekannt. Seine Anhänger verehrten ihn als Helden und Märtyrer für die nationale Sache. Das stärkte seine Stellung in der NSDAP und sein Ansehen bei anderen Nationalisten. Wegen dieser Zustimmung, des Propagandaerfolgs seiner Verteidigung, seiner Reflexion beim Abfassen von Mein Kampf und des Zerfalls der NSDAP während seiner Haft sah Hitler sich selbst in der Rolle des großen, von vielen erhofften Führers und Retters Deutschlands. Er wollte die NSDAP nach seiner Entlassung als straff organisierte, von anderen Parteien unabhängige Führerpartei neu aufbauen.
Hitler schrieb in seiner Haftzeit 1923/24 weitgehend ohne fremde Hilfe den ersten Teil seiner Programmschrift Mein Kampf. Eine Autobiografie oder einen Ersatz für das 25-Punkte-Programm beabsichtigte er nicht. Der erste Band wurde von 1925 bis 1932 etwa 300.000 Mal verkauft und durch viele Rezensionen in öffentlichen Konflikten weithin bekannt. Beachtet wurden davon jedoch fast nur Hitlers außen- und parteipolitische Ziele, nicht seine Rassentheorie. Fast kein führender Politiker des Auslands las das Buch. Der 1926 erschienene zweite Band Die nationalsozialistische Bewegung führte Hitlers Vorstellungen zur Außenpolitik, Aufgabe und Struktur der NSDAP genauer aus und wurde noch weniger beachtet. Hitlers zweites Buch von 1928 führte seinen extremen Antisemitismus, Rassismus und seine bevölkerungspolitischen Pläne näher aus, blieb aber unveröffentlicht.
in München am 20. April 1923: „Es wird sprechen unser Führer Pg. Adolf Hitler über: ‚Politik u. Rasse‘ – Warum sind wir Antisemiten?“ Im ersten Band von „Mein Kampf“ entfaltete Hitler seinen seit Sommer 1919 vertretenen Rassenantisemitismus mit dem politischen Ziel einer „Entfernung der Juden überhaupt“. Zentralidee war ein Rassenkampf, der die Geschichte der Menschheit bestimme und in dem sich zwangsläufig das „Recht des Stärkeren“ durchsetze. Er verstand die „große[n] unvermischte[n] Bestände an nordisch-germanischen Menschen“ im „deutschen Volkskörper“, womit er sich auf die Rassenideologie Hans F. K. Günthers bezieht, als die stärkste, zur Weltherrschaft bestimmte Rasse. Als welthistorischen Todfeind der Arier sah Hitler die Juden: Diese strebten ebenfalls die Weltherrschaft an, sodass es zu einem apokalyptischen Endkampf mit ihnen kommen müsse. Denn da sie keine eigene Kraft und Nation besäßen, trachteten sie, als „Parasit im Körper anderer Völker“, alle anderen Rassen zu vernichten. Da dieses Streben in ihrer Rasse angelegt sei, könnten die Arier ihre Rasse nur durch Vernichtung der Juden bewahren. Im letzten Kapitel des zweiten Bandes von Mein Kampf schrieb er über deutsche Juden: „Hätte man zu Kriegsbeginn und während des Krieges einmal zwölf- oder fünfzehntausend dieser hebräischen Volksverderber so unter Giftgas gehalten, wie Hunderttausende unserer allerbesten deutschen Arbeiter aus allen Schichten und Berufen es im Felde erdulden mußten, dann wäre das Millionenopfer der Front nicht vergeblich gewesen. Im Gegenteil: Zwölftausend Schurken zur rechten Zeit beseitigt, hätten vielleicht einer Million ordentlicher, für die Zukunft wertvoller Deutschen das Leben gerettet.“ Das belegt Hitlers Bereitschaft zum Völkermord.
Aus Hitlers Rassismus folgte seine Ablehnung alles „Schwachen“ als „unwertes“ Leben ohne Lebensrecht: „Der Stärkere hat zu herrschen und sich nicht mit dem Schwächeren zu verschmelzen, um so die eigene Größe zu opfern.“ Nach außen wertete er die Slawen als „minderwertige Rasse“ ab, die zu Staatenbildung unfähig und darum künftig von höherwertigen Germanen zu beherrschen sei. Nach innen forderte er etwa eine Zwangssterilisation von zeugungsfähigen Erbkranken, Menschenzucht und „Euthanasie“. So sagte er auf dem Nürnberger NSDAP-Parteitag 1929: „Würde Deutschland jährlich eine Million Kinder bekommen und 700.000 bis 800.000 der Schwächsten beseitigt, dann würde am Ende das Ergebnis vielleicht sogar eine Kräftesteigerung sein.“ Diese Ideen gehen auf Vertreter der deutschsprachigen Rassenhygiene wie Alfred Ploetz und Wilhelm Schallmayer zurück. Sie betrafen vor allem Menschen mit Behinderungen. Hitlers Vorstellung des „Artfremden“, „Asozialen“ oder „Entarteten“ betraf auch in Mein Kampf ungenannte Gruppen, etwa „Zigeuner“ (gemeint: Roma und Jenische), Homosexuelle und christliche Pazifisten wie die Zeugen Jehovas, die Hitler als idealistisch verirrte und darum politisch gefährliche Verweigerer des notwendigen Überlebenskampfs abwertete. Ab 1933 ermordeten die Nationalsozialisten viele Mitglieder dieser Gruppen.
Die programmatische Forderung nach der Eroberung von Lebensraum im Osten zielte auf „Vernichtung des ‚jüdischen Bolschewismus‘“, wie Hitler das System der Sowjetunion nannte, und die „rücksichtslose Germanisierung“ osteuropäischer Gebiete. Gemeint war das Ansiedeln von Deutschen und Vertreiben („Aussiedlung“), Vernichten oder Versklaven insbesondere der slawischen Bevölkerung. Eine kulturell-sprachliche Assimilation lehnte er als „Bastardisierung“ und letztlich Selbstvernichtung der eigenen Rasse strikt ab. Damit hatte er, so Kershaw, „eine feste gedankliche Brücke zwischen der ‚Judenvernichtung‘ und einem auf den Erwerb von ‚Lebensraum‘ gerichteten Krieg gegen Rußland hergestellt“. Auf dieser ideologischen Basis sollte Osteuropa bis zum Ural „als Ergänzungs- und Siedlungsraum“ für das nationalsozialistische Deutsche Reich gewaltsam erschlossen werden. Hitlers Lebensraumidee knüpfte an Karl Haushofers Theorien zur Geopolitik an und überbot sie, indem er die Eroberung Osteuropas zum primären Kriegsziel der NSDAP und zum Mittel für dauerhafte ökonomische Autarkie und Hegemonie Deutschlands in einem von Grund auf neugeordneten Europa erhob.
Gegen Demokratie, Gewaltenteilung, Parlamentarismus und Pluralismus setzte Hitler ein unbeschränktes Führerprinzip: Alle Autorität in Partei und Staat sollte von einem nicht gewählten, nur per Akklamation bestätigten „Führer des Volkes“ ausgehen. Dieser sollte die ihm untergeordnete Führerebene ernennen, diese wiederum die nächsttiefere Ebene. Die jeweilige „Gefolgschaft“ sollte blind und bedingungslos gehorchen. Diese Führeridee war seit 1800 im modernen Nationalismus entstanden und seit 1900 als Sehnsucht nach einem „Volkskaiser“ oder einem autoritären, kriegerischen Reichskanzler wie Otto von Bismarck im demokratiefeindlichen Lager Allgemeingut geworden. Hitler hatte sie in Linz als Kult um Georg von Schönerer kennengelernt und in Wien die Wirkung antisemitischer Volksreden Karl Luegers erlebt, den er nun als Vorbild eines „Volkstribuns“ hervorhob. Dem Führerprinzip entsprach die paramilitärische Organisation der NSDAP. Er reklamierte die Rolle des nationalen Führers ab November 1922 nach Mussolinis erfolgreichem Marsch auf Rom für sich und übernahm den damit verbundenen „Führerkult“ und ein voluntaristisches Politikverständnis aus dem italienischen Faschismus. Demgemäß behauptete er, er habe seine Ideologie in Wien bis 1913 als Autodidakt erworben und dieses „granitene Fundament“ seines Handelns seither kaum verändert. Schönerer und Lueger hätten ihm zwar die Augen für die „Judenfrage“ geöffnet und ihn gelehrt, die Juden in allen Varianten als fremdes Volk zu betrachten; aber durch eigenes Forschen habe er die Identität von Marxismus und Judentum erkannt und so seinen instinktiven Hass bis 1909 zu einer „Weltanschauung“ verdichtet.
Hitler blieb trotz Ablehnung der Amtskirchen, die er als Konkurrenz auf ideologischer und organisatorischer Ebene sich unterzuordnen suchte, zeitlebens Mitglied der römisch-katholischen Kirche. Rhetorisch bekannte er sich zu einem persönlichen Gott, den er als „Allmächtigen“ oder „Vorsehung“ bezeichnete und als in der Geschichte wirksame Macht verstand. Er habe das deutsche Volk geschaffen, zur Herrschaft über die Völker bestimmt und Einzelpersonen wie ihn selbst zu seinen Führern auserwählt. Damit übertrug er die biblische Erwählung des Volkes Israel auf das Deutschtum und integrierte sie in das rassistische Weltbild des Nationalsozialismus. Für dieses beanspruchte er in der Politik einzige und totale Geltung. Der Philosoph Hermann Schmitz charakterisiert Hitler in Adolf Hitler in der Geschichte (1999) als antichristlich. Zum Beleg zitiert er u. a. Joseph Goebbels’ Tagebucheintrag vom 8. April 1941: „Der Führer ist ein ganz auf die Antike ausgerichteter Mensch. Er haßt das Christentum, weil es alles edle Menschentum verkrüppelt hat.“ Gemäß dem NSDAP-Programm, das ein überkonfessionelles „positives Christentum“ gegen den „jüdisch-materialistischen Geist“ im Rahmen des „Sittlichkeits- und Moralgefühls der germanischen Rasse“ bejahte, erklärte Hitler den politischen Antisemitismus zum Willen Gottes und sich zu dessen Vollstrecker: „So glaube ich heute im Sinne des allmächtigen Schöpfers zu handeln: Indem ich mich des Juden erwehre, kämpfe ich für das Werk des Herrn.“ Diesen „Erlösungsantisemitismus“ behielt er bis zu seinem Suizid unverändert bei und hob ihn immer wieder als Kern seines Denkens hervor. Aus dem Scheitern der „Los-von-Rom“-Bewegung Schönerers folgerte er: Der Nationalsozialismus müsse beide Großkirchen und ihre Lehren als „wertvolle Stützen für den Bestand unseres Volkes“ respektieren, schützen und konfessionelle Parteipolitik bekämpfen. Gläubige Protestanten und Katholiken könnten ohne Gewissenskonflikte in der NSDAP mitwirken. Schönerers Kampf gegen die Kirche habe die Volksseele missachtet und sei taktisch falsch gewesen, ebenso Luegers Judenmission, statt eine Lösung für die „Lebensfrage der Menschheit“ anzustreben. Als Einfluss nach 1918 lobte er nur Gottfried Feder.
Da Hitler fast alle seine Ideen aus dem Antisemitismus, dem Sozialdarwinismus und pseudowissenschaftlichen Biologismus des 19. und 20. Jahrhunderts übernahm, wird seine Ideologie und sein Aufstieg nicht als Ausnahme, sondern als Bestandteil und Ergebnis dieser Strömungen eingestuft. So war die Gleichsetzung von Sozialdemokraten, Marxisten und Juden in Österreich-Ungarn bei Christsozialen, Deutschnationalen und böhmischen nationalen Sozialisten seit den 1870er Jahren üblich. Viele Einzelmotive seiner frühen Vorträge wie das angebliche Nomadentum der Juden und ihre angebliche Unfähigkeit zu Kunst, Kultur und Staatenbildung entnahm Hitler aus vielfach neu aufgelegten Schriften deutscher Antisemiten, die er 1919/20 vom Münchner Nationalsozialisten Friedrich Krohn ausgeliehen haben kann. Darunter waren H. Naudh (Die Juden und der deutsche Staat, 12. Auflage 1891), Eugen Dühring (Die Judenfrage als Frage des Racencharakters, 5. Auflage 1901), Theodor Fritsch (Handbuch zur Judenfrage, 27. Auflage 1910), Houston Stewart Chamberlain (Die Grundlagen des 19. Jahrhunderts, 1899), Ludwig Wilser (Die Germanen, 1913), Adolf Wahrmund (Das Gesetz des Nomadentums und die heutige Judenherrschaft, München 1919) und die deutsche Übersetzung der Protokolle der Weisen von Zion, die Ludwig Müller von Hausen 1919 veröffentlicht hatte. Hitler benutzte die „Protokolle“ wie vor ihm Feder als Beweis für die angebliche „jüdische Weltverschwörung“. Um die Nationalsozialisten als unglaubwürdige Heuchler zu entlarven, betonten politische Gegner den Widerspruch von Hitlers Rassenideal zu seinem Aussehen. So zitierte Fritz Gerlich in der katholischen Zeitung Der gerade Weg 1932 ein „Gutachten“ des „Rassenhygienikers“ Max von Gruber von 1923 („Gesicht und Kopf schlechte Rasse, Mischling …“) und kam anhand der Rasse-Kriterien von Hans F. K. Günther zu dem Ergebnis, Hitler gehöre einer „ostisch-mongolischen Rassemischung“ an. Gerlich wurde vor allem wegen dieser Kritik 1934 ermordet. Auch Kurt Tucholsky bezeichnete Hitler 1932 als „hergelaufenen Mongolenwenzel“. Die Kritik an Hitlerkult und NS-Ideologie lebte nach 1933 als lebensgefährlicher Flüsterwitz fort: „Blond wie Hitler, groß wie Goebbels, schlank wie Göring und keusch wie Röhm.“
Am 4. Januar 1925 versprach Hitler Bayerns Ministerpräsidenten Heinrich Held, er werde nur noch auf legale Weise Politik machen und der Regierung im Kampf gegen den Kommunismus helfen. Daraufhin hob Held das NSDAP-Verbot zum 16. Februar 1925 auf. Mit einem Leitartikel im Völkischen Beobachter gründete Hitler am 26. Februar die NSDAP unter seiner Führung neu. Damit seine Parteizentrale die Aufnahme kontrollieren konnte, mussten alle bisherigen Mitglieder einen neuen Mitgliedsausweis beantragen. Hitler selbst erhielt die Mitgliedsnummer 1. Zugleich appellierte er an die Einigkeit der völkischen Bewegung im Kampf gegen Judentum und Marxismus, nicht gegen den in Bayern starken Katholizismus. Damit grenzte er sich gegen Ludendorff ab, der den Vorsitz der Nationalsozialistischen Freiheitsbewegung am 12. Februar niedergelegt und so deren Auflösung eingeleitet hatte. Hitler erreichte, dass die während des NSDAP-Verbots entstandenen konkurrierenden Splittergruppen Großdeutsche Volksgemeinschaft, „Deutsche Partei“, „Völkisch-Sozialer Block“ und die Deutschvölkische Freiheitspartei wieder oder neu in die NSDAP eintraten. Die SA ließ er nur noch als Hilfstruppe der NSDAP, nicht mehr als eigenständige paramilitärische Organisation zu, sodass Ernst Röhm ihre Führung abgab. Hitler verfügte über einen von Jakob Werlin geliehenen schwarzen Mercedes, einen eigenen Chauffeur und eine Leibgarde, mit der er zu seinen Auftritten fuhr. Er inszenierte diese fortan bis in jedes Detail hinein, indem er den Zeitpunkt seiner Ankunft, sein Betreten des Veranstaltungsraums, der Rednerbühne, seine Kleidung für die beabsichtigte Wirkung auswählte und seine Rhetorik und Mimik einstudierte. Auf Parteiversammlungen trug er eine hellbraune Uniform mit einer Hakenkreuzbinde, einen Gürtel, einen Lederriemen über der rechten Schulter und kniehohe Lederstiefel. Vor einem größeren Publikum trug er einen schwarzen Anzug mit weißem Hemd und Krawatte, „wenn es angemessen erschien, […] einen weniger martialischen, respektableren Hitler vorzuführen“. Mit seinem oft getragenen blauen Anzug, Regenmantel, Filzhut und Hundepeitsche Hitler gründete im April 1925 in München mit der Schutzstaffel (SS) eine der Partei unterstehende persönliche „Leib- und Prügelgarde“, die ab dem Reichsparteitag im Jahr 1926 der SA unterstand. Er betrieb erfolgreich zunächst die deutschlandweite Ausdehnung der NSDAP durch Gründung neuer Orts- und Regionalgruppen, für die er „Gauleiter“ ernannte. Regionale Redeverbote behinderten diese Arbeit kaum. Er beauftragte Gregor Strasser im März 1925 mit dem Aufbau der NSDAP in Nord- und Westdeutschland. Strasser bildete dort bis September 1925 einen eigenen Parteiflügel, der gegenüber Hitlers Münchner Parteizentrale stärker sozialistische Ziele, einen sozialrevolutionären Kurs sowie eine außenpolitische Zusammenarbeit mit der Sowjetunion befürwortete. Strassers Entwurf eines neuen Parteiprogramms verlangte eine Bodenreform, die Enteignung von Aktiengesellschaften und auch eine Beteiligung der NSDAP am Volksbegehren zur Fürstenenteignung. Hitler ließ ihn zunächst gewähren, gewann aber Strassers Anhänger Joseph Goebbels als Unterstützer seines Kurses und seiner Führerrolle. Im Februar 1926 setzte er gegen Strassers Flügel die Ablehnung des neuen Programmentwurfs und damit auch von dessen Forderung einer Fürstenenteignung als Form eines „jüdischen Ausbeutungssystem[s]“ durch. Hitler untersagte jede Diskussion über das Parteiprogramm (von 1920). Im Sommer 1926 führte die NSDAP den Hitlergruß ein und machte so den Hitlerkult zu ihrem zentralen Merkmal. Hitler beherrschte die Partei damals ähnlich wie ab 1933, indem er Streit und Rivalitäten zunächst zuließ und dann die Entscheidung an sich zog. So wurde die persönliche Bindung an den „Führer“ entscheidend für den Einfluss, den ein Funktionär in der Partei hatte, und Hitler wurde in der NSDAP fast unangreifbar. . Propagandapostkarte, August 1927 Seit seinem Legalitätsversprechen wollte Hitler die Demokratie mit ihren eigenen Waffen schlagen und untergraben. Die NSDAP sollte in die Parlamente einziehen, ohne dort konstruktiv mitzuarbeiten. Zudem sollte die SA mit spektakulären Aufmärschen, Straßenschlachten und Krawallen öffentliche Beachtung der Partei und ihres Führers erzeugen und zugleich die Schwäche des demokratischen Systems offenbaren. Dazu bediente sich die NSDAP der damals völlig neuen Methoden der Werbung und Massenbeeinflussung (→ NS-Propaganda). Grundlegend für deren Erfolg war Hitlers massenwirksame Rhetorik. Er griff tagespolitische Themen auf, um regelmäßig und gezielt von der „Schuld der Novemberverbrecher von 1918“, ihrem „Dolchstoß“, der „bolschewistischen Gefahr“, der „Schmach von Versailles“, dem „parlamentarischen Wahnsinn“ und der Wurzel allen Übels zu reden: „den Juden“. Mit seiner Ruhrkampagne und der Broschüre Der Weg zum Wiederaufstieg versuchte er, die Unterstützung der Ruhrindustrie zu gewinnen. Bei der Reichstagswahl 1928 blieb die NSDAP mit 2,6 Prozent der Stimmen jedoch „eine unbedeutende, wenn auch lautstarke Splitterpartei“. Die stabilisierten wirtschaftlichen Verhältnisse und der anhaltende Wirtschaftsaufschwung („Goldene Zwanziger“) boten radikalen Parteien bis 1929 kaum Ansätze für ihre Agitation. Der 1929 von NSDAP und DNVP gemeinsam initiierte Volksentscheid gegen den Young-Plan, der die offenen Reparationsfragen zwischen Deutschland und seinen ehemaligen Kriegsgegnern regeln sollte, scheiterte zwar. Aber Hitler und seine Partei erhielten bei den Landtagswahlen in Thüringen im Herbst 1929 erstmals erhebliche Zustimmung im nationalistisch-konservativen Bürgertum. Auch das Presseimperium des DNVP-Vorsitzenden Alfred Hugenberg unterstützte Hitler fortan, weil er in ihm und der NSDAP lenkbare Mittel sah, den deutschnationalen Kräften zu einer Massenbasis zu verhelfen. , 22. Juni 1930. Von links nach rechts, erste Reihe: Heinrich Himmler, Wilhelm Frick, Adolf Hitler, Franz von Epp und Hermann Göring; zweite Reihe: Martin Mutschmann, Joseph Goebbels und Julius Schaub; dritte Reihe: Karl Fritsch Infolge der Weltwirtschaftskrise zerbrach in Deutschland am 27. März 1930 die Weimarer Koalition. Dem Reichskanzler Hermann Müller (SPD), der noch eine demokratisch gesinnte Reichstagsmehrheit hatte, und dem ersten Präsidialkabinett von Heinrich Brüning (Zentrum) folgte die Reichstagswahl 1930: Dabei steigerte die NSDAP ihren Stimmenanteil auf 18,3 Prozent und ihre Reichstagssitze von 12 auf 107 Abgeordnete. Damit war sie als zweitstärkste Partei ein relevanter Machtfaktor in der deutschen Politik geworden. Im Ulmer Reichswehrprozess schwor Hitler als Zeuge der Verteidigung am 25. September 1930, er werde seine „ideellen Ziele unter keinen Umständen mit ungesetzlichen Mitteln erstreben“ und Parteigenossen, die sich nicht an diese Vorgabe hielten, ausschließen. Dann drohte er: „Wenn unsere Bewegung in ihrem legalen Kampf siegt, wird ein deutscher Staatsgerichtshof kommen; und der November 1918 wird seine Sühne finden, und es werden Köpfe rollen.“ Bei einer Zeugenvernehmung deckte Rechtsanwalt Hans Litten 1931 auf, dass Hitler weiterhin NS-Propaganda für einen gewaltsamen Umsturz zugelassen und somit seinen Legalitätseid gebrochen hatte. Hitler wurde wegen Meineides angezeigt. Obwohl genügend Beweise vorlagen, um ihn auszuweisen, wurde das Verfahren verschleppt und eingestellt. Währenddessen versuchte Kanzler Brüning, Hitler zur Zusammenarbeit zu bewegen und bot ihm eine Regierungsbeteiligung an, sobald er, Brüning, die Reparationsfrage gelöst habe. Hitler lehnte ab, sodass Brüning sein Minderheitskabinett von der SPD tolerieren lassen musste.
, Hitler, Thälmann, noch einmal Thälmann, Hindenburg und Hitler Seit 1931 wurde Reichspräsident Hindenburg von Unterschriftenlisten und Eingaben für Hitlers Reichskanzlerschaft „geradezu überschwemmt“. Er lud Hitler und Hermann Göring zu einem ersten Gespräch am 10. Oktober 1931 ein, dem Vortag des Treffens der „Harzburger Front“. Laut Hitlerbiograf Konrad Heiden hielt Hitler dabei Monologe, statt Hindenburgs Fragen zu beantworten. Dieser soll daraufhin zu Kurt von Schleicher gesagt haben, der „böhmische Gefreite“ (Hindenburg verwechselte hier vermutlich das österreichische Braunau mit der gleichnamigen böhmischen Stadt, tschechisch Broumov, die er 1866 als Leutnant auf dem Weg zur Schlacht bei Königgrätz kennengelernt hatte) könne „höchstens Postminister“ werden. Hitler beeindruckte ihn zwar, überzeugte ihn dennoch nicht von seiner Eignung für das Kanzleramt. Im Krisenjahr 1932 wirkten die konservativen Politiker Franz von Papen, Kurt von Schleicher, Alfred Hugenberg und Oskar von Hindenburg mit verschiedenen persönlichen Zielen teils mit-, teils gegeneinander auf Hindenburg ein. Sie alle wollten die Weimarer Demokratie durch eine autoritäre Staatsform ersetzen und lehnten Hitler und seine Partei zunächst als „plebejisch“ ab. Weil sie kaum Rückhalt in der Bevölkerung erhielten, betrachteten und förderten sie die NSDAP oder einen ihrer Flügel zunehmend als die für ihre Vorhaben benötigte Massenbasis und setzten sich bei Hindenburg für deren Machtbeteiligung ein. Hindenburg wurde im zweiten Wahlgang am 10. April mit 53 % der Stimmen wiedergewählt, Hitler bekam hingegen nur 36,8 % der abgegebenen Stimmen. Viele SPD-Wähler hatten auf Rat Brünings für Hindenburg als „kleineres Übel“ gestimmt, um Hitlers Sieg und damit das Ende der Weimarer Demokratie zu verhindern. Der wiedergewählte Hindenburg entließ Brüning jedoch am 29. Mai, ernannte Franz von Papen zum neuen Reichskanzler und löste den Reichstag auf. Die NSDAP nutzte alle für 1932 vorgesehenen Landes- und Reichswahlen zu ständiger Agitation. Hitler engagierte den Opernsänger Paul Devrient als Stimmtrainer und Wahlkampfbegleiter und ließ sich von April bis November 1932 zu 148 Großkundgebungen einfliegen, die durchschnittlich 20.000 bis 30.000 Menschen besuchten. Die NS-Propaganda inszenierte ihn dabei als über den sozialen Klassen stehenden Heilsbringer („Hitler über Deutschland“) einer Bewegung. Er wurde in der Bevölkerung bekannter als jeder andere Kandidat vor ihm. Bei provokativen NSDAP-Aufmärschen starben in diesem Wahlkampf Dutzende Menschen gewaltsam. Der „Altonaer Blutsonntag“ (17. Juli) etwa bot Papens Regierung den Anlass, die verfassungsgemäß geschäftsführend amtierende Landesregierung Preußens durch eine Notverordnung abzusetzen (Preußenschlag, 20. Juli). Bei der Reichstagswahl vom Juli 1932 wurde die NSDAP mit 37,3 % stärkste Partei. Hitler beanspruchte das Kanzleramt. Schon in der zweiten Reichstagssitzung am 12. September löste Hindenburg den Reichstag auf Vorschlag Papens auf, da zu erwarten war, dass der Reichstag die Notverordnungen vom 4. und 5. September 1932, die erhebliche sozialpolitische Einschnitte enthielten, aufheben würde. Bei der Reichstagswahl im November 1932 wurde die NSDAP trotz Stimmenverlusten mit 33,1 % erneut stärkste Partei; die KPD gewann Sitze dazu, sodass die demokratischen Parteien keine parlamentarische Mehrheit mehr stellen konnten. Daraufhin trat Papen zurück und schlug Hindenburg vor, ihn per Notverordnung zum Diktator zu ernennen. „Nationalkonservative Kräfte in Wirtschaft, Militär und Bürokratie“ strebten die „autoritäre (monarchistische) Umgestaltung des Staates“, die „dauerhafte Ausschaltung von KPD, SPD und Gewerkschaften“, den „Abbau der steuerlichen und sozialstaatlichen Belastungen der Wirtschaft“, die „schnelle Überwindung des Versailler Vertrages“ und die „Aufrüstung“ an. Sie glaubten, ihre Ziele nur gestützt auf die nationalsozialistische Massenbewegung erreichen zu können. Für sie unerwünschte Teile von Hitlers Programm (Führerdiktatur statt Monarchie, Berücksichtigung von Arbeiterinteressen) wollten diese Eliten durch die „Einrahmung“ Hitlers und die „Zähmung“ seiner Politik abschwächen. Dazu erschien ihnen Papen als geeigneter Bündnispartner, da er „nach wie vor das volle Vertrauen Hindenburgs besaß und als Einziger in der Lage war, dessen Misstrauen gegenüber Hitler zu zerstreuen“. Die meisten Industriellen lehnten eine Kanzlerschaft Hitlers aber weiterhin ab. Die lange verbreitete Vorstellung, Hitler wäre dank der Finanzierung durch die Großindustrie an die Macht gekommen, gilt heute als „Legende“ bzw. als „Mythos“. Hitler hatte Kapitalismuskritik in der NSDAP früh dem Antisemitismus untergeordnet, wonach nur die Juden ökonomisches Elend verschuldet hätten. Hitlers Rede vor dem Industrie-Club Düsseldorf lobte Anfang 1932 die Rolle der Wirtschaftseliten und betonte gegen die Wähler der Linksparteien: Das deutsche Volk könne nicht überleben, solange es zur Hälfte „Eigentum als Diebstahl“ betrachte. Nachdem Hitler bis Ende 1932 gute Beziehungen zu Unternehmerkreisen gewonnen und deren Bedenken gegen das NS-Wirtschaftsprogramm weitgehend ausgeräumt hatte, unterstützte die Großindustrie den Aufstieg der NSDAP in der Arbeitsstelle Schacht oder der Wirtschaftspolitischen Abteilung der NSDAP, vor allem durch „Wirtschaftsvertreter aus dem zweiten und dritten Glied der Eisen- und Stahlindustrie“ und spätere Arisierungsgewinnler, aber auch Bankiers und Großagrarier: Diese versuchten, eine künftige NS-Wirtschaftspolitik „mit dem Gedeihen privater Wirtschaft in Einklang zu bringen“, damit „Industrie und Handel mitmachen können“. Um das Risiko eines Bürgerkriegs und einer möglichen Niederlage der Reichswehr gegen die paramilitärischen Kräfte von SA und KPD zu vermeiden, ernannte Hindenburg Kurt von Schleicher am 3. Dezember zum Reichskanzler. Dieser war unter Papen Reichswehrminister geworden und vertrat scheinbar einen arbeiterfreundlicheren Kurs. Schleicher versuchte, die NSDAP durch eine Querfront-Strategie zu spalten: Gregor Strasser war bereit, auf Schleichers Vorschlag einer Regierungsbeteiligung einzugehen, Vizekanzler zu werden und damit Hitler zu übergehen, was in der NSDAP die Strasser-Krise auslöste. Doch Hitler setzte seine Führungsrolle in der NSDAP und seinen Anspruch auf das Kanzleramt im Dezember 1932 unter Tränen und Drohungen, sich umzubringen, durch. Damit waren Hindenburgs konservative Berater mit dem Versuch, die NSDAP an der Regierung zu beteiligen, ohne Hitler das Kanzleramt zuzugestehen, gescheitert. Das Treffen Papens mit Hitler im Haus des Bankiers Schröder am 4. Januar 1933 gilt als „Geburtsstunde des Dritten Reiches“, die „eine unmittelbare kausale Geschehensfolge bis zum 30. Januar“ einleitete: Indem Hitler Papen die Vizekanzlerschaft, die Besetzung der klassischen Ministerien mit Deutschnationalen und das Recht anbot, bei allen Vorträgen des Kanzlers beim Reichspräsidenten zugegen zu sein, erlangte er dessen Zustimmung. Papen und Hugenberg glaubten weiter, einen Reichskanzler Hitler in einer von konservativen Ministern dominierten Regierung „einrahmen“ und „zähmen“ zu können. Ihr Bündnis mit Hitler isolierte Schleichers Regierung, die der nationalsozialistisch geführte Reichslandbund im Schutzzollkonflikt zwischen Landwirtschaft und Exportindustrie zusätzlich unter Druck setzte. Die NSDAP wurde bei der Landtagswahl in Lippe 1933 (15. Januar) mit 39,5 % der Stimmen (bei 100.000 Wahlberechtigten) stärkste Partei und sah damit ihren Führungsanspruch bestärkt. Als der Missbrauch der Osthilfe Hindenburgs Ruf bedrohte, setzte sich dessen Freund Elard von Oldenburg-Januschau persönlich für Hitlers Kanzlerschaft ein, von dessen Kabinett er die Vertuschung des Skandals erwartete. Zudem gewann Hitler am 22. Januar Oskar von Hindenburg mit Drohungen und Angeboten als Unterstützer. Dies beseitigte letzte Vorbehalte des Reichspräsidenten gegen seine Ernennung. Als General Werner von Blomberg mit dem Versprechen, neuer Reichswehrminister zu werden, für Hitlers Regierung gewonnen wurde, verlor Schleicher die geschlossene Unterstützung der Reichswehr und war völlig isoliert und handlungsunfähig. Als Hindenburg seine Bitte um Neuwahlen ablehnte, trat er am 28. Januar 1933 zurück. Hitler, Papen und Hugenberg hatten sich inzwischen auf ein Kabinett geeinigt. Das ermöglichte Hitlers Ernennung zum Reichskanzler.
Am 30. Januar 1933 ernannte Hindenburg verfassungswidrig zunächst Blomberg zum neuen Reichswehrminister, da die NSDAP in Berlin Putschgerüchte gestreut hatte. Erst danach vereidigte er Hitler und das übrige Kabinett und erlaubte ihm die geforderte Auflösung des Reichstags, um Neuwahlen zu ermöglichen. So wollte Hindenburg die politische Einigung der Rechtsparteien in einer von Deutschnationalen dominierten Koalitionsregierung erreichen. Demgemäß gehörten fast alle Minister im Kabinett Hitler zur DNVP. Vertreter der NSDAP waren außer Hitler nur Wilhelm Frick, der mit dem Reichsministerium des Innern ein Schlüsselressort innehatte, Hitler soll schon beim Einzug in die Alte Reichskanzlei gesagt haben: „Keine Macht der Welt wird mich jemals wieder lebend hier herausbringen.“ Bereits vor den Neuwahlen schränkte die Regierung Hitler durch die Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutze des Deutschen Volkes Grundrechte ein, bis der Reichstagsbrand vom 27. Februar als angebliches Startzeichen zu einem kommunistischen Aufstand ihr den Vorwand zur Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat (Reichstagsbrandverordnung) gab. Die auf Hitlers Initiative von Frick verfasste und vom Kabinett einstimmig beschlossene Verordnung schaffte Grundrechte wie die Versammlungsfreiheit, Pressefreiheit und das Briefgeheimnis ab und ermöglichte die Verhaftung politischer Gegner. Sie begründete für die gesamte Zeit des Nationalsozialismus bis 1945 den Ausnahmezustand. Sie gilt daher als eigentliche „Verfassungsurkunde des Dritten Reiches“. Im folgenden Wahlkampf ließ Hitlers Regime viele Gegner, vor allem Kommunisten, einschüchtern, verhaften oder ermorden. Dennoch verfehlten NSDAP und DNVP bei der Reichstagswahl am 5. März die für Verfassungsänderungen notwendige Zweidrittelmehrheit. Hitler kandidierte im Wahlkreis 24 (Oberbayern-Schwaben) und wurde Mitglied des Reichstages. Am Tag von Potsdam, der Reichstagseröffnung am 21. März, inszenierten NSDAP und Deutschnationale ihre Einigung unter der Leitfigur Hindenburg. Am 23. März 1933 beschloss der Reichstag nach Annullierung der KPD-Mandate aufgrund der Reichstagsbrandverordnung mit den Stimmen der bürgerlichen Parteien das verfassungsändernde Ermächtigungsgesetz. Es erlaubte dem Regime für zunächst vier Jahre, Gesetze künftig direkt zu erlassen. Damit verzichtete der Reichstag auf seine Rolle als Gesetzgeber (Legislative), überließ diese der Regierung (Exekutive) und entmachtete den Reichspräsidenten. Das ermöglichte Hitlers Diktatur und die Gleichschaltung von Staat und Gesellschaft. Das NS-Regime zerschlug am 2. Mai, nach den Maifeiern des Vortags, die freien Gewerkschaften und gründete stattdessen am 10. Mai die Deutsche Arbeitsfront. Am 22. Juni wurde die SPD verboten, deren Abgeordnete als einzige gegen das Ermächtigungsgesetz gestimmt hatten, und bis zum 5. Juli die Selbstauflösung der übrigen Parteien verfügt. Am 1. Dezember 1933 wurde die NSDAP mit dem Gesetz zur Sicherung der Einheit von Partei und Staat zur einzigen Staatspartei. In diesem Prozess wirkten „Druck von ‚unten‘“ und Hitlers „persönliche Initiative“ zusammen. Am 30. Juni 1934 und an den folgenden Tagen wurden auf Hitlers Befehl unter dem Vorwand eines angeblichen von Ernst Röhm geplanten Putsches („Röhm-Putsch“) unter maßgeblicher Beteiligung der Leibstandarte SS Adolf Hitler 150 bis 200 Führungskräfte der SA ermordet. Hitlers Kabinett legalisierte die Morde am 3. Juli 1934 mit dem Staatsnotwehrgesetz als „Niederschlagung hoch- und landesverräterischer Angriffe“. Am 13. Juli 1934 versprach Hitler der Reichswehr erneut, sie bleibe die einzige Waffenträgerin des Staates. Am 1. August 1934, als der Tod Hindenburgs absehbar wurde, vereinigte das Kabinett dessen Reichspräsidentenamt per Gesetzesbeschluss mit dem Kanzleramt und übertrug „die bisherigen Befugnisse des Reichspräsidenten auf den Führer und Reichskanzler Adolf Hitler“. Am selben Tag gab Blomberg, ohne von Hitler dazu aufgefordert zu sein, bekannt, nach dem Ableben Hindenburgs die Soldaten der Wehrmacht auf den neuen Oberbefehlshaber vereidigen zu lassen. Bisher waren alle Soldaten auf die Weimarer Verfassung vereidigt worden. Am 2. August, Hindenburgs Todestag, ordnete ein Führererlass an, Hitler künftig „im amtlichen und außeramtlichen Verkehr wie bisher“ mit diesem Doppeltitel anzureden, da der Titel „Reichspräsident“ mit Hindenburgs Namen „unzertrennlich verbunden“ sei. Seitdem führte Hitler den Titel Führer und Reichskanzler. Die Ämtervereinigung bejahten am 19. August in der Volksabstimmung über das Staatsoberhaupt des Deutschen Reichs 89,9 Prozent derer, die gültige Stimmen abgegeben hatten. Dennoch enttäuschte das Abstimmungsergebnis die NS-Führung, weil es in ihren Augen zu wenig beeindruckend ausgefallen war. Kabinettssitzungen verloren zunehmend an Bedeutung. 1935 kamen die Minister zwölfmal, 1937 sechsmal, am 5. Februar 1938 letztmals zusammen. Bis 1935 hielt sich Hitler an einen einigermaßen geordneten Tagesablauf in der Alten Reichskanzlei: vormittags, ab 10 Uhr, Besprechungen mit Hans Heinrich Lammers, Otto Meissner, Walther Funk und verschiedenen Ministern, Mittagessen um 13 oder 14 Uhr, nachmittags Besprechungen mit militärischen oder außenpolitischen Beratern oder bevorzugt mit Albert Speer über Baupläne. Allmählich wich Hitler von diesem festen Tagesablauf ab und pflegte wieder seinen früheren Bohème-Lebensstil. So erschwerte er seinen Adjutanten, von ihm als Staatsoberhaupt Entscheidungen zu erhalten. Die Minister (außer Goebbels und Speer) erhielten keinen Zugang mehr zu Hitler, falls sie keinen guten Kontakt zu dessen Adjutanten besaßen, die so große informelle Macht erlangten.
1933 wurde der Hitlerkult zum Massenphänomen, bei dem Erwartungen der Bevölkerung und NS-Propaganda zusammenwirkten. Hitlers Herrschaft war von Beginn an „extrem personalisiert“: Er hatte kein Politbüro wie Josef Stalin, keinen Kriegsrat und keinen Großrat wie Mussolini. Er ließ keinen Länderrat oder Parteisenat als Gegengewicht zu und ersetzte das Kabinett nicht, nachdem es nicht mehr zusammengetreten war. Der Hitlergruß wurde 1933 für Beamte zur Pflicht gemacht und von großen Bevölkerungsteilen freiwillig übernommen. Hitlers Politik stieß in weiten Teilen der Bevölkerung auf wachsende Zustimmung. Die realen oder scheinbaren Erfolge des Regimes – Beseitigung der Massenarbeitslosigkeit, Überwindung des Versailler Vertrags und die innenpolitische Konsolidierung sowie später die zunächst spektakulären Siege zu Beginn des Zweiten Weltkriegs – schrieb die NS-Propaganda Hitler allein zu. Dadurch dehnte sie den Führerkult vom Parteimerkmal zu einem nationalen Kult aus und stärkte Hitlers Position gegenüber den konservativen Eliten und dem Ausland. Die fehlende Kritik nutzte Hitler zum weiteren Ausbau des schrankenlosen Führerstaates. Dieser wurde 1939 vollendet, als alle Beamten und Soldaten einen persönlichen Führereid ablegen mussten. Die NS-Rechtslehre legitimierte dies, indem sie Verfassungsrecht mit dem an keiner Rechtsidee messbaren Führerwillen gleichsetzte. Schon seit 1934 als „Führer und Reichskanzler“ angeredet, war der Titel „Führer“ ab 1941 ausschließlich Hitler vorbehalten. Dadurch, so die Germanistin Cornelia Schmitz-Berning, habe sich der Begriff allmählich zum Eigennamen entwickelt. Der Hitlerkult wurde im deutschen Alltag allgegenwärtig, etwa durch Umbenennung vieler Straßen und Plätze nach Hitler, durch die Würdigung als Ehrenbürger, einen Adolf-Hitler-Koog als Musterbeispiel für die staatliche Blut-und-Boden-Ideologie, dörfliche „Hitlereichen“ und „Hitlerlinden“, kommerziell vermarktete Hitlerbilder, ab 1937 staatliche Briefmarkenserien und Besucherandrang auf dem Obersalzberg. Diese Verehrung überstieg den Personenkult um Bismarck bei weitem. Für kritische Zeitgenossen wurde es immer schwieriger, sich davon zu distanzieren. Hitler zeichnete andere mit seinem Namen aus, etwa ab 1937 durch die Vergabe des Titels Adolf-Hitler-Schule an NS-Ausleseschulen. Dem kamen weite Gesellschaftsbereiche zunächst freiwillig entgegen: So entwickelte sich die Adolf-Hitler-Spende der deutschen Wirtschaft für den „nationalen Wiederaufbau“ ab 1. Juni 1933 von einer freiwilligen Spende hin zu einer Pflichtabgabe, die sich bis 1945 auf rund 700 Millionen Reichsmark für die NSDAP addierte, über deren Verwendung Hitler frei entscheiden konnte. Dafür stiftete er 1937 den „Adolf-Hitler-Dank“, eine jährliche Spende von einer halben Million Reichsmark „für besonders verdiente, notleidende Parteigenossen“. Der Hitlerkult gilt Historikern als Kennzeichen einer „charismatischen Herrschaft“, die bürokratische Instanzen nicht ersetzte, sondern überwölbte und so vielfach Kompetenzstreit zwischen Parteihierarchie und Staatsapparat erzeugte. Rivalitäten von NS-Behörden, die in Wettläufe um das vorauseilende Erfassen des „Führerwillens“ eintraten, erforderten wiederum immer mehr autoritative tagespolitische Entscheidungen Hitlers. Dieser ließ jedoch viele Konflikte unentschieden, um seinen Ruf als über den Alltagskonflikten stehender, unfehlbarer, genialer Alleinherrscher nicht zu beschädigen, und trug so zur Aushöhlung einer funktionierenden Staatsverwaltung bei. Mit dem Wachsen des Hitler-Mythos sank zugleich das Ansehen der NSDAP. Nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich und der ersten Wahl zum „Großdeutschen Reichstag“ am 10. April 1938 mit 99,1 % Zustimmung war das Prestige des Diktators abermals gestiegen und die Konsensbasis seiner Herrschaft vermutlich nie größer. Der Überfall auf Polen war bei den Deutschen nicht populär. Kershaw zufolge erreichte Hitlers Popularität trotzdem nach dem siegreichen „Blitzkrieg“ gegen Frankreich einen neuen Höhepunkt, ging 1941 nur allmählich zurück und stürzte erst nach der Niederlage in Stalingrad 1943 rasch ab. Götz Aly dagegen folgerte 2006 aus neuen Indikatoren eines von ihm geleiteten Forschungsprojekts, dass Hitlers Popularität schon vor dem Polenfeldzug stark abnahm, sich nach dem Westfeldzug 1940 kaum erholte und ab dem Überfall auf die Sowjetunion rapide abnahm.
Nach dem Straßenterror der SA in der Weimarer Republik begann mit Hitlers Machtantritt eine systematische, gewaltsame Verfolgung politischer Gegner der NSDAP unter dem Schlagwort der „nationalen Revolution“. So ließ die SA ab Januar 1933 Konzentrationslager einrichten. Die staatlichen Internierungen, Misshandlungen und Morde trafen seit der „Reichstagsbrandverordnung“ vom 28. Februar 1933 Kommunisten, Sozialdemokraten, Pazifisten, Zeugen Jehovas, konservative NS-Gegner und andere Deutsche, die Kritik äußerten oder sich widersetzten (→ Mitglieder des Widerstandes), sowie vor allem Juden. In den folgenden Jahren wurden die Verfolgungen auf verschiedene christliche Gruppen, Behinderte, Homosexuelle, vermeintlich Asoziale und „Fremdrassige“ ausgeweitet. Hitler hatte keinen umfassenden Plan für die staatliche „Judenpolitik“, sondern reagierte oft kurzfristig auf den Druck von NSDAP-Mitgliedern mit Gesetzesinitiativen. Deren erkennbares Ziel war die im NSDAP-Programm festgeschriebene Ausgrenzung und Vertreibung der deutschen Juden. Hitler bereitete den „Judenboykott“ vom 1. April 1933 direkt mit vor, trat aber nach außen nicht als dessen Initiator und Organisator auf. Er beriet das am 7. April erlassene Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums (zum Ausschluss „nichtarischer“ Beamter) mit und entschied sich aus Rücksicht auf die politischen Bedingungen für eine gemäßigtere Fassung. Daraufhin schlossen auch viele Berufsverbände Juden aus. Dem folgten zahlreiche weitere, auch nichtstaatliche Ausgrenzungsschritte. Hitler schwebte schon 1933 eine konsequente Ghettoisierung der Juden und ihre räumliche Ausgrenzung vor: Sie müssten „heraus aus allen Berufen […], eingesperrt in ein Territorium, wo sie sich ergehen können […], während das deutsche Volk zusieht, wie man wilde Tiere sich ansieht“. anlässlich des Reichsparteitages im September 1935 Auch die Nürnberger Gesetze von 1935, die den deutschen Juden die staatsbürgerlichen Rechte entzogen und „Mischehen“ sowie sexuelle Beziehungen zwischen Juden und Nichtjuden als „Rassenschande“ mit Gefängnis oder Zuchthaus bedrohten, wurden durch Terror aus der Parteibasis angebahnt und sollten diese zufriedenstellen. Hitler bereitete sie monatelang mit vor, sodass er sich beim Nürnberger Reichsparteitag im September anderen Themen zuwenden konnte. Er strich die Begrenzung auf „Volljuden“ im Gesetzentwurf noch unmittelbar vor dessen Bekanntgabe am 15. September. Die Judenverfolgung trat zwar 1936 wegen Sommer- und Winter-Olympia und 1937 in den Hintergrund. Doch als Hitler am 9. November 1938 vom Tod des Botschaftssekretärs Ernst Eduard vom Rath erfuhr, auf den zwei Tage zuvor Herschel Grynszpan einen Anschlag verübt hatte, beriet er sich sofort mit Goebbels und autorisierte ihn, das Attentat als Vorwand für die Novemberpogrome auszunutzen. Dabei wurden in ganz Deutschland und Österreich Hunderte Juden ermordet, Zehntausende in KZs interniert und enteignet und Tausende Synagogen und jüdische Friedhöfe zerstört. US-Präsident Franklin D. Roosevelt verschärfte daraufhin den Ton gegenüber Deutschland. Hitler übertrug die weitere „Judenpolitik“ Hermann Göring, Heinrich Himmler und Reinhard Heydrich. Diese unterbanden den „spontanen“, unkontrollierten Straßenterror endgültig, indem sie die Juden gesetzlich wie Kriminelle behandelten und etwa mit der „Judenbuße“ für die Schäden der Novemberpogrome aufkommen ließen. Hitler sagte in seiner Reichstagsrede zum sechsten Jahrestag seines Amtsantritts am 30. Januar 1939: Die Rede fand durch ihre Wiedergabe im Rundfunk, in Wochenschauen, in der gesamten Tagespresse und in mehreren Buchveröffentlichungen größte Verbreitung, wurde vom Publikum aber zumeist nicht wörtlich verstanden. Die zentrale Passage, dass ein Weltkrieg, für den selbstverständlich das Judentum verantwortlich wäre, die physische Vernichtung der Juden bringen würde, wiederholte Hitler in den Kriegsjahren in weiteren Reden. Dabei datierte er seine „Prophezeiung“ vom 30. Januar 1939 auf den Tag des Kriegsbeginns um und verschärfte seine Rede von der „Vernichtung“ noch um das Wort „ausrotten“. Auch Propagandaminister Goebbels wiederholte diese Äußerung Hitlers öffentlich. Am 16. November 1941 schrieb er in einem Leitartikel für das Wochenmagazin Das Reich: „Wir erleben eben den Vollzug dieser Prophezeiung (…). Das Weltjudentum (…) erleidet nun einen allmählichen Vernichtungsprozeß, den es uns zugedacht hatte und auch bedenkenlos an uns vollstrecken ließe, wenn es dazu die Macht besäße.“
), 23. September 1933 Hitler gab sich mit einem inszenierten Spatenstich am 23. September 1933 fälschlich als Erfinder und Planer der Reichsautobahnen aus und ließ deren Ausbau als „Hitler-Programm“ zur Beseitigung der Massenarbeitslosigkeit propagieren. Tatsächlich waren die ersten zwei Autobahnen vor 1933 gebaut und weitere geplant worden. Der Weiterbau in der NS-Zeit beschäftigte meist nur Zehntausende, maximal 125.000 Arbeiter, die abkommandiert, zum Arbeiten für Niedriglöhne gezwungen und bei Weigerung in KZs inhaftiert wurden. Das Programm wurde 1941 wegen der Einziehung der Arbeiter für den Kriegsdienst unvollendet eingestellt. Hitlers Versprechen einer Massenmobilität blieb uneingelöst. Dennoch bestand das Klischee nach 1945 fort, er habe die Arbeitslosigkeit mit dem Autobahnbau bis 1938 erfolgreich beseitigt. Hitler plante seit 1933, Berlin bis 1950 als „Hauptstadt des germanischen Reichs deutscher Nation“ völlig umzugestalten und in „Germania“ umzubenennen. Dazu ernannte er Albert Speer 1937 zum „Generalinspekteur für die Neugestaltung der Reichshauptstadt“. Speer entwarf im Zuge der Planungen für den sich in der Öffentlichkeit gerne bescheiden gebenden Hitler einen gigantischen „Führerpalast“ im Spreebogen. Von den geplanten Monumentalbauten wurde 1939 nur die Neue Reichskanzlei fertiggestellt. Die Stadt sollte von einem Autobahnring umgeben und von zwei schnurgeraden, kreuzungslosen, breiten, für Aufmärsche geeigneten Prachtstraßen durchquert werden. Der Bau eines Tunnels zur Unterquerung der Nord-Süd-Achse wurde 1939 begonnen, aber 1942 wegen Materialmangels im Krieg eingestellt. Hitler ließ sich als „genialer Baumeister“ des Reichsparteitagsgeländes in Nürnberg ausgeben und mischte sich mit seinen Ideen, Skizzen und Besuchen in die Planung ein, segnete tatsächlich aber meist nur Initiativen anderer NSDAP-Stellen ab.
Gemäß der machttaktischen Bejahung des Christentums hatte Hitler Vertreter des Neuheidentums wie Artur Dinter 1928 aus der NSDAP ausgeschlossen und Alfred Rosenberg 1930 gezwungen, sein antikirchliches Buch Der Mythus des 20. Jahrhunderts als Privatansicht zu kennzeichnen. Zugleich hatte er planmäßige Versuche von NSDAP-Mitgliedern zugelassen, das Christentum an die NS-Rassenideologie anzugleichen. Dazu gründeten diese 1932 die Kirchenpartei Deutsche Christen (DC). Hitlers erste Regierungserklärungen (1. Februar, 23. März 1933) betonten, er werde das Christentum als „Basis unserer gesamten Moral“ schützen, „tiefe, innere Religiosität“ ermöglichen, die Staatsverträge beider Kirchen einhalten, ihnen in Schule und Erziehung angemessenen Einfluss zugestehen, den „Bolschewismus“ und atheistische Organisationen bekämpfen und freundschaftliche Beziehungen zum Vatikan ausbauen. Die Großkirchen seien die „wichtigsten Faktoren zur Erhaltung unseres Volkstums“. Dafür sollten sie sich am Kampf gegen die „materialistische Weltauffassung“ und am Aufbau der „Volksgemeinschaft“ beteiligen. Er schloss mit dem Vaterunser nachempfundenen liturgischen Gebetsformeln und mit „Amen“. Beim inszenierten „Tag von Potsdam“ (21. März) knüpfte er an preußische Staatskirchentradition an und zerstreute zugleich katholische Sorgen vor einem neuen „Kulturkampf“. “ eingestufte Maler Paul Thalheimer schuf 1938/39 in der katholischen Ludwigskirche Bad Dürkheim, Bistum Speyer, ein monumentales Kreuzigungsbild, auf dem einer der gekreuzigten Verbrecher die Gesichtszüge Adolf Hitlers aufweist. Dieser in der Kunst manifestierte Widerstand blieb seinerzeit unentdeckt. Wegen dieser gezielten NS-Propaganda und ihrer eigenen antidemokratischen Tradition bejahten beide Großkirchen die Aufhebung der Demokratie. Die katholische Zentrumspartei unter Ludwig Kaas stimmte am 23. März für das Ermächtigungsgesetz. Die deutschen katholischen Bischöfe hoben die 1931 erklärte Unvereinbarkeit von Christentum und Nationalsozialismus am 28. März auf und erlaubten Katholiken den Beitritt zur NSDAP. Die meisten evangelischen Landeskirchen begrüßten die „nationale Wende“ und ließen Fürbitten zu Hitlers Geburtstag verlesen, ohne die Opfer der NS-Gewaltpolitik zu erwähnen. Bis zum 20. Juli handelte Hitler mit dem Vatikan ein Reichskonkordat aus, ähnlich den Lateranverträgen des Vatikans mit Mussolini (1929). Es verpflichtete die Bischöfe, vor Übernahme ihrer Diözese den Treueeid für sich und ihren Klerus „in die Hand des Reichsstatthalters“ zu schwören (Artikel 16). Es auferlegte dem Heiligen Stuhl unter anderem, politische Betätigungen katholischer Kleriker in und für Parteien zu untersagen (Artikel 32). Die Einrichtung von Bekenntnisschulen wurde zugesichert (Artikel 23, 25). Katholische Vereinigungen durften nur innerhalb staatlicher Verbände tätig werden, außerhalb davon nur für rein religiöse, rein kulturelle und karitative Aufgaben. Und: „Staatliche Verbände werden religiöses Verhalten nicht behindern“ (Artikel 31). Die konkrete Festlegung der Vereinigungen unterblieb, weil die Selbstauflösung der Zentrumspartei (5. Juli) den raschen Vertragsabschluss erzwang. Im Geheimanhang vereinbarten Hitler und der Vatikan Regelungen für die Wiedereinführung der verbotenen Wehrpflicht und den Kriegsfall. Um alle evangelischen Landeskirchen in einer „Reichskirche“ gleichzuschalten, berief Hitler am 25. April den ostpreußischen Militärpfarrer Ludwig Müller (DC) zum „Bevollmächtigten“ für evangelische Angelegenheiten und ernannte am 24. Juni August Jäger zum „Staatskommissar“ für die Landeskirchen in Preußen. Jäger ersetzte alle Kirchenleiter, die gegen staatliche Übergriffe protestierten, durch DC-Vertreter. Nach heftigen Protesten und einem von Hindenburg vermittelten Treffen nahm Hitler Jägers Maßnahmen zurück. Die am 11. Juli gebildete Deutsche Evangelische Kirche (DEK) verpflichtete sich dafür zu Kirchenwahlen am 23. Juli. Am Vorabend warb Hitler im Rundfunk massiv für die DC, die daraufhin die Leitung der meisten evangelischen Landeskirchen errangen. Nach Gesprächsprotokollen von Zeitzeugen lehnte Hitler das Christentum jedoch im Juli 1933 als „jüdischen Schwindel“ ab. „Deutsches Christentum“ sei Krampf und Illusion. Man könne nur entweder Christ oder Deutscher sein. Sein Eintreten für die DC war demnach nur machtpolitisch motiviert. Am 5. September wählten die DC Müller zum Reichsbischof und führten in Preußen ein zum Arierparagraphen analoges Gesetz ein, das Judenchristen aus der Landeskirche ausschloss. Infolge der Sportpalast-Kundgebung (13. November 1933) verloren sie viele Mitglieder und ihre Einheit. Daraufhin setzte Müller ihre Sprecher ab, unterstellte die evangelische Jugend im Dezember widerrechtlich der Hitlerjugend und verbot im Januar 1934 alle innerkirchliche Kritik an seiner Führung. Damit verlor er seine Autorität in der DEK. Im folgenden Kirchenkampf zerbrach deren organisatorische Einheit; der Arierparagraph ließ sich in ihr nicht mehr durchsetzen. Hitler nötigte die DC-Gegner am 25. Januar 1934 mit Vorführen abgehörter Telefonate Martin Niemöllers zunächst, sich staatsloyal zu zeigen und Müller als Reichsbischof zu akzeptieren. Im März ernannte er den ehemaligen Freikorpskämpfer Franz von Pfeffer zum „Sonderbeauftragten für Kirchenfragen“, am 12. April Jäger zum „Rechtswalter“ der DEK. Deren Versuche, die Gleichschaltung der Landeskirchen durch Absetzen gewählter Landesbischöfe zu erzwingen, scheiterten am Widerstand der DC-Gegner. Am 30. Mai 1934 gründeten diese die Bekennende Kirche (BK), deren von Karl Barth verfasste Barmer Theologische Erklärung nur einen Rechtsstaat als dem Evangelium gemäß definierte und totalitäre Staatsideologien als Häresie verwarf. Im Oktober schuf ein Teil der BK eigene Verwaltungsstrukturen. Londoner Vertreter der Ökumene drohten mit dem Abbruch der Beziehungen zur DEK. Infolge der starken in- und ausländischen Proteste setzte Hitler Pfeffer und Jäger Ende Oktober 1934 ab, sagte die geplante Vereidigung aller evangelischen Bischöfe auf sich ab und erkannte die Bischöfe Hans Meiser, Theophil Wurm und August Marahrens als rechtmäßige Kirchenvertreter an. So inszenierte er sich als Schlichter des Streits in der DEK. Parallel dazu stärkte Hitler 1934 die kirchenfeindlichen Kräfte in der NSDAP: Er ernannte Alfred Rosenberg zum „Weltanschauungsbeauftragten“ (Januar), ließ beim „Röhmputsch“ auch einige engagierte Katholiken ermorden (Juli), den Sicherheitsdienst des Reichsführers SS (SD) einrichten und dessen Hauptamt nach Berlin verlegen (Dezember). Die SD-Zentralabteilung für „weltanschauliche Auswertung“ bespitzelte beide Großkirchen und bekämpfte ihren öffentlichen Einfluss zugunsten neuheidnischer Religiosität. Im Anschluss an Vorschläge von Staatssekretär Wilhelm Stuckart (Januar 1935) lehnte Hitler den Rückzug des Staates aus kirchlichen Belangen jedoch ab und bevorzugte abwartende Neutralität und verschärfte Aufsicht des Staates über die Kirchen. Dazu ernannte er Hanns Kerrl zum „Reichskirchenminister“ (Juli). Dieser erließ ein „Gesetz zur Sicherung der DEK“ (September), das die Tätigkeit der BK mit 17 Durchführungsverordnungen bis 1939 stark begrenzte und den DEK-Teilkirchen unter anderem die Verfügung über ihre Geldmittel und Rechtsverfahren entzog. Mit Vertretern aller Richtungen besetzte staatliche „Kirchenausschüsse“ sollten die DEK organisatorisch einen. Kerrl verfehlte dieses Ziel und spaltete die BK in Befürworter und Gegner seiner Ausschüsse (Februar 1936). Infolge wachsender Proteste gegen Kerrl setzte Hitler am 15. Februar 1937 überraschend Neuwahlen in der DEK an, angeblich um ihr eine autonome Kirchenverfassung zu gewähren. Da Teile der DEK mit einem Wahlboykott drohten, wurde der Wahltermin mehrmals verschoben und im November abgesagt. Die Gestapo nahm bis zum Jahresende zahlreiche BK-Vertreter und katholische NS-Gegner fest. Im Dezember übertrug Kerrl die DEK-Leitung dem Juristen Friedrich Werner. Dieser schränkte kirchliche Publizistik, Ausbildung und Finanzierung fortlaufend weiter ein und entzweite die BK, indem er von allen Pfarrern Preußens einen Treueid auf Hitler verlangte (April 1938). Die meisten BK-Vertreter bejahten den Eid als rechtmäßige Staatsforderung, aber Hitlers Stellvertreter Martin Bormann schrieb an alle NSDAP-Gauleiter, der Eid sei innerkirchlich und freiwillig (Juli). Indem das NS-Regime dies im September bekannt werden ließ, schwächte es die Autorität der BK-Leitung erheblich. Kerrl versuchte 1939 wiederholt, alle DEK-Führer auf eine Erklärung zur „dem deutschen Volke artgemäßen nationalsozialistischen Weltanschauung“ und zum „unerbittlichen Kampf gegen den politischen und geistigen Einfluß der jüdischen Rasse“ zu verpflichten. August Marahrens unterschrieb die Erklärung im Juli eigenmächtig für den Lutherrat, der damit ebenfalls Autorität in der BK verlor. Nach dem Anschluss Österreichs (März 1938) begrenzte Hitler Kerrls Befugnisse auf das „Altreich“; nach Kerrls Tod (Dezember 1941) ließ er dessen Amt unbesetzt. Er ließ die antikirchlichen NSDAP-Vertreter kirchliche Aktivitäten in den neuen Gebieten unterdrücken; sie beseitigten 1938 in Österreich alle Ordens- und Klosterschulen. Im September 1939 verbot Hitler jedoch alle NSDAP-Maßnahmen gegen die Großkirchen, damit sie seinen Krieg unterstützten. Diese riefen die Christen 1939 gemeinsam zum „Gehorsam gegen den Führer“, Gebet und Einsatz für den deutschen Sieg auf. Gauleiter Arthur Greiser erklärte die Kirchen im neugebildeten „Reichsgau Wartheland“ 1940 zu Religionsvereinen ohne staatlichen Rechtsschutz und enteignete sie bis auf reine Kulträume. Zwar protestierten die Großkirchen, dankten Hitler aber Ende Juni 1941 dafür, dass er die „christlich-abendländische Kultur“ vor dem „Todfeind aller Ordnung“, dem Kommunismus, gerettet habe. Dieser erklärte nun vor allem aufgrund deutlicher kirchlicher Proteste gegen die Euthanasiemorde vor Vertrauten öfter: Nach dem Krieg werde er das „Kirchenproblem lösen“ und die Großkirchen entmachten; das Christentum müsse „abfaulen wie ein brandiges Glied“. Daraufhin übertrug Bormann allen NSDAP-Gauleitern die Kirchenpolitik in den eroberten Gebieten und befahl ihnen, den Einfluss der Kirchen auf die „Volksführung“ endgültig zu brechen.
Wie die demokratischen Regierungen der Weimarer Republik wollte Hitler außenpolitisch zunächst die im Versailler Vertrag von 1919 festgelegten deutschen Gebietsverluste und Rüstungsbeschränkungen revidieren, jedoch nicht bloß mit diplomatischen Vorstößen, sondern mit dem Risiko militärischer Konflikte. Öffentlich betonte er bis 1939 wiederholt seinen Friedenswillen; tatsächlich bereitete er seit 1933 erst die Aufrüstung der Wehrmacht und die deutsche Kriegsfähigkeit, spätestens seit 1937 einen Angriffskrieg vor. Laut der Liebmann-Aufzeichnung erläuterte er der Reichswehrführung am 3. Februar 1933 die angestrebte kriegerische Eroberung von „Lebensraum im Osten“ und nahm Polen schon als „Feindstaat“ ins Visier. Öffentlich betonte er dagegen in der Friedensrede vom 17. Mai 1933 vor dem Reichstag seinen Friedenswillen – ein Propagandamanöver, mit dem die Gegner des NS-Regimes beruhigt werden sollten. Die SPD-Fraktion stimmte in der Abstimmung zu dieser so genannten Friedensrede mit Ja, was zum Bruch der Reichs-SPD mit der Sozialistischen Internationale führte. Im Oktober 1933 brach das NS-Regime Abrüstungsverhandlungen mit Großbritannien und Frankreich ab und veranlasste den Austritt des Deutschen Reiches aus dem Völkerbund. Nach Hindenburgs Tod 1934 teilte Hitler der Generalität mit, dass Deutschland in fünf Jahren kriegsbereit sein solle. Er unterstützte einen nationalsozialistischen Putschversuch in Wien, bei dem der österreichische Bundeskanzler Engelbert Dollfuß ermordet wurde. Nachdem dieser Putschversuch gescheitert war, erklärte Hitler, das Deutsche Reich habe nichts damit zu tun gehabt. Im März 1934 erhöhte Hitler den deutschen Wehretat über die Grenzen des Versailler Vertrags hinaus. Im September 1934 schloss er mit Polen überraschend einen zehnjährigen Nichtangriffspakt. Am 16. März 1935 führte er die im Versailler Vertrag verbotene allgemeine Wehrpflicht wieder ein. In einer Sitzung seines Kabinetts am 21. Mai 1935 verkündete er das neue Wehrgesetz, wonach der „Führer und Reichskanzler“ „Oberster Befehlshaber der Wehrmacht“ sei. Unter ihm übe der Reichskriegsminister Blomberg als „Oberbefehlshaber der Wehrmacht“ Befehlsgewalt über die Wehrmacht aus. Um Großbritannien in Sicherheit zu wiegen, wiederholte er am selben Tag in einer „Friedensrede“ im Reichstag, die deutsche Marine strebe nur 35 Prozent der Tonnage der britischen Flotte an. Am 18. Juni 1935 schloss Großbritannien mit Deutschland ein von Hitler angebotenes Flottenabkommen, um eine andernfalls eventuell noch stärkere deutsche Aufrüstung zu vermeiden. 1936 kündigte Hitler den Vierjahresplan an. Dieser sollte in vier Jahren die deutsche Armee einsatzfähig und die deutsche Wirtschaft kriegsfähig machen. Er wurde mit Mefo-Wechseln finanziert und trug zum deutschen Wirtschaftsaufschwung bei. Im März 1936 folgte die Rheinlandbesetzung. Beide Brüche des Versailler Vertrags nahmen die Alliierten hin. Das NS-Regime verhalf Francisco Franco im Spanischen Bürgerkrieg seit 1936 mit dem Einsatz der deutschen Legion Condor und völkerrechtswidrigen Bombenangriffen auf Städte wie Gernika zum Sieg. , von Frankreich, Deutschland und Italien beim Schluss des Münchener Abkommens am 30. September 1938, das Hitler die Annexion des Sudetenlandes gestattete, aber bereits im März 1939 mit der Zerschlagung der Rest-Tschechei gebrochen wurde Am 5. November 1937 erläuterte Hitler vor dem Außenminister, dem Kriegsminister und den Oberbefehlshabern der drei Wehrmachtteile seine „grundlegenden Gedanken über […] unsere außenpolitische Lage“. 85 Millionen Deutsche hätten ein „Anrecht auf größeren Lebensraum“, daher sei die „Lösung der Raumnot“ die zentrale Aufgabe der deutschen Politik. England und Frankreich seien dabei die beiden Hauptgegner. Am Schluss des mehr als zweistündigen Monologs nannte er als erstes Ziel die Niederwerfung der „Tschechei und gleichzeitig Österreich[s], um die Flankenbedrohung […] auszuschalten“. Damit hatte der Diktator seine Karten aufgedeckt und die beiden Nahziele deutscher Expansion genannt. In der folgenden zweistündigen Diskussion erhoben die Generäle Bedenken nicht wegen eines Anschlusses Österreichs und einer Annexion der Tschechoslowakei, waren aber beunruhigt wegen Hitlers Ungeduld und befürchteten einen vorzeitigen europäischen Konflikt. Außenminister Neurath will Hitler im Januar 1938 davor gewarnt haben, „dass seine Politik zum Weltkrieg führen“ müsse. Hitler soll nur erwidert haben, „er habe keine Zeit mehr“. In der Blomberg-Fritsch-Krise (Januar/Februar 1938) trat Blomberg vom Amt als Reichskriegsminister zurück; Hitler entband Werner von Fritsch vom Oberkommando des Heeres (OKH) und übernahm das neugeschaffene Oberkommando der Wehrmacht (OKW) per Führererlass vom 4. Februar 1938. Er sah sich dabei als idealen „Feldherrn“, der „mit Kopf, Willen und Herzen den totalen Krieg für die Lebenserhaltung des Volkes“ (Ludendorff 1935) zu führen habe und dies wie sein Idol Friedrich „der Große“, aber anders als Wilhelm II. nicht den Militärs überlassen dürfe. Vielmehr verlange der im „Kampf ums Dasein“ notwendige, kommende Vernichtungskrieg vom „‚Führer‘ des deutschen Volkes“ die Bündelung aller gesellschaftlichen Kräfte. Er müsse nicht nur allgemeine „weltanschauliche“ und politische Ziele, sondern auch die Strategien der einzelnen Feldzüge vorgeben. in die Praterstraße einfahrend, März 1938 Mit militärischen Drohungen („Unternehmen Otto“) erreichte Hitler im März 1938 den „Anschluss“ Österreichs an das fortan „Großdeutsche Reich“. In Wien verkündete er am 15. März einer begeisterten Menge die „Vollzugsmeldung meines Lebens“: den „Eintritt meiner Heimat in das Deutsche Reich“. Im September 1938 verlangte er von der Tschechoslowakei, das Sudetenland an Deutschland abzutreten, und drohte andernfalls mit dem Einmarsch deutscher Truppen (Sudetenkrise). Auf der Münchener Konferenz am 29. September 1938 sicherte Hitler deren Verbündeten Frankreich und Großbritannien den Bestand der übrigen Tschechoslowakei zu. Dafür gestanden ihm der britische Premier Neville Chamberlain und der französische Ministerpräsident Édouard Daladier die Eingliederung der sudetendeutschen Gebiete zu, um den angedrohten Krieg zu verhindern. Hitler, der Krieg und Expansion für unaufgebbare Überlebensbedingungen seines Regimes hielt, fühlte sich mit dem Abkommen um die angestrebte Eroberung der ganzen Tschechoslowakei betrogen. Auf Hitlers Druck hin rief Jozef Tiso im März 1939 die Erste Slowakische Republik aus. Hitler ließ am 15. März das verbliebene tschechische Staatsgebiet von der Wehrmacht besetzen und am folgenden Tag als „Protektorat Böhmen und Mähren“ des Großdeutschen Reiches annektieren. Dieser Bruch des Münchner Abkommens sollte die „Germanisierung“ dieser Gebiete erleichtern: Ein Teil der Tschechen sollte assimiliert, der Rest als „rassisch unbrauchbar“ und „reichsfeindlich“ ermordet oder vertrieben werden. Die Slowakei wurde zu einem Satellitenstaat Deutschlands. Am 23. März 1939 trat Litauen, das Hitler zuvor ebenfalls massiv unter Druck gesetzt hatte, das Memelland an Deutschland ab. Wegen Hitlers Vertragsbruch beendeten Frankreich und Großbritannien ihre bisherige Appeasement-Politik und schlossen mit Polen bis zum 13. April 1939 militärische Beistandsverträge. Schon am 11. April befahl Hitler dem Wehrmachtführungsstab, den Überfall auf Polen bis zum Herbst militärisch vorzubereiten. Am 28. April kündigte er den deutsch-polnischen Nichtangriffspakt sowie das deutsch-britische Flottenabkommen und verlangte den Anschluss der Freistadt Danzig an das Deutsche Reich. Am 23. Mai erklärte er den Generälen der Wehrmacht, diese Forderung sei nur ein Vorwand zur Eroberung von „Lebensraum“ für eine autarke Ernährung der Deutschen (siehe Schmundt-Protokoll). , die Hitler im negativen Sinne zum Mann des Jahres 1938 wählte Als Bedingung für einen Nichtangriffsvertrag mit den Westmächten, der diesen Polens Verteidigung erleichtern sollte, verlangte der sowjetische Diktator Josef Stalin von Polen eine Durchzugsgarantie für die Rote Armee, die dessen Regierung erwartungsgemäß ablehnte. Dann vereinbarte Stalin mit Hitler bis zum 24. August den deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakt. Damit wollte er Zeit zur Reorganisation der Roten Armee gewinnen, deren Offiziere er im Großen Terror (1937–1939) massenhaft hatte ermorden lassen. Im geheimen Zusatzprotokoll des Paktes vereinbarten beide Seiten die Aufteilung Polens und des Baltikums. In der Ansprache Hitlers vor den Oberbefehlshabern am 22. August 1939 gab er die „Vernichtung Polens = Beseitigung seiner lebendigen Kraft“ als sein Kriegsziel bekannt und erklärte: „Wir werden den Westen halten, bis wir Polen erobert haben.“ Die Zeitschrift Time wählte Hitler 1939 zum „Mann des Jahres“ 1938, weil er zur größten Bedrohung der demokratischen, freiheitsliebenden Welt geworden sei.
Kurz nach Abschluss des Pakts mit Stalin forderte Hitler von Polen, den Polnischen Korridor abzutreten und die polnischen Rechte in der Freien Stadt Danzig dem Deutschen Reich zu überlassen. Die NS-Propaganda behauptete verstärkt angebliche Gräueltaten und Massaker von Polen an sogenannten Volksdeutschen und forderte ein Einschreiten dagegen. Seit dem 28. August stand für die deutsche Wehrmacht als Angriffstermin der 1. September fest. Am 31. August um 12:40 Uhr erteilte Hitler seine „Weisung Nr. 1 für die Kriegführung“. In der Nacht vom 31. August auf den 1. September 1939 inszenierten in polnische Uniformen gekleidete SS-Männer einen Überfall auf den Sender Gleiwitz in Schlesien. Ab 4:45 Uhr beschoss das deutsche Linienschiff Schleswig-Holstein die polnischen Stellungen auf der Danziger Westerplatte. Mit diesem Angriff begann der deutsche Überfall auf Polen, durch den Hitler den Zweiten Weltkrieg entfesselte. Am 1. September behauptete Hitler wahrheitswidrig in seiner im Radio übertragenen Rede vor dem Reichstag, Polen habe Deutschland angegriffen und seit 5:45 Uhr werde „zurückgeschossen“. Frankreich und Großbritannien erklärten am 3. September Deutschland den Krieg gemäß ihren Bündnisverträgen mit Polen, jedoch ohne eigene Kampfhandlungen gegen Deutschland zu eröffnen. Am 18. September wurde die Masse der polnischen Truppen eingeschlossen, nachdem tags zuvor die Rote Armee mit ihrem Einmarsch in Ostpolen begonnen hatte. Warschau kapitulierte am 27. September. Hitler nahm hier am 5. Oktober eine Parade der 8. Armee ab. Im Verlauf des deutschen Polenkriegs fielen etwa 66.000 polnische und 17.000 deutsche Soldaten. Speziell aufgestellte Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD, Soldaten der Wehrmacht und Einheiten von Volksdeutschen ermordeten im Polenfeldzug rund 16.400, bis zum Jahresende rund 60.000 Polen, darunter etwa 7.000 Juden. Damit wollten sie möglichst viele der zwei Millionen polnischen Juden in das sowjetisch besetzte Ostpolen vertreiben. Ab Oktober 1939 erfolgten Deportationen von Juden in abgelegene polnische Gebiete. Sie wurden zwar im März 1940 nach örtlichen Protesten eingestellt, dienten aber als erprobtes Muster für umfassende Abschiebepläne der Folgejahre wie der (nach dem Westfeldzug undurchführbare) Madagaskarplan, deren erwünschte Folge die Vernichtung der europäischen Juden sein sollte. Am 17. September 1939 marschierte die Rote Armee gemäß dem geheimen Zusatzprotokoll zum Hitler-Stalin-Pakt in Ostpolen ein. Nach dem Zusammentreffen von deutschen und sowjetischen Truppen in Brest-Litowsk am 22. September 1939 erfuhr Hitler, wie schlecht die sowjetischen Panzer seien. Die Niederlagen der Roten Armee im Winterkrieg gegen Finnland 1939/40 bestärkten Hitler in seiner Annahme, die Rote Armee sei ein leicht zu besiegender Gegner.
Aller Wahrscheinlichkeit nach äußerte sich Hitler um das Jahr 1935 grundsätzlich positiv zur „Euthanasie“, ohne diese konkret zu planen. Er habe geäußert, die „Vernichtung lebensunwerten Lebens“ erst im Falle eines Krieges aufzugreifen, „wenn alle Welt auf die Kampfhandlungen schaut und der Wert des Menschenlebens ohnehin minder schwer wiegt“. Der Fall eines behinderten Kindes aus Pomßen in Sachsen führte 1938 oder 1939 dazu, dass sich Hitler selbst oder die Kanzlei des Führers näher mit der Krankentötung beschäftigte. Zunächst wurde die Kinder-„Euthanasie“ vorbereitet. Im Juli 1939 erteilte Hitler dem Reichsärzteführer Leonardo Conti dann den Auftrag, auch die „Erwachseneneuthanasie“ zu organisieren. Bereits zuvor hatte Hitler Ärzte als durch ihr Ansehen wertvolle Propagandisten der NS-Ideologie erkannt und zahlreiche Mediziner um sich versammelt. Während Conti eine Reglementierung befürwortete, beauftragte Hitler mittels eines privaten Briefes Philipp Bouhler und Karl Brandt, die „Aktion Gnadentod“ in die Wege zu leiten. Im Oktober 1939 erging zu diesem Zweck ein informelles Schreiben Hitlers, das auf den 1. September, mithin auf den Kriegsbeginn, zurückdatiert war und Philipp Bouhler und seinen Begleitarzt Karl Brandt ermächtigte, die sprachlich als „Gnadentod“ verschleierte Ermordung von Psychiatriepatienten und behinderten Menschen zu organisieren. Diese schriftliche Vollmacht legitimierte auf Drängen der Organisatoren Hitlers vorherigen mündlichen Auftrag für diesen Massenmord ohne ausdrückliches Gesetz, das er aus Geheimhaltungsgründen auch weiterhin verweigerte. Die Krankenmorde in der Zeit des Nationalsozialismus wurden als „Euthanasie“ beschönigt und als „Vernichtung lebensunwerten Lebens“ ideologisch gerechtfertigt. Über die halbstaatliche Sonderverwaltung Zentraldienststelle T4 wurden Zwischenanstalten eingerichtet, in denen die Opfer aus dem ganzen Reich zunächst gesammelt und zur Vergasung in eigene Tötungsanstalten transportiert wurden. Wegen verschiedener Durchführungspannen erfuhren Vertreter der Großkirchen in Deutschland, darunter Bischof Clemens August Graf von Galen, von dieser „Geheimen Reichssache“ und wandten sich nach einiger Bedenkzeit vereinzelt öffentlich dagegen. Am 24. August 1941 befahl Hitler offiziell die Einstellung der „Aktion T4“ und damit einen Stopp der Krankenmorde, was vermutlich in erster Linie planungsstrategische Gründe hatte. Die Morde wurden dezentral als „wilde Euthanasie“ (auch als „Aktion Brandt“ bezeichnet) nun vor allem mit Medikamenten und Nahrungsentzug fortgesetzt. In der „Aktion 14f13“ wurden außerdem kranke, alte oder „nicht mehr arbeitsfähige“ KZ-Insassen ermordet. Bei Kriegsende war ungefähr die Hälfte aller Anstaltsinsassen getötet worden. Die Ermordung der Behinderten diente den SS-Einsatzkommandos als Experimentierfeld für die späteren Massenmorde an Juden. Allein im damaligen Reichsgebiet wurden fast 190.000 geistig und körperlich behinderte Menschen vergast, vergiftet, erschossen oder dem Hungertod überlassen; viele weitere Opfer gab es in den besetzten Gebieten. Gesamtschätzungen belaufen sich auf bis zu 260.000 Opfer.
Hitler teilte seit seiner Wiener Zeit die gängigen Stereotype des Antiziganismus. Er beurteilte die in Mein Kampf unerwähnten Roma implizit wie die Juden als „rassefremde Elemente“, die somit aus dem „Volkskörper“ „auszumerzen“ seien. Gemäß Himmlers Erlass vom 8. Dezember 1938 zur „endgültigen Lösung der Zigeunerfrage“ wurden die Roma seit Juni 1939 aus vom NS-Regime kontrollierten Gebieten nach Osteuropa deportiert. Im Polenfeldzug ab September 1939 begannen die Nationalsozialisten und ihre Helfer mit Massenmorden an ihnen. Bis zum Kriegsende ermordeten sie zwischen 100.000 und 500.000 Roma. Hitler lehnte die Einberufung von Roma in die Wehrmacht 1940/41 ab und verbot Himmler 1942, „arische“ Roma von der Internierung in KZs auszunehmen. SS-Einsatzgruppen, Offiziere der Wehrmacht bei Racheaktionen für Partisanenanschläge oder KZ-Besatzungen führten die Massenmorde aus, besonders 1943/44 in den Gaskammern von Auschwitz. Der Porajmos war wie die Shoa ein rassistischer, auf Vernichtung zielender Völkermord. Direkte Mordbefehle Hitlers zu den Roma sind nicht bekannt. Seine Verantwortung steht jedoch wegen der rassistischen Gesamtplanung und Politik seines Regimes fest.
(l. v. Hitler), 1940 , Hitler, Göring, Raeder, von Brauchitsch und der „Stellvertreter des Führers“ Heß vor dem Wagen von Compiègne, 22. Juni 1940 auf der Terrasse des Palais de Chaillot, im Hintergrund der Eiffelturm, 23. Juni 1940 In seiner Ansprache vor den Oberbefehlshabern am 23. November 1939 kündigte Hitler an, „zum günstigsten und schnellsten Zeitpunkt“ Westeuropa anzugreifen. Im „Unternehmen Weserübung“ besetzte die Wehrmacht vom 9. April bis 10. Juni 1940 zunächst das neutrale Dänemark und eroberte Norwegen. Vom 10. Mai bis zum 25. Juni okkupierte sie im Westfeldzug Luxemburg, Belgien, die Niederlande und zwang das mit Großbritannien verbündete Frankreich nach wenigen Wochen zur Kapitulation. Ausschlaggebend für diesen überraschend schnellen Sieg war der später so bezeichnete Sichelschnittplan, den Generalleutnant Erich von Manstein ausgearbeitet und Anfang 1940 mit Unterstützung Hitlers gegen Vorbehalte seitens des OKH durchgesetzt hatte und der den ursprünglichen Angriffsplan ersetzte, welcher den Alliierten durch den Mechelen-Zwischenfall bekanntgeworden war. Der Sichelschnittplan sah einen hochriskanten Panzervorstoß durch die Ardennen vor, mit dem die Wehrmacht die Maginot-Linie umging und das Gros der gegnerischen Streitkräfte in Belgien und Nordfrankreich einkesselte. Hitlers persönliches Eingreifen in die Dynamik des schnellen Truppenvormarschs durch Haltebefehle führte jedoch dazu, dass das Hauptziel verfehlt wurde. Am 24. Mai entschied Hitler, in Übereinstimmung mit Rundstedt und im Widerspruch zur Meinung anderer Generäle, die angeschlagene Panzertruppe zu schonen und die Einschließung von Dünkirchen der Luftwaffe zu überlassen. Das ermöglichte es der Royal Navy, während der „Operation Dynamo“ über 224.000 britische und fast 112.000 französische und belgische Soldaten über den Ärmelkanal zu evakuieren. Waffen und Kriegsmaterial mussten die Alliierten zwar zurücklassen, aber der Kern des britischen Heeres blieb aufgrund von Hitlers Anhaltebefehl bestehen. Das besiegte Frankreich und Deutschland unterzeichneten am 22. Juni 1940 die Kapitulation Frankreichs im Beisein Hitlers, am selben Ort und im selben Eisenbahnwaggon wie die Unterzeichnung des Waffenstillstands nach dem Ersten Weltkrieg. Am darauffolgenden Tag besichtigte Hitler mit seiner Entourage frühmorgens Paris. Kurz vor der französischen Kapitulation im Juni 1940 war Italien als Verbündeter Deutschlands in den Krieg eingetreten. Zusammen mit dem japanischen Botschafter Saburō Kurusu unterzeichneten Mussolini und Hitler am 27. September 1940 in Berlin den Dreimächtepakt zwischen Japan, Italien und Deutschland, der gegenseitigen Beistand bei der „Schaffung einer neuen Ordnung in Europa“ und „im großasiatischen Raum“ zusicherte. Die Vertragsbestimmungen, die vor allem die USA von einem Kriegseintritt abhalten und eine starke Front gegen Großbritannien bilden sollten, verfehlten diesen Zweck. Etwa zur gleichen Zeit, im Sommer und Frühherbst 1940, zeichnete sich jedoch ab, dass Hitler damit scheiterte, Großbritannien zur Anerkennung der deutschen Alleinherrschaft auf dem europäischen Festland und Duldung weiterer Eroberungen im Osten zu zwingen. Am 10. Mai 1940 war Winston Churchill, seit 1933 ein strikter Gegner der Appeasementpolitik, neuer britischer Premierminister geworden. Am 19. Juli 1940 lehnte er Hitlers öffentliches Waffenstillstandsangebot über die BBC umgehend und endgültig ab. Die Luftschlacht um England (10. Juli bis 31. Oktober 1940), die als militärisches Patt endete, war eine politische und strategische Niederlage für Hitler, dem es zum ersten Mal misslang, einem Land seinen Willen aufzuzwingen. Daraufhin ließ Hitler im Frühjahr 1941 die Planungen für die Invasion Englands einstellen. Ebenso misslangen Hitlers Versuche, Spanien und das französische Vichy-Regime zum Kriegseintritt gegen Großbritannien zu bewegen. Am 23. Oktober 1940 traf er sich in Hendaye mit dem spanischen „Caudillo“ Franco. Hitler rechnete damit, dass dieser sich für die deutsche Hilfe im Spanischen Bürgerkrieg als dankbar erweisen würde, und schlug den sofortigen Abschluss eines Bündnisses und den spanischen Kriegseintritt für den Januar 1941 vor. Den spanischen Territorialwünschen in Nordafrika (Französisch-Marokko, Provinz Oran) wollte er aber mit Rücksicht auf Vichy-Frankreich nicht nachgeben. Außerdem konnte Großbritannien, anders als Deutschland, Spanien mit Kohle, Kautschuk, Baumwolle und lebenswichtigem Weizen beliefern, was das Land im Sommer 1940 vor einem wirtschaftlichen Kollaps bewahrt hatte. Der vorsichtige Franco ließ sich daher nicht zu unbedachten Schritten, z. B. zu einem Angriff auf Gibraltar, bewegen und war nur zu einem Protokoll bereit, wonach der spätere Kriegseintritt erst noch gemeinsam festgelegt werden müsse. Damit war die Abmachung für Hitler praktisch wertlos. Im internen Kreis „wütete“ er später über das „Jesuitenschwein“ und den „falsche[n] Stolz des Spaniers“. und Adolf Hitler in Montoire-sur-le-Loir, 24. Oktober 1940.Foto: Heinrich Hoffmann Auf der Fahrt nach Hendaye war Hitler bereits am 22. Oktober 1940 in Montoire-sur-le-Loir zu einem informellen Gespräch mit dem französischen Außenminister Pierre Laval zusammengetroffen, einem Fürsprecher der Kollaboration mit Deutschland. Einen Tag nach der Begegnung mit Franco traf Hitler erneut in Montoire ein, diesmal zu Gesprächen mit Marschall Pétain, seit Juni Staatschef des besetzten Frankreichs. Dabei verfolgte er die Absicht, wenn schon nicht eine Kriegserklärung Frankreichs an Großbritannien, so wenigstens die Verteidigung der französischen Kolonien in Nordafrika und Nahost gegen Angriffe der Forces françaises libres (Charles de Gaulle) und der Briten zu erreichen. Frankreich könne bei einer Neuverteilung afrikanischer Kolonien aus englischem Besitz voll entschädigt werden. Pétain und Außenminister Laval bekräftigten, dass das Ausmaß der Zusammenarbeit Frankreichs mit Deutschland von großzügiger Behandlung und dem Erwerb von Kolonialgebieten bei einem Friedensschluss abhänge. Hitler bot Pétain nichts Konkretes an, und umgekehrt sagte Pétain eine aktive Unterstützung nicht präzise zu. „Das Ergebnis“, so Ian Kershaw, „war daher bedeutungslos“. Henry Rousso weist darauf hin, dass die Konsequenzen dennoch weitreichend gewesen seien. Denn obwohl enttäuscht, verkündete Pétain am 30. Oktober 1940 in einer Rede, er werde den „Weg der Kollaboration“ betreten, und leitete den Wechsel von einer attentistischen zu einer aktiven Zusammenarbeit seines Regimes mit der Besatzungsmacht ein. Er prägte dabei nicht nur einen neuen politischen Begriff, sondern führte auch einen Bruch herbei, der in der französischen und internationalen Öffentlichkeit negativ aufgenommen wurde. Hitler gab schließlich den Plan auf, Großbritannien aus dem Mittelmeerraum (Gibraltar, Malta, Ägypten) zu verdrängen. Seiner Ansicht nach waren die gravierenden Interessengegensätze zwischen Spanien, Frankreich und Italien im Mittelmeerraum nicht zu überwinden, sodass eine darauf ausgerichtete Strategie gegen Großbritannien nicht von großem Nutzen sein würde, diesen Gegner zu besiegen und derart die USA von einem möglichen Kriegseintritt im Jahr 1941 abzuhalten. Für zwei weitere Optionen, einen strategischen Luftkrieg oder einen Belagerungskrieg gegen Großbritannien, fehlten die materiellen Voraussetzungen: eine Flotte schwerer Bomber beziehungsweise eine starke Marine. Die vierte Option, eine Invasion auf der britischen Insel, wurde von der Heeresführung favorisiert. Hitler jedoch sah im Sieg über die Sowjetunion, den er aus weltanschaulichen und rassischen Gründen ohnehin anstrebte, den sichersten Weg für das Deutsche Reich, sich seitens der USA und Großbritanniens unangreifbar zu machen. Er und sein Regime hatten laut Ian Kershaw „1940 nur eine Wahl: weiterzuspielen und wie stets den kühnen Schritt nach vorn zu wagen“. Der Diktator hatte nach dem Sieg über Frankreich den Gipfel seiner Popularität bei den Deutschen erreicht. Nach einem Ausspruch von Generaloberst Wilhelm Keitel stilisierte ihn die NS-Propaganda zum „größten Feldherrn aller Zeiten“, dessen Genie die nun so genannte „Blitzkriegstrategie“ erfunden und die raschen Siege bewirkt habe. Auch Hitler selbst war von seinen militärischen Fähigkeiten überzeugt. Daher griff er, anders als etwa Stalin, immer wieder in operative Entscheidungen der Militärs ein und entmachtete zunehmend die Generalstäbe, speziell das Oberkommando des Heeres. Zudem war er der Ansicht, ein Krieg gegen die Sowjetunion sei, verglichen mit dem Westfeldzug, ein „Sandkastenspiel“. Diese Geringschätzung des sowjetischen Militärpotentials teilte Hitler mit seinen Befehlshabern; denn das nachrichtendienstliche Wissen über die Sowjetarmee war gering. All das sollte sich im Verlauf des Russlandfeldzugs als verhängnisvoll für die deutsche Kriegsführung erweisen.
Das Wirtschaftsministerium hatte Hitler 1940 informiert, dass die im Hitler-Stalin-Pakt vereinbarten sowjetischen Rohstofflieferungen, die Deutschland bereits kaum begleichen konnte, nicht ausreichen würden, um einen langen Krieg gegen Großbritannien und möglicherweise die USA zu führen. Seine Absicht, demnächst die Sowjetunion anzugreifen, wurde dadurch bestärkt und in führenden Kreisen von Wehrmacht, Großwirtschaft und Ministerialbürokratie von vielen geteilt. Hitlers Ziel war „ein blockadefestes Großimperium“ bis zum Ural und über den Kaukasus hinaus. Am 21. Juli 1940 sagte Hitler in einer Besprechung mit Walther von Brauchitsch, sein militärisches Ziel sei es, so weit „russischen Boden in die Hand zu nehmen“, um feindliche Luftangriffe auf Berlin und das schlesische Industriegebiet verhindern zu können. Damit rechtfertigte er den Zweifrontenkrieg. Zehn Tage später erörterte er auf dem Berghof in einem Kreis der höchsten Generale den geplanten Feldzug gegen die Sowjetunion: Wenn Russland geschlagen sei, dann sei Englands letzte Hoffnung getilgt. Als politische Ziele nannte er: „Ukraine, Weißrußland, Baltische Staaten an uns. Finnland bis ans Weiße Meer.“ Militärisch war eine Linie von Archangelsk im Norden längs der Wolga bis nach Astrachan an der Mündung derselben avisiert. Am 12. und 13. November 1940 besuchte der sowjetische Außenminister Molotow Berlin. Auch dieses Treffen blieb ergebnislos, da die territorialen Interessen Deutschlands und der Sowjetunion nach Ansicht Hitlers nicht miteinander vereinbar waren. Danach war er mehr denn je davon überzeugt, dass die „Vernichtung“ der Sowjetunion in einem Blitzfeldzug der einzige Weg sei, den Krieg zu gewinnen. Er wies daher Brauchitsch und Franz Halder am 5. Dezember 1940 an, das Heer für einen Angriff auf die Sowjetunion Ende Mai nächsten Jahres vorzubereiten. Am 18. Dezember 1940 gab er seine formelle Weisung für das „Unternehmen Barbarossa“ heraus, „vor Beendigung des Krieges gegen England Sowjetrussland in einem schnellen Feldzug niederzuwerfen.“ In den Folgemonaten erließ er den Kommissarbefehl und weitere Befehle, die sowjetischen Führungseliten im Gefolge der Front zu ermorden und Partisanenaktionen durch Vergeltungsakte an Zivilisten zu bekämpfen. Vor über 200 höheren Offizieren der Wehrmacht erklärte er am 30. März 1941 in der Neuen Reichskanzlei, der bevorstehende Krieg sei ein rassenideologischer Vernichtungskrieg und ohne Rücksicht auf kriegsvölkerrechtliche Normen zu führen. Die Befehlshaber müssten jegliche persönlichen Skrupel überwinden. Keiner der Anwesenden nahm den Anlass wahr, Hitlers Forderungen nachher noch einmal zur Erörterung zu stellen. Das OKW und das OKH gaben daraufhin entsprechende operative Befehle aus. Zudem sah die Blitzkriegsplanung vor, große Teile der sowjetischen Bevölkerung verhungern zu lassen. Überleben sollte nur, wer in den besetzten Gebieten für die Bereitstellung von Rohstoffen und Nahrungsmitteln benötigt wurde. Die übrigen galten als unnütze Esser, welche die deutsche Ernährungsbilanz belasteten (→ Hungerplan). Mit einmonatiger Verzögerung infolge des Balkanfeldzuges überfiel die Wehrmacht die Sowjetunion am 22. Juni 1941 auf Hitlers Befehl ohne offizielle Kriegserklärung. Goebbels verlas um 5.30 Uhr auf allen deutschen Radiosendern eine längst vorbereitete Proklamation Hitlers. Zugleich wurde ein inhaltlich identischer Tagesbefehl an die „Soldaten der Ostfront“ erlassen. Das Auswärtige Amt übermittelte in den frühen Morgenstunden eine Note an die Sowjetunion, die Gründe für die angeblichen „militärischen Gegenmaßnahmen“ mitteilte. Auf Hitlers ausdrücklichen Befehl wurde das Wort „Kriegserklärung“ dabei vermieden, obwohl es de facto nichts anderes als eine Kriegserklärung war. Alle diese Dokumente hatten propagandistischen Charakter und enthielten im Kern die Behauptung, Deutschland sei lediglich sowjetischen Aggressionsplänen zuvorgekommen. Hitler wurde als Retter des Abendlandes vor „asiatischer Barbarei“ und kulturzerstörendem „(jüdischem) Bolschewismus“ ausgegeben. An dieser Präventivkriegsthese hielten viele Generäle der Wehrmacht weit über 1945 hinaus fest. Dagegen betonen Historiker Hitlers Absichten, die er 1927 im zweiten Band von Mein Kampf dargelegt und seit 1933 wiederholt bekräftigt hatte: Er wollte die Sowjetunion zur „Erweiterung des Lebensraumes bzw. der Rohstoff- und Ernährungsbasis“ der Deutschen erobern, das fiktive, dort angeblich herrschende Weltjudentum vollständig vernichten und die Bevölkerung der eroberten Gebiete entweder als Sklavenarbeiter ausbeuten oder ebenfalls vernichten. Während der Leningrader Blockade von September 1941 bis Januar 1944 verhungerten im damaligen Leningrad gemäß dem deutschen „Hungerplan“ etwa 1,1 Millionen Menschen. Trotz siegreicher Kesselschlachten war der Plan Barbarossa bereits im August 1941 gescheitert, weil aus den Kesselschlachten große Teile des Gegners entkamen und sich neu formierten, der Überraschungseffekt abflaute, die deutschen Verluste zunahmen und Hitlers „Zickzack der Anordnungen“ zur Schwerpunktbildung bei der Heeresgruppe Mitte und der Heeresgruppe Süd sich häufte. Der deutsche Vormarsch geriet ab Oktober 1941 ins Stocken. Die Sowjetunion konnte einen Großteil ihrer Rüstungsproduktion östlich des Urals fortsetzen und neue Divisionen an ihre Westfront führen. Sie war grob fahrlässig unterschätzt worden, und die deutsche Logistik für die Eroberung eines so großen Landes war unzureichend. Bei einer Konferenz in Berlin am 29. November 1941 berichtete Walter Rohland Hitler und dem OKW von der Überlegenheit der sowjetischen Panzerproduktion. Nach seinen Angaben sagte Rüstungsminister Fritz Todt dabei im kleinen Kreis: „Dieser Krieg ist militärisch nicht mehr zu gewinnen!“ Hitler habe gefragt, wie er ihn beenden solle, und eine politische Lösung als kaum möglich ausgeschlossen. Vor Moskau wandte das Ostheer erstmals das Prinzip der „verbrannten Erde“ zur Deckung des Rückzugs an, das sowjetische Zivilisten und Kriegsgefangene im Rückzugsgebiet massenhaft dem Hunger- oder Kältetod preisgab. Nicht alle Befehle dazu stammten von Hitler oder Keitel, sollten aber „dem Führer entgegenarbeiten“. Die Niederlage vor Moskau gilt als Zäsur des Weltkriegs, weil sie die Serie der deutschen Blitzkriege beendete. Hitler erkannte dies laut Jodl sofort. Der Deutsch-Sowjetische Krieg „war genau der Krieg, den Hitler seit den zwanziger Jahren gewollt hatte“. Als bisher verlustreichster Krieg der Menschheitsgeschichte kostete er etwa 28 Millionen Sowjetbürgern das Leben, darunter 15,2 Millionen Zivilisten. Mindestens 4,2 Millionen Menschen starben hungers, unter ihnen 2,5 Millionen der 3,3 Millionen sowjetischen Kriegsgefangenen, die im deutschen Gewahrsam an Unterernährung, Krankheiten oder Misshandlungen starben oder erschossen wurden.
Der Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion und die Eskalation zum Holocaust gingen Hand in Hand. Die vier Einsatzgruppen der SS sollten nach Heydrichs Instruktion vom 2. Juli 1941 kommunistische Funktionäre, „radikale Elemente“ (Partisanen) sowie „alle Juden in Partei- und Staatsstellungen“ erschießen. Bald wurden unterschiedslos alle auffindbaren Juden als angebliche Partisanen ermordet – zunächst überwiegend Männer, dann auch jüdische Frauen und Kinder. Am 16. Juli 1941 begrüßte Hitler gegenüber ranghohen NS-Funktionären den sowjetischen Partisanenkrieg: „… er gibt uns die Möglichkeit, auszurotten, was sich gegen uns stellt.“ Er übertrug Himmler für diese Mordaufgabe die Führung über SS, Polizei und SD im Osten. Himmler verstärkte die Einsatzgruppen sofort von 3.000 auf 33.000 Mann. Hitler ließ sich ab 1. August laufend über ihre Ergebnisse berichten. In den ersten fünf Monaten des Ostfeldzugs ermordeten sie ungefähr 500.000 Juden. Am 19. August folgte Hitler dem Vorschlag von Goebbels, nach den polnischen die deutschen Juden zum Tragen des Judensterns zu zwingen. Etwa am 17. September 1941 erlaubte er auf Drängen vieler Gauleiter, die Deportation der deutschen Juden nach Osten einzuleiten, die er bislang erst nach dem Sieg über die Sowjetunion beginnen lassen wollte. Damit reagierte er auf Alfred Rosenbergs Vorschlag, sich so an Stalins Deportation der Wolgadeutschen zu rächen. Am 25. Oktober kam Hitler vor Vertrauten auf seine Ankündigung vom 30. Januar 1939 zurück, die Juden im Fall eines neuen Weltkriegs als Vergeltung für die deutschen Kriegsopfer zu vernichten: „Diese Verbrecherrasse hat die zwei Millionen Toten des Weltkrieges auf dem Gewissen, jetzt wieder Hunderttausende. Sage mir keiner: Wir können sie doch nicht in den Morast schicken! […] Es ist gut, wenn uns der Schrecken vorangeht, daß wir das Judentum ausrotten.“ Am 12. Dezember 1941, dem Tag nach seiner Kriegserklärung an die USA, sagte Hitler nach Goebbels’ Notizen zu den in die Neue Reichskanzlei geladenen Gau- und Reichsleitern: „Der Weltkrieg ist da, die Vernichtung des Judentums muss die notwendige Folge sein.“ Die Juden müssten die Opfer unter deutschen Soldaten im „Ostfeldzug“ mit ihrem Leben bezahlen. Die Anwesenden, darunter Hans Frank, verstanden Hitlers Aussage als Aufforderung, die europäischen Juden nicht mehr abzuschieben, sondern im besetzten Polen zu ermorden und nach geeigneten Methoden dafür zu suchen. Am 18. Dezember 1941 notierte Himmler in seinen Dienstkalender, Hitler habe auf sein Nachfragen das bisherige Vorgehen der Einsatzgruppen bestätigt und befohlen: „Judenfrage / als Partisanen auszurotten“. Hitler hatte Görings Auftrag an Reinhard Heydrich vom 31. Juli 1941 zur „Gesamtlösung der Judenfrage“ autorisiert und ordnete auch die Wannseekonferenz vom 20. Januar 1942 an, auf der Heydrich seinen Auftrag erläuterte: 11 Millionen europäische Juden sollten nach Osten deportiert werden, angestrebt sei ihre „natürliche Verminderung“ durch Sklavenarbeit sowie „entsprechende Behandlung“ der Überlebenden. Damit umschrieb er die Ausrottungsabsicht in der Tarnsprache des NS-Regimes. Für die „Räumung“ von bereits überfüllten Judenghettos für nachfolgende Deportierte wurden ab März 1942 im besetzten Polen drei Vernichtungslager in Betrieb genommen. Damit begann auch die Ermordung der Deportierten sofort bei ihrer Ankunft und durch Gaskammern. Davon waren Juden und Roma betroffen. Ein schriftlicher Holocaustbefehl Hitlers wurde nicht gefunden und gilt als unwahrscheinlich. Seine Aussage vom 12. Dezember 1941 deuten manche Historiker als Entscheidung, die Judenmorde auf ganz Europa auszuweiten, oder zumindest als wichtigen Eskalationsschritt des Holocaust. Diesen habe Hitler jedoch nicht allein eingeleitet und nicht an einem einzigen Datum befohlen. Zeitzeugen belegten mündliche Befehle Hitlers zur Durchführung von Judenmorden. So berief sich Staatssekretär Wilhelm Stuckart Ende Dezember 1941 – also wenige Wochen vor der Wannseekonferenz zur systematischen Vernichtung der Juden –, als er wegen Anordnungen zu Judenmorden entlassen werden sollte, erfolgreich auf einen Führerbefehl. Heinrich Himmler sprach in Briefen und Reden an Untergebene wie den Posener Reden von 1943 wiederholt von Hitlers ihm auferlegten Befehl zur „Endlösung“ und hielt besondere Anweisungen Hitlers dazu in seinen Privatnotizen fest. Hitler selbst erklärte ab Januar 1942 öffentlich mehrfach, dass sich seine „Prophezeiung“ vom Januar 1939 nun „erfülle“. Folgerichtig bezeichnete Goebbels ihn in einem Tagebucheintrag vom 27. März 1942 als „unentwegten Vorkämpfer und Wortführer einer radikalen Lösung“ der „Judenfrage“. Hitler ließ sich am 7. Oktober 1942 persönlich von Odilo Globocnik über die Judenmorde in vier Vernichtungslagern unterrichten und im März 1943 den Korherr-Bericht über die Ermordung (umschrieben als „Evakuierung“ und „Sonderbehandlung“) von bis dahin 2,5 (tatsächlich über drei) Millionen Juden vorlegen. Auch die Tarnsprache ordnete er an. NS-Täter wie Rudolf Höß und Adolf Eichmann haben nach Kriegsende einen Befehl Hitlers vom Sommer oder Herbst 1941 zur Ausrottung der Juden bezeugt. Auf dem Höhepunkt der Schlacht um Stalingrad erinnerte Hitler am 8. November 1942 im Münchener Löwenbräukeller zum vierten Mal in jenem Jahr an seine „Prophezeiung“ über die Juden, als er gerade alle Kompromisse und Friedensangebote an äußere Feinde ausgeschlossen hatte. Das Ergebnis des „internationalen Weltkrieg“[s] werde „die Ausrottung des Judentums in Europa sein“.
Berlin, 11. Dezember 1941 Am 7. Dezember 1941 griff das mit Deutschland verbündete Kaiserreich Japan den US-Flottenstützpunkt Pearl Harbor an und zog damit die USA in den Zweiten Weltkrieg. Hitler, nicht über den Zeitpunkt des japanischen Angriffs informiert, begrüßte den Angriff euphorisch: Nun könne Deutschland den Krieg nicht mehr verlieren. Im Reichstag erklärte er am 11. Dezember 1941 den USA den Krieg, ohne dass der Dreimächtepakt ihn dazu verpflichtete, ohne vorher seine Generäle zu konsultieren und ohne die militärstrategischen und wirtschaftlichen Folgen für die eigene Kriegführung kalkulieren zu lassen. Historiker nehmen verschiedene Gründe dafür an: Hitler habe für 1942 ohnehin mit dem Eingreifen der USA gerechnet und ihre seit dem Leih- und Pachtgesetz begonnenen Rüstungslieferungen an Großbritannien und die Sowjetunion als Kriegseintritt gewertet. Er habe ihre Kriegserklärung nicht abwarten wollen, um ein Zeichen der Stärke zu setzen. Er habe immer noch mit dem baldigen Sieg über die Sowjetunion gerechnet und einen „Weltblitzkrieg“ mit dem Ziel deutscher Weltherrschaft führen wollen. Er habe Einzelsiege der USA gegen die Achsenmächte und etwaige bilaterale Friedensverhandlungen von vornherein ausschließen wollen. Er habe die Möglichkeit eines U-Boot-Krieges im Atlantik gegen US-Schiffe eröffnen wollen. Hitler versuchte, die Entwicklung im Pazifik als vorteilhaft darzustellen. Denn der Krieg im Pazifik werde die USA veranlassen, ihre Waffenlieferungen an Großbritannien zu reduzieren. Deutschland werde also genügend Zeit gewinnen, um vor einem amerikanischen Eingreifen in Europa den Kontinent vollständig unter Kontrolle gebracht zu haben. Im Krieg wurde Hitler zu einem Workaholic, der vor allem mit Details beschäftigt war, ohne sich erholen zu können, umgeben von der immer gleichen, wenig inspirierenden Entourage. Nächte mit wenig Schlaf und tägliche lange Besprechungen mit führenden Militärs folgten aufeinander – eine Lebensweise, die er nur durch die Einnahme immer stärkerer Medikamente durchhalten konnte. Sein Arbeitsstil war Folge der extrem personalisierten Herrschaft und seiner Unfähigkeit, Autorität zu delegieren. Seine egomanische Überzeugung, nur er könne den Sieg gewährleisten, verstärkte sein Misstrauen gegen seine Generäle und vermehrte seine cholerischen Wutausbrüche. Dies zerstörte ab 1940 die geregelte Arbeit der Regierung und des militärischen Kommandos, was mit Hitlers Übernahme der Heeresführung in der Winterkrise 1941 deutlich wurde. Bei Angelegenheiten, welche die Heimatfront betrafen, beanspruchte er kompromisslos die Autorität, intervenierte aber nur sporadisch und unsystematisch, um Untätigkeit zu verschleiern. Anfang 1943 verlor die Wehrmacht mit ihren bislang höchsten Verlusten die Schlacht von Stalingrad. Diese Niederlage gilt als Wendepunkt des Zweiten Weltkriegs. Hitler war dafür persönlich verantwortlich, da er dem Oberbefehlshaber der 6. Armee General der Panzertruppe Friedrich Paulus den Rückzug aus Stalingrad verboten hatte, solange dies noch operativ möglich gewesen war, ohne die Heeresgruppe A, die bis zum Kaukasus vorgestoßen war, zu gefährden. Hitler selbst äußerte danach, dass der Krieg nicht mehr zu gewinnen sei. Das Deutsche Afrikakorps (DAK) verlor die zweite Schlacht von El-Alamein, und Rommel befahl am 4. November 1942 gegen Hitlers Befehl wegen erdrückender Übermacht der Briten den Rückzug. In Tunesien wurde das DAK von britischen und inzwischen eingetroffenen US-Truppen in die Zange genommen („Operation Torch“). Rommels Bitte vom März 1943, Tunesien räumen und seine Truppen nach Sizilien zurückziehen zu dürfen, lehnte Hitler strikt ab und berief Rommel aus Nordafrika ab. Am 12. Mai 1943 kapitulierten 150.000 deutsche und 100.000 italienische Soldaten bei und in Tunis. Diese Niederlage deuteten viele Deutsche als „zweites Stalingrad“ oder „Tunisgrad“. “ (heute wieder Volkstrauertag) der gefallenen Soldaten in Berlin, 21. März 1943 Anfang April 1943 traf Hitler Mussolini im Schloss Kleßheim bei Salzburg und lehnte dessen Eintreten für einen Kompromissfrieden im Osten kategorisch ab. Mit langen Monologen über die preußische Geschichte versuchte er, Mussolini zur Fortsetzung des Krieges zu bewegen. Auch die verbündeten Machthaber von Bulgarien, Rumänien, Ungarn, Norwegen, der Slowakei, Kroatien und Frankreich traf er bis Ende April in Kleßheim, um ihren Widerstandswillen durch Schmeichelei, gutes Zureden und kaum verhüllte Drohungen zu stärken. Mit Hilfe eigens angefertigter Karten des OKW, auf denen der Frontverlauf im Osten falsch eingetragen und die Kräfte des Gegners sowie die eigenen nicht erkennbar waren, beschönigte er die Lage. Anfang 1944 erlangten die alliierten Bomber- und Jagdverbände allmählich die Luftüberlegenheit und zerstörten neben den wichtigen Rüstungsbetrieben auch viele große und mittlere deutsche Städte durch Flächenbombardements. Trotzdem ließ Hitler weiterhin Bomber statt vermehrt Jagdflugzeuge zur Bekämpfung dieser Angriffe bauen. Nach der „Operation Gomorrha“ gegen Hamburg im Juli 1943, bei der über 30.000 Menschen im Feuersturm umkamen, weigerte er sich, die zu mehr als 50 Prozent zerstörte Stadt zu besuchen, empfing keine Delegation der Rettungsdienste und hielt keine Rundfunkrede. Nach drei Großangriffen auf Berlin im August und September 1943 notierte Goebbels in sein Tagebuch, dass man „vor allem beklagt, daß bezüglich des Luftkriegs von seiten des Führers kein erklärendes Wort gesprochen wird“. Hitlers strategische Fehlentscheidungen begünstigten die „Operation Overlord“ am 6. Juni 1944. So hatte er zwar zunächst die Normandie als Invasionsgebiet angenommen, sich jedoch von seinem Stab wieder davon abbringen lassen und glaubte noch am 13. Juni an ein Täuschungsmanöver. Er verbot, Truppen von anderen Küstenabschnitten abzuziehen, und vermutete eine Landung am Pas-de-Calais. Die deutschen Truppen in der Normandie wurden an unerwarteter Stelle überrascht. Von Rundstedt, der Oberbefehlshaber West, hatte am frühen Morgen um die Freigabe zweier bei Paris stationierter Panzerdivisionen gebeten. Alfred Jodl lehnte das ab. Erst gegen Mittag stimmte Hitler dem verspäteten Einsatz dieser Reserve gegen den 150 Kilometer entfernten alliierten Brückenkopf zu. Seine Adjutanten hatten bis etwa 10 Uhr gezögert, Hitler zu wecken, da er erst gegen drei Uhr morgens zu Bett gegangen war. „Diese Verzögerung war entscheidend.“ Als alliierte Truppen im August 1944 auf Paris vorrückten, befahl Hitler, die Stadt bis zum letzten Mann zu verteidigen bzw. als zerstörte Stadt zurückzulassen. Der deutsche Stadtkommandant Dietrich von Choltitz ignorierte Hitlers Befehl zum Widerstand, erklärte Paris zur offenen Stadt und übergab es am 25. August 1944 kampflos und nahezu unversehrt an den französischen Generalmajor Philippe Leclerc de Hauteclocque. Weil Hitler merkte, dass er das Vertrauen der Deutschen verloren hatte und ihnen keine Triumphe mehr verkünden konnte, redete er 1944 nicht mehr öffentlich und nur dreimal (am 30. Januar, 21. Juli und 31. Dezember) im Rundfunk. Sein Gesundheitszustand verschlechterte sich rasch. Wahrscheinlich litt er an der Parkinson-Krankheit, die seine politisch-militärische Entscheidungsfähigkeit wohl kaum beeinflusste. Der „Verfall“ lasse sich gemäß Thamer deutlich an seiner zunehmend unleserlichen Unterschrift ablesen. Ab 1943 benutzte er einen Unterschriftenautomaten. Einzig seine Testamente vom April 1945 (siehe Hauptartikel: Politisches Testament Adolf Hitlers und Private Testamente Adolf Hitlers) unterzeichnete er noch eigenhändig, brachte aber, wie der Historiker Hans-Ulrich Thamer bemerkt, nur „Gekleckse“ zustande. Trotz fortwährender Niederlagen, immenser Opfer, gewaltiger Zerstörungen und des Wissens um die unvermeidbare deutsche Niederlage ließ Hitler den Krieg fortsetzen. Seine Eingriffe in die Kriegführung, etwa das Verbot, gefährdete Truppenteile frühzeitig zurückzuziehen (→ Fester Platz), bewirkten massive Verluste auf Seiten der Wehrmacht. In einer von zahlreichen Illusionen bestimmten Gesamtbeurteilung hatte Hitler schon Mitte August 1944 erwogen, gegen die Westalliierten einen empfindlichen militärischen Schlag zu führen, der den Zusammenbruch der Anti-Hitler-Koalition bewirken sollte. Vier Tage vor Beginn der Ardennenoffensive sagte er zu seinen Kommandeuren, dass der Feind, „ganz gleich, was er auch tut, nie auf eine Kapitulation rechnen kann, niemals, niemals“; dieser werde schließlich „eines Tages einen Zusammenbruch seiner Nervenkräfte erleben“. Die ersten Vorbereitungen für die Offensive liefen, unter größter Geheimhaltung, im Spätsommer 1944 an. Hauptziel der Offensive war die Hafenstadt Antwerpen, für den Nachschub der Alliierten von großer Bedeutung. Sie begann am 16. Dezember 1944 und musste bereits Anfang 1945 abgebrochen werden. Hitler trug dennoch weiter öffentlich höchste Zuversicht zur Schau und feuerte Menschen in seiner Umgebung an. Gegenüber Nicolaus von Below gab er jedoch zu, der Krieg sei verloren. Das führte er wie üblich auf Verrat und Versagen anderer zurück. Er strebte jetzt nur noch seinen Platz in der Geschichte an: „Wir kapitulieren nicht, niemals. Wir können untergehen. Aber wir werden eine Welt mitnehmen.“ Dabei machte Hitler vor dem eigenen Volk nicht halt. Der Terror kehrte heim ins Reich: im April 1945: „Hitler muss sterben, damit Deutschland lebt“. Davor befindet sich eine gehängte Hitler-Puppe. Am 7. März erreichten US-Soldaten die unzerstörte Brücke von Remagen südlich des Ruhrgebiets. Hitler ließ ein „Fliegendes Standgericht“ an die Westfront entsenden, das fünf Offiziere der Brückenmannschaft von Remagen am 9. März zum Tode verurteilte. Am 23. März begann die Rheinüberquerung nördlich des Ruhrgebiets bei Wesel durch britische Truppen. Damit war der Krieg im Westen endgültig verloren, aber Hitler weigerte sich, zu kapitulieren. Er sah nur noch in einem „Kampf bis zum Letzten“ Sinn, um so wenigstens von zukünftigen Generationen geachtet zu werden. Seit Anfang seiner politischen Karriere dachte Hitler in extremen Alternativen: Deutschland werde siegen oder untergehen. Je unwahrscheinlicher ein Sieg wurde, desto totaler sollte die deutsche Niederlage sein. Gegenüber Speer erklärte er am 18. März 1945, es sei nicht notwendig, Rücksicht auf die Grundlagen zu nehmen, die das Volk zu seinem primitivsten Weiterleben brauche. Es sei besser, selbst diese Dinge zu zerstören. Das Volk habe sich als das schwächere erwiesen, und die Zukunft gehöre ausschließlich dem stärkeren „Ostvolk“. Am 19. März befahl Hitler durch Führererlass (später „Nerobefehl“ genannt) die Zerstörung aller Infrastrukturen beim Rückzug des Heeres. Er beauftragte Speer und die Gauleiter, die Zerstörungen durchzuführen, erfuhr aber, dass Speer seinen Befehl sabotiere. Dieser bestritt dies. Goebbels sah darin Hitlers Autorität schwinden.
Zwischen 1933 und 1945 leisteten Einzelpersonen, Gruppen und Organisationen aus verschiedenen Gründen Widerstand gegen Hitlers Regime. Nur wenige lehnten von vornherein seine Diktatur ab. Die verfolgten Kommunisten und Sozialdemokraten hatten schon vor 1933 gewarnt: „Hitler bedeutet Krieg!“ Die Exil-SPD Sopade versuchte, die Deutschen vom Ausland aus zu beeinflussen, und rief sie am 30. Januar 1936 mit der Flugschrift „Für Deutschland – gegen Hitler!“ zum Aufstand gegen dessen Regime auf. nach dem Attentat vom 20. Juli 1944. Hier verbrachte Hitler während des Zweiten Weltkriegs mehr Zeit als an jedem anderen Ort. Seit Februar 1933 gab es viele anonyme Attentatsdrohungen gegen Hitler. Einzeltäter waren unter anderen der von der nationalsozialistischen Oppositionsgruppe „Schwarze Front“ beauftragte Helle Hirsch im Dezember 1936, der ehemalige Schweizer Theologiestudent Maurice Bavaud im November 1938 und der Handwerker Georg Elser. Dessen selbstgebastelter Sprengsatz explodierte am 8. November 1939 im Münchner Bürgerbräukeller, nur Minuten nachdem Hitler seine Rede dort beendet hatte. Elser wurde als „Sonderhäftling des Führers“ im KZ Dachau am 9. April 1945 auf Hitlers persönlichen Befehl ermordet. Die 1934 gegründete Bekennende Kirche widersprach staatlichen Übergriffen auf die Kirchenorganisation. Pastor Dietrich Bonhoeffer kritisierte den Führerkult im Februar 1933 in einem Rundfunkvortrag („Führer und Amt, die sich selbst vergotten, spotten Gottes“) und forderte im April 1933 kirchlichen Widerstand gegen Menschenrechtsverletzungen des Hitlerregimes. Nach den Novemberpogromen 1938 half er im Kreis um Hans Oster aktiv mit, ein Attentat auf Hitler vorzubereiten. 1938 bildeten sich konservative und innermilitärische Widerstandsgruppen wie der Goerdeler-Kreis und der Kreisauer Kreis. Ihre Umsturzpläne setzten auf Teile der Wehrmacht, hatten daher nur bei einer Tötung Hitlers Erfolgsaussicht und konnten nur von Personen mit Zugang zum engsten Führungskreis um ihn ausgeführt werden. Diese hatten Hitler unbedingte Treue geschworen; schwere Gewissenskonflikte waren also unvermeidbar. In der Septemberverschwörung planten einige hohe Militärs und Beamte im Auswärtigen Amt, dass Hauptmann Friedrich Wilhelm Heinz am 28. September 1938 mit einem Stoßtrupp in die Reichskanzlei eindringen und Hitler in einem Handgemenge erschießen sollte. Als dieser überraschend einem Kompromiss für das Münchner Abkommen zustimmte, erschien es aussichtslos, seinen Sturz mit „militärischem Abenteurertum“ zu rechtfertigen. Daraufhin unterblieb das Attentat, das von Brauchitsch und Halder nur halbherzig unterstützt hatten. Die an der Verschwörung beteiligten Militärs im OKH und in der Amtsgruppe Ausland/Abwehr des OKW hielten Hitlers Vorhaben, Frankreich schon 1939 anzugreifen, für undurchführbar und wollten diesen Angriff mit einem weiteren Putschversuch verhindern. Nach Elsers Attentat wurden die Vorkehrungen zu Hitlers Schutz jedoch verschärft. Brauchitsch fürchtete nach einem Wutausbruch Hitlers am 5. November 1939, dieser wisse über den bevorstehenden Putschversuch Bescheid. Daraufhin nahm Hans Oster an, dass eine für den 11. November 1939 geplante Sprengstoffübergabe an Erich Kordt zu riskant sei; somit unterblieb dieses geplante Attentat. Die als Weiße Rose bekannt gewordene Münchner Gruppe versuchte bis zur Verhaftung der Geschwister Scholl am 18. Februar 1943, die Deutschen, besonders die Jugend, mit Flugblättern zum Widerstand zu bewegen. Hauptgrund waren NS-Verbrechen wie der Holocaust, von dem die Gruppe über Auslandssender wusste. Die Mitglieder wurden am 22. Februar 1943 hingerichtet. Nach der Niederlage in Stalingrad versuchten einige Offiziere der Heeresgruppe Mitte erneut, Hitler zu töten. Die Bombe, die Henning von Tresckow am 13. März 1943 in Hitlers Flugzeug schmuggelte, zündete nicht. Am 21. März 1943 wollte Rudolf-Christoph Freiherr von Gersdorff sich während einer Ausstellung im Berliner Zeughaus zusammen mit Hitler in die Luft sprengen. Dieser verließ die Ausstellung schon nach wenigen Minuten, bevor der Säurezünder wirksam werden konnte. Von Gersdorff konnte den Zünder noch rechtzeitig entschärfen. Das Attentat vom 20. Juli 1944 im Führerhauptquartier Wolfsschanze verletzte vier Anwesende tödlich; Hitler blieb fast unverletzt. Er äußerte direkt danach: Die Vorsehung habe ihn gerettet, damit er seinen „Auftrag“ zu Ende führen könne. Claus Schenk Graf von Stauffenberg, der die Bombe abgelegt und einen Staatsstreich zur Beendigung des Krieges vorbereitet hatte, und drei seiner Mitstreiter wurden ohne Prozess und ohne Hitlers Einverständnis am 21. Juli kurz nach Mitternacht im Hof des Bendlerblocks in Berlin von einem Erschießungskommando exekutiert. Im Rundfunk erklärte Hitler, eine „ganz kleine Clique ehrgeiziger, gewissenloser und zugleich verbrecherischer, dummer Offiziere“ habe geplant, ihn und den Wehrmachtführungsstab „auszurotten“. Anders als beim Dolchstoß 1918 würden diesmal die Verbrecher „unbarmherzig ausgerottet werden“. Die Wehrmacht sollte die beteiligten Offiziere zuerst ausschließen, der Volksgerichtshof sollte sie dann als gewöhnliche Kriminelle zum Tod verurteilen und innerhalb von zwei Stunden hängen lassen, damit sie ihre Motive und Ziele nicht erklären konnten. Roland Freisler, der auch in der NSDAP als „Blutrichter“ galt, war sofort bereit, ganz im Sinne Hitlers zu urteilen. Dieser nutzte das gescheiterte Attentat, um Widerstände gegen seine Kriegführung in den Stäben der Wehrmacht endgültig auszuschalten und skeptischen Generälen die Schuld an den verlorenen Schlachten zu geben. Eine 400 Mitarbeiter umfassende Ermittlungsgruppe der Gestapo deckte ein weit verzweigtes Verschwörernetz auf und fand am 22. September 1944 in Zossen Akten, die Absprachen für Putschversuche vor 1939 und damit eine dauerhafte militärische Opposition gegen Hitler belegten. Dieser verbot dem Volksgerichtshof, die Dokumente in den laufenden Prozessen zu verwenden: Die Deutschen sollten nicht erfahren, dass der Attentatsversuch Vorläufer hatte und nicht nur von wenigen geplant worden war. Ab August 1944 verurteilte der Volksgerichtshof in mehr als 50 Prozessen über 110 Personen des 20. Juli 1944 zum Tod; 89 davon wurden bis zum 30. April 1945 im Gefängnis Berlin-Plötzensee erhängt. Insgesamt wurden etwa 200 Personen als Beteiligte hingerichtet.
Ab dem 16. Januar 1945 lebte Hitler meist in den Räumen des Bunkers im Garten der Alten Reichskanzlei in Berlin. Seine letzte Rundfunkansprache hielt er am 30. Januar 1945. Bei seinem letzten öffentlichen Auftritt am 20. März 1945 zeichnete er 20 Hitlerjungen und 30 SS-Soldaten mit dem Eisernen Kreuz für ihren Fronteinsatz aus. Als US-Präsident Franklin D. Roosevelt am 12. April 1945 starb, hoffte Hitler kurzzeitig auf einen Zerfall der Anti-Hitler-Koalition und drängte die Soldaten der Wehrmacht mit der Drohung sowjetischer Gräueltaten am 16. April nochmals zum bedingungslosen Weiterkämpfen. Am 20. April 1945 empfing er im Führerbunker letztmals Gäste zu seinem Geburtstag. Am 22. April erlitt er einen Nervenzusammenbruch, als er erfuhr, dass SS-Obergruppenführer Felix Steiner den befohlenen Entsatzangriff seiner Armeegruppe in der Schlacht um Berlin als undurchführbar verweigert habe. Hitler klagte, alles sei verloren, auch die SS habe ihn verraten, und entließ Teile seines Stabes. Er beschloss, in Berlin zu bleiben, und beauftragte seinen Chefadjutanten, SS-Obergruppenführer Julius Schaub, alle Papiere und Dokumente aus seinen Privattresoren in Berlin, München und auf dem Berghof zu verbrennen. Am 23. April 1945 telegrafierte Göring aus Berchtesgaden an Hitler, er (der Reichsmarschall) betrachte sich für den Fall, dass Hitler weiterhin in Berlin ausharre und bis 22 Uhr keine anderslautende Mitteilung einginge, gemäß der im Juni 1941 per Erlass getroffenen Regelung ab sofort als Nachfolger des Führers mit allen Vollmachten. Hitler interpretierte dies als versuchten Staatsstreich und unterzeichnete einen von Martin Bormann aufgesetzten Funkspruch, wonach der Reichsmarschall seiner Ämter enthoben und sofort wegen Hochverrats zu verhaften sei. Göring wurde daraufhin in seinem Haus im Führersperrgebiet Obersalzberg von der SS verhaftet. Am 25. April meldete der Großdeutsche Rundfunk, Göring sei aufgrund von Herzproblemen von all seinen Ämtern zurückgetreten. Am 25. April hörte Hitler von der Siegesfeier von US-Soldaten mit Rotarmisten in Torgau und von der Einkesselung ganz Berlins durch die Rote Armee. Er ließ sich laufend über deren Vorrücken in das Stadtzentrum unterrichten. nach Hitlers Tod, 2. Mai 1945 Am 27. April soll Hitlers Entschluss zum Suizid festgestanden haben, um Rotarmisten nicht lebend in die Hände zu fallen und einer Strafe für seine Verbrechen zu entgehen. Am 28. April erfuhr er von Himmlers seit Monaten laufenden Geheimverhandlungen mit den Westalliierten über einen Separatfrieden und seinem „Angebot“, dafür den laufenden Holocaust an den ungarischen Juden einzustellen. Die Westalliierten gaben Himmlers Gesprächsangebot an die Presse weiter. Hitler reagierte mit einem Wutanfall. Aus Rache an Himmler ließ er den Verbindungsoffizier der Waffen-SS zum Führerhauptquartier, Hermann Fegelein, festnehmen und erschießen. Gegen Mitternacht heiratete er seine Lebensgefährtin Eva Braun. Danach diktierte er seiner Sekretärin Traudl Junge sein politisches und sein privates Testament, in denen er seinen Suizid ankündigte. In seinem politischen Testament ernannte er Karl Dönitz zu seinem Nachfolger als Reichspräsident und Oberbefehlshaber der Wehrmacht, Goebbels zum neuen Reichskanzler, schloss Göring und Himmler aus der NSDAP aus und rief die Deutschen zur unbedingten Fortsetzung des Krieges auf sowie zur Einhaltung der Nürnberger Gesetze und weiteren Judenvernichtung – umschrieben als „unbarmherzigen Widerstand“. Am Abend des 29. April erfuhr er von Mussolinis Erschießung am Vortag und vielleicht von der Schändung seiner Leiche. Dies bestärkte seinen Entschluss zum Suizid. Am 29. April weigerte sich General Walther Wenck, seine 12. Armee noch wie befohlen nach Norden in den Berliner Endkampf zu führen, und rettete stattdessen die Reste der 9. Armee im Kessel von Halbe. Am 30. April mittags verteilte Hitler Giftampullen an seine Begleiter und erlaubte ihnen private Ausbruchsversuche. Die Wirkung des Giftes ließ er vorher an seiner Schäferhündin erproben, ohne dabei anwesend zu sein. Etwa um 15:30 Uhr schluckte Eva Braun Zyankali; Hitler erschoss sich. Martin Bormann und andere aus dem Führerbegleitkommando verbrannten wie befohlen ihre Leichen im Garten der Neuen Reichskanzlei und begruben die Überreste mit anderen Leichen in einem Bombenkrater in der Nähe des Bunkerausgangs. Das OKW meldete Hitlers Tod erst am Abend des 1. Mai über den noch verbliebenen Reichssender Hamburg und verschwieg dabei seinen Suizid. Dönitz ließ gemäß Hitlers letztem Willen zunächst weiterkämpfen, am 8. Mai 1945 erfolgte jedoch die bedingungslose Kapitulation der Wehrmacht. Damit endete der Zweite Weltkrieg in Europa. Weltweit hatten mehr als 66 Millionen Menschen ihr Leben verloren, weitere Millionen wurden verletzt, zu dauerhaft Kriegsversehrten, obdachlos, vertrieben, deportiert oder inhaftiert. Viele Städte Europas und Ostasiens waren zerstört. Das Deutsche Reich wurde in vier Besatzungszonen aufgeteilt und seine Ostgebiete abgetrennt und teils unter polnische, teils unter sowjetische Verwaltungshoheit gestellt. Knapp zwölf Millionen Deutsche wurden aus den damaligen Ostgebieten vertrieben. Auch die jahrzehntelange Teilung Europas und die Deutschlands waren direkte Folgen der Politik Hitlers.
Nach der Einnahme der Reichskanzlei stellte die Rote Armee die Überreste Adolf Hitlers und Eva Brauns sicher, und das NKWD ermittelte umfassend die genauen Todesumstände. So identifizierte Fritz Echtmann, langjähriger Assistent von Hitlers Zahnarzt Hugo Blaschke, am 10. Mai 1945 im Auftrag des sowjetischen Geheimdienstes Gebissteile und Zahnbrücken der beiden Toten, was durch spätere Untersuchungen bestätigt wurde. Zur gleichen Zeit machte die Rote Armee den Suizid Hitlers in ihrer Zeitung Krasnaja Swesda publik. Stabsoffiziere der Sowjetarmee wiederholten dies noch am 5. Juni 1945 gegenüber ihren US-amerikanischen Kollegen. Aber schon vier Tage später dementierte der sowjetische Oberbefehlshaber Georgi Schukow auf Befehl Stalins ihre Aussagen. In der Folge startete die Sowjetunion eine regelrechte Desinformationskampagne um Hitlers Tod, die für Jahrzehnte Stoff für Verschwörungstheorien lieferte. Agenten des NKWD nahmen Echtmann und weitere Personen, die das Ende Hitlers bezeugen konnten, fest und ließen sie für Jahre in der Sowjetunion verschwinden. Die Ergebnisse ihrer Verhöre präsentierte Innenminister Sergei Kruglow im Dezember 1949 Stalin in einem Geheimdossier. Gegenüber den Verbündeten hielt Stalin jedoch an der Behauptung fest, Hitler sei womöglich im letzten Moment aus dem belagerten Berlin entkommen. Den Grund dafür sehen Historiker wie Richard J. Evans darin, dass Stalin ein von Hitler ausgehendes Bedrohungsszenario aufrechterhalten und eine harte Besatzungspolitik rechtfertigen wollte.
Aufgrund der so erzeugten Verwirrung stellte der britische Geheimdienst MI5 eigene Nachforschungen an und beauftragte Ende 1945 den Historiker Hugh Trevor-Roper mit einer genauen Untersuchung. Dieser fand Indizien wie eine Kopie von Hitlers Testament und sprach mit einer Reihe von Personen, die sich in der Schlussphase des Krieges im Bunker aufgehalten hatten. Sein 1947 veröffentlichtes Werk Hitlers letzte Tage, das die Hitler-Tod-Forschung begründete, stellte die heute bekannten Tatsachen bereits weitgehend korrekt dar, beruhte aber zum Teil auf Hörensagen und war unvollständig, da die sowjetischen Behörden wichtige Zeugen weiterhin festhielten. Erst nach deren Entlassung Mitte der 1950er Jahre wurden weitere Details bekannt. Vor dem Amtsgericht Berchtesgaden schilderten Hitlers Adjutant Otto Günsche und andere Augenzeugen, was sich am 30. April 1945 im Bunker und im Garten der Reichskanzlei zugetragen hatte. Aufgrund dieser Aussagen erklärte das Gericht Hitler am 25. Oktober 1956 offiziell für tot. Hitlers Nachlass, sein Vermögen und seine Urheberrechte – etwa an seinem Buch Mein Kampf – waren bereits zuvor an den bayerischen Staat gefallen. Am 15. Oktober 1948 hatte die Spruchkammer München I einen Rechtstitel erwirkt, wonach Hitler als Hauptschuldiger im Sinne der Entnazifizierung anzusehen sei, um sein Vermögen als Sühnemaßnahme einziehen zu können. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft Wien zog auch die Republik Österreich durch ein Urteil vom 5. September 1952 Hitlers Vermögen ein. Dabei ging es vor allem um Objekte, die zum Bestand des geplanten „Linzer Kunstmuseums“ gehörten. Trotz alledem gab die bewusste Verschleierung der Wahrheit durch die Sowjetunion bis in die 1980er Jahre hinein den unwahrscheinlichsten Verschwörungserzählungen Raum. Insbesondere Boulevardmedien veröffentlichten immer neue Sensationsstorys, nach denen es Hitler und Eva Braun gelungen sein soll, aus dem belagerten Berlin zu entkommen. Einmal sollten sie mit einem U-Boot nach Argentinien, einmal nach Japan gelangt sein. Hitler wurde u. a. in Indonesien, Kolumbien, Spanien, Albanien, Bayern und der Schweiz vermutet. Weder Trevor-Ropers Bericht noch die Widerlegung der Mythen um Hitlers angebliches Überleben durch den amerikanischen Historiker Donald M. McKale aus dem Jahr 1981 machte auf die Anhänger der Verschwörungstheorien Eindruck. Erst das Ende der Sowjetunion und die Öffnung ihrer Archive brachten zu Beginn der 1990er Jahre letzte Gewissheit. Nun wurde bekannt, dass Einheiten der Roten Armee die Überreste Hitlers und Eva Brauns neunmal an verschiedenen Orten in Berlin, Finow, Rathenow, Stendal und Magdeburg begraben hatten, bevor sie 1970 in Schönebeck (Elbe) bis auf wenige Bruchstücke vollständig verbrannt wurden. Die Asche wurde bei Biederitz in die Ehle, einen Nebenfluss der Elbe, gestreut. Hitler zugeschriebene Schädelfragmente, die im Staatsarchiv der Russischen Föderation liegen, wurden 2017 erstmals wissenschaftlich untersucht. Demnach stammt das Stück der Schädeldecke von einer erwachsenen Person. Am linken Scheitelbein wurde ein sechs Millimeter großes Austrittsloch eines Projektils festgestellt. Ein Gebiss, das im Archiv des russischen Geheimdienstes FSB aufbewahrt wird, ließ sich Hitler zuordnen. Zyanid-Rückstände daran legen nahe, dass er Suizid verübte, indem er eine Zyanidkapsel zerbiss und sich gleichzeitig in den Kopf schoss.
Im persönlichen Gespräch ließ Hitler sich als „Mein Führer“ anreden. Enge Freunde durften seit etwa 1921 seinen Lieblingsspitznamen „Wolf“ verwenden. Im Krieg wählte Hitler für einige Führerhauptquartiere Namen, die das Wort Wolf enthielten. Vom 1. Mai 1920 bis zum 5. Oktober 1929 wohnte Hitler in München in der Thierschstraße 41 im Stadtteil Lehel. 1929 zog er in eine 9-Zimmer-Wohnung im Stadtteil Bogenhausen, Prinzregentenplatz 16, ein. Ab 1934 nutzte er die Wohnung kaum mehr, obwohl sie seine Meldeadresse blieb. Im Sommer 1933 kaufte er das Haus Wachenfeld auf dem Obersalzberg bei Berchtesgaden und ließ es bis Mitte 1936 zum Berghof umbauen. Zwischen 1926 und 1931 korrespondierte er vertraulich mit Maria Reiter, einer Urlaubsbekanntschaft, lehnte aber ihren Ehewunsch ab. 1928 mietete er auf dem Obersalzberg ein Landhaus, in das seine Halbschwester Angela Raubal und deren beide Töchter einzogen. 1929 ließ er seine Halbnichte Geli Raubal in seine Münchner Wohnung einziehen und zwang sie, eine Liebesbeziehung zu seinem Chauffeur Emil Maurice zu beenden. Am 19. September 1931 wurde sie mit seinem Revolver erschossen aufgefunden; ein Suizid wurde angenommen. Hitler nutzte diesen Verlust zur Selbstdarstellung gegenüber Parteifreunden: Er wolle „[…] nur noch uneigennützig seiner politischen Mission zum Wohle des deutschen Volkes […] dienen.“ Seit Januar 1932 kamen Gerüchte auf, dass Hitler mit Eva Braun, einer Angestellten seines Fotografen Heinrich Hoffmann, ein intimes Verhältnis habe. Nach einem Suizidversuch von ihr ging er ein festeres Verhältnis zu ihr ein, das er jedoch bis zu seinem Tod nicht öffentlich bekannt machte. Eine Ehe mit ihr lehnte er bis kurz vor ihrem gemeinsamen Selbstmord ab. Hitler war seit seiner Jugendzeit Nichtraucher. Nach seiner Haftentlassung 1924 schränkte er seinen Konsum von Alkohol und Fleisch ein. Ab 1932 ernährte er sich aus Furcht vor Magenkrebs vegetarisch. Diese Gewohnheit thematisierte er in Monologen vor engsten Anhängern als Mittel für die nationalsozialistische Gesundheitspolitik nach dem Krieg. Seit dem Ersten Weltkrieg mochte und hielt Hitler Hunde. Oft ließ er sich mit seiner Schäferhündin Blondi vor idyllischen Landschaften abbilden, um so seine private angebliche Tierliebe und Naturverbundenheit vorzuführen, den Deutschen Identifikation zu ermöglichen und eine verbreitete Sehnsucht nach Harmonie zwischen Führer und Geführten zu bedienen. Hitler lehnte Hochschulen, Professoren („Profaxe“) und etablierte Wissenschaft lebenslang ab und eignete sich Detailwissen autodidaktisch an. Er konnte sich gelesene Informationen dauerhaft merken und flocht sie bei Bedarf ohne Herkunftsangaben in Reden, Gespräche oder Monologe ein, um sie als eigene Ideen auszugeben. Er besaß 16.000 Bücher, von denen noch rund 1.200 erhalten sind und in der Library of Congress in Washington stehen. Rund die Hälfte davon ist militärische Gebrauchsliteratur; mehr als jedes zehnte Buch behandelt rechte Esoterik, Okkultismus, deutschnationale und antisemitische Themen. Nur wenige Werke gehören zur schönen Literatur, etwa einige Dramen William Shakespeares. Zwischen 1919 und 1921 lieh sich Hitler aus der Bibliothek des Starnberger Zahnarztes Friedrich Krohn verschiedene Werke aus, etwa von Leopold von Ranke, zur Russischen Revolution, von Montesquieu, Jean-Baptiste Rousseau, Immanuel Kant, Schopenhauer, Oswald Spengler, aber auch von Antisemiten wie Houston Stewart Chamberlain, Henry Ford, Anton Drexler, Gottfried Feder und Dietrich Eckart. Während seiner Haftzeit in Landsberg soll sich Hitler mit Karl Marx, Friedrich Nietzsche, Heinrich von Treitschke und Otto von Bismarck befasst haben. Anstreichungen und Randnotizen zeigen sein Leseverhalten. Er beherrschte keine Fremdsprache, nur etwas Französisch seit seiner Realschulzeit. Auslandspresseberichte ließ er sich von seinem Chefdolmetscher Paul-Otto Schmidt übersetzen.
Die Hitler-Forschung fragt vor allem, wie Hitler ohne berufliche und charakterliche Qualifikation zum Kanzler und Diktator aufsteigen konnte, welche Ziele er hatte und welche Rolle er im NS-Staat spielte, besonders im Krieg und beim Holocaust. Friedrich Meinecke war 1946 der Ansicht, Hitler sei vom preußischen Militarismus stark gefördert worden, habe die Kanzlerschaft nur zufällig von Hindenburg erhalten. Mit ihm sei ein „satanisches Prinzip“ und „innere Fremdherrschaft“ in die deutsche Geschichte getreten. Diese Sicht diente in der Nachkriegszeit dazu, „alles oder fast alles Hitler und eben nicht ‚den Deutschen‘ zur Last“ zu legen. Schon 1936 hatte Konrad Heiden Hitlers Politik als detaillierten Plan zum Erringen der Weltherrschaft beschrieben. Dagegen erklärte Hermann Rauschning 1939, Hitler sei ein Machtpolitiker ohne klare Ziele und benutze außenpolitische Gelegenheiten nur für Machtgewinn. Dieser Sicht folgte 1952 Alan Bullock, der erste international anerkannte Hitlerbiograf: Hitler sei ein „völlig prinzipienloser Opportunist“ mit nur einer Idee gewesen, nämlich „seine eigene und die Macht der Nation, mit der er sich identifizierte, immer weiter auszudehnen“. Laut Alan J. P. Taylor (1961) wollte Hitler wie frühere deutsche Politiker nur Deutschlands kontinentale Großmachtstellung wiederherstellen. Dagegen begründete Hugh Trevor-Roper 1960 mit späteren Aussagen Hitlers seine Ansicht, Hitler habe konsequent sein frühes Lebensraum-Konzept durchgehalten und verwirklicht. Günter Moltmann vertrat 1961 die Ansicht, Hitler habe die Weltherrschaft angestrebt. Andreas Hillgruber führte 1963 aus: Hitler habe zuerst Kontinentaleuropa, dann den Nahen Osten und die britischen Kolonien erobern wollen, um später die USA besiegen und die Welt beherrschen zu können. Klaus Hildebrand, Jost Dülffer, Jochen Thies, Milan Hauner und andere „Globalisten“ stützten Hillgrubers These mit Spezialuntersuchungen. Auch für die „Kontinentalisten“ (Trevor-Roper, Eberhard Jäckel, Axel Kuhn) bestimmte Hitler die NS-Außenpolitik und hielt sein rassistisches Lebensraumprogramm und eine dauerhafte Weltmachtstellung Deutschlands bei allen taktischen Wendungen als Kernziele durch. Schon 1941 meinte Ernst Fraenkel: Die Konkurrenz zwischen Verwaltungsbehörden und NSDAP habe Hitlers Handlungsspielraum begrenzt. In den 1970er Jahren stritt die Forschung darüber, ob eher individuelle Absichten oder eher allgemeine Entwicklungen und anonyme Machtstrukturen die NS-Zeit bestimmten und ob Hitler eher ein „starker“, die Geschichte eigenwillig bestimmender oder eher ein „schwacher“, auf Zeitumstände und Sachzwänge reagierender Diktator war. Hitlers Rolle beim Holocaust war besonders umstritten. „Intentionalisten“ wie Hillgruber und Jäckel sahen Hitlers „rassenideologisches Programm“ und konsequent verfolgte Vernichtungsabsicht als entscheidenden Faktor, auch wenn er nicht jede einzelne Eskalationsstufe des Holocaust initiiert habe. „Funktionalisten“ wie Hans Mommsen und Martin Broszat dagegen erklärten den Holocaust aus einer kumulierenden Eigendynamik und einem komplexen Bedingungsgeflecht von vorauseilendem Gehorsam, innenpolitischer Funktionalisierung und selbstgeschaffenen Sachzwängen. Hitlers antisemitische Rhetorik habe diesen Prozess nur ausgelöst. Neuere Spezialuntersuchungen zum „Räderwerk der Vernichtung“ haben diesen Deutungsstreit überholt. Im Prozess (1995–2000) gegen den Holocaustleugner David Irving belegte Peter Longerich mündliche Befehle Hitlers zur Judenvernichtung und seine treibende Kraft bei deren Durchführung. Auch Raul Hilberg, dessen Monographie Die Vernichtung der europäischen Juden 1961 den Holocaust aus dem Zusammenspiel der verschiedenen Machtgruppen und Behörden im NS-System erklärte, betonte 2002: Dass Hitler seinen Antisemitismus „zum Regierungsprogramm machte, führte zum Mord an den europäischen Juden“. Kershaw fasste 2009 zusammen: 1961 hatte Waldemar Besson eine Biografie, die Hitler als prägenden Repräsentanten der NS-Zeit darstelle, zur wichtigsten Aufgabe der Geschichtsschreibung erklärt. Die NS-Forschung verwarf Hitlerbiografien von Zeitzeugen wie Helmut Heiber (1960), Hans Bernd Gisevius (1963), Ernst Deuerlein (1969), Robert Payne (1973) wie auch Bestseller von Geschichtsrevisionisten wie Erich Kern, David Irving und Werner Maser sowie Werke zur Psychopathographie Adolf Hitlers von Walter Charles Langer, Rudolph Binion und Helm Stierlin als wissenschaftlich wenig ertragreiche „Hitler-Welle“. Auch die Hitlerbiografie von Joachim Fest (1973) wurde als auf die Einzelperson fixierter „Hitlerismus“ kritisiert, da sie großenteils auf seinen Gesprächen mit Albert Speer beruhe und Hitlers Vernichtungspolitik aus einem selbstzerstörerischen Charakterzug erkläre. Broszat lehnte jede Erklärung von Hitlers Politik nach 1933 aus seiner frühen Biografie als unzulässigen Rückschluss von historischen Wirkungen auf persönliche Ursachen ab. Faschismustheorien wiederum sahen Hitler nur als austauschbare Figur und vernachlässigten seine individuellen Absichten und Taten. In der DDR erschien deshalb keine Hitlerbiografie. Gerhard Schreiber stellte 1983 als westlichen Forschungskonsens heraus: Hitler sei für den Nationalsozialismus unersetzlich und die NS-Zeit ohne ihn undenkbar gewesen. Diese Wirkung hätten auf Hitlers „Persönlichkeit“ fokussierte Biografien kaum erklärt. Man müsse auch die historischen Bedingungen für seinen Werdegang darstellen. Diesem Anspruch versuchte Ian Kershaw mit seiner zweiteiligen Hitlerbiografie (1998; 2000) zu genügen. Er erklärt Hitlers Aufstieg mit Max Webers Modell der „charismatischen Herrschaft“: Aufgrund der sozialen Bedingungen nach dem Ersten Weltkrieg habe der „Führermythos“ Hitlers Popularität und seine späteren Anfangserfolge begründet. Seine Macht habe darauf beruht, dass seine Anhänger und große Teile der deutschen Gesellschaft bereit waren und sich verpflichteten, auch ohne direkte Befehle „im Sinne des Führers ihm entgegenzuarbeiten“, wie es der NSDAP-Beamte Werner Willikens 1934 ausdrückte. Ludolf Herbst kritisierte: Kershaw deute Hitlers charismatische Herrschaft als vom Glauben der Beherrschten getragene soziale Beziehung und somit als Produkt gesellschaftlicher Erwartungen. Dabei bleibe unbeachtet, ob und wie dieses Charisma den politischen Alltag bestimmt habe. Ein Glaube der meisten Deutschen an außergewöhnliche Fähigkeiten Hitlers, der die NS-Herrschaft legitimiert habe, sei nicht beweisbar. Die NS-Propaganda habe Hitlers Charisma künstlich geschaffen, um Heilserwartungen der Deutschen auszunutzen. Brendan Simms äußerte im Jahr 2020 seine Ansicht, dass alle bisherigen Veröffentlichungen über Adolf Hitler dessen Aversion gegen das Vereinigte Königreich und die Vereinigten Staaten im Allgemeinen und gegen den amerikanisch dominierten internationalen Kapitalismus im Besonderen außer Acht ließen und dass diese mit Respekt durchsetzte Ablehnung gegenüber den Briten und Amerikanern, die Hitler im Ersten Weltkrieg entwickelte, wesentlich seine Weltanschauung prägte, von der er sich leiten ließ.
** Band 1: Eine Abrechnung. Franz Eher Verlag, München (Juli) 1925; 2. Auflage ebenda (Dezember) 1925; weitere Auflagen: 1926, 1932 ff. ** Band 2: Die nationalsozialistische Bewegung. Franz Eher Verlag, München (Dezember) 1926; 2. Auflage ebenda 1927; weitere Auflagen: 1932 ff. * Adolf Hitlers Reden. Hrsg. von Ernst Boepple. Boepple, München 1925. * Die Südtiroler Frage und das deutsche Bündnisproblem. Eher, München 1926. * Die Reden Hitlers am Reichsparteitag 1933. Eher, München 1934. * Rede des Reichskanzlers Adolf Hitler vor dem Reichstag am 13. Juli 1934. Müller, Berlin 1934. * Die Reden Hitlers am Parteitag der Freiheit 1935. Eher, München 1935. * Reden des Führers am Parteitag der Ehre 1936. 6. Auflage. Eher, München 1936. * Führerbotschaft an Volk und Welt. Eher, München 1938. * Reden des Führers am Parteitag Großdeutschland 1938. 6. Auflage. Eher, München 1939. * Reichstagsrede vom 6. Oktober 1939. Eher, München 1939. * Der großdeutsche Freiheitskampf. Reden Adolf Hitlers. Hrsg. von Philipp Bouhler. 3 Bände. Eher, München 1940–1943. * Hitler. Reden, Schriften, Anordnungen. Februar 1925 bis Januar 1933. Hrsg. vom Institut für Zeitgeschichte. De Gruyter Saur, München 1992–2003. ** Band I: Die Wiedergründung der NSDAP. Februar 1925 – Juni 1926. Herausgegeben und kommentiert von Clemens Vollnhals. München 1992. ** Band II: Vom Weimarer Parteitag bis zur Reichstagswahl. Juli 1926 – Mai 1928. Herausgegeben und kommentiert von Bärbel Dusik. München 1993. *** Teil I: Juli 1926 – Juli 1927 *** Teil II: August 1927 – Mai 1928 ** Band II/A: Außenpolitische Standortbestimmung nach der Reichstagswahl. Juni–Juli 1928. Eingeleitet von Gerhard L. Weinberg. Herausgegeben und kommentiert von Gerhard L. Weinberg, Christian Hartmann und Klaus A. Lankheit. München 1995. ** Band III: Zwischen den Reichstagswahlen. Juli 1928 – September 1930. *** Teil 1: Juli 1928 – Februar 1929. Herausgegeben und kommentiert von Bärbel Dusik und Klaus A. Lankheit unter Mitwirkung von Christian Hartmann. München 1994. *** Teil 2: März 1929 – Dezember 1929. Herausgegeben und kommentiert von Klaus A. Lankheit. München 1994. *** Teil 3: Januar 1930 – September 1930. Herausgegeben und kommentiert von Christian Hartmann. München 1995. ** Band IV: Von der Reichstagswahl bis zur Reichspräsidentenwahl. Oktober 1930 – März 1932. *** Teil 1: Oktober 1930 – Juni 1931. Herausgegeben und kommentiert von Constantin Goschler. München 1994. *** Teil 2: Juli 1931 – Dezember 1931. Herausgegeben und kommentiert von Christian Hartmann. München 1995. *** Teil 3: Januar bis März 1932. Herausgegeben und kommentiert von Christian Hartmann. München 1997. ** Band V: Von der Reichspräsidentenwahl bis zur Machtergreifung. April 1932 – Januar 1933. *** Teil 1: April 1932 – September 1932. Herausgegeben und kommentiert von Klaus A. Lankheit. München 1996. *** Teil 2: Oktober 1932 – Januar 1933. Herausgegeben und kommentiert von Christian Hartmann und Klaus A. Lankheit. München 1998. ** Band VI: Register, Karten und Nachträge. Herausgegeben und kommentiert von Christian Hartmann Katja Klee und Klaus A. Lankheit. München 2003. ** Ergänzungsband: Der Hitler-Prozess 1924. Herausgegeben von Lothar Gruchmann und Reinhard Weber unter Mitarbeit von Otto Gritschneder. München 1997–1999. * Josef Becker, Ruth Becker (Hrsg.): Hitlers Machtergreifung. Dokumente vom Machtantritt Hitlers 30. Januar 1933 bis zur Besiegelung des Einparteienstaates 14. Juli 1933. Dtv, Neuauflage 1996, ISBN 3-423-02938-2. * Robert Eikmeyer (Hrsg.): Adolf Hitler: Reden zur Kunst und Kulturpolitik. 1933–1939. Mit einer Einführung von Boris Groys. Revolver, Frankfurt am Main 2004, ISBN 3-86588-000-2. * Christian Hartmann u. a. (Hrsg.): Hitler, Mein Kampf. Eine kritische Edition (2 Bände). Institut für Zeitgeschichte, München/Berlin 2016, ISBN 978-3-9814052-3-1. * Institut für Zeitgeschichte (Hrsg.): Hitlers zweites Buch. Ein Dokument aus dem Jahr 1928. Eingeleitet und kommentiert von Gerhard Ludwig Weinberg, mit einem Geleitwort von Hans Rothfels. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1961. * Werner Jochmann (Hrsg.): Monologe im Führerhauptquartier 1941–1944. Aufgezeichnet von Heinrich Heim (1980). Sonderauflage, Orbis, München 2000, ISBN 3-572-01156-6. * Henry Ashby Turner: In: Ders.: Faschismus und Kapitalismus in Deutschland. Studien zum Verhältnis zwischen Nationalsozialismus und Wirtschaft. 2. Auflage. V&R, Göttingen 1980, S. 33–59.
1937 benannte der österreichische Käfersammler Oskar Scheibel eine von ihm neu entdeckte Laufkäferart nach Adolf Hitler Anophthalmus hitleri. Für nach Hitler benannte Straßen und Plätze siehe Adolf Hitler als Namensgeber von Straßen und Plätzen.
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Algerien
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(arabisch) (Tamazight) * 240 Milliarden USD (54.) * 777 Milliarden USD (40.) Algerien (; , und ; amtlich , auf ) ist ein Staat im Nordwesten Afrikas. Algerien, als mittleres der Maghrebländer, ist – seit der Trennung des Südsudans vom Sudan – der Fläche nach der größte Staat des afrikanischen Kontinents und der zehntgrößte Staat der Welt. Die Fläche beträgt das Dreifache der Fläche der Türkei oder 6 mal die Fläche Deutschlands. Nach Einwohnern lag Algerien im Jahr 2017 innerhalb Afrikas mit gut 41 Millionen an achter Stelle. Es grenzt im Norden an das Mittelmeer, im Westen an Mauretanien, Marokko und die von Marokko beanspruchte Westsahara, im Süden an Mali und Niger und im Osten an Libyen sowie Tunesien. Das Land ist nach seiner Hauptstadt Algier () benannt. Weitere bedeutende Großstädte sind Oran, Constantine, Annaba und Batna. Das Land wurde nach Ende des Algerienkriegs (1954–1962) unabhängig. Mit der Verfassung von 1996 trat ein semipräsidentielles Regierungssystem in Kraft.
Jenseits der markanten Südabdachung des Atlasgebirges, die am Schott Melghir im östlichen Tiefland bis 35 m unter Meeresniveau abfällt, breitet sich die algerische Sahara aus; sie nimmt mit gut zwei Millionen Quadratkilometern 85 % der Landesfläche ein. An einen Streifen Wüstensteppe im Norden schließen sich die ausgedehnten, fast vegetationslosen Sanddünengebiete des Östlichen Großen Erg, des Westlichen Großen Erg, des Erg Iguidi und des Erg Chech an. Zu einem größeren Teil wird die Sahara Algeriens von den steinigen Plateaus wie der Hammada du Draa oder der Hammada du Guir im Westen und von Stufenlandschaften (Tassili n'Ajjer im Südosten) eingenommen. Im Süden erhebt sich das im Tahat (höchster Berg Algeriens) 2908 m hohe Ahaggar-Massiv, ein wüstenhaftes Hochgebirge vulkanischen Ursprungs, das bis heute erdbebengefährdet ist. Südlich des Tassili n’Ajjer liegen die großen Dünengebiete des Tschadbeckens. Als längster unter den sonst meist kurzen Dauerflüssen in der Küstenregion des Tellatlas ist der Cheliff zu erwähnen. Weiter im Süden sind die Flusstäler Algeriens meist trocken (Wadis) und mitunter von Oasen gesäumt; durch heftige Regenfälle – auch in entfernteren Gebieten – kann ein Wadi unvermittelt zum reißenden Strom werden. Eines der längsten dieser Trockentäler hat der Wadi Igharghar geschaffen.
Algerien hat heute einen Waldanteil von nur 2 %, etwa 80 % des Landes sind nahezu vegetationslos. Gezielte Aufforstungsmaßnahmen wie der Barrage vert haben das Ziel, die Ausbreitung der Wüste zu bremsen. Zwischen 1990 und 2000 hat der Waldbestand um 1,3 % zugenommen. An der ausreichend beregneten Nordseite des Tellatlas wachsen mediterrane Sträucher wie Macchie, Aleppo-Kiefern, Korkeichen und Steineichen sowie (über 1600 m) Atlas-Zedern; in der Kabylei gibt es noch zusammenhängende Waldgebiete. Im Hochland der Schotts dominieren Steppen mit Halfagras und Wermutgewächsen. Die Gebirgssteppe des Saharaatlas geht nach Süden in die weitgehend vegetationslose Wüste über; Pflanzen (v. a. Dattelpalmen) wachsen nur in Randzonen und grundwasserbegünstigten Gebieten (Oasen). Das Ahaggar-Gebirge ist waldlos; stellenweise gibt es mediterrane Vegetation. An wildlebenden Tieren kommen Gazellen, Wüstenfüchse (Fenneks), Mähnenschafe, Berberaffen, vereinzelt Geparde, Springmaus, Schlangen, Echsen, Skorpione und verschiedene Vogelarten (darunter große Greifvögel) vor. Ursprünglich waren auch Berberlöwen und Atlasbären in Algerien heimisch. Die wildlebenden Bestände sind allerdings ausgestorben. Im Nationalpark Tassili n'Ajjer, der Weltnatur- und Weltkulturerbestätte der UNESCO, gibt es noch Bestände von Mähnenschafen und Dünengazellen sowie einige wenige Geparde.
Im Norden Algeriens, an der Südküste des Mittelmeers und im Atlasgebirge, lebt der Hauptteil der Bevölkerung. Der weitaus größere Südteil, in Algerien Le Grand Sud genannt, ist nur dünn besiedelt und wird von den Wüstenregionen der Sahara dominiert. Im Jahr 2023 lebten 75 Prozent der Einwohner Algeriens in Städten. Die größten Städte sind (Stand Zensus 2008): # Algier: 2.364.230 Einwohner # Oran: 803.329 Einwohner # Constantine: 448.028 Einwohner # Annaba: 342.703 Einwohner # Blida: 331.779 Einwohner
Blaue gepunktete Kurve: Gesamtbevölkerung jeweils zum 1. Juli in Tausend, "Mittlere Prognose" ("Medium variant") (linke y-Achse) Rote Kurve: Gesamtfruchtbarkeitsrate (Lebendgeburten pro Frau) (rechte y-Achse) Rote gepunktete Kurve: Gesamtfruchtbarkeitsrate (Lebendgeburten pro Frau), "Mittlere Prognose" ("Medium variant") (rechte y-Achse) Gelbe Kurve: Nettoreproduktionsrate (überlebende Töchter pro Frau) (rechte y-Achse) Gelbe gepunktete Kurve: Nettoreproduktionsrate (überlebende Töchter pro Frau), "Mittlere Prognose" ("Medium variant") (rechte y-Achse)|Datei:Algeria single age population pyramid 2020.png|Bevölkerungspyramide Algerien 2020 Algerien hatte 2022 44,9 Millionen Einwohner. Das jährliche Bevölkerungswachstum betrug + 1,6 %. Zum Bevölkerungswachstum trug ein Geburtenüberschuss (Geburtenziffer: 20,6 pro 1000 Einwohner vs. Sterbeziffer: 4,3 pro 1000 Einwohner) bei. Die Anzahl der Geburten pro Frau lag 2022 statistisch bei 2,8, die der Region Naher Osten und Nordafrika betrug 2,6. Die Lebenserwartung der Einwohner Algeriens ab der Geburt lag 2022 bei 77,1 Jahren. Der Median des Alters der Bevölkerung lag im Jahr 2021 bei 27,8 Jahren. Im Jahr 2023 waren 30,4 Prozent der Bevölkerung unter 15 Jahre, während der Anteil der über 64-Jährigen 6,6 Prozent der Bevölkerung betrug.
Die Bevölkerung in Algerien ist sehr ungleich verteilt. 96 % der Einwohner leben im Norden auf einem Fünftel der Staatsfläche. Im Jahr 2021 lebten 74 Prozent der Einwohner Algeriens in Städten, die vornehmlich im Küstenbereich liegen. Schätzungsweise 2,3 Millionen Algerier leben im Ausland, davon über 1,5 Millionen in Frankreich. Diese bilden die größte islamische Bevölkerungsgruppe in Frankreich. Ursachen der hohen Auswanderungsquote sind hauptsächlich das rasche Bevölkerungswachstum und fehlende Arbeitsmöglichkeiten. 2017 waren nur 0,6 % der Bevölkerung Algeriens Ausländer. Das Land hat damit einen sehr niedrigen Migrantenanteil. Fast alle Algerier sind berberischer Herkunft; etwa 40 % bekennen sich zu ihrer berberischen Identität. Algerien erlebte im Zuge der Islamisierung im 7. und 8. Jahrhundert eine umfassende Arabisierung hinsichtlich Kultur, Sprache und Religion. sank nach Erlangung der Unabhängigkeit bis auf etwa 20.000. Nach Jahrhunderten osmanischer Herrschaft wird die Anzahl der Kulughli genannten osmanischstämmigen Bevölkerung (mit türkischen, kurdischen und teils armenischen Wurzeln) auf 600.000 bis 2 Millionen geschätzt.
Die Amtssprachen Algeriens sind Arabisch und verschiedene Berbersprachen (Tamazight). Französisch spielt eine wichtige Rolle als Bildungs-, Handels- und Verkehrssprache. Algerien gilt als das Land mit den meisten Französischsprechenden außerhalb Frankreichs; aus politischen Gründen bekennt es sich jedoch nicht zur Frankophonie. Staatliche Fernsehsender strahlen Nachrichten und Dokumentationen auch auf Französisch aus; im staatlichen Hörfunk ist eines der drei Hauptprogramme auf Französisch. Seit 2002 hat auch Tamazight den Status einer Nationalsprache, seit 2016 ist es Amtssprache, in der auch Radioprogramme sowie vereinzelt Fernsehsendungen ausgestrahlt werden. Als Schriftsprachen finden vor allem Französisch und Hocharabisch Verwendung; Initiativen der Regierung forcieren seit den 1970er Jahren den Gebrauch des Hocharabischen und eine Zurückdrängung des Französischen. Insbesondere in der Großen und Kleinen Kabylei ist Kabylisch als Schriftsprache verbreitet, doch sind dazu fast nur junge Menschen in der Lage, da die über 30-Jährigen in der Schule noch nicht auf Kabylisch alphabetisiert wurden. Heute (Stand 2014) ist die Muttersprache von etwa 70 % der Bevölkerung ein algerischer Dialekt des Arabischen (Darja), das sich vom Hocharabischen, das in Medien, Politik, Verwaltung und Schulen vorherrscht, deutlich unterscheidet. Die Muttersprache weiterer ca. 30 % der Bevölkerung ist Tamazight. Der Süden des Landes ist fast ausschließlich von Tamascheq-sprachigen Tuareg (die zu den Amazigh zählen) bewohnt. Französisch wird von fast allen Algeriern verstanden; der Grad der Beherrschung variiert jedoch stark. Ältere Menschen, deren Schulbildung vor der Umstellung des Schulsystems von Französisch auf Hocharabisch (1976) erfolgte, akademisch Gebildete und viele Bewohner der Kabylei sprechen meist fließend Französisch mit nahezu muttersprachlicher Kompetenz. Jüngere Menschen beherrschen das Französische dagegen in schriftlicher Form oft fehlerhaft und bedienen sich eines Français régional, einer Mischsprache aus Französisch und Darja. Eine kleine Minderheit im Westen von Algerien spricht Korandje, die nördlichste der Songhai-Sprachen.
Zwischen 98 % und 99 % der Bevölkerung bekennen sich zum Islam. Eine Minderheit, vor allem in Algerien lebende Ausländer und konvertierte Algerier, gehören dem Christentum in Algerien an, traditionellerweise der katholischen Kirche Algeriens. Im Gefolge des 1992 ausgebrochenen Bürgerkriegs zwischen Regierung und der Islamischen Heilsfront (FIS), die vor Massenmorden an Landsleuten nicht zurückschreckte, wandten sich einige Algerier, v. a. in der Kabylei, dem protestantischen Christentum zu. Die protestantischen Gemeinden in der Kabylei existieren teilweise schon seit den 1930er Jahren. Außerdem gibt es noch eine geringe Zahl an Einwohnern jüdischen Glaubens (heute weniger als 0,1 % der Bevölkerung). Die Mozabiten sind eine islamische Minderheit. Algerien hat den sunnitischen Islam zur Staatsreligion erklärt. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts gewann der Islam immer stärker an Einfluss im täglichen Leben der Algerier. Schon Algeriens Unabhängigkeitsbewegung war stark vom Islam durchdrungen, weshalb die Religionsführer nach dem Sieg über Frankreich mehr Rechte einforderten. Seit 1963 gilt das Staatsbürgerschaftsrecht auf islamischer Grundlage; seit 1964 wird an allen Schulen der Koran unterrichtet. Mit der Zeit wurde auch die Scharia als Grundlage des Rechtssystems eingeführt: Seit 1984 ist ein Familienrecht in Kraft, in dem die Benachteiligung bzw. Andersbehandlung von Frauen festgeschrieben wird. Ein am 28. März 2006 in Kraft getretenes Gesetz stellt die Missionierung von Muslimen durch andere Religionen unter hohe Strafen.
Lesefähigkeit der Bevölkerung Algeriens 1985–2015 Allgemeine Schulpflicht besteht für 6- bis 15-Jährige. Darauf können drei Jahre auf einer weiterführenden Schule folgen. Die Unterrichtssprachen sind Französisch und Arabisch. Die Bildungs- und Ausbildungsunterschiede zwischen Männern und Frauen sowie zwischen Stadt und Land sind immer noch erheblich. In Algerien stieg die mittlere Schulbesuchsdauer von 3,6 Jahren im Jahr 1990 auf 7,8 Jahre im Jahr 2015 an. Alphabetisierungsprogramme für Erwachsene und eine höhere Einschulungsrate ließen die Analphabetenquote in den letzten Jahrzehnten langsam auf mittlerweile 13 % bei den Männern und 27 % bei den Frauen sinken. Das Land hat 50 Universitäten, von denen die älteste 1909 in Algier gegründet wurde, und insgesamt 106 höhere Bildungseinrichtungen. Die Reform des algerischen Schulwesens mit dem Ziel einer grundlegenden Modernisierung des Schulunterrichts wird seit 2014 von der Regierung vorangetrieben. Den europäischen Fremdsprachen wird – nach den Jahren der Arabisierung des Schulsystems – eine wichtige Rolle zugeschrieben. Französisch ist erste, Englisch zweite, Deutsch, Spanisch oder Italienisch dritte Fremdsprache. In der Praxis leidet die Reform am Fachkräftemangel (Abwanderung von Lehrkräften ins Ausland, stagnierende Studentenzahlen/etwa 1,3 Millionen im Studienjahr 2014/15), dem Fehlen einer modernen Fremdsprachendidaktik und häufigen Streiks des Lehrpersonals. Nur ein Teil der algerischen Lehrer wurde an Hochschulen ausgebildet. Im PISA-Ranking von 2015 erreichten algerische Schüler Platz 71 in Mathematik, Platz 71 in den Naturwissenschaften und Platz 69 beim Leseverständnis; die Situation in insgesamt 72 Staaten wurde in der Studie untersucht.
Für alle Arbeitnehmer besteht eine allgemeine Sozialversicherung; ab dem 60. Lebensjahr wird eine Altersrente gezahlt. Ebenso gibt es Invaliden- und Hinterbliebenenrenten. Was fehlt, ist eine Arbeitslosenunterstützung – ein Manko, das bei der hohen Arbeitslosigkeit (2016: 12,4 %) beträchtliche soziale Auswirkungen hat. Der Standard des Gesundheitswesens ist trotz Verbesserungen noch unzureichend. Trotz allgemeiner kostenloser medizinischer Versorgung der Bevölkerung ist vor allem ein beträchtliches Stadt-Land-Gefälle zu beobachten. Die Gesundheitsausgaben des Landes betrugen im Jahr 2021 5,5 % des Bruttoinlandsprodukts. Im Jahr 2018 praktizierten in Algerien 17,3 Ärztinnen und Ärzte je 10.000 Einwohner. Die Sterblichkeit bei unter 5-Jährigen betrug 2022 21,8 pro 1000 Lebendgeburten. Die Lebenserwartung der Einwohner Algeriens ab der Geburt lag 2022 bei 77,1 Jahren, Männer: 75,9). Die Lebenserwartung stieg von 70,5 Jahren im Jahr 2000 bis 2022 um 9 %.
Schon seit dem 3. Jahrhundert hatte das Christentum in Nordafrika an Einfluss gewonnen. In den großen Städten waren mehrere Bistümer entstanden: So war der hl. Augustinus, der einflussreichste Kirchenlehrer des frühen Christentums, Ende des 4. Jahrhunderts Bischof von Hippo Regius, dem heutigen Annaba.
Um die Mitte des 7. Jahrhunderts stießen die Araber in den Maghreb vor. 697 eroberten sie einen Großteil des heutigen Algerien. Die Bevölkerung wurde größtenteils islamisiert. Im Laufe des 8. Jahrhunderts kam es wiederholt zu Aufständen der Berber gegen die arabischen Eroberer: 757 wurden die Berber-Reiche im Atlasgebirge vom Kalifat unabhängig, während die drei sich herausbildenden Fürstentümer der Idrisiden, Aghlabiden und Ziriden unter dessen Herrschaft gerieten. Im 11. Jahrhundert konnte sich die Berberdynastie der Almoraviden im Gebiet des heutigen Algerien durchsetzen; sie beherrschte das Land fast 100 Jahre, bis sie 1147 von den Almohaden abgelöst wurde. Diese Dynastie eroberte in der Folgezeit den Maghreb und Südspanien; in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts zerfiel das Reich dann jedoch. Ostalgerien wurde Teil eines tunesischen Fürstentums, im Westen bildete sich von 1269 an das Königreich der Abd-al-Wadiden mit der Hauptstadt Tlemcen heraus.
durch ein britisch-niederländisches Geschwader nach Nicolaas Baur 1818 Anfang des 16. Jahrhunderts versuchten die Spanier, an der algerischen Küste Fuß zu fassen. Daraufhin unterstellte sich das Land 1519 der Oberhoheit des Osmanischen Reiches und wurde dessen Vasall; Algerien wurde das Eyâlet Cezayir innerhalb des Osmanischen Reiches und später in ein Vilâyet umgewandelt. Es blieb bis 1830 unter osmanischer Oberhoheit, war jedoch ab 1711 faktisch unabhängig. Bis ins 19. Jahrhundert konnte sich Algerien gegen die Versuche der Spanier, Niederländer, Briten und Franzosen zur Eindämmung der Seeräuberei erfolgreich zur Wehr setzen; zu dieser Phase der Entwicklung siehe Barbaresken-Korsaren. Die Barbaresken-Piraten plünderten Schiffe von Nichtmuslimen auf dem Mittelmeer. Oft raubten die Piraten auch die Seeleute und Passagiere, um diese in die Sklaverei zu verkaufen. Schätzungen des Historikers Robert Davis gehen davon aus, dass zwischen dem 16. und 19. Jahrhundert etwa 1 Million bis 1,25 Millionen Europäer in der Sklaverei landeten, was die Brisanz des Phänomens in der Wahrnehmung durch die europäische Politik verdeutlicht. Aus der Zeit der Gewinnung europäischer Sklaven dienenden Raubzüge an den Küsten Europas stammt der Begriff Razzia, der zunächst diesen Vorgang bezeichnete. Das wachsende Problem wurde von den europäischen Anrainern zunehmend als politische und ökonomische Herausforderung betrachtet, sodass es schließlich als Begründung für Eroberungsversuche und letztlich auch die Kolonisierung nordafrikanischer Gebiete dienen konnte.
Erste Pläne zur Eroberung Algeriens durch Frankreich wurden unter Napoleon Bonaparte gefasst, 1830 begann die französische Invasion. Hintergrund waren innenpolitische Probleme Karls X.; als Begründung des Angriffes auf Algerien wurden vor allem das respektlose Verhalten des algerischen Dey (der berühmte Schlag mit dem Fliegenwedel), die von den nordafrikanischen Küsten ausgehende Piraterie und das Ziel der Verbreitung des Christentums angeführt. Dazu wurde 1831 die Fremdenlegion, die Légion étrangère, gegründet. Die vom Sufismus geprägten Algerier empfanden den französischen Vorstoß als Angriff des Christentums auf die Welt des Islams. Der junge Abd el-Kader wurde zu ihrem Führer und rief zum Dschihad auf. Nach massiven Rückschlägen wurde Thomas Robert Bugeaud Befehlshaber der französischen Truppen. Durch eine äußerst grausame Kriegsführung, auch gegen Zivilisten, besiegte er Abd el-Kader 1847. Die große Kabylei wurde bis 1855 erobert. In den folgenden Jahren wurden Aufstände der Algerier niedergeschlagen, sodass die Franzosen 1881 die vollständige Kontrolle über den Norden Algeriens erlangt hatten. Die algerische Bevölkerung hatte massive Verluste erlitten. Die staatlichen und religiösen Strukturen Algeriens wurden zerschlagen, das Gemeineigentum an Ländereien wurde aufgehoben. Zahlreiche Siedler, Italiener, Spanier, Franzosen und Malteser, strömten in die Siedlungskolonie, während die einheimischen Bauern in weniger fruchtbare Gebiete verdrängt wurden. Um die Jahrhundertwende eroberten die Franzosen auch die Saharagebiete Algeriens. Danach wurde Algerien in drei Départements gegliedert: Oran, Algier, Constantine. Die Bevölkerung Algeriens wurde durch den Code de l’indigénat von 1875 in Bürger erster und zweiter Klasse unterteilt, in französische Staatsbürger (zuerst nur Franzosen, seit 1889 auch Italiener, Malteser und Spanier) und französische Untertanen („sujets“) ohne Staatsbürgerschaft. Am 26. August 1881 wurden die drei Départements zum Bestandteil Frankreichs erklärt. Sie waren danach keine Kolonie mehr, sondern französisches Staatsgebiet mit denselben Rechten und Pflichten wie alle anderen Départements. Die Sahara-Gebiete blieben unter Militärverwaltung. Die nicht-französischen Europäer in Algerien assimilierten sich rasch an die französische Kultur. Eine Zwischenstellung erhielten die fast 40.000 zu französischen Staatsbürgern erklärt worden. In der Zeit bis zum Zweiten Weltkrieg erwarben die Europäer immer mehr Ackerland, teils durch Kauf, teils durch rechtliche Winkelzüge. 1936 hielten sie, die weiterhin eine kleine Minderheit der Gesamtbevölkerung bildeten, 40 % des fruchtbaren Landes. Dennoch lebte die Mehrheit der Europäer in den Städten. Die Zahl der muslimischen Algerier stieg nach 1870 von zwei auf neun Millionen, die Zahl der Europäer auf eine Million. Die muslimischen Algerier verarmten in 100 Jahren französischer Herrschaft, sodass Unterernährung bis hin zu Hungersnöten verbreitet war. Von der Bildung, die Frankreich als seinen zivilisatorischen Auftrag verherrlichte, waren fast alle Muslime ausgeschlossen. Reformversuche der französischen Politik, ob von konservativen oder sozialistischen Kräften, scheiterten, da sie meist nationalistisch gefärbt waren und nicht wagten, den Anspruch Frankreichs auf die Herrschaft über Algerien in Frage zu stellen. à Alger en 1857, 1857, Öl auf Leinwand, 90,5 × 117 cm, Musée national de la Marine, Toulon Zu Beginn des Ersten Weltkriegs waren rund 30.000 Algerier als Arbeitskräfte in Frankreich beschäftigt. Während des Krieges benutzte die französische Regierung die algerische Bevölkerung als wirtschaftliche und militärische Reserve. Insgesamt wurden in dieser Zeit 120.000 Algerier zur Arbeit nach Frankreich geholt. Weitere 173.000 dienten als Freiwillige oder Wehrpflichtige in den französischen Streitkräften. Bis 1939 fiel die Zahl der algerischen Arbeitsmigranten in Frankreich dann auf rund 32.000. Aus der Gruppe dieser Migranten entstand die Étoile Nord-Africaine, eine politische Partei der Algerier, die das Ziel einer Unabhängigkeit Algeriens von Frankreich verfocht. Aufschwung erhielt die Unabhängigkeitsbewegung insbesondere nach dem Massaker von Sétif; bei Unruhen in Sétif, Kherrata und Guelma waren zehntausende Algerier von der französischen Armee getötet worden. Als Reaktion auf das Erstarken der Unabhängigkeitsbewegung wurde im September 1947 durch das Algerien-Statut allen Algeriern die französische Staatsbürgerschaft zuerkannt, doch hielt dies den Kampf um die Loslösung von Frankreich nicht auf. Der 1954 beginnende und bis 1962 dauernde Algerienkrieg wurde von beiden Seiten mit äußerster Härte geführt. Die arabischen Algerier verübten Terroranschläge gegen europäische Soldaten und Zivilisten in Algerien. Das französische Militär wandte die Methoden der so genannten „französischen Doktrin“ an, die summarische Hinrichtungen, Folter und das Auslöschen ganzer algerischer Dörfer einschloss. Dieses Vorgehen erwies sich im Hinblick auf die Unterdrückung nationaler Aspirationen der Algerier zunächst als erfolgreich, führte aber nach Bekanntwerden der systematischen Menschenrechtsverletzungen innen- und außenpolitisch zu einer Schwächung Frankreichs. Unter der Führung der Nationalen Befreiungsfront (FLN), die konkurrierende Gruppierungen der Unabhängigkeitsbewegung bekämpfte und ausschaltete, erlangte Algerien die Unabhängigkeit, die am 18. März 1962 im Abkommen von Évian anerkannt und in zwei Referenden – in Frankreich wie in Algerien selbst – bestätigt wurde. Am 5. Juli (algerischer Nationalfeiertag neben dem Tag der Revolution am 1. November) 1962 wurde offiziell die Unabhängigkeit proklamiert. Die Gesamtzahl der in Algerien getöteten Muslime wurde von Frankreich später mit 350.000, von algerischen Quellen mit bis zu 1,5 Millionen angegeben.
Algerien entwickelte sich zu einer Volksrepublik mit der FLN als sozialistisch ausgerichteter Staatspartei. Erster Staatspräsident wurde Ferhat Abbas. Nach dessen Absetzung folgte 1963 Muhammad Ahmed Ben Bella, bis Verteidigungsminister Oberst Houari Boumedienne durch einen Militärputsch im Juni 1965 an die Macht gelangte. Seine Regierung versuchte zunächst, durch eine verstärkte Sozialisierungspolitik und Öffnung gegenüber dem Ostblock Algeriens wirtschaftliche Abhängigkeit von Frankreich zu überwinden. Ab 1972 verfolgte sie einen Kurs der Blockfreiheit und knüpfte Kontakte zu westlichen Ländern. Nach dem Tod Boumediennes am 27. Dezember 1978 übernahm Rabah Bitat kommissarisch das Präsidentenamt. Im Februar 1979 wurde Oberst Chadli Bendjedid zum Präsidenten gewählt. Nach den Oktober-Unruhen im Oktober 1988 gab die FLN schließlich ihr Machtmonopol auf. Ursachen waren unter anderem die hohe Arbeitslosigkeit und die Wohnungsnot. Eine Demokratisierung wurde eingeleitet und eine neue demokratische Verfassung, die die Trennung von Partei und Staat, parlamentarische Verantwortung, Pluralismus, politische Freiheiten und Garantien der Menschenrechte vorsah, geschaffen (Verfassung vom 19. November, drei Tage später in Kraft getreten; Änderungen am 3. November 1988, 23. Februar 1989 und 26. November 1996).
, Präsident von Algerien (1979–1992) Der wirtschaftliche Niedergang führte im Oktober 1988 zu spontanen Ausschreitungen in der Hauptstadt Algier, die bald auf andere Städte übergriffen und Hunderte von Todesopfern forderten. Bei der Parlamentswahl 1991/1992 befürchtete die Regierung einen Sieg der islamistischen Bewegung. Nach dem sich abzeichnenden Sieg der Islamischen Heilsfront (Front islamique du salut, FIS) wurden die Wahlen abgebrochen; Präsident Chadli Bendjedid trat unter dem Druck des Militärs zurück. Als Übergangspräsidenten setzte dieses zunächst Muhammad Boudiaf, nach dessen Ermordung Ali Kafi und schließlich 1994 General Liamine Zéroual ein. Im März 1992 wurde die Auflösung der FIS angeordnet, die daraufhin zum bewaffneten Kampf aufrief. Der Bürgerkrieg, der zwischen Islamisten und dem algerischen Militär geführt wurde, forderte über 120.000 Todesopfer. Im Februar 1995 starben beim Massaker im Serkadji-Gefängnis 95 Gefangene und vier Wärter. Die algerische Regierung wandte Vorgehensweisen eines „Schmutzigen Krieges“ an. Im September 1998 gründete der frühere GIA-Führer Hassan Hattab die „Salafistische Gruppe für Predigt und Kampf“ (französisch: „Groupe Salafiste pour la Prédication et le Combat“, GSPC). Sie wurde auf Rat von Osama bin Laden gebildet, des vormaligen Führers der international tätigen islamistischen Terrororganisation Al-Qaida, mit dem Ziel, den „heiligen Krieg“ (Dschihad) gegen die algerische Staatsmacht in seiner ursprünglichen Form wieder aufzunehmen. Wichtigstes innenpolitisches Ziel des im April 1999 mit Unterstützung des Militärs zum Staatspräsidenten gewählten Abd al-Aziz Bouteflika war die Beendigung der gewalttätigen Auseinandersetzungen durch eine „Politik der nationalen Versöhnung“. Während die algerische Führung zuvor die Zahl der Opfer des Bürgerkrieges meist mit nur rund 30.000 angegeben hatte, gab er zu, dass sie 1999 schon bei rund 100.000 lag. Im September 1999 wurde das von ihm vorgelegte „Gesetz zur Aussöhnung der Bürger“ (französisch: Loi de la Concorde Civile) vom Volk in einem Referendum bestätigt. Es sieht eine Amnestie für Terroristen vor, die ihre Waffen niederlegen und nicht schwere Verbrechen wie Mord, Vergewaltigung oder Bombenanschläge begangen haben. Wenig später entschied sich die „Islamische Heilsarmee“ (französisch: Armée Islamique du Salut, AIS), der bewaffnete Arm der seit 1992 verbotenen Partei Islamische Heilsfront (französisch: Front Islamique du Salut, FIS), die Waffen niederzulegen. Die „Bewaffnete Islamische Gruppe“ (französisch: Groupe Islamique Armé, GIA), bestand zwar weiterhin, ihre Reste waren aber, so Der Spiegel, in eine Art Banditentum abgeglitten, bei dem religiöse Motive nur noch als Bemäntelung von Kriminalität dienten. Nach einer Phase relativer Ruhe in den Jahren 1999/2000 nahmen die gewalttätigen Auseinandersetzungen wieder zu. Im April 2001 schlug die staatliche Gendarmerie Demonstrationen in der Kabylei nieder, einer hauptsächlich von Berbern bewohnten Bergregion im Norden Algeriens. Rund 60 Menschen starben.
Zur Entschärfung der Forderungen der Berber nach mehr Autonomie und demokratischer Partizipation begnadigte Bouteflika im August 2002 die Mehrheit der inhaftierten Demonstranten. Den Forderungen nach Abzug der Gendarmerie aus der Kabylei kam Bouteflika nicht nach. Wirtschaftspolitisch versuchte Bouteflika ein Privatisierungsprogramm durchzusetzen. 2003 mussten jedoch die zuständigen Minister Mourad Medelci und Abdelhamid Temmar unter dem Druck des einflussreichen Gewerkschaftsdachverbands UGTA zurücktreten. Er hatte im Februar 2003 – zum zweiten Mal seit Beginn des Jahrzehnts – einen dreitägigen Generalstreik organisiert, der sich gegen das Privatisierungsprogramm der Regierung richtete. An dem Streik nahmen über 90 % der Arbeiter teil. Bei den Präsidentschaftswahlen am 8. April 2004 wurde Bouteflika mit 83 % der Stimmen als erster Präsident für eine zweite Amtszeit wiedergewählt. Sein wichtigster Konkurrent, der frühere Ministerpräsident Ali Benflis, sprach von Betrug. Wahlbeobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) sprachen aber von einer fairen Wahl. Nach seiner Wiederwahl setzte Bouteflika seine „Versöhnungspolitik“ mit der Vorlage einer „Charta für Frieden und nationale Versöhnung“ fort. Sie wurde im September 2005 in einem Referendum angenommen. Sie umfasst eine Generalamnestie sowohl für staatliche Sicherheitskräfte und vom Staat bewaffnete Milizen als auch für bewaffnete Gruppen. Sie verneint jede Verantwortung der Sicherheitskräfte und der Milizen für schwere Menschenrechtsverletzungen. Kritik an den Sicherheitsorganen stellt sie unter Strafe. Die Verordnung, mit der sie umgesetzt wird, verhindert eine gerichtliche Untersuchung und Aufklärung des Schicksals Tausender im Verlauf des Bürgerkriegs „verschwundener“ Personen. Klagen gegen Mitglieder der Sicherheitskräfte müssen von den Gerichten abgewiesen werden. Angehörige von „Verschwundenen“ können allerdings eine Entschädigung beantragen. Wirtschaftspolitisch wurden die Versuche, auf dem Weg von einer sozialistischen Planwirtschaft zu einer stärker marktwirtschaftlich orientierten Wirtschaftsordnung zu kommen, fortgesetzt. Die als wirtschaftspolitische Reformer geltenden Mourad Medelci und Abdelhamid Temmar, die 2003 zurücktreten mussten, übernahmen das Finanz- bzw. Investitionsförderungsministerium. Sie setzen sich für die Privatisierung öffentlicher Betriebe und die Öffnung des Erdöl- und Erdgassektor für private Investitionen ein. Anfang April 2009 gewann Bouteflika zum dritten Mal die Präsidentenwahl in Algerien nach offiziellen Angaben mit 90,24 % der Stimmen, bei einer Wahlbeteiligung von 74,5 %. Die Wahl war von mehreren gewaltsamen Zwischenfällen überschattet, außerdem war Bouteflikas fünf Gegenkandidaten kaum Gelegenheit gegeben worden, sich im 19-tägigen Wahlkampf zu profilieren. Die wichtigsten Oppositionsparteien, die Rassemblement pour la culture et la démocratie (RCD) und der Front des forces socialistes (FFS), waren erst gar nicht zur Wahl angetreten. Die Opposition zweifelte das Ergebnis an. 2007 gab es unter anderem im April Anschläge auf den Amtssitz des algerischen Ministerpräsidenten und eine Polizeistation in Algier. Im Dezember wurde ein Anschlag auf das UNHCR-Büro in Algier verübt. Am 23. Februar 2011 wurde der seit 19 Jahren bestehende Ausnahmezustand aufgehoben. Dies war eine Forderung der Opposition. Er war 1992 zur Bekämpfung von bewaffneten Islamisten erklärt worden. Am 16. Januar 2012 griffen Islamisten einen Standort des Ölkonzerns BP an und nahmen offenbar zahlreiche Ausländer als Geiseln. Die algerische Nachrichtenagentur APS meldete, bei dem Angriff seien zwei Menschen getötet worden. Einer der Angreifer erklärte, seine Gruppe komme aus dem Nachbarland Mali, wo Frankreich seit Ende vergangener Woche einen Militäreinsatz gegen Islamisten führe. Nach eigenen Angaben brachte die Gruppe der Angreifer 41 westliche Ausländer in ihre Gewalt, darunter 7 US-Amerikaner. Bei der Wahl am 17. April 2014 wurde Bouteflika zum vierten Mal trotz der Schwächung durch einen Schlaganfall in seinem Amt bestätigt; nach Angaben des Innenministeriums entfielen 81,5 % der Stimmen auf den Amtsinhaber, 12,18 % gingen an Ali Benflis. Im Frühjahr 2019 wurde bekannt, dass der schwer erkrankte Bouteflika für eine fünfte Amtszeit antreten werde. Nach Massenprotesten wurde er aber unter dem Druck des Militärs zum Rücktritt gezwungen. Im September 2021 starb Bouteflika mit 84 Jahren. Präsident Tebboune hatte das Parlament im Februar nach Massenprotesten aufgelöst. Mit der vorgezogenen Parlamentswahl im Juni versucht das algerische Regime, sich einmal mehr zu legitimieren – wie bei den Präsidentschaftswahlen 2019. Auch damals waren die Wahlen massenhaft boykottiert worden. Nach offiziellen Angaben hatten gerade mal knapp 24 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme abgegeben. 2021 waren es nur 15 Prozent.
Gemäß der Verfassung von 1996 ist Algerien eine semipräsidentielle Republik mit einem alle fünf Jahre durch das Volk gewählten Staatsoberhaupt an der Spitze. Er ernennt und entlässt den nur ihm verantwortlichen Ministerpräsidenten als Vorsitzenden der Exekutive. Am 10. Mai 2012 wurde in Algerien die erste Parlamentswahl nach dem Arabischen Frühling abgehalten. 2017 fanden erneut Wahlen statt. Die regierende Nationale Befreiungsfront (FLN) erzielte mit 26 % den höchsten Stimmanteil und erhielt 161 Sitze im Parlament. Die Nationale Demokratische Sammlung (RND) erzielte 100 Sitze. Am 2. April 2019 trat der seit 20 Jahren regierende Staatspräsident Abd al-Aziz Bouteflika nach heftigen Protesten der Bevölkerung gegen seine erneute Kandidatur zur Präsidentschaftswahl 2019 zurück. Die Wahl wurde mehrmals verschoben und fand am 12. Dezember statt. Abdelmadjid Tebboune gewann sie im ersten Wahlgang. Die Armee stellte sich nach Bekanntgabe des Ergebnisses hinter Tebboune. Das Verfassungsgericht erklärte die Wahl am 16. Dezember für rechtmäßig. Am 19. Februar 2021 kündigte Präsident Abdelmadjid Tebboune die Auflösung der Nationalversammlung und deren vorgezogene Neuwahl an.
Die Geschichte des Frauenwahlrechtes in Nordafrika und im Nahen Osten in Algerien reicht in die Kolonialzeit zurück: 1944 erhielten Christinnen und Jüdinnen mit französischer Staatsbürgerschaft (Européennes), die im zu Frankreich gehörenden Algerien lebten, das Wahlrecht; Muslimas waren ausgeschlossen. Im Juli 1958 setzte Charles de Gaulle die loi-cadre Defferre, die auch Muslimas das Wahlrecht gab, für Algerien in Kraft. Bei der Proklamation der Unabhängigkeit am 5. Juli 1962 wurde dieses Recht bestätigt.
Wegen der wirtschaftlichen und sozialen Probleme sowie der Unzufriedenheit mit den Leistungen des politischen Systems sind islamistische Bewegungen in Algerien sehr erfolgreich. Diese fordern einen islamistischen Staat, dessen innere Struktur und Außenpolitik sich an den Regeln einer radikalen Interpretation des Islams orientieren soll. Sie sind gleichwohl zum überwiegenden Teil verboten und stellen höchstens so etwas wie eine außerparlamentarische Opposition dar. Nach Angaben von Amnesty International gibt es weiterhin pro Jahr mehrere hundert Tote als Folge von Attentaten. Sie werden jetzt häufig der Gruppe „al-Qaida im islamischen Maghreb“ zugeschrieben, in die sich die GSPC Anfang 2007 umbenannte.
Werner Ruf, emeritierter Professor für Internationale Politik, übte in einem Interview mit der Tagesschau anlässlich des Besuchs von Bundeskanzlerin Angela Merkel im Juli 2008 scharfe Kritik an der politischen Entwicklung in Algerien: „De facto regiert noch das Militär.“ Der Parlamentarismus sei eine Fassade. „Dahinter herrscht eine undurchsichtige Clique an der Spitze des Militärs. Das sind Leute, die sich bereichern. Die Korruption ist gewaltig.“ Das Land bleibe „weit entfernt von dem, was wir einen Rechtsstaat, eine Demokratie, nennen.“ Thomas Schiller, Leiter des Auslandsbüros Algier der Konrad-Adenauer-Stiftung, erklärte 2008 hingegen, dass Algerien in den letzten zehn Jahren trotz immer noch erheblicher politischer, wirtschaftlicher und vor allem sozialer Defizite viel erreicht habe – vor allem Stabilität. Die politische Stabilisierung seit dem Amtsantritt Bouteflikas und eine zunehmend aktivere Zivilgesellschaft würden dem Land helfen, den Weg zur Normalität zu gehen. Die Politik Bouteflikas bezeichnet er als „erfolgreich“. Sie mische hartes Durchgreifen gegen Terroristen mit einer „Aussöhnungspolitik“, Sicherung der algerischen Unabhängigkeit mit vorsichtigen Reformen und wirtschaftlicher Öffnung. In Algerien gibt es zwar die Todesstrafe, doch sie wurde seit mehr als zehn Jahren nicht mehr offiziell vollstreckt. In Algier herrscht seit 2001 ein allgemeines Demonstrationsverbot. Die Pressefreiheit ist spürbar eingeschränkt. Es herrscht eine Zensur in Algerien. Der UN-Menschenrechtsausschuss zeigte sich in seinem Bericht zur Lage der Menschenrechte in Algerien vom November 2007 besorgt über zahlreiche Hinweise auf geheime Haftzentren. Er hebt außerdem hervor, dass es viele Berichte über Folterungen und Misshandlungen durch den Militärgeheimdienst DRS gebe. Der Ausschuss kritisiert auch, dass zahlreiche Journalisten Opfer von Einschüchterungen sind und Frauen in der Ehe weiterhin diskriminiert werden (s. Literatur, Amnesty International). Von Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International wird der „Versöhnungspolitik“ Bouteflikas vor allem vorgeworfen, sie ziele lediglich darauf ab, die Gewalt der neunziger Jahre vergessen zu machen, anstatt die Ereignisse juristisch aufzuarbeiten. Kritik daran sowie Demonstrationen von Angehörigen der Opfer würden von der Regierung unterdrückt. Im Bericht der Bertelsmann-Stiftung zur politischen und wirtschaftlichen Transformation in Algerien („Bertelsmann Transformationsindex 2003“) heißt es dazu: „Die Aufarbeitung von Menschenrechtsverletzungen, die im Zusammenhang mit dem seit 1992 anhaltenden innenpolitischen Konflikt stehen, fand auf nationaler Ebene nicht statt. Weder die islamistischen Vergehen, noch die staatlichen Übergriffe im Rahmen der Bekämpfungsmaßnahmen des islamistischen Terrorismus wurden thematisiert.“ Im Juni 2018 wurden Vorwürfe bekannt, Algerien habe seit April 2017 mindestens 13.000 Migranten, darunter Schwangere und Kinder, mit Lastkraftwagen in die Wüste verbracht und dort ohne Wasser und Nahrung ausgesetzt. Die Menschen seien angewiesen worden, 15 Kilometer durch die Wüste in Richtung des Nachbarstaates Niger, etwa zum Dorf Assamaka, zu laufen. Die Polizei nahm Migranten zuvor nach Berichten Geld und Mobiltelefone ab. Laut der Internationalen Organisation für Migration (IOM) kamen nur etwa 11.276 Menschen nach oft tagelangen Irrmärschen im Niger an. Augenzeugen berichteten von zahlreichen Todesfällen, meist aufgrund von Erschöpfung, und von Menschen, die sich in der Wüste verirrten und nicht wieder gesehen wurden. Die EU soll über die Zustände informiert gewesen sein, jedoch mit Hinweis auf die Souveränität Algeriens nicht eingegriffen haben. Die algerischen Behörden streiten die Vorwürfe ab. Homosexualität in Algerien ist gesellschaftlich geächtet und dort nach geltendem Recht illegal. In den vergangenen Jahren kam es zu mehreren tödlichen Übergriffen auf Homosexuelle und auch zu einer öffentlichen Steinigung. Algerien steht wegen der von Staat und Unternehmen ausgeübten Unterdrückung unabhängiger Gewerkschaften wie der Union Algérienne des Industries (UAI) in der Kritik der Internationalen Arbeitsorganisation.
Algerien ist seit 1962 Mitglied der Vereinten Nationen und hat Beobachterstatus in der WTO. Ansonsten ist das Land Mitglied der Afrikanischen Union (AU), der Arabischen Liga, der Organisation für Islamische Zusammenarbeit, der Organisation erdölexportierender Staaten (OPEC) und der Organisation arabischer erdölexportierender Staaten (OAPEC). Neben den Mitgliedsstaaten der Afrikanischen Union und der Arabischen Liga pflegt Algerien gute Beziehungen zur Europäischen Union (EU), den Vereinigten Staaten, Russland und besonders zur Volksrepublik China. Im Rahmen der Euro-mediterranen Partnerschaft kooperiert Algerien mit der EU. Im Jahr 2002 unterzeichneten die EU und Algerien ein Assoziierungsabkommen. Es trat im Jahr 2005 in Kraft. Am 13. März 2017 auf der Tagung des Assoziationsrates haben Algerien und die EU ihre gemeinsamen Partnerschaftsprioritäten verabschiedet. Die Partnerschaftsprioritäten bis 2020 umfassen Folgendes: * „politischer Dialog, Staatsführung, Rechtsstaatlichkeit und Förderung der Grundrechte; * Zusammenarbeit, sozioökonomische Entwicklung und Handelsbeziehungen einschließlich des Zugangs zum europäischen Binnenmarkt * Energiefragen, Umweltschutz und nachhaltige Entwicklung * strategischer und sicherheitspolitischer Dialog * menschliche Dimension, einschließlich des kulturellen und interreligiösen Dialogs, sowie Migration und Mobilität.“ Die Beziehungen Algeriens zu Frankreich sind eng. Beide Seiten sprechen von einer strategischen Partnerschaft sowie einer vertrauensvollen Zusammenarbeit trotz der schwierigen gemeinsamen Kolonialvergangenheit. Die ohnehin schon intensiven Wirtschaftsbeziehungen sollen weiter ausgebaut werden. Die Beziehungen Algeriens zu Deutschland sind gut und weitgehend spannungsfrei. Für Algerien zählt Deutschland zu den wichtigsten Handelspartnern. Beide Länder schlossen 2015 eine Energiepartnerschaft ab. Algerien ist aufgrund seiner Größe, seiner geographischen Lage und seines Reichtums an Bodenschätzen ein wichtiger Akteur in der Region. Algerien sieht sich von verschiedenen Unruheherden umgeben und sorgt sich um Stabilität und Sicherheit sowie wirtschaftliche Entwicklung in der Region. In den Beziehungen zu seinen internationalen Partnern spielen für Algerien neben der Bekämpfung des Terrorismus vor allem Wirtschaftsinteressen (Öl-/Gasexporte sowie Interesse an ausländischen Investitionen in Algerien) eine Rolle. Die regionale Zusammenarbeit im Maghreb leidet anhaltend an dem gespannten Verhältnis zwischen Algerien und Marokko. Die Landgrenzen zwischen beiden Ländern bleiben weiterhin geschlossen. Insbesondere Differenzen über die Westsahara erschweren eine Annäherung. Algerien unterstützt die Polisario Bewegung, die für die Unabhängigkeit der Westsahara kämpft und gewährt führenden Mitgliedern Unterschlupf. Die Beziehungen Algeriens zu Tunesien sind partnerschaftlich. Zwischen beiden Ländern gibt es eine verstärkte und gut funktionierende Kooperation im Sicherheitsbereich, insbesondere bei der Sicherung der gemeinsamen Grenzen. Die Situation in Libyen bereitet Algerien mit Blick auf die von dort ausgehende Instabilität große Sorgen. Algerien lehnt jegliche militärische Intervention ab und setzt sich für eine politische Lösung auf der Grundlage eines Dialogs zwischen allen libyschen Parteien ein. Algerien unterstützt die entsprechenden Vermittlungsbemühungen der Vereinten Nationen. Algerien hatte als Chef-Vermittler eine entscheidende Rolle bei den erfolgreich geführten Friedensverhandlungen zwischen der malischen Regierung und nordmalischen Gruppen übernommen, die im Juni 2015 mit der Unterzeichnung eines Friedensabkommens in Algier ihren Abschluss fanden. Algerien hält gute Beziehungen zur syrischen Regierung aufrecht und versucht, eine Isolierung Syriens in der islamischen Welt zu verhindern. Ex-Außenminister Lakhdar Brahimi bemüht sich seit 2012 als UNO-Sondervermittler vergeblich um eine Beendigung des Bürgerkriegs in Syrien. Der russische Überfall auf die Ukraine im Februar 2022 und die danach folgende Gasversorgungskrise ließ Algerien für die Europäer zu einem interessanten Partner werden. Der italienische Premier Mario Draghi reiste deshalb im April 2022 nach Algerien.
Die 147.000 Mann starken Streitkräfte gliedern sich in Heer (127.000), Luftwaffe (14.000) und Marine (6.000). Dem algerischen Verteidigungsministerium unterstehen des Weiteren die Gendarmerie, die Grenzwache und weitere paramilitärische Verbände. Algerien gab 2017 knapp 5,7 Prozent seiner Wirtschaftsleistung oder 10 Mrd. US-Dollar für seine Streitkräfte aus. Insgesamt 16,1 % der Staatsausgaben kamen dem Militär zugute, was zu den höchsten Anteilen der Welt gehört und eine große Bürde für den Staatshaushalt darstellt. Algerien hatte die höchsten Militärausgaben in Nordafrika.
Es gibt zwei ehemalige französische Atomtestgelände, auf denen Frankreich zwischen 1960 und 1966 insgesamt 17 Atombombentests vorgenommen hat: * bei Reggane: 1960–1961: 4 Tests, oberirdisch * bei In Ekker: 1961–1966: 13 Tests, unterirdisch Am 7. November 1961 fand der erste von 13 unterirdischen Tests bei In Ekker im Hoggar statt. Bei dem zweiten Test (Béryl) am 1. Mai 1962 hielt der Verschluss des Tunnels nicht stand. Radioaktive Gase, Staub und Lava wurden ausgestoßen. Die Beobachter des Tests wurden kontaminiert (darunter auch anwesende französische Minister). Drei andere Tests verliefen ebenfalls nicht plangemäß, jedoch nach Angaben des Verteidigungsministeriums ohne Austritt von radioaktiven Substanzen: 30. März 1963 – „Amethyst“ / 20. Oktober 1963 – „Rubin“ (Stärke 100 kt) / und 30. Mai 1965 – „Jade“. Der stärkste Test in In Ekker war am 25. Februar 1965 „Saphir“ mit 150 kt. Mit dem Test am 16. Februar 1966 endeten die Versuche in Algerien. Die Tests wurden nach Französisch-Polynesien (Mururoa und Fangataufa-Atoll) verlegt, wo oberirdisch (erst ab 1974 wieder unterirdisch) weitergetestet wurde. Zu beachten ist, dass es zwischen Großbritannien, USA und der UdSSR ein Verbot von atmosphärischen Atomwaffentests gab (am 5. August 1963 zur Unterzeichnung freigegeben, trat am 10. Oktober 1963 in Kraft), an das sich diese hielten (letzter atmosphärischer Test: GB: 23. September 1958 / USA: 9. Juni 1963 / UdSSR: 25. Dezember 1962). Frankreich und China hielten sich nicht daran, testeten oberirdisch weiter: Frankreich: 2. Juli 1966 bis 14. September 1974: 41 Tests, China: 16. Oktober 1964 bis 16. Oktober 1980: 22 Tests. Auf Wunsch Algeriens untersuchte die IAEA das Gelände bei Reggane und stellte in ihrem Bericht von 2005 fest, dass aufgrund der sehr schwachen restlichen Radioaktivität nichts zu veranlassen sei, lediglich im Fall größerer menschlicher Aktivitäten in der Gegend sollte der Zutritt zu den vier Explosionsorten untersagt werden. Der Ort des Béryl-Unfalls bei In Ekker scheint nach wie vor kontaminiert und zumindest in der Vergangenheit schlecht gesichert gewesen zu sein, so dass die Reststrahlung eine Gefahr für uninformierte Einheimische und Touristen darstellen kann. Die Regionen werden touristisch genutzt, wobei vermutlich nicht jeder Tourist über die Vergangenheit und die Strahlensituation der Gelände informiert ist.
Das Land ist in 58 Verwaltungsbezirke (Wilayat, Singular Wilaya), die jeweils nach der Hauptstadt benannt sind, unterteilt. Die Wilayat haben eigene Parlamente, unterstehen jedoch letztlich der Zentralregierung. Unterhalb der Verwaltungsebene des Wilaya (Provinz) gibt es die Ebene Daïra (Kreis) und als unterste Ebene die Kommune (, ). Die Kommunen haben wie die Wilayat den Status von Collectivités territoriales (Gebietskörperschaften).
Algerien gehört vom Pro-Kopf-Einkommen her zu den reicheren Ländern Afrikas. Im Global Competitiveness Index, der die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes misst, belegte Algerien Platz 86 von 138 Ländern (Stand 2016–2017). Im Index für wirtschaftliche Freiheit belegt Algerien 2019 Platz 171 von 180 Ländern. Die Wirtschaft des Landes ist noch wenig liberalisiert. Bestimmend für die algerische Wirtschaft sind Förderung und Export von Erdöl und Erdgas. Die Exporterlöse aus dem Hydrokarbonsektor, der zu etwa 27 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) beiträgt und etwa 60 Prozent der Staatseinnahmen generiert, machen rund 94 Prozent der Exporteinnahmen aus. Der seit Jahren wachsende inländische Energiekonsum schmälert zusätzlich zu den anhaltend niedrigen Preisen die Einnahmen aus dem Öl- und Gasexport. Die algerische Regierung will die industrielle Produktion in Algerien erhöhen und mehr Arbeitsplätze außerhalb des Öl- und Gassektors schaffen. Die algerische Regierung forciert den Abbau von Phosphat- und Erzvorkommen. Langfristig ist auch beabsichtigt, mit der Schiefergasproduktion zu beginnen, obgleich es gegen erste Schiefergasexplorationen Widerstand in der Bevölkerung gegeben hatte. Zudem soll die Gewinnung von Energie aus erneuerbaren Quellen erheblich ausgebaut werden. Rasche Fortschritte hin zu wirtschaftlicher Diversifizierung und damit der Reduzierung der starken Abhängigkeit vom Öl- und Gassektor sind angesichts der sich verschlechternden Haushaltslage dringend geboten. Die Regierung will den Know-how-Transfer und die Ausbildung von qualifiziertem Fachpersonal verbessern. In der beruflichen Bildung wird der Fokus auf die Schaffung von Bildungszentren in Partnerschaft mit Unternehmen gerichtet, die zu einer engeren Verzahnung des Bildungssektors mit der Wirtschaft und bedarfsgerechten Ausbildung beitragen sollen. Landesweit sind Industriezonen mit Clusterbildung im Aufbau begriffen. Aufgrund sinkender Staats- und Deviseneinnahmen sieht das Haushaltsgesetz 2017 eine Reihe von Einsparmaßnahmen und Steuererhöhungen vor. Zusätzlich begrenzt die Regierung den Import ausländischer Güter über die Vergabe von Lizenzen für bestimmte Produktgruppen wie Kfz-Neuwagen, aber auch Zement, Stahlarmierungen und weitere Produkte. Die Arbeitslosenquote lag im Jahr 2017 bei 5,7 %, zudem ist Unterbeschäftigung weit verbreitet. Bei Jugendlichen beträgt die Arbeitslosenquote im selben Jahr 23,9 %. Die Gesamtzahl der Beschäftigten wird für 2017 auf 11,8 Millionen geschätzt; davon sind 18,3 % Frauen.
Nach Erlangung der Unabhängigkeit setzte die regierende Einheitspartei Front de Libération Nationale (FLN) lange auf staatliche Planwirtschaft und einen „algerischen Sozialismus“. Dank der Einnahmen aus dem Öl- und Gasexport konnte sich Algerien eine ineffiziente Staatswirtschaft zunächst leisten. Ende der 80er Jahre führten sinkende Ölpreise, hohe Arbeitslosigkeit und Wohnungsnot jedoch zu sozialen Spannungen, die sich 1988 schließlich in schweren Unruhen entluden und zum Ausbruch des Bürgerkrieges beitrugen. Nachdem sich die innenpolitische Lage seit Ende der 1990er Jahre deutlich stabilisiert hat, bemüht sich die Regierung verstärkt um eine Liberalisierung und Privatisierung der Wirtschaft. Das Erbe der früheren Planwirtschaft, die exzessive Bürokratie, weitverbreitete Korruption, ein wenig leistungsfähiger Bankensektor und die immer noch unsichere innere Lage bilden für eine rasche Entwicklung privater Unternehmen und ausländische Investitionen allerdings keine günstigen Bedingungen.
Industrie und Bankensektor werden immer noch weitgehend von Staatsunternehmen beherrscht. Bei den Privatisierungsbemühungen in der Industrie stehen Düngemittelhersteller, petrochemische und pharmazeutische Unternehmen im Mittelpunkt. Das Bankenwesen dominieren sechs staatliche Institute. Die für Mitte 2007 vorgesehene Privatisierung der Bank Crédit Populaire d'Algérie musste wegen der internationalen Finanzmarktkrise verschoben werden. Da die sechs Staatsbanken weiterhin Kredite an unrentable Staatsunternehmen vergeben, machen „faule Kredite“, die nicht zurückgezahlt werden und teilweise vom Staat aufgekauft werden, über 30 % des gesamten Kreditportfolios aus. Zudem bleibt die Wirtschaft aufgrund zu geringer Kapitalausstattung der Banken im Vergleich zu den Nachbarn Tunesien oder Marokko mit Krediten unterversorgt. Bartransaktionen dominieren.
Algeriens Wirtschaft ist weiterhin stark vom Energiesektor abhängig, der von der staatlichen Öl- und Gasgesellschaft Sonatrach beherrscht wird. Die Ölreserven werden auf 12,2 Milliarden Barrel und die Gasreserven auf 4,5 Billionen Kubikmeter geschätzt. Die Erdöl- und Erdgasindustrie hatte 2019 einen Anteil von etwa 20 % am BIP und war für 85 % der Exporte verantwortlich.
Die kommerzielle Erdölförderung in Algerien begann 1958 in den Ölfeldern Edjeleh und Hassi Messaoud. Dabei arbeiteten französische Erdölfirmen und die französische Kolonialregierung eng zusammen, um eine günstige, eigene Erdölförderung innerhalb Frankreichs aufzubauen. Nach der Unabhängigkeit wurde die Tätigkeit der französischen Ölkonzerne zunächst nicht berührt, wie in den Verträgen von Evian vereinbart. Nach dieser Übereinkunft wurde aber nur ein kleiner Teil der Gewinne an den algerischen Staat abgegeben. Um mehr Geld im Land zu halten, gründete die Regierung Ben Bella 1963 die Société Nationale de Transport et de Commercialisation des Hydrocarbures (kurz Sonatrach). Im gleichen Jahr trat das Land der Organisation erdölexportierender Länder (OPEC) bei. 1971 verstaatlichte die Regierung Boumedienne auch die Erdgasvorkommen und Pipelines, und übernahm 51 % der Anteile aller ausländischen Ölkonzerne in Algerien. Diese Verstaatlichung der französischen Erdölgesellschaften in Algerien führe auch zu internationalen Verstimmungen. Das Verstaatlichungsgesetz (Loi sur les Hydrocarbures, dt. etwa Kohlenwasserstoff-Gesetz) erlaubte auch Joint-Ventures mit ausländischen Firmen, bei denen Sonatrach aber immer mindestens 51 % der Anteile halten musste. In den folgenden Jahren wandte sich Sonatrach vermehrt der Petrochemie und dem Export von Erdgas zu, z. B. über die Transmed-Pipeline nach Italien. In den 80er-Jahren war die Gesellschaft einer der weltgrößten Exporteure von Flüssigerdgas (LNG). In den nächsten Jahrzehnten wurden mehrere neue Joint-Ventures mit internationalen Firmen gegründet, um mehr Erdöl und Erdgas zu fördern und abzusetzen. Dazu gehörte auch der Bau der Meghreb-Europa-Gasleitung (MEG) nach Spanien, später ergänzt durch die Medgaz-Pipeline. Seit dem neuen Jahrtausend gab es auch Bemühungen, den Einfluss der Regierung auf Sonatrach zu reduzieren und den Markt zu liberalisieren. Am 20. März 2005 verabschiedete die Regierung Bouteflika ein neues Kohlenwasserstoff-Gesetz, das die alten Regelungen ersetzte. Sonatrach verlor ihre Rolle als Regulierungsbehörde und ihr Vertriebsmonopol. Das Gesetz erlaubte außerdem ausländischen Unternehmen, 70 % der Anteile an Förderstätten und -anlagen zu erwerben. Das Parlament protestierte gegen das Gesetz, sodass es im Juli 2006 wieder geändert wurde. Danach müssen sich ausländische Öl- und Gasfirmen bei Beteiligungen in Algerien wieder mit Minderheitsanteilen begnügen. Außerdem fällt eine Sondersteuer an, wenn der Ölpreis bei über 30 US-Dollar pro Barrel liegt. Da in den nächsten Jahren, auch nach der Weltwirtschaftskrise ab 2007, immer weniger Fremdinvestitionen angezogen werden konnten, folgten drei weitere Gesetzesnovellen. Im Januar 2020 wurde schließlich ein neues Kohlenwasserstoff-Gesetz beschlossen, das unter anderem Steuern und Zölle im Erdgas- und Erdölsektor senkte und abschaffte. Seit dem Beginn der weltweiten COVID-19-Pandemie sind Ölpreis und Gaspreis noch niedriger als zuvor.
im Ölfeld El Merk, 2014 2019 wurden in Algerien täglich 1,1 Millionen Barrel Erdöl gefördert, wovon etwa die Hälfte exportiert wurde. Der fallende Weltmarktpreis für Öl beeinträchtigte die algerische Wirtschaft stark, außerdem sind die erschlossenen Erdölfelder zunehmend erschöpft. Die wichtigsten Ölfelder im Land waren zu diesem Zeitpunkt Hassi Messaoud und Ourhoud.
Nach einer Expansionsphase bis 2005 wächst die Erdgasförderung in Algerien in den letzten Jahren eher mäßig. Auch die Geiselnahme von In Aménas beeinträchtigte die Förderung zwei Jahre lang. Geringe Auslandsinvestitionen, die zunehmend erschöpften Gasfelder (darunter das größte Gasfeld Hassi R’Mel) und eine steigende Inlandsnachfrage führten dazu, dass der Export von Erdgas seit 2005 rückläufig ist. Es wurden 2018 etwa 100 Milliarden Kubikmeter Erdgas gefördert, von denen etwas mehr als die Hälfte exportiert wurde. Hauptabnehmerländer waren Italien und Spanien, die insgesamt zwei Drittel der Exportmenge ausmachten. Neben den bestehenden drei Gasleitungen (Transmed, MEG, Medgaz) in diese Länder gibt es in Algerien auch zwei LNG-Terminals, in Béthioua und Skikda.
Algerien lag bzgl. der jährlichen Erzeugung im Jahre 2011 mit 48,05 Mrd. kWh an Stelle 52 und bzgl. der installierten Leistung im Jahre 2013 mit 15,2 GW an Stelle 48 in der Welt. 2011 wurden 99,8 % des Stroms in Gaskraftwerken erzeugt. Laut Energieministerium wurden im Jahre 2011 48,87 Mrd. kWh produziert, davon 9,65 Mrd. (19,8 %) durch Dampfkraftwerke, 15,7 Mrd. (32,1 %) durch GuD-Kraftwerke, 22 Mrd. (45,1 %) durch Gasturbinen und 1,5 Mrd. (3,0 %) durch sonstige Erzeugung. Der Spitzenverbrauch stieg von 4.965 MW im Jahre 2002 auf 8.606 MW im Jahre 2011 an, was einer durchschnittlichen jährlichen Steigerung von 6,3 % entspricht. Die Société Algérienne de Production de l’Electricité (SPE), eine Tochter der staatlichen Sonelgaz verfügte 2009 über eine Erzeugungskapazität von 8.445 MW und erzeugte 2010 24,24 Mrd. kWh. Sie war 2011 der mit Abstand größte Stromerzeuger in Algerien. 2013 schloss SPE einen Vertrag mit GE, der die Errichtung von 6 neuen GuD-Kraftwerken mit einer installierten Leistung von 8 GW vorsieht. Algerien beabsichtigt auf längere Sicht auch die Errichtung von Kernkraftwerken. 2014 wurde eine Vereinbarung zwischen der russischen ROSATOM und Algerien unterzeichnet, die eine Zusammenarbeit auf diesem Gebiet vorsieht. Potentielle Standorte für Kernkraftwerke wurden bereits auf ihre Eignung hin untersucht. Das Verbundnetz Algeriens ist Teil des South-Western Mediterranean Block (SWMB), der die Stromnetze von Algerien, Marokko und Tunesien umfasst. Seit 1997 ist der SWMB mit dem europäischen Verbundsystem synchronisiert, als ein erstes Drehstrom-Seekabel (400 kV, 700 MW) von Spanien aus nach Marokko verlegt wurde.
2021 stammte knapp ein Prozent des Stromverbrauchs aus Solarenergie. 2023/2024 erhielten vorrangig chinesische Unternehmen von der nationalen Strom- und Gasgesellschaft Sonelgaz Zuschläge für Errichtung und Betrieb von ca. 3 GW Solarleistung bis gegen Ende 2025, womit rund 7 Prozent des damaligen Stromverbrauchs erzeugt werden können.
Die Diversifikation der Wirtschaft, die stärkere Entwicklung der Wirtschaft außerhalb der Energiewirtschaft, ist deswegen ein Hauptziel der Regierung. Besondere Hoffnungen werden auf die Branchen Transportwesen, Tourismus, Bauwirtschaft und Informationstechnologie gesetzt. Die Baubranche erhielt bereits einen kräftigen Wachstumsimpuls mit einem staatlichen Investitionsprogramm im Umfang von 60 Milliarden USD, das unter anderem die Errichtung einer Million Neubauwohnungen vorsieht.
Das Land führt eine kleine Wertpapierbörse – die Algiers Stock Exchange – mit ihrem Leitindex, dem Dzair Index. Um sich langfristig aus der Abhängigkeit der Öl und Gasreserven zu begeben, investiert Algerien über seinen Staatsfonds, den Fonds de Régulation des Recettes um sein Vermögen zu diversifizieren.
Mit der Umsetzung des am 1. September 2005 in Kraft getretenen Assoziierungsabkommens mit der Europäischen Union (EU) steigt der Wettbewerbsdruck für algerische Unternehmen. Der Vertrag mit der EU sieht vor, dass innerhalb von zwölf Jahren sämtliche Handelsschranken zwischen den beiden Partnern wegfallen und Algerien damit Teil der beabsichtigten Freihandelszone wird. Auch der angestrebte Beitritt zur Welthandelsorganisation (WTO) wird Algerien zu einer stärkeren Öffnung seiner Märkte zwingen. Die Bildung der Mittelmeerunion mit den EU-Staaten zeigt deutlich, welch hohe Bedeutung die rohstoffreichen Mittelmeeranrainer für die EU – insbesondere im Hinblick auf die Energieversorgung – haben. Die Bemühungen der EU um eine stärkere Streuung ihrer Energiebezugsquellen lassen Algerien, das heute schon rund 25 % der Erdgasimporte der EU liefert, zu einem immer wichtigeren Handelspartner werden.
2016 konnte Algerien ein Wirtschaftswachstum von 3,3 % verzeichnen. Die Produktion außerhalb des Öl- und Gassektors steigt seit 2003 stabil um rund 4 bis 5 %. Staatliche Investitionsprogramme, vor allem für die Schaffung von Wohnraum und den Ausbau der Infrastruktur, tragen dazu wesentlich bei. Der Anstieg der Verbraucherpreise beschleunigte sich 2008 bei stark steigenden Lebensmittelpreisen zwar, blieb mit 4,4 % aber relativ niedrig. Dabei ist zu berücksichtigen, dass etwa die Energiepreise in Algerien staatlich reguliert sind. Eine anhaltende Herausforderung für die algerische Regierung ist die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Nach offiziellen Angaben lag sie 2019 bei 11,7 %. Besonders hoch ist die Jugendarbeitslosigkeit, sie wurde 2019 mit 29,1 % angegeben.
Begünstigt wurde die gesamtwirtschaftliche Entwicklung seit 2003 von kräftig steigenden Öl- und Gaspreisen. Sie sorgten dafür, dass sich die Exporterlöse von 2003 bis 2007 auf rund 60 Mrd. US-Dollar verdoppelten. Der Überschuss in der Leistungsbilanz erhöhte sich auf knapp ein Viertel des BIP, wozu auch die Überweisungen von im Ausland beschäftigten Algeriern beitrugen. Dank der stark gestiegenen staatlichen Einnahmen aus dem Öl- und Gassektor hatte Algerien auch hohe Überschüsse im Staatshaushalt vorzuweisen. Sie fließen zum Teil als Ersparnisse in den sogenannten „Einnahmen-Regulierungs-Fonds“ (FRR). Mittel aus diesem Fonds wurden auch zur Tilgung algerischer Auslandsschulden verwendet, die von rund 58 % des BIP im Jahr 1999 auf rund 2,5 % des BIP im Jahr 2009 abgebaut wurden. Die internationalen Währungsreserven erreichten zum 31. Dezember 2009 dank hoher Einnahmen aus dem Öl- und Gassektor rund 150 Milliarden US-Dollar.
Der Staatshaushalt umfasste 2016 Ausgaben von umgerechnet 66,45 Mrd. US-Dollar, dem standen Einnahmen von umgerechnet 42,69 Mrd. US-Dollar gegenüber. Daraus ergibt sich ein Haushaltsdefizit in Höhe von 14,7 % des BIP. Die Staatsverschuldung betrug 2016 32,8 Mrd. US-Dollar oder 20,4 % des BIP. 2006 betrug der Anteil der Staatsausgaben (in % des BIP) folgender Bereiche: * Gesundheit : 4,2 % * Bildung : 5,1 % (1999)
Die Landwirtschaft trug nach Angaben der deutschen Bundesagentur für Außenwirtschaft 2006 knapp 8 % zur gesamtwirtschaftlichen Produktion bei. Sie beschäftigt ca. 1,2 Mio. Erwerbstätige. Eine intensive landwirtschaftliche Nutzung ist nur auf einem schmalen Streifen im Norden möglich. Lediglich 3 % der Landesfläche sind Acker- und Dauerkulturland, das sich überwiegend in Privatbesitz befindet. Die extensive, zum Teil nomadische Viehhaltung konzentriert sich auf das Hochland der Schotts und die nördliche Sahara. In den Wäldern des Tellatlas wird Kork gewonnen. Die wichtigsten Agrarprodukte sind Getreide, Zuckerrüben, Kartoffeln, Hülsenfrüchte, Tomaten, Oliven, Datteln, Feigen, Tabak, Wein und Zitrusfrüchte. In Treibhäusern aus Kunststoff-Folie wird Frühgemüse für den Export kultiviert. In Algerien gibt es etwa 15 Mio. Dattelpalmen, die meisten davon in den Oasen. Sie liefern jährlich einen Ertrag von ca. 500.000 Tonnen Datteln unterschiedlicher Qualität. Die weichen, hochwertigen Sorten werden teilweise nach Europa exportiert, die harten, widerstandsfähigen Sorten werden auch in viele Länder Schwarzafrikas verkauft, die sich dort wegen ihrer Haltbarkeit im tropischen Klima großer Beliebtheit erfreuen. Weniger als 40 % des Nahrungsmittelbedarfs werden durch Eigenproduktion gedeckt. Algerien ist der wichtigste Nahrungsmittelimporteur Afrikas: Nur 20 % bei Getreide und Getreideprodukte, 20 % bei Gemüse, 60 % bei Milch und 95 % bei rotem Fleisch werden im Inland produziert. 95 % des rohen Speiseöls und praktisch der gesamte Rohzucker und Kaffee werden importiert.
Als Bodenschätze werden in Algerien außer Erdöl und Erdgas auch Eisen-, Kupfer-, Blei- und Zinkerze sowie Quecksilber und Phosphat abgebaut.
Die Schwerpunkte im industriellen Bereich liegen bei der Erdöl- und Erdgasverarbeitung sowie bei der Eisen- und Stahlindustrie und den darauf basierenden metallverarbeitenden Zweigen. Hinzu kommen die Verarbeitung landwirtschaftlicher Produkte, zum Beispiel eine Speiseöl-Raffinerie und eine Zuckerraffinerie in der Hafenstadt Oran, die Düngemittelproduktion und die Baustoffindustrie. Ausgeführt wurden 2007 Waren im Wert von insgesamt 59,9 Mrd. US$, zu 98 % Rohöl, Erdgas und Erdölerzeugnisse. Hauptabnehmerländer waren die USA (27 %), Italien (15 %), Spanien (10 %), Kanada (8 %) und Frankreich (7,5 %). Importiert wurden 2007 Waren im Wert von insgesamt 25,2 Mrd. US$, und zwar zu 37 % Ausrüstungsgüter, zu 31 % Produktionsgüter, zu 18 % Nahrungsmittel, zu 15 % Konsumgüter. Hauptlieferanten waren zu 17 % Frankreich, zu 9 % Italien, zu 8 % China, zu 8 % die USA und zu 6 % Deutschland.
Um unerwünschte und qualitativ minderwertige Einfuhren zu vermeiden, bestimmte die Zentralbank Algeriens im Februar 2009 mit der Mitteilung N°16/DGC/2009, dass drei Dokumente beim Import von Waren vorgelegt werden. Die Vorlage ist mit sofortiger Wirkung obligatorisch, wenn per „remise documentaire“ (Export-Inkasso) oder „crédit documentaire“ (Export-Akkreditiv) gezahlt wird. Es handelt sich hierbei um die drei folgenden Zertifikate: * certificat phytosanitaire * certificat d’origine * certificat de contrôle de qualité de la marchandise Die Zertifikate müssen im Land des Exporteurs für jede Lieferung ausgestellt werden. Die ersten zwei Zertifikate wurden bisher bei der Einfuhr nach Algerien verlangt, neu ist die obligatorische Vorlage des „certificat de contrôle de qualité de la marchandise“ für jede Lieferung, es muss von einer unabhängigen Prüf-Organisation wie dem TÜV Hessen ausgestellt werden. Liegen die drei Dokumente bei der Wareneinfuhr nicht vor, wird die „Domilizierung“ bei der algerischen Bank nicht akzeptiert und die Waren können nicht zollamtlich abgefertigt werden. Das Zertifikat muss nach Angaben der algerischen Banken die Qualität des Produkts und die Normenkonformität mit algerischen Standards oder den entsprechenden internationalen Standards und Normen bestätigen.
Das Verkehrsnetz ist auf Nordalgerien konzentriert. Die wichtigsten Hafenstädte sind Algier, Annaba, Oran, Bejaia, Skikda und Béthioua, von denen Fährverbindungen über das Mittelmeer ausgehen. Das Schienennetz der algerischen Eisenbahn (SNTF) hat eine Länge von 3810 Kilometern, wovon 386,3 Kilometer elektrifiziert sind. Die wichtigste Bahnstrecke des algerischen Schienenverkehrs verläuft in West-Ost-Richtung meist im Tellatlas parallel zur Küste und hat Anschluss an das marokkanische und tunesische Eisenbahnnetz. Von ihr gehen Stichstrecken sowohl zu den Hafenstädten als auch nach Süden an den Rand der Sahara aus. Für das im Jahr 2009 in Algier eröffnete, 160 km/h schnelle S-Bahn-System wurden 64 vierteilige elektrische Triebzüge der Bauart FLIRT bei Stadler in der Schweiz bestellt. Internationale Flughäfen gibt es unter anderem in Algier (ALG), Oran (ORN), Annaba (AAE) und Chlef (QAS). Da die Verkehrsinfrastruktur die wirtschaftliche Entwicklung Algeriens besonders hemmt, hat die Regierung im Jahr 2005 einen Fünf-Jahres-Plan ausgearbeitet, nach dem die Verkehrsinfrastruktur durch Joint Ventures mit dem privaten Sektor modernisiert werden soll. Großes Aufholpotential besteht verglichen mit den Nachbarländern auch im Tourismus. 70 Prozent der heutigen Touristen sind Algerier, die Freunde oder die Familie besuchen.
Stand 2020 ist Algerien an drei internationale Gasleitungen angeschlossen, außerdem gibt es mehrere inländische Pipelines. * Die 1070 km lange Transmed-Pipeline, auch Enrico-Mattei-Pipeline genannt, führt vom Gasfeld Hassi R’Mel in der algerischen Sahara über Tunesien nach Sizilien. Die 1978–1983 gebaute Gasleitung ist die wichtigste und älteste internationale Gaspipeline Algeriens. 1995 wurde die Jahreskapazität auf 24 Mrd. Kubikmeter verdoppelt, und später noch auf 32 Mrd. Kubikmeter pro Jahr erhöht. * Die 1375 km lange Maghreb-Europa-Gasleitung (MEG), auch Pedro-Duran-Farrel-Pipeline genannt, verbindet Hassi R’Mel über Marokko und die Straße von Gibraltar mit Córdoba. Dort ist sie mit dem spanischen und portugiesischen Gasnetz verbunden. Die im November 1996 eröffnete Pipeline hatte zunächst eine Jahreskapazität von 8,5 Mrd. Kubikmetern pro Jahr, die 2005 auf 12,5 Mrd. Kubikmeter erweitert wurde. * Die Medgaz-Pipeline, die zwischen dem Erdgasfeld Hassi R’Mel in Algerien und dem spanischen Festland an der Küste von Almería verläuft, wurde 2011 eröffnet. Weitere internationale Gasleitungen sind bislang nur geplant: * Die GALSI-Pipeline von Hassi R’Mel über El Kala nach Sardinien und von dort nach Norditalien ist seit etwa 2004 in Planung. Nach mehreren Verzögerungen und Veränderungen im Markt wird das Projekt Stand 2020 nicht mehr weitergeführt. * Längerfristig vorgesehen ist ein Anschluss an die geplante 4400 km lange Transsahara-Pipeline von Nigeria nach Algerien und Spanien. 2009 unterzeichneten Nigeria, Niger und Algerien ein Abkommen, doch bis 2018 war das Projekt laut einem Regierungsbeamten nicht über eine erste Planungsphase hinausgekommen. Grund dafür sollen auch die Probleme der nigerianischen Gasindustrie sein, ihre Lieferverträge für Westafrika zu erfüllen.
Die Agence Spatiale Algérienne (ASAL) ist die Weltraumorganisation Algeriens. Sie wurde im Jahr 2002 gegründet.
Im Jahr 2022 nutzten 71,2 Prozent der Einwohner Algeriens das Internet.
Die algerische Kultur wird durch Einflüsse der früheren Kolonialmacht, berberische und arabische Traditionen bestimmt. Seit den 1980er Jahren kam es verstärkt zu Auseinandersetzungen zwischen Berbern und der Zentralregierung, bei denen zahlreiche Menschen von der Gendarmerie umgebracht worden sind. Im Jahre 2001 beispielsweise wurden über 100 Menschen auf offener Straße erschossen. Im Zuge der 2004 angestrebten Parlamentswahlen machte die Regierung Bouteflika den Berbern schließlich Zugeständnisse (Berberisch an Schulen). Erst seit kurzem ist die Berbersprache eine offiziell anerkannte Amtssprache.
Mohammed Dib musste nach dem Erscheinen seiner ersten Romane in den 1950er Jahren Algerien verlassen. Die algerische Literatur stellt sich heute als Exilliteratur dar, da die Schriftsteller aufgrund der politischen Repression mit wenigen Ausnahmen den Weg ins Ausland gesucht haben. Bekannte Vertreter sind Assia Djebar, Rachid Boudjedra, Maïssa Bey, Yasmina Khadra oder Boualem Sansal. Die algerische Literatur ist stark vom arabischen Kulturerbe beeinflusst. Allerdings gibt es auch ein Kulturerbe der berberischen Minderheit. Viele berberische Autoren schreiben in französischer Sprache und Tamazight.
Radio Algérienne ist der nationale Rundfunk Algeriens. Sein Auslandsdienst sendet auf mehreren Kurzwellenfrequenzen Koranprogramme, die über einen Sender in Issoudun, Frankreich ausgestrahlt werden. Audio-Livestreams in arabischer Sprache sind über das Internet zugänglich. Der Inlandsdienst von Radio Algérienne sendet auf Lang- und Mittelwelle.
Bislang konnten sieben algerische Sportler bei Olympischen Spielen eine Goldmedaille gewinnen: # Hassiba Boulmerka (1992 – Leichtathletik, 1500 m, Frauen) # Noureddine Morceli (1996 – Leichtathletik, 1500 m, Männer) # Hocine Soltani (1996 – Boxen, Mittelgewicht 71–75 kg, Männer) # Nouria Mérah-Benida (2000 – Leichtathletik, 1500 m, Frauen) # Taoufik Makhloufi (2012 – Leichtathletik, 1500 m, Männer) # Imane Khelif (2024 – Boxen, Weltergewicht, Frauen) # Kaylia Nemour (2024 – Turnen, Stufenbarren, Frauen)
Schon seit den 1930er Jahren spielten algerische Fußballer eine wichtige Rolle in der französischen Profiliga (siehe auch hier). Die algerische Fußballnationalmannschaft konnte sich bisher viermal für die Endrunde einer Fußball-Weltmeisterschaft qualifizieren: 1982, 1986, 2010 und zuletzt 2014, wo man erstmals ins Achtelfinale einziehen konnte und dort in einem umkämpften Spiel mit 1:2 nach Verlängerung gegen Deutschland unterlag. 2019 gewann Algerien den Afrika-Cup. Der Kabyle Rabah Madjer war der erste Fußballspieler aus Afrika, der den Europapokal der Landesmeister, die heutige Champions League gewinnen konnte, und zwar mit seinem portugiesischen Klub FC Porto. Legendär ist immer noch sein Hackentrick-Tor im Finale 1987 in Wien gegen den FC Bayern München. Der dreimalige Weltfußballer Zinédine Zidane wurde als Sohn algerisch-kabylischer Einwanderer geboren, spielte allerdings nur für Frankreich.
Seit 1949 wird in unregelmäßigen Abständen die Tour d’Algérie der Radsportler ausgetragen, ein internationales Etappenrennen.
Bis zum Ende der 1980er Jahre führte die Rallye Paris-Dakar durch Algerien.
* Pied-noir (Algerienfranzosen) * Liste der algerischen Botschafter in Deutschland * Liste der algerischen Botschafter in der Deutschen Demokratischen Republik
* (arabisch, französisch) * (arabisch, französisch) * Amnesty International: . * International Monetary Fund:
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Arbeitsspeicher
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Der Arbeitsspeicher oder Hauptspeicher () eines Computers ist die Bezeichnung für den Speicher, der die gerade auszuführenden Programme oder Programmteile und die dabei benötigten Daten enthält. Der Hauptspeicher ist eine Komponente der Zentraleinheit. Da der Prozessor unmittelbar auf den Hauptspeicher zugreift, beeinflussen dessen Leistungsfähigkeit und Größe in wesentlichem Maße die Leistungsfähigkeit der gesamten Rechenanlage. , für gewöhnlich in Gaming- oder Desktop-PCs verbaut Arbeitsspeicher wird charakterisiert durch die Zugriffszeit bzw. Zugriffsgeschwindigkeit und (damit verbunden) die Datenübertragungsrate sowie die Speicherkapazität. Die Zugriffsgeschwindigkeit beschreibt die Dauer, bis angefragte Daten gelesen werden können. Die Datenübertragungsrate gibt an, welche Datenmenge pro Zeit gelesen werden kann. Es können getrennte Angaben für Schreib- und Lesevorgang existieren. Zur Benennung der Arbeitsspeichergröße existieren zwei unterschiedliche Notationsformen, die sich aus der verwendeten Zahlenbasis ergeben. Entweder wird die Größe zur Basis 10 angegeben (als Dezimalpräfix; 1 kByte oder kB = 103 Bytes = 1000 Bytes, SI-Notation) oder zur Basis 2 (als Binärpräfix; 1 KiB = 210 Bytes = 1024 Bytes, IEC-Notation). Aufgrund der binärbasierten Struktur und Adressierung von Arbeitsspeichern (Byte-adressiert bei 8-Bit-Aufteilung, wortadressiert bei 16-Bit-Aufteilung, doppelwortadressiert bei 32-Bit-Aufteilung usw.) ist letztere Variante die üblichere Form, die zudem ohne Brüche auskommt. Soweit Arbeitsspeicher über den Adressbus des Prozessors angesprochen wird oder direkt im Prozessor integriert ist, spricht man von physischem Speicher. Modernere Prozessoren und Betriebssysteme können durch virtuelle Speicherverwaltung mehr Arbeitsspeicher bereitstellen, als physischer Speicher vorhanden ist, indem sie Teile des Adressraums mit anderen Speichermedien hinterlegen (etwa mit einer Auslagerungsdatei, pagefile oder swap u. a.). Dieser zusätzliche Speicher wird virtueller Speicher genannt. Zur Beschleunigung des Speicherzugriffs – physisch oder virtuell – kommen heute zusätzliche Pufferspeicher zum Einsatz.
Der Arbeitsspeicher des Computers ist ein durch Adressen (in Tabellenform) strukturierter Bereich, der Binärwörter fester Größe aufnehmen kann. Durch die binäre Adressierung bedingt hat Arbeitsspeicher praktisch immer eine 'binäre' (auf Potenzen von 2 basierende) Größe, da andernfalls Bereiche ungenutzt blieben. Der Arbeitsspeicher moderner Computer ist flüchtig, d. h., dass alle Daten nach dem Abschalten der Energieversorgung verloren gehen – der Hauptgrund dafür liegt in der Technologie der DRAMs. Verfügbare Alternativen wie etwa MRAM sind allerdings für die Verwendung als Arbeitsspeicher noch zu langsam. Deshalb enthalten Computer auch Festspeicher in Form von Festplatten oder SSDs, auf dem das Betriebssystem und die Anwendungsprogramme und Dateien beim Abschalten erhalten bleiben. Die häufigste Bauform für den Einsatz in Computern ist das Speichermodul. Es ist zwischen verschiedenen RAM-Typen zu unterscheiden. Waren in den 1980ern noch übliche Bauweisen Speicher in Form von ZIP-, SIPP- oder DIP-Modulen, so wurden in den 1990ern vorwiegend SIMMs mit FPM- oder EDO-RAM genutzt. Heute kommen in Computern in erster Linie DIMMs mit z. B. SD-, DDR-SD-, DDR2-SD-, DDR3-SD oder DDR4-SDRAMs zum Einsatz.
Die ersten Computer hatten keinen Arbeitsspeicher, nur einige Register, die mit der gleichen Technik wie das Rechenwerk aufgebaut waren, also Röhren oder Relais. Programme waren fest verdrahtet („gesteckt“) oder auf anderen Medien, wie zum Beispiel Lochstreifen oder Lochkarten gespeichert und wurden nach dem Lesen direkt ausgeführt. „In Rechenanlagen der 2. Generation dienten Trommelspeicher als Hauptspeicher“ (Dworatschek). Zusätzlich wurde in der Anfangszeit auch mit eher exotischen Ansätzen experimentiert, beispielsweise mit Laufzeitspeichern in Quecksilberbädern oder in Glasstabspiralen (mit Ultraschallwellen beschickt). Später wurden Magnetkernspeicher eingeführt, die die Information in kleinen Ferritkernen speicherten. Diese waren in einer kreuzförmigen Matrix aufgefädelt, wobei sich je eine Adressleitung und eine Wortleitung in der Mitte eines Ferritkerns kreuzten. Der Speicher war nicht flüchtig, die Information ging jedoch beim Lesen verloren und wurde anschließend von der Ansteuerungslogik sofort wieder zurückgeschrieben. Solange der Speicher nicht beschrieben oder gelesen wurden, floss kein Strom. Er ist um einige Größenordnungen voluminöser und teurer herzustellen als moderne Halbleiterspeicher. Der Kernspeicher als Ganzes bot ausreichend Platz, neben dem Betriebssystem, das aktuell auszuführende Programm zunächst von einem externen Medium in den Arbeitsspeicher zu laden und alle Daten zu halten. Programme und Daten liegen in diesem Modell aus Sicht des Prozessors im gleichen Speicher, die heute am weitesten verbreitete Von-Neumann-Architektur wurde eingeführt. auf einem SDRAM-Modul Mit Einführung der Mikroelektronik wurde der Arbeitsspeicher zunehmend durch integrierte Schaltungen (Chips) ersetzt. Jedes Bit wurde in einem bistabilen Schalter (Flipflop) gespeichert, das mindestens zwei, mit Ansteuerlogik aber bis zu sechs Transistoren benötigt und relativ viel Chipfläche verbraucht. Solche Speicher verbrauchen immer Strom. Typische Größen waren integrierte Schaltungen (ICs) mit 1 KiBit, wobei jeweils acht ICs gemeinsam adressiert wurden. Die Zugriffszeiten lagen bei einigen 100 Nanosekunden und waren schneller als die Prozessoren, die um ein Megahertz getaktet waren. Das ermöglichte zum einen die Einführung von Prozessoren mit sehr wenigen Registern wie dem MOS Technology 6502 oder dem TMS9900 von Texas Instruments, die ihre Berechnungen größtenteils im Arbeitsspeicher durchführten. Zum anderen ermöglichte es den Bau von Heimcomputern, deren Videologik einen Teil des Arbeitsspeichers als Bildschirmspeicher verwendete und parallel zum Prozessor darauf zugreifen konnte. Ende der 1970er Jahre wurden dynamische Arbeitsspeicher entwickelt, die die Information in einem Kondensator speichern und nur noch einen zusätzlichen Feldeffekttransistor pro Speicherbit benötigen. Sie können sehr klein aufgebaut werden und benötigen sehr wenig Leistung. Der Kondensator verliert die Information allerdings langsam, die Information muss daher in Abständen von einigen Millisekunden immer wieder neu geschrieben werden. Das geschieht durch eine externe Logik, die den Speicher periodisch ausliest und neu zurückschreibt (Refresh). Durch die höhere Integration in den 1980er Jahren konnte diese Refreshlogik preiswert aufgebaut und in den Prozessor integriert werden. Typische Größen Mitte der 1980er waren 64 KBit pro IC, wobei jeweils acht Chips gemeinsam adressiert wurden. Die Zugriffszeiten der dynamischen RAMs lagen bei preiswertem Aufbau ebenfalls bei einigen 100 Nanosekunden und haben sich seitdem nur wenig verändert, die Größen sind jedoch auf einige GBit pro Chip gewachsen. Die Prozessoren werden heute nicht mehr im Megahertz-, sondern im Gigahertz-Bereich getaktet. Daher werden, um die durchschnittliche Zugriffszeit zu reduzieren, Caches verwendet und sowohl die Taktrate als auch die Breite der Anbindung des Arbeitsspeichers an den Prozessor erhöht (siehe Front Side Bus). Im Juni 2012 wurde bekannt gegeben, dass mit dem sogenannten Speicherwürfel (englisch und kurz genannt) eine neue kleinere und leistungsstärkere Bauform für Arbeitsspeicher entwickelt werden soll, bei der ein Stapel aus mehreren Dies genutzt werden soll. Eigens dafür wurde das Hybrid Memory Cube Konsortium gegründet, dem unter anderem ARM, Hewlett-Packard und Hynix beigetreten sind.
Um den physischen Arbeitsspeicher zu erweitern, können moderne Betriebssysteme zusätzlichen virtuellen Arbeitsspeicher auf Massenspeichern allozieren (platzieren, zuteilen). Diesen Speicher nennt man auch Swapspeicher. Um diese Erweiterung transparent zu realisieren, bedient sich das Betriebssystem eines virtuellen Speicherraumes, in dem sowohl der physische als auch der virtuelle Speicher vorhanden sind. Teile dieses virtuellen Speicherraumes – eine oder mehrere Speicherseiten – werden dabei entweder in das physisch vorhandene RAM oder in den Auslagerungsspeicher (Swapspace) abgebildet. Die Nutzungsrate der einzelnen Seiten bestimmt, welche Speicherseiten ausgelagert und nur auf Massenspeichern und welche im schnellen RAM existieren. Diese Funktionen werden von heutigen CPUs unterstützt, wobei die Menge des unterstützten Gesamtspeichers im Laufe der Entwicklung deutlich gestiegen ist. ). Oben SD-RAM und unten DDR-RAM Der Auslagerungsspeicher stellt eine sehr preiswerte, aber mit extrem schlechter Leistung verbundene Erweiterung zum physischen Arbeitsspeicher dar. Ein Missverhältnis zwischen beiden Speicherarten ist an häufigem „Swappen“, also dem Verschieben von Daten zwischen Massen- und physischem Arbeitsspeicher, zu erkennen. Verglichen mit dem Arbeitsspeicher benötigt die Festplatte mit mehreren Millisekunden sehr lange, um die Daten bereitzustellen. Die Zugriffszeit auf den Arbeitsspeicher beträgt nur wenige Nanosekunden, was einem Millionstel der Festplatte entspricht.
Zugriffe auf den Arbeitsspeicher durch den Hauptprozessor werden zumeist über ein oder mehrere Pufferspeicher oder (kurz „Cache“) optimiert. Im Cache hält und benutzt der Rechner die am häufigsten angesprochenen Speicherbereiche, stellvertretend für die originären Hauptspeicherbereiche. Der Cache ist im Verhältnis zu anderen Speichern sehr schnell, da er möglichst direkt am Prozessor angebunden ist (bzw. sich in modernen Prozessoren direkt auf dem Die befindet). Allerdings ist er in der Regel nur wenige Megabyte groß. Bei geringem Speicherbedarf können Programme oder Teile davon fast ausschließlich im Cache laufen, ohne dass der Hauptspeicher angesprochen werden muss. Der Cache ist als Assoziativspeicher ausgeführt, kann also entscheiden, ob die Daten einer Adresse schon im Cache gespeichert sind oder noch vom Arbeitsspeicher geholt werden müssen. Dann wird ein anderer Teil des Caches aufgegeben. Der Cache wird dabei stets mit mehreren aufeinander folgenden Worten gefüllt, beispielsweise stets mit mindestens 256 Bit (sogenannter Burst-Modus), da es sehr wahrscheinlich ist, dass in Kürze auch Daten vor oder hinter den gerade benötigten gelesen werden sollen.
Die Leistung von Speichermodulen (Takt und Schaltzeitverhalten, englisch ) misst sich vor allem in der absoluten Latenz. Die theoretische Bandbreite ist ausschließlich beim Burst-Transfer relevant. Ein weit verbreiteter Irrtum ist, dass höhere numerische Timings eine schlechtere Leistung zur Folge hätten. Das gilt jedoch nur bei gleichem Takt, da sich die absolute Latenz aus den Faktoren (effektiver) Takt und Schaltzeitverhalten (Timing) ergibt.
Daraus ergibt sich die Konsequenz, dass DDR2/3/4-SDRAM, obwohl sie höhere (numerische) Schaltzeiten (Timings) als DDR-SDRAM aufweisen, schneller sein können und eine höhere Bandbreite zur Verfügung stellen. Einige Speicherhersteller halten die offiziellen Spezifikationen der JEDEC nicht ein und bieten Module mit höheren Taktraten oder besserem Schaltzeitverhalten (Timings) an. Während DDR3-1600 CL9-9-9 einer offiziellen Spezifikation unterliegt, handelt es sich bei DDR2-1066 CL4-4-4-12 um nicht standardkonforme Speichermodule. Diese schnelleren Speicher werden oft als Speichermodule für Übertakter bezeichnet. ; CAS (column access strobe) – latency (CL) : Gibt an, wie viele Taktzyklen der Speicher benötigt, um Daten bereitzustellen. Niedrigere Werte bedeuten höhere Speicherleistung. ; RAS to CAS Delay (tRCD) : Dabei wird über die Abtastsignale „Spalten“ und „Zeilen“ eine bestimmte Speicherzelle lokalisiert, ihr Inhalt kann dann bearbeitet werden (Auslesen/Beschreiben). Zwischen der Abfrage „Zeile“ und der Abfrage „Spalte“ befindet sich eine festgelegte Verzögerung ⇒ Delay. Niedrigere Werte bedeuten höhere Speicherleistung. ; RAS (row access strobe) – precharge delay (tRP) : Bezeichnet die Zeit, die der Speicher benötigt, um den geforderten Spannungszustand zu liefern. Erst nach Erreichen des gewünschten Ladezustandes kann das RAS-Signal gesendet werden. Niedrigere Werte bedeuten höhere Speicherleistung. ; Row-Active-Time (tRAS) : Erlaubte Neuzugriffe nach festgelegter Anzahl von Taktzyklen, setzt sich rein rechnerisch aus CAS + tRP + Sicherheit zusammen. ; Command Rate (zu Deutsch Befehlsrate) : Ist die Latenzzeit, welche bei der Auswahl der einzelnen Speicherchips benötigt wird, genauer gesagt, die Adress- und Command Decode Latency. Die Latenzzeit gibt an, wie lange ein Speicherbank-Adressierungssignal anliegt, bevor die Ansteuerung der Zeilen und Spalten der Speichermatrix geschieht. Typische Werte für DDR- und DDR2-Speichertypen sind 1–2T, meistens wird 2T genutzt.
In der Praxis konnten FSB1333-Prozessoren von Intel mit ihrem Front Side Bus maximal 10 GiB/s an Daten empfangen. Das wird im üblichen Dual-Channel-Betrieb mit zwei Speicher-Riegeln bereits von DDR2-667 (10,6 GiB/s) ausgereizt. Aktuelle Prozessoren unterliegen dieser Beschränkung nicht mehr, da hier der Speichercontroller nicht mehr in der Northbridge, wie beim Sockel 775 und Vorgängern, sondern direkt auf der CPU verbaut ist. Neben Dual Channel spielt es auch eine Rolle, ob der Speicher Dual-Rank unterstützt. Dual-Rank steht für die beidseitige Bestückung der Speicherriegel mit doppelt so vielen, aber nur halb so großen Speicherchips. Insbesondere CPUs mit interner GPU, wie die AMD-Kaveri-Architektur, können von dieser Form der Speicherverschränkung profitieren.
Die klassische Anbindung von physischem Speicher erfolgt über einen (bei Von-Neumann-Architektur) oder mehrere (bei der heute im PC-Bereich nicht mehr verwendeten Harvard-Architektur bzw. Super-Harvard-Architektur) Speicherbusse. Speicherbusse übertragen Steuerinformationen, Adressinformationen und die eigentlichen Nutzdaten. Eine von vielen Möglichkeiten ist es, für diese unterschiedlichen Informationen getrennte Leitungen zu nutzen und den Datenbus sowohl zum Lesen wie zum Schreiben von Nutzdaten zu verwenden. Der Datenbus übernimmt dann den eigentlichen Datentransfer. Aktuelle PC-Prozessoren benutzen zwischen zwei und vier 64-Bit-Speicherbusse, die aber seit etwa dem Jahr 2000 keine generischen Speicherbusse mehr sind, sondern direkt die Protokolle der verwendeten Speicherchips sprechen. Der Adressbus dient zur Auswahl der angeforderten Speicherzellen; von seiner Busbreite (in Bit) ist die maximal ansprechbare Anzahl von Speicherworten abhängig. An jeder Adresse sind bei heute üblichen Systemen meist 64 Bit abgelegt (siehe 64-Bit-Architektur), früher wurden auch 32 Bit (Intel 80386), 16 Bit (Intel 8086) und 8 Bit (Intel 8080) verwendet. Viele, aber nicht alle Prozessoren unterstützen feiner granulare Zugriffe, meist auf Byteebene, durch ihre Art der Interpretation von Adressen (Endianness, „Bitabstand“ von Adressen, misalignte-Zugriffe) auf Software-Ebene wie auch durch das Hardware-Interface (Byte-Enable-Signale, Nummer der niederwertigsten Adressleitung). Beispiel: Intel 80486 * Adressbus: A31 bis A2 * Datenbus: D31 bis D0 * Byte-Enable: BE3 bis BE0 * Endianness: Little Endian * Unterstützung von misalignten Zugriffen: ja * ansprechbarer Speicher: 4 Gi × 8 Bit als 1 Gi × 32 Bit Einer der wesentlichen Unterschiede der beiden bei PCs aktuellen Prozessorgenerationen „32-Bit“ und „64-Bit“ ist also der bereits angesprochene maximal ansteuerbare Arbeitsspeicher, der jedoch zum Teil mit Hilfe von Physical-Address Extension noch etwas über das übliche Maß hinaus erweitert werden kann. Allerdings ist mit der Anzahl der Bits einer Prozessorgeneration im Allgemeinen die Breite des Datenbusses gemeint, die nicht notwendigerweise mit der Breite des Adressbusses übereinstimmt. Allein die Breite des Adressbusses bestimmt jedoch die Größe des Adressraums. Aus diesem Grund konnte beispielsweise der „16-Bit“-Prozessor 8086 nicht nur 64 KiB (theoretischer 16-Bit-Adressbus), sondern 1 MiB (tatsächlicher 20-Bit-Adressbus) adressieren. Der Bus moderner Computer vom Cache zum Arbeitsspeicher wird schnell ausgeführt, also mit hoher Taktrate und Datenübertragung bei steigender und fallender Taktflanke (DDR: Double Data Rate). Er ist synchron und mit großer Wortbreite, zum Beispiel 64 Bit pro Adresse. Werden mehrere Speichersteckplätze auf der Hauptplatine eines PCs eingesetzt, so werden aufeinander folgende Adressen in verschiedenen Steckplätzen gespeichert. Das ermöglicht überlappenden Zugriff (Interleaved) bei Burst-Zugriffen. Innerhalb der Speicherchips werden ganze Adresszeilen in Schieberegistern gespeichert. Ein 1-MiBit-Chip kann zum Beispiel 1024 Zeilen mit 1024 Bit haben. Beim ersten Zugriff wird ein schnelles, internes 1024-Bit-Register mit den Daten einer Zeile gefüllt. Bei Burst-Zugriffen sind die Daten der folgenden Adressen dann bereits im Schieberegister und können mit sehr geringer Zugriffszeit von diesem gelesen werden. Sinnvollerweise überträgt man daher nicht nur das angeforderte Bit zum Prozessor, sondern gleich eine sogenannte „Cache-Line“, die heute 512 Bit beträgt (vgl. Prozessor-Cache).
Die größten Speicherchiphersteller sind: * Hynix Semiconductor * Fujitsu Siemens Computers Diese Hersteller teilen sich 97 Prozent Marktanteil. Anbieter von Speichermodulen, wie Corsair, Kingston Technology, MDT, OCZ, A-Data usw. (sogenannte Third-Party-Hersteller) kaufen Chips bei den genannten Herstellern und löten diese auf ihre Platinen, wofür sie ein eigenes Layout entwerfen. Außerdem programmieren sie die SPD-Timings gemäß ihren eigenen Spezifikationen, die durchaus schärfer eingestellt sein können als die der Originalhersteller. Für Dual-Channel- oder Triple-Channel-Betrieb sollten nach Möglichkeit annähernd baugleiche Module verwendet werden, damit die Firmware (bei PCs das BIOS oder UEFI) den Parallel-Betrieb nicht aufgrund von unvorhersehbaren Inkompatibilitäten verweigert oder das System dadurch instabil läuft. Es ist gängige Praxis, dass ein Hersteller beim selben Produkt im Laufe der Produktion andere Chips auf seine Module lötet bzw. umgekehrt unterschiedliche Hersteller die gleichen Chips verwenden. Da diese Informationen jedoch in so gut wie allen Fällen nicht zugänglich sind, ist man beim Kauf von Speicher-Kits auf der sicheren Seite – obwohl der Dual-/Triple-Channel-Modus normalerweise auch mit unterschiedlichen Modulen funktioniert. Als Mittler zwischen den großen Speicherchip- und Modulherstellern einerseits und dem Handel und den Verbrauchern andererseits haben sich in Deutschland Anbieter wie z. B. CompuStocx, CompuRAM, MemoryXXL und Kingston etabliert, die für die gängigsten Systeme spezifizierte Speichermodule anbieten. Das ist deshalb notwendig, weil einige Systeme durch künstliche Beschränkungen durch den Hersteller nur mit Speicher arbeiten, der proprietäre Spezifikationen erfüllt.
* Halbleiterspeicher * Speicherausrichtung * Bereitschaftsbetrieb, Ruhezustand für energiesparende Techniken, um mit dem Arbeitsspeicher umzugehen * Speicherschutz, Speichermedium, Speichern
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Arcadius
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, vermutlich Ende des 4. Jahrhunderts, üblicherweise mit Arcadius identifiziert Flavius Arcadius (gräzisiert Arkadios ; * um 377 in Hispanien; † 1. Mai 408 in Konstantinopel) war zwischen 395 und 408 Kaiser der Osthälfte des Imperium Romanum und gilt daher als der erste Herrscher des Oströmischen bzw. Byzantinischen Reiches.
, Konstantinopel, 390 n. Chr. Der Kaiser in der Mitte wird teilweise als Arcadius gedeutet, der zu dieser Zeit die Regierungsgeschäfte im Osten führte, der alte Mann rechts hinter ihm (links oben aus Betrachterperspektive) könnte sein Berater Flavius Eutolmius Tatianus sein.
Arcadius war der älteste Sohn Kaiser Theodosius’ I. und Aelia Flaccillas und damit der Bruder des Westkaisers Honorius. Sein Vater, der 379 überraschend von Gratian zum Mitkaiser ernannt worden war, hatte ihn bereits im Januar 383 zum Augustus erheben lassen, gab ihm jedoch faktisch keinen Spielraum. Theodosius, der seit 379 für den Osten des Reiches zuständig war, ließ zwar Arcadius am Hof in Konstantinopel zurück, als er 387/88 in den Westen zog, um einen Bürgerkrieg gegen Magnus Maximus zu führen. Federführend war aber der Prätorianerpräfekt (der höchste zivile Verwaltungsbeamte) Flavius Eutolmius Tatianus. Als sein Vater 394 erneut in den Westen zog, blieb Arcadius im Unterschied zu Honorius erneut am Bosporus zurück. Nach dem überraschenden Tod des Theodosius und der faktischen Reichsteilung im Januar 395 übernahm Arcadius mit knapp 18 Jahren nicht nur die Herrschaft über den Osten, sondern rückte zugleich zum senior Augustus mit dem Anspruch auf die Oberhoheit im Gesamtreich auf.
Als Kaiser nannte Arcadius sich Imperator Caesar Flavius Arcadius Augustus und versuchte offenbar, einen eigenen Kurs gegen seinen mächtigsten Berater Rufinus durchzusetzen. Er erließ mehrere Gesetze gegen die Häresie und präsentierte sich als christlicher Kaiser, obwohl er seine Ausbildung auch von paganen Lehrern erhalten hatte. Anstatt die Tochter des Rufinus zur Frau zu nehmen, heiratete er am 27. April 395 Aelia Eudoxia, die Tochter des Bauto, eines ehemaligen magister militum unter Gratian. Dennoch behielt Rufinus zunächst die Macht in den Händen und befand sich in einer ähnlichen Position wie im Westreich Stilicho. Stilicho behauptete, er sei vom sterbenden Theodosius zum Vormund beider Söhne ernannt worden, und begründete damit einen Anspruch auf die Oberhoheit des westlichen Hofes, an dem er sich aufhielt, über den östlichen. Dies lehnten sowohl der senior Augustus Arcadius als auch Rufinus empört ab. Zwischen beiden Höfen kam es daher schon 395 zu Spannungen, die sich unter anderem in Hinblick auf einige Provinzen im Illyricum äußerten, die Stilicho für das Westreich forderte. Umgekehrt verlangte Arcadius die Überstellung starker Heeresverbände, die 394 mit Theodosius nach Westen gezogen waren. Stilicho musste nachgeben und die Truppen unter dem comes Gainas nach Konstantinopel schicken. Rufinus war allerdings bei der Armee unbeliebt und wurde schließlich im Herbst 395 in Anwesenheit des Kaisers bei einer Parade der aus dem Westen zurückgekehrten Soldaten getötet; dahinter stand angeblich Stilicho, dessen Gefolgsmann Gainas war. Rufinus’ Platz nahm der Eunuch Eutropios ein, der oberste Kammerherr (praepositus sacri cubiculi) des Arcadius. Auch dieser wurde jedoch 399 unter Beteiligung des Gainas gestürzt und anschließend hingerichtet. Der anschließende Versuch des Gainas, den östlichen Hof so zu dominieren, wie es Stilicho im Westen tat, wurde 400 durch den Heermeister Fravitta und einen Aufstand der Bevölkerung niedergeschlagen. Zahlreiche gotische foederati fanden dabei den Tod, was dazu beitrug, dass hohe Militärs (römischer wie nichtrömischer Herkunft) im Osten in der Folge nicht die entscheidende Rolle spielten, die ihnen im Westen zufallen sollte. Vielmehr behielt der Hof die Kontrolle. In diesen Jahren stand das Ostreich zudem unter dem Druck mehrerer Barbareneinfälle. Von 395 bis 397 plünderten Hunnen die Ostprovinzen. Meuternde westgotische foederati unter Alarich drangen seit 395 mehrmals tief in oströmisches Territorium ein, während es gleichzeitig zu Revolten unter den germanischen Hilfstruppen kam. 399 bestieg mit Yazdegerd I. ein neuer König den persischen Thron, der gegenüber den Römern zunächst feindselig auftrat. Dennoch konnte Arcadius in den Jahren ab 400 wohl ungehindert vom Einfluss seiner Berater selbst regieren. Kirchengeschichtlich von großer Bedeutung ist die Verbannung Johannes Chrysostomos’, die Arcadius 403 auf Betreiben von Eudoxia erwirkte. Johannes hatte den angeblich ausschweifenden Lebensstil der jungen Kaiserin angeprangert und damit ihren Unmut erregt. Er wurde das Opfer einer Hofintrige: Johannes, einer der wichtigsten Theologen des Christentums, starb am 14. September 407 in der Verbannung. Papst Innozenz I. und Honorius hatten zuvor vergeblich versucht, eine Aufhebung des Bannes zu erwirken. Nach dem Tod der Eudoxia 404 trat der tatkräftige Prätorianerpräfekt Anthemius als wichtigster Berater des Kaisers hervor, in dessen Schatten Arcadius nun nach außen völlig verschwand. Seinen Pflichten kam Anthemius mit großer Sorgfalt und Kompetenz nach; insbesondere gelang es ihm, nach Beilegung der anfänglichen Spannungen mit Yazdegerd sehr gute Beziehungen mit dem persischen Sassanidenreich herzustellen, was die außenpolitische Lage Ostroms sehr verbesserte. Der Perserkönig soll laut Prokopios von Caesarea sogar vom sterbenden Arcadius 408 zum Vormund seines Sohnes bestellt worden sein. Ob dies stimmt ist in der Forschung sehr umstritten. 407 brach ein Bürgerkrieg mit Westrom aus, als Alarich im Auftrag Stilichos in oströmisches Gebiet einfiel, doch wurden die Kämpfe abgebrochen, als Westrom an anderen Fronten bedroht wurde. Für 408 einigten sich die beiden Kaiserhöfe zum Zeichen der Versöhnung auf ein gemeinsames Paar Konsuln. Arcadius hatte vier Kinder: Drei Töchter (Pulcheria, Arcadia und Marina) und den 401 geborenen Sohn und Mitkaiser (seit 402) Theodosius II., der nach dem frühen Tod des Kaisers im Jahr 408 noch im Kindesalter als Augustus den oströmischen Thron bestieg. , Inventarnummer 5028
Die Regierungszeit des Arcadius war eine Krisenzeit für die Entwicklung Ostroms. An den Grenzen war es bedroht (im Norden und Nordwesten von den Germanen, im Illyricum anfangs sogar von Westrom, in Kleinasien von den Hunnen, im Osten zunächst von den Sassaniden), im Inneren kam es zu Aufständen, und das West- und Ostreich entfernten sich aufgrund von Konflikten im Balkanraum immer mehr voneinander (ohne dass dies zur Aufgabe der Vorstellung von einer grundsätzlichen Reichseinheit geführt hätte). Arcadius und seine Berater reagierten oft nur, statt zu agieren. Ihm selbst wird in mehreren Quellen ein wohlwollender Charakter bescheinigt, doch wird er auch als schwache Persönlichkeit und schwacher Kaiser beschrieben, der dieser Situation nicht gewachsen war. Allerdings muss dabei auch der Tatsache Rechnung getragen werden, dass er etwa seit seinem sechsten Lebensjahr unter der Bevormundung seiner Berater gestanden hatte. Dennoch überstand Ostrom diese Zeit relativ gut, während das Westreich unter Honorius nach 408 bereits erste Auflösungserscheinungen zeigte. Dies ist nicht zuletzt dem äußerst fähigen Anthemius zu verdanken, der noch bis 414 die Geschicke Ostroms bestimmte und ganz wesentlich dazu beitrug, die äußere Lage des Reiches zu verbessern.
* John B. Bury: History of the Later Roman Empire. Bd. 1. 1923, ND New York 1958. * Arnold Hugh Martin Jones: The Later Roman Empire (284–602). 3 Bände, Oxford 1964. * John H. W. G. Liebeschuetz: Barbarians and Bishops. Army, Church, and State in the Age of Arcadius and Chrysostom. Clarendon Press, Oxford 1990. * Alan Cameron, Jacqueline Long: Barbarians and Politics at the Court of Arcadius. Berkeley 1993. * Thomas S. Burns: Barbarians within the gates of Rome. A study of Roman military policy and the barbarians, ca. 375–425 AD. Bloomington 1994. * Wolfgang Hagl: Arcadius Apis imperator: Synesios von Kyrene und sein Beitrag zum Herrscherideal der Spätantike. Stuttgart 1997. * David Buck: The reign of Arcadius in Eunapius’ Histories. In: Byzantion. Band 68, 1998, S. 15–46. * Johannes Hahn: Arcadius. In: Manfred Clauss (Hrsg.): Die römischen Kaiser. 55 historische Portraits von Caesar bis Iustinian. 4., aktualisierte Auflage. Beck, München 2011, ISBN 978-3-406-60911-4, S. 374–379.
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Ampelkoalition
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(oben rot, in der Mitte gelb und unten grün) Unter einer Ampelkoalition (auch rot-gelb-grüne Koalition; kurz Rot-Gelb-Grün oder Ampel) versteht man in Deutschland eine Koalition zwischen der SPD, der FDP und der Partei Bündnis 90/Die Grünen. Deren Parteifarben rot, gelb und grün entsprechen dem am häufigsten vorkommenden Typ einer Ampel. Allgemein und international werden darunter Regierungsbündnisse aus einer sozialdemokratischen (bzw. unter Umständen auch sozialistischen oder kommunistischen), einer liberalen und einer grünen Partei verstanden.
, Michael Kellner und Lars Klingbeil mit dem unterzeichneten Koalitionsvertrag am 7. Dezember 2021 in Berlin. Auf Bundesebene ist eine solche Konstellation erstmals am 7. Dezember 2021 zustande gekommen, auf Landes- und Kommunalebene gab es zuvor schon Beispiele für solche Koalitionen. Nachdem die Ampelkoalition auf Bundesebene lange Zeit keine ernsthaft in Erwägung gezogene Option zur Regierungsbildung gewesen war, kam es infolge des Ergebnisses der Bundestagswahl 2021 erstmals zu Koalitionsverhandlungen zwischen den drei Parteien. Am 24. November 2021 einigten sich SPD, Grüne und FDP auf den Koalitionsvertrag der 20. Wahlperiode des Bundestages. Nach der Zustimmung der Gremien von SPD und FDP und der Mitglieder der Grünen wurde Olaf Scholz am 8. Dezember 2021 mit den Stimmen einer Ampelkoalition zum Bundeskanzler im Kabinett Scholz gewählt. Am 6. November 2024 erklärte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), er habe den Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier aufgrund persönlicher Differenzen um Entlassung von Bundesminister Christian Lindner (FDP) gebeten, woraufhin die Koalition durch den geschlossenen Rücktritt der FDP aus der Regierung vorzeitig zerfiel. Bundeskanzler Scholz stellte so am 11. Dezember 2024 dem Bundestag pro forma die Vertrauensfrage mit dem Ziel, sie zu verlieren und den Bundespräsidenten so um eine Auflösung des Parlaments und vorgezogene Neuwahlen am 23. Februar 2025 zu bitten.
Als Ampelkoalition bezeichnet wurde die von 1990 bis 1994 in Brandenburg bestehende Regierungskoalition, obwohl die Grünen an der 5%-Hürde gescheitert waren und stattdessen Bündnis 90 mitregierte. Bündnis 90 fusionierte 1993 mit den Grünen zu Bündnis 90/Die Grünen, die Fraktionsmitglieder des Bündnis 90 traten der neuen Partei jedoch nicht alle bei. Die Koalition zerbrach im Februar 1994 ein halbes Jahr vor der regulären Landtagswahl an Meinungsverschiedenheiten über die Bewertung der Rolle von Ministerpräsident Manfred Stolpe in seiner Funktion als Konsistorialpräsident der evangelischen Kirche Brandenburg zu DDR-Zeiten. Eine echte Ampelkoalition regierte von 1991 bis 1995 in Bremen. Auch diese Koalition wurde wenige Monate vor dem regulären Wahltermin aufgekündigt. Anlass hierfür war die sogenannte Piepmatzaffäre. Einige Versuche zur Bildung einer solchen Koalition scheiterten. Nach der Wahl zum Abgeordnetenhaus von Berlin 2001 war dies der Fall. Sondierungsgespräche in dieser Richtung nach der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen 2010 führten ebenso wenig zum Erfolg. Ferner wurden Ampelkoalitionen auf Bundes- und Landesebene von der FDP und insbesondere von Guido Westerwelle mit Verweis auf die unterschiedlichen Parteiprogramme von SPD und Grünen einerseits und der FDP andererseits wiederholt abgelehnt. mit ihren Ministern am 18. Mai 2016 in der Staatskanzlei. Nachdem das Stimmenergebnis bei der rheinland-pfälzischen Landtagswahl 2016 nicht für eine Fortsetzung der rot-grünen Koalition ausgereicht hatte, eine schwarz-gelbe Koalition jedoch ebenfalls keine Mehrheit erzielen konnte und Malu Dreyer eine Große Koalition als „Ultima Ratio“ befand, einigten sich SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen auf die Bildung der ersten Ampelkoalition in Rheinland-Pfalz. Mit der Vereidigung des zweiten Kabinetts Dreyer trat diese Koalition am 18. Mai 2016 ihr Amt an. Sie war die erste Ampelkoalition auf Landesebene, welche die komplette Wahlperiode bis zur nächsten Landtagswahl Bestand hatte und bei der nach der folgenden Wahl alle beteiligten Parteien wieder im Landtag vertreten waren. Nach der Landtagswahl in Rheinland-Pfalz 2021 kündigte Malu Dreyer an, Koalitionsverhandlungen aufzunehmen mit dem Ziel einer Neuauflage der Ampelkoalition. Die Regierung wurde wiedergewählt; das Kabinett Dreyer III wurde am 18. Mai 2021 vereidigt. Auch das Nachfolgekabinett, das Kabinett Schweitzer, besteht seit dem 10. Juli 2024 aus einer Ampelkoalition. Eine analoge Konstellation nach der Niedersachsenwahl 2017 schied aufgrund der deutlichen Ablehnung der FDP aus, die SPD musste deswegen eine Große Koalition mit den intensiv bekämpften Rivalen der CDU bilden. Auch in Schleswig-Holstein war zuvor eine aufgrund des zweiten Platzes der SPD weniger realistische, aber von den Grünen lange bevorzugte Ampelkoalition nach Sondierungen mit der FDP nicht zu Stande gekommen, so dass dort eine in Deutschland bis dahin noch seltener diskutierte Jamaika-Koalition unter Führung der CDU gebildet wurde. Im Anschluss an die Landtagswahl in Hessen 2018 scheiterten Sondierungsgespräche, nachdem durch das endgültige Wahlergebnis bestätigt wurde, dass die Grünen mit Tarek Al-Wazir als stimmenstärkster Koalitionspartner in einer Ampelkoalition das Amt des Ministerpräsidenten beanspruchen könnten. Ein mögliches Bündnis mit einem Ministerpräsidenten der Grünen wurde im Rahmen der Wahl von den Medien als Grüne Ampel bezeichnet.
Auf kommunaler Ebene bestand von Januar 2006 bis September 2006 in Bonn eine Ampelkoalition, von Juli 2006 bis Juni 2009 in der kreisfreien Stadt Darmstadt. Nach den Kommunalwahlen 2009 arbeiteten Ampelkoalitionen in den nordrhein-westfälischen Großstädten Bielefeld, Mönchengladbach (bis 2013) und Remscheid, und nach den Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen 2014 bildeten sich Bündnisse aus SPD, GRÜNE und FDP in der Landeshauptstadt Düsseldorf und in Oberhausen. Nach den Kommunalwahlen in Rheinland-Pfalz 2009 fand sich in der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt Mainz ein Ampelbündnis, das bis zu den Kommunalwahlen 2024 Bestand hatte. In Trier hatte die FDP die Ampelkoalition zwischenzeitlich verlassen. Seit den Kommunalwahlen in Hessen 2011 bildeten SPD, Bündnis 90/Die Grünen und die FDP im Wetteraukreis ebenfalls eine Koalition. In den Landschaftsversammlungen der höheren Kommunalverbände Rheinland und Westfalen-Lippe bildeten die Fraktionen von SPD, FDP und Grüne bis 2014 die Mehrheit, die so genannte „Gestaltungsmehrheit“.
Als „Afrika-Koalition“ wurde eine derartige Ampelkoalition von Fritz Goergen wegen der grün-gelb-roten Farben Afrikas erstmals in der Financial Times Deutschland im Juli 2006 bezeichnet. Der grüne Politiker Jürgen Trittin schlug im September 2006 vor, stattdessen von einer Senegal-Koalition zu sprechen. Die Nationalflagge des westafrikanischen Staates umfasst die Farben Grün, Gelb und Rot, wobei auf dem mittleren, gelben Streifen zudem ein grüner Stern abgebildet ist.
Eine Koalition aus CDU, FDP und Bündnis 90/Die Grünen wird gelegentlich als schwarze Ampel (kurz Schwampel) bezeichnet, häufiger jedoch als Jamaika-Koalition. Eine solche Regierungskoalition wurde in der Geschichte Deutschlands oberhalb der Kommunalebene erstmals 2009 im Saarland umgesetzt, scheiterte jedoch nach zwei Jahren. Von 2017 bis 2022 gab es sie in Schleswig-Holstein. Im unmittelbaren Anschluss an die Bundestagswahl 2005 war sie in der Diskussion, nach der Bundestagswahl 2017 gab es Sondierungsgespräche zwischen CDU, FDP und Grünen, die jedoch von der FDP nach vier Wochen beendet wurden. Nach der Landtagswahl 2012 regierten in Schleswig-Holstein SPD, Grüne und SSW in einer rot-grün-blauen Koalition, die unter dem – teilweise umstrittenen – Schlagwort Dänen-Ampel bekannt wurde. Später wurde sie Küstenkoalition genannt. Nach der Landtagswahl in Thüringen 2014 war eine schwarz-rot-grüne (Afghanistan oder Kenia) Koalitionsvariante im Gespräch und wurde nach der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt 2016 erstmals auf Landesebene umgesetzt.
In Österreich wurde in den 1990er Jahren in Anlehnung an die Begriffsbildung in Deutschland unter Ampelkoalition eine Koalition aus SPÖ, Liberalem Forum und Grüne diskutiert, obwohl die Parteifarbe des Liberalen Forums damals nicht gelb, sondern hellblau war. Nach der Landtags- und Gemeinderatswahl in Wien 1996 wurde eine solche Variante rechnerisch möglich, allerdings wurde seitens der SPÖ eine mutmaßlich stabilere Zweierkoalition mit der ÖVP bevorzugt. Dem Bedeutungsverlust des Liberalen Forums mit dem Ausscheiden aus dem Parlament nach den Nationalratswahlen 1999 folgte 2014 ein Aufgehen in der neuen liberalen Partei NEOS – Das Neue Österreich und Liberales Forum. Deren Parteifarbe ist allerdings pink. Als Ampelkoalition wird auch die von 2012 bis 2015 amtierende Innsbrucker Regierung aus der bürgerlich-liberalen Liste Für Innsbruck (Erkennungsfarbe gelb), den Grünen und der SPÖ verstanden. Diese kam nach der Gemeinderatswahl 2012 zustande.
In Luxemburg wird eine Koalition aus Sozialdemokraten, Liberalen und Grünen als Gambia-Koalition bezeichnet, da die Parteifarbe der liberalen Demokratesch Partei blau und nicht gelb ist. Rot, blau und grün sind die Nationalfarben Gambias. Eine solche Koalition wurde nach der Kammerwahl 2013 unter Premierminister Xavier Bettel gebildet und blieb bis zur Kammerwahl 2023 bestehen. Damit gelang nach langer Zeit wieder eine Regierung unter Ausschluss der bislang dominierenden Christdemokraten, die bis auf eine vierjährige Unterbrechung in den 1970er Jahren an allen Nachkriegsregierungen im Großherzogtum beteiligt waren und nach wie vor stärkste Partei sind.
Unter dem Begriff traffic light coalition wird in England eine Koalition unter Einschluss der Labour Party, den Liberal Democrats und der Green Party of England and Wales verstanden, die beispielsweise im City Council des englischen Verwaltungsbezirkes City of Lancaster die Mehrheitsfraktionen stellen. Eine vergleichbare Koalition in Schottland zwischen Labour, Liberal Democrats und der Scottish Green Party wurde nach den Wahlen zum schottischen Parlament im Jahre 2003 diskutiert, kam aber nicht zustande.
In Belgien und den Niederlanden werden liberale Parteien (VVD bzw. VLD und MR) mit der Farbe blau assoziiert. Nach der Mischfarbe von rot und blau heißen Koalitionen aus Sozialdemokraten und Liberalen daher „lila Regierung“ (paars kabinet). Kommen die Grünen oder die linksliberalen Democraten 66 (deren Erkennungsfarbe ebenfalls grün ist) hinzu, ist von paars-groen („lila-grün“), paars-plus oder auch „Regenbogenkoalition“ die Rede. Eine „lila Regierung“ aus Arbeitspartei, VVD und D66 regierte in den Niederlanden von 1994 bis 2002 unter Wim Kok, wodurch erstmals seit 1945 keine Christdemokraten an der Regierung beteiligt waren. Nach der Parlamentswahl 2010 wurde eine paars-plus-Koalition unter Einschluss der GroenLinks sondiert, kam aber nicht zustande. In Belgien regierten von 1999 bis 2003 Liberale, Sozialisten und Grüne (die sich nochmals in je eine flämische und eine wallonische Partei gliedern; erstes Kabinett Verhofstad), dies war das erste Mal seit 1958, dass die Christdemokraten in die Opposition verwiesen wurden. Von 2003 bis 2007 folgte eine „lila Regierung“ ohne die Grünen (Verhofstadt II).
Nach den schwierigen Verhältnissen nach der Reichstagswahl in Schweden 2018, bei der weder die liberal-konservative Alliansen noch das Rot-grüne Bündnis die Mehrheit erreichte, bildete Stefan Löfven eine Minderheitsregierung bestehend aus der sozialdemokratischen SAP und der grüne MP, die von der sozialistischen Vänsterpartiet (V), der liberalen Liberalerna (L) und der ländlichen, grünliberalen Centerpartiet (C) toleriert wurde. Diese Vereinbarung wurde in der deutschsprachigen Presse vereinzelt als „Ampel“ bezeichnet, obwohl die Parteifarbe der schwedischen Liberalen nicht gelb, sondern blau ist.
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Avitus
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Eparchius Avitus (* um 385 in der Auvergne; † Anfang 457) war von 455 bis 456 weströmischer Kaiser sowie von 456 bis zu seinem Tode Bischof von Placentia.
Avitus wurde in der Auvergne um das Jahr 385 als Spross einer vornehmen, traditionsreichen gallorömisch-senatorischen Familie geboren. Sein Vater war vermutlich Agricola, der zweimal gallischer Prätorianerpräfekt gewesen war und 421 das Konsulat bekleidet hatte. Avitus hatte eine Tochter, Papianilla, und zwei Söhne, Ecdicius und Agricola. Um 419/20 diente Avitus dem Heermeister (magister militum) und kurzzeitigen Kaiser Constantius III. und knüpfte erste Kontakte mit dem westgotischen Hof in Toulouse; sein Schwiegersohn war Sidonius Apollinaris, dem wir auch wichtige Nachrichten über diese Zeit und über Avitus verdanken, so dass die Vorbildung des Avitus juristisch geprägt war (civilia iura secutus). 430 und 435 war Avitus unter dem „Reichsfeldherrn“ (magister militum und patricius) Flavius Aëtius tätig, bevor er 437 selbst das prestigeträchtige und einflussreiche Amt des Heermeisters für Gallien übernahm. Nach dieser Tätigkeit wurde er zwei Jahre später ungewöhnlicherweise Prätorianerpräfekt für Gallien – ungewöhnlich deshalb, weil die zivilen und militärischen Laufbahnen in der Spätantike eigentlich recht strikt voneinander getrennt waren. Obgleich Gallien zu dieser Zeit aufgrund der so genannten Völkerwanderung ständiges Krisen- und Kriegsgebiet war, war es für die weströmischen Kaiser nach dem Wegfall Britanniens und Nordafrikas sowie der weitgehenden Verwüstung Hispaniens das wichtigste Reichsgebiet neben Italien. Vor allem die gallischen Steuerzahlungen, die nun fast den gesamten weströmischen Staatshaushalt sicherten, waren extrem wichtig. Darum war die Präfektur, die Avitus besetzte und die für die Steuererhebung zuständig war, ein politisch besonders bedeutendes Amt. Avitus half dem faktischen Machthaber Aëtius, als dessen Parteigänger er gelten darf, dabei, die Kontrolle der Regierung in Ravenna über Gallien und Hispanien zu sichern. Avitus erzielte als Präfekt seinen ersten großen Erfolg, als er durch geschickte Verhandlungen 439 die marodierenden westgotischen Foederaten, die kurz zuvor römische Truppen, die sie angegriffen hatten, besiegt hatten, unter ihrem rex Theoderich I. trotz des vorangegangenen Vertragsbruchs zu einem neuen Bündnis überreden konnte. Nach diesem diplomatischen Erfolg zog sich Avitus, mittlerweile ein persönlicher Freund der westgotischen Herrscherfamilie, vorerst ins Privatleben zurück (um 440).
Erst über zehn Jahre später sind uns wieder politische Aktivitäten seinerseits überliefert, als er 451 auf Bitten des weströmischen Kaisers Valentinian III. und des Aëtius seine Kontakte nutzte und als Diplomat die Westgoten dazu brachte, sich einer militärischen Allianz gegen Attila anzuschließen, der in die innerrömischen Machtkämpfe eingegriffen hatte und in Gallien einmarschiert war. Eigentlich bestanden zwischen Aëtius und den Westgoten Spannungen; Avitus aber meisterte diese Aufgabe, und Theoderich I. verbündete sich mit den ravennatischen Truppen unter Führung des Aëtius. Der Westgote führte selbst seine Armee in die berühmte Schlacht auf den Katalaunischen Feldern, in der er den rechten Flügel befehligte, aber dabei umkam. Im Herbst 454 erschlug Kaiser Valentinian III. eigenhändig den Aëtius, um sich von dessen Dominanz zu befreien, und im März 455 wurde der Kaiser selbst von Anhängern des Aëtius ermordet. Mit ihrer Hilfe wurde anschließend Petronius Maximus nach dem Tod von Valentinian Kaiser. Er versuchte, seine instabile Herrschaft abzusichern, und holte deshalb erfahrene Senatoren, die zu den Anhängern des Aëtius gezählt hatten, in die Politik zurück, darunter Avitus. Dieser wurde erneut zum Heermeister ernannt, in den Rang eines patricius erhoben und sollte sich erneut diplomatisch mit den Westgoten beschäftigen, die das neue Regime militärisch stützen sollten. Zudem fühlten sich die Westgoten nach dem Tod Kaiser Valentinians, mit dem sie ihr Bündnis geschlossen hatten, offenbar nicht mehr an den Vertrag mit den Römern gebunden. Avitus’ Schwiegersohn, der Dichter Sidonius Apollinaris, berichtet, nur durch die Vermittlung des Avitus, der sich unverzüglich zu den Goten begab, habe ein Krieg verhindert werden können. Doch nur kurz darauf überschlugen sich die Ereignisse: Petronius Maximus versuchte, vor den bei Rom gelandeten Vandalen sowie vor der Stadtbevölkerung, die ihn für den Mord an Valentinian III. verantwortlich machte und verachtete, zu fliehen, doch scheiterte dies; er wurde erkannt und am 31. Mai 455 getötet. Da Geiserich, der Anführer der Vandalen, keinen eigenen Kaiser erhob, folgte eine Thronvakanz. Der junge westgotische rex Theoderich II., der einst vielleicht sogar Latein bei Avitus gelernt hatte, drängte diesen nun angeblich dazu, sich zum Kaiser erheben zu lassen, und versprach die Unterstützung durch seine Krieger.
Avitus zögerte nicht lange und nahm das Angebot an; denkbar ist durchaus, dass die Initiative ohnehin von ihm selbst ausgegangen war. Dieser Schritt war jedenfalls auch im Sinne einflussreicher Kreise der gallorömischen Senatsaristokratie, die so wieder stärkeren Einfluss auf die Reichspolitik gewinnen wollten. Auf die Aufforderung des westgotischen Königs hin wurde nun – was die Schwäche des Weströmischen Reichsteils verdeutlichte – in Beaucaire eine außerordentliche Sitzung des gallischen Konvents aus den römischen Notabeln der gesamten Präfektur einberufen, die Avitus am 9. Juli 455 ihr Einverständnis gab. Daraufhin wurde er von den römischen Truppen vor Ort zum Kaiser ausgerufen. Zustimmung kam auch aus der mittlerweile fast völlig verwüsteten Region Pannonien. Der oströmische Kaiser Markian verweigerte Avitus allerdings die Anerkennung. Zunächst schien die Herrschaft des Avitus abgesichert zu sein: Von Ostrom zumindest stillschweigend toleriert und von den Westgoten gestützt, glaubte er ausreichend Rückhalt zu haben. Er ernannte den Westgoten Remistus zum ersten Heermeister und patricius, also zum faktischen Regierungschef. Doch als er sich nach Italien begab, erkannte er, dass die Gegner seiner Parteiung heftig gegen ihn opponierten und ihn mit Verleumdungen angriffen. Die italischen Senatoren, die im 4. Jahrhundert eher im Schatten der gallo-römischen Aristokratie gestanden hatten, waren seit etwa 30 Jahren wieder in den Vordergrund gerückt und waren nicht bereit, diese Rolle nun wieder an ihre gallischen Rivalen abzutreten. Die stadtrömische Bevölkerung stand ihm ebenso wie zuvor Petronius Maximus feindselig gegenüber. Zunächst jedoch drohte eine viel direktere Bedrohung durch die Vandalen, deren Kriegsflotte von rund 60 Schiffen das Tyrrhenische Meer unsicher machte und die Küsten der Italischen Halbinsel angriff. Ihr König Geiserich forderte die Einsetzung des Olybrius als neuem Westkaiser. Gleichzeitig wüteten die Sueben in Hispanien, und Pannonien fürchtete eine weitere Verwüstung. Avitus suchte unter dem Eindruck all dieser Gefahren eine arbeitsteilige Lösung zu erreichen: Er bat seinen Verbündeten Theoderich II. um Unterstützung in Spanien, der dort in kaiserlichem Auftrag 456 die Sueben vernichtend schlug, die in die Provinz Tarraconensis eingefallen waren, und wollte sich persönlich den Verhältnissen in Pannonien widmen. Um der maritimen Bedrohung durch Geiserich Herr zu werden, ernannte er einen im römischen Heer tätigen Offizier mit germanischen Wurzeln zum zweiten Heermeister für Italien: Flavius Ricimer. Als dieser bei Agrigent in Sizilien einen Seesieg über eine vandalische Flottenabteilung errang, konnte diese Bedrohung kurzzeitig eingedämmt werden.
Gleichzeitig war jedoch in Rom eine schwere Hungersnot ausgebrochen, da Geiserich die wichtigen Getreidelieferungen aus Nordafrika unterbrochen hatte. Avitus erkannte, dass die kostenlosen Getreidespenden des Staates (annona civica) unter diesen Bedingungen nicht mehr leistbar waren, zumal auch die bei Rom stationierten foederati im römischen Heer diese Leistungen beanspruchten. Der Kaiser entschied offenbar, diese Truppen zu entlassen, beging damit allerdings einen schwerwiegenden Fehler: Zur Finanzierung der Entlassungen ließ er zahlreiche Bronzestatuen in und um Rom einschmelzen, um aus ihnen Münzen auszuprägen, was die hungernden Bürger noch mehr gegen ihn aufbrachte. Die Senatoren glaubten zudem, Italien werde zugunsten Galliens ausgeplündert. Gleichzeitig verlor er mit der Entlassung der vorwiegend gotischen Soldaten ein wichtiges Druckmittel gegenüber der Stadtbevölkerung, die sich nun Ricimer zuwandte. Dieser war ohnehin nicht damit einverstanden, dass Avitus den größeren Teil jener Armee, die Italien zu schützen hatte, auflösen wollte. Er nutzte daher die Situation und schloss ein politisches Bündnis mit einigen Senatoren und dem comes domesticorum Iulius Valerius Maiorianus (Majorian), um Avitus zu entmachten. Majorian war bereits mit Petronius Maximus verfeindet gewesen; Remistus wurde von ihnen besiegt und getötet. Avitus versuchte daraufhin, sich nach Gallien zu begeben, wo sich seine Machtbasis befand. Nun stellte es sich aber als verhängnisvoll heraus, dass seine westgotischen Verbündeten gerade in Spanien kämpften und ihm daher nicht zur Hilfe kommen konnten. Am 26. Oktober 456 wurde Avitus mitsamt seinen verbliebenen Anhängern bei Piacenza gestellt; seine Truppen verloren die überaus blutige Schlacht, und er wurde zur Abdankung gezwungen. Die sich anschließende Weihe zum Bischof dieser Stadt vermochte Avitus aber nicht zu retten, denn er überlebte seine Entmachtung nur wenige Wochen und kam spätestens im Januar 457 ums Leben. Ob er eines natürlichen oder eines gewaltsamen Todes starb, möglicherweise auf Anstiften Ricimers hin, bleibt offen; Majorian wird in einigen Quellen ebenfalls dafür verantwortlich gemacht. Nach Gregor von Tours soll Avitus seine letzte Ruhestätte in Brioude gefunden haben. In Gallien weigerten sich viele seiner Anhänger zunächst, sich Majorian, der 457 selbst den Thron bestieg, anzuschließen, und mussten mit militärischer Gewalt zum Gehorsam gezwungen werden. Die Familie des Avitus wurde verschont (wahrscheinlich, um die gallorömische Aristokratie nicht weiter zu entfremden) und blieb in ihrer Heimat einflussreich. Avitus’ Sohn Ecdicius stieg unter Kaiser Iulius Nepos 474 sogar zum Heermeister in Gallien auf und kämpfte dort bis zu seiner Absetzung gegen die Goten. Auch Avitus’ Schwiegersohn Sidonius Apollinaris blieb unbehelligt.
* Henning Börm: Westrom. Von Honorius bis Justinian (= Urban-Taschenbücher. Band 735). Kohlhammer, Stuttgart 2013, ISBN 978-3-17-023276-1, S. 99–102. * Alexander Demandt: Die Spätantike. Römische Geschichte von Diocletian bis Justinian 284–565 n. Chr. (= Handbuch der Altertumswissenschaft. Abt. 3, Tl. 6). 2., vollständig bearbeitete und erweiterte Auflage. Beck, München, 2007, ISBN 978-3-406-55993-8, S. 205–207. * John Drinkwater, Hugh Elton (Hrsg.): Fifth-Century Gaul. A Crisis of Identity? Cambridge University Press, Cambridge u. a. 1992, ISBN 0-521-41485-7. * Dirk Henning: Periclitans res Publica. Kaisertum und Eliten in der Krise des Weströmischen Reiches 454/5–493 n. Chr. (= Historia. Einzelschriften. Band 133). Steiner, Stuttgart 1999, ISBN 3-515-07485-6. * Detlef Liebs: Die Jurisprudenz im spätantiken Italien (260–640 n.Chr.) (= Freiburger Rechtsgeschichtliche Abhandlungen. Neue Folge, Band 8). Duncker & Humblot, Berlin 1987, S. 68 f. * Ralph W. Mathisen: Sidonius on the Reign of Avitus: A Study in Political Prudence. In: Transactions of the American Philological Association. Band 109, 1979, , S. 165–171, . * Ralph W. Mathisen: Avitus, Italy and the East in AD 455-456. In: Byzantion. Band 51, 1981, , S. 232–247. * Ralph W. Mathisen: The Third Regnal Year of Eparchius Avitus. In: Classical Philology. Band 80, 1985, S. 326–335. * Ernst Stein: Geschichte des spätrömischen Reiches. Band 1: Vom römischen zum byzantinischen Staate. (284–476 n. Chr.). Seidel, Wien 1928, S. 543–551.
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LEG – Adler und Pfeil
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Der Adler gilt häufig als die erste Lokomotive einer Eisenbahn auf deutschem Boden. Allerdings wurde bereits 1816 von der Königlich Preußischen Eisengießerei zu Berlin ein betriebsfähiger Dampfwagen konstruiert. Die sogenannte Krigar-Lokomotive zog bei einer Probefahrt einen mit 8000 Pfund beladenen Wagen. Das Fahrzeug kam jedoch nicht zu einem kommerziellen Einsatz. Der Adler war zweifellos die erste erfolgreiche Lokomotive in Deutschland, die regelmäßig eingesetzt wurde.
Mit dem Schleppkahn van Hees des Schiffers van Hees, der von dem Dampfboot Hercules stromaufwärts geschleppt wurde, wurden die Transportkisten ab dem 23. September 1835 von Rotterdam auf dem Rhein nach Köln transportiert. Wegen Niedrigwasser des Rheins musste er sich ab Emmerich für den Weitertransport statt des Dampfbootes des Treidelns mit Zugpferden bedienen. Am 7. Oktober 1835 traf der Schleppzug in Köln ein. Der Rest der Strecke musste ab dem 13. Oktober 1835 mit Pferdefuhrwerken zurückgelegt werden, da der Main wegen Niedrigwasser nicht schiffbar war. Diese Reise an Land wurde durch einen Streik der Fuhrleute in Offenbach unterbrochen, der einen Wechsel des Spediteurs zur Folge hatte. Am 26. Oktober 1835 erreichte der Transport Nürnberg. In den Werkstätten der Maschinenfabrik von Johann Wilhelm Spaeth wurde die Dampflokomotive zusammengesetzt. Der Aufbau erfolgte unter Aufsicht des mitgereisten Ingenieurs und Lokomotivführers William Wilson und des Fachlehrers Bauer mit der Hilfe von örtlichen Zimmerleuten. Am 10. November 1835 äußerte das Direktorium der Bayerischen Ludwigsbahn die Hoffnung auf eine baldige Betriebsfähigkeit der Lokomotive. Die beiden von Stephenson gelieferten Wagengestelle stellten sich als zu schwer für die Verhältnisse in Nürnberg heraus. Denis ging dagegen bei seinen Planungen davon aus, dass die Wagen sowohl von Pferden als auch von der Dampflokomotive gezogen würden und hielt aus diesem Grund eine leichtere Bauart für erforderlich. Der Bau der Wagen wurde von mehreren Firmen durchgeführt, die Untergestelle wurden von Späth, Gemeiner und Manhard hergestellt. Die Aufbauten aus Holz lieferte der Wagnermeister Stahl aus Nürnberg. Wegen der starken Auslastung der genannten Firmen mit anderen Aufträgen wurden drei Wagengestelle und 16 Räder bei der Firma Stein in Lohr bei Aschaffenburg hergestellt. Denis drohte den beteiligten Firmen mit einer künftigen Auftragsvergabe nach England, wenn diese die Arbeiten nicht beschleunigten. Ende August 1835 wurde der erste Wagen fertiggestellt. In der zweiten Oktoberhälfte war die Fertigstellung der restlichen Wagen absehbar. Bis zur Eröffnung der Bayerischen Ludwigsbahn wurden neun Wagen hergestellt: zwei Wagen der dritten Wagenklasse, vier der zweiten und drei Wagen der ersten Klasse. Am 21. Oktober 1835 fand der erste öffentliche Fahrversuch mit einem von einem Pferd gezogenen Personenwagen und 23 Personen statt. Der Konstrukteur Denis hatte eine Bremse für die Wagen entwickelt, die bei dieser Gelegenheit getestet wurde. Der Wagen konnte in jeder Situation sicher zum Stehen gebracht werden. Am 16. November 1835 wurde die erste Probefahrt mit der Dampflokomotive von Nürnberg nach Fürth und zurück unter großer Anteilnahme der Bevölkerung durchgeführt. Wegen der herrschenden Kälte wurde mit gemäßigter Geschwindigkeit gefahren. Drei Tage später wurden bei einer weiteren Testfahrt fünf vollbesetzte Wagen in 12 bis 13 Minuten über die Strecke befördert. Auf der Rückfahrt erfolgten Bremsproben, und das Ein- und Aussteigen der Passagiere wurde geprobt. Darauf folgende tägliche Versuche zeigten unter anderem, dass bei der Verwendung von Holz als Heizmaterial durch Funkenflug die Kleider von mehreren Passagieren versengt wurden. Die Teilnahme an einer Probefahrt kostete 36 Kreuzer, der Erlös wurde der Fürsorge für Arme zugeführt.
Der Adler war auf einem mit Blech beschlagenen Rahmen aus Holz aufgebaut. Die beiden innenliegenden, mit Nassdampf betriebenen waagerechten Zylinder trieben die in der Mitte liegende Treibachse an. Die Treibräder besaßen keinen Spurkranz, um enge Kurvenradien befahren zu können. Die geschmiedeten Radspeichen waren mit dem Radkranz vernietet. Die ursprünglichen Räder bestanden aus Gusseisen und waren mit einem geschmiedeten Radreifen umgeben. Sie wurden später durch stabilere Räder aus Schmiedeeisen ersetzt. Die hohlen Speichen enthielten einen Kern aus Holz, um Unebenheiten besser abzufedern. Alle Räder der Lokomotive waren ungebremst. Eine Spindelbremse wirkte auf die beiden auf der rechten Seite des Heizers liegenden Räder des Tenders. Die Verbindung zwischen Lokomotive und Tender war starr. Die Puffer waren aus Holz. Der hufeisenförmige Wasserkasten umfasste den Kohlenvorrat des Tenders. Als Brennmaterial wurde zunächst Koks und später Steinkohle benutzt.
Die Personenwagen hatten beim Kutschenbau verwendete Kutschenkästen, die auf ein Fahrgestell aus Eisen montiert waren. Der zweiachsige Coupé-Wagen mit drei hintereinandergesetzten einzelnen voneinander getrennten Abteilen bildete das Grundprinzip der ersten deutschen Eisenbahnwagen. Spezielle Fahrgestelle für Personenwagen wurden erst 1842 bei der Great Western Railway entwickelt. Sämtliche Wagen waren in der Farbe Gelb der Postkutschen lackiert. Die Wagen der dritten Wagenklasse besaßen ursprünglich kein Dach, drei Abteile mit acht bis zehn Sitzplätzen, die Einstiege hatten keine Türen. Die Wagen der zweiten Wagenklasse waren demgegenüber mit einem Segeltuchdach ausgestattet und hatten Türen, vor den unverglasten Fenstern waren Vorhänge aus Seide, später aus Leder angebracht. Bei gleicher Breite der Wagen war die Anzahl der Sitzplätze bei den teureren Klassen pro Reihe jeweils um einen reduziert. Die Wagen der ersten Wagenklasse waren mit einem kostbaren blauen Tuch ausgeschlagen, mit Fensterscheiben aus Glas versehen, die Türgriffe waren vergoldet und alle Beschläge aus Messing gefertigt. Der heute noch erhaltene Wagen Nr. 8 der 2. Wagenklasse ist im Verkehrsmuseum Nürnberg ausgestellt.
der Ludwigseisenbahn-Gesellschaft von 1835, 2. Klasse, im Verkehrsmuseum Nürnberg Der Adler musste nach elf Betriebsjahren grundlegend überholt und instand gesetzt werden, ebenso wurde der Pfeil saniert. Wie im Bericht des Direktoriums vermerkt, legten diese Maschinen in 11 resp. 10 Jahren 32.168 Fahrten mit mehr als 2½ Millionen Personen zurück, folglich eine Strecke von ca. 103.000 km (64.000 Meilen), ohne einen Nachlass ihrer Kräfte zu zeigen. Der Pfeil wurde 1853 verkauft, der Adler nach 22 Betriebsjahren ausgemustert. Sie waren inzwischen die kleinsten und schwächsten Lokomotiven auf dem europäischen Kontinent und hinsichtlich ihres Kohleverbrauchs nicht mehr zeitgemäß. Der Adler wurde noch eine Zeit lang in Nürnberg als stationäre Dampfmaschine genutzt; 1857 verkaufte die Bahngesellschaft die Lokomotive mit dem Tender, aber ohne Räder und andere Anbauteile, an den Augsburger Ludwig August Riedinger. Die Überreste vom Adler gelten seither als verschollen. Der Geschäftsbericht der Ludwigseisenbahn-Gesellschaft (LEG) im Jahr 1857 vermeldet hierzu: Die vermutlich einzige Fotografie, die den Adler im Jahr 1851 oder 1856 zeigt, befindet sich im Besitz des Nürnberger Stadtarchivs. Allerdings ist weder das Alter der Fotografie eindeutig belegt, noch ob das Bild die Original-Lokomotive oder nur ein Modell zeigt.
auf der Städtischen Verbindungsbahn Frankfurt am Main, 1985 Im Zusammenhang mit der Errichtung des Verkehrsmuseums Nürnberg wurde 1925 geplant, den Adler zu rekonstruieren. Exakte Pläne existierten jedoch nicht mehr. Lediglich ein Stich aus der Zeit der Original-Lokomotive gab Informationen. 1929 beendete die Weltwirtschaftskrise dieses Vorhaben. Zum 100-Jahr-Jubiläum der Eisenbahn in Deutschland 1935 wurde ab 1933 von der Deutschen Reichsbahn im Ausbesserungswerk Kaiserslautern ein weitgehend originalgetreuer Nachbau erstellt. Die ursprüngliche Überlegung des Generaldirektors der Reichsbahn Dorpmüller und seines Stabs war, den Adler als Propagandainstrument der so genannten neuen Zeit in der Stadt der Reichsparteitage (Nürnberg) zu benutzen. Geplant wurde, den Adler den Lokomotivgiganten wie der Baureihe 05 gegenüberzustellen. Für die Verwirklichung des Nachbaus konnte auf die Planungen von 1925 zurückgegriffen werden. Neben abweichenden technischen Daten unterschied sich der Nachbau vom Original vor allem durch dickere Kesselwände, zusätzliche Querverstrebungen und Speichenräder aus Stahl. Der Nachbau erreichte bei Probefahrten auf einer 81 Kilometer langen Strecke eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 33,7 km/h. Die Strecke wies Neigungen zwischen 1:110 und 1:140 auf. Vom 14. Juli bis zum 13. Oktober 1935 konnten Besucher mit dem rekonstruierten Adler-Zug auf einer Strecke von zwei Kilometer um das Gelände der Jubiläumsausstellung in Nürnberg fahren. Auf dem Führerstand fuhren unter anderem der Reichsbahn-Generaldirektor Julius Dorpmüller und der Gauleiter Frankens Julius Streicher mit. Der Adler-Nachbau fuhr danach noch 1936 beim Cannstatter Wasen in Stuttgart und bei den Olympischen Spielen in Berlin. Beim 100-Jahr-Jubiläum der ersten preußischen Eisenbahn 1938 verkehrte der Adler-Zug zwischen Berlin und Potsdam. Danach kam er in das Verkehrsmuseum Nürnberg. 1950 wurde der Adler-Zug bei einem Festzug zur 900-Jahr-Feier von Nürnberg auf einem Straßenroller durch die Stadt gefahren. Zur 125-Jahr-Feier der Deutschen Eisenbahnen 1960 wurde der Zug auf der Strecke der Straßenbahn Nürnberg zwischen dem Plärrer in Nürnberg und dem Hauptbahnhof Fürth eingesetzt. Die Innenseiten der Räder mussten für die Fahrt auf Straßenbahngleisen abgedreht werden. Der Nachbau wurde genau wie das Original als Dampfwagen geführt. Durch diese Einstufung war er nicht vom späteren Dampflokverbot betroffen (er stand zu dieser Zeit allerdings und danach nicht betriebsfähig im Adlersaal im Verkehrsmuseum Nürnberg) und seinem Einsatz zum 150-jährigen Jubiläum 1985 stand somit nichts Bürokratisches im Wege. 1984 wurde er zur Vorbereitung der 150-Jahr-Feier der Deutschen Eisenbahnen von der Deutschen Bundesbahn im Ausbesserungswerk Offenburg instand gesetzt. Dabei mussten unter anderem die 1960 für die Fahrt auf Straßenbahngleisen abgedrehten Radinnenseiten wieder aufgeschweißt werden. Der Dampfkessel wurde nach den aktuellen Sicherheitsbestimmungen überprüft. Am 22. Mai 1984 wurden die ersten Publikumsfahrten zwischen dem Hauptbahnhof Nürnberg und Nürnberg Ost angeboten. Der Adler nahm 1985 an der großen Jubiläumsausstellung in Nürnberg und an zahlreichen Veranstaltungen im damaligen Bundesgebiet wie zum Beispiel in Hamburg, Konstanz und München teil. Die Lokomotive wurde zwischen Ende 1985 und 1999 nicht betrieben. Für die 1999 geplanten Fahrten waren mehrmonatige Restaurierungsarbeiten erforderlich. Am 16. September 1999 erteilte das Eisenbahn-Bundesamt die Betriebsgenehmigung. 1999 fuhr zur 100-Jahr-Feier des ehem. Königlich Bayerischen Eisenbahnmuseums und des Verkehrsmuseums Nürnberg als dessen Nachfolger der Adler-Zug an drei Sonntagen im Oktober und nahm an der Großen Fahrzeugparade im Rangierbahnhof Nürnberg teil. In den Folgejahren wurde der Adler-Nachbau bei mehreren Nostalgiefahrten in Deutschland eingesetzt. Er stand bis 2005 im Verkehrsmuseum Nürnberg.
Die Rekonstruktion des 2005 beschädigten Adlers lief Mitte April 2007 an und war im Oktober 2007 abgeschlossen. Der mit Metall verkleidete Holzrahmen war so stark beschädigt, dass er komplett neu gebaut werden musste. Ein Wagen der dritten Klasse, der an einem anderen Ort ausgestellt war und dadurch den Brand unbeschadet überstand, diente als Vorlage für die neuen kutschenähnlichen Wagen, die von einer Schreinerei in Meiningen gefertigt wurden. Die Kosten beliefen sich auf etwa eine Million Euro, davon konnten 200.000 Euro aus Spenden der Bevölkerung aufgebracht werden. Der Direktor des DB-Museums Nürnberg stellte vor Beginn der Rekonstruktion klar, dass die Wiederaufarbeitung mit allen verbrannten Details ausgeführt werden würde, und erklärte, es würden keine Kompromisse gemacht. Es wurde sogar noch präziser nach historischen Zeichnungen gearbeitet, so wurde beispielsweise der ebenfalls beim Brand beschädigte Schornstein nicht in der beim Nachbau von 1935 abweichenden, sondern in der ursprünglichen Form angefertigt. Ein Problem stellte die als Kurbelwelle ausgebildete, einteilige Treibachse der Lok dar, sie konnte nicht im Dampflokwerk Meiningen geschmiedet werden. Mit dieser Arbeit wurden die Sächsischen Schmiedewerke in Gröditz beauftragt, die die Schmiedearbeiten an der Kurbelwelle und den Radreifen durchführen konnten. Das anschließende Abdrehen wurde von der Gröditzer Kurbelwelle Wildau GmbH durchgeführt. Für den Rahmen der Lokomotive wurde acht bis zwölf Jahre abgelagertes Eschen-Holz verwendet, das elastisch genug ist, die Erschütterungen durch die Kraftübertragung während der Fahrt auszuhalten. Der Unterbau des Tenders wurde aus hartem Eichenholz gefertigt. Seit dem 23. November 2007 befindet sich der wiederhergestellte „alte“ Adler mit einem alten (1935) und zwei neuen (2007) dazugehörigen Personenwagen der dritten Wagenklasse wieder im DB-Museum in Nürnberg. Im dortigen Stammhaus haben der nur rollfähige Adler von 1950 sowie der originale, 1835 gebaute und 1838 und 1846 umgebaute, Personenwagen der zweiten Wagenklasse Nr. 8 der Ludwigsbahn, der der Konservierung halber nicht mehr auf die Schienen gestellt wird, ihren Platz. Am 26. April 2008 fuhr der Nachbau erstmals wieder zwischen Nürnberg und Fürth. Im Mai folgten Sonderfahrten in Nürnberg, Koblenz und in Halle an der Saale. Im April 2010 wurden im Rahmen des 175-Jahr-Jubiläums der Eisenbahn in Deutschland auf dem Gelände des DB Museums in Koblenz-Lützel Fahrten mit Besuchern durchgeführt. Im Mai und Juni 2010 fanden Fahrten zwischen Nürnberg Hauptbahnhof und Fürth Hauptbahnhof statt. Seit 2013 ist auch der betriebsfähige Adler im Nürnberger DB-Museum zu besichtigen, er steht in der Fahrzeughalle II abgestellt. Der Schlepptender und die drei Personenwagen des Adler-Zuges gehören zu den letzten in Deutschland noch per Handkurbel gebremsten Eisenbahnfahrzeugen. Da der Zug die Bedingungen der Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung nicht vollständig erfüllt, ist der Fahrbetrieb auf dem heutigen deutschen Schienennetz nur aufgrund einer Sondergenehmigung des Bundesverkehrsministeriums möglich. Weil keine Sicherheitsfahrschaltung und Zugbeeinflussung vorhanden sind, muss der Adler mit zwei Triebfahrzeugführern besetzt sein. Im Tender ist ein aus Autobatterien gespeistes GSM-R-Zugfunkgerät eingebaut. Die Beleuchtung besteht aus Petroleum-Laternen. Betrieblich sind Fahrten des Adlers Zugfahrten mit Lademaßüberschreitung Dora, also unter Sperrung der Nachbargleise. Adler-Nachbau Beschriftung.JPG|Namensplakette des Adler-Nachbaus Adler Treibachse Meiningen 02092006.jpg|Treibachse, September 2006 Adler Kessel+Schornstein Meiningen 02092006.jpg|Kessel und Schornstein, September 2006 Adler Wiederaufbau 2007 re vo Meiningen 09 2007.JPG|Ansicht von vorne rechts, September 2007 Adler Wiederaufbau 2007 re hi Meiningen 09 2007.JPG|Nahansicht von hinten rechts, September 2007 Adler Nachbau 1935 Lokrahmen Meiningen 09 2007.JPG|Verbrannter Lokrahmen aus Holz des Nachbaus von 1935, September 2007 Adler Nachbau 1935 Waggon Meiningen 09 2007.JPG|Nachbau (1935) eines Wagens dritter Klasse, Vorbild für den Neubau weiterer Wagen, September 2007 Adler Neubau Tender 2007 Meiningen 09 2007.JPG|Neuer Tenderaufbau, September 2007
Ein weiteres Exemplar, das im Gegensatz zum Nachbau von 1935 nicht betriebsfähig ist, wurde in den 1950er Jahren im Auftrag des Werbeamts der Deutschen Bundesbahn im Ausbesserungswerk München-Freimann erstellt. Dieser Nachbau diente der Öffentlichkeitsarbeit auf Ausstellungen und Messen. Er steht ebenfalls im DB Museum Nürnberg.
Seit 1964 fährt auf der Tiergartenbahn Nürnberg ein dieselbetriebener Nachbau im Maßstab 1:2. Er wurde 1963/1964 von der Lehrlingswerkstatt der MAN gefertigt. Die Bahn startete in der Nähe des Eingangs und pendelte zum Kinderzoo. Im Zuge des Neubaus der Delfinbecken musste diese Strecke 2008 stillgelegt werden. Zwischenzeitlich wurde eine Erweiterung bzw. Verlegung der Strecke realisiert. Sie führt entlang des Giraffengeheges unterhalb der Delfinlagune vorbei bis hin zum Kinderzoo und hat eine Länge von gut einem Kilometer. Nach einer gut dreijährigen Pause steht die Bahn seit 31. März 2012 wieder der Öffentlichkeit zur Verfügung.
Bei der Görlitzer Parkeisenbahn verkehrt ein Nachbau mit einer Spurweite von 600 mm. Bei diesem Nachbau handelt es sich um eine Diesellokomotive.
Für die TV-Miniserie Der eiserne Weg anlässlich der 150-Jahre-Deutsche-Eisenbahnen-Feier im Jahr 1985 entstand für die Dreharbeiten ein fahrbarer Nachbau. Der Dampf wurde dabei chemisch erzeugt, für den Antrieb sorgte der im Tender verkleidete Vorderwagen eines Renault 5. Im Rahmen des Stadtjubiläums 1000 Jahre Fürth wurde ein Omnibus mit dem Adler verziert, er machte Werbung für eine Ausstellung, bei der Spenden für den Wiederaufbau gesammelt wurden.
In den Briefmarken-Jahrgängen der Reichspost 1935, der Bundespost 1960 und der Deutschen Post 1960 sowie der Bundespost 1985 wurde der Adler zu den Jubiläen „100“, „125“ und „150 Jahre Deutsche Eisenbahn“ gewürdigt. Zum 175. Jahrestag erschien am 11. November 2010 erneut eine Sonderbriefmarke der Deutschen Post AG im Wert von 55 Eurocent mit diesem Motiv und auch eine 10-Euro-Silber-Gedenkmünze der Prägestätte München (D) mit der Randinschrift: Auf Vereinten Gleisen 1835 – 2010. DBP 1960 345 125 Jahre Eisenbahnen, Adler.jpg|10-Pf-Sondermarke der Deutschen Bundespost (1960), Lokomotive Adler DPAG 2010 54 Eisenbahn.jpg|55-Cent-Sondermarke von Deutschland (2010) anlässlich 175 Jahren Eisenbahn in Deutschland
* Geschichte der Eisenbahn in Deutschland * Arend (Lokomotive) * KFNB – Adler und Pfeil
* Stephan Deutinger: Bayerns Weg zur Eisenbahn. Joseph von Baader und die Frühzeit der Eisenbahn in Bayern 1800 bis 1835. EOS, St. Ottilien 1997, ISBN 3-88096-885-3 (= Forschungen zur Landes- und Regionalgeschichte. Band 1, zugleich Magisterarbeit an der Universität München 1995). * DB Museum Nürnberg, Jürgen Franzke (Hrsg.): Der Adler – Deutschlands berühmteste Lokomotive (Objektgeschichten aus dem DB Museum, Band 2). Tümmel, Nürnberg 2011, ISBN 978-3-940594-23-5. * Colin Garratt, Max Wade-Matthews: Dampf. Die große Enzyklopädie der schönsten Dampfeisenbahnen der Welt. Eurobooks Cyprus Limited, Limassol 2000, ISBN 3-89815-076-3. * Markus Hehl: Der „Adler“ – Deutschlands erste Dampflokomotive. Weltbild, Augsburg 2008. * Peter Heigl: Adler – Stationen einer Lokomotive im Laufe dreier Jahrhunderte. Buch & Kunstverlag Oberpfalz, Amberg 2009, ISBN 978-3-935719-55-1. * Peter Herring: Die Geschichte der Eisenbahn. Coventgarden bei Doring Kindersley, München 2001, ISBN 3-8310-9001-7. * Brian Hollingsworth, Arthur Cook: Das Handbuch der Lokomotiven. Bechtermünz/Weltbild, Augsburg 1996, ISBN 3-86047-138-4. * Wolfgang Mück: Deutschlands erste Eisenbahn mit Dampfkraft. Die kgl. priv. Ludwigseisenbahn zwischen Nürnberg und Fürth. 2. neubearbeitete Auflage, Fürth 1985, S. 115–126. In: Fürther Beiträge zur Geschichts- und Heimatkunde. Heft 3, zugleich Dissertation an der Universität Würzburg 1968. * Georg Rebenstein: Stephenson’s Locomotive auf der Ludwigs-Eisenbahn von Nuernberg nach Fuerth. Nürnberg 1836. * Eberhard Urban: 175 Jahre Deutsche Eisenbahn. Vom Adler 1835 zum ICE heute. Podszun, Brilon 2010, ISBN 978-3-86133-556-6.
* auf deutsche-digitale-bibliothek.de * In: H. Reuße: Die deutschen Eisenbahnen, in Beziehung auf Geschichte, Technik und Betrieb, Cassel 1844; auf digitale-sammlungen.de * Grafik auf deutsche-digitale-bibliothek.de. * Fernsehreportage des Bayerischen Rundfunks (BR) von 1960
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Agatha Christie
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in ihrer Geburtsstadt Torquay Dame Agatha Mary Clarissa Christie, Lady Mallowan, DBE [] (* 15. September 1890 in Torquay, Grafschaft Devon; † 12. Januar 1976 in Wallingford, gebürtig Agatha Mary Clarissa Miller) war eine britische Schriftstellerin. Die verkaufte Weltauflage ihrer Bücher soll über zwei Milliarden betragen, womit sie zu den erfolgreichsten Autoren der Literaturgeschichte zählt. Bekannt wurde sie vor allem durch eine große Anzahl von Kriminalromanen und Kurzgeschichten, die auch mehrfach mit großem Erfolg für Kino und Fernsehen verfilmt sowie für die Bühne adaptiert wurden. Ihre berühmtesten Schöpfungen sind der belgische Detektiv Hercule Poirot mit seinem Freund Arthur Hastings sowie die altjüngferliche Miss Marple. Daneben gibt es andere wiederkehrende Figuren wie das Ehepaar Tommy und Tuppence Beresford oder Inspektor Battle, Sir Henry Clithering oder die Krimi-Autorin Mrs. Ariadne Oliver. Neben ihrer schriftstellerischen Tätigkeit unterstützte Christie ihren zweiten Ehemann, den Archäologen Max Mallowan, bei seinen Ausgrabungen im Nordirak und in Syrien, insbesondere bei der Restaurierung prähistorischer Keramiken und der Fotodokumentation der Funde. Sie trug maßgeblich zur Finanzierung dieser Expeditionen bei.
Agatha Mary Clarissa Miller kam als jüngstes Kind des Amerikaners Frederick Alvah Miller und seiner englischen Ehefrau Clarissa Boehmer zur Welt und wuchs in der viktorianischen Villa Ashfield in Torquay auf. Sie hatte zwei Geschwister, Margaret Watts und Louis Montant Miller. Agatha wurde bis zu ihrem 16. Lebensjahr nicht in einer Schule, sondern von ihrer Mutter unterrichtet, die früh ihr schriftstellerisches Talent erkannte. Mit elf Jahren veröffentlichte sie ein erstes Gedicht in einem Lokalblatt. Ihr Vater erzielte sein Einkommen aus Geschäften in Übersee, über die nichts Näheres bekannt ist, die der Familie aber ein Leben in Wohlstand ermöglichten. Agatha Christie selbst erwähnt in ihrer Autobiografie andeutungsweise Immobilien in New York und in Trusts angelegtes Vermögen, aus dessen Zinseinkünften die Familie Miller lebte. Dabei kam es jedoch zu Veruntreuungen durch die amerikanischen Vermögensverwalter, wodurch die Familie Miller in finanzielle Schieflage geriet. Wie damals allgemein üblich, wurde das eigene Haus für den Sommer an Gäste vermietet, während die Familie Miller die Zeit in Pau und Cauterets bzw. auf den Kanalinseln verbrachte. Frederick Alvah Miller starb 1901, Agatha war damals elf Jahre alt. Clarissa Margaret Miller zog ihre Kinder nun allein groß und bemühte sich, sie die durch den Tod des Vaters noch weiter verschärfte finanzielle Situation so wenig wie möglich spüren zu lassen. Ihr zunächst begonnenes Musikstudium in Paris gab Agatha Miller mit Beginn des Ersten Weltkriegs auf und arbeitete als Krankenschwester (Voluntary Aid Detachment) beim Britischen Roten Kreuz im örtlichen Krankenhaus, später in einer Apotheke. In dieser Zeit sammelte sie viele Erfahrungen über giftige Mittel und Stoffe, die später in ihren Werken eine Rolle spielten. 1914 heiratete sie Oberst Archibald Christie, einen Flieger der königlichen Luftwaffe. Mit ihm hatte sie eine Tochter, Rosalind Margaret Clarissa Christie, die am 5. August 1919 geboren wurde.
1920 erschien ihr erster Kriminalroman: Das fehlende Glied in der Kette () mit dem belgischen Detektiv Hercule Poirot zunächst in den USA, dann in England. Schlagartig berühmt wurde Christie mit dem 1926 veröffentlichten Werk Alibi (englisch The Murder of Roger Ackroyd). Privat verliefen die 1920er Jahre eher unglücklich: Ihr Mann ließ sie berufsbedingt häufig allein, 1926 starb ihre Mutter – ein Ereignis, das sie stark mitnahm; außerdem musste Ashfield geräumt werden. Christie erschöpfte diese Situation. Im August 1926 gestand ihr Mann ihr die Affäre mit seiner Golfpartnerin Nancy Neele. Trotz mehrerer Versöhnungsversuche entzweite sich das Ehepaar danach immer mehr. Nach einem heftigen Streit am 3. Dezember 1926 verließ Agatha Christie das Haus. Ihr Auto wurde wenige Tage später verlassen an einem See gefunden. Die Suchmeldung der Polizei von Berkshire vom 9. Dezember 1926 zeigte ein Foto der Vermissten und lautete (aus dem Englischen übersetzt): Nach einer spektakulären Suchaktion, über die auch die New York Times berichtete und an der sich auch Arthur Conan Doyle beteiligte, fand man die Schriftstellerin zehn Tage nach ihrem Verschwinden in einem Hotel in Harrogate, wo sie unter dem Namen der Geliebten ihres Mannes als Mrs. Neele abgestiegen war. In der Folge beschäftigte die Frage der Kosten der Suchaktion auch das britische Parlament. Ihre Familie verbreitete die Darstellung, dass sie einen fast vollständigen Gedächtnisverlust für diese Tage erlitten habe. 1928 wurde ihre Ehe mit Archibald Christie geschieden. Die Geschichte um das Verschwinden von Agatha Christie wurde 1979 von Regisseur Michael Apted filmisch umgesetzt in Das Geheimnis der Agatha Christie (englisch Agatha), mit Vanessa Redgrave in der Hauptrolle. Ein weiterer Film, der das Verschwinden fiktiv darstellt, ist Agatha und die Wahrheit des Verbrechens (2018). 2020 erschien in New York und 2022 in deutscher Übersetzung der Roman The Mystery of Mrs. Christie: A Novel (Mrs Agatha Christie. Roman) von Marie Benedict, in dem die Tage der Suche nach, und in Rückblenden die Entwicklung der Ehe von Agatha Christie wie ein Krimi nacherzählt werden. Im Jahr 2023 erschien das Musical Vermisst! Was geschah mit Agatha Christie?, das im Kleinen Theater Berlin uraufgeführt wurde. Das Krimi-Musical stammt von Paul Graham Brown (Songtexte, Musik) und von James Edward Lyons (Buch).
Um sich von den Strapazen der vergangenen Jahre zu erholen, entschied sie sich relativ spontan im Herbst des Jahres 1928 zu einer ausgedehnten Reise in den Nahen Osten und reiste mit dem Orient-Express nach Bagdad. Diese Spontanentscheidung (eigentlich hatte sie an die Karibik als Reiseziel gedacht) sollte das Leben Agatha Christies maßgeblich verändern und großen Einfluss auf ihr schriftstellerisches Werk ausüben. Es war nicht ihre erste Begegnung mit dem Nahen Osten, denn bereits als junge Frau war sie mit ihrer Mutter in Kairo gewesen. Von Bagdad aus reiste sie weiter nach Ur, wo der Archäologe Leonard Woolley mit Ausgrabungen beschäftigt war, die seinerzeit in England starkes Aufsehen erregten. Er und seine Frau Katharine Woolley empfingen die Berühmtheit Agatha Christie hocherfreut; sie blieb längere Zeit beim Grabungsteam und freundete sich mit den Woolleys an. Später widmete sie ihnen die Kurzgeschichtensammlung Der Dienstagabend-Klub. Das Ehepaar Woolley stand auch Modell für die Hauptfiguren des Romans Mord in Mesopotamien, wobei Agatha Christie den Woolleys einige sehr unsympathische Charakterzüge hinzufügte. Als sie nach London zurückkehrte, tat sie dies mit einer Einladung von Katharine Woolley im Gepäck, im Frühjahr 1930 nach Mesopotamien zurückzukehren. Während dieses zweiten Aufenthalts in Ur lernte sie auch den 14 Jahre jüngeren Archäologen Max Mallowan kennen, der als Grabungsassistent bei Woolley arbeitete und bei ihrem ersten Besuch wegen einer Blinddarmentzündung abwesend gewesen war. Mallowan wurde nunmehr von den Woolleys „abkommandiert“, Christie die Ausgrabungen und die Gegend zu zeigen. Bei dieser Gelegenheit verliebten sich die beiden. Agatha Christie musste sehr bald (noch im Frühjahr 1930) wegen einer Erkrankung ihrer Tochter nach England zurückkehren, Max Mallowan begleitete sie auf dieser Rückfahrt bereits. Zögerlich nahm Agatha schließlich den Heiratsantrag des 14 Jahre jüngeren Mallowan an, und sie heirateten am 11. September 1930 in Edinburgh. 1930 hatte im Roman Mord im Pfarrhaus (englisch The Murder at the Vicarage) eine neue Detektivin ihren ersten Auftritt: die altjüngferliche Miss Marple, die noch in zwölf weiteren Kriminalromanen und einigen Kurzgeschichten Christies die Hauptrolle übernehmen sollte. Viele der zahlreichen Romane, die in den Jahren bis 1958 entstanden, schrieb Christie während der archäologischen Expeditionen mit ihrem Mann im Nordirak und in Nordsyrien. Ihre Erlebnisse auf einer der Expeditionen schildert sie in Erinnerung an glückliche Tage (englisch Come, tell me how you live).
Von den existenzbedrohenden Ereignissen nach der Trennung von ihrem ersten Mann geprägt, schrieb Christie in den 1940er-Jahren zwei Kriminalromane, die sie für die spätere Veröffentlichung zurückhielt. Vorhang, Hercule Poirots letzten Fall, bereitete sie zur Veröffentlichung vor, als sich abzeichnete, dass sie keinen weiteren Roman mehr würde schreiben können. Er erschien kurz vor ihrem Tod, und es ist in der Tat Poirots letzter Fall, da er am Ende der Ermittlungen stirbt. Poirot war aber Agatha Christies Haupteinnahmequelle, und so war es nötig, dass er bis zum Erscheinen von Vorhang noch einige andere Fälle löste. Ruhe unsanft (englisch Sleeping murder), mit Miss Marple als Detektivin, war der zweite von Christie zurückgehaltene Roman und erschien erst nach ihrem Tod. Im März 1949 wurde ihr Kriminalroman Das krumme Haus veröffentlicht. 1970 erschien zu ihrem 80. Geburtstag der für Christie atypische Roman Passagier nach Frankfurt, in dem es um eine Weltverschwörung von Neonazis geht. Das umstrittene Buch wurde erst 2008 ins Deutsche übersetzt. 1971 wurde Agatha Christie von Königin Elisabeth II. als Dame Commander in den Orden des Britischen Empire aufgenommen und dadurch in den persönlichen Adelsstand erhoben. Ihren letzten Roman Alter schützt vor Scharfsinn nicht schrieb sie zwischen 1973 und 1974. Am 12. Januar 1976 starb Agatha Christie im Alter von 85 Jahren in Winterbrook House im Ort Wallingford, Grafschaft Oxfordshire, an einem Schlaganfall. Ihr Grab befindet sich auf dem nahegelegenen Friedhof St Mary’s in Cholsey. 1977 erschien postum Christies Autobiografie Meine gute alte Zeit (englisch An Autobiography), die größtenteils in den Jahren 1950 bis 1965 entstanden war, eine Erinnerung an Dinge, die Agatha Christie wichtig gewesen sind, mit Schwerpunkt auf ihrer Kindheit. Ergänzend zu ihrer Autobiografie kann die Biografie von Janet Morgan herangezogen werden. Agatha Christies Tochter Rosalind Hicks bat Morgan, eine autorisierte Biografie ihrer Mutter zu verfassen. Durch umfangreiches Quellenstudium und Befragung von Christies Freunden entstand eine detaillierte Schilderung ihres Lebens.
Insgesamt schrieb Agatha Christie 66 Kriminalromane, aber auch Kurzgeschichten und Bühnenwerke. Gängige Schätzungen, nach Angaben der Erben und der Verlage, gehen von einer verkauften Gesamtauflage von über zwei Milliarden Büchern weltweit aus. Dem Index Translationum der UNESCO zufolge belegt sie mit großem Abstand Platz 1 auf der Liste der meistübersetzten Autoren. Sie gilt als die erfolgreichste Kriminalschriftstellerin der Welt. Wegen dieses Erfolges nennt man sie auch die Queen of Crime (dt. Königin des Verbrechens). Ihre berühmtesten Schöpfungen sind der belgische Detektiv Hercule Poirot und die altjüngferliche Hobbydetektivin Miss Marple. Weniger bekannt ist das Ermittlerduo Tommy und Tuppence Beresford, denen sie vier Romane und eine Kurzgeschichtensammlung widmete. Unter dem Pseudonym Mary Westmacott schrieb sie außerdem sechs romantische Erzählungen. Agatha Christie machte auch im Theater Karriere, denn aufgrund schlechter Erfahrungen beschloss sie, ihre Stücke nur noch selbst für die Bühne zu bearbeiten, und war mit Begeisterung bei der Produktion dabei. Eines ihrer Bühnenstücke ist Die Mausefalle, das am längsten ununterbrochen aufgeführte Theaterstück weltweit.
Agatha Christie ließ zahlreiche Geschichten an realen Schauplätzen stattfinden. Am berühmtesten innerhalb dieser Gruppe ist ihr Roman Mord im Orient-Express. Auch der Roman Der blaue Express spielt in einem historischen Zug. Tod in den Wolken spielt im ersten Teil, in dem der Mord geschieht, in einem Passagierflugzeug auf einem Flug von Paris nach London. Zwei der Romane Christies spielen in wesentlichen Passagen auf einem Passagierschiff: Der Mann im braunen Anzug auf einem Passagierdampfer von Southampton nach Südafrika, Der Tod auf dem Nil auf einem Nil-Dampfschiff für Touristen. Für gleich drei Romane diente Agatha Christies eigener Landsitz Greenway als Kulisse: Sowohl Kurz vor Mitternacht als auch Das unvollendete Bildnis und Wiedersehen mit Mrs. Oliver machen sich die besondere Geografie von Greenway mit Bootsanleger, Gewächshaus, Tennisplatz, ehemaligem Geschützstand, Nähe zum Ufer des Dart zu eigen. Für ihren Roman Alter schützt vor Scharfsinn nicht war Agatha Christies Elternhaus Ashfield die Vorlage für den Schauplatz, wobei sie auch auf Besonderheiten aus ihrer eigenen Kindheit zurückgriff, u. a. der „KK“ (gesprochen: „Kai-Kai“) genannte Geräteschuppen, die Spielzeugpferde Truelove und Mathilde sowie eine Chilenische Araukarie. Einige der Romane wie Dreizehn bei Tisch und Bertrams Hotel spielen in London. Auch die Figur Hercule Poirot lebt in London. Die Romane Und dann gabs keines mehr und Das Böse unter der Sonne spielen auf einer kleinen Insel in Devon: Burgh Island. Dagegen lebt die Amateur-Detektivin Miss Marple in dem fiktiven typisch englischen Dorf St. Mary Mead. Auch weitere zahlreiche Christie-Krimis spielen in englischen Dörfern oder Kleinstädten, zum Beispiel Der ballspielende Hund oder Das Sterben in Wychwood. Als einziger Roman in Devon, ihrer Heimat, spielt Das Geheimnis von Sittaford; die unheimliche Landschaft des Dartmoor spielt hier eine besondere Rolle, auch die Stadt Exeter. Ein Schritt ins Leere spielt teilweise in Wales und in Hampshire, Das Haus an der Düne an der Küste von Cornwall. Einige der Romane spielen im Nahen Osten, wo sich Christie häufig aufhielt, zum Beispiel Sie kamen nach Bagdad oder Mord in Mesopotamien. Der Tod wartet spielt in Jerusalem und Transjordanien. Ägypten ist in drei Geschichten Schauplatz der Ereignisse: In Der Tod auf dem Nil, der Kurzgeschichte Das Abenteuer des ägyptischen Grabes und dem Roman Rächende Geister. Letzterer nimmt eine Sonderstellung ein, da er im Alten Ägypten zur Zeit der Pharaonen spielt und nicht, wie ihre anderen Werke, zu Lebzeiten Agatha Christies. Der Roman Karibische Affäre ist auf der fiktiven Insel St. Honoré in der Karibik angesiedelt, wofür jedoch die Insel Barbados als Vorlage diente. Mord auf dem Golfplatz ist Christies einziger Roman, der komplett in Frankreich, und zwar an der französischen Kanalküste und in Paris, spielt. In anderen Romanen wird der Schauplatz teilweise für Reisen der Ermittler nach Frankreich verlegt, so in Die Memoiren des Grafen, der in einigen Kapiteln in Paris und Dinard spielt. Große Teile des Romans Der blaue Express spielen ebenfalls in Frankreich, vor allem an der Côte d’Azur.
Mit Verweis auf John Currans Herausgabe der Notizbücher Agatha Christies beschreibt Zoë Beck Agatha Christie als eine Schriftstellerin, die rund um die Uhr schrieb und durch viele alltägliche Dinge zu ihren Figuren oder ganzen Handlungsabläufen inspiriert wurde. Ab dem Moment der Ideenfindung bewies sie Qualitäten als unermüdliche Arbeiterin. Ständig machte sie sich Notizen und arbeitete an und mit diesen. Sie schrieb nicht nur Ideen auf, sondern machte Listen für Figuren, Motive, Mordarten oder Schauplätze. Oft wertete sie alte Notizhefte nochmals aus und schöpfte aus ihrem reichhaltigen Fundus. Dabei versuchte sie sich nicht zu wiederholen und bewies Variationstalent, obwohl ihre Werke, was zu kritisieren ist, auf ein Schema zurückgehen. Die unterschiedliche Perspektive der Romane in der auktorialen, personalen oder Ich-Erzählsituation zeigen Experimentierfreude. Beck interpretiert dies als Verspieltheit sowie den Versuch, trotz hoher Produktivität keine Langeweile aufkommen zu lassen. Christies Romantitel waren oft Gedichten oder Kinderreimen entliehen. Einige Biografen und Interpreten erkennen darin literarische und psychologische Tiefe. Besonders bedeutsam ist der hohe Wiedererkennungswert der Werke, der sich für das Publikum schon mit einfachen, typischen Requisiten bewerkstelligen lässt. Mit ihrem Stil konnte Christie nachfolgenden Krimiautoren- und Publikumsgenerationen ihren Stempel aufdrücken und löste einen regelrechten Christie-Mythos aus. Dabei richtete Christie ihr Werk laut Beck auch kommerziell aus und zeigte neben hoher handwerklicher Qualität auch eine starke Disziplin bei ihrer Arbeit. Als sie etwa nach einer besonders intensiven Schaffensphase der Romanfigur Poirot müde geworden war, ließ sie ihn pausieren, um Abstand zu gewinnen. Sie brachte ihn aber nicht um, wie es Arthur Conan Doyle mit Sherlock Holmes betrieb, nur um ihn danach wieder auferstehen zu lassen. Sie hielt an ihrer Figur fest, weil ihre Leserschaft sie mochte und nachfragte.
In einem 1992 versteigerten Brief erklärte Christie, ihre Detektivgeschichten seien ein . Sie reagierte damit auf die Frage eines Anhängers, der befürchtet hatte, ihre Romane könnten Verbrechen begünstigen. In ihren vielen erschienenen Werken blieb Christie, deren Erzählungen zu Recht als modellhaft für die sogenannte Klassische Kriminalliteratur gelten, diesem moralischen Anspruch durchaus treu. Ihre Romane sind in der Grundstruktur eng an die Kurzgeschichten von Arthur Conan Doyle angelehnt, schreibt der deutsche Literaturwissenschaftler und -didaktiker Sascha Feuchert. „Einem scheinbar perfekten Mord (oder — in wenigen Ausnahmen — einem anderen Verbrechen), dessen entscheidende Begleitumstände (Täter, Tatmodus, Motiv) unbekannt sind, folgt ein Ermittlungsteil, in dem alle wesentlichen Elemente der Lösung bereits erscheinen, jedoch durch zahlreiche weitere Rätsel und falsche Kontextualisierung dem Leser in ihrer Bedeutung verborgen bleiben. Im Lösungsteil werden alle im Zuge der Ermittlung aufgetretenen Teilrätsel und die Hauptfrage nach dem Täter gelöst.“ (Sascha Feuchert) Ihre Werke macht außergewöhnlich, dass die Autorin wie kaum eine andere „das Enträtselungsspiel mit ungeheurer Geschäftigkeit auf allen drei Ebenen betreibt, als Täterrätsel, Hergangsrätsel und Enthüllungsspiel.“ (Ulrich Suerbaum). Gleich in ihrem ersten Kriminalroman, The Mysterious Affair at Styles (Das geheimnisvolle Verbrechen in Styles, 1920, späterer Titel Das fehlende Glied in der Kette) stellt sie mit Hercule Poirot einen bisher nicht dagewesenen Ermittlertypus dar. Dieser pensionierte hohe belgische Polizeibeamte war in Aussehen und Verhalten sehr unenglisch und führte seine Untersuchungen in der Regel in der britischen Oberschicht durch. Dies war ein bewusster Kunstgriff von ihr, da eine der grundsätzlichen Problemstellungen im Kriminalroman des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts die soziale Schichtzugehörigkeit des Ermittelnden darstellte. Polizeiangestellte entstammten in der Regel den unteren sozialen Schichten, weshalb es in Großbritannien, wo bis nach Ende des Zweiten Weltkrieges noch Klassenschranken vorzufinden waren, nicht vorstellbar gewesen wäre, dass ein Angehöriger „unterer“ Schichten ohne Weiteres in „oberen“ ermitteln würde oder könnte. Zugleich trafen speziell Kriminalromane mit einem Handlungsort im Milieu der „oberen“ Schichten auf starke Nachfrage. Die US-amerikanische Schriftstellerin von viktorianischen Kriminalromanen Anna Katharine Rohlfs fand in ihrem Kriminalroman That Affair Next Door (ab 1897) eine Problemumgehung, indem dort dem ermittelnden Polizisten ein Amateurdetektiv zur Seite gestellt wurde, der der „oberen“ Schicht angehörte. Mit dem Protagonisten Poirot hat Christie eine weitere, elegante und auch originelle Problemumgehung ersonnen – wie die Autorin Martha Halley Dubose herausstellt. Denn dieser ist aufgrund seiner Herkunft ein Außenseiter, für den die hohen britischen Klassenschranken keine Geltung besaßen. Die einprägsame Detektivfigur erscheint geradezu wie geschaffen dafür, dem Leser zwar Hinweise zur Täterermittlung in den Romanen zu liefern, sie aber zugleich auf eine falsche Fährte zu locken. So ausgefeilter aber Christies Techniken im Laufe ihrer Zeit als Krimiautorin wurden, umso geringer wurde Poirots Beitrag am Verwirrspiel. Als Kunstgriff erscheint von vornherein, dass Christie ihren Rätselspaß in den meisten ihrer Erzählungen in den gesellschaftlichen Kreisen der gentry ansiedelt. Der Hintergrund dafür ist weniger die Darstellung einer „heilen Welt“, wie es von vielen frühen Kritikern ihrer Kriminalliteratur angenommen wurde. Die Gesellschaftsschicht der nicht genau abgegrenzten Schicht des gehobenen Bürgertums und niederen Adels liefert dem deutschen Anglisten Ulrich Suerbaum zufolge in erster Linie einen nutzbaren Hintergrund für Christies Ausweitung und Komplizierung der Rätselstruktur. Praktischerweise sind die sozialen Kontakte zwischen den Angehörigen dieser Schicht in der Regel aufs Formelle und Oberflächliche beschränkt. Da sie sozusagen ihr wahres Gesicht oftmals hinter einer Maske verbergen, bleibt die Plausibilität der Erzählungen in diesem Milieu, bei allem Verschleierungsspiel Christies, für die Leserschaft erhalten. Als Schriftstellerin bewies sie allgemein sensibles soziologisches Gespür für Klassenunterschiede und erzählt zum Beispiel in Tod auf dem Nil von Welten im Begriff des Zusammenstoßens, von Kolonialismus in Afrika, von der selbstbewussten amerikanischen Kultur im Konflikt mit der durch den Ersten Weltkrieg erschütterten europäischen und oft von ganz unterschiedlichen Frauenbildern. An Bord des Nildampfers Karnak prallt eine selbstbewusst agierende halbamerikanische Erbin auf eine in den Konventionen der Klassengesellschaft gefangene Mitreisende. Auch der politische Horizont der Zeit wird erwähnt, wenn etwa ein glühender Marxist am Ort der Handlung in Diskussionen gerät. Im Jahre 1930 erfand sie in The Murder at the Vicarage (Mord im Pfarrhaus, deutscher Titel seit 1952) mit der 74-jährigen Miss Jane Marple genau betrachtet eine, kriminaltechnisch gesehen, ganz und gar untechnische Hauptermittlerin in ihren Romanen, deren Hauptwaffe zur Verbrechensaufklärung der scheinbar unbedeutende Small Talk darstellte. Wie Poirot ist sie ein gewachsener Charakter, sie funktioniert aufgrund ihrer liebevollen Schrullen, er aber aus ganz anderen Gründen, und beide, weil sie gerade nicht stereotypen Ermittlern entsprachen. Ihre Mördercharaktere sind meist verzweifelte, gebrochene Gestalten, die sie aber mit Sympathie zeichnete. Dies hat sie in Mord im Orientexpress auf die Spitze getrieben und stellt einen essentiellen Kontrast dar. Anders als oft behauptet, brach Christie in ihren Kriminalromanen nicht mit allen bekannten Konventionen in der Geschichte der Kriminalliteratur, sondern hauptsächlich mit einigen der sogenannten Limitierungsregeln. Christie variierte die gesellschaftliche Position des Täters, aber durchbrach dabei zuweilen den aus der Gattungskenntnis resultierenden Erwartungsrahmen der Leserschaft, um diese zu überraschen. In Hercule Poirots Weihnachten ist der Täter ein vermeintlich unverdächtiger Polizeisuperintendent. Er stammt aus dem Kreis der Ermittler, die nach den Limitierungsregeln vom Verdacht ausgenommen sein sollten. Christie machte sich die Durchbrechung der Limitierung in mehreren Bereichen zur Gewohnheit und erzielte damit eine Verunsicherung der Leserschaft, welche zuvor Gattungskonventionen vertraut hatte. Besonders The Murder of Roger Ackroyd aus dem Jahr 1926 gilt als ein äußerst gelungenes Werk, das aber sogar bei Fans Christies eine umfangreiche Kontroverse auslöste. Denn am Romanende entpuppt sich – entgegen der bisherigen Konvention – ausgerechnet der Ich-Erzähler des Romans als Mörder, welcher zuvor und auch zunächst in diesem Roman so etwas wie einen Vertrauensbonus bei der Leserschaft besaß. Die besonders im Bereich der Kriminalliteratur tätige Schriftstellerin Zoë Beck schreibt zu den „viel gepriesenen Regelverletzungen“ Christies und auch zur Funktionalisierung des Erzählers, im Plot eines ihrer Romane, als Mörder: „[…] nette Varianten, aber keine Erweiterung des Genres“. Veronika Schuchter vom Institut für Germanistik an der Universität Innsbruck schreibt: „Niemand hat das Genre stärker geprägt […]. Das klaustrophobische Kammerspiel als Abbild menschlicher Abgründe hat sie perfektioniert. Exotische Schauplätze dienten dabei nur als Kulisse. Nichts ist erschreckender als der geschlossene Raum. Es sind kleine Verbrechen, die aus privaten Tragödien erwachsen, das Gewöhnliche macht den Mörder, nicht das Außergewöhnliche, das die heute im Krimi grassierenden Serienmörder antreibt.“
Kritiker werfen Christie häufig Antisemitismus vor. Vor allem in ihrem Frühwerk ließen sich solche Tendenzen ausmachen. So galt der Schriftstellerin und Literaturwissenschaftlerin Gillian Gill das Porträt des jüdischen Finanzmanns Hermann Isaacstein in Die Memoiren des Grafen als unverzeihlich, eine „Ansammlung törichter englischer antisemitischer Vorurteile“. Dennoch sieht Gill bei Christie insgesamt eher einen gedankenlosen, reflexartigen Gebrauch von antisemitischen Stereotypen als einen bewussten und bösartigen Antisemitismus. Insbesondere in ihren Krimis der 1930er und 1940er Jahre seien jüdische Charaktere trotz ihrer stereotypen Zeichnung meist Sympathieträger; sie dienten eher dazu, den Leser auf eine falsche Spur zu lenken (Red Herring). So stelle sich in Nikotin der zunächst verdächtige Jude Oliver Manders als unschuldig heraus und im Happy End werde die Perspektive eröffnet, dass er die englisch-adlige Amateurdetektivin heiraten werde. Auch wird die Verwendung von Stereotypen wie vollbärtige, dunkle und böse Ausländer oder „Zigeuner“ kritisiert. Zwar stellten diese sich im Verlauf der Geschichten meist nicht als Täter heraus, aber schon ihre bloße Existenz sollte sie verdächtig machen und auf eine falsche Fährte locken. Allgemein spiegelt sich in Christies Werk auch die antisemitisch und rassistisch geprägte Zeit wider. Ihr Roman Und dann gabs keines mehr erschien 1939 in Großbritannien unter dem Titel Ten Little Niggers, der einem bekannten Kinderlied entlehnt war. In den USA wurde der Kriminalroman etwa gleichzeitig mit Rücksicht auf den amerikanischen Markt unter dem seit 1985 auch in Großbritannien und international verwendeten Titel And Then There Were None veröffentlicht. Die deutschsprachige, 1944 in der Schweiz veröffentlichte Übersetzung trug den Titel Letztes Weekend. Ab 1973 wurde der Titel Zehn kleine Negerlein benutzt, seit 2003 wählte man für eine Neuübersetzung durch Sabine Deitmer den Titel Und dann gabs keines mehr.
* 1955 Grand Master Award der Mystery Writers of America * 1972 Grand Master der Schwedischen Krimiakademie (Svenska Deckarakademin) * 2000 „Beste Kriminalautorin des Jahrhunderts“ (verliehen auf der Anthony Boucher Memorial World Mystery Convention) * 2005 Archie Goodwin Award der amerikanischen Nero Wolfe Society
Agatha Christie schrieb 66 Romane, zahlreiche Kurzgeschichten, zwei Autobiografien, mehrere Lyriksammlungen und 23 Bühnenstücke. Diese wurden in fünf Hörspielen, 22 Kinofilmen, 76 Fernsehfilmen, 19 Zeichentrickfilmen sowie in einigen Computerspielen adaptiert. Vier Dokumentationen wurden über sie gedreht.
* Nach Agatha Christie wurde eine Rose benannt (Ramira Kormeita Agatha Christie Kordes (D) 1988). Gezüchtet wurde die lachsfarbene Kletterrose von den bekannten deutschen Rosenzüchtern W. Kordes’ Söhne. * 2000 erhielt Agatha Christie posthum im Rahmen der Millenniumsfeierlichkeiten den US-amerikanischen Anthony Award als beste Kriminal- und Mysteryautorin des Jahrhunderts und setzte sich gegen die nominierten Raymond Chandler, Dashiell Hammett, Dorothy L. Sayers und Rex Stout durch. Als beste Serie triumphierte Christies Hercule-Poirot-Reihe vor den nominierten Ed McBain (87. Polizeirevier), Marcia Muller (Sharon-McCone-Serie), Dorothy L. Sayers (Lord-Peter-Wimsey-Reihe) und Rex Stout (Nero-Wolfe-Serie). * Der meistverkaufte Kriminalroman der Welt ist Und dann gabs keines mehr. * Im März 2011 kaufte das British Museum für einen Millionenbetrag eine Sammlung kunsthandwerklicher Arbeiten aus Elfenbein, die Christies Ehemann während einer archäologischen Grabung im antiken Nimrud im heutigen Irak geborgen hatte. Christie hatte die Exponate eigenhändig mit Hilfe ihrer Gesichtscreme gereinigt und so nach Meinung von Experten maßgeblich zu deren Rettung beigetragen. Der Ankauf gilt als der teuerste in der Geschichte des Museums, die Sammlung ist seit März 2011 dauerhaft der Öffentlichkeit zugänglich. * Die Episode Das Einhorn und die Wespe (engl. The Unicorn and the Wasp) (Staffel 4, Episode 7 der neuen Folgen) der britischen Sci-Fi-Serie Doctor Who handelt von Agatha Christie und behandelt unter anderem ihr Verschwinden und ihren Gedächtnisverlust. Dargestellt wurde sie von Fenella Woolgar. * In der Episode Schüsse auf Javier (Staffel 2, Folge 9) der Serie Grand Hotel tritt Agatha Christie unter ihrem Geburtsnamen als Gast auf und bekommt im Beisein eines Gesprächs über den verstorbenen Hotelbesitzer erste Ideen für eine Geschichte.
* Gerd Egloff: Detektivroman und englisches Bürgertum: Konstruktionsschema und Gesellschaftsbild bei Agatha Christie (= Literatur in der Gesellschaft, Band 23). Bertelsmann Universitätsverlag, Düsseldorf 1974, ISBN 3-571-05045-2. * Janet Morgan: Agatha Christie. Das Leben einer Schriftstellerin – spannend wie einer ihrer Romane. (engl. Agatha Christie. A Biography). Heyne, München 1990, ISBN 3-453-02619-5. * Anne Hart: Agatha Christie’s Hercule Poirot. Sein Leben und seine Abenteuer. Scherz, Bern 1991. * Anne Hart: Agatha Christie’s Miss Marple. Ihr Leben und ihre Abenteuer. Scherz, Bern 1991. * Monika Gripenberg: Agatha Christie. Rowohlt, Reinbek 1994, ISBN 3-499-50493-6. * I. I. Revzin: Zur semiotischen Analyse des Detektivromans am Beispiel der Romane Agatha Christies. In: Jochen Vogt (Hrsg.): Der Kriminalroman. Poetik – Theorie – Geschichte. (UTB 8147). Fink, München 1998, ISBN 3-8252-8147-7. * Charlotte Trümpler (Hrsg.): Agatha Christie und der Orient – Kriminalistik und Archäologie. Ausstellungskatalog Ruhrlandmuseum Essen. Scherz, Bern 1999, ISBN 3-502-15750-2. * Andrew Norman: Agatha Christie: the finished portrait. Tempus, Stroud 2006, ISBN 0-7524-3990-1. * Dawn B. Sova: Das große Agatha Christie-Buch. Ihr Leben und ihre Romane von A bis Z. Scherz, Bern 2006, ISBN 3-502-15051-6. * Elke Schmitter: Agatha Christie: Mord und Gemütlichkeit. In: Leidenschaften. 99 Autorinnen der Weltliteratur. München 2009, ISBN 978-3-570-01048-8, S. 114–120. * Laura Thompson: Agatha Christie: Das faszinierende Leben der großen Kriminalschriftstellerin. Scherz, Bern 2010, ISBN 978-3-502-15156-2. * Judith Kretzschmar, Sebastian Stoppe, Susanne Vollberg (Hrsg.): Hercule Poirot trifft Miss Marple. Agatha Christie intermedial. Büchner, Darmstadt 2016, ISBN 978-3-941310-48-3. * Barbara Sichtermann: Agatha Christie. Biografie. Osburg Verlag, Hamburg 2020, ISBN 978-3-95510-215-9. * Lucy Worsley: Agatha Christie: An Elusive Woman. Pegasus, 2022, ISBN 978-1-63936-252-3.
* André Schäfer, Anna Steuber: Agatha Christie – The Queen of Crime, arte.tv, 2017, 52 min. * Sean Davison: , arte.tv, 2020, 67 min. * Sabine Scharnagl: ], 2021, 90 min.
* Spielfilm über das geheimnisvolle Verschwinden von Agatha Christie * Christiane Kopka: ] ZeitZeichen (Podcast; Audio mittlerweile entfernt).
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Apollo-Programm
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von Apollo 15 sowie der Astronaut Irwin und das Mondauto (Lunar Roving Vehicle) Das Apollo-Programm war ein Raumfahrtprojekt der USA. Es brachte in neun gut einwöchigen Mondflügen mit je dreiköpfiger Besatzung in Apollo-Raumschiffen zum ersten und bislang einzigen Mal insgesamt 24 Menschen zum Mond, d. h. in Umlaufbahnen, und 12 davon auch auf dessen Oberfläche. Das Programm wurde von der zivilen Bundesbehörde National Aeronautics and Space Administration (NASA) zwischen 1961 und 1972 betrieben und erfüllte im Juli 1969 das von Präsident Kennedy 1961 ausgerufene Ziel, bis zum Ende des Jahrzehnts einen Mann zum Mond und sicher zurück zur Erde zu bringen. Seit 1972 hat kein Mensch mehr die erdnahen Umlaufbahnen verlassen, geschweige denn den ca. 1000-mal weiter entfernten Mond erreicht oder gar betreten, jedoch verfolgen mehrere Länder neue bemannte oder unbemannte Mondprogramme.
Der Name „Apollo“ war eine Idee des NASA-Managers Abe Silverstein, damals Leiter der Abteilung für Raumfahrt-Programme (Office of Space Flight Programs). Er bezog sich dabei auf den Gott Apollon der griechischen Mythologie, dem Gott der Sonne, der Heilkunst, Weissagung, Dichtkunst, Musik und der Bogenschützen. NASA-intern wurde der Name vom NASA-Direktor Glennan am 9. Juli 1960 genehmigt. Öffentlich verkündet wurde der Name vom stellvertretenden Leiter der NASA, Hugh Latimer Dryden, am 28. Juli 1960 bei der Eröffnung einer Konferenz der NASA mit Vertretern der Raumfahrt-Industrie.
Im Juli 1960, noch bevor das Mercury-Programm erste Erfolge aufzuweisen hatte, fand in Washington eine Konferenz statt, auf der die NASA und verschiedene Industriebetriebe einen Langzeitplan für die Weltraumfahrt erarbeiteten. Geplant war eine bemannte Mondumrundung, von einer Landung war zu diesem Zeitpunkt noch nicht die Rede. Die Konfiguration des Mondfluges war zunächst unklar. Die ersten Planungen der 1960er Jahre sahen ein einziges Raumschiff für die Landung auf dem Mond und die Rückkehr zur Erde vor, da unklar war, ob ein Rendezvousmanöver und die Kopplung zweier Raumfahrzeuge möglich wären. Genauere Studien gingen von vier möglichen Strategien aus: * Direktflug: Eine einzige Rakete startet mit dem Raumschiff, das als Ganzes auf dem Mond landet und (als Ganzes oder nur das Oberteil) wieder zur Erde zurückkehrt. * Montage in der Erdumlaufbahn (EOR – Earth Orbit Rendezvous): Die Komponenten der Missionen werden einzeln gestartet und in der Erdumlaufbahn montiert, auch hier landet das gesamte Raumschiff auf dem Mond. * Mondumlaufbahn-Rendezvous (LOR – Lunar Orbit Rendezvous): Das Raumfahrzeug trennt in der Mondumlaufbahn ein Landeteil ab, der zum Mond fliegt. Dafür ist nach dem Wiederaufstieg ein Rendezvous- und Umsteigemanöver erforderlich. * Versorgungsschiff am Mond (LSR – Lunar Surface Rendezvous): In diesem Konzept müsste zuvor ein unbemanntes Versorgungsschiff auf den Mond gebracht werden. Die bemannte Mission hätte an dieser Stelle landen müssen, um den Treibstoff für die Rückreise aufzunehmen. Das letzte Konzept wurde als erstes verworfen. Und für einen Direktflug hätte das dafür nötige Trägersystem (Nova, Saturn C-8) deutlich größer als die Saturn V sein müssen. Auch das EOR-Konzept, das eine Vielzahl von Raketen erfordert hätte (man sprach von bis zu 15 Starts pro Mondflug), war mit mehr Aufwand und Kosten verbunden. Insbesondere auf Betreiben von John C. Houbolt, der die anfängliche Minderheitsmeinung LOR hartnäckig und ohne Rücksicht auf Hierarchien vertrat, ging man daher Ende 1961 zu einer komplexeren, aber optimierten Konfiguration aus getrennten Raumfahrzeugen über. Dies ermöglichte nicht nur, mit einer einzigen Rakete auszukommen, sondern erlaubte auch die Optimierung der einzelnen Komponenten auf ihren genauen Zweck.
Mit Gemini 12 war im November 1966 das Gemini-Programm beendet, es war nicht absehbar, dass erst zwei Jahre später wieder US-Astronauten ins Weltall fliegen würden. Der eigentliche NASA-Plan sah sieben Missionen A bis G vor, als Meilensteine zur ersten bemannten Mondlandung mit Komponenten des Apollo-Programms. Nach der Katastrophe von Anfang 1967, rückwirkend Apollo 1 genannt, gab es viele Änderungen und Verzögerungen, bis Ende 1968 endlich wieder bemannte NASA-Flüge durchgeführt wurden, jeweils mit dreiköpfiger Besatzung. Die Nummerierung der Apollo-Einsätze ist daher abweichend: * Mission A: Unbemannter Test der Saturn V und des Apollo-Raumschiffs in einer Erdumlaufbahn (zweimal durchgeführt mit Apollo 4 und Apollo 6 ab Ende 1967). * Mission B: Unbemannter Test der Apollo-Mondlandefähre (LM für Lunar Module) (durchgeführt mit Apollo 5 im Januar 1968). * Mission C: Bemannter Test des Apollo-Raumschiffs im Erdorbit (durchgeführt mit Apollo 7 und Saturn-1B-Rakete, Oktober 1968). ** Mission C': Erster bemannter Test der Saturn V, noch ohne Mondlandefähre, aber gleich zum Mond (Apollo 8 im Dezember 1968). * Mission D: Test der Kombination aus Kommandomodul und Landefähre in einem erdnahen Orbit (Apollo 9 im März 1969). * Mission E: Test der Kombination aus Kommandomodul und Landefähre in einem erdfernen Orbit (Mission wurde gestrichen bzw. vorgezogen und verändert, die Mannschaft übernahm eine zusätzliche Mission C′ Apollo 8 als Mondflug). * Mission F: Test der Kombination aus Kommandomodul und Landefähre in einem Mondorbit (durchgeführt mit Apollo 10 im Mai 1969). * Mission G: Erste Landung auf dem Mond (durchgeführt mit Apollo 11 im Juli 1969). Die mit Apollo 8 durchgeführte erste Reise zum Mond mit mehreren Umkreisungen, an Weihnachten 1968, war von der NASA eigentlich nicht vorgesehen und wurde mit der Bezeichnung Mission C′ zwischen die Missionen C und D eingeschoben. Da die „Mondrakete“ Saturn V nun zur Verfügung stand, eine Mondfähre aber erst in einigen Monaten einsatzfähig war, die UdSSR schon mit dem Zond-Programm Lebewesen zum Mond geschickt hatte und das letzte Jahr der 1960er bevorstand, wurde ein erster bemannter Saturn-V-Flug vorgezogen, ohne Testauftrag, aber gleich bis zum Mond ausgedehnt. Zusätzlich wurden Missionen H, I und J geplant: * Mission H: Landung auf dem Mond mit erweiterten wissenschaftlichen Experimenten (durchgeführt mit Apollo 12 und Apollo 14, Apollo 13 nicht erfolgreich; Apollo 15 war ursprünglich ebenfalls als H-Mission vorgesehen). * Mission I: Bemannte Flüge in der Mondumlaufbahn zu Forschungszwecken; keine Landung beabsichtigt. Konkrete Planungen für I-Missionen hat es nicht gegeben, Apollo 8, 10 und auch 13 waren jedoch ohne Landung beim Mond * Mission J: Landung auf dem Mond mit erweiterten wissenschaftlichen Experimenten und dem Mondrover (durchgeführt mit Apollo 15, Apollo 16 und Apollo 17).
Das Apollo-Mondprogramm kostete 25,4 Milliarden US$, dem entsprechen im Jahre inflationsbereinigt rund Milliarden US$. Kritikern wurde entgegnet, dass das Geld komplett auf der Erde ausgegeben wurde, und für 400.000 Menschen.
Durch den Start von Sputnik 1 im Jahre 1957, die erste unbemannte harte Mondlandung 1959 durch Lunik 2 und den ersten bemannten Raumflug von Juri Gagarin mit Wostok 1 im April 1961 war die Sowjetunion zu Beginn des Zeitalters der Raumfahrt zur führenden Raumfahrtnation aufgestiegen. Die USA suchten nach einem Gebiet in der Raumfahrt, auf dem sie die Sowjetunion schlagen könnten. Die bemannte Mondlandung wurde dafür als geeignet angesehen.
Am 25. Mai 1961, eineinhalb Monate nach dem Flug von Gagarin, hielt US-Präsident John F. Kennedy vor dem Kongress eine erste berühmte Rede, in der er seiner Nation die Aufgabe stellte, noch im selben Jahrzehnt Menschen auf dem Mond landen zu lassen und sicher wieder zur Erde zurückzubringen. Mit den folgenden Worten fiel der Startschuss für das Apollo-Programm: Das Vorhaben war nicht unumstritten, Kritiker wie der Amtsvorgänger Eisenhower bemängelten hohe Kosten, Vernachlässigung der militärischen Belange, oder Sinnhaftigkeit generell. Kennedy musste weiterhin für das Programm werben, die Bevölkerung dafür begeistern. Am 12. September 1962 hielt der junge Präsident eine weitere bedeutende Rede im Stadion der Rice University in Houston, die Gelände für das Lyndon B. Johnson Space Center gestiftet hat, die bekannt ist als „We choose to go to the Moon“. Er verglich eine Mondlandung mit sämtlichen Voraussetzungen an Präzision, Leistung und Zeitdruck mit der Everest-Erstbesteigung, mit dem ersten Atlantik-Flug, und auch mit den Football-Spielen des kleinen Privatuniversität-Teams Rice Owls gegen die übermächtigen Texas Longhorns der viel größeren Universität: man macht es nicht weil es einfach ist, sondern weil es schwierig ist. Unter Leitung Wernher von Brauns, Direktor des Marshall Space Flight Centers in Huntsville (Alabama), wurde für den bemannten Mondflug die Saturn V gebaut, die bis zum Starship von 2022 größte Rakete. Alle 13 Starts der Saturn V waren erfolgreich, was aufgrund ihrer großen Leistung und Komplexität durchaus beachtenswert ist. Das MIT Instrumentation Laboratory entwickelte für die Apollo-Raumfahrzeuge ein spezielles Trägheitsnavigationssystem, das sogenannte Primary Guidance, Navigation and Control System (PGNCS, ausgesprochen: pings). Der darin enthaltene Apollo Guidance Computer (AGC) war das erste Gerät, in dem integrierte Schaltkreise (IC) eingesetzt wurden. Das Project FIRE sollte Technologien für den notwendigen Hitzeschild der Apollo-Kommandokapsel entwickeln und testen. Als Vorbereitung auf die Mondlandung lief parallel zum Apollo-Programm bis Ende 1966 das Gemini-Programm, mit dem Erfahrungen zu Rendezvous-Manövern, Navigation und Arbeiten außerhalb eines Raumfahrzeuges im Weltall (extra-vehicular activity, EVA, „Weltraumspaziergang“) gesammelt werden konnten. Am 27. Januar 1967 erlitt die US-Raumfahrt einen schweren Rückschlag: Bei Bodentests brach an der Spitze der unbetankten Rakete im Apollo-Kommandomodul CM 012 ein Feuer aus, bei dem die drei Astronauten Gus Grissom, Ed White und Roger Chaffee ums Leben kamen. Die Kommandokapsel war nicht mit gewöhnlicher Luft, sondern mit reinem Sauerstoff bei atmosphärischem Überdruck gefüllt. Dadurch wurde binnen weniger als einer Minute aus einem kleinen elektrischen Funken ein Feuer, in dem die Männer ums Leben kamen. Umfangreiche Änderungen an der Kommandokapsel waren die Folge. Dem Test wurde nachträglich die Bezeichnung Apollo 1 verliehen. Fast zwei Jahre flog kein US-Amerikaner ins Weltall. Erst Ende 1968 wurden wieder bemannte Flüge aufgenommen, ein erster symbolträchtiger Erfolg war der Flug von Apollo 8 zum Mond mit zehn Umkreisungen. Nach zwei weiteren Apollo-Flügen, einer davon zum Mond, konnte die Aufgabe Kennedys an die US-Nation, vor Ende der 1960er Jahre einen Menschen auf den Mond und sicher wieder zur Erde zurückzubringen, mit der erfolgreichen Mondlandung von Apollo 11 am 20. Juli 1969 erstmals erreicht werden. Insgesamt sechs erfolgreiche Landungen, sowie aufgrund Defekt ein weiterer Mondflug ohne Landung, bestätigen die Beherrschung von Wissenschaft und Technik diesbezüglich. Obwohl ursprünglich noch weitere Starts geplant waren, wurde das Mondlandungs-Programm nach der sechsten erfolgreichen Mission (Apollo 17) beendet und die Raketen stattdessen erdnah für Skylab sowie Apollo-Sojus verwendet.
Gleichzeitig zu dem Apollo-Programm arbeitete auch die sowjetische Raumfahrt daran, Menschen zum bzw. auf den Mond zu bringen. Mit den Zond-Sonden wurden modifizierte Sojus-Raumschiffe unbemannt aber teils mit Tieren an Bord zum Mond gestartet und nach einem Mondumlauf wieder zur Erde gebracht. Dies diente dem Test des Raumschiffs, das für einen folgenden bemannten Mondflug gedacht war. Zond-5 umkreiste im September 1968 den Mond, kam jedoch bei der Rückkehr vom Kurs ab und musste aus dem Indischen Ozean geborgen werden, die Landung war eigentlich für das sowjetische Territorium geplant. Scherzhalber täuschten drei Kosmonauten per Funk vor, sie wären an Bord von Zond-5, alles liefe normal, sie würden nun landen. Der Funkverkehr vom Mond wurde natürlich auch von US-Stellen abgehört und sorgte dort für Aufregung. Im Oktober 1970 wurde das Testprogramm mit Zond-8 beendet. Parallel arbeitete die Sowjetunion auch an einer Rakete für eine Mondlandemission, die ähnlich wie bei Apollo mit einer einzigen Rakete gestartet werden sollte. Dafür wurde die N1-Rakete entwickelt. Diese ist jedoch bei allen vier Teststarts, die zwischen 1969 und 1972 erfolgten, vor dem Erreichen einer Erdumlaufbahn explodiert. Daraufhin und angesichts der Tatsache, dass die US-Amerikaner bereits erfolgreich auf dem Mond gelandet waren, gab die Sowjetunion ihr bemanntes Mondprogramm auf. Erst nach dem Zerfall der Sowjetunion Anfang der 1990er-Jahre kamen detaillierte Informationen über dieses Programm und die N1-Rakete an die Öffentlichkeit.
auf dem Mond (Apollo 11), aufgenommen mit einem Biogon-Objektiv von Carl Zeiss Bereits bei Apollo 10 wurde die Mondfähre abgekoppelt, um alle Manöver außer der Landung selber durchzuexerzieren. Die Fähre näherte sich der Mondoberfläche bis auf 14 km und nahm Landezonen in Augenschein. Damit waren fast alle Vorbereitungen erfolgreich, es fehlte nur noch die eigentliche Landung, Ausstieg der Besatzung sowie Rückkehr zum Servicemodul. Das „a“ vor „man“ wurde in späteren Texten hinzugefügt, um den Sinn zu erhalten, obwohl es im Funkverkehr nicht zu hören war. Armstrong wurde später gefragt, ob er es tatsächlich nicht gesagt habe, aber er konnte sich nicht mehr daran erinnern. Daher bleibt ungeklärt, ob es durch Störungen im Funkverkehr verloren gegangen ist oder tatsächlich nicht gesagt wurde. Der dritte Astronaut, Michael Collins, umkreiste im Apollo-Mutterschiff den Erdtrabanten alleine, bis zur Rückkehr der Landeeinheit Eagle zeitweise mehrere Tausend Kilometer von der Landestelle entfernt als „einsamster Mensch im Weltall“. Im Rahmen des Apollo-Programms wurden insgesamt sechs Mondlandungen durchgeführt. Damit haben bis heute 12 Menschen, allesamt US-Amerikaner, den Mond betreten. Harrison H. Schmitt – Mondfährenpilot von Apollo 17, Geologe, und einziger reiner Wissenschaftler auf dem Mond – setzte als bislang letzter Mensch am 12. Dezember 1972 seinen Fuß auf den Mondboden. Eugene Cernan ist bislang der letzte Mensch, der auf dem Mond war, da er als Kommandant von Apollo 17 als letzter in die Mondfähre einstieg. Im Juli 2009 übermittelte die Mondsonde Lunar Reconnaissance Orbiter Aufnahmen der Landestellen von Apollo 11, 14, 15, 16 und 17.
Nach zwei erfolgreichen Mondlandungen war die Spannung aus dem Apollo-Programm gewichen. Als Routineflug von der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen, starteten mit Apollo 13 am 11. April 1970 die Astronauten Jim Lovell, Jack Swigert und Fred Haise. Als auf dem Weg zum Mond ein Tank mit flüssigem Sauerstoff im Servicemodul explodierte und damit das Leben der drei Männer bedroht war, wurde die gesamte Weltöffentlichkeit auf die Mission aufmerksam. Die Astronauten konnten sich nur dadurch retten, dass sie die Mondlandefähre als „Rettungsboot“ zweckentfremdeten. Zudem mussten sie aus Bordmitteln Gerätschaften zur Verringerung des CO2-Anteils in der Luft bauen; diese wurde am Boden mit denselben Mitteln durchexerziert. Da das Raumschiff zum Zeitpunkt des Unfalls schon die Erdumlaufbahn in Richtung Mond verlassen hatte und für eine sofortige direkte Umkehr der Treibstoff bei weitem nicht ausgereicht hätte, führte der einzige Weg zurück zur Erde um den Mond herum, wobei das Raumschiff durch ein Swing-by-Manöver mit Hilfe der Mondanziehung wieder in Richtung Erde katapultiert wurde. An eine Mondlandung war nicht mehr zu denken; zwar hätte die Mondfähre mit zwei Mann abdocken können, aber dadurch wäre der dritte Mann alleine im beschädigten Teil, und sehr gefährdet. Von den dramatischen Ereignissen handelt der 1995 gedrehte Film Apollo 13 mit Tom Hanks als Jim Lovell in der Hauptrolle.
* Start am Kennedy Space Center * Unmittelbar anschließend Zündung der 2. Stufe S-II * Kurz darauf Abtrennung des Triebwerksgehäuses (engine skirt, offiziell interstage genannt) * 3 Minuten und 25 Sekunden nach dem Start Abtrennung des Rettungsraketensystems (launch escape tower) * Abtrennung der 2. Stufe in ca. 185 km Höhe (Geschwindigkeit ca. 24.000 km/h) inkl. des kegelförmigen Adapters zur 3. Stufe * Unmittelbar danach Zündung der 3. Stufe S-IVB, Einschwenken in eine nahe Erdumlaufbahn (Geschwindigkeit ca. 28.000 km/h), Abschalten der 3. Stufe
* Nach einigen Erdumrundungen Neuzündung der 3. Stufe, (TLI, Trans Lunar Injection) Ausdehnung des Orbits bis zum Mond (im Gegensatz zu einer häufigen Annahme keine Überschreitung der Fluchtgeschwindigkeit und Erdflucht (Apollo 8 erreichte 10,82 km/s – ca. 39.000 km/h – auch auf dem Mond befindet man sich immer noch in einem Erdorbit)). Kritisch beim TLI war jedoch die Zeit, die nach dem ersten Brennschluss des J-2-Triebwerks und dessen erneuter Zündung verstreichen musste. * Trennung des Apollo-Raumschiffs von der 3. Stufe und Mitnahme der Mondlandefähre in mehreren Schritten (TDM, transposition and docking maneuver): ** Als Apollo-Raumschiff bezeichnet wird das kombinierte Kommando-/Versorgungsmodul (CSM, command/service module) mit dem kegelförmigen Kommandomodul als Aufenthaltsort der Astronauten und dem Versorgungsmodul in Zylinderform zuzüglich der 2,80 m langen Düse seines weiteren Raketentriebwerks ** Trennung des Kommando-/Versorgungsmoduls vom auf der dritten Stufe sitzenden Stufenadapter (SLA, spacecraft lunar module adapter) ** Öffnung und Abwurf des Stufenadapters – er hatte bisher die Mondlandefähre (LM, lunar module) umschlossen ** 180°-Drehung des Kommando-/Versorgungsmoduls, so dass es mit seinem Bug an die Landefähre ankoppeln kann ** Herausziehen der Landefähre aus ihrer in der dritten Stufe befindlichen Parkbucht ** Die dritte Stufe, das letzte Teil der Saturn-V-Rakete, hat an diesem Punkt ausgedient. Vom Kontrollzentrum aus gesteuert wird sie entsorgt (d. h. in einen Sonnenorbit manövriert oder für seismische Untersuchungen auf Kollisionskurs mit dem Mond gebracht) * Antriebsloser Flug zum Mond, ggfs. Korrekturmanöver
* Zündung des Triebwerks des Versorgungsmoduls zum Einschwenken in den Mondorbit (LOI, lunar orbit insertion) auf der Mondrückseite * Umstieg von zwei Astronauten in die Landefähre, das Kommando-/Versorgungsmodul verbleibt mit einem Astronauten im Mondorbit * Abkoppeln der Landefähre, Zündung des Landetriebwerks, um eine elliptische Mondumlaufbahn zu erreichen (DOI, descent orbit initiation) auf der Mondrückseite * Abstieg zur Mondoberfläche und Landung * Mondlandung im engeren Sinne: Astronauten führen Aktivitäten außerhalb des Raumschiffs durch (Außenbordeinsatz, extra-vehicular activity/EVA), d. h. sie erkunden die Mondoberfläche zu Fuß oder auf späteren Missionen mit dem Mondauto * Währenddessen: Kommando-/Versorgungsmodul umkreist den Mond, Kameras und andere Instrumente im Versorgungsmodul untersuchen den Mond, Astronaut führt Beobachtungen durch und prüft mögliche Landeplätze für spätere Missionen * Start von der Mondoberfläche. Die Abstiegsstufe dient als Startrampe und bleibt mit Flagge, Kamera, Auto und diverser anderer Ausrüstung auf der Oberfläche zurück. Die Astronauten und die Gesteinsproben fliegen in der Aufstiegsstufe in den Mondorbit. * Rendezvous mit dem Kommando-/Versorgungsmodul, Ankoppeln, Umstieg der Astronauten, Abwurf der Aufstiegsstufe
* Zündung des Triebwerkes des Versorgungsmoduls (TEI, trans-earth injection) zum Verlassen des Mondorbits auf der Mondrückseite * Antriebsloser Rückflug zur Erde, ggfs. Korrekturmanöver * EVA, um die Filme aus den Kameras im Versorgungsmodul zu bergen (bei den Missionen Apollo 15 bis 17) * Abwurf des Versorgungsmoduls, Ausrichten des Kommandomoduls für den Wiedereintritt * Wiedereintritt in die Erdatmosphäre inklusive ca. dreiminütiger Funkstille (blackout), da die Reibungswärme das Raumschiff einen Strahl aus heißer, ionisierter Luft hinter sich herziehen lässt, der den Funkverkehr behindert * Einsatz der Hochgeschwindigkeitsfallschirme (drogue parachutes) * Abwurf der Hochgeschwindigkeitsfallschirme, Einsatz der Pilot- und Hauptfallschirme, die auf Bildern der Landungen als drei rot-weiße, runde Schirme klar zu erkennen sind * Wasserung im Landegebiet * Abwurf der Hauptfallschirme * Falls das Kommandomodul mit der spitzen Seite nach unten im Wasser liegen sollte (Position „stable two“): Einsatz des Aufrichtungssystems (uprighting system), d. h. Aufblasen der an überdimensionale Fußbälle erinnernden Gassäcke, die auf Bildern ebenfalls klar zu erkennen sind * Bergung durch einen Flugzeugträger; bei mehreren Missionen mit Hilfe des Helicopter 66 * Bei den ersten Missionen (bis Apollo 14) verblieben die Astronauten und Gesteinsproben aus Sicherheitsgründen für mehrere Wochen in Quarantäne
Kurz nach der erfolgreichen Mondlandung von Apollo 11 veröffentlichte die NASA die weitere Planung, die bis Ende 1972 neun weitere Apolloflüge vorsah. Doch bereits im Januar 1970, noch vor der Verzögerung durch die Panne von Apollo 13, wurde Apollo 20 aus Kostengründen gestrichen. Im September 1970 wurden auch die ursprüngliche Apollo-15-Mission sowie Apollo 19 eingespart. Die nicht aus dem Programm gestrichenen Missionen Apollo 16, Apollo 17 und Apollo 18 wurden danach in Apollo 15, Apollo 16 und Apollo 17 umbenannt. Die nach dem Abschluss der Mondflüge noch vorhandenen Apollo-Raumschiffe und Saturnraketen wurden für das Skylab-Projekt 1973/74 und das Apollo-Sojus-Test-Projekt 1975 verwendet.
Dem Apollo-Programm wird vielfach ein zu geringer wissenschaftlicher Nutzen vorgeworfen. Das Ex-Missionsmitglied William Anders meint, Apollo sei „kein wissenschaftliches Programm“ gewesen, in Wahrheit habe es sich um eine „Schlacht im Kalten Krieg“ gehandelt. „Sicherlich, wir haben ein paar Gesteinsbrocken gesammelt und ein paar Fotos gemacht, aber wäre da nicht dieser Wettlauf mit den Russen gewesen, hätten wir niemals die Unterstützung der Steuerzahler gehabt.“ Nach dem Erfolg von Apollo 11 kündigten einige Forscher bei der NASA, darunter der damalige NASA-Chefgeologe Eugene Shoemaker. Er vertrat den Standpunkt, dass der wissenschaftliche Ertrag durch unbemannte Sonden zu einem Fünftel der Kosten und bereits drei bis vier Jahre früher hätte erbracht werden können. Der Schwerpunkt der wissenschaftlichen Arbeit der Astronauten auf dem Mond lag in der Geologie. Insgesamt 382 Kilogramm Mondgestein wurden auf den sechs Missionen zur Erde zurückgebracht. Weitere Projekte waren zum Beispiel das Solar Wind Composition Experiment der Universität Bern, das fünfmal auf den Mond mitgenommen wurde, und das Aufstellen von Reflektoren auf der Oberfläche des Mondes zu Vermessungszwecken. Diese bei Apollo 11 im Mare Tranquillitatis, nördlich des Kraters Fra Mauro und Apollo 15 an der Hadley-Rille aufgestellten Laserreflektoren (LRRR) ermöglichen bis heute präzise die Entfernung zwischen Mond und Erde bis auf wenige Zentimeter genau zu messen. Die Entwicklung des für dessen Tripelprismen verwendeten hochtemperaturfesten Quarzglases mit besonders niedrigen Brechungsindex und die Herstellung der Prismen wurde von der Firma Heraeus in Hanau unter anderem von den Ingenieuren Heinrich Mohn und Peter Hitzschke durchgeführt.
Wie bei vielen Ereignissen von so großer politischer Tragweite wurden auch die Mondlandungen zum Objekt zahlreicher Verschwörungstheorien. Diese gehen davon aus, dass die Mondlandungen in den Jahren 1969 bis 1972 nicht stattgefunden haben (oft geht es auch nur um die erste bemannte Mondlandung), sondern von der NASA und der US-amerikanischen Regierung vorgetäuscht worden sind. Die Verschwörungstheorien haben seit den 1970ern, durch den Autor Bill Kaysing, jedoch verstärkt wieder seit 2001, Verbreitung gefunden. Keine der Verschwörungstheorien liefert einen nachvollziehbaren, wissenschaftlich haltbaren Zweifel an den erfolgten Mondlandungen.
* Apollo-Anwendungs-Programm * Bemannter Mondflug nach Apollo * Liste der Menschen, die auf dem Mond waren
in der Reihenfolge des Erscheinens * Jesco von Puttkamer: Apollo 8, Aufbruch ins All. Der Report der ersten Mondumkreisung. Heyne, München * Michael Collins: Carrying the Fire. Farrer, Straus and Giroux, New York 1974, ISBN 978-0-374-53776-0 * Andrew Chaikin: A Man on the Moon. Penguin Books, London 1995, ISBN 0-14-027201-1. * W. Henry Lambright: Powering Apollo. James E. Webb of NASA. Johns Hopkins University Press, Baltimore 1995, ISBN 0-8018-4902-0. * David M. Harland: Exploring the Moon. Springer, London 1999, ISBN 1-85233-099-6. * Robert Godwin (Hrsg.): Apollo. The NASA mission reports (11 Bände für Apollo 7 bis 17). Apogee Books, Burlington 1999–2002. * Eugene Cernan: The Last Man on the Moon. Astronaut Eugene Cernan and America’s race in space. St. Martin’s Griffin, New York 2000, ISBN 0-312-26351-1. * Jesco von Puttkamer: Apollo 11: „Wir sehen die Erde“. Der Weg von Apollo 11 zur internationalen Raumstation. Herbig, München 2001, ISBN 3-7766-2097-8. * Thomas J. Kelly: Moon Lander: How We Developed the Apollo Lunar Module. Smithsonian Books, Washington, DC 2001, ISBN 1-56098-998-X. * André Hoffmann: Der lange Weg zum Mond. Athene Media, Dinslaken 2009, ISBN 978-3-86992-148-8. * Edgar M. Cortright: Apollo Expeditions to the Moon. The NASA History. Dover, Mineola 2010, ISBN 978-0-486-47175-4. * Zack Scott: Apollo. Der Wettlauf zum Mond. Droemer, München 2018, ISBN 978-3-426-27757-7. * Douglas Brinkley: American Moonshot: John F. Kennedy and the Great Space Race. Harper, 2019, ISBN 978-0-06-265506-6. * Thorsten Dambeck: Das Apollo-Projekt. Die ganze Geschichte – mit Originalaufnahmen der NASA. Kosmos Verlag, Stuttgart 2019, ISBN 978-3-440-16279-8.
* For All Mankind – Ein großer Schritt für die Menschheit (For All Mankind), USA 1989, Dokumentarfilm von Al Reinert * Moon Shot, Dokumentation über das Apollo-Programm, USA 1994 (nach einem Buch der Apollo-Astronauten Alan Shepard und Deke Slayton u. a.) * From the Earth to the Moon, 1998 * Im Schatten des Mondes, 2007, Dokumentation von David Sington mit Archivmaterial und Interviews * Moonshot, Dokudrama über die erste Mondlandung 1969 mit Apollo 11, GB 2009 * Moon Machines, Discovery Science Channel, 2010 * Das größte Abenteuer der Menschheit – Geheimnisse des Apollo-Programms, Dokumentation von Stephan Bleek und Peter Kocyla für das ZDF, Deutschland, 2015 * First Man, Aufbruch zum Mond, 2018 * Apollo 11, US-Dokumentarfilm, 2019 * Apollo 18, US-Horrorfilm, 2011
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April
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Der April (von lateinisch Aprilis) ist der vierte Monat des Jahres im gregorianischen Kalender. Er hat 30 Tage und beginnt mit demselben Wochentag wie der Juli und in Schaltjahren auch wie der Januar. Im römischen Kalender war der Aprilis ursprünglich der zweite Monat, weil mit dem Ende des Winters im März das neue landwirtschaftliche (aber auch militärische) Jahr begann.
Es gibt keine gesicherte Herleitung des Namens. Da die Namen der ersten Jahreshälfte Götter wiedergeben, könnte es von Aphrodite stammen, die als Göttin für Liebe zu April passen würde, auch wenn der römische Name Venus gewesen wäre. Der Name bezieht sich möglicherweise auch auf die sich öffnenden Knospen im Frühling und wäre dann, ebenso wie die auf Vegetation bezogene Deutung des Aprils als „der die Erde öffnende Monat“, vom Lateinischen aperire („öffnen“) herzuleiten. Eine andere Etymologie sieht apricus („sonnig“) als Ursprung des Wortes. Zur Regierungszeit Kaiser Neros wurde der Monat ihm zu Ehren in Neroneus umbenannt, was sich allerdings nicht durchsetzte. Unter Kaiser Commodus hieß der Monat dann Pius, einer der Namen des Kaisers, auch diese Umbenennung wurde nach seinem Tod wieder rückgängig gemacht. Der alte deutsche Name, der durch Karl den Großen im 8. Jahrhundert eingeführt wurde, ist Ostermond, später auch Ostermonat (althochdeutsch: ostaramond bzw. ostarmanoth) genannt, weil Ostern meist im April liegt. Andere, heute kaum mehr gebräuchliche Bezeichnungen sind Wandelmonat, Grasmond oder auch Launing. Der Legende nach wurde Luzifer am 1. April aus dem Himmel verstoßen.
des spätantiken Kalligraphen Filocalus. Seit dem 16. Jahrhundert ist in Europa der Brauch belegt, am 1. April einen Aprilscherz zu begehen, indem man einen Mitmenschen mit einer Lügengeschichte „in den April schickt“. Daher stammen auch die folgenden beiden Sprichwörter: Aprilwetter steht bildlich für wechselhaftes Wetter, auch wenn es in anderen Monaten stattfindet:
Zahlreiche Schriftstellerinnen und Schriftsteller haben dem Monat April Gedichte gewidmet.
* Die höchste globale Monatsmitteltemperatur für einen Aprilmonat wurde im Jahr 2024 verzeichnet, gefolgt von 2025 und 2016. * Bei den Temperaturanomalien im April 2024 verzeichneten über 40 Messstandorte mit längeren Messreihen in der Schweiz den höchsten Luftdruck für den Monat April seit Messbeginn.
* Bewegliche Feiertage | Bewegliche Gedenktage * Historische Jahrestage | Zeitskala * Liste von Bauernregeln
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August
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des spätantiken Kalligraphen Filocalus. . Es zeigt den Ausritt einer eleganten Gesellschaft zur Falkenjagd. Die lange Stange, die der Falkner mit sich führt, diente zum Aufschrecken der Beutevögel. Der August (Betonung auf zweiter Silbe []; Erntemonat, Ährenmonat, Sichelmonat, Ernting; ) ist der achte Monat des Jahres im gregorianischen Kalender.
Der August hat 31 Tage und wurde im Jahre 8 v. Chr. nach dem römischen Kaiser Augustus benannt, da er in diesem Monat sein erstes Konsulat angetreten hatte. Unter Kaiser Commodus (Kaiser von 180 bis 192) wurde der Name des Monats ihm zu Ehren vorübergehend in Commodus geändert, nach dem Tod des Kaisers erhielt der Monat seinen alten Namen zurück. Im römischen Kalender war der Augustus ursprünglich der sechste Monat und hatte vor seiner Umbenennung den Namen Sextilis (lat. ‚der sechste‘), ausgehend vom Jahresbeginn im März. Im Jahr 153 v. Chr. wurde der Amtsantritt der römischen Konsuln und damit zugleich der Beginn des Kalenderjahres allerdings auf den 1. Januar verlegt, doch blieben die alten Monatsnamen üblich (siehe auch September oder November). Der Sextil hatte ursprünglich 29 Tage und bekam erst durch Julius Caesars Kalenderreform 31 Tage. Die Reihenfolge der Tagesanzahl der folgenden Monate September, Oktober, November und Dezember (31 und 30 Tage) wurde umgekehrt, da andernfalls drei Monate (Juli bis September) mit je 31 Tagen unmittelbar aufeinander gefolgt wären. Unter Augustus, dem Begründer des römischen Kaisertums, wurde der Monat Sextilis dann in Augustus umbenannt. Da dieser Kaiser über Jahrhunderte hinweg Bezugspunkt aller römischen Herrscher blieb, die zudem bis ins 7. Jahrhundert den Titel Augustus trugen, setzte sich diese Umbenennung mit der Zeit durch. Die oft zu hörende Behauptung, der Monat August wäre in Caesars ursprünglichem Reformkalender nur 30 Tage lang gewesen und wäre nur deshalb auf 31 Tage verlängert worden, um dem nach Julius Caesar benannten Monat Juli nicht nachzustehen, hat sich als Legende erwiesen. Der August beginnt in Schaltjahren stets mit dem gleichen Wochentag wie der Februar. In Gemeinjahren beginnt jedoch kein anderer Monat mit demselben Wochentag wie der August. Der männliche Vorname August wird im Gegensatz zum Monatsnamen auf der ersten Silbe betont.
Der Bundesfeiertag am 1. August ist als Schweizer Nationalfeiertag ein gesetzlicher Feiertag. Mariä Himmelfahrt am 15. August ist in ganz Österreich, in einigen Kantonen der Schweiz, im Saarland und in den überwiegend katholischen Gemeinden Bayerns ein gesetzlicher Feiertag. Er ist auch als Staatsfeiertag der Nationalfeiertag von Liechtenstein. Zudem ist das Friedensfest am 8. August in der Stadt Augsburg ein gesetzlicher Feiertag. Im übrigen deutschsprachigen Raum ist der August ohne Feiertage.
Der weltweit wärmste August wurde sowohl im Jahr 2023 als auch Jahr 2024 verzeichnet, da die globale Monatsmitteltemperatur in beiden Jahren bei 16,82 °C lag.
* Bewegliche Feiertage * Bewegliche Gedenktage * Wetter- und Bauernregeln für den August * Karschnatz in Luxemburg
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Ergotismus
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(dunkle, längliche, kornähnliche Struktur), der Dauerform (Sklerotium) des Mutterkornpilzes Claviceps purpurea Ergotismus oder Mutterkornvergiftung (früher auch Antoniusfeuer und lateinisch ; von lateinisch , auch ‚verflucht‘, ‚abscheulich‘) ist eine von dem giftigen Pilz Claviceps purpurea (dem „Mutterkorn“) ausgehende Vergiftung (Mykotoxikose) und bezeichnet die Symptomatik dieser Vergiftung mit Mutterkornalkaloiden wie zum Beispiel Ergotamin oder Ergometrin.
s: Ein am Antoniusfeuer Leidender auf dem innersten Wandelbild, das den von Dämonen bedrängten Antonius (hier nicht im Bildausschnitt) darstellt (Versuchungen des heiligen Antonius) Durch eine Vergiftung mit Ergotamin kommt es zu einer massiven Verengung der Blutgefäße und in der Folge zu einer Durchblutungsstörung von Herzmuskel, Nieren und Gliedmaßen. Die Gliedmaßen sind kalt und blass, der Puls ist meist kaum nachweisbar. Zudem bestehen Hautkribbeln (Parästhesie), Empfindungsstörungen (Hypästhesie) und eventuell Lähmungserscheinungen (Parese). Eine häufige Folge ist das sekundäre (induzierte) Raynaud-Syndrom oder die Steigerung in Form eines schmerzhaften Absterbens von Fingern und Zehen (Gangrän und Nekrosen bei Ergotismus gangraenosus (gangränöse Form des Ergotismus), dem „Mutterkornbrand“, benannt auch mit Ignis sacer („Heiliges Feuer“), Antoniusfeuer, Sankt-Antonius-Rauch und ähnlichen Bezeichnungen). Zusätzlich bestehen in der Regel Allgemeinsymptome wie Erbrechen, Verwirrtheit, Wahnvorstellungen, Kopfschmerzen, Ohrensausen und Durchfall. Akute Vergiftungen können durch Atem- oder Herzstillstand zum Tod führen, chronische Vergiftungen zum Verlust der mangelhaft durchbluteten Gliedmaßen, Sekundärinfektionen und zu einer darauf folgenden Sepsis.
Wichtigstes diagnostisches Kriterium ist das Erkennen der Ergotamineinnahme. Die Anamnese und dabei insbesondere die Medikamentenanamnese ist daher meistens entscheidend. Apparative Untersuchungen können bei Bedarf ergänzend hinzugezogen werden, beispielsweise die Doppler-Sonographie der Extremitätengefäße. für das Antoniterkloster in Issenheim geschaffenen Isenheimer Altars: Wer am Antoniusfeuer erkrankte, wurde vor Beginn der medizinischen Behandlung vor den Altar geführt in der Hoffnung, der heilige Antonius könne eine Wunderheilung vollbringen oder dem Kranken geistlichen Trost spenden.
Auslösende Medikamente sind als Erstmaßnahme sofort abzusetzen. Ist dies allein nicht ausreichend, können die Blutgefäße durch die Gabe von Nitraten, Calciumantagonisten und/oder Prostaglandininfusionen weitgestellt werden (Vasodilatation).
Der Ergotismus besitzt eine ganze Reihe zumeist regionaler Bezeichnungen, wie Antoniusfeuer, Sankt-Antonius-Rache, (St.-)Antonius-Plage,Wildes Feuer, Kriebelkrankheit, Magdalenenflechte (Spanien), Muttergottesbrand (Westfalen), Mutterkornbrand, St. Antonius-Feuer, St. Johannis-Fäule (Böhmen) oder St. Martialis-Feuer. sowie Krampfsucht, Kornstaupe, ziehende Seuche und Ziehkrankheit, wobei im Mittelalter wohl auch andere, mit Erysipel oder erysipelähnlichen Entzündungen („wildes Feuer“) der Haut verbundene Erkrankungen als Antoniusplage oder Antoniusfeuer usw. bezeichnet wurden. (dunkle, kornähnliche Strukturen) durchsetzter Roggen
Trotz des bereits in der Antike bekannten Zusammenhangs von mit Pilzen oder Fäulnis befallenem Getreide und epidemisch auftretenden Krankheiten sowie deutlicher Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen der Verwendung mutterkornhaltigen Mehls und des Auftretens von Ergotismus im Mittelalter wurden erst nach neuerlichen Epidemien 1716–1717 in Dresden sowie in den Jahren 1770 und 1777 in ganz Europa gesetzgeberische Maßnahmen ergriffen. Nachdem um 1853 durch den Mykologen L. R. Tulasne der Entwicklungszyklus des Mutterkornpilzes Claviceps purpurea aufgeklärt und beschrieben worden war, extrahierte Charles Tanret 1875 aus Mutterkorn eine – allerdings ziemlich verunreinigte – Substanz, die er „Ergotinin“ nannte. Ebenso wie das „Ergotoxin“, das 1907 entdeckt wurde, ist es ein Gemisch verschiedener Ergotalkaloide. Erst Arthur Stoll isolierte 1918 mit Ergotamin das erste reine Mutterkornalkaloid. Wird ungemahlenes Getreide ohne technische Aussortierung des Mutterkorns konsumiert, beispielsweise bei Direktkäufen vom Landwirt, kann es zu Vergiftungen kommen. In Deutschland konnte 1985 eine Vergiftung auf mutterkornhaltiges Müsli zurückgeführt werden. Die Untersuchungsämter der Bundesländer stellten auch bei Stichproben von 2004 bis 2011 bisweilen gesundheitsschädliche Alkaloidgehalte in Getreideprodukten fest. 2004 wurde bei Lebensmittelkontrollen der Grenzwert für die Verunreinigung von Mehl durch Mutterkornalkaloide von 0,05 Prozent mit circa 0,7 Prozent deutlich überschritten. Hierbei besteht die Gefahr von Uterusblutungen oder Aborten. Stand der Technik in Mühlen in den 2010er-Jahren zur Vermeidung von Vergiftungen ist, mit Mutterkorn vermischtes Getreide durch Farbsortierer auf Kornebene vollautomatisch zu sortieren.
* Veit Harold Bauer: Das Antonius-Feuer in Kunst und Medizin (= Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften. Mathematisch-naturwissenschaftliche Klasse. Jg. 1973, Supplement). Springer, Heidelberg/Berlin 1973, ISBN 3-540-06593-8. * Henry Chaumartin: Le mal des ardents et le feu Saint-Antoine. Étude historique, médicale, hagiographique et légendaire. Avec une préface du Prof. Laignel-Lavastine. Isère, Wien 1946. Vgl. dazu Guitard Eugène-Humbert, in: Revue d'histoire de la pharmacie. Band 35, Nr. 117, 1947, S. 159–160. * Elisabeth Clementz: In: Michael Matheus (Hrsg.): Funktions- und Strukturwandel spätmittelalterlicher Hospitäler im europäischen Vergleich. Alzeyer Kolloquium 1999. Stuttgart 2005 (= Geschichtliche Landeskunde. Band 56), ISBN 3-515-08233-6, S. 161–174, hier: S. 161–163 (Das Antoniusfeuer). * H. Mielke: Studien über den Pilz Claviceps purpurea (Fries) Tulasne unter Berücksichtigung der Anfälligkeit verschiedener Roggensorten und der Bekämpfungsmöglichkeiten des Erregers. In: Mitteilungen aus der Biologischen Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft Berlin-Dahlem. Band 375, 2000. * Daniel Carlo Pangerl: Antoniusfeuer. Die rätselhafte Plage. In: Medizin im Mittelalter. Zwischen Erfahrungswissen, Magie und Religion. (= Spektrum der Wissenschaften. Spezial: Archäologie Geschichte Kultur. Band 2.19), 2019, S. 50–53. * Irmtraut Sahmland: Ergotismus. In: Werner E. Gerabek, Bernhard D. Haage, Gundolf Keil, Wolfgang Wegner (Hrsg.): Enzyklopädie Medizingeschichte. De Gruyter, Berlin 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 367 f. * Peter Schmersahl: Mutterkorn: Halluzinogen und Auslöser von Vergiftungen. Ein Streifzug durch die Medizin- und Kunstgeschichte. In:
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Alfred Nobel
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Alfred Bernhard Nobel [] (* 21. Oktober 1833 in Stockholm; † 10. Dezember 1896 in Sanremo, Italien) war ein schwedischer Chemiker und Erfinder. Ihm wurden insgesamt 355 Patente erteilt. Nobel ist der Erfinder des Dynamits sowie Stifter und Namensgeber des Nobelpreises. Das chemische Element Nobelium wurde nach ihm benannt.
Alfred Nobel war der dritte Sohn von Karolina Andriette Nobel (geborene Ahlsell 1805–1889) und des schwedischen Ingenieurs und Industriellen Immanuel Nobel. Er hatte zwei ältere Brüder, Robert (1829–1896) und Ludvig (1831–1888), und den jüngeren Bruder Emil Oskar Nobel (1843–1864). Letzterer starb am 3. September 1864 auf dem Anwesen Heleneborg im Stockholmer Stadtteil Södermalm bei einem durch Experimentieren mit Nitroglycerin verursachten Unfall. Alfred Nobel war nicht im Unternehmen anwesend, als der Unglücksfall geschah. Einer seiner Neffen war der schwedisch-russische Ölmagnat Emanuel Nobel (1859–1932), der Erbauer des ersten Dieselmotorschiffes, der Vandal. Nobel war Ur-Ur-Urenkel des Universalgelehrten Olof Rudbeck des Älteren.
In den Jahren 1841 und 1842 besuchte Alfred Nobel eine Schule in Stockholm. 1842 kam er nach Sankt Petersburg, wo sein Vater mit Hilfe der norwegischen Regierung einige Hüttenwerke gegründet hatte und die russische Armee belieferte. Dank des Wohlstands des Vaters genoss Alfred eine erstklassige Ausbildung durch Privatlehrer. Bereits im Alter von 17 Jahren beherrschte er fünf Sprachen (Schwedisch, Russisch, Deutsch, Englisch und Französisch). Neben seinen Chemie- und Physikstudien interessierte er sich besonders für englische Literatur. Das missfiel seinem Vater, der ihn für introvertiert hielt, weshalb er ihn ins Ausland schickte. Nobel besuchte in rascher Folge Schweden, Deutschland, Frankreich und die Vereinigten Staaten. In Paris lernte er dabei 1850 Ascanio Sobrero kennen, der drei Jahre zuvor das Nitroglycerin entdeckt hatte, es jedoch aufgrund seiner Gefährlichkeit für nicht praxistauglich hielt. 1859 kehrte er wieder mit seinem Vater nach Stockholm zurück.
Nobel zeigte sich an der Erfindung des Nitroglycerins sehr interessiert und richtete seit 1859 seine Bemühungen darauf, es als Sprengstoff in die Technik einzuführen. Zwischen 1860 und 1864 experimentierte er unter anderem im Ruhrgebiet im heutigen Dortmunder Stadtteil Dorstfeld auf der dortigen Zeche Dorstfeld mit Sprengstoffen im Bergbau. Um Nitroglycerin mit größerer Sicherheit sprengen zu können, entwickelte er 1863 die Initialzündung. Bei Nobels Experimenten mit Nitroglycerin kam es zu mehreren Unfällen; bei einer Explosion 1864, bei der sein Laboratorium zerstört wurde, kamen sein Bruder Emil und vier weitere Personen ums Leben. Nach diesem Unglück verboten die schwedischen Behörden ihm weitere Experimente mit Nitroglycerin in der Nähe von bewohnten Gebieten, so dass Nobel im Jahre 1865 ein Labor und Fabriken an den Vinterviken am Mälaren im Westen Stockholms verlegte. Ähnliche Anlagen baute er in Deutschland bei Krümmel (Schleswig-Holstein) nahe Hamburg. Noch im selben Jahr gelang ihm die Massenproduktion von Nitroglycerin, bei der es jedoch ebenfalls zu einer Reihe schwerer Unfälle kam.
Um die Gefährlichkeit des Nitroglycerins bei gleichbleibender Sprengkraft zu verringern, experimentierte Nobel erfolglos mit verschiedenen Zusatzstoffen. Der Legende nach half schließlich der Zufall: 1866 kam es bei einem der zahlreichen Transporte von Nitroglycerin zu einem Zwischenfall, bei dem eines der Transportgefäße undicht wurde und reines Nitroglycerin auf die mit Kieselgur ausgepolsterte Ladefläche des Transportwagens tropfte. Die entstandene breiige Masse erregte die Aufmerksamkeit der Arbeiter, so dass sie diesen Vorfall später an Nobel meldeten. Diesem gelang hierdurch endlich die ersehnte Herstellung eines handhabungssichereren Detonationssprengstoffes. Nobel selbst bestritt immer, es habe sich um eine Zufallsentdeckung gehandelt. Er ließ sich das im Mischungsverhältnis von 3:1 optimierte Verfahren 1867 patentieren und nannte sein Produkt Dynamit. Da der Bedarf an einem sichereren und trotzdem wirkungsvollen Sprengstoff zu dieser Zeit auch infolge der Blütezeit des Diamantenfiebers groß war, konnte Nobel durch seine Erfindung schnell ein Vermögen aufbauen. Seine Firmen lieferten Nitroglycerin-Produkte nach Europa, Amerika und Australien. Nobel selbst reiste ständig, um seine Produkte zu verkaufen. Er besaß über 90 Dynamit-Fabriken in aller Welt.
Im Jahr 1876 lernte Nobel in Baden bei Wien Sofie Hess kennen, die dort in einem Blumengeschäft arbeitete. Nobel war damals 43 Jahre alt, sie 26. Nobel heiratete nicht und Hess wurde für die nächsten 15 Jahre seine Geliebte, bis sie von einem anderen Mann schwanger wurde. Nobel unterstützte Hess jedoch auch danach weiterhin finanziell und bedachte sie in seinem Testament. Nobel und Hess schrieben einander in dieser Zeit mehrere hundert Briefe. In den Briefen brachte Nobel u. a. Chauvinismus, groben Rassismus und Antisemitismus zum Ausdruck. Nach dem Tod Nobels im Jahr 1896 trachtete die Nobel-Stiftung danach, die Briefe geheim zu halten; sie kaufte Hess die Briefe um die beachtliche Summe von 12.000 Florinen (rund 300.000 US-Dollar) ab, und Hess kam im Gegenzug der Forderung der Stiftung nach, nichts über ihr Verhältnis zu Nobel zu publizieren. Erst im Jahr 1976 gewährte das Schwedische Nationalarchiv einigen Wissenschaftlern Zugang zu den Briefen; erst 2017 wurde die gesamte Korrespondenz veröffentlicht.
Neben seinen Reisen forschte Nobel auch weiterhin mit Sprengstoffen. 1875 entwickelte er die Sprenggelatine, 1887 ließ er sich das Ballistit (rauchschwaches Pulver) patentieren. Nobel bot die Erfindung erst der französischen Regierung an, die jedoch ablehnte, da sie Aussicht auf ein bereits in der Entwicklung befindliches fast rauchfreies Pulver hatte. Daraufhin bot Nobel die Erfindung den Italienern an, die diese sofort kauften. In Frankreich wurde Nobel daraufhin in der Presse mit Spionage in Verbindung gebracht, er wurde verhaftet und es wurde ihm die Erlaubnis entzogen, Experimente durchzuführen. Infolge dieser Ereignisse zog Nobel 1891 nach Sanremo, kaufte dort eine 1870 erbaute Villa und verbrachte an diesem Ort den Rest seines Lebens. Am 10. Dezember 1896 starb Alfred Nobel Im Alter von 63 Jahren an einer Hirnblutung in Sanremo.
Schon Nobels Vater war als Rüstungsunternehmer zu Wohlstand gekommen, unter anderem durch die Produktion von Seeminen, die das Russische Reich im Krimkrieg einsetzte. Alfred Nobels wichtigste Erfindungen, Dynamit und Sprenggelatine, waren entgegen weit verbreiteter Ansicht nicht zur Kriegsführung geeignet. Das rauchschwache Pulver Ballistit war allerdings eine Ausnahme. Es revolutionierte die gesamte Schusstechnik, von der Pistole bis zur Kanone. Als Nobels Bruder Ludvig 1888 starb, druckte eine französische Zeitung versehentlich einen Nachruf auf Alfred Nobel. Die Überschrift lautete: Le marchand de la mort est mort („Der Kaufmann des Todes ist tot“). Nobels Reichtum wurde damit erklärt, dass er das Mittel gefunden habe, „mehr Menschen schneller als jemals zuvor zu töten“. Alfred Nobel war über diese Darstellung entsetzt und begann sich obsessiv mit der Frage zu beschäftigen, wie ihn die Nachwelt sehen würde. Über Krieg und Frieden diskutierte er intensiv mit Bertha von Suttner. 1876 hatte sie auf eine Stellenanzeige in der Wiener Zeitung Neue Freie Presse geantwortet und die Stelle einer Privatsekretärin bei Nobel angenommen, sie jedoch bereits eine Woche später wieder aufgegeben. Nach einem jahrelangen Exil im heutigen Georgien wurde sie eine bedeutende Friedensaktivistin und tauschte sich mit Nobel in einem umfangreichen Briefwechsel aus. Nobel war ihrem Anliegen von vornherein gewogen und bewunderte ihr Engagement, hielt es aber für aussichtsreicher, auf Regierungen einzuwirken, statt wie die Friedensbewegung vor allem die öffentliche Meinung zu mobilisieren. Der freundschaftliche Briefwechsel beeindruckte Nobel und regte ihn zur Stiftung des Friedensnobelpreises an, mit dem 1905 auch Bertha von Suttner ausgezeichnet wurde. 1894 kaufte Nobel sogar den schwedischen Rüstungsbetrieb Bofors – obwohl er den Krieg eigentlich verabscheute. Er verband mit der Rüstungsproduktion die Hoffnung, dass die Armeen eines Tages vom Krieg Abstand nehmen würden, sobald die abschreckende Wirkung ihrer Waffenarsenale groß genug geworden sei.
Da Nobel kinderlos blieb, veranlasste er, dass mit seinem Vermögen von etwa 31,2 Millionen Kronen eine Stiftung gegründet werden sollte. Ein Jahr vor seinem Tod setzte er in Anwesenheit einiger Freunde, aber ohne Anwalt, am 27. November 1895 sein Testament auf. Den größten Teil seines Vermögens, ungefähr 94 % des Gesamtvermögens, führte er der Stiftung zu. Nobel bestimmte, dass die Zinsen aus dem Fonds jährlich als Preis an diejenigen ausgeteilt werden sollten, „die im vergangenen Jahr der Menschheit den größten Nutzen erbracht haben“, und zwar zu gleichen Teilen an Preisträger auf fünf Gebieten: Physik, Chemie, Physiologie oder Medizin, Literatur und Frieden („ein Teil an denjenigen, der am meisten oder am besten auf die Verbrüderung der Völker und die Abschaffung oder Verminderung stehender Heere sowie das Abhalten oder die Förderung von Friedenskongressen hingewirkt hat“). Nobel betonte, dass die Nationalität keine Rolle spielen dürfe, vielmehr solle der Würdigste den Preis erhalten. Nobel legte hier auch fest, wer für die Vergabe der Preise zuständig sein sollte: Die Königlich Schwedische Akademie der Wissenschaften (Nobel war seit 1884 deren Mitglied) vergibt die Auszeichnungen für Physik und Chemie, das Karolinska-Institut den Nobelpreis für Physiologie oder Medizin und die Schwedische Akademie den Nobelpreis für Literatur. Während es sich bei diesen Institutionen um wissenschaftliche Institutionen handelt, ist für die Vergabe des Friedensnobelpreises das norwegische Nobelpreiskomitee zuständig, eine vom norwegischen Parlament bestimmte Kommission. Die Gründung der Nobel-Stiftung erfolgte 1900. Im Jahr darauf, an Nobels fünftem Todestag, wurden die Nobelpreise erstmals verliehen.
In seinem letzten Lebensjahr verfasste Alfred Nobel das Theaterstück Nemesis, eine Tragödie in vier Akten über Beatrice Cenci, in Anlehnung an die von Percy Bysshe Shelley in Versform verfasste Tragödie The Cenci. Es wurde gedruckt, als er bereits im Sterben lag. Der gesamte Bestand wurde jedoch gleich nach seinem Tod bis auf drei Exemplare vernichtet, da man es als skandalös und blasphemisch empfand. Erst 2003 wurde das Buch veröffentlicht, und zwar in einer zweisprachigen Ausgabe auf Schwedisch und Esperanto. Mittlerweile liegen Übersetzungen ins Slowenische (2004), Italienische (2005), Französische (2008) und Spanische (2008) vor.
* Nobelmuseum (schwedisch: Nobelmuseet) in Stockholm Das schwedische Nobelmuseum ist dem Nobelpreis und den Nobelpreisgewinnern ab 1901 bis zur Gegenwart und dem Leben Alfred Nobels gewidmet. Das Museum befindet sich im ehemaligen Gebäude der Stockholmer Börse in der Altstadt Stockholms (Platz Stortorget). Im selben Gebäude befinden sich auch die Schwedische Akademie und die Nobelbibliothek der Schwedischen Akademie. * Nobelmuseum Björkborn (schwedisch: Nobelmuseet i Karlskoga) in Karlskoga Alfred Nobel verbrachte die letzten dreieinhalb Lebensjahre auf "Björkborns herrgård" bei Karlskoga. Neben der nahezu vollständig original erhaltenen Hauseinrichtung findet sich Nobels Labor sowie eine Ausstellung von Erzeugnissen der Rüstungsfirma Bofors. Die Tatsache, dass er in Björkborn Pferde und Hausangestellte – ergo seinen Hauptwohnsitz – hatte, spielte die entscheidende Rolle bei der Erbauseinandersetzung, da seine Verwandten vor einem französischen Gericht (bei Paris besaß Nobel ein Haus, das er sehr viel länger bewohnt hatte als das in Karlskoga) gegen die Übertragung seines Vermögens in eine Stiftung klagten. Es ist Nobels Mitarbeiter Ragnar Solman zu verdanken, dass die Stiftung wie von Nobel vorgesehen überhaupt realisiert werden konnte. Ein Teil der Ausstellung ist Ragnar Solman gewidmet. * Nobel-Friedenszentrum (norwegisch: Nobels Fredssenter) in Oslo Das Nobel-Friedenszentrum informiert über den Friedensnobelpreis, die Preisträger und deren Arbeit sowie über aktuelle Konfliktherde auf der Welt und den Einsatz für den Frieden. Die Stiftung wurde im Jahr 2000 anlässlich der Feiern zur 100-jährigen internationalen Souveränität Norwegens vom norwegischen Parlament gegründet und am 11. Juni 2005 eröffnet. * Villa Nobel in Sanremo Die Villa Nobel war der letzte Wohnsitz und der Sterbeort von Alfred Nobel. In der Villa wurde ein Museum über Leben und Werk Alfred Nobels und das wissenschaftliche Umfeld des 19. Jahrhunderts eingerichtet. Einen breiten Raum nehmen auch die Nobelpreise ein, wobei die italienischen Nobelpreisträger speziell hervorgehoben werden.
* Dynamite, the Story of Alfred Nobel, engl. Spielfilm von Alfred Cleary mit Wesley Addy als Nobel und Osa Massen als Bertha von Suttner, 1954 * Herz der Welt, dt. Spielfilm mit Mathias Wieman als Alfred Nobel und Hilde Krahl als Bertha von Suttner, 1952 * Alfred Nobel – Der Lohn des Schreckens. Doku-Drama, 45 Min., Produktion: ZDF, Erstsendung: 15. Oktober 2006 * Eine Liebe für den Frieden – Bertha von Suttner und Alfred Nobel Biopic, Produktion: ORF, Erstsendung: 2014
* Eine Aktie der ersten Waffenfabrik Alfred Nobels im geschätzten Wert von rund 180.000 Schweizer Franken kann im ersten internationalen Wertpapiermuseum, der Wertpapierwelt in Zürich, besichtigt werden. * Der Asteroid (6032) Nobel wurde nach ihm benannt. * Auch die Pflanzengattung Nobeliodendron aus der Familie der Lorbeergewächse (Lauraceae) ist nach ihm benannt.
* Erik Bergengren: Alfred Nobel. Bechtle, München/Esslingen 1965, . * Edelgard Biedermann (Hrsg.): Chère Baronne et amie – Chèr monsieur et ami. Der Briefwechsel zwischen Alfred Nobel und Bertha von Suttner. Olms, Hildesheim / Zürich/New York, NY 2001, ISBN 3-487-11492-5. * Ingrid Carlberg: Alfred Nobel. Die Biografie. Übers. von Susanne Dahmann. btb, München 2023, ISBN 978-3-442-77365-7. * Kenne Fant: Alfred Nobel. Idealist zwischen Wissenschaft und Wirtschaft. Insel, Frankfurt am Main 1997, ISBN 3-458-33804-7. * Karl Gruber: Alfred Nobel. Die Dynamitfabrik Krümmel – Grundstein eines Lebenswerks. Flügge, Geesthacht 2001, ISBN 3-923952-11-2. * Rune Pär Olofsson: Der Dynamitkönig Alfred Nobel. Kiepenheuer, Leipzig 1993, ISBN 3-378-00523-8. * Orlando de Rudder: Alfred Nobel (1833–1896). Denoël, Paris 1997, ISBN 2-207-24179-3. * Fritz Vögtle: Alfred Nobel. Mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1983, ISBN 3-499-50319-0.
* auf nobelprize.org (englisch) * auf nobelprize.org (englisch) * ], 26. September 2006 * Gregor Hoppe: ] Radiowissen. Ausstrahlung am 9. Dezember 2021. (Podcast)
Lotte Burkhardt: Verzeichnis eponymischer Pflanzennamen – Erweiterte Edition. Teil I und II. Botanic Garden and Botanical Museum Berlin, Freie Universität Berlin, Berlin 2018, ISBN 978-3-946292-26-5, doi:10.3372/epolist2018.
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Automobil
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von 1886, das erste „moderne Automobil“ , das erste Automobil aus Fließbandfertigung (Produktionszeitraum 1908–1927), aber nicht das erste in Serie gebaute Auto , von 1972 bis 2002 das (kumulativ) weltweit meistgebaute Automobil Ein Automobil (Kraftwagen, in der Schweiz amtlich Motorwagen) ist ein mehrspuriges motorgetriebenes Straßenfahrzeug zur Beförderung von Personen oder Lasten. Die umgangssprachliche Kurzform Auto bezeichnet vor allem Kraftfahrzeuge, die zum Transport von Personen bestimmt sind. Amtlich werden diese als Personenkraftwagen (kurz: Pkw) bezeichnet, oder – bei mehr Sitzplätzen – als Kraftomnibus. Automobile, die keine PKW sind, werden als Nutzfahrzeug bezeichnet. Lastkraftwagen (Lkw) dienen mehrheitlich dem Straßentransport von Gütern. Der weltweite Fahrzeugbestand lag im Jahr 2010 bei über 1,015 Milliarden Automobilen und stieg seitdem kontinuierlich an. 2011 wurden weltweit über 80 Millionen Automobile gebaut. In Deutschland waren im Jahr 2012 etwa 51,7 Millionen Kraftfahrzeuge zugelassen, davon sind knapp 43 Millionen Personenkraftwagen.
Automobil („Selbstbeweger“) ist ein substantiviertes Adjektiv, abgeleitet von , und . Die Wortschöpfung entstand in den 1860er-Jahren in Frankreich und diente damals – wie locomobile – zur Unterscheidung von den üblichen Landfahrzeugen, die damals von Pferden gezogen wurden. So bezeichnete französisch 1875/1876 eine mit Pressluft betriebene Straßenbahn. Die Anwendung im heutigen Sinn setzte sich in den 1890er-Jahren durch: 1893 hieß es in der Publikation Radfahrergeschichten noch mit französischem Plural: „In den Straßen von Paris wird es bald komisch aussehen. Viele Fiaker fahren bereits ohne Pferde als numerirte Automobiles umher.“ Anschließend wurde das Wort im Deutschen schnell heimisch, zunächst nach französischem Vorbild noch als Femininum, unter dem Einfluss der Kurzform Auto aber bald schon als Neutrum. Die Definition „selbstbewegendes Fahrzeug“ würde auch motorisierte Zweiräder und Schienenfahrzeuge einschließen. In der Regel wird unter einem Automobil jedoch ein mehrspuriges und nicht schienengebundenes Kraftfahrzeug verstanden, also ein Pkw, Bus oder Lkw. In der Alltagssprache ist meist nur der Pkw gemeint. Der Darmstädter Dozent für Kraftwagen, Freiherr Löw von und zu Steinfurth versuchte, sich in seinem Standardwerk Das Automobil – sein Bau und sein Betrieb über alle Ausgaben ab 1909 hinweg an möglichst exakten Definitionen von „Automobil“. In der 5. Auflage von 1924 schreibt er: Um diese strenge Klassifizierung zu beleuchten, lässt er beispielsweise Forderung 2 weg und kommt damit „zu den sogenannten gleislosen Bahnen, die aus elektrischen Wagen bestehen, denen durch eine Oberleitung die Energie zugeführt wird.“ Im Englischen ist mit einem automobile bzw. car nur ein Pkw gemeint. Eine Übersetzung im Sinne des zitierten von und zu Steinfurth gibt es im Englischen nicht. Das in diesem Zusammenhang oft erwähnte Wort motor vehicle schließt auch Krafträder mit ein und ist demzufolge dem deutschen Begriff Kraftfahrzeug gleichzusetzen.
Der Franzose Nicholas Cugnot erbaute 1769 einen Dampfwagen – das erste bezeugte und tatsächlich erbaute Fahrzeug, das nicht auf Muskelkraft oder einer anderen äußeren Kraft (wie z. B. Wind) basierte (und kein Spielzeug war). Um 1832 soll Robert Anderson in Aberdeen einen Elektrokarren gebaut haben. Im Jahr 1863 machte Étienne Lenoir mit seinem „Hippomobile“ eine 18 km lange Fahrt; es war das erste Fahrzeug mit einem Motor mit interner Verbrennung. Der Taylor Steam Buggy von 1867 mit Dampfmotor und zwei Zylindern erreichte eine Höchstgeschwindigkeit von 24 km/h und ist als das älteste kanadische Automobil. Jedoch gilt das Jahr 1886 mit dem Motordreirad „Benz Patent-Motorwagen Nummer 1“ des deutschen Erfinders Carl Benz als das Geburtsjahr des „modernen“ Automobils mit Verbrennungsmotor, da es große mediale Aufmerksamkeit erregte und zu einer Serienproduktion führte. Zuvor bauten auch andere Erfinder motorisierte Gefährte mit ähnlichen oder gänzlich anderen Motorkonzepten. Z.B. wurde bereits 1881 mit dem Trouvé Tricycle vorher das erste anerkannte Elektroauto gebaut. Motorisierte Wagen lösten in nahezu allen Bereichen die von Zugtieren gezogenen Fuhrwerke ab, da sie deutlich schneller und weiter fahren und eine höhere Leistung erbringen können. Durch diesen Vorteil steigerte sich seit dem Geburtsjahr des Automobils die Weite der zurückgelegten Strecken, u. a. deshalb wurde dem motorisierten Straßenverkehr immer mehr Raum zugestanden. Trotz der schon Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts bekannten Vorteile der Elektromobilität setzte sich zunächst der Verbrennungsmotor als Antrieb durch.
Zu den wesentlichen Bestandteilen des Automobils gehören das Fahrwerk mit Fahrgestell und anderen Teilen, ferner Karosserie, Motor, Getriebe und Innenraum. Europäische Pkw bestehen zu über 54 Prozent aus Stahl, die Hälfte davon hochfeste Stahlgüten. Die Technik der Fahrzeuge müssen Ingenieure und Designer in eine funktionale, ergonomische und ästhetische Form bringen, die die Markenwerte des Herstellers vermittelt und Emotionen weckt. Beim Kauf eines Autos ist das Fahrzeugdesign heute eines der wichtigsten Entscheidungskriterien.
Nach Zahlen der WHO sterben 1,25 Millionen Menschen jährlich an den direkten Folgen von Verkehrsunfällen. Die Sicherheit von Insassen und potenziellen Unfallgegnern von Kraftfahrzeugen ist unter anderem abhängig von organisatorischen und konstruktiven Maßnahmen sowie dem persönlichen Verhalten der Verkehrsteilnehmer. Zu den organisatorischen Maßnahmen zählen zum Beispiel Verkehrslenkung (Straßenverkehrsordnung mit Verkehrsschildern oder etwas moderner durch Verkehrsleitsysteme), gesetzliche Regelungen (Gurtpflicht, Telefonierverbot), Verkehrsüberwachung und straßenbauliche Maßnahmen. Die konstruktiven Sicherheitseinrichtungen moderner Automobile lassen sich grundsätzlich in zwei verschiedene Bereiche gliedern. Passive Sicherheitseinrichtungen sollen die Folgen eines Unfalls mildern. Dazu zählen beispielsweise der Sicherheitsgurt, die Sicherheitskopfstütze, der Gurtstraffer, der Airbag, der Überrollbügel, deformierbare Lenkräder mit ausklinkbaren Lenksäulen, die Knautschzone, der Seitenaufprallschutz sowie konstruktive Maßnahmen zum Unfallgegnerschutz. Aktive Sicherheitseinrichtungen sollen einen Unfall verhindern oder in seiner Schwere herabsetzen. Beispiele hierfür sind das Antiblockiersystem (ABS) sowie das elektronische Stabilitätsprogramm (ESP). Zu den persönlichen Maßnahmen zählen Verhaltensweisen wie eine defensive Fahrweise, das Einhalten der Verkehrsvorschriften oder Training der Fahrzeugbeherrschung, beispielsweise bei einem Fahrsicherheitstraining. Diese sowie die Verkehrserziehung speziell für Kinder helfen das persönliche Unfallrisiko zu vermindern. Alle Maßnahmen zur Erhöhung der Verkehrssicherheit zusammen können dazu beitragen, dass die Zahl der bei einem Verkehrsunfall getöteten Personen reduziert wird. In den meisten Industrienationen sind die Opferzahlen seit Jahren rückläufig. In Europa spielen Verkehrsunfälle als Todesursache heute eine geringere Rolle als vor einigen Jahrzehnten, die Zahl der Todesopfer liegt unter den Zahlen der Drogentoten oder Suizidenten. So fielen in Deutschland, Österreich, den Niederlanden oder der Schweiz die Opferzahlen seit den 1970er-Jahren, trotz kaum rückläufiger Zahlen der Verkehrsunfälle, auf ein Drittel. 2011 ist in Deutschland die Zahl der Verkehrstoten zum ersten Mal seit 20 Jahren wieder gestiegen, in Österreich und der Schweiz allerdings auf dem historisch tiefsten Stand. Nach längerer freiwilliger Aktion wurde das Fahren mit eingeschaltetem Licht am Tag in Österreich am 15. November 2005 verpflichtend eingeführt und 2007 auch per Strafe eingefordert. Zum 1. Januar 2008 wurde die Lichtpflicht allerdings wieder abgeschafft. Ziel dieser Kampagne war es, die menschlichen Sinneseindrücke auf die Gefahrenquellen zu fokussieren und damit die Zahl der Verkehrstoten zu verringern. Schätzungen des Bundesministeriums zufolge wurden jährlich 15 Verkehrstote weniger erwartet. Allerdings zeigte sich nicht der erwartete Effekt, da vermehrt die Aufmerksamkeit von unbeleuchteten Gefahrenquellen (Hindernisse oder andere Verkehrsteilnehmer z. B. Fußgänger) weg zu den bewegten und beleuchteten Fahrzeugen gelenkt wurde. Auch in Norwegen wurden in den Jahren nach der Einführung der Lichtpflicht 1985 deutlich mehr Verkehrstote gezählt als in den Jahren davor. Trotzdem wird in einigen Ländern (etwa Deutschland) weiterhin die Einführung einer solchen Maßnahme in Erwägung gezogen.
in Wuhan, China. Juli 2024 Sowohl Automobilbauer stuttgarter-nachrichten.de, 6. Mai 2014, abgerufen am 22. Mai 2014 „Im August 2013 fährt das erste Mal eine Mercedes-S-Klasse selbstständig von Mannheim nach Pforzheim. […] Nur ein einziges Mal ist das Fahrzeug überfordert. ‚Als eine ältere Frau am Fußgängerüberweg den Wagen durchwinken wollte, blieb er trotzdem stehen, das war nicht vorgesehen‘, erzählt Daimler-Entwicklungschef Thomas Weber[…]“ und Zulieferbetriebe als auch Unternehmen aus der IT-Branche (insbesondere Google und Uber) forschen und entwickeln am autonom fahrenden Kraftfahrzeug (meist Pkw). . Erfahrungen amerikanischer Autoversicherungen würden nahelegen, dass bereits die Anzeigen der Assistenz-Sensorik das Unfallrisiko senken können. Auch wird die Ansicht vertreten, dass ein gewisses Maß an Unsicherheit den Erfolg autonomer Automobile nicht verhindern wird. Das „Wiener Übereinkommen über den Straßenverkehr“ von 1968 verbot lange Zeit autonome Automobile, wurde jedoch Mitte Mai 2014 von der UN geändert, so dass Davor schrieb es unter anderem vor, dass jedes in Bewegung befindliche Fahrzeug einen Fahrer haben und dieser das Fahrzeug auch beherrschen muss. Zu klären sind insbesondere Fragen bezüglich des Haftungsrechts bei Unfällen, wenn technische Assistenzsysteme das Fahren übernehmen. Im bisher dem Fortschritt zugeneigten Kalifornien, das lange Zeit liberale Regelungen für autonome Automobile hatte, wurde 2014 die gesetzliche Situation jedoch verschärft – jetzt muss immer ein Mensch am Steuer sitzen, der „jederzeit eingreifen kann“. Einer Studie des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie zufolge rechnet man damit, dass zumindest die Automatisierung einiger Fahrfunktionen bis spätestens 2020 technisch realisierbar sein werden, während fahrerlose Fahrzeuge auf öffentlichen Straßen erst weit später zu erwarten seien. Auch Fahrzeuge ohne Lenkrad, Bremse und Gaspedal werden erprobt. In diesem Zusammenhang werden Verkehrskonzepte wie ein erweitertes Carsharing diskutiert: Man bucht das Auto übers Internet und steigt bei Bedarf zu. Keiner der Insassen benötigt eine Fahrerlaubnis.
Die Gesamtbetriebskosten eines Autos setzen sich zusammen aus Fixkosten (auch „Unterhaltskosten“ genannt) und variablen Kosten (auch „Betriebskosten“ genannt), hinzu kommt der Wertverlust des Autos. Die Kosten werden von vielen Menschen unterschätzt.
Die Fixkosten fallen unabhängig von der jährlichen Kilometerleistung an. Sie setzen sich im Wesentlichen zusammen aus der Kraftfahrzeugsteuer, den obligatorischen Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungen, in vielen Ländern eines zwangsweisen Mautbeitrags sowie sporadisch vorgeschriebenen Technischen Prüfungen. Daneben können freiwillige Zusatzversicherungen abgeschlossen werden, wie eine Kaskoversicherung sowie weitere Versicherungen oder zusätzliche versicherungsähnliche Leistungen, welche die Automobilclubs bei einer Mitgliedschaft anbieten.
Die Betriebskosten hängen weitgehend von der jährlichen Kilometerleistung ab. Es entstehen Aufwände für den Energieverbrauch (bei Verbrennungsmotoren ist das der Kraftstoffverbrauch), den Ersatz von Verschleißteilen (insbesondere Autoreifen), sowie für weitere Wartung und ggf. außerplanmäßige Reparaturen. Die Wartung ist je nach Zeit und Kilometern erforderlich. Typische Zeitintervalle liegen bei 1 bis 2 Jahren, typische Kilometerintervalle bei 10.000 km bis 30.000 km. Werden die Wartungsintervalle nicht eingehalten, kann das zu Schwierigkeiten mit Garantieansprüchen bei Defekten führen. Je nach individuellem Wunsch entstehen Kosten für die Fahrzeugreinigung. Nicht direkt kilometerabhängig sind Park- und Mautgebühren.
Der Kaufpreis verringert sich sofort als Wertverlust auf den jeweiligen, zeitabhängigen Verkehrswert, während beim Leasing ein ähnlicher Verlust durch Zinszahlungen entsteht.
Statistisches Bundesamt und ADAC veröffentlichen vierteljährlich einen Autokosten-Index. Dieser gibt an, um wie viel Prozent sich verschiedene Kostenbestandteile verteuert oder verbilligt haben. Der ADAC veröffentlicht eine Voll-Kalkulation für Neuwagen, eingeteilt in 6 Klassen (Stand: 04/2018): * Kleinstwagen: Citroën C1 VTi 72 Start: 321 €/Monat * Kleinwagen: Dacia Sandero SCe 75 Essential: 318 €/Monat * Untere Mittelklasse: Dacia Logan MCV Sce 75 Access: 323 €/Monat * Mittelklasse: Skoda Octavia 1.2 TSI Active: 502 €/Monat * Obere Mittelklasse: Skoda Superb Combi 1.6 TDI Active: 614 €/Monat * Oberklasse: Porsche 911 Carrera Coupé: 1357 €/Monat Angeführt ist das jeweils günstigste Modell jeder Klasse.
Der Pkw-Verkehr bringt externe Kosten, insbesondere im Bereich Umweltverschmutzung und Unfallfolgekosten, mit sich. Viele der dabei betrachteten Größen sind kaum bzw. nur sehr ungefähr zu quantifizieren, weshalb verschiedene Publikationen zum Thema unterschiedlich hohe externe Kosten benennen. Eine Studie aus dem Jahr 2022 kommt zu dem Schluss, dass jeder Autofahrer im Jahr mit Rund 5.000 Euro von der Allgemeinheit subventioniert wird. Einbezogen wurden zehn verschiedene soziale oder externe Kostenarten, darunter Luftverschmutzung, Lärmbelastung, Schaffung und Erhalt der Straßeninfrastruktur, Parken im öffentlichen Straßenraum und Kosten des Klimawandels. Der österreichische Pkw-Verkehr trug im Jahr 2000 nur einen Teil der von ihm verursachten Kosten: Ein großer Teil der Kosten für die Errichtung und Erhaltung der Straßen sowie der Sekundärkosten wie Unfall- und Umweltkosten (Lärm, Luftschadstoffe) aller Verkehrsteilnehmer werden von der Allgemeinheit übernommen. Während der Pkw-Verkehr für 38 % der durch ihn verursachten Kosten aufkam, trugen Busse die eigenen Kosten zu 10 % und Lkw zu 21 %. Das Handbuch über die externen Kosten des Verkehrs der Europäischen Union bezifferte 2019 die wirtschaftlichen Kosten einer 20.000 km langen Autofahrt wie folgt: * 900 € für Unfallkosten * 142 € für die Kosten der Luftverschmutzung * 236 € für die Kosten des Klimawandels * 236 € für die Auswirkungen der Lärmbelästigung * 76 € für die Produktionskosten * 110 € für den Verlust von Lebensraum
Der Pkw-Verkehr ist Forschungsgegenstand der Volkswirtschaft, namentlich der Verkehrswissenschaft. Das Automobil als industrielles Massenprodukt hat den Alltag der Menschheit verändert. Seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts hat es mehr als 2.500 Unternehmen gegeben, die Automobile produzierten. Viele Unternehmen, die im 19. Jahrhundert Eisenwaren oder Stahl produzierten, fingen Mitte des Jahrhunderts mit der Fertigung von Waffen oder Fahrrädern an und entwickelten so die Kenntnisse, die Jahrzehnte später im Automobilbau benötigt wurden. Heute gibt es neben den großen Herstellern viele kleine Betriebe, die als Automanufaktur zumeist exklusive Fahrzeuge produzieren, beispielsweise Morgan (GB).
Die Bedeutung des Automobils basiert neben der vergleichsweise hohen physischen Leistungsfähigkeit des Systems auch auf der hohen Freizügigkeit in den Nutzungsmöglichkeiten bezüglich der Transportaufgaben und der Erschließung räumlicher bzw. geografischer Bereiche. Bis ins 19. Jahrhundert gab es nur wenige Fortbewegungsmittel, zum Beispiel die Kutsche oder das Pferd. Die Verbreitung der Eisenbahn steigerte zwar die Reisegeschwindigkeit, aber man war an Fahrpläne und bestimmte Haltepunkte gebunden. Mit dem Fahrrad stand ab Ende des 19. Jahrhunderts erstmals ein massentaugliches Individualverkehrsmittel zur Verfügung, allerdings ermöglichte erst das Automobil individuelle motorisierte Fortbewegung sowie den flexiblen und schnellen Transport auch größerer Lasten. In den 1960er Jahren herrschte eine regelrechte Euphorie, woraus eine vorherrschende Meinung entstand, der gesamte Lebensraum müsse der Mobilität untergeordnet werden („Autogerechte Stadt“). Schon in den 1970er Jahren wurden einige solche Projekte jedoch gestoppt. Die Emissionen aus dem Verkehr steigen auch im Jahr 2011 immer noch und im Gegensatz zu den Brennstoffen können die vereinbarten Ziele zum Klimaschutz bei den Treibstoffen (in der Schweiz) nicht erfüllt werden. Zum 1. Januar 2004 waren in Deutschland 49.648.043 Automobile zugelassen. Im Vergleich mit Fußgängern und Fahrrädern, aber auch mit Bussen und Bahnen hat das Auto einen höheren Platzbedarf. Insbesondere in Ballungsgebieten führt dies zu Problemen durch Staus und Bedarf an öffentlichen Flächen, wodurch sich einige der Vorteile des Automobils auflösen. Der Güterverkehr auf der Straße ist ein elementarer Bestandteil der heutigen Wirtschaft. So erlaubt es die Flexibilität der Nutzfahrzeuge, leicht verderbliche Waren direkt zum Einzelhandel oder zum Endverbraucher zu bringen. Mobile Baumaschinen übernehmen heute einen großen Teil der Bauleistungen. Die Just-in-time-Produktion ermöglicht einen schnelleren Bauablauf. Beton wird in Betonwerken gemischt und anschließend mit Fahrmischern zur Baustelle gebracht, mobile Betonpumpen ersparen den Gerüst- oder Kranbau.
Der massenhafte Betrieb von Verbrennungsmotoren in Autos führt zu Umweltproblemen, einerseits lokal durch Schadstoffemissionen, die je nach Stand der Technik vielfach vermeidbar sind, andererseits global durch den systembedingten CO<sub>2</sub>-Ausstoß, der zur Klimaerwärmung beiträgt. Weiters argumentiert der Philosoph Kilian Jörg, dass das Automobil ein katastrophales Umweltverhältnis zum Gemeinsinn macht. Natur wird demnach durch Prothesen wie das Auto zur Konsumware. Die Luftverschmutzung durch die Abgase der Verbrennungsmotoren nimmt, gerade in Ballungsräumen, oft gesundheitsschädigende Ausmaße an (Smog, Feinstaub). Die Kraftstoffe der Motoren beinhalten giftige Substanzen wie Xylol, Toluol, Benzol sowie Aldehyde. Noch giftigere Bleizusätze sind zumindest in Europa und den USA nicht mehr üblich. Allein in Deutschland sterben jährlich 11.000 Menschen infolge von Luftverschmutzung durch den Straßenverkehr; Todesfälle, die potentiell vermieden werden könnten. Diese Zahl ist 3,5 Mal so hoch wie die Zahl der Todesopfer durch Unfälle. Auch der überwiegend vom Automobil verursachte Straßenlärm schädigt die Gesundheit. Hinzu kommt, dass das Autofahren, besonders über längere Zeit, teilweise mit Bewegungsmangel verbunden sein kann. Über die Folgen, welche vom massenhaften Reifenverschleiß ausgehen, ist bisher erst wenig bekannt. Ein großer Teil davon wird mit dem Regen in die Oberflächengewässer gespült. Durch das freigesetzte Ozonschutzmittel 6PPD können Fischsterben verursacht werden. Über die Auswirkungen der chemischen Verbindungen, welche ins Gemüse gelangen, wurde noch nicht viel geforscht. Der Verbrauch von Mineralöl, einem fossilen Energieträger zum Betrieb konventioneller Automobile erzeugt einen CO2-Ausstoß und trägt damit zum Treibhauseffekt bei. Nach Planungen der EU-Kommission sollen bis zum Jahr 2050 Autos mit Verbrennungskraftmaschinenantrieb aus den Innenstädten Europas gänzlich verbannt werden. Inzwischen will das EU-Parlament den Verkauf von Neuwagen mit Verbrennungsmotor ab 2035 verbieten. Die EU-Umweltminister hingegen, wollen ab 2035 nur noch Neuwagen ohne CO2-Emissionen zuzulassen. in Berlin das erste Faltauto. Dieses Stadtauto-Konzept hatte das Ziel, kostengünstig und raumsparend zu sein. Der Flächenverbrauch für Fahrzeuge und Verkehrswege verringert den Lebensraum für Menschen, Tiere und Pflanzen. Das Platz- und Parkplatzproblem der Ballungsgebiete zeigte sich bereits in den 1920er Jahren und schon 1929 verfolgte der deutsche Ingenieur und Erfinder Engelbert Zaschka in Berlin den Ansatz des zerlegbaren Zaschka-Threewheelers (Faltauto). Dieses Stadtauto-Konzept hatte das Ziel, kostengünstig und raumsparend zu sein, indem sich das Fahrzeug nach Gebrauch zusammenklappen ließ. Das Automobil wird derzeit (2013) zu 85 Prozent recycelt und zu 95 Prozent verwertet. Bei metallischen Bestandteilen beträgt die Recyclingquote 97 Prozent. Einen Überblick zur Umweltfreundlichkeit von jeweils aktuellen Pkw-Modellen veröffentlicht der Verkehrsclub Deutschland (VCD) jährlich in der Auto-Umweltliste. Zu den Gefahren des Kraftfahrzeugverkehrs beziehungsweise zu den durch dessen Umwelteinwirkungen verursachten Kosten siehe die Kapitel Sicherheit bzw. Externe Kosten.
Die verbreitete Verwendung des Autos verändert die sozialen Räume – u. a. wurden folgende Auswirkungen in der Schweiz beklagt: * Kinder können immer seltener unbeaufsichtigt auf der Straße spielen; * Freizeit-Orte liegen weiter entfernt als früher; * folglich weniger spontane körperliche Betätigung sowie zum Beispiel eine Halbierung der Nutzung des Fahrrades bei jungen Schweizern innerhalb von 20 Jahren. Die gesamte kindliche Entwicklung wird beeinflusst.
Seit 1. Dezember 2011 müssen in Deutschland Neuwagen mit einer Energieverbrauchskennzeichnung versehen werden. Die Klassen reichen von A+ bis G. Der Verbrauch wird auf das Fahrzeuggewicht bezogen, womit Vergleiche nur innerhalb einer Gewichtsklasse möglich sind. Dass ein leichterer Wagen bei gleicher Benotung weniger Energie für einen Transport benötigt als ein schwererer Wagen, ist an dem Label nicht erkennbar.
In Deutschland sind eine Reihe von Verbänden entstanden, die anfangs Dienstleistungen für Autofahrer auf Gegenseitigkeit organisierten, vor allem Pannenhilfe. Heute arbeiten sie zunehmend auch als Lobby-Verbände und vertreten die Interessen der Autofahrer und der Automobilindustrie gegenüber Politik, Industrie und Medien. Bereits 1899 wurde der Automobilclub von Deutschland (AvD) gegründet, der ein Jahr später die erste Internationale Automobilausstellung organisierte. 1911 war der Allgemeine Deutsche Automobil-Club, der ADAC, aus der 1903 gegründeten Deutschen Motorradfahrer-Vereinigung entstanden. Er ist heute mit 15 Millionen Mitgliedern Europas größter Club. Weitere Verbände in Deutschland sind der Auto Club Europa (ACE), der 1965 von Gewerkschaften gegründet wurde, sowie seit 1986 der ökologisch orientierte Verkehrsclub Deutschland (VCD), der zusätzlich auch die Interessen der anderen Verkehrsteilnehmer (Radfahrer, Fußgänger, ÖPNV-Benutzer) vertritt. Die Interessen der Automobilhersteller und deren Zulieferunternehmen vertritt der Verband der Automobilindustrie (VDA).
* Forschungsinstitut für Kraftfahrwesen und Fahrzeugmotoren Stuttgart (FKFS) * Institut für Kraftfahrwesen Aachen (ika) der RWTH Aachen
Zu den neuen Entwicklungen gehören alternative Antriebe wie das Elektroauto (Elektrofahrzeug). Eine weitere Entwicklung ist das autonome Fahren (Autonomes Landfahrzeug). Durch Carsharing wechselt ein Auto vom Privatbesitz in einen Gemeinschaftsbesitz. Experimentell entwickelt werden zudem Prototypen von Flugautos. In den letzten Jahren nahm die Überwachung der Fahrer durch ihre Autos zu. In einer Untersuchung der US-Datenschutzbestimmungen von Auto-Herstellern durch die Mozilla Foundation 2023 fielen alle 25 untersuchten Automarken durch. Sechs der Hersteller erlauben sich explizit, genetische Informationen zu sammeln, Nissan und Kia gar Informationen zum Sexleben.
Nach Erscheinungsjahr geordnet * Wolfgang Sachs: Die Liebe zum Automobil: Ein Rückblick in die Geschichte unserer Wünsche. Rowohlt, Reinbek 1984, ISBN 3-498-06166-6. * Peter M. Bode, Sylvia Hamberger, Wolfgang Zängl: Alptraum Auto: Eine hundertjährige Erfindung und ihre Folgen. Raben Verlag von Wittern, 1986. * Hannes Krall: Das Automobil oder Die Rache des kleinen Mannes: Verborgene Bedeutungen des Internationalen Golf-GTI-Treffens. DRAVA Verlags- und Druckgesellschaft, 1991, ISBN 3-85435-138-0. * Weert Canzler: Das Zauberlehrlings-Syndrom: Entstehung und Stabilität des Automobil-Leitbildes. Edition Sigma, 1996, ISBN 3-89404-162-5. * Arnd Joachim Garth: Das Dialogomobil: Marketing und Werbung rund um das Automobil. Berlin, Verlag Werbweb-Berlin, 2001, ISBN 3-00-006358-7. * Daniela Zenone: Das Automobil im italienischen Futurismus und Faschismus: Seine ästhetische und politische Bedeutung. WZB, Forschungsschwerpunkt Technik, Arbeit, Umwelt, Berlin 2002. * Weert Canzler, Gert Schmidt (Hrsg.): Zukünfte des Automobils. Aussichten und Grenzen der autotechnischen Globalisierung. Edition Sigma, Berlin 2008, ISBN 978-3-89404-250-9. * Hermann Knoflacher: Virus Auto. Die Geschichte einer Zerstörung. Ueberreuter Verlag, Wien 2009, ISBN 978-3-8000-7438-9. * Larry Edsall: Automobile der Zukunft. Neue Technologien für das 21. Jahrhundert. Koehlers Verlagsgesellschaft, Hamburg 2019, ISBN 978-3-7822-1342-4 * Christian Manz, Halwart Schrader: Alternativ Mobil – Die Geschichte der Elektromobilität, Solar-, Wasserstoff- und Gasturbinenfahrzeuge von 1881 bis morgen ISBN 978-3-7582-0255-1
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Adam Ries
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Adam Ries (oft auch Adam Riese; * 1492 oder 1493 in Staffelstein, Hochstift Bamberg; † 30. März oder 2. April 1559 vermutlich in Annaberg oder Wiesa) war ein deutscher Rechenmeister. Bekannt wurde er durch sein Lehrbuch Rechnung auff der Linihen und Federn [...], das bis ins 17. Jahrhundert mindestens 120-mal aufgelegt wurde. Bemerkenswert ist, dass Adam Ries seine Werke nicht – wie damals üblich – in lateinischer, sondern in deutscher Sprache schrieb. Dadurch erreichte er einen großen Leserkreis und konnte darüber hinaus auch zur Vereinheitlichung der deutschen Sprache beitragen. Adam Ries gilt als der „Vater des modernen Rechnens“. Er hat mit seinen Werken entscheidend dazu beigetragen, dass die römische Zahlendarstellung als unhandlich erkannt und weitgehend durch die nach dem Stellenwertsystem strukturierten indisch-arabischen Zahlzeichen ersetzt wurde. Sein Name ist aus der Redewendung „nach Adam Riese“ allgemein bekannt.
Adam Ries stammte aus Staffelstein, in der Vorrede zu seiner „Coß“ gibt er darüber selbst Auskunft. Sein Vater Contz Ries war der Besitzer der dortigen Stockmühle, seine Mutter dessen zweite Frau Eva Kittler. Das Geburtsjahr ist nicht eindeutig zu bestimmen. Die Umschrift auf dem einzig bekannten zeitgenössischen Porträt des Rechenmeisters lautet: ANNO 1550 ADAM RIES SEINS ALTERS IM LVIII. Wenn er demnach im Jahr 1550 im 58. Lebensjahr war, muss er 1492 oder 1493 geboren worden sein, je nachdem, wann er das 58. Lebensjahr vollendet hat. Die ersten Jahrzehnte nach der Geburt Ries’ sind nicht dokumentiert, sodass nicht bekannt ist, welche Schule er besucht hat. Auch findet sich in den Matrikeln der damals bereits bestehenden Universitäten kein Hinweis auf ein Studium des späteren Rechenmeisters. 1509 hielt er sich mit seinem jüngeren Bruder Conrad in Zwickau auf, der dort die Lateinschule besuchte. Die älteste bekannte urkundliche Erwähnung Adam Ries’ stammt vom 22. April 1517, als er vor dem Staffelsteiner Rat wegen einer Erbstreitigkeit erschien.
1518 ging Ries nach Erfurt, wo er eine Rechenschule leitete. In Erfurt verfasste er zwei seiner Rechenbücher und ließ sie dort bei Mathes Maler drucken.
1522 zog es ihn in die junge, vom Silbererzbergbau geprägte Stadt Annaberg, in der er den Rest seines Lebens verbrachte. In der Johannisgasse eröffnete er eine private Rechenschule. Das Haus beherbergt heute das Adam-Ries-Museum. 1524 beendete Ries die Arbeiten am Manuskript der Coß, einem mehr als 500 Seiten umfassenden Lehrbuch der Algebra (Coß ist der im Mittelalter übliche Name für die Variable bzw. Unbekannte). Die Coß ist ein Bindeglied zwischen der mittelalterlichen und der heutigen Algebra. Das Manuskript war sowohl seinen Söhnen und Schülern als auch anderen mathematisch interessierten Personen aus seinem Umfeld zugänglich, es wurde seinerzeit aber nicht publiziert. Der Druck hätte enorme Kosten verursacht und andere deutsche Mathematiker publizierten vergleichbare Darstellungen zwischen 1520 und 1550. So wurde das vollständige Manuskript erstmals 1992 gedruckt. Im Traubuch der Annaberger St.-Annen-Kirche wurde 1525 die Vermählung mit Anna Leuber vermerkt, einer Tochter des Freiberger Schlossermeisters Andreas Leuber: „Adam Reyeß Anna Filia Anders lewbers vo Freybergk“. Im selben Jahr legte er den Bürgereid ab. Seinen Lebensunterhalt verdiente er zunächst als Rezessschreiber mit Abrechnungen für die einzelnen Erzgruben, später prüfte er als Berggegenschreiber diese Abrechnungen und sorgte als Zehntner dafür, dass der Landesherr seinen Anteil am Gewinn erhielt. Ries übernahm verantwortliche Tätigkeiten in der sächsischen Bergverwaltung. Besondere Bedeutung hatte in der Zeit des aufblühenden Bergbaus die Versorgung der rasch zunehmenden Bevölkerung mit Lebensmitteln, insbesondere mit Brot. Brot hatte Festpreise: Es wurden Groschenbrote, Zweigroschenbrote und Pfennigsemmeln verkauft. Die Schwankungen der Getreidepreise wurden mit unterschiedlich großen Brotlaiben berücksichtigt. Im Auftrag der Stadt Annaberg erarbeitete Ries die sogenannte „Annaberger Brotordnung“ zum Schutz der Bevölkerung. 1539 erwarb er die nach ihm benannte „Riesenburg“, ein Vorwerk außerhalb der Stadt, dessen Gebäude den Namen noch heute tragen. Im Jahr 1550 erschien sein letztes Werk im Druck. Adam Ries starb 1559, die überlieferten Angaben differieren zwischen dem 30. März und 2. April. Auch der genaue Sterbeort ist nicht bekannt, Annaberg oder Wiesa.
Da die Schreibweise von Namen damals nicht so festgelegt war wie heute, sind als zeitgenössische Schreibweisen neben Ries auch Ris, Rise, Ryse und sogar Reyeß bekannt.
Im heutigen Sprachgebrauch finden sich die beiden Namensformen Ries und Riese. Die Form Riese wird auch in der Redewendung „nach Adam Riese“ verwendet.
Adam Ries verfasste drei Rechenbücher für den Unterricht in Rechenschulen und für die Ausbildung von Kaufleuten und Handwerkern: * Rechnung auff der linihen (1518): Ries beschreibt darin das Rechnen auf den Linien eines Rechenbretts. Es ist laut dem Vorwort der zweiten Auflage ausdrücklich für Kinder bestimmt. * Rechenung auff der linihen und federn … (1522): Neben dem Rechnen auf dem Rechenbrett beschreibt er in diesem Buch das Ziffernrechnen mit indischen/arabischen Ziffern. Es wurde zu seinen Lebzeiten über hundertmal, bislang mindestens 120-mal aufgelegt und begründete seinen Ruf als deutscher Rechenmeister. * Rechenung nach der lenge/ auff den Linihen vnd Feder/.../Mit grüntlichem unterricht des visierens. (1550): Oft zitiert unter dem Kurztitel „Practica“, da in den einzelnen Kapiteln gleiche praktische Beispiele mit unterschiedlichen Methoden gerechnet werden. Ergänzend zu seinen früheren Büchern hat Ries hier auch das „Visieren“ behandelt, die zu seiner Zeit sehr wichtige Berechnung des Inhalts von Fässern. Das Buch zeigt erstmals auch ein Porträt des Autors, das als einziges zeitgenössisches Bild Ries’ überhaupt auch einen Hinweis auf sein Geburtsjahr gibt. Ries schrieb seine Bücher in deutscher Sprache. Das förderte ihre Verbreitung im deutschsprachigen Raum und lieferte einen Beitrag zur Vereinheitlichung der deutschen Sprache. Ries entwarf die Annaberger Brotordnung, diese regelte mit einer Sammlung von Tabellen die zulässigen Gewichtsabweichungen. Später erstellte Adam Ries ähnliche Brotordnungen auch für Joachimsthal, Zwickau, Hof und Leipzig.: * Ein Gerechent Büchlein/ auff den Schöffel/ Eimer/ vnd Pfundtgewicht... (Manuskript 1533, Druck 1536): Ein Buch mit Tabellen für die Berechnung alltäglicher Preise; eine Art Ratgeber, der – so Ries im Vorwort – hilft, „daß der arme gemeine man ym Brotkauff nicht vbersezt würde“. 1524 beendete Ries die Arbeiten am Manuskript der Coß, eines mehr als 500 Seiten umfassenden Lehrbuchs der Algebra.
Mit seiner Frau Anna zeugte er mindestens acht Kinder. Drei der fünf Söhne, Adam, Abraham und Jacob, waren zeitweilig als Rechenmeister in Annaberg tätig. Während Abraham und Jacob 1604 in ihrer Heimat starben, soll Adam sich im Harz niedergelassen haben. Den vierten Sohn, Isaac, zog es nach Leipzig, wo er unter anderem als Visierer (Eichmeister) tätig war. Paul, der fünfte Sohn, wurde Gutsbesitzer und Richter in Wiesa. Die drei Töchter Eva, Anna und Sybilla heirateten jeweils in Annaberg. Die Nachkommen von Adam Ries sind Gegenstand ständiger, ausführlicher genealogischer Forschung. Noch heute lebt eine Vielzahl von Adam-Ries-Nachfahren im Obererzgebirge. Der Adam-Ries-Bund hat es sich zur Aufgabe gemacht, sämtliche Nachkommen von Adam Ries zu ermitteln, und weist in seiner ständig aktualisierten Datenbank bislang mehr als 27.500 direkte Nachkommen auf.
* 1893: Büste von Robert Henze. Anlässlich des 400. Geburtstages von Adam Ries beschloss der Annaberger Geschichtsverein 1891, dem Rechenmeister ein Denkmal zu setzen. Die vom Dresdner Bildhauer Henze angefertigte Skulptur konnte wegen finanzieller Schwierigkeiten erst am 5. November 1893 geweiht werden. 1943 wurde die Bronzebüste zu Rüstungszwecken eingeschmolzen und erst zehn Jahre später durch eine Sandsteinkopie ersetzt. Ende der 1970er Jahre entfernte man diese zunächst ganz aus dem Stadtbild, da wegen des Materials eine fortwährende Verschlechterung ihres Zustands zu befürchten war. Erst 1991 wurde eine neue Sandsteinbüste vor der Trinitatiskirche aufgestellt. Nach einer schweren Beschädigung durch Vandalismus 1992 konnte sie durch die Initiative des Adam-Ries-Bundes ein weiteres Mal rekonstruiert werden und wurde am 100. Jahrestag der Erstweihe erneut vor der Kirche platziert. Seit dem Jahr 2010 hat das Denkmal seinen Platz vor dem Adam-Ries-Museum und Sitz des Adam-Ries-Bundes in der Annaberger Johannisgasse gefunden.
* 1874: Gedenktafel am Rathaus * 1959: Sandsteinrelief von Karl Potzler am Rathaus * 1980: Bronzerelief von Hubert Weber in der Bamberger Straße * 1990: Bronzerelief von Hubert Weber in der Bahnhofstraße * 1992: Bronzetafel von Bildhauer Kerner am Eingang des vermuteten früheren Standorts des Geburtshauses von Adam Ries * 2009: Bronzestatue von Bildhauer Andreas Krämmer in der Bahnhofstraße anlässlich des 450. Todestages
* 1992: Dreiteiliges Ensemble mit Bronzebüste, Texttafel und in das Straßenpflaster eingelassener Rechentafel in der Michaelisstraße 48
DBP 1959 308 Adam Riese.jpg|Briefmarke der Deutschen Bundespost (1959) zum 400. Todestag
* Am 18. August 1997 wurde der Asteroid (7655) Adamries nach ihm benannt. * Zahlreiche Schulen führen den Namen Adam Ries. Von 2008 bis 2013 trug mit der Adam-Ries-Fachhochschule in Erfurt eine Hochschule seinen Namen. * Das Stadtmuseum Bad Staffelstein hat Adam Ries eine Abteilung gewidmet. Ausgestellt sind unter anderem Ausgaben seiner Rechenbücher sowie ein Rechenbrett.
* Wolfgang Kaunzner, Hans Wußing (Hrsg.): Coß. Teubner 1992 (Teubner-Archiv zur Mathematik, Supplement 3). ** Eine ältere Ausgabe erschien in: Bruno Berlet Adam Riese, sein Leben, seine Rechenbücher. Die Coß von Adam Riese, Leipzig, Frankfurt 1892. * Rainer Gebhardt (Hrsg.): Einblicke in die Coß von Adam Ries: eine Auswahl aus dem Original mit aktuellen Anmerkungen und Kommentaren (= Schriften des Adam-Ries-Bundes Annaberg-Buchholzd. Band ??). Teubner 1994. * Rainer Gebhardt (Hrsg.): Die Annaberger Brotordnung von Adam Ries (= Schriften des Adam-Ries-Bundes Annaberg-Buchholz. Band 16). Kommentierte und bearbeitete Faksimile-Ausgabe der 1533 erstellten und 1536 gedruckten Brotordnung. Adam-Ries-Bund, Annaberg-Buchholz 2004, ISBN 3-930430-66-5. * Stefan Deschauer (Hrsg.): Rechnung auff der linihen … in massen man es pflegt tzu lern in allen rechenschulen gruntlich begriffen anno 1518 (= Algorismus. Band 6). München, Institut für Geschichte der Naturwissenschaften 1992. * Stefan Deschauer (Hrsg.): Rechenung auff der linihen und federn in zal, maß und gewicht auff allerley handierung gemacht und zusamen gelesen durch Adam Riesen von Staffelstein Rechenmeyster zu Erffurdt im 1522 Jar (= Algorismus. Band 5). Institut für Geschichte der Naturwissenschaften, München 1991. * Stefan Deschauer, Erich Wittmann (Herausgeber) Das zweite Rechenbuch von Adam Ries: eine moderne Textfassung mit Kommentar und metrologischem Anhang und einer Einführung in Leben und Werk des Rechenmeisters. Vieweg, Braunschweig 1992 (das Rechenbuch von 1522 in neuhochdeutscher Übertragung). * Rechenbuch auff Linien und Ziphren in allerley Handthierung, Geschäfften unnd Kauffmanschafft […]. Neudruck der Ausgabe Frankfurt am Main 1574 von 1954. * Ein Faksimilenachdruck der Practica (1550) von Ries erschien 1976 bei Gerstenberg in Hildesheim * Christiane Brodersen, Kai Brodersen (Hrsg.): Adam Ries: Das erste Rechenbuch (Erfurt 1525), Faksimile, Transkription und Übertragung. Speyer 2018, ISBN 978-3-939526-38-4, * Magistrat der Stadt Erfurt (Hrsg.), Manfred Weidauer, Erfurt (Bearbeitung): Rechnung auff der Linihen und Federn / Auff allerley handthierung gemacht / durch Adam Risen. zum andern mal ubersehen und gemehret. Wissenschaftliche Allgemeinbibliothek Erfurt, Erfurt 1991 (Faksimile).
* Fritz Deubner: … nach Adam Ries. Leben und Wirken des großen Rechenmeisters. 1. Auflage, 1.–6. Tausend. Urania-Verlag, Leipzig u. a. 1959. * Willy Roch: Adam Ries. Des deutschen Volkes Rechenlehrer. Sein Leben, sein Werk und seine Bedeutung. Herfurth, Frankfurt am Main 1959. * Adam Rieß vom Staffelstein. Rechenmeister und Cossist (= Staffelsteiner Schriften. Bd. 1). Verlag für Staffelsteiner Schriften, Staffelstein 1992, ISBN 3-9802943-0-7. * Rainer Gebhardt (Hrsg.): Adam Ries – Humanist, Rechenmeister, Bergbeamter (= Schriften des Adam-Ries-Bundes Annaberg-Buchholz. Bd. 1). Adam-Ries-Bund, Annaberg-Buchholz 1992, ISBN 3-930430-00-2. * Georg Gehler, Wolfgang Lorenz: Das Neue Adam-Ries-Nachfahrenbuch (= Schriften des Adam-Ries-Bundes Annaberg-Buchholz. Bd. 8). Adam-Ries-Bund, Annaberg-Buchholz 1997, ISBN 3-930430-06-1. * Wolfgang Kauzner: Adam Ries im Spiegel seiner algebraischen Handschriften. Im Anhang Abdruck von Buch II und III der „Algebra des Initius Algebras“ aus der Feder von Adam Ries in Kodex Dresden C 349 (= Staffelsteiner Schriften. Bd. 8 = Schriften des Adam-Ries-Bundes Annaberg-Buchholz. Bd. 10). Adam-Ries-Bund, Annaberg-Buchholz 1998, ISBN 3-930430-23-1. * Hans Burkhardt: Annaberger Adam-Ries-Büchlein. Geschichte um den Rechenmeister in Bild und Wort. Projekte-Verlag, Halle 2003, ISBN 3-931950-93-X. * Joachim Mehnert: Wahre Geschichten um Adam Ries (= Wahre Geschichten. Nr. 36). Tauchaer Verlag, Taucha 2003, ISBN 3-89772-066-3. * Bernd Luderer (Hrsg.): Adam Ries and his „Coss“. A Contribution to the Development of Algebra in 16th Century Germany (= Eagle 11 Eagle-Einblicke). With contributions by Wolfgang Kaunzner and Hans Wußing. Edition am Gutenbergplatz Leipzig, Leipzig 2004, ISBN 3-937219-11-0. * Peter Rochhaus: Adam Ries. Vater des modernen Rechnens. Sutton, Erfurt 2008, ISBN 978-3-86680-407-4. * Wolfgang Blum: ], 28./29. März 2009. * Bernd Rüdiger, Wolfgang Lorenz: Quellen zu Adam Ries (= Quellen zum Leben und Wirken Adam Ries’ und seiner Söhne. Bd. 1). Adam-Ries-Bund, Annaberg-Buchholz 2009, ISBN 978-3-930430-87-1. * Jürgen Weiß: B. G. Teubner zum 225. Geburtstag. Adam Ries, Völkerschlacht, F. A. Brockhaus, Augustusplatz, Leipziger Zeitung, Börsenblatt (= Eagle 35 Eagle-Essay). Edition am Gutenbergplatz Leipzig, Leipzig 2009, ISBN 978-3-937219-35-6. * Hans Wußing: Adam Ries. 3., bearbeitete und erweiterte Auflage. (= Eagle 33 Eagle-Essay). Edition am Gutenbergplatz Leipzig, Leipzig 2009, ISBN 978-3-937219-33-2. * Friedrich Naumann: Die historische Entwicklung des erzgebirgischen Bergbaus und Adam Ries als „Bergmann von der Feder“. In: Gemeinnützige Mathematik – Adam Ries und seine Folgen. Acta Academiae Scientiarum 8 (2003), Hrsg.: J. Kiefer u. K. Reich, Erfurt 2003, S. 55–87. ISBN 3-932295-56-0, . * Friedrich Naumann: Adam Ries als „Bergmann von der Feder“. In: Hans Wußing: Adam Ries. Leipzig 2009, S. 151–158, ISBN 978-3-937219-33-2. * Bernd Rüdiger: Adam Ries. Leben und Wirken des bedeutendsten deutschen Rechenmeisters. Adam-Ries-Bund, Annaberg-Buchholz 2017. ISBN 978-3-944217-25-3
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Archaeopteryx
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* Archaeopteryx siemensii * Archaeopteryx albersdoerferi Archaeopteryx (aus „uralt“ und „Flügel, Schwingen, Feder“) ist eine Gattung der Avialae (Vögel im weiteren Sinne), deren Fossilien in der Fränkischen Alb in den Solnhofener Plattenkalken aus dem Oberjura entdeckt wurden. Archaeopteryx gilt als Übergangsform, die zwischen frühen theropoden Dinosauriern und den Vögeln vermittelt. Da der etwa rabengroße Archaeopteryx in der Regel den Vögeln als ursprungsnahe Form zugerechnet wird, bezeichnet man die Gattungsmitglieder auch als Urvögel. Archaeopteryx wurde im Jahr 1861 von Hermann von Meyer auf der Grundlage eines isolierten Federabdrucks erstmals beschrieben. Das erste Skelettexemplar (das sogenannte Londoner Exemplar) wurde schon im selben Jahr entdeckt und ist in der Erstveröffentlichung erwähnt. Bis heute folgten 13 weitere, unterschiedlich vollständige Skelettfunde.
Die Gattung Archaeopteryx zeigt ein Mosaik aus (für Vögel) urtümlichen, das heißt reptilienhaften Merkmalen, die später von den modernen Vögeln (Neornithes) abgelegt wurden, und abgeleiteten, das heißt vogeltypischen Merkmalen (die jedoch nach gegenwärtigem Kenntnisstand nur noch zum Teil als allein charakteristisch für Vögel gelten). Urtümlich sind unter anderem das Vorhandensein von Zähnen und Bauchrippen (Gastralia), eine lange Schwanzwirbelsäule, eine relativ geringe Zahl unverschmolzener Beckenwirbel (Sakralia), unverschmolzene Mittelhand-, Mittelfuß- und Fußwurzel- und Beckenknochen, die drei Fingerklauen sowie das Fehlen eines knöchernen Brustbeins. Zu den vogeltypischen Merkmalen kann man die modern anmutenden asymmetrischen Schwungfedern zählen, außerdem die zu einem Gabelbein verschmolzenen Schlüsselbeine und die rückwärts oder seitlich-rückwärts orientierte erste Zehe (Hallux) des Fußes (anisodactyler Vogelfuß). Archaeopteryx erreichte etwa die Größe von Raben (ca. 50 cm Körperlänge) und ein Gewicht von 0,8 bis 1 kg.
Die Vogel-Charakteristika des Urvogels sind auch für manche gefiederten Nichtvogeldinosaurier belegt oder, wie im Fall der revertierten ersten Zehe des Archaeopteryx, nicht unangefochten. Deshalb sehen manche Paläontologen den Urvogel nicht als wesentlich vogelähnlicher an als manche theropoden Dinosaurier, die nicht den Vögeln zugerechnet werden (z. B. Microraptor). Seit den 2000er Jahren sind eine Vielzahl von Fossilien urtümlicher Vögel und früher vogelähnlicher Dinosaurier entdeckt worden, besonders in Sedimentgesteinen der Unterkreide von Nordostchina (der Jehol-Gruppe). Somit steht Archaeopteryx als Mosaikform nicht allein, sondern lässt sich in eine (morphologische, nicht zeitliche) Abfolge von Dinosauriern einordnen, die den Vögeln sukzessive ähnlicher werden. 2025 wurde Baminornis zhenghensis aus dem späten Jura Chinas beschrieben, der etwa zur gleichen Zeit lebte, aber bereits deutlich fortschrittlichere vogeltypische Merkmale als dieser aufweist. Vertreter der Hypothese, der Schlagflug der Vögel sei aus dem Gleitflug von einem erhöhten Punkt herab entstanden, interpretieren die Krallen des Archaeopteryx als die eines Baumkletterers, der von den Ästen herabglitt. Bei palökologischen Untersuchungen der Fundhorizonte kamen manche Forscher jedoch zu dem Schluss, dass am Bildungsort der Solnhofener Plattenkalke ein heißes und trockenes Klima geherrscht haben muss und wahrscheinlich keine Bäume vorkamen. Im Gegenzug wiesen sie aber auf hohe Klippen an der Küste des Jurameeres hin, die als Startpunkt für erste Flugversuche in Frage kommen. Burgers und Chiappe zeigten, dass Archaeopteryx möglicherweise auch vom Boden starten konnte. Forschungen, die das elfte bisher bekannte Fossil mit dem bislang besterhaltenen Federkleid untersuchten, zeigen, dass Archaeopteryx vermutlich am ganzen Körper befiedert war. Lange Federn an den Beinen waren reihig angeordnet, sie hatten ihrer Gestalt nach vermutlich keine Funktion beim Fliegen (wie beim entfernt verwandten Microraptor vermutet), sie könnten aber, ähnlich wie die Federhosen der rezenten Greifvögel, beim Landen hilfreich gewesen sein. Das Federkleid diente wohl, ähnlich wie bei den verwandten Gruppen, nicht nur zum Fliegen, sondern auch zur Wärmeisolation, vermutlich hatte es auch Funktionen als Signalgeber an Artgenossen oder zur Tarnung. Besonderheit der zum Fliegen eingesetzten Schwungfedern ist ihre asymmetrische Fahne.
Charles Darwin hatte in der von ihm entwickelten Evolutionstheorie 1859 vorhergesagt, dass es bei der Entwicklung neuer Arten Übergangsformen geben sollte, die noch Merkmale der alten, aber auch schon Merkmale der neuen Gruppe besitzen müssten. Als Darwin seine Theorie veröffentlichte, waren noch keine solchen Fossilien bekannt, sie wurden deshalb als fehlende Glieder (missing links) bezeichnet. Nur zwei Jahre später wurde das erste Skelettexemplar des Archaeopteryx gefunden. Die Archaeopteryx-Funde waren der erdgeschichtlich früheste Beleg für Federn eines Wirbeltiers. Dass sie bereits deutliche Merkmale von Vögeln, aber auch noch solche von Reptilien bzw. Sauriern besaßen, machte Archaeopteryx zu einem wichtigen Indiz für die Richtigkeit der Darwinschen Evolutionstheorie. Der Streit über die Evolutionstheorie wurde damit auch zu einer Auseinandersetzung um Archaeopteryx. Richard Owen verfasste die erste Beschreibung des Londoner Exemplars (siehe Abbildung oben). Er lehnte die Evolutionstheorie ab und vermied peinlich genau jeden Hinweis auf die mögliche Deutung als vermittelndes Bindeglied zwischen Reptilien und Vögeln.
In der Typusregion, der südlichen Fränkischen Alb, wurden seit 1855 zwölf mehr oder weniger vollständig erhaltene Skelette der Gattung Archaeopteryx sowie eine einzelne Feder gefunden. Alle Exemplare stammen aus Plattenkalken des oberen Weißen Jura, die in den Steinbrüchen bei Eichstätt, Solnhofen, Langenaltheim, Jachenhausen bei Riedenburg und Schamhaupten aufgeschlossen sind. Die meisten der entsprechend vollständigen Skelett-Exemplare zeigen eine typische Rückwärtskrümmung der Halswirbelsäule (opisthotonische Stellung). In Gegensatz zu einer älteren Hypothese, die von einem Phänomen ausgehen, das unmittelbar mit dem Tod der Tiere zusammenhängt, haben Experimente ergeben, dass sich die Krümmung erst nach dem Tode der Tiere im Wassergrab herausbildete. Im Einzelnen handelt es sich um folgende Stücke (aufsteigend geordnet nach dem Zeitpunkt, an dem der jeweilige Fund erstmals als Archaeopteryx erkannt wurde):
Entdeckt 1860 im Gemeindesteinbruch Solnhofen und 1861 beschrieben von dem Frankfurter Wirbeltier-Paläontologen Hermann von Meyer (1801–1869), war die Feder der erste dokumentierte Fund. Die Mitteilung, die von Meyer 1861 in diesem Zusammenhang veröffentlichte, gilt zugleich auch als die offizielle Erstbeschreibung der Gattung Archaeopteryx und der Art Archaeopteryx lithographica. Der eine Teil des Abdrucks befindet sich im Museum für Naturkunde in Berlin, sein schlechter erhaltenes Gegenstück (Gegenplatte) im Paläontologischen Museum München. Eine Anfang 2019 publizierte Neuuntersuchung der Feder ergab, dass sie möglicherweise nicht von Archaeopteryx stammt, sondern von einem anderen Urvogel oder von einem kleinen, befiederten Nichtvogel-Dinosaurier. Dem wurde im September 2020 widersprochen. Durch den Vergleich der Feder mit den Federabdrücken des Londoner, Berliner und Elften Exemplars wurde aufgezeigt, dass es sich um eine dorsale große Handdecke (upper major primary covert) von Archaeopteryx handelt. Zudem ergab eine Ähnlichkeitsanalyse der auf den Mikrostrukturen der Feder fossil erhaltenen Pigmentkörperchen (Melanosome) mit den Melanosomen rezenter Vögel, dass die Feder mit hoher Wahrscheinlichkeit ursprünglich mattschwarz war. Damit wurden jeweils die Ergebnisse einer bereits 2012 veröffentlichten Arbeit bestätigt. Jedoch schon vor 2019 war umstritten, ob die Feder tatsächlich von Archaeopteryx stammt. Da es sich bei dem Federabdruck um den Holotypus von Archaeopteryx litographica handelt, war die Stabilität dieses bekannten Namens gefährdet. Um dieses Problem zu lösen und die Art Archaeopteryx litographica eindeutig zu definieren, hat die Internationale Kommission für Zoologische Nomenklatur 2011 das Londoner Exemplar zum neuen Typusexemplar (Neotypus) erklärt.
Gefunden 1861 auf der Langenaltheimer Haardt bei Solnhofen, gehört das Londoner Exemplar zu den bedeutendsten Exemplaren. Es war der erste vollständige Fund eines Skeletts und ist seit 2011 der Neotypus der Art Archaeopteryx lithographica. Wenige Monate nach dem Fund erwarb das Londoner Natural History Museum (damals noch zum British Museum gehörend) das Exemplar von seinem Besitzer, dem Pappenheimer Kreisarzt Carl Friedrich Häberlein (1787–1871). Treibende Kraft des Ankaufs war dabei der britische Naturforscher Richard Owen, damals Leiter der naturhistorischen Sammlung des Britischen Museums und erklärter Gegner von Darwins Theorien.
Gefunden zwischen 1874 und 1876 auf dem Blumenberg bei Eichstätt, ist das Berliner Exemplar mit seinen deutlichen Federabdrücken und einem erhaltenen Schädel eines der vollständigsten Stücke. Der Finder Jakob Niemeyer tauschte den Fund für eine Kuh im Wert von 150 bis 180 Mark ein. Der neue Besitzer Johann Dörr, ein Steinbruchbesitzer, veräußerte es für 2.000 Mark an Ernst Otto Häberlein (1819–1886) aus Pappenheim, den Sohn des Verkäufers des Londoner Exemplars, der den Fund auch präparierte. Zunächst interessierten sich die Bayrische Staatssammlung und die Yale-Universität für das Fundstück, doch konnten beide den hohen Kaufpreis nicht aufbringen. Selbst eine Bitte deutscher Zoologen an Kaiser Wilhelm I. war erfolglos. Schließlich und auf Anfrage durch Wilhelm Dames erwarb Werner von Siemens das Exemplar 1879 für 20.000 Mark und übergab es als Dauerleihgabe dem Mineralogischen Museum der Humboldt-Universität zu Berlin. Zwei Jahre später erstattete die Universität dem Leihgeber Siemens den Kaufpreis. Das Exemplar gehört seitdem dem Museum für Naturkunde in Berlin und ist dort seit 2007 dauerhaft ausgestellt.
Gefunden 1956 auf der Langenaltheimer Haardt bei Solnhofen, war das Maxberger Exemplar ein Torso mit einigen Federabdrücken. Es befand sich bis zum Tod seines Entdeckers Eduard Opitsch 1991 in dessen Privatbesitz und gilt seitdem als verschollen.
Dieses relativ unvollständige Skelett, das ausschließlich postcraniale Elemente, insbesondere der Gliedmaßen, umfasst, stammt aus Jachenhausen bei Riedenburg und befindet sich seit 1860 im Besitz des Teylers Museum in Haarlem. Es wurde bereits 1855, also fünf Jahre vor der Feder gefunden, aber erst 1970 durch John Ostrom Archaeopteryx zugeordnet. Ursprünglich was das Stück durch Hermann von Meyer 1857 als Flugsaurier fehlgedeutet und unter dem Namen Pterodactylus crassipes erstbeschrieben worden. Daher hätte der spezifische Namensbestandteil crassipes gemäß den Prioritätsregeln der Benennung von Arten den Namen lithographica ersetzen müssen. Die Priorität von A. crassipes über A. lithographica wurde jedoch 1977 auf einen Antrag von Ostrom hin durch einen Beschluss der Internationalen Kommission für Zoologische Nomenklatur unterdrückt. Eine Ende 2017 publizierte Neuuntersuchung des Fossils ergab, dass es sich weder um Archaeopteryx noch um einen Flugsaurier handelt, sondern um einen Theropoden, der nah mit Anchiornis verwandt ist, einem kleinen, vogelähnlichen, aber nicht flugfähigen Dinosaurier. Für diesen wurde die neue Gattung Ostromia errichtet.
Gefunden 1951 in Workerszell bei Eichstätt, wurde das Eichstätter Exemplar vom Naturwissenschafts-Professor und Fossiliensammler Franz Xaver Mayr als Vertreter der kleinen Raubdinosauriergattung Compsognathus identifiziert. Aufgrund der problematischen Umstände seines Erwerbs wurde der Fund von Mayr jedoch nicht publiziert. Erst 1972 zeigte Mayr das Stück Peter Wellnhofer von der Bayerischen Staatssammlung Paläontologie und Geologie, der es als zu Archaeopteryx gehörig erkannte und 1974 in einer Monographie detailliert beschrieb. Das Stück befindet sich aktuell im Besitz des Jura-Museums in Eichstätt. Unter anderem weil es das kleinste aller (nicht nur bis dahin) entdeckten Archaeopteryx-Exemplare ist, wurde es Mitte der 1980er Jahre in eine eigene Art und sogar Gattung, Jurapteryx recurva, gestellt. Diese Neuzuweisung fand jedoch keine weitreichende Akzeptanz.
Dieses Stück wurde vom Fossiliensammler und zeitweiligen Solnhofener Bürgermeister Friedrich Müller zunächst ebenfalls als Compsognathus fehlbestimmt, nach seiner Zugänglichmachung für die wissenschaftliche Bearbeitung aber von Peter Wellnhofer 1988 Archaeopteryx lithographica zugeordnet. Von wem und wann und wo genau es entdeckt wurde, ist nicht überliefert. Es befindet sich heute im Bürgermeister-Müller-Museum zu Solnhofen. Dazu entschied 2003 der Bundesgerichtshof, dass das Fossil nicht an einen Steinbruchbesitzer herausgegeben werden muss, der wiederholt behauptet hatte, es sei 1985 von einem seiner Mitarbeiter gefunden und unterschlagen worden. Die Herkunft des Stücks aus dem Steinbruch des Klägers konnte auch anhand von Gesteinsproben nicht eindeutig belegt werden. Es handelt sich um das größte bekannte Exemplar von A. lithographica. Aufgrund seiner Größe und vermeintlich taxonomisch bedeutender anatomischer Besonderheiten wurde auf Grundlage dieses Stücks 2001 die neue Gattung und Art Wellnhoferia grandis errichtet. Diese Neuzuweisung fand jedoch keine weitreichende Akzeptanz.
Das auch als Exemplar des Solnhofener Aktienvereins bezeichnete Stück wurde im Sommer 1992 in einem Steinbruch der Solnhofer Aktien-Verein AG auf der Langenaltheimer Haardt bei Solnhofen gefunden und kann im Paläontologischen Museum in München besichtigt werden. 1993 wurde der Fund von Peter Wellnhofer als neue Art Archaeopteryx bavarica in die Wissenschaft eingeführt. Die detaillierten Federabdrücke und das sehr gut erhaltene Skelett ermöglichten zahlreiche neue Erkenntnisse. Die von Wellnhofer als Brustbein beschriebene Struktur hat sich allerdings nach neueren Untersuchungen als Teil des Rabenbeins erwiesen. Aktive Flugfähigkeit wird jedoch nach wie vor als gegeben betrachtet, da das Brustbein wohl als knorpelige Struktur vorhanden war. Auch die detaillierte Überlieferung des Schädels, des Kiefers und des Schwanzes des elstergroßen Urvogels öffneten neue Blickwinkel auf die frühe Evolution der Vögel. Dadurch gehört dieses Exemplar zweifellos zu den bedeutendsten.
Das auch als achtes Exemplar bezeichnete Stück (weil es sich um das 8. Exemplar mit Skelettelementen handelt) ist ähnlich fragmentarisch wie das Haarlemer Exemplar, umfasst jedoch auch einen Schädel. Um 1990 in einem Plattenkalksteinnruch bei Daiting gefunden, wurde es 1997 erstmals als Abguss publiziert. Lange Zeit waren Besitzer und Aufbewahrungsort des Originals unbekannt, weshalb das Stück den Beinamen das Phantom erhielt. 2009 präsentierte der Geologe und Fossilienhändler Raimund Albersdörfer das von ihm erworbene Exemplar auf den Münchner Mineralientagen erstmals der Öffentlichkeit. Besonders an diesem Exemplar ist, dass es nicht aus dem eigentlichen Solnhofener Plattenkalk stammt, sondern aus den auflagernden Mörnsheimer Schichten. Es handelt sich somit um das geochronologisch jüngste Exemplar. 2018 wurde es zum Typusexemplar der Art A. albersdoerferi.
Im Jahr 2004 wurde über einen weiteren, ebenfalls fragmentarischen Fund berichtet, der sich derzeit im Bürgermeister-Müller-Museum Solnhofen befindet. Bei dem auch als Exemplar der Familien Ottmann und Steil bezeichneten Stück handelt sich um einen isolierten, bis auf ein einzelnes Finger-Endglied vollständigen rechten Flügel, weshalb das Stück auch Chicken Wing genannt wird.
Dieses wurde 2005 vom Besitzer des Wyoming Dinosaur Center in Thermopolis gekauft und unter anderem von Gerald Mayr untersucht, die Ergebnisse wurden in der Science-Ausgabe vom Dezember 2005 veröffentlicht. Besonders an diesem Exemplar ist neben seinem äußerst guten Erhaltungszustand die Tatsache, dass erstmals der Kopf von oben zu sehen ist und der Mittelfußknochen einen nach oben gerichteten Fortsatz aufweist.
Im Jahr 2011 wurde erstmals das 11. Skelett-Exemplar der Öffentlichkeit präsentiert, das bereits vor mehreren Jahrzehnten im Raum Eichstätt entdeckt worden war. Es zeichnet sich durch eine besonders gute Federerhaltung – ähnlich dem Berliner Exemplar – aus. Ein Münchner Paläontologen-Team der Ludwig-Maximilians-Universität/Bayer. Staatssammlung für Paläontologie und Geologie stellte die weitreichenden Ergebnisse in der Nature-Ausgabe vom Juli 2014 vor (mit Archaeopteryx als Titelbild).
Das zwölfte Skelett-Exemplar wurde 2010 von einem Finder, dessen Name geheim gehalten wird, in einem Erlebnissteinbruch in Schamhaupten im Landkreis Eichstätt am Ostrand des Köschinger Forstes entdeckt. Mit einem Alter von 153 Millionen Jahren ist es vermutlich das bisher älteste Archaeopteryx-Exemplar. Noch im Besitz des Finders, wird das Fossil von den Eigentümern des Steinbruchs beansprucht, um es musealen Zwecken zuzuführen. Es wird im Museum des im August 2016 eröffneten Dinosaurier-Park Altmühltal, etwa 10 km vom Fundort entfernt, ausgestellt.
Das dreizehnte Exemplar ist nicht gut erhalten. Es umfasst den Schultergürtel, den rechten Flügel, Fragmente des linken Flügels und die Hinterbeine.
Eine wissenschaftliche Beschreibung des vierzehnten Exemplars wurde im Mai 2025 veröffentlicht. Es befand sich über Jahrzehnte im Privatbesitz und war unpräpariert. Im Jahr 2022 erwarb das Field Museum of Natural History in Chicago das gut erhaltene, fast vollständige Fossil. Daraufhin wurde es mit modernsten Methoden präpariert und wissenschaftlich untersucht. Dabei konnten erstmals Humeralfedern und Zehenpolster an den Füßen nachgewiesen werden. Der Schädel zeigt den Übergang zum kinetisch beweglicheren Schädel der Vögel gegenüber dem der Nichtvogeltheropoden.
Archaeopteryx wird in der Regel als der urtümlichste Vogel definiert, das heißt, alle Arten, die mit den Modernen Vögeln (Neornithes) entfernter verwandt sind als Archaeopteryx, gelten als den Vögeln (Aves) nicht zugehörig. Unter den mesozoischen Vögeln gibt es manche, die nur wenig näher mit den heutigen Vögeln verwandt sind als Archaeopteryx: Rahonavis und Jeholornis haben mit Archaeopteryx unter anderem den langen knöchernen Schwanz gemein, den höher entwickelte Vögel (Pygostylia) abgelegt haben. Innerhalb der theropoden Dinosaurier gelten die Deinonychosaurier als nahe Verwandte der Vögel – beide Gruppen werden in der übergeordneten Gruppe Paraves (bzw. Eumaniraptora) zusammengefasst. Ein Merkmal, das die Deinonychosaurier mit Archaeopteryx und Rahonavis verbindet, ist die überdehnbare (hyperextensible) zweite Klaue des Fußes. Federn mit einer geschlossenen Federfahne waren vermutlich bereits bei den Vorfahren der Paraves ausgeprägt. Es gibt eine Anzahl stammesgeschichtlicher Analysen, die zu abweichenden Ergebnissen bezüglich der Verwandtschaftsverhältnisse vogelähnlicher Deinonychosaurier und urtümlicher Vögel gelangen. Nach der Hypothese von Mayr u. a. waren manche gefiederten Dromaeosauriden wie Microraptor näher mit den Pygostylia verwandt als Archaeopteryx; in der Gruppe der Vögel wäre demnach der Vogelflug womöglich mehrfach unabhängig voneinander entstanden. Kritiker der Dinosaurier-Abstammung der Vögel meinen, die Ähnlichkeit der Urvögel zu theropoden Dinosauriern sei auf massive konvergente Evolution zurückzuführen. Nach Feduccia u. a. (2005) seien die Vögel aus einer noch zu bestimmenden Gruppe urtümlicher Archosaurier hervorgegangen, während Microraptor und andere gefiederte Dinosaurier in Wirklichkeit keine Dinosaurier, sondern frühe Formen flugunfähiger Vögel darstellten.
Der Einbezug eines 2011 aufgrund neuer Fossilfunde benannten Archaeopteryx-ähnlichen Dinosauriers der spätjurazeitlichen Tiaojishan-Formation (Liaoning, China) in eine stammesgeschichtliche Analyse führte dazu, dass die bisher angenommenen Verwandtschaftsverhältnisse von Archaeopteryx angezweifelt wurden. Die Analyse ergab, dass Archaeopteryx zusammen mit der neuen Gattung Xiaotingia, die in manchen Merkmalen Deinonychosauriern gleicht, näher mit den Deinonychosauriern als mit späteren Vögeln verwandt gewesen sein könnte. Dieser Hypothese zufolge wäre Archaeopteryx, je nach Definition der Gruppe der Vögel, entweder nicht den Vögeln zugehörig, oder die Vögel schlössen auch die Deinonychosaurier mit ein. Nach einer im Jahr 2013 folgenden phylogenetischen Analyse von Pascal Godefroit et altera, die 101 Taxa auf Basis von 992 osteologischen Merkmalen untersuchten, steht Archaeopteryx innerhalb der Avialae, ebenso wie Xiaotingia.
Ob die Archaeopteryx-Funde einer oder mehreren Arten angehören, ist seit der Erstbeschreibung des Berliner Exemplars kontrovers diskutiert worden, was sich in der Häufung synonymer Gattungs- und Artnamen, die für dieselben Exemplare vergeben und wieder revidiert wurden, widerspiegelt. Elzanowski ordnete in seinen Revisionen die damals bekannten Exemplare vier verschiedenen Arten zu, wobei er für das Solnhofener Exemplar, das seiner Ansicht nach anatomisch besonders deutlich von den anderen abweicht, die Zugehörigkeit zu einer eigenen Gattung vorschlug: * Archaeopteryx lithographica, Neotypus: Londoner Exemplar; * Archaeopteryx siemensii, Holotypus: Berliner Exemplar; * Archaeopteryx bavarica, Holotypus: Münchener Exemplar; * Wellnhoferia grandis, Holotypus: Solnhofener Exemplar. Der Befund, dass die bisher bekannten Archaeopteryx-Exemplare nicht einer einzigen Art angehören, wird von Mayr u. a. (2007) bestätigt. In ihrer Beschreibung des Thermopolis-Exemplars vergleichen sie den bislang letzten Fund mit vormals bekanntem Fossilmaterial von Archaeopteryx. Entgegen der Analyse von Elzanowski kommen sie zu der Schlussfolgerung, dass die bestehenden Unterschiede der zehn Skelettfunde nicht mehr als zwei Arten rechtfertigen: * Archaeopteryx lithographica, Neotypus: Londoner Exemplar, ebenfalls zugehörig: Solnhofener Exemplar; * Archaeopteryx siemensii, Holotypus: Berliner Exemplar, ebenfalls zugehörig: Münchener Exemplar, Thermopolis-Exemplar. 2018 wurde auf Grundlage des Daitinger Exemplars, des geologisch jüngsten Archaeopteryx-Exemplars, die neue Art Archaeopteryx albersdoerferi errichtet.
* Patricio Domínguez Alonso, Angela C. Milner, Richard A. Ketcham, M. John Cookson, Timothy B. Rowe: The avian nature of the brain and inner ear of Archaeopteryx. In: Nature. Band 430, Nr. 7000, 2004, S. 666–669, doi:10.1038/nature02706. * Gerold Bielohlawek-Hübel: Wer fand den Urvogel? (Die Geschichte des Archaeopteryx aus dem Altmühljura). Forumverlag, Riedstadt 2004, ISBN 3-937316-08-6. * Ludger Bollen: Der Flug des Archaeopteryx. Auf der Suche nach dem Ursprung der Vögel. Quelle & Meyer, Wiebelsheim 2008, ISBN 978-3-494-01421-0. * Paul Chambers: Die Archaeopteryx-Saga. Das Rätsel des Urvogels. Rogner & Bernhard bei Zweitausendeins, Frankfurt am Main 2003, ISBN 3-8077-0139-7. * Eva Gebauer: 10 × Archaeopteryx. Was uns die einzelnen Funde erzählen! (= Museumspädagogische Reihe der Senckenbergischen Naturforschenden Gesellschaft. Band 1). Senckenbergische Naturforschende Gesellschaft, Frankfurt am Main 2007, ISBN 978-3-929907-77-3. * Manfred Meckl: Archaeopteryx. Ein befiederter Dinosaurier wird als Stammvater der Vögel entlarvt. (Eine paläontologische Detektivgeschichte). Braun, Fürstenfeldbruck 1995, ISBN 3-00-000444-0. * Lawrence M. Witmer: Palaeontology: Inside the oldest bird brain. In: Nature. Band 430, Nr. 7000, 2004, S. 619–620, doi:10.1038/430619a. * Peter Wellnhofer: Archaeopteryx. Der Urvogel von Solnhofen. Pfeil, München 2008, ISBN 978-3-89937-076-8. * Ernst Probst: Raubdinosaurier in Bayern. Von Archaeopteryx bis zu Sciurumimus. Leipzig 2019, ISBN 978-1-698-05588-6.
Jingmai O’Connor, Alexander Clark, Pei-Chen Kuo, Yosef Kiat, Matteo Fabbri, Akiko Shinya, Constance Van Beek, Jing Lu, Min Wang & Han Hu: Chicago Archaeopteryx informs on the early evolution of the avian bauplan. Nature. 2025, doi:10.1038/s41586-025-08912-4
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Absoluter Nullpunkt
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Der absolute Nullpunkt ist die kleinste mögliche Temperatur, −273,15 Grad Celsius, und definiert den Ursprung der absoluten Temperaturskala (0 Kelvin). Am absoluten Nullpunkt nimmt die Energie eines physikalischen Systems den kleinsten möglichen Wert an. Insbesondere ist in Systemen der klassischen Physik die kinetische Energie der Teilchen gleich null. Die Bewegungen, Schwingungen und Verformungen der Moleküle eines Stoffs sind in dem Fall komplett eingefroren. In Systemen der quantenmechanischen Physik verbleibt im Allgemeinen ein Anteil kinetischer Energie aus der Nullpunktsenergie. Nach dem dritten Hauptsatz der Thermodynamik können reale Systeme den absoluten Nullpunkt nicht erreichen. Allerdings können Temperaturen beliebig nahe dem absoluten Nullpunkt realisiert werden. Mit Laserkühlung konnten Proben schon bis auf wenige Milliardstel Kelvin abgekühlt werden.
Guillaume Amontons fand 1699 heraus, dass sich das Volumen einer Gasmenge linear mit ihrer Temperatur verändert. Da das Volumen eines Gases aber nicht negativ werden sollte, folgerte er, dass es einen absoluten Nullpunkt geben müsse, bei dem das Volumen der Gasmenge gleich null wäre. Durch Extrapolation seiner Messwerte schätzte er die Lage dieses Nullpunkts ab und kam auf einen Wert von −248 °C. William Thomson, 1. Baron Kelvin, entdeckte 1848, dass nicht die Volumenverkleinerung für diese Frage entscheidend ist, sondern der Energieverlust. Hierbei ist es unerheblich, ob es sich um Gase oder feste Stoffe handelt. Thomson schlug daraufhin vor, eine neue, absolute Temperaturskala zu definieren, zu der die Volumenänderung proportional ist. Diese neue Temperaturskala hat keine negativen Werte mehr, beginnt bei null (dies entspricht −273,15 °C, siehe dazu Eigenschaften der Kelvinskala) und steigt so an, dass ein Temperaturunterschied von einem Kelvin jeweils einem Temperaturunterschied von einem Grad Celsius entspricht. Die Einheit für diese Temperaturskala wurde zunächst Grad A (A für absolut) genannt, später zunächst Grad Kelvin (°K) und dann Kelvin (K). Im Bremer Fallturm wurde im Jahr 2021 ein Bose-Einstein-Kondensat auf eine Rekordtemperatur von 38 Pikokelvin () abgekühlt.
Physikalische Systeme mit Temperaturen nahe am absoluten Nullpunkt weisen einige besondere Verhaltensweisen wie Suprafluidität und Bose-Einstein-Kondensation auf. Diese Temperaturgebiete der Tieftemperaturphysik können nur noch mit besonderen Methoden erreicht werden. Bei Normaldruck sind am Nullpunkt alle Elemente fest, abgesehen von Helium, das sich dort in einer flüssigen bzw. suprafluiden Phase befindet. Thermodynamische Aussagen über den Nullpunkt im Zusammenhang mit der Entropie macht das Theorem von Nernst. Perfekte Kristalle erreichen beim Nullpunkt für die Entropie S einen konstanten Wert S = k_{\rm B} \ln 1 = 0 , da die Entropie gemäß der statistischen Definition als der mit der Boltzmannkonstanten k_{\rm B} multiplizierte Logarithmus der Anzahl der möglichen Mikrozustände definiert ist und es nur eine mögliche Realisierung des beobachteten Makrozustands gibt. Bei (amorphen) Gläsern gibt es mehrere gleichenergetische Realisierungen eines Zustands mit T = 0 \, \rm K, so dass die Entropie von null verschieden ist.
In Systemen mit diskreten Energieniveaus nimmt die Besetzungswahrscheinlichkeit gemäß \mathrm e^{-E/k_\mathrm BT} (Boltzmann-Faktor) mit steigender Energie der Niveaus ab. Am absoluten Nullpunkt sind nur die niedrigstmöglichen Niveaus besetzt. Es ist aber experimentell gelungen, Zustände zu erzeugen, bei denen die höheren Energieniveaus stärker besetzt sind als die niedrigeren (Besetzungsinversion). Solchen Zuständen, die nicht im thermodynamischen Gleichgewicht sind, kann man formal eine negative Temperatur zuschreiben.
* Tom Shachtman: Minusgrade. Auf der Suche nach dem absoluten Nullpunkt (= rororo 6118 rororo Science. Sachbuch). Rowohlt-Taschenbuch-Verlag, Reinbek bei Hamburg 2001, ISBN 3-499-61118-X. * Kurt Mendelssohn: Die Suche nach dem absoluten Nullpunkt. Kindler, München 1966.
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Antonym
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Antonyme (von , und ), Gegensatzwörter, Gegenwörter und Oppositionswörter sind in der Sprachwissenschaft Wörter mit gegensätzlicher Bedeutung. Zwei Wörter, die füreinander Gegensatzwörter sind, heißen Gegensatzpaar. Die zwischen ihnen bestehende Relation heißt Antonymie, insbesondere von Wörtern, aber auch von Sätzen und Phrasen. Der Begriff der Antonymie kann dabei nach der Ebene und Art des Gegensatzes unterschiedliche Ausprägungen erfahren. Die Art der Antonymie hängt inhaltlich davon ab, wie der Gegensatz im logischen Sinn zu verstehen ist, ob er etwa innerhalb eines Oberbegriffes gesucht wird oder ob ein konträres oder kontradiktorisches Verhältnis der mit dem Gegensatzpaar bezeichneten Begriffe vorliegt. Ein Ausdruck, der für beide Begriffe eines Gegensatzpaares stehen kann, heißt Oppositionswort.
In der deutschen Sprache werden in vielen Fällen Antonyme auch durch das Voranstellen der Vorsilbe un- gebildet: etwa Ruhe – Unruhe; klar – unklar usw. Jedoch gibt es nicht automatisch derartige Antonympaare, beispielsweise hat ungefähr kein Gegenüber gefähr; ebenso ist für unausbleiblich kein ausbleiblich in Benutzung. Darüber hinaus gibt es Wörter mit un-, die aber zum Stammwort kein Antonym bilden, zum Beispiel Mut und Unmut; ziemlich und unziemlich. Ein weiterer Aspekt ist, dass verschiedene Oppositionen von Wortpaaren nicht automatisch auf andere übertragbar sind. So sind zwar Überführung und Unterführung (Verkehrswege) Antonyme, aber Übergang und Untergang haben keinen vergleichbaren Sinn und Gegensinn, sondern bedeuten etwas völlig anderes, nichts direkt Gegensätzliches.
Ursprünglich sprach man von Antonymie nur im Sinne von gradueller oder auch konträrer Antonymie und bezeichnete damit Adjektivpaare wie beispielsweise schön/hässlich. Teilweise spricht man auch heute noch von Antonymie nur dann, um einen „Bedeutungsgegensatz(.) zwischen skalierbaren lexikalischen Ausdrücke(n)“ zu bezeichnen. In logischer Perspektive ist die graduelle Antonymie bei einem konträren Gegensatz gegeben (Beispiel: kalt/heiß). Ein Sonderfall der graduellen oder konträren Antonymie ist der polar-konträre Gegensatz, bei dem die gegensätzlichen Bedeutungen am Ende einer Skala sind (Beispiel: neu/alt). „Nicht-polare Antonyme bezeichnen den gleichen Ausprägungsgrad auf entgegengesetzten Skalen; die Bildung konverser Komparative ist ausgeschlossen“. Der Ausdruck der Antonymie wird häufig auch in einem weiteren Sinn verwandt, bezeichnet dann allgemein einen Oberbegriff für „semantische Gegensatzrelationen“ und erfasst dann auch den Fall des kontradiktorischen Gegensatzes, der in der Semantik auch als komplementärer Gegensatz (siehe unten) bezeichnet wird (Beispiel: tot/lebendig; sinnvoll/sinnlos). Man bezeichnet die kontradiktorische Antonymie auch als „Antonymie im strengen Sinne“, während die konträre Antonymie auch als „Antonymie im eigentlichen Sinn“ oder „gelegentlich“ auch als Antonymie im engeren Sinn bezeichnet wird. Die Terminologie ist also alles andere als klar.
Antonymie als Fall (konträrer oder kontradiktorischer) gegensätzlicher Bedeutung ist ein „Sonderfall“ unvereinbarer Bedeutung, das heißt einer Inkompatibilität (von Wörtern etc.). Wird wie hier auch die Unvereinbarkeit im Fall der Kohyponymie als Antonymie angesehen, wird die Antonymie – losgelöst von der Wortbedeutung – mit jedweder Inkompatibilität gleichgesetzt und gleichzeitig der Ausdruck Inkompatibilität in einem engeren als üblichen Sinn verwendet.
Auto-Antonyme (Antagonyme, Januswörter) sind Wörter, die mehrere Bedeutungen haben (Homonymie, Polysemie oder Homophonie), wobei diese Bedeutungen zueinander eine antonymische Opposition bilden. Im Deutschen tritt dies beispielsweise bei dem Ausdruck Untiefe auf, das als sehr geringe Tiefe oder in der Umgangssprache auch als sehr große Tiefe gedeutet werden kann. Das Englische overlook kann sowohl ‚überwachen‘ als auch ‚nicht beachten‘ bedeuten. (Vergleiche: übersehen hat die beiden Bedeutungen überblicken und nicht beachten: Ich übersehe die Lage noch nicht. Ich habe den Brief übersehen.)
Viele Wörter sind Homonyme, d. h., sie haben mehrere Bedeutungen. Homonyme Wörter stellen keine Bedeutungsbeziehung dar. Lediglich die Ausdrucksseite ist identisch, die Inhaltsseite hat nichts miteinander zu tun, auch nicht historisch. Da die Antonymierelation von der Bedeutung abhängt, gibt es in diesen Fällen auch mehrere Gruppen von Antonymen. Zum Beispiel hat das Wort abnehmen Antonyme in den Bedeutungsgruppen übergeben (Ware), aufhängen (Bild), aufdecken (Tischtuch), auflegen (Telefonhörer), anlegen (Schmuck), aufhängen (Gardine), aufsetzen (Hut), wachsen bzw. stehen lassen (Bart), zunehmen (Mond), zunehmen (Gewicht) und weiteren. Man spricht auch von Antonymengabel. Deren Auftreten kann auch helfen, verdeckte Mehrdeutigkeiten festzustellen. * Nicht alle Wörter, die mehrere Bedeutungen haben, haben auch ebenso viele Antonyme. Beispiele: :* Zug im Sinne von Sog bzw. Anziehen – Antonyme: Schub oder Druck; :* Zug im Sinne von Eisenbahnzug – kein eindeutiges Antonym vorhanden; :* Zug im Sinne von Schach- bzw. Spielzug – kein eindeutiges Antonym vorhanden; :* Zug im Sinne von Geste – kein eindeutiges Antonym vorhanden.
* Lexikalische Semantik * Polytomie (Vielteilung) * Falsches Dilemma („falsche Dichotomie“)
* Dietrich Busse: Semantik. Fink, Paderborn 2009. * Christiane Agricola, Erhard Agricola: Wörter und Gegenwörter. Antonyme der deutschen Sprache. Bibliografisches Institut, Leipzig 1984 (besonders die Einführung). * Erhard Agricola (Hrsg.): Wörter und Wendungen: Wörterbuch zum deutschen Sprachgebrauch. 14., unveränderte Auflage. Bibliografisches Institut, Leipzig 1990, ISBN 978-3-323-00200-5. * Erich Bulitta, Hildegard Bulitta: Wörterbuch der Synonyme und Antonyme. Fischer, Frankfurt am Main 2003, ISBN 3-596-15155-4. * George A. Miller: Wörter. Streifzüge durch die Psycholinguistik. Herausgegeben und aus dem Amerikanischen übersetzt von Joachim Grabowski und Christiane Fellbaum. Spektrum der Wissenschaft, Heidelberg 1993; Lizenzausgabe: Zweitausendeins, Frankfurt am Main 1995; 2. Auflage ebenda 1996, ISBN 3-86150-115-5, S. 229–239. * Wolfgang Müller, Jakob Ebner: Das Gegenwort-Wörterbuch. Ein Kontrastwörterbuch mit Gebrauchshinweisen. De Gruyter, Berlin 1998, ISBN 3-11-014640-1; 2., erweiterte Auflage ebenda 2020, ISBN 978-3-110-61164-9. * Horst Geckeler: Antonymie und Wortart. In: Edeltraud Bülow, Peter Schmitter (Hrsg.): Integrale Linguistik. Festschrift für Helmut Gipper. Amsterdam 1979, S. 455–482. * Peter Rolf Lutzeier: Lexikologie. Stauffenburg, Tübingen 1995, ISBN 3-86057-270-9. * Peter Rolf Lutzeier: Wörterbuch des Gegensinns im Deutschen. Drei Bände. de Gruyter, Berlin 2007–2018. * John Lyons: Semantik. Band 1. Beck, München 1980, ISBN 3-406-05272-X (Antonyme: S. 281–300). * Věra Kloudová: Synonymie und Antonymie. Universitätsverlag Winter, Heidelberg 2016, ISBN 978-3-8253-7534-8.
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Akkumulator
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integriert und zusammengeschaltet, um so für das Elektroauto Tesla Model S die Funktion des Energiespeichers zu übernehmen. sowie Kurzschlussschutz Ein Akkumulator (kurz Akku), auch Sekundärbatterie genannt, ist ein wiederaufladbares galvanisches Element, bestehend aus zwei Elektroden und einem Elektrolyten, das elektrische Energie auf elektrochemischer Basis speichert. Ein einzelnes wiederaufladbares Speicherelement wird Sekundärelement oder Sekundärzelle genannt, im Gegensatz zur nicht (oder nur sehr begrenzt) wiederaufladbaren Primärzelle. Der Ladevorgang basiert auf der elektrolytischen Umkehrung der bei der Entladung ablaufenden chemischen Reaktionen durch Anlegen einer elektrischen Spannung. Sekundärzellen lassen sich – wie Primärzellen – zu Batterien zusammenschalten, in Reihenschaltung (für höhere elektrische Spannung) oder in Parallelschaltung (für höhere Kapazität oder höhere Stromstärken). Beide Schaltungsvarianten führen zur entsprechenden Erhöhung des Gesamt-Energiegehalts [Produkt aus Kapazität und Spannung, angegeben in Wattstunden (Wh)] der Anordnung. Bei jedem Akkumulatortyp ist die Nennspannung der Akkumulatorzelle durch die verwendeten Materialien festgelegt; da jene für die meisten Anwendungen zu gering ist, wird häufig die Reihenschaltung angewandt, um die Spannung zu erhöhen (siehe Bild Starterbatterie). Die Kapazität und die mögliche Stromstärke hängen dagegen von der Baugröße ab. Deshalb ist eine Parallelschaltung mehrerer Zellen in der Regel nicht nötig; stattdessen verwendet man einen Akku mit entsprechend groß dimensionierten Zellen.
-zellen im Standardformat „AA“ (Mignon) Das lateinische Wort bedeutet (, ). Bleiakkumulatoren wurden früher dementsprechend auch Bleisammler genannt. Ursprünglich war mit Akkumulator ein einzelnes wiederaufladbares Speicherelement gemeint (Sekundärzelle). Heute bezeichnet der Begriff – zumindest in der Allgemeinsprache – auch wiederaufladbare Speicher, die aus zusammengeschalteten Sekundärzellen bestehen. Wenn es auf den Unterschied ankommt, sollte man genauere Bezeichnungen verwenden: * einzelnes Speicherelement: Sekundärzelle, Sekundärelement, Akkumulatorzelle, Akkuzelle * zusammengeschaltete Speicherelemente: Z. B. Akkupack, Batterie aus Sekundärzellen
Eine Batterie ist eine Kombination mehrerer gleichartiger technischer Teile. Hier handelt es sich im engeren Sinn um elektrisch und mechanisch miteinander verbundene galvanische Zellen bzw. Elemente. Es gibt Batterien aus Primärzellen (nicht wiederaufladbar) und solche aus Sekundärzellen (wiederaufladbar). Ursprünglich waren mit Batterien nur solche aus Primärzellen gemeint. In der Umgangssprache dient Batterie als Oberbegriff für einzelne oder zusammengeschaltete Primärzellen und Sekundärzellen. Beide Zellentypen sind in gleichen Baugrößen auf dem Markt, und beide werden im Englischen genannt. Akkuzellen heißen im Englischen (dt. „wiederaufladbare Batterien“) oder . Elektrische Verbraucher, die mit Primär- oder Sekundärzellen betrieben werden, nennt man oft einfach batteriebetrieben (Batteriebetrieb). Wenn im täglichen Umgang mit dem Gerät die Wiederaufladbarkeit eine Rolle spielt, spricht man vom Akkubetrieb.
Kondensatoren und auch Elektrolytkondensatoren sind ebenfalls Speicher für elektrische Energie, allerdings speichern sie diese nicht in chemischer Form, sondern als elektrisches Feld zwischen ihren Platten. Sie und auch die chemisch ähnlicheren Doppelschichtkondensatoren sind keine Akkumulatoren und werden auch nicht so bezeichnet.
Die erste Vorform eines Akkumulators, der – im Gegensatz zu den Zellen von Alessandro Volta – nach der Entladung wiederaufladbar war, wurde 1803 von Johann Wilhelm Ritter gebaut. Den bekanntesten Akkutyp, den Bleiakkumulator, konstruierte 1854 der Mediziner und Physiker Wilhelm Josef Sinsteden. 1859 entwickelte Gaston Planté Sinstedens Erfindung durch eine spiralförmige Anordnung der Bleiplatten erheblich weiter. Um die Wende zum 20. Jahrhundert speisten von Holz umfasste Bleiakkumulatoren in Glasgefäßen Elektroantriebe für Automobile. Die Akkutechnik nahm in der Zeit eine rasante Entwicklung. Folgender vom Telegraphentechnischen Reichsamt 1924 veröffentlichter Text zeigt das am Beispiel der damals etablierten Telegrafie und der noch jungen Telefonie. Akkumulatoren werden hier „Sammler“ genannt, und „Batterien“ waren Ansammlungen galvanischer Elemente:
In einem Akkumulator wird beim Aufladen elektrische Energie in chemische Energie umgewandelt. Wird ein Verbraucher angeschlossen, so wird die chemische Energie wieder zurück in elektrische Energie umgewandelt (siehe dazu: Galvanische Zelle). Die für eine elektrochemische Zelle typische elektrische Nennspannung, der Wirkungsgrad und die Energiedichte hängen von der Art der verwendeten Materialien ab.
Für viele Anwendungen, insbesondere für mobile Geräte im Bereich der Unterhaltungselektronik, Hörgeräte oder auch Fahrzeuge, ist die Energiedichte von Bedeutung. Je höher diese ist, desto mehr Energie kann in einem Akku je Volumen- bzw. Masseneinheit gespeichert werden. Die auf die Masse bezogene Energiedichte wird oft auch als spezifische Energie bezeichnet. Bezogen auf marktübliche Typen, haben Akkumulatoren (Sekundärzellen) meist eine (oftmals deutlich) geringere Energiedichte als Primärzellen. Beim Aufladen und Entladen von Akkumulatoren wird durch den inneren Widerstand der Zellen Wärme freigesetzt, wodurch ein Teil der zum Aufladen aufgewandten Energie verloren geht. Das Verhältnis der entnehmbaren zu der beim Laden aufzuwendenden Energie wird als Ladewirkungsgrad bezeichnet. Generell sinkt der Ladewirkungsgrad sowohl durch Schnellladung mit sehr hohen Strömen als auch durch schnelle Entladung (Peukert-Effekt), da die Verluste am Innenwiderstand zunehmen. Das optimale Nutzungsfenster ist dabei je nach Zellchemie stark unterschiedlich.
Im Zuge der stetigen Weiterentwicklung werden von Jahr zu Jahr höhere Energiedichten möglich. So erreichten viele Antriebsbatterien mit Produktionsstart 2019 etwa die doppelte Energiedichte wie die im Jahr 2010. Im Jahr 2023 erreichten Prototypen von Lithium-Ionen-Akkumulatoren eine Energiedichte von 700 W⋅h⋅kg−1, während praktisch eingesetzte Zellen etwa 300 W⋅h⋅kg−1 erreichen. Ein Vergleich zur Speicherung elektrischer Energie zeigt die Vor- und Nachteile von Akkus gegenüber anderen Speicherverfahren.
Die Ladungsmenge, die ein Akkumulator speichern kann, wird in Amperestunden (Ah) angegeben und als Kapazität (Nennkapazität) bezeichnet. Diese darf nicht verwechselt werden mit der Kapazität eines Kondensators, die als von der Spannung abhängige Ladungsmenge definiert ist und in Farad (F) angegeben wird. Die angegebene Nennkapazität beim Akku bezieht sich immer auf einen bestimmten Entladestrom und nimmt – je nach Akkutyp – unterschiedlich stark mit höheren Entladeströmen ab. Bei Primärzellen und Akkumulatoren ist die Angabe der Nennkapazität in Amperestunden (Ah), bei kleineren Einheiten auch Milliamperestunden üblich. Der Vorsatz für Maßeinheiten Milli steht für ein Tausendstel. Dabei sagt die Angabe, ein Akkumulator liefert zum Beispiel 1000 Milliamperestunden, also eine Amperestunde nicht viel über die Leistungsfähigkeit des Akkus aus, wenn die Spannung nicht bekannt ist. Die Spannung ist stark von der Belastung der Zelle abhängig, da sie einen inneren Widerstand hat. Ihre maximale Leistung gibt sie theoretisch bei halber Nennspannung ab. Dann sind innerer und Lastwiderstand gleich groß und der Entladewirkungsgrad erreicht 50 Prozent. Da sich die Zelle dabei stark erwärmt, sind derart hohe Belastungen nur kurzzeitig möglich. Ein Beispiel hierfür sind Starterbatterien von Autos, die beim Anlassen für ein paar Sekunden einige hundert Ampere abgeben. Einige Zellentypen können nicht so hoch belastet werden und haben Schutzschaltungen, die das verhindern. Angaben in Wh oder kWh (oft bei Antriebsbatterien zu finden) beziehen sich immer auf ein bestimmtes Lastprofil. Um die Leistungsfähigkeit von Akkus zu vergleichen, muss man also wissen, welches Lastprofil bei der Messung der Kapazität verwendet wurde.
Ein wichtiger Kennwert von mit Sekundärbatterien betriebenen Geräten ist der Ladezustand von Akkumulatoren (, SOC). Er wird üblicherweise in Prozentwerten angegeben, wobei 100 % einen vollständig geladenen Akkumulator repräsentieren. 100 % minus den Wert des Ladezustands ergibt den Entladungsgrad (, DOD). Zur Bestimmung sind verschiedene Methoden gebräuchlich: chemische, spannungsabhängige, Strom-integrative (Ladungsbilanzierung) und druckabhängige Verfahren sowie die Messung der Akkumulator-Impedanz.
Wird ein Akku nicht verwendet, so verliert er über die Zeit einen Teil seiner gespeicherten Energie. Diesen Vorgang nennt man Selbstentladung. Das Maß der Selbstentladung hängt von Typ und Alter des Akkumulators sowie von der Lagertemperatur ab. Für die Lagerung von Akkus wird meistens Folgendes empfohlen: * Li-Ion: Ladezustand 60 %, 20 °C; Selbstentladung monatlich , Herstellerangaben von Winston Battery; abgerufen am 31. Mai 2019. Als weltgrößter Hersteller von Lithium-Eisenphosphat-Akkumulatoren gilt BYD, der durch präzise Fertigung eine große Auswahl an Zellen für zyklenfeste Anwendungen, wie zum Beispiel im Einsatz bei stationären Speichersystemen entwickelt hat. Nach 6000 Zyklen Laufleistung mit 100 % Be- und Entladung bei einer Rate von 1 C (Laderate, C-Faktor) haben diese noch eine Restkapazität von mindestens 80 %. Das entspricht bei einem Vollzyklus pro Tag einer Lebensdauer von mind. 20 Jahren. Der Lithium-Eisenphosphat-Akkumulator Sony Fortelion hat nach 10.000 Zyklen mit 100 % Entladungsgrad noch eine Restkapazität von 71 %. Dieser Akkumulator ist seit 2009 auf dem Markt. In Batteriespeichern eingesetzte Lithium-Ionen-Akkumulatoren weisen teilweise eine Zyklenfestigkeit von mehr als 10.000 Lade- und Entladezyklen und eine lange Standzeiten von theoretisch berechneten 20 Jahren auf. Varta Storage gibt auf seine Produktfamilie Engion Family und engion home eine Garantie von 14.000 Vollzyklen und einer Lebensdauer von 10 Jahren. Weiterhin beeinflusst das BMS wesentlich die Kapazität der in Reihe geschalteten Zellen, die beim passiven Balancieren durch die schwächste Zelle bestimmt wird. In der Folge wird sowohl die Gesamtkapazität verringert als auch die schwächste Zelle am meisten beansprucht, wodurch diese am schnellsten altert. Demgegenüber kann das aufwändige aktive Balancieren einen Ladungsausgleich von den Zellen hoher Kapazität zu denen geringer Kapazität durchführen und die Lebensdauer und die Kapazität aller Zellen auch einer nicht mehr homogenen, älteren Batterie verfügbar halten. Die Hersteller gewähren entsprechend ihrer Technik stark unterschiedliche Garantien auf die Laufleistung von Antriebsbatterien. Nach Studien aus dem Jahr 2024 sind Akkus von Elektroautos auch bei einer Laufleistung von 300.000 km meist noch voll alltagstauglich. Daher spricht nichts gegen den Kauf von gebrauchten Elektroautos. Nach Studien verlieren die Akkus von Elektroautos pro Jahr etwa 1,8 Prozent ihrer Kapazität, wodurch Laufzeiten von mehr als 15 Jahren möglich sind. Im Vergleich beträgt in Deutschland die durchschnittliche Lebensdauer von Verbrennern 12 Jahre. Nach Studien liegt die Kapazität der Akkus nach 100.000 km bei über 90 Prozent und verschlechtert sich danach kaum noch. Durch neuere Zellchemie werden diese Werte ständig verbessert. Jedoch kann häufiges Schnellladen und starkes Beschleunigen die Werte der Akkus verschlechtern. Ebenso sollten lange Standzeiten mit vollem Akku und Tiefentladungen vermieden werden.
Die Ladezeit eines Akkus bzw. einer Batterie aus Akkumulatorzellen ist abhängig von verschiedenen Faktoren. Dazu zählen Parameter wie der Innenwiderstand, der direkten Einfluss auf den Ladestrom hat und wiederum von der Temperatur beeinflusst wird. Kürzere Ladezeiten bedeuten höhere Strombelastung und höheren Verschleiß, stehen also im Zielkonflikt zur Lebensdauer des Akkumulators. Je nach Anwendung, Zellchemie und technischer Umsetzung (Klimatisierung, Überwachung) sind daher die praktisch erreichbaren Ladezeiten sehr unterschiedlich.
Der vom Hersteller empfohlene bzw. zulässige Ladestrom wird dabei über die Laderate C beschrieben und ist u. a. auch abhängig vom Ladezustand. Die Ladespannung ist durch die Zellchemie und den Batterieaufbau bestimmt. Aus diesen beiden Parametern ergibt sich eine obere Grenze der maximalen Ladeleistung, die zugunsten einer höheren Lebensdauer oft noch reduziert wird. Die praktisch erreichbaren Ladezeiten sind daher meist höher als die technisch möglichen Ladezeiten. Als äußere Faktoren sind neben der Temperatur die zur Verfügung stehende Spannungs- und Stromquelle und das angewendete Ladeverfahren zu nennen. Die Akkuzellhersteller geben die einzuhaltenden Parameter und Nutzungsfenster in ihren Datenblättern vor, die von den Herstellern der Endprodukte beachtet werden müssen. Für klassische Akkus, wie Blei, NiCd und NiMH sind Laderaten bei Normalladung von 0,1 C bis 0,2 C üblich. Das entspricht Ladezeiten von 5–10 Stunden. Bei modernen Lithiumakkus ist in den Datenblättern der Hersteller meist mit 0,5 C die Normalladung spezifiziert, was 2 Stunden Ladedauer entspricht. Zusätzlich wird ein maximal erlaubter, höherer Ladestrom angegeben, beispielsweise 3 C, was eine Aufladung in 20 Minuten ermöglichen würde. Praktisch sind Ladezeiten von 20 Minuten bis 4 Stunden im Mobilgerätebereich üblich. Beim Elektroauto Li Mega kann der Akku in 10 Minuten von 10 auf 80 Prozent aufgeladen werden. Die Laderate beträgt dort 5C (Stand 2024). Heutige Lithium-Akkus können oft auch deutlich schneller geladen werden. Im Modellbaubereich sind Ladezeiten von 10 bis 15 Minuten bei Schnellladung üblich. Die Obergrenze der Ladeleistung wird gerade bei größeren Batterien von Elektrofahrzeugen in der Praxis nicht mehr von den Akkumulatorzellen, sondern vom Aufbau der Traktionsbatterie (Klimatisierung) und von der verfügbaren Ladetechnik bestimmt. So können neue Schnellladesysteme Elektroautos mit entsprechend konstruierten Traktionsbatterien innerhalb von etwa 15 min zu 80 Prozent aufladen (siehe z. B. Hyundai Ioniq 5).
Forscher der Justus-Liebig-Universität Gießen haben zusammen mit Wissenschaftlern der BASF SE eine neue reversibel arbeitende Zelle auf Basis von Natrium und Sauerstoff entwickelt. Als Reaktionsprodukt tritt hierbei Natriumsuperoxid auf. Wissenschaftler der Universität Oslo aus Norwegen haben einen Akkumulator entwickelt, der unterhalb einer Sekunde wieder aufgeladen werden kann. Nach Meinung der Wissenschaftler wäre dieser Akkumulator interessant u. a. für Stadtbusse, die so an jeder Haltestelle geladen werden könnten und somit nur eine relativ kleine Batterie benötigen würden. Ein Nachteil ist, so die Forscher, dass je größer die Batterie ist, desto größer muss auch der Ladestrom sein. Somit kann der Akku nicht sehr groß sein. Nach Angaben der Forscher könnte der neuartige Akku auch als Puffer in Sportwagen eingesetzt werden, um kurzfristig Leistung bereitzustellen. Vorerst denken die Forscher aber an Einsatzbereiche in Klein- und Kleinstgeräten. In Laboratorien des Unternehmens StoreDot aus Israel können Berichten zufolge erste Labormuster von nicht näher spezifizierten Akkus in Mobiltelefonen (Akkukapazität im Bereich um 1 Ah) mit Stand April 2014 in 30 Sekunden geladen werden. Das gleiche Unternehmen entwickelte auch einen Akkumulator für E-Autos, der in 5 Minuten voll aufgeladen ist und dann 160 Kilometer Reichweite bietet. Er besitzt anstatt einer üblichen Graphitelektrode eine Elektrode aus Germaniumnanopartikeln, langfristig soll dafür aber Silizium verwendet werden. Der Akku soll schon industriell gefertigt werden können, aber es gibt noch keine geeigneten Ladesäulen. Forscher aus Singapur haben 2014 einen Akku entwickelt, der nach 2 Minuten zu 70 Prozent aufgeladen werden kann. Die Akkus setzen auf die Lithium-Ionen-Technik. Jedoch besteht die Anode, der negative Pol in der Batterie, nicht mehr aus Graphit, sondern einem Titandioxid-Gel. Das Gel beschleunigt die chemische Reaktion deutlich und sorgt so für ein schnelleres Aufladen. Insbesondere sollen diese Akkus in Elektroautos verwendet werden. Bereits im Jahr 2012 haben Forscher der Ludwig-Maximilian-Universität in München das Grundprinzip entdeckt. Festkörperakkumulatoren sind eine spezielle Bauform, bei welchem beide Elektroden und auch der Elektrolyt aus verschiedenen, festen Materialien bestehen. Da keine Flüssigkeiten vorhanden sind, gibt es kein Problem mit Undichtigkeiten, sollte der Akkumulator beschädigt werden. An der Universität Linköping ist es Forschern gelungen, einen Akkumulator aus organischen Materialien herzustellen. Diese basieren auf Redox-Flow-Batterien und enthalten als Elektroden den Kunststoff PEDOT, der dotiert wurde, und als Elektrolyt eine Lösung aus Wasser und Chinonen. Der Akku ist vollständig recycelbar und sehr billig, allerdings hat er immer noch eine geringere Energiedichte als vergleichbare Redox-Flow-Batterien mit dem teuren Metall Vanadium. Wissenschaftler der Stanford-Universität in Kalifornien haben einen neuartigen Akku mit sehr günstigen Eigenschaften entwickelt. Bei dem Aluminium-Ionen-Akkumulator besteht die Anode aus Aluminium und die Kathode aus Grafit. Der Akku schafft mehr als 7500 Ladezyklen ohne Qualitätseinbußen. Die zur Fertigung des Akkus notwendigen Materialien sind sehr kostengünstig und zudem sehr leicht. Der Akku kann nicht in Brand geraten, selbst wenn man ihn durchbohrt. Die Dauer des Ladevorgangs beträgt eine Minute. Zudem ist der Akku biegsam und kann somit in eine gewünschte Form gebogen und gefaltet werden. Der Akku ist noch nicht marktreif, da die Spannung und die Energiedichte noch zu gering sind. Nach Schätzungen werden bis 2025 bzw. spätestens 2030 die Lithium-Schwefel- wie auch die Lithium-Luft-Akkutechnologie im Automobilbereich einsetzbar sein. Beide haben eine höhere Energiedichte als die im Jahr 2015 eingesetzte Lithium-Ionen-Technologie und versprechen höhere Reichweiten in der Elektromobilität. In Deutschland unterstützt das BMBF seit 2013 die Forschung an einem Magnesium-Luft-Akkumulator, der ohne Lithium auskommt. Solche Akkumulatoren haben eine hohe Kapazität und der Rohstoff ist in ausreichenden Mengen vorhanden, doch ist die Lebensdauer bislang gering. Ein Team, angeführt von Yan Yu, an der Chinesische Universität für Wissenschaft und Technik in Hefei hat einen Akku entwickelt, der eine hohe Kapazität und Spannung aufweist, auch wenn er 2.000 Mal ge- und entladen wurde (96 % Kapazität blieben erhalten). Er basiert auf Tri-Natrium-Di-Vanadium-Triphosphat (Na3V2(PO4)3) im Innern eines Graphenemischmaterials. Wissenschaftler am japanischen Nagoya Institute of Technology untersuchten ebenfalls Natrium als Akkumaterial und identifizierten die Natrium-Vanadium-Verbindung Na2V3O7 als geeignetes Kathodenmaterial. Wegen niedriger Energiedichte wird dabei zunächst an einen stationären Einsatz gedacht.
mini|Zwischen 2009 und 2015 sanken die Kosten von Lithium-Ionen-Akkumulatoren für Elektroautos in den USA um 73 %. Bleiakkumulatoren kosteten 2014 typischerweise 355 €/kWh. Die Preise für Li-Ion-Akkus sind in den letzten Jahren deutlich gefallen: 2007 lagen die Kosten noch bei mehr als 1000 US-Dollar/kWh, 2014 noch bei 300 Dollar/kWh, 2019 bei 156 Dollar/kWh, Tendenz weiter fallend. So gab z. B. die Chefin von General Motors, Mary Barra 2016 bekannt, dass die Akkukosten des Chevrolet Bolt bei ca. 145 Dollar/kWh liegen würden, für 2022 rechnete sie mit Akkukosten von 100 Dollar/kWh. Eric Feunteun, Leiter der Sparte Elektromobile bei Renault, teilte im Juli 2017 mit, dass Renault pro kWh Akku 80 Dollar bezahle. Auch die Marktpreise für Li-Ion-Akkus einschließlich Gewinnmarge sollen bis 2030 unter 100 $/kWh sinken. Für 2015 gab das Energieministerium der Vereinigten Staaten die Kosten von Lithium-Ionen-Akkumulatoren für Elektroautos mit ca. 250 $/kWh an; angestrebt wurde ein Wert von 125 $/kWh im Jahr 2022. Ursachen für den Preisrückgang sind die zunehmende Massenproduktion, welche die Stückkosten durch bessere Technologien und Skaleneffekte verringert. Nach einer Studie von McKinsey sind die Akkupreise zwischen 2010 und 2016 um 80 Prozent gefallen. Für 2021 wurden mittlere Kosten für Batteriezellen von 121 US$/kW angegeben. Allerdings sind zahlreiche Rohmaterialien im Laufe des Jahres 2021 deutlich teurer geworden. Die Kosten eines kompletten Speichersystems sind durch zusätzliche Kosten u. a. für Einkapselung, Kühlung, Stromanschlüsse, Steuerung und ggf. Umrichter wesentlich höher. An der Pennsylvania State University wurde ein Lithium-Eisenphosphat-Akkumulator entwickelt, der ohne das seltene Kobalt auskommt und daher günstiger zu produzieren sein sollte. Bloomberg New Energy hatte im Juli 2024 eine Studie veröffentlicht, nach der die Preise für Lithium-Eisen-Phosphat-Akkumulatoren in China innerhalb der letzten 12 Monate um 51 Prozent auf 53 USD pro kWh gefallen waren. Ein Jahr davor lag der Preis noch bei 95 USD pro kWh. Dadurch seien nun 2/3 der Elektroautos in China, dem weltweit größten Automarkt, günstiger als vergleichbare Autos mit Verbrennungsmotor. Es würde noch etwas dauern, bis diese Preise außerhalb von China angekommen seien.
2022 befanden sich 77 % der Herstellkapazitäten für Lithium-Ionen-Akkumulatoren von 1163 GWh jährlich in China, gefolgt von je 6 % in Polen und den USA. Sechs der zehn größten Hersteller im Jahr 2022 hatten ihren Hauptsitz in China.
aus sechs Blei-Sekundärzellen mit je 2 V in Reihenschaltung Akkumulatoren werden oft verwendet, wenn ein elektrisches oder elektronisches Gerät oder Fahrzeug ohne dauerhafte Verbindung zum festen Stromnetz oder zu einem Generator betrieben werden soll. Da sie teurer sind als nicht wiederaufladbare Primärbatterien, kommen sie vor allem in solchen Geräten zum Einsatz, die regelmäßig benutzt werden und einen nicht vernachlässigbaren Strombedarf haben, wie Mobiltelefone, Laptops oder Akkuwerkzeuge. In Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor dient ein Akku in Form der Starterbatterie dazu, Strom für Licht, Bordelektronik und vor allem den Anlasser zum Starten des Verbrennungsmotors zu liefern. Läuft der Motor, wird der Akkumulator über den als Lichtmaschine bezeichneten Generator wieder aufgeladen. Ähnliches gilt für Schiffe und Flugzeuge. Fahrzeuge mit batterieelektrischem Antrieb beziehen die Energie zum Fahren aus Akkuzellen, diese werden in ihrer Gesamtheit zur Unterscheidung von Starterbatterien als Antriebsbatterie bezeichnet. Auch Schiffe und Flugzeuge gibt es mit batterieelektrischem Antrieb. Konventionelle U-Boot-Antriebe bestehen aus Dieselmotoren mit Generatoren (Fahren und Laden der Akkumulatoren bei nicht getauchter Fahrt/Schnorcheln) und mit Akkumulatoren betriebenen Elektromotoren (Tauchfahrten). Akkumulatoren dienen in Systemen zur unterbrechungsfreien Stromversorgung (USV) auch zur kurz- bis mittelfristigen Überbrückung von Ausfällen der stationären Energieversorgung. Wichtige Bereiche, die es mit einer Notstromversorgung abzusichern gilt, sind z. B. Rechenzentren, Alarmsysteme und lebenserhaltende Systeme in Krankenhäusern. Werden hohe Leistungen benötigt oder sind längere Zeiträume zu überbrücken, wird noch ein Dieselgenerator zusätzlich installiert; die Akkus übernehmen dann die Versorgung nur so lange, wie der Dieselgenerator zum Anspringen und Erreichen der Nenndrehzahl benötigt. Falls die so zu überbrückende Zeit nur kurz ist, können dafür auch andere Systeme als Akkumulatoren eingesetzt werden, insbesondere auf der Basis von Schwungmassen oder gar Kondensatoren.
Kriterien für die Auswahl eines Akkumulatortyps für eine bestimmte Anwendung sind unter anderem: * Die gravimetrische Energiedichte, auch als spezifische Energie bezeichnet. Sie sagt aus, wie viel elektrische Energie ein Akkumulator pro Masseneinheit (zum Beispiel Kilogramm) liefern kann. Dieser Wert ist besonders interessant für elektrisch angetriebene Fahrzeuge. Herkömmliche Bleiakkumulatoren erreichen hier rund 30 Wh/kg, Lithium-Ionen-Akkus (Li-Ion-Akkus) bis zu 140 Wh/kg. * Die volumetrische Energiedichte. Sie sagt aus, wie viel Wh elektrischer Energie ein Akkumulator pro Volumen (zum Beispiel pro Liter Rauminhalt) liefern kann. Hier liegt der Wert für herkömmliche Bleiakkumulatoren bei ca. 50 Wh/l, bei Li-Ion-Akkus etwa 500 Wh/l. * Der maximal mögliche Entladestrom. Er ist wichtig für alle Anwendungen, bei denen kurzzeitig sehr hoher Leistungsbedarf besteht. Dieses ist zum Beispiel beim Starten von Fahrzeugmotoren der Fall, aber auch bei Elektrowerkzeugen und Autofokus-Kameras, insbesondere solchen mit integrierten Blitzgeräten. * Die möglichen Dimensionen (Abmessungen und Gewicht) und Bauformen der Akkuzelle. Sie sind entscheidend, wenn der Akkumulator auf möglichst kleinem Raum in elektronischen Geräten integriert werden soll. Ein gasdichter Aufbau etwa eines Gel-Bleiakkumulators ermöglicht den lageunabhängigen Einsatz ohne Gefahr durch auslaufenden Elektrolyt oder korrosive Gase * Der Memory-Effekt bei NiCd oder Batterieträgheitseffekt bei NiMH tritt abhängig vom Lade- und Entladeverfahren auf und führt unter Umständen zu erheblichen Verringerungen der Kapazität (NiCd) oder der Spannung (NiMH). In Anwendungen, bei denen der Akkumulator nicht regelmäßig vollständig entladen und wieder voll aufgeladen wird, sollten deshalb Akku-Arten verwendet werden, die für diese Effekte nicht anfällig sind, zum Beispiel Blei-Akkus oder Li-Ion-Akkus. Aus der Anwendung der oben genannten Kriterien ergeben sich für jeden Akkutyp einige typische Anwendungsgebiete, wobei insbesondere bei NiCd-, NiMH- und Li-Ion-Akkus die Übergänge fließend sind: * Bleiakkumulator: Starter-Batterien für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren, Antriebsbatterien für Flurfördergeräte, Stationärbetrieb in Notbeleuchtungsanlagen * NiCd-Akku: Elektrowerkzeuge, Antriebe im Modellbau, portable elektronische Geräte mit kurzzeitig hoher Stromaufnahme (Foto-Blitzgeräte) * NiMH-Akku: portable elektronische Geräte mit konstanter Stromaufnahme, Modellbau * Li-Ion-Akku: portable elektronische Geräte mit kleinen Abmessungen und langer Betriebszeit (Mobiltelefone, Notebooks, Kameras), Antriebsbatterien für Elektroautos * Li-Po-Akku (auch Lipo, Lithium-Polymer): Antriebe im Modellbau, Mobiltelefon, Antriebsbatterie für extreme Reichweiten, Bsp.: Kruspan-Hotzenblitz * Li-Mn-Akku: Antriebe im Modellbau, neue Profiklasse von Elektrowerkzeugen, Pedelecs, Fahrzeugakku für hohe Reichweiten * Li-Fe-Akku: Antriebe im Modellbau, neue Profiklasse von Elektrowerkzeugen, Antriebsbatterien für Elektroautos * Lithium-(Nano)-Titanat-Akku: Antrieb von Elektrokraftwagen mit großen Reichweiten
Als Weiterentwicklung der herkömmlichen Akkumulatoren werden Brennstoffzellen-Systeme verwendet, die elektrische Energie ohne exotherme Verbrennung aus chemischer Energie in Wasserstoff oder Methanol umwandeln und diesen Prozess teilweise auch umkehren können (Reversible Brennstoffzelle). Da die Brennzelle selbst keine Energie speichern kann, muss deshalb immer zusätzlich auch ein Speichersystem verwendet werden, dessen Raumbedarf und Gewicht zu berücksichtigen sind. Dabei erfordern die Speichermedien Wasserstoff, Methanol und ähnliche Gase bzw. leichtflüchtige Flüssigkeiten andere technische Anforderungen als Akkumulatoren. Die Begriffe elektrochemische Zelle und Redox-Flow-Zelle sind parallel entstanden. Konkurrierende Energiespeicher sind Hydraulikspeicher, bei denen die Energie mechanisch gespeichert wird.
Akkus können durch Überhitzung Brände auslösen, es gibt immer wieder Berichte brennender E-Autos. Im Januar 2025 hat eine Powerbank in Südkorea einen Brand in einem Airbus verursacht und diesen zerstört. Die Regeln wurden daraufhin verschärft.
Das Batteriegesetz besagt, dass Batterien und Akkumulatoren nicht in den Hausmüll geworfen werden dürfen. Mit der Zeit wird die Außenhülle einer Batterie oder eines Akkumulators durch Korrosion zersetzt, sodass umweltschädliche und giftige Chemikalien auslaufen. Passiert dies auf einer Mülldeponie, gelangen die giftigen Schadstoffe in das Ökosystem, die Schadstoffe der Batterie versickern in das Grundwasser und können so möglicherweise ins Trinkwasser gelangen oder Pflanzen schaden. Damit dies nicht geschehen kann, müssen Batterien und Akkus zum Sondermüll gegeben werden, wo sie umweltgerecht entsorgt werden.
* Fritz Paul Beck, Karl-Joachim Euler: Elektrochemische Energiespeicher. 2 Bände. 1984. * Edmund Hoppe: Die Akkumulatoren für Elektricität. Julius Springer, Berlin 1892. * Thomas B. Reddy (Hrsg.): Linden’s Handbook of Batteries. 4. Auflage. McGraw-Hill, New York 2011, ISBN 978-0-07-162421-3. * Lucien F. Trueb, Paul Rüetschi: Batterien und Akkumulatoren. Mobile Energiequellen für heute und morgen. Springer, Berlin 1998, ISBN 3-540-62997-1. * Martin Winter, Jürgen O. Besenhard: Wiederaufladbare Batterien. Teil 1: Akkumulatoren mit wäßriger Elektrolytlösung. In: Chemie in unserer Zeit, 1999, 33, Nr. 5, S. 252–266; doi:10.1002/ciuz.19990330503 oder (PDF). * Martin Winter, Jürgen O. Besenhard: Wiederaufladbare Batterien. Teil 2: Akkumulatoren mit nichtwäßriger Elektrolytlösung. In: Chemie in unserer Zeit, 1999, 33, Nr. 6, S. 320–332; doi:10.1002/ciuz.19990330603 oder (PDF). * DIN 40 729 Akkumulatoren – Galvanische Sekundärelemente – Grundbegriffe. * Bekanntmachung, betreffend die Einrichtung und den Betrieb von Anlagen zur Herstellung elektrischer Akkumulatoren aus Blei oder Bleiverbindungen. 11. Mai 1898. In: Deutsches Reichsgesetzblatt, 1898, Nr. 19, S. 176–180. Volltext (Wikisource)
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André-Marie Ampère
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André-Marie Ampère (* 20. Januar 1775 in Lyon, Frankreich; † 10. Juni 1836 in Marseille) war ein französischer Physiker und Mathematiker. Er war der herausragende Experimentator und Theoretiker der frühen Elektrodynamik. Ampère erklärte den Begriff der elektrischen Spannung und des elektrischen Stromes und legte die Stromrichtung fest. Nach ihm wurde 1893 die SI-Einheit der elektrischen Stromstärke und zugleich die SI-Einheit der magnetischen Durchflutung benannt.
Ampère war der Sohn von Jean-Jacques Ampère und dessen Ehefrau Jeanne-Antoinette de Sarcey. Er fiel schon früh als wissbegieriger Knabe und durch sein gutes Gedächtnis auf. Sein Vater war ein Verehrer von Jean-Jacques Rousseau und erzog Ampère nach dessen Emile, seine Mutter sorgte für seine religiöse Verwurzelung im Katholizismus. Ampère las als Jugendlicher Buffons Naturgeschichte und systematisch die 35 Bände der Enzyklopädie von Denis Diderot und Jean d'Alembert und lernte Griechisch, Latein und Italienisch. Sein Vater wurde 1793 nach dem Fall von Lyon (während der Französischen Revolution) als Girondist hingerichtet (als Friedensrichter hatte er zuvor einen führenden Jakobiner in Lyon, Joseph Chalier, verhaften und hinrichten lassen), was bei Ampère eine tiefe Krise auslöste. Als Achtzehnjähriger befasste er sich mit den Lehrbüchern des Schweizer Mathematikers Leonhard Euler und der klassischen Mechanik von Joseph-Louis Lagrange. Im gleichen Alter entwickelte er eine Plansprache, die er als friedensförderndes Werkzeug ansah. Er wandte sich ebenfalls der Botanik, der Metaphysik und der Psychologie zu, ehe er Mathematik und Physik studierte. Nachdem das elterliche Vermögen zusammengeschmolzen war, gab er Privatunterricht, besonders in Mathematik. Seine Kontakte zur Außenwelt waren aber gering. Im Jahre 1796 lernte er Julie Carron kennen, die er 1799 heiratete. Sie war etwas älter und stammte aus einer angesehenen bürgerlichen Familie in einem Nachbarort von Ampères Wohnort. Obwohl sie aus ähnlichem sozialem Hintergrund kamen, war Ampère keine gute Partie und er warb lange und hartnäckig um sie, was in seinem Tagebuch dokumentiert ist. 1800 wurde ihr Sohn Jean-Jacques Ampère geboren, der ein bekannter Historiker, Philologe und Schriftsteller wurde. 1802 wurde er Lehrer für Physik und Chemie an der École centrale in Bourg-en-Bresse. Im selben Jahr verfasste Ampère ein mathematisches Werk zu einem wahrscheinlichkeitstheoretischen Aspekt von Glücksspielen, und zwar der Frage der Wahrscheinlichkeit des Ruins des Spielers bei stetigem Einsatz eines festen Bruchteils seines Kapitals. Die Arbeit machte ihn unter Wissenschaftlern in Paris bekannt. Bald darauf verfasste er eine Arbeit zur theoretischen Mechanik und eine Abhandlung über partielle Differentialgleichungen, die ihm 1814 die Mitgliedschaft in der französischen Akademie der Wissenschaften (damals Institut Impérial) einbrachte. Die vier Jahre seiner ersten Ehe waren die glücklichsten seines Lebens. Im Jahr 1803 starb nach vierjähriger Ehe seine Frau, die sich von der Geburt des Sohnes nie völlig erholt hatte. Ampère war tief getroffen. Sein Interesse für Mathematik erlahmte, und er befasste sich zunehmend mit den Schriften von Kant, allgemeiner Wissenschaftstheorie und mit der Chemie. 1804 zog er nach Paris, wo er Repetitor für Mathematik an der École polytechnique wurde, was ihn aber bald langweilte. Im Jahre 1808 wurde er Generalinspektor der Universitäten, was er bis auf ein paar Jahre in den 1820er Jahren bis zu seinem Tod blieb. Ab 1819 lehrte er außerdem Philosophie an der Historisch-Philosophischen Fakultät der Sorbonne und 1820 wurde er Assistenzprofessor in Astronomie. 1824 erhielt er den Lehrstuhl für Experimentalphysik am Collège de France. Im August 1806 heiratete er in Paris Jeanne-Françoise Potot (1778–1866), die Ehe war aber unglücklich und wurde bald geschieden. Aus dieser Ehe stammt die Tochter Albine (1807–1842). Er musste nun allein für die zwei Kinder aus den beiden Ehen sorgen. Beide bereiteten ihm später Sorgen, seine Tochter war mit einem jähzornigen und oft betrunkenen Armeeoffizier verheiratet und sein Sohn verfiel dem Einfluss von Madame Recamier. Am 10. Juni 1836 starb Ampère in Marseille auf einer Inspektionsreise im Alter von 61 Jahren an einer Lungenentzündung: „Sein Tod ist ein großer Verlust für die mathematischen Wissenschaften, welche durch seine ausgezeichneten Forschungen bedeutend gefördert worden.“ Er ist in Paris auf dem Cimetière de Montmartre beigesetzt.
Ampère stellte drei Jahre nach Amedeo Avogadro unabhängig von diesem das Avogadrosche Gesetz auf. Er war auch offen für die Arbeiten von Humphry Davy, die die Grundfesten der französischen Schule der Chemie (Antoine Laurent de Lavoisier) erschütterten: für Lavoisier war Sauerstoff der Träger des Säureprinzips, nach Davys Entdeckung von Natrium und Kalium fand sich dieser aber in starken Basen. Damit löste sich auch das Rätsel des grünen Gases (Chlorgas) bei der Zersetzung von Salzsäure; Ampère wie Davy vermuteten, dass es ein neues Element (Chlor) sein könnte (während man nach der Lavoisier-Theorie Sauerstoff als Bestandteil vermutete). Da Ampère aber weder Zeit noch Mittel hatte, dem weiter nachzugehen, gilt Davy als dessen Entdecker. Später (1813) erkannte Ampère die Verwandtschaft des gerade in Seetang entdeckten Jods mit Chlor, in der öffentlichen Anerkennung als Entdeckung eines neuen Elements kamen ihm aber wieder andere zuvor. Er versuchte die chemische Affinität von Molekülen, die aus punktförmigen Atomen bestehen, aus der Geometrie von geometrischen Körpern (zum Beispiel Tetraeder, Oktaeder oder Würfel) abzuleiten. Beispielsweise bildeten bei Sauerstoff, Stickstoff und Wasserstoff vier Moleküle ein Tetraeder, bei Chlor acht Moleküle ein Oktaeder (nach Ampère); Verbindungen aus Elementen konnten nur bestehen, falls sie reguläre Polyeder bildeten (was bei Tetraeder und Oktaeder nicht möglich war, wohl aber zwei Tetraeder mit einem Oktaeder zu einem Dodekaeder). Ampères spekulativere Arbeiten zur Chemie fanden jedoch bei anderen Gelehrten seiner Zeit kaum Interesse. Seine bedeutendsten Arbeiten entstanden ab 1820 und machten ihn zum Begründer der Elektrodynamik. Im Jahr 1827 verschlechterte sich Ampères Gesundheitszustand und er wandte sich von der Elektrodynamik anderen Gebieten zu (Philosophie, Logik, Anatomie, Kristalloptik, Botanik). In der Philosophie war er von Kant beeinflusst und war sogar einer der Ersten in Frankreich, die dessen Werk ernsthaft rezipierten. Für Ampère war dies eine Alternative zu der damals in Frankreich vorherrschenden sensualistischen Erkenntnistheorie von Étienne Bonnot de Condillac. Ampère lehnte aber gleichzeitig die Lehre von Raum und Zeit als A-priori-Anschauungen nach Kant ab, behielt aber dessen Unterscheidung von Phänomenen und Noumenon. Er folgte teilweise der Lehre seines Freundes Maine de Biran im Nachweis der Existenz einer unabhängigen materiellen Welt, von Gott und Seele. Ampère vertrat ein hypothetisch-deduktives Verfahren des wissenschaftlichen Erkenntnisgewinns: Der Naturforscher stellt eine Hypothese auf und fragt sich, welche Experimente unternommen werden müssen, um die Theorie zu stützen oder zu falsifizieren. Dabei ging er pragmatisch vor: Hypothesen konnten frei eingeführt werden, wichtig war nur, wie erfolgreich sie in der Naturerklärung waren. Später beschäftigte er sich mit der Naturphilosophie und der prästabilierten Harmonie von Gottfried Wilhelm Leibniz. Da das Denken des Menschen ein Bild des Denkens Gottes sei und Gott das Universum geschaffen habe, sollte nach Leibniz des Menschen Geist imstande sein, das Universum in reinen Denkakten zu verstehen: Sein und Denkgesetze sollten also einander entsprechen. Einheit der Wissenschaft sollte die Widerspiegelung des göttlichen Geistes sein. Ampère strebte danach, alle Wissenschaften zu klassifizieren, und veröffentlichte darüber 1834 ein Buch. Unter den 64 Disziplinen waren auch einige neu von ihm eingeführt worden, wie die technische Kinematik und Kybernetik. In der Mathematik ist die Monge-Ampèresche Gleichung nach ihm benannt, eine nichtlineare partielle Differentialgleichung zweiter Ordnung, die in der Differentialgeometrie und bei Transportproblemen Anwendung findet und mit der sich Ampère um 1820 befasste (und davor Gaspard Monge).
Im Frühherbst 1820 wurde Ampère, der nun schon 45 Jahre alt war und dessen bisherige wissenschaftliche Arbeiten höchstens als Fußnoten in Lehrbüchern erschienen wären, durch François Arago auf die Versuche Hans Christian Ørsteds zur Ablenkung einer Magnetnadel durch den elektrischen Strom aufmerksam. Ampère wiederholte den Versuch und erkannte, dass Ørsted die Ablenkung des Magneten durch das Erdmagnetfeld nicht beachtet hatte. Mit einer verbesserten Versuchsanordnung konnte Ampère nun feststellen, dass sich die Magnetnadel immer senkrecht zum stromdurchflossenen Leiter stellte. Ampère nahm nun als Modellhypothese an, dass jeder Magnetismus seine Ursache in elektrischen Strömen habe und Ströme Magnetfelder erzeugen. Er überprüfte seine Hypothese – hypothetisch-deduktiv – zwischen dem 18. September und dem 2. November 1820 und konnte in aufeinanderfolgenden Versuchen nachweisen, dass zwei stromdurchflossene Leiter eine Anziehungskraft aufeinander ausüben, wenn in beiden Leitern die Elektrische Stromrichtung gleich ist, und dass sie eine Abstoßungskraft aufeinander ausüben, wenn die Stromrichtung entgegengesetzt ist. Ampère konstruierte ein Gerät zur Messung des Stroms, das er Galvanometer nannte (unabhängig von Ampère tat dies Johann Schweigger in Deutschland). Ampère verfeinerte seine Hypothese, indem er annahm, dass jeder Magnet viele Moleküle enthält, die jeweils einen kleinen Kreisstrom erzeugen (sog. Ampèresche Molekularströme zur Erklärung des Magnetismus). Er erkannte, dass die fließende Elektrizität die eigentliche Ursache des Magnetismus ist. Im Jahr 1822 beschäftigte sich Ampère mit der Kraft zwischen zwei nahe beieinander liegenden stromdurchflossenen Leitern. Er konnte zeigen, dass diese Kraft zu dem Kehrwert des Abstands proportional ist. Bei der mathematischen Behandlung dieser Phänomene nahm er sich das Gravitationsgesetz (als Punkt-Kraft-Gesetz) von Isaac Newton zum Vorbild. Da der Strom jedoch als gerichtete Größe behandelt werden muss und die Stromstärke die Zeit als neue Größe enthält, hat das ampèresche Modell nur eine beschränkte Gültigkeit. Ampère erklärte den Begriff der elektrischen Spannung und des elektrischen Stromes und setzte die Stromrichtung fest. Neben der Begründung der Elektrodynamik erkannte Ampère das Prinzip der elektrischen Telegrafie (Vorschlag eines elektromagnetischen Telegraphen mit Jacques Babinet 1822), der aber über größere Entfernungen wenig praktikabel war. Erstmals realisiert wurde ein elektrischer Telegraph 1833 von Carl Friedrich Gauß und Wilhelm Eduard Weber in Göttingen. Ampère glaubte, dass das Erdmagnetfeld durch starke elektrische Ströme ausgelöst wird, die in der Erdrinde von Osten nach Westen fließen. am Friedhof Montmartre, Paris. James Clerk Maxwell zählte Ampères Arbeiten über Elektrodynamik in seinem Treatise on electricity and magnetism zu den glänzendsten Taten, die je in der Wissenschaft vollbracht worden sind. Seine Schrift ist in der Form vollendet, in der Präcision des Ausdrucks unerreichbar und ihre Bilance besteht aus einer Formel, aus der man alle Phänomene, die die Electricität bietet, abzuleiten vermag, und die in allen Zeiten als Cardinal-Formel der Electrodynamik bestehen bleiben wird. Gleichzeitig vermutete Maxwell, dass der Newton der Electricität, wie ihn Maxwell nennt, seine Theorie nicht allein aus induktiven Schlussfolgerungen (aus dem Experiment) erhalten habe, sondern einem anderen Weg folgte und dann vom Gerüst, das ihm zur Aufrichtung seines Gebäudes diente, alle Spuren entfernt hat.
Ampères Charakter war von großer Liebenswürdigkeit und Sensibilität geprägt. Er neigte aber auch zu Überschwang und zur Melancholie, verstärkt durch mehrere Schicksalsschläge, zur Unentschlossenheit und einer gewissen Hilflosigkeit in Alltagsdingen und seine Zerstreutheit war sprichwörtlich. In seiner wissenschaftlichen Arbeit war er von großer Beharrlichkeit, folgte aber im Allgemeinen keinem systematischen Plan, sondern folgte einem Geistesblitz fieberhaft bis zu dessen Ausarbeitung. Ampère hatte eine Neigung zu metaphysischen Spekulationen und war tief religiös.
Zu Ehren Ampères ist die SI-Einheit des elektrischen Stromes „Ampere“ (Einheitenzeichen A) benannt worden. Er wurde durch Namensnennung auf dem Eiffelturm geehrt. Nach ihm ist seit 1935 ein Mondberg, der Mons Ampère, benannt. 1814 wurde er Mitglied der Académie des sciences in Paris und 1822 Fellow der Royal Society of Edinburgh. Ab 1825 war er korrespondierendes Mitglied der Königlichen Akademie der Wissenschaften und Schönen Künste von Belgien, ab 1827 der Preußischen Akademie der Wissenschaften sowie auswärtiges Mitglied der Royal Society. Im Dezember 1830 wurde er zum Ehrenmitglied der Russischen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg gewählt. Nach ihm ist die Pflanzengattung Amperea aus der Familie der Wolfsmilchgewächse (Euphorbiaceae) benannt.
* Considerations sur la théorie mathématique du jeu, Perisse, Lyon Paris 1802, ] * Henriette Cheuvreux (Hrsg.): Journal et correspondance de André-Marie Ampère. Recueillis par Mme H. C. J. Hetzel, Paris 1872, ] ** André-Marie Ampère. Correspondance et souvenirs (de 1793 a 1805). Recueillis par Madame H. C. J. Hetzel, Paris 1877 (7. Auflage), ] ** André-Marie Ampère. Journal et correspondance (1793 à 1805). Recueillis par Madame H. C. Paul Ollendorff, Paris 1893 (9. Auflage), ] * Henriette Cheuvreux (Hrsg.): André-Marie Ampère et Jean-Jacques Ampère. Correspondance et souvenirs (de 1805 a 1864). Recueillis par Madame H. C. J. Hetzel, Paris 1875 (im Internet-Archiv: Band ) * Correspondance du Grand Ampère, 3 Bände, Paris 1936 bis 1943
* François Arago: Ampère. In: Franz Aragos Sämtliche Werke, Band 2, Leipzig 1854, S. 3–94. * James R. Hofmann: André-Marie Ampère. Cambridge University Press 1996 * Christine Blondel: A.-M. Ampere et la creation de l'electrodynamique 1820–1827, Paris, Bibliotheque Nationale 1982 * Louis de Broglie: André Marie Ampère. In: Louis de Broglie, Elementarteilchen, Hamburg 1954, S. 245–269. * Adolphe Quételet: Notice sur M. Ampère, né à Lyon en 1775, mort à Marseille, le 10 juin 1836, Annuaire de l’Académie royale des sciences et belles-lettres de Bruxelles 3, 1837, S. 134–136 (Nachruf; französisch; ) * Charles-Augustin Sainte-Beuve: Ampère. Sa jeunesse, ses études diverses, ses idées métaphysiques, etc. (Nachruf; französisch), Revue des deux mondes 9, 1837, S. 389–422 (); Revue du Lyonnais 5, 1837, S. 332–372 () * Célébration à Lyon du Centenaire de la mort d'André-Marie Ampère 1836–1936, 2 Bände, Lyon 1936 * Jules Barthélemy-Saint-Hilaire: Philosophie des deux Ampère, Didier, Paris 1866 () * Claude-Alphonse Valson: La vie et les travaux d’André-Marie Ampère. Vitte et Perrussel, Lyon 1886 (französisch), ] * Tomáš Borec: Guten Tag, Herr Ampère. Wissenswertes und Unterhaltsames über berühmte Wissenschaftler und nach ihnen benannte Maßeinheiten. Harri Deutsch, Thun Frankfurt am Main 1979, ISBN 3-87144-372-7 (Übersetzung aus dem Slowakischen, Originaltitel Dobrý deň, pán Ampère) * L. Pearce Williams: André-Marie Ampère als Physiker und Naturphilosoph. Spektrum der Wissenschaft, März 1989, S. 114–124. * Ernst Schwenk: Maßmenschen. Von Ampère und Becquerel bis Watt und Weber. Wer den internationalen Maßeinheiten den Namen gab. Oesch, Zürich 2003, ISBN 3-0350-2005-1. * Friedrich Steinle: Explorative Experimente. Ampère, Faraday und die Ursprünge der Elektrodynamik, Franz Steiner, Berlin 2005, ISBN 3-515-08185-2. * K. Jäger, F. Heilbronner (Hrsg.): Lexikon der Elektrotechniker. VDE Verlag, 2. Auflage von 2010, Berlin/Offenbach, ISBN 978-3-8007-2903-6, S. 20–21. * P. Volkmann: Technikpioniere: Namensgeber von Einheiten physikalischer Einheiten. VDE Verlag, Berlin/Offenbach 1990, ISBN 3-8007-1563-5, S. 19–22. * Isaac Asimov: Biographische Enzyklopädie der Naturwissenschaften und der Technik. Herder, Freiburg/Basel/Wien 1974, ISBN 3-451-16718-2, S. 203–204.
Lotte Burkhardt: Verzeichnis eponymischer Pflanzennamen – Erweiterte Edition. Teil I und II. Botanic Garden and Botanical Museum Berlin, Freie Universität Berlin, Berlin 2018, ISBN 978-3-946292-26-5, doi:10.3372/epolist2018.
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Anders Celsius
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Anders Celsius (, * 27. Novemberschwed. / 7. Dezember 1701greg. in Uppsala; † ebenda) war ein schwedischer Astronom, Mathematiker und Physiker, der vor allem durch das von ihm 1742 eingeführte Thermometersystem bekannt ist.
Anders Celsius wurde 1701 in Uppsala als Sohn des Astronomen Nils Celsius geboren und entstammt einer Familie vom Gut Doma in Ovanåker. Sein Onkel war Olof Celsius der Ältere. Er studierte an der Universität Uppsala und wurde dort 1730 Professor. Am 25. August 1733 wurde er mit dem akademischen Beinamen Marcus Manilius II. zum Mitglied (Matrikel-Nr. 441) der Leopoldina gewählt. Ab 1734 war er auswärtiges Mitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaften. 1739 und 1743 amtierte er als Rektor der Universität Uppsala. 1736 nahm Celsius an einer Expedition zur Vermessung der Form der Erde teil. 1741 stellte er das erste schwedische Observatorium in Uppsala fertig. Er war außerdem auch Poet und Autor populärwissenschaftlicher Literatur. Celsius vermaß als erster die Helligkeit von Sternen. Er fand heraus, dass Polarlichter das Magnetfeld der Erde stören. Und er stellte als einer der ersten fest, dass sich ein Großteil Skandinaviens langsam über den Meeresspiegel erhebt, ein kontinuierlicher Prozess seit dem Abschmelzen des Eises der letzten Eiszeit. Celsius starb am 6. Mai 1744 im Alter von 42 Jahren an Tuberkulose und wurde in der Kirche von Gamla Uppsala begraben. Die Grabplatte befindet sich unter dem roten Teppich des Mittelgangs auf der linken Seite.
Anders Celsius definierte 1742 die nach ihm benannte Temperatureinteilung Grad Celsius. Im Gegensatz zur heute verwendeten Celsius-Skala legte er den Siedepunkt von Wasser mit 0° und den Gefrierpunkt mit 100° fest. Durch Carl von Linné wurden 1745, ein Jahr nach Celsius’ Tod, die Fixpunkte der Skala vertauscht; heutzutage wird sie ausschließlich in letzterer Form verwendet. Das Revolutionäre war, dass Celsius vorgeschlagen hatte, sie als universelle Skala zu benutzen, um Temperaturen in der ganzen Welt zu vergleichen: Im Gegensatz zu anderen Forschern notierte er bei der genauen Bestimmung der Fixpunkte auch den herrschenden Luftdruck (760 mm auf der Quecksilbersäule) und legte so genaue Messbedingungen fest. 1948, ca. 200 Jahre nach der Einführung der Skala, wurde zu Ehren Celsius’ der Skalenabstand bei einem Celsius-Thermometer von einem Zentigrad bzw. Zentesimalgrad durch die 9. internationale Generalkonferenz für Maß und Gewicht offiziell in die Temperatureinheit Grad Celsius umbenannt. Das Originalthermometer kann heute im Museum der Universität Uppsala, dem Gustavianum, besichtigt werden. Es besteht, genau wie ein heutiges Thermometer, aus einem auf ein Holzbrett mit Skala montierten Quecksilberreservoir mit angesetzter Kapillare.
Nach ihm sind der Asteroid (4169) Celsius und der Mondkrater Celsius benannt.
* Olof Beckman: Anders Celsius. Universität Uppsala 2003, ISBN 91-554-5661-8. * Horst Kant: Gabriel Daniel Fahrenheit, René-Antoine Ferchault de Réaumur, Anders Celsius. Teubner, Leipzig 1984, ISBN 3-322-00622-0. * N.V.E. Nordenmark: Anders Celsius. Uppsala 1936. * P. Volkmann: Technikpioniere: Namensgeber von Einheiten physikalischer Einheiten. VDE Verlag, Berlin/Offenbach 1990, ISBN 3-8007-1563-5, S. 37–39. * Isaac Asimov: Biographische Enzyklopädie der Naturwissenschaften und der Technik. Herder, Freiburg/Basel/Wien 1974, ISBN 3-451-16718-2, S. 137.
* Anne Preger: ] ZeitZeichen vom 25. April 2014 (Podcast)
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Annette von Droste-Hülshoff
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(1838)Droste-Hülshoffs Unterschrift: Annette von Droste-Hülshoff (* 12. Januar 1797, nach anderen Quellen 10. Januar 1797, auf Burg Hülshoff bei Münster als Anna Elisabeth Franzisca Adolphina Wilhelmina Ludovica Freiin von Droste zu Hülshoff; † 24. Mai 1848 auf der Burg Meersburg in Meersburg) war eine deutsche Schriftstellerin und Komponistin. Unter den deutschsprachigen Dichterinnen und Dichtern des 19. Jahrhunderts ist sie eine der bedeutendsten.
; eine von zwei 1845 entstandenen Fotografien der Dichterin, Darstellung von Alexander Duncker Die Dichterin und ihr Werk wurden durch ihre Herkunft geprägt. Die schon im 11. Jahrhundert als von Deckenbrock urkundlichen Droste zu Hülshoffs waren als ursprünglich edelfreies Geschlecht im Mittelalter mit dem Hochadel verwandt. Schon der erste, 1147 urkundlich erwähnte Namensträger Everwinus hatte als Droste das vornehmste Hofamt des Hochstifts Münster inne, der erste 1209 urkundlich erwähnte direkte Vorfahr der Dichterin war Ritter und Vasall des Fürstbischofs von Münster. Als solcher ist auch der Vorfahr Heinrich I. von Droste zu Hülshoff an einem Burgturm des Elternhauses der Dichterin auf einem Reiterrelief abgebildet. Später mussten ihre Verwandten nur selten Militärdienst leisten; ihr Großonkel, General Heinrich-Johann von Droste zu Hülshoff, ist heute hauptsächlich durch seinen Umbau des Elternhauses der Dichterin bekannt. Stattdessen dominierte in der väterlichen Familie eine zivile, kirchliche und – trotz umfangreichen Gutsbesitzes – städtische Prägung: Als Erbmännerfamilie hatten viele Vorfahren schon im Mittelalter das Drostenamt des Domkapitels von Münster sowie Ämter als Bürgermeister und Ratsherren der Stadt Münster bekleidet, einige hatten Westfalen auf den Hansetagen vertreten. Zugleich war die Familie – auch die Dichterin selbst – durch Gutsbesitz und die Übernahme von Patenschaften für Bauernfamilien mit der Landbevölkerung verbunden und nutzte im Alltag Münsterländer Platt. Als Herren von Hülshoff und anderen Gütern hatte sie auch die niedere Gerichtsbarkeit und das Patronat über die Pfarrkirche von St. Pantaleon (Roxel) inne; in der Jugend der Dichterin übte der Vater der Dichterin zusätzlich – unter Napoleon – von Hülshoff aus sein Amt als maire (Bürgermeister) dieses nahegelegenen Dorfes und des Nachbardorfs Albachten aus, der u. a. für Polizeiaufgaben zuständig war. Zahlreiche Verwandte aus beiden elterlichen Familien waren katholische Dom- und Stiftsherren bzw. -damen; ihr Großonkel, Ernst Konstantin von Droste zu Hülshoff, war als Domdechant an der Regierung des Hochstifts Münster beteiligt, ihr Onkel Heinrich Johannes war der letzte adelige Dompropst im Bistum Münster und ihre Groß- und Patentante, Anna-Elisabeth Droste zu Hülshoff (1733–1805), die letzte Äbtissin des Damenstifts Metelen. Die Dichterin stammte über die Frau ihres Urgroßvaters Heinrich Wilhelm Droste zu Hülshoff auch vom Adelsgeschlecht Droste zu Vischering und über ihre Großmutter mütterlicherseits auch vom Adelsgeschlecht Westphalen ab. Musisch begabt waren vor allem ihr Urgroßvater Heinrich Wilhelm Droste zu Hülshoff und ihre Großmutter Maria Bernhardine von Droste zu Hülshoff, geborene von der Recke-Steinfurt.
Während die männlichen Familienmitglieder meist Universitätsbildung besaßen, erfuhr die weibliche Verwandtschaft ihre Bildung meist in Kanonissenstiften. So hatte auch Annettes Vater an der alten, von Franz von Fürstenberg gegründeten Universität Münster u. a. bei Anton Matthias Sprickmann studiert. Ihre Mutter hatte seit ihrem dreizehnten Lebensjahr im Kanonissenstift St. Bonifatius (Freckenhorst) gelebt und unter der Äbtissin Francisca Lucia von Korff zu Harkotten und Störmede eine hervorragende Erziehung erfahren. Während ihre Schwester Jenny noch Stiftsdame im Kloster Hohenholte werden konnte, war diese Art der Erziehung und materiellen Absicherung wegen der Aufhebung dieser Einrichtungen infolge der Säkularisation für Annette nicht mehr möglich.
Die Lebensspanne von Annette von Droste-Hülshoff fiel in eine Zeit der politischen Umbrüche und wirtschaftlichen Einschränkungen, die als Biedermeier in die Geschichte eingingen. Auf die Säkularisation des Hochstifts Münster (1803) folgten in ihrer Heimat die politischen Herrschaftswechsel zu Preußen (1803–1806 und ab 1815) – unterbrochen durch das Intermezzo des napoleonischen Großherzogtums Berg (1806–1815). Ihr weiteres Leben verbrachte sie in den preußischen Provinzen Westfalen und Rheinland sowie dem Großherzogtum Baden, wo sie im Revolutionsjahr 1848 starb.
Seit ihrer Kindheit und Jugend war Annette kränklich, bedingt durch ihre verfrühte Geburt als kaum lebensfähiges Siebenmonatskind. Sie war angeblich nur ca. 1,50 m groß und zierlich gewachsen. Außerdem war sie extrem kurzsichtig, hatte auffällig wirkende Augen und litt oft unter rasenden Kopfschmerzen. Anders als ihre Schwester Jenny konnte sie daher nur mäßig zeichnen, förderte aber Maler, stickte gemeinsam mit ihrer Schwester die künstlerisch wertvolle Fahne der Schützenbruderschaft zu Roxel und machte selbst Scherenschnitte in beachtlicher Qualität. Ihre Kurzsichtigkeit befähigte sie andererseits zu einer mikroskopisch-exakten Nahbetrachtung und -beschreibung der Natur, die sie oft auf eigene Faust mit dem Geologenhammer durchstreifte. Schon seit ihrer Kindheit standen die gesundheitlichen und auch gesellschaftlichen Einschränkungen und ihre geistigen Tätigkeiten in großer Spannung zu ihrer lebhaften Vorstellungskraft und Unternehmungslust, der „Sehnsucht in die Ferne“. Schon früh sah Annette von Droste-Hülshoff ihre Berufung als Dichterin und ließ sich darin nicht beirren. Auch ihr Umfeld, besonders ihre pädagogisch interessierte Mutter und deren Halbbruder Werner von Haxthausen, der in Münster bei Friedrich Leopold zu Stolberg-Stolberg aufgenommen worden war, erkannten die außerordentliche Begabung; bereits die 12-Jährige wurde zur Mitarbeit an einem poetischen Sammelwerk aufgefordert. Auf Initiative ihrer gebildeten Eltern wurde sie in den Jahren 1812 bis 1819 von Anton Matthias Sprickmann, einem Freund ihres Vaters, unterrichtet und gefördert, der in Münster gegenüber dem Stadthaus der Droste zu Hülshoff wohnte. Schon in Burg Hülshoff lernte die jugendliche Dichterin 1813 ihr Dichteridol Katharina Sibylla Schücking, die Mutter von Levin Schücking, kennen, ebenfalls 1817 Wilhelmine von Thielmann, die Frau des ab 1815 in Münster stationierten preußischen Generals Johann Adolf von Thielmann, die als Tochter von Johann Friedrich Wilhelm von Charpentier hochgebildet war. Auch deren jüngere Schwester Julie, die Verlobte des früh verstorbenen Dichters Novalis, war in Hülshoff eingeladen. Auf diese Weise angeregt, begann die Dichterin schon als 16-jährige ihr unvollendetes Trauerspiel Bertha oder die Alpen und schrieb dann ihr Versepos Walther sowie ihr Romanfragment Ledwina. Um ihre Berufung rang sie ausdrücklich in ihren Jugend-Gedichten Schicksal, Der Dichter, Der Philosoph sowie Unruhe. Die Freundschaft mit Wilhelmine von Thielmann, die zunehmend an psychischen Problemen litt, sah ihre Mutter weniger gern, unterstützte ihre Tochter aber später, indem sie beispielsweise versuchte, 1829 in Münster den Kontakt mit dem etwas jüngeren Philosophie- und Philologieprofessor Christoph Bernhard Schlüter, einem tieffrommen erblindeten Familienvater, herzustellen, was aber zunächst misslang, da dieser die zugesandten Manuskripte für nicht ausreichend erachtete. Schlüter wurde Annette von Droste-Hülshoffs lebenslanger Mentor und Freund.
, Heimat von Annettes Mutter, geb. von Haxthausen, Aquarell von Annette von Droste-Hülshoff (1820) Der Kasseler Architekt Heinrich Wolff, der die 23-jährige Dichterin 1820 in Bökendorf kennenlernte, beschrieb sie als „äußerst geistvolles und schönes Mädchen, die etwas ungemein Liebenswürdiges und Anziehendes in ihrem Wesen hatte“, der Hamburger Kaufmannssohn Friedrich Beneke hielt über seine Gespräche mit ihr in seinem Tagebuch fest: „Eine solche scharfe Klarheit des Verstandes, so unbefangen und tief ist mir selten vorgekommen, und das neben einer so zarten, rührenden Unschuld und Gemütstiefe, neben so vieler Liebe. Das ganze gehalten von bedeutender Geisteskultur und Bildung.“ Bereits mit 23 Jahren hatte sie, zunächst für die fromme zweite Frau ihres Großvaters Werner Adolph von Haxthausen, u. a. den ersten Teil ihres bedeutenden Gedicht-Zyklus Das geistliche Jahr vollendet. Aber weder von ihren mütterlichen Verwandten noch von deren Freunden bekam die junge Dichterin Anerkennung für ihre Schriftstellerei. Zwar faszinierte sie, doch schreckten ihre – als männlich empfundene – geistige Überlegenheit und ihr Zugang zum Übersinnlichen auch ab, so dass sie kein gutes Haar an ihrer Dichtung ließen. Annette erlitt dort ihre sogenannte Jugendkatastrophe, eine Liebesintrige: weil sie den von ihren ostwestfälischen Verwandten vorgeschickten August von Arnswaldt nicht zurückgewiesen hatte, gaben ihr diese Verwandten die Schuld am Zerwürfnis mit Heinrich Straube. Dies erschütterte sie tief, ließ aber zugleich ihre geistliche Dichtung reifen. Die Jahre danach verbrachte sie zurückgezogen, aber auch behütet in ihrem Elternhaus Hülshoff und wandte sich stark der Musik zu. Im Umfeld von Bökendorf hatte sie schon 1818 in Kassel Amalie Hassenpflug kennengelernt, mit der sie ab 1837 eine tiefe Freundschaft bis zu ihrem Tode verband. Besonders in den Jahren 1838 bis 1839 hatte Amalie großen Einfluss auf die Droste, und mehrere Gedichte sind ihr gewidmet.
Nach dem Tod ihres Vaters 1826 wurde der Familienbesitz von ihrem Bruder Werner-Constantin übernommen, so dass sie und ihre ältere Schwester Jenny mit ihrer Mutter auf deren Witwensitz übersiedelten, das Haus Rüschhaus bei Gievenbeck, nicht weit von der Stadt Münster. Dort bewohnte Annette eine kleine Wohnung, die sie ihr „Schneckenhaus“ nannte. Auf engstem Raume pflegte die Dichterin jahrelang ihre Amme, der sie ihr Leben verdankte; sie war stolz, dass sie – trotz oder wegen ihrer eigenen Krankheiten – Kranke, darunter 1831 ihre Freundin Sibylle Mertens-Schaaffhausen, gut pflegen und ihren Bruder Ferdinand und ihren Stief-Onkel Fritz v. Haxthausen im Sterben begleiten konnte, auch wenn sie dadurch so manchen guten Einfall nicht mehr zu Papier bringen konnte. Annette bezog eine Apanage von ihrem Bruder Werner-Constantin, von der sie allerdings ein Kostgeld an ihre Mutter sowie Reisekosten bezahlen musste. Ihre Versorgung, die – übertragen auf heutige Verhältnisse – ungefähr dem Gehalt eines Volksschullehrers entsprach, reichte bei sparsamer Lebensweise zu ihrem Unterhalt und auch zu einer gewissen Wohltätigkeit aus, über deren Ausnutzung sie gelegentlich klagte. Andererseits musste sie sich in Vertretung ihrer reiselustigen Mutter, insbesondere nach dem Auszug ihrer Schwester Jenny, um die Verwaltung des kleinen Gutes und familiäre Angelegenheiten kümmern. Gleichwohl konnte Annette ihrer Liebhaberei nachgehen, dem Sammeln von Fossilien, Münzen und Antiquitäten, die in der Verwandtschaft getauscht wurden. In Rüschhaus war sie auch Gastgeberin ihres Freundeskreises. In dem damals abgelegenen, noch von Heide umgebenen Gehöft entstanden drei große Versdichtungen, zahlreiche Gedichte und Balladen sowie der Entwurf ihrer berühmten Novelle Die Judenbuche. Annette von Droste-Hülshoff besuchte von Rüschhaus aus den Literatursalon der 1831 nach Münster gezogenen Elise Rüdiger, dem sich ab 1837 auch Levin Schücking anschloss. Er beschrieb die außergewöhnliche Ausstrahlung der Dichterin rückblickend wie folgt: Trotz ihres schon bedeutenden Werkes konnte Annette v. Droste-Hülshoff erst im Alter von 41 Jahren 1838 ihren ersten Gedichtband in Münster herausbringen. Er erschien – aus Rücksicht auf Bedenken ihrer Familie gegenüber der damals allgemein in geringem Ansehen stehenden "Weiberschriftstellerei" – mit Unterstützung ihrer Freunde Christoph Bernhard Schlüter und Wilhelm Junkmann halb anonym und hatte, trotz einiger positiver Rezensionen, nur geringen Erfolg. Außer bei ihrer Mutter und ihrer Schwester stieß er in der Verwandtschaft der Dichterin auf Kritik.
Bedeutend für ihr literarisches Wirken waren die Reisen der Dichterin an den Bodensee. Dort lebte, zunächst auf Schloss Eppishausen im Thurgau (Schweiz), ihr späterer Schwager, Freiherr Joseph von Laßberg („Sepp von Eppishusen“). Er war Sammler und Erforscher mittelalterlicher Literatur und Freund zahlreicher Philologen und Dichter. Schon vor seiner Hochzeit mit Annettes Schwester Jenny hatte er durch seine Informationen zum Entstehen des Epos Hospiz auf dem großen Sankt Bernhard der Dichterin, die nie auf dem Großen St. Bernhard gewesen ist, beigetragen. 1835/1836, während der schwierigen Schwangerschaft ihrer Schwester, reiste die Dichterin in Begleitung ihrer Mutter erstmals in die Schweiz. Sie lebte dann fast ein Jahr lang auf diesem Besitz ihres Schwagers und unternahm von dort aus gelegentlich Ausflüge bis in die Appenzeller Alpen und zur Familie Thurn-Valsassina auf Schloss Berg TG, die in Gedichten und Briefen ihren literarischen Niederschlag fanden. Sie befasste sich dort mit mittelalterlicher Literatur, insbesondere dem Lochamer Liederbuch und wurde u. a. bekannt mit den Schweizer Geschichtsforschern Johann Adam Pupikofer und Johann Caspar Zellweger.
Ab 1841 wohnte die Dichterin vorwiegend bei ihrer Schwester und ihrem Schwager auf Schloss Meersburg am Bodensee. Im Winter 1841/42 wurde durch ihre Vermittlung ihr literarischer „Ziehsohn“ Levin Schücking dort Bibliothekar. Die sog. „Dichterwette“ mit ihm inspirierte sie zu einer großen Fülle lyrischer Gedichte. Wie auch viele ihrer dortigen Gedichte zeigen, sah Annette ihr Zuhause aber bis 1846 im Rüschhaus bei Nienberge, wo sie bei ihrer Mutter wohnte, diese auch gelegentlich in der Haushaltung unterstützte und immer wieder ihre Neffen und Nichten in Burg Hülshoff und Haus Stapel unterrichtete. Auf Schloss Meersburg hatte die Dichterin eine abgetrennte Wohnung, zu der auch ein Turm gehörte, von dem aus sie einen weiten Blick über den Bodensee genoss. Dort hielt ihr ihre Schwester den Rücken frei von gesellschaftlichen Verpflichtungen, andererseits war sie in deren Familie geborgen, zu der auch zwei Zwillingskinder gehörten. Sie und ihr Schwager Joseph von Laßberg schätzten sich zwar, er und die bei ihm verkehrenden Germanisten und Historiker, zu denen auch die Dichter Ludwig Uhland, Karl Simrock und Justinus Kerner zählten, lebten allerdings geistig „in einer anderen Welt“. Auch der damals schon betagte Ignaz Heinrich von Wessenberg, der sie zum Kennenlernen aufsuchte, blieb ihr fremd. Freundschaft fand sie jedoch ab 1842 bis zu ihrem Tode mit Charlotte Fürstin zu Salm-Reifferscheidt, die auf dem benachbarten Schloss Hersberg lebte. Ab 1844 erfreute sie dort die Anhänglichkeit der jungen, hochbegabten Philippa Pearsall, die mit ihrem Vater auf Schloss Wartensee am anderen Seeufer lebte und der sie ein Gedicht An Philippa widmete. In Meersburg fand die Dichterin die Balance zwischen Gesellschaft und Einsamkeit. Unter den dortigen Bürgern, „Leuten aus der alten Schule, die so ehrerbietig und doch würdig ihre Stellung auszufüllen wissen“, erholte sie sich. Durch die geschickte Verhandlung ihres jüngeren Freundes und Förderers Levin Schücking mit der Cotta’schen Verlagsbuchhandlung erhielt Annette von Droste-Hülshoff erstmals ansehnliche Honorare für den Abdruck der Judenbuche im Morgenblatt für gebildete Stände und für ihren zweiten Gedichtband, der in diesem Verlag 1844 unter voller Namensnennung erschien und deutlich größere Resonanz erzielte. Hiervon konnte sie bei einer Versteigerung am 17. November 1843 ein Haus, das Fürstenhäusle, erwerben, in Aussichtslage oberhalb der Stadt Meersburg gelegen mit einem kleinen dazugehörigen Weinberg. Sie freute sich sehr darüber, konnte es aber wegen ihrer abnehmenden Gesundheit kaum mehr richtig genießen. Am Nachmittag des 24. Mai 1848 starb Annette von Droste-Hülshoff in ihrer Wohnung auf Schloss Meersburg am Bodensee, umsorgt von der Familie ihrer Schwester und ärztlich betreut von Laßbergs Sohn Hermann von Liebenau, vermutlich an einer schweren Lungenentzündung. Ihre letzten, von ihrer Schwester Jenny berichteten Worte sollen gewesen sein: „Ja! der liebe Gott meint es gut mit mir!“ Ihr Grab befindet sich in der Familiengrabstätte Laßberg-Droste zu Hülshoff auf dem Friedhof Meersburg in Meersburg nahe der alten Friedhofskapelle; neben ihr fanden ihre Freundin Amalie Hassenpflug und in der Nähe mehrere ihrer Verwandten ihre letzte Ruhe.
in Meersburg, ehem. Besitz der Dichterin, heute Droste-Museum Annette von Droste-Hülshoff las seit früher Jugend viel und war gut über die deutsch-, englisch- und französischsprachige Literatur und die aktuellen literarischen Diskurse informiert. Schon ab ihrer Jugend stand sie über Anton Mathias Sprickmann, Wilhelmine von Thielemann und Adele Schopenhauer in Verbindung mit nahen Bekannten von Goethe und Schiller. Sie nutzte nicht nur ausgiebig die Hausbibliotheken an den Familiensitzen, sondern war eine eifrige Kundin der Bücherverleiher und Mitglied eines literarischen Salons in Münster, der sogenannten Heckenschriftsteller-Gesellschaft, den ihre enge Freundin Elise Rüdiger gegründet hatte und dem auch ihr literarischer Ziehsohn Levin Schücking angehörte. Zwar stand sie in brieflichem Kontakt mit zahlreichen intellektuellen Zeitgenossen innerhalb und außerhalb ihrer Familie; ihr Briefwechsel enthält viele literarische Kostbarkeiten und zeigt ihr klares Urteil über jüngere Schriftsteller, wie z. B. Ferdinand Freiligrath und den von ihr geförderten Wilhelm Junkmann. Jedoch lehnte sie die Anpassung an Modeströmungen und Bemühungen um Bekanntheit ab und war selbstbewusst genug, ihren Nachruhm vorauszusehen.
Annettes Werdegang zu einer der bedeutendsten Schriftstellerinnen ging zunächst mit dem einer Musikerin und Komponistin einher. Ihr Wirken als Komponistin wurde lange Zeit verdrängt oder vergessen. Dabei standen ihre Musik und ihr Dichten zunächst miteinander in Wechselwirkung. Annettes Eltern waren offen für Musik, ihr Vater war selbst passionierter Violinist. Im Stammsitz der Droste-Hülshoffs auf Burg Hülshoff befindet sich noch heute eine ansehnliche Noten- und Musikmaterialien-Sammlung, die für das häusliche Musizieren im Familienkreis unerlässlich war. Die Kinder der Familie wurden oft in Konzert- und Musiktheaterveranstaltungen mitgenommen und mit der zeitgenössischen Musik vertraut gemacht. Annettes Onkel Maximilian-Friedrich von Droste zu Hülshoff war selbst Komponist und Freund Joseph Haydns. Ab 1809 erhielt Annette Klavier- und Orgelunterricht, u. a. beim Organisten der Stiftskirche Hohenholte. Sie wurde oft gebeten, vorzuspielen oder andere am Klavier zu begleiten – so perfektionierte sie nach und nach ihr Können. Im Jahre 1812 schrieb ihre Mutter Therese begeistert, dass sich die Tochter „mit aller Heftigkeit ihres Charakters auf’s Componieren geworfen“ habe. Im Jahre 1820 gab Annette ihr erstes öffentliches Konzert in Höxter, bei dem sie unvorbereitet sowohl beim Gesang wie der Klavierbegleitung den Part anderer Mitwirkender übernahm. Erst spät, zwischen 1824 und 1831, erhielt Annette auch Gesangsunterricht. Über ihre Stimme wurde berichtet, sie sei „voll, aber oft zu stark u. grell, geht aber sehr tief, u. ist dann am angenehmsten“. Aus Köln wird berichtet, dass sie eine bessere Stimme als Angelica Catalani (1780–1849) gehabt habe, die als eine der besten Sopranistinnen ihrer Zeit galt. Annette gab auch anderen Familienmitgliedern Unterricht in Gesang und am Klavier. Im Jahre 1821 bekam Annette von ihrem Onkel Maximilian eine Ausgabe seiner Kompositionslehre Einige Erklärungen über den General=Baß und die Tonsetzkunst überhaupt geschenkt, worüber sie freudig schreibt: „Was folgt daraus? Dass ich aus Dankbarkeit das ganze Werk von Anfang bis zu Ende durchstudiere und auswendig lerne!“ Optimal vorbereitet – auch durch das Studium zeitgenössischer Musikschriften und Kompositionen – begann Annette zu komponieren. Zu vier Opernprojekten entstanden mehr oder weniger ausgeführte Libretti und Musik. 1836 wurde sie während eines Aufenthaltes im Schweizerischen Eppishausen auf das Lochamer Liederbuch aufmerksam gemacht und angeregt, die darin enthaltenen Lieder für Singstimme und Klavier zu bearbeiten. So haben sich rund 74 Lieder aus ihrer Feder erhalten, die sich ganz auf die Gebote der damaligen Liederschulen berufen und sich durch ihre leichte und eingängige Singbarkeit auszeichnen. Mit Clara Schumann und Robert Schumann stand Annette – über ihren Bruder Werner-Constantin – in brieflichem Kontakt: 1845 bat die berühmte Pianistin und Komponistin Annette – vergeblich – um ein Libretto, damit ihr Mann es vertone. Robert selbst hatte bereits ein Gedicht von Annette (Das Hirtenfeuer, op. 59,5) in Musik gesetzt, das 1844 in einer Gedichtsammlung erschienen war, die er sehr schätzte. Annette spielte ihre eigenen Werke nie öffentlich. Erst 1877 kam ihr Wirken als Komponistin ans Licht, als Christoph Bernhard Schlüter (1801–1884) einige Werke aus dem Nachlass der Dichterin veröffentlichen ließ (Lieder mit Pianoforte-Begleitung. Componirt von Annette von Droste-Hülshoff). Er setzte ihr auch im Nekrolog von 1848 ein Denkmal, indem er „ihr großes Talent für Gesang und Musik“ hervorhob und auch, dass sie die „seltenste Gabe“ besaß, „Poesie in Musik und Musik in Poesie zu übersetzen“. Erst im 20. Jahrhundert wurde ihr Nachlass komplett gesichtet und somit auch ihre Musik eingehender untersucht. Annette von Droste-Hülshoff verknüpfte ihre musikalische Begabung mit einem hohen Anspruch, was aber auch zu einem Konflikt mit ihren literarischen Ambitionen führte: „… das Operntextschreiben ist etwas gar zu Klägliches und Handwerksmäßiges.“ Letztlich hat sich Annette für die Poesie entschieden – die Musik trat in den Hintergrund. Ihr (musikalischer) Nachlass befindet sich heute als Dauerleihgabe in der Universitäts- und Landesbibliothek Münster.
Neben einer Zeichnung von Adele Schopenhauer aus dem Jahr 1840 existieren viele Gemälde von Johann Sprick (1808–1842), den sie oft finanziell unterstützte. Fotografisch porträtiert wurde sie von Friedrich Hundt, durch den Daguerreotypien von Annette von Droste-Hülshoff der Nachwelt erhalten blieben.
DBP 1961 361 Annette von Droste-Hülshoff.jpg|Briefmarke 1961 Neben der bereits erwähnten 20-DM-Banknote war Annette von Droste-Hülshoff auch als Motiv auf zwei deutschen Briefmarken-Dauerserien zu sehen: ab 1961 im Rahmen der Serie Bedeutende Deutsche und ab 2002 im Rahmen der Serie Frauen der deutschen Geschichte. Anlässlich des 225. Geburtstages wurden im Januar 2022 eine Sonderbriefmarke und eine 20-Euro-Silbermünze herausgegeben. Der Annette-von-Droste-Hülshoff-Preis, der Asteroid (12240) Droste-Hülshoff und der Droste-Preis der Stadt Meersburg wurden nach ihr benannt. Mehrere Schulen und Straßen in zahlreichen Städten führen ihren Namen. 1896 wurde in Münster ein Denkmal mit einer von Anton Rüller geschaffenen Bronzebüste zum 100. Geburtstag von Annette von Droste-Hülshoff am Kanonengraben in Münster feierlich enthüllt. 1905 wurde das Denkmal an die Kreuzschanze versetzt. Im Schlosspark von Burg Hülshoff befindet sich ein Denkmal von Anton Rüller und Heinrich Fleige aus dem Jahr 1896. Das Denkmal diente als Vorlage für eine Büste, die sich heute in der Nähe der Burg Meersburg befindet. Sie wurde kurz danach von Emil Stadelhofer gefertigt und zum 50. Todestag der Droste 1898 enthüllt. Der Droste-Stein im Königslau, einem Wald in der Nähe von Bökendorf, wurde im Jahr 1964 zur Erinnerung an Annette von Droste-Hülshoff errichtet. Der Hinweis auf den Standort der Judenbuche beruht auf einem Irrtum. Der Mord an dem Juden Soistmann Berend aus Ovenhausen am 10. Februar 1783, der die Droste zu ihrer Novelle Die Judenbuche anregte, geschah am Südhang des Berges auf dem Waldweg von Bökendorf nach Ovenhausen. Droste-Turm heißt ein Turm beim Schloss Wehrden, in dem die Dichterin nachweislich an ihrer Ballade Der Fundator gearbeitet hat. Droste-Tempelchen heißt ein Pavillon beim Mallinckrodthof in Borchen, wo Annette an ihrer Novelle Die Judenbuche gearbeitet haben soll. In vielen Städten wurde eine Straße nach Annette von Droste-Hülshoff benannt, auch in ihrem Heimatort Roxel. Zudem wird der Stadtteil Münsters am Ortseingangsschild als Geburtsort der Dichterin beworben. Im Juni 2012 wurde bekannt, dass die Gemeinde Havixbeck, der nach der kommunalen Neuordnung im Jahre 1975 die Burg Hülshoff zugeschlagen wurde, plane, ihre Ortseingangsschilder mit dem Zusatz „Havixbeck – Geburtsort der Annette von Droste-Hülshoff“ zu versehen, was in Roxel als „Geschichtsverfälschung“ kritisiert wurde.
„Die Droste“ war und ist Gegenstand zahlreicher literaturwissenschaftlicher Studien, die insbesondere durch die Annette-von-Droste-Gesellschaft und die Droste-Forschungsstelle des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe gefördert werden. Ihr literarisches und musikalisches Werk sowie ihre Korrespondenz sind durch eine historisch-kritische Werkausgabe und die Droste-Jahrbücher gut erschlossen. Ihr Andenken als bedeutendste Dichterin des 19. Jahrhunderts und eine der frühesten und wichtigsten deutschsprachigen Dichterinnen wird auch durch die Droste-Museen an ihren Wirkungsstätten, durch Droste-Literaturpreise, durch die Annette von Droste zu Hülshoff-Stiftung mit ihrem center for literature auf Burg Hülshoff, durch zahlreiche Schulen mit ihrem Namen und durch Romane und Filme mit Bezug zu ihrem Leben und Schaffen aktuell gehalten. Schriftsteller wie z. B. Gertrud von le Fort, Reinhold Schneider und Werner Bergengruen schätzten Annette von Droste-Hülshoff. Sarah Kirsch drückt in ihrem Gedicht Der Droste würde ich gerne Wasser reichen ihre Bewunderung für die Kollegin aus, mit der sie, die „Spätgeborene“, „glucksend übers Moor“ geht, und interpretiert die Beziehung Droste-Hülshoffs zu Levin Schücking (Ihr Lewin, Beide lieben wir den Kühnen). Mit dem Leben der Droste befassen sich mehrere Biografien und biografische Romane. Karen Duve z. B. erzählt mit Fräulein Nettes kurzer Sommer, erschienen 2018, in Romanform mit detailreichem Blick auf das familiäre Umfeld und das Milieu der jungen Spätromantiker von einer kurzen Phase im Leben der 20-jährigen Droste-Hülshoff, die sich als tiefgreifende Zäsur prägend auf ihr weiteres Leben und Werk auswirkte. Annette von Droste-Hülshoff regte auch das schriftstellerische Talent späterer Mitglieder ihrer Familie an: Ihr Neffe Ferdinand von Droste zu Hülshoff, ihr Patenkind Elisabeth von Droste zu Hülshoff, ihre Nichte Therese Dahn und ihr Ur-Urgroßneffe Wilderich von Droste zu Hülshoff (u. a. Verfasser des Buches Annette v. Droste-Hülshoff im Spannungsfeld ihrer Familie) publizierten bzw. publizieren belletristisch. Ein Brief von Annette von Droste-Hülshoff an Anton Matthias Sprickmann aus dem Jahr 1819 wurde von Walter Benjamin in die Briefsammlung Deutsche Menschen aufgenommen.
* Wilderich von Droste zu Hülshoff: Annette von Droste-Hülshoff im Spannungsfeld ihrer Familie (= Aus dem deutschen Adelsarchiv. Band 11). C. A. Starke, Limburg (Lahn) 1997, ISBN 3-7980-0683-0. * Karen Duve: Fräulein Nettes kurzer Sommer. Roman. Galiani, Berlin 2018, ISBN 978-3-86971-138-6. * Maria Regina Kaiser: Annette von Droste-Hülshoff. Dichterin zwischen den Feuern. Romanbiografie. Südverlag, Konstanz 2021, ISBN 978-3-87800-144-7.
* Burg Hülshoff bei Havixbeck * Haus Rüschhaus, Münster * Fürstenhäusle, Meersburg * Burg Meersburg, Meersburg * Schloss Bökerhof, Bökendorf
Im Westfälischen Literaturarchiv des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) werden Arbeitsmanuskripte und Reinschriften aus dem „Meersburger Nachlass“ der Annette von Droste-Hülshoff aufbewahrt und digitalisiert. Am 28. September 2012 wurde die Annette von Droste zu Hülshoff-Stiftung offiziell anerkannt. Sie will das Geburtshaus der Dichterin auf Burg Hülshoff bei Havixbeck dauerhaft für die öffentliche Nutzung erhalten. Darüber hinaus werden literarische Veranstaltungen, Ausstellungen und Forschungsvorhaben gefördert.
Seit dem Frühjahr 2021 gibt es zwischen den westfälischen Erinnerungsorten der Dichterin einen Lyrik-Wanderweg für Wanderer und Radfahrer mit zahlreichen Stationen und lehrreichen Hinweisen zu ihrem Werk.
* Gedichte. Aschendorffsche Buchhandlung, Münster 1838. ** Das Hospiz auf dem großen Sankt Bernhard (Epos, 1828–1833) ** Des Arztes Vermächtnis (Epos, 1834) ** Die Schlacht im Loener Bruch A. 1623 (Epos, 1837/1838) ** Der Graf von Thal * Die Judenbuche (Novelle erschienen in der Zeitschrift Morgenblatt für gebildete Leser), 1842. * Gedichte von Annette Freiin von Droste-Hülshof [sic!]. Cotta’sche Verlagsbuchhandlung, Stuttgart/Tübingen 1844. (; ) ** Zeitbilder (1841–1843) *** Die Stadt und der Dom. Eine Karikatur des Heiligsten ** Heidebilder (1842) *** Der Knabe im Moor (Ballade, 1842) ** Fels, Wald und See (1841–1843) ** Gedichte vermischten Inhalts *** Clemens von Droste *** Die Taxuswand (1841) *** Das Spiegelbild (1842) *** Des alten Pfarrers Woche *** Die beste Politik ** Balladen (1840–1842) *** Der Tod des Erzbischofs Engelbert von Köln *** Das Fegefeuer des westfälischen Adels *** Die Stiftung Cappenbergs *** Meister Gerhard von Köln *** Kurt von Spiegel *** Das Fräulein von Rodenschild *** Der Spiritus Familiaris des Roßtäuschers * Westfälische Schilderungen. 1845. * Das geistliche Jahr (Gedicht-Zyklus), 1818–1820/1839–1840 (). * Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Rümpler; Grimpe, Hannover 1860 (; ) ** Mondesaufgang (Gedicht, 1844) ** Im Grase (Gedicht, 1844) ** Am letzten Tag des Jahres (Silvester) * Joseph. Eine Kriminalgeschichte. Fragment, geschrieben 1845, veröffentlicht 1886. * Bei uns zu Lande auf dem Lande (Fragment, Nachlass), 1862. * Winfried Woesler (Hrsg.): Historisch-kritische Ausgabe. Werke, Briefwechsel. 13 Bände in 25 Teilbänden. Niemeyer, Tübingen 1978–2000 * Annette von Droste-Hülshoff: Gedichte und Prosa. Manesse, Zürich 1998, ISBN 3-7175-1100-9 (Auswahl und Nachwort von Emil Staiger). * (Irmgard Elfriede) I. E. Walter (Hrsg.): Droste-Hülshoffs Werke in einem Band. Bearbeitet und gedeutet für die Gegenwart. Reihe: Die Bergland-Buch-Klassiker. Das Bergland-Buch, Salzburg 1954; wieder: Deutscher Bücherbund, o. J. (1954)
* 15 Lieder für Singstimme und Klavier (etwa bis Herbst 1838), in Reinschrift zusammengefasst * Minnelieder, 5 Lieder für dasselbe (vor 1834) * 8 Einzellieder für dass. * 4 Liedfragmente für dass. * 4 mehrstimmige Lieder * Lochamer Liederbuch für Singstimme und Klavier (1836, Bearbeitung)
* Babilon (nach Babylon von Friedrich de la Motte Fouqué), 3 Idyllen aus dem Frauentaschenbuch für das Jahr 1820, S. 1–38 (zwischen 1820 und 1837), Vorspiel und Musik für 6 Textpassagen als Orchester- und/oder Klavierfassung * Der blaue Cherub (nach Der blaue Cherub, Singspiel von Adam Oehlenschläger, Kassel 1823, 1828) (zwischen 1823 und 1837), Anmerkungen für die geplante Komposition, Verzeichnis der Stimmlagen für die handelnden Personen erhalten; Arie für Singst. und Kl. Einst zogs mich nach Südlands Auen * Der Galeerensklave (nach Der Galeeren-Sklav von M. Fernouillot de Falbaire, dt. Münster 1777) (1820er Jahre), Libretto als Prosa-Entwurf, keine Musik erhalten * Die Wiedertäufer (etwa zwischen 1837 und 1839), nur musikalische Motive erhalten
Viele wichtige Beiträge sind in den Publikationen der Annette von Droste-Gesellschaft (Droste-Jahrbuch; Jahrbuch der Droste-Gesellschaft; usw.) erschienen, vgl. ihr . Einer der bekanntesten Autoren zu und Herausgeber von Werken von Annette von Droste-Hülshoff war Clemens Heselhaus. Er gab Ausgewählte Werke, Werke. In einem Band und Sämtliche Werke heraus, die in mehreren Auflagen erschienen. *Heinz Ludwig Arnold (Hrsg.): Kindlers Literatur Lexikon. 3., völlig neu bearbeitete Auflage, 18 Bde., Metzler, Stuttgart 2009, ISBN 978-3-476-04000-8. Band 3, S. 781–786. * Ludwig Bäte: Annette am Bodensee. Versuch einer Deutung. Verlag Deutsche Volksbücherei, Goslar 1947, . * Peter Berglar: Annette von Droste-Hülshoff in Selbstzeugnissen und Bilddokumenten. Rowohlt, Reinbek 1967, ISBN 3-499-50130-9 (ISBN der 16. Auflage 1992). * Barbara Beuys: Blamieren mag ich mich nicht. Das Leben der Annette von Droste-Hülshoff. München 1999, ISBN 3-446-19751-6. * Cornelia Blasberg, Jochen Grywatsch (Hrsg.): Annette von Droste-Hülshoff Handbuch. de Gruyter, Berlin 2018, ISBN 978-3-11-035194-1. * Renate Böschenstein: Idylle, Todesraum und Aggression. Beiträge zur Droste-Forschung. Hrsg. von Ortrun Niethammer. Bielefeld 2007. * Dieter Borchmeyer: Des Grauens Süße. Annette von Droste-Hülshoff. Hanser, München 1997. ** Überarb. Neuaufl.: Annette von Droste-Hülshoff. Darf nur heimlich lösen mein Haar. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2003. * Günther Butkus, Frank Göhre (Hrsg.): So wie du mir. 19 Variationen über Die Judenbuche von Annette von Droste-Hülshoff. Bielefeld 2010, ISBN 978-3-86532-200-5. * Monika Ditz, Doris Maurer: Annette von Droste-Hülshoff und ihre Freundinnen. Turm-Verlag, Meersburg 2006, ISBN 3-929874-05-9. * Wilderich von Droste zu Hülshoff: Annette von Droste-Hülshoff im Spannungsfeld ihrer Familie (= Aus dem deutschen Adelsarchiv. Band 11). C. A. Starke, Limburg (Lahn) 1997, ISBN 3-7980-0683-0. * Wilderich von Droste zu Hülshoff: 900 Jahre Droste zu Hülshoff. 2. erweiterte Auflage, Verlag LPV Hortense von Gelmini, Horben 2022, ISBN 978-3-936509-19-9. * Karl Gustav Fellerer: Das Lochamer Liederbuch in der Bearbeitung der Annette von Droste-Hülshoff. In: Musikforschung. 5, 1952. * Karl Gustav Fellerer: Annette von Droste-Hülshoff als Musikerin. In: Archiv für Musikwissenschaft. 10, 1953. * Anna Focher: Annette von Droste-Hülshoff, poetessa e musicista. In: Nouvelle Rivista Musicale Italiana. 20, 1986. * Ottmar Fuchs: Subkutane Revolte. Annette von Droste-Hülshoffs »Geistliches Jahr«. Eine theologische Entdeckung. Grünewald, Ostfildern 2021, ISBN 978-3-7867-3261-7. * Walter Gödden: „Sehnsucht in die Ferne“ – Reisen durch die Biedermeierzeit. Drosten, Düsseldorf 1996, ISBN 3-7700-1071-X. * Wilhelm Gössmann: Das Schuldproblem im Werk Annettes von Droste-Hülshoff. Tokio 1956, (Dissertation Universität München, Philosophische Fakultät, 11. Juni 1956, 164 gezählte Blätter, 4, Maschinenschrift). * Jochen Grywatsch (Hrsg.): Raum. Ort. Topographien der Annette von Droste-Hülshoff. Droste-Jahrbuch 7, 2007/2008. Hannover 2009, ISBN 978-3-86525-117-6. * Jochen Grywatsch (Hrsg.): Zimmer frei. Zehn museale Entwürfe für Annette von Droste-Hülshoff. Neue Wege der Literaturausstellung. Bielefeld 2011, ISBN 978-3-89528-869-2. * Günter Häntzschel (Hrsg.): Gedichte und Interpretationen. Band 4: Vom Biedermeier zum Bürgerlichen Realismus. Reclam, Stuttgart 2000 [zuerst 1983], S. 145–167 [Interpretation zu Am letzten Tage des Jahres (Silvester) von Winfried Woesler und Im Grase von Heinz Rölleke]. ISBN 978-3-15-007893-8. * Clemens Heselhaus: Annette von Droste-Hülshoff. Bagel, Düsseldorf 1971, ISBN 978-3-513-02119-9. * Vanessa Höving: Projektion und Übertragung. Medialitätsverhandlungen bei Droste-Hülshoff. Rombach Druck- und Verlagshaus, Freiburg 2018, ISBN 978-3-7930-9903-1. * Angelika Jakob: Muss wandeln ohne Leuchte. Annette von Droste-Hülshoff – eine poetische Biographie. Siegen 1997 (Paderborn 1994), ISBN 3-927104-66-3. * Ursula Koch: Nur ein Leuchten dann und wann. Brunnen Verlag, Gießen 2001, ISBN 3-7655-1685-6. * Franz Josef Kosel: Die wilde hartbezähmte Glut. Das Leben der Annette von Droste-Hülshoff in Bildern. Anno-Verlag, Ahlen 2019, ISBN 978-3-939256-86-1. * Herbert Kraft: Annette von Droste-Hülshoff. Ein Gesellschaftsbild. Aschendorff, Münster 1996, ISBN 3-402-03214-7. * Herbert Kraft: Annette von Droste-Hülshoff. 5., neubearb. Auflage. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1998, ISBN 3-499-50517-7. * Wilhelm Kreiten: Anna Elisabeth Freiin von Droste-Hülshoff. Ein Charakterbild als Einleitung in ihre Werke. Paderborn 1886, 2. Auflage 1900. * Claudia Liebrand: Kreative Refakturen. Annette von Droste-Hülshoffs Texte. Freiburg 2008. * Claudia Liebrand, Irmtraud Hnilica, Thomas Wortmann (Hrsg.): Redigierte Tradition. Literaturhistorische Positionierungen Annette von Droste-Hülshoffs. Ferdinand Schoeningh, Paderborn 2010. * Doris Maurer: Annette von Droste-Hülshoff. Turm-Verlag, Meersburg 1996, ISBN 3-929874-01-6. * John Meier, Erich Seemann: Volksliedaufzeichnungen der Dichterin Annette von Droste-Hülshoff. In: Jahrbuch für Volksliedforschung. 1, 1928. * Gert Oberempt: Die Dichter und die Droste. Produktive Lektüre in der klassischen Moderne. (= Veröffentlichungen der Literaturkommission für Westfalen. Band 7) Aisthesis-Verlag, Bielefeld 2003, ISBN 3-89528-408-4. * Gerhard Oberlin: Droste verstehen – Text und Deutung. Königshausen & Neumann. Würzburg 2023. ISBN 978-3-8260-7804-0. * Aribert von Ostrowski: Droste (Second sight). Eine Ausstellung im Museum für Westfälische Literatur – Kulturgut Haus Nottbeck in Oelde. Hrsg. v. 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* Audio-Book: Annette von Droste-Hülshoff. HörVerlag, München 1997 (Inhalt: Walter Gödden, Nachtwandlungen. Hörspiel – Penny S. Michel liest Gedichte der Droste). * „Levin, lieber Junge“. Annette von Droste-Hülshoffs Briefwechsel mit Levin Schücking. Ardey, Köln/Münster 2000, ISBN 3-87023-119-X [Edition Nyland. zwei Audio CDs]. * Annette von Droste-Hülshoff: Ledwina. Ein Hörfeature von Walter Gödden. Gelesen von Sabine Negulescu. Aschendorff, Münster 2007, ISBN 978-3-402-00435-7. * Allein mit meinem Zauberwort, Annette von Droste-Hülshoff am Bodensee. VHS-Video, SWR Landesschau 2000, SWR Media, Baden-Baden. * Annette Droste. Gedichte – Prosa – Briefe – Musik. 3 CDs mit vollständigem Text. Lutz Görner. Am Flügel: Annekatrin Sonn, Naxos Hörbücher – Putzbrunn/München/Kirchheim bei München 2002, ISBN 978-3-89816-110-7. * „Wenn ich träume …“ Droste-Musik aus dem Fürstenhäusle in Meersburg. Annette und Maximilian von Droste-Hülshoff. WETO-Verlag, CD 98029, 1998. * Allein mit meinem Zauberwort. Annette von Droste-Hülshoff. Ihr Leben in Briefen, Gedichten, Prosa und Musik. Von Georg Brintrup. Soirée des SWR mit Marianne Kehlau, Ludwig Thiesen, Armas Sten Fühler, Friedrich von Bülow, Gisela Zoch-Westphal, Gert Westphal u. a. Erstsendung am 10. Juni 1978 (160 Minuten).
* der Annette von Droste-Gesellschaft. * im Internet Archive * der Literaturkommission für Westfalen und des Westfälisches Literaturarchiv * Ulrich Goerdten: . * Droste-Handschriften in deutschsprachigen Bibliotheken und Archiven. * – literarisches Web-Projekt über Annette von Droste-Hülshoff * Christiane Kopka: ] ZeitZeichen vom 10. Januar 2022. (Podcast) * SWR-2-Musikstunde vom 17. April 2023: (Teil 1 bis 5, je 60 Minuten)
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Aktualismus (Geologie)
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Der Aktualismus (lat. „wirklich“), auch Aktualitätsprinzip, Uniformitäts- oder Gleichförmigkeitsprinzip, englisch Uniformitarianism, ist die grundlegende wissenschaftliche Methode in der Geologie. in den bayrischen Haßbergen Das Prinzip der Gleichförmigkeit der Prozesse besagt, dass die geologischen Vorgänge der Gegenwart sich nicht von denen der erdgeschichtlichen Vergangenheit unterscheiden. Diese Annahme bildet die theoretische Grundlage, um mithilfe vergleichender Ontologie von aktuellen geologischen Bildungsprozessen direkte Rückschlüsse auf solche in der Vergangenheit ziehen zu können. Finden sich beispielsweise in Sedimentgestein Strukturen, die denen in Sedimenten von heute gleichen (z. B. Rippelmarken), lässt sich daraus ableiten, dass sich die fossilen Strukturen im Gestein auf dieselbe Weise gebildet haben wie die rezenten im Sediment und es sich somit um dieselbe Art von Sedimentstruktur handelt. Damit stellt der Aktualismus einen Sonderfall einer allgemeinen wissenschaftlichen Regel dar, des Einfachheitsprinzips. Es besagt, dass man keine zusätzlichen oder unbekannten Ursachen zur Erklärung eines Phänomens heranziehen soll, solange bekannte Ursachen dafür ausreichen. Das Gegenteil der aktualistischen Methode ist der Exzeptionalismus. Noch allgemeiner gefasst ist das Axiom der Gleichförmigkeit der Gesetze. Hierbei nimmt man an, dass überall und zu jeder Zeit dieselben Naturgesetze herrschen und geherrscht haben. Wie jedes Axiom ist es prinzipiell nicht beweisbar, aber ohne diese Grundannahme wäre wissenschaftliches Arbeiten von vornherein unmöglich. Der Aktualismus wurde als Hypothese mehrfach angefochten, zuletzt durch die Vertreter der Historizität. Dieser Begriff besagt, dass die Naturgesetze sich mit den Bedingungen in geologischen Zeiträumen geändert haben können. Wir würden also heute mit einem Maßstab messen, der sich zeitabhängig geändert hätte. Die theoretische Physik geht hingegen von einer Permanenz und Konstanz der Naturgesetze aus. Die Veränderlichkeit von Anfangs- und Randbedingungen geologischer Prozesse im Verlauf der Erdgeschichte reicht demnach aus, um die in der geologischen Überlieferung auftretenden Phänomene, die kein gegenwärtiges Pendant haben, zu erklären.
Von einigen Vorläufern abgesehen (Georg Christian Füchsel, Georges-Louis Leclerc de Buffon, James Hutton) wurde der Aktualismus wissenschaftlich, ausführlich erstmals von dem Gothaer Geologen Karl Ernst Adolf von Hoff (1771–1837) in seinem mehrbändigen Werk Geschichte der durch Überlieferung nachgewiesenen natürlichen Veränderungen der Erdoberfläche (1822, 1824, 1834 und 1840) formuliert und mit vielen weltweit beobachteten Beispielen aus der Literatur und aus Berichten der bis 2000 Jahre zurück liegenden Erdgeschichte belegt und danach von Charles Lyell in seinem Hauptwerk Principles of Geology (1830) übernommen und weiterentwickelt. Allerdings vermengte Lyell diese methodologischen Ansätze, die selbst von seinen Gegnern nie bezweifelt wurden, in geschickter (aber unzulässiger) Weise mit seiner Theorie von der Gleichförmigkeit der Veränderungen (Gradualismus). Im Gegensatz zum damals noch herrschenden Erklärungsmodell des Katastrophismus begründeten v. Hoff und Lyell, dass es in der Erdgeschichte niemals zu Phasen erhöhter geologischer Aktivität gekommen sei, wie etwa verstärkter Vulkanismus, besondere Gebirgsbildungsphasen oder eine schubweise beschleunigte Entwicklung der Lebewesen. Dazu fehlte ihnen noch die Kenntnis vom wahren Zeitumfang der Erdgeschichte. Selbst umfassende Umwälzungen der Erde seien ausschließlich durch die langsame Summierung von unzähligen kleinen Ereignissen zu erklären, die sich nach und nach, im Laufe riesiger Zeiträume, akkumuliert hätten. Ebenso vertrat Lyell die Gleichförmigkeit der Zustände. Zum Beispiel widersprach er der damals (und heute) gängigen Ansicht, die Erde müsse aus einem einstmals glutflüssigen Zustand erstarrt sein, und behauptete ein immer gleichbleibendes Verhältnis zwischen kontinentaler Kruste und Ozeanbecken. Auf Grund von Lyells rhetorischem Geschick und der Veröffentlichung in englischer Sprache wurden seine gradualistischen Ansichten rasch von breiten Kreisen übernommen und besonders Georges Cuviers katastrophistische Kataklysmentheorie wurde schon um 1850 fast vollständig zurückgedrängt. Von Hoffs Ideen wurde zwar von deutschen Geowissenschaftlern weiter entwickelt, gerieten aber später unberechtigt in Vergessenheit. Obwohl Charles Darwin in seiner Evolutionstheorie ebenfalls eine sehr langsame Entwicklung der Lebewesen in unmerklich kleinen Schritten annahm und damit ganz erheblich zur allgemeinen Akzeptanz des Gradualismus beitrug, kostete es Lyell große Mühe, Darwins Theorie zu akzeptieren. Seiner Meinung nach implizierte die Entstehung völlig neuer biologischer Arten eine viel zu große (weil unumkehrbare) Veränderung im Laufe der Erdgeschichte. Erst gegen Ende seines Lebens gab Lyell unter der erdrückenden Last der Belege nach und schloss sich Darwins Theorie an. Ebenso sah sich Lyell später gezwungen, die Eiszeittheorie von Louis Agassiz anzuerkennen. Dieser wandte bei seiner Erforschung der Gletscher zwar ebenfalls klare aktualistische Methoden an, blieb aber als Schüler Cuviers Anhänger einer Katastrophenlehre. Ein weiterer früher Vertreter des Aktualismus war Constant Prévost.
Schon Karl Ernst Adolf von Hoff, erkannte bereits acht Jahre vor Lyells in seinem Werk Geschichte der durch Überlieferung nachgewiesenen natürlichen Veränderungen der Erdoberfläche (1822–1840), dass der Aktualismus als wissenschaftliche Methode zwar unumgänglich ist, dass er aber als Theorie gelegentlich an seine Grenzen stößt. Hoff war der Meinung, dass zuweilen besondere Hypothesen zur Erklärung früherer Vorgänge herangezogen werden dürften, jedoch nur, wenn die Beobachtungen gegenwärtiger Vorgänge und Kräfte dazu nicht ausreichten. Schließlich hatte man damals noch keine Vorstellungen vom zeitlichen Umfang der Erdgeschichte. Wegen des in englischer Sprache verfassten Lyell’schen Gradualismus gerieten solche Ansätze jedoch weitgehend in Vergessenheit. Erst im Laufe der 1960er und 70er Jahre setzten sich verschiedene Autoren, wie Reijer Hooykaas, Stephen Jay Gould, Martin Rudwick und Roy Porter, wieder kritisch mit dem mehrdeutigen Gleichförmigkeitsbegriff auseinander, wobei sie besonders die Trennung der (axiomatischen) Methode von der (widerlegbaren) Theorie herausarbeiteten. Dies erleichterte in der Folge die „Renaissance“ von katastrophistischen Theorien über den Verlauf der Erdgeschichte, wie zum Beispiel die Deutung der weltweiten Iridium-Anomalie als Resultat eines Meteoriteneinschlags an der Grenze Kreide-Tertiär. Ein Beispiel für die Grenzen der eigentlichen aktualistischen Methode liefert die Interpretation archaischer Tektonik. Hierfür ist es nötig, auf Laborexperimente zurückzugreifen, denn im Archaikum hatte sich das Gestein der Erdkruste noch nicht in die heute zu beobachtenden kontinentalen und ozeanischen Krusten getrennt, konnte sich somit auch noch nicht nach den Gesetzen der heute wirkenden Tektonik verhalten. Ebenso war der Sauerstoffgehalt in der archaischen Atmosphäre so gering, dass sich als Folge riesige Lagerstätten von Eisenmineralen formen konnten, die Bändereisenerze (engl. Banded Iron Formation), deren Bildung heute völlig ausgeschlossen wäre. Generell gilt, dass mit zunehmendem Abstand von der Gegenwart eine aktualistische Deutung geowissenschaftlicher Befunde immer unsicherer wird.
* Marcia Bjornerud: Zeitbewusstheit. Geologisches Denken und wie es helfen könnte, die Welt zu retten. 2. Auflage. MSB Matthes & Seitz Berlin, 2020, ISBN 978-3-95757-923-2. * Stephen Jay Gould: Time’s Arrow, Time’s Cycle. Myth and Metaphor in the Discovery of Geological Time. Harvard University Press, 1987. Reprint in Penguin Books 1990. ISBN 0-14-013572-3. (dt. Die Entdeckung der Tiefenzeit. Zeitpfeil und Zeitzyklus in der Geschichte unserer Erde. ISBN 0-674-89199-6) * Stephen Jay Gould: Is uniformitarianism necessary? In: American Journal of Science. Band 263, 1965. S. 223–228. * Reijer Hooykaas: The Principle of Uniformity in Geology, Biology, and Theology. E. J. Brill, Leiden 1963. * Roy Porter: Charles Lyell and the principles of the history of geology. In: British Journal for the History of Science. Band 9, 1976. S. 91–103. * Martin J. S. Rudwick: The Meaning of Fossils. Macdonald, London 1972. * Dierk Henningsen: Aktualismus in den Geowissenschaften – Die Gegenwart als Schlüssel zur Vergangenheit. In: Naturwissenschaftliche Rundschau. Band 62, Nr. 5, 2009, , S. 229–232.
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